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Energiehandel - Garant für Versorgungssicherheit

Der Handel – Garant für die Versorgungssicherheit

Die Produktion und der Verbrauch von Strom fallen in der Schweiz saisonal höchst unterschiedlich aus: Während im Sommer beträchtliche Überschüsse produziert werden, muss der Strombedarf im Winter durch Importe aus dem angrenzenden Ausland sichergestellt werden. Dieser ständige Ausgleich ist eine der Hauptaufgaben der Geschäftseinheit Handel der BKW FMB Energie AG. Hierzu unterhält sie Beziehungen mit über 200 Handelspartnern im In- und Ausland und beschafft die für den Transport notwendigen Netzkapazitäten.

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Der Handel gewährleistet, dass die richtige Menge Strom zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar ist und die Kraftwerke der BKW optimal eingesetzt werden. Samuel Leupold, Mitglied der Konzernleitung der BKW FMB Energie AG und Leiter des Geschäftsbereichs Energie International und Handel, und Beat Deuber, Leiter der Geschäftseinheit Handel, erklären, warum der Handel zu einer zuverlässigen und effizienten Stromversorgung beiträgt.

Samuel Leupold

Mitglied der Konzernleitung BKW FMB Energie AG und Leiter des Geschäftsbereichs Energie International und Handel

Erklären Sie uns bitte die Vorteile im grenzüberschreitenden Handel?

Samuel Leupold: Dank dem grenzüberschreitenden Handel können Angebot und Nachfrage jederzeit optimal aufeinander abgestimmt werden: Das führt zu mehr Versorgungssicherheit bei gleichzeitig tieferen Kosten. Ein Beispiel: Ohne grenzüberschreitenden Handel müsste die Schweiz – um für alle Fälle gewappnet zu sein – eine deutlich grössere Kraftwerksreserve bereit halten als heute. Dies würde hohe Kosten verursachen, welche schlussendlich vom Konsumenten getragen werden müssten. Für die BKW eröffnet der grenzüberschreitende Handel aber auch zusätzliche Marktchancen, etwa wenn es darum geht, unsere Wasserkraftwerke möglichst gewinnbringend einzusetzen.

An welchen Börsen ist die BKW aktiv und hat eine Marktpräsenz?

Beat Deuber: Die BKW ist in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, in den Niederlanden sowie in Grossbritanien präsent. Nebst dem bilateralem Handel – dem sogenannten Over-theCounter-Handel (OTC) ist die BKW an folgenden Börsenplätzen aktiv: für Strom an der EPEX in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz sowie an der IPEX, für Brennstoffe und Emissionen an der ICE.

Welches ist das Kerngeschäft des BKW-Tradings?

Samuel Leupold: Als Kerngeschäft würde ich die Absicherung der Über- und Unterdeckung sowie die Optimierung unserer flexiblen Kraftwerksleistung in allen Teilmärkten betrachten, das heisst also das Asset-backed-Trading. Daneben betreiben wir in einem begrenzten Umfang auch Eigenhandel und sind erfolgreich mit strukturierten Produkten in unserem OriginationGeschäft unterwegs.

Die BKW handelt an den Marktplätzen, um eine Asset-Optimierung zu gewährleisten. Wie sieht diese Marktpräsenz aus?

Beat Deuber: Der Handel der BKW stellt den wirtschaftlichen Einsatz der Kraftwerke sicher. Die aktuelle Nachfrage- und Angebotsentwicklung auf den europäischen Märkten wird laufend analysiert: Änderung der Nachfrage aufgrund von Witterungseinflüssen, Rohstoffpreisen, Netzengpässen usw. Unsere Kraftwerke werden dann entsprechend optimal eingeplant. Dank einer 24h-Präsenz während 365 Tagen im Jahr sind wir in der Lage, bis kurz vor Lieferung auf Nachfrage- oder Angebotsschwankungen zu reagieren und die natürlich begrenzten Inhalte unserer Speicherseen optimal einzusetzen.

Die BKW ist im Handel von erneuerbaren Energien tätig und stellt massgeschneiderte Produkte für ihre Kunden zusammen. Was ist darunter zu verstehen?

Samuel Leupold: Beispielsweise vermarkten wir in Zusammenarbeit mit unabhängigen Produzenten Windkraftwerke in Deutschland und leisten so einen Beitrag zur Integration der neuen erneuerbaren Energien in den Gesamtmarkt. Weiter beschaffen wir für Kunden - zum Beispiel Stadtwerke, welche ihren Haushaltskunden entsprechende Produkte anbieten - Strom aus zertifizierter Wasserkraft in ganz Europa.

Die BKW bietet ihren Kunden neben dem Handel von Standardprodukten auch Non-Standardprodukte an. Geben Sie uns ein Bespiel.

Beat Deuber: Viele Stromverteiler verfügen über keine flexiblen Kraftwerke in ihrem Erzeugungspark. Aus Risikomanagementüberlegungen möchten sich diese Unternehmen gegebenenfalls mittelfristig eine entsprechende Flexibilität im Portfolio aufbauen. Als Alternative zu langfristigen und kapitalintensiven Investitionen in flexible Kraftwerke bieten wir diesen Handelspartnern zeitlich begrenzte virtuelle Kraftwerksanteile an. Dabei stellen wir den Kunden auf Basis einer Prämie über einen gewissen Zeitraum ein Produkt zur Verfügung, welches über die gleichen Möglichkeiten wie ein reales BKW-Kraftwerk verfügt.

Sie beschäftigen sich auch mit der Analyse des Marktes für Emissionsrechte. Welche Kriterien sind zu beachten?

Samuel Leupold: Der Emissionshandel ist eine marktorientierte Umsetzung des politischen Ziels, den Klimawandel aufgrund der Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Daher reicht es nicht, die Wirtschaftsdaten der emittierenden Industrien zu kennen. Auch die politischen Diskussionen müssen laufend analysiert und interpretiert werden.

Es wird oft von Spot- und Warentermin-Preisen gesprochen. Was ist der Unterschied?

Beat Deuber: Im Spotmarkt werden Geschäfte abgeschlossen, die unmittelbar nach Abschluss zur Erfüllung kommen. Man bietet also heute Strom an und verkauft, morgen wird dann gemäss Vereinbarung geliefert. Ein Stadtwerk kann sich also bei kurzfristigen, zum Beispiel wetterbedingten, Bedarfsschwankungen über den Spotmarkt die nötigen Zusatzmengen beschaffen. Im Terminmarkt werden Lieferungen vereinbart, die unter Umständen erst

Beat Deuber

Leiter der Geschäftseinheit Handel, BKW FMB Energie AG

Jahre später zur Ausführung gelangen. Damit kann sich also beispielsweise ein Verbraucher drei Jahre im Voraus seinen Energiebedarf preislich absichern.

Handeln Sie mit derivativen Instrumenten/Produkten für Kunden?

Samuel Leupold: Selbstverständlich – ohne Derivate geht es doch gar nicht. Aber Sie fragen sicher, weil das Wort «Derivate» bei vielen Menschen negativ besetzt ist. Dabei ist ein Derivat nichts anderes als ein Warentermingeschäft, ein Vertrag also, bei dem Käufer und Verkäufer Lieferzeitpunkt, Liefermenge und Lieferpreis im Voraus vereinbaren. Beide gewinnen dadurch Sicherheit. Derivate können sogenannte Festgeschäfte sein oder sie können Optionalitäten enthalten.

Ein Beispiel für letzteres wären zum Beispiel Kapazitätsrechte für grenzüberschreitenden Stromtransport. Derivate können also durchaus physisch «gesettlet» werden und werden OTC oder an der Börse gehandelt. Wichtig beim Derivatehandel sind funktionierende Risikomanagementinstrumente, um beispielsweise die Kreditwürdigkeit des Handelspartners - und damit auch die zuverlässige Erfüllung des Termingeschäftes – richtig einschätzen zu können.

Was sind OTC-Märkte? Sind diese noch attraktiv?

Beat Deuber: Over the Counter (OTC) bezeichnet das bilaterale Handelsgeschäft zwischen zwei Marktteilnehmern. Also zum Beispiel ein Geschäft, bei dem die BKW einem Stadtwerk Strom verkauft. Die beiden Vertragspartner kennen sich und stehen in direkter Geschäftsbeziehung zueinander. Dies im Gegensatz zum Handel an der Börse, wo Käufer und Verkäufer anonym bleiben und die Börse als Vertragspartei auftritt. Das OTC-Geschäft macht in Mitteleuropa rund 80% des Gesamtvolumens aus, welches gehandelt wird. Die Attraktivität ist a priori nicht höher oder tiefer als die des Geschäfts an der Börse: Im OTC-Geschäft vermeide ich liquiditätswirksames Margining, dafür sind die Gegenparteirisiken höher.

Allerdings könnten die vieldiskutierten neuen Regulierungsvorschriften MiFID der EU dazu führen, dass auch im OTC-Geschäft Margin Calls eingeführt werden. Dies wird die Anforderungen an die Marktteilnehmer punkto Liquiditätsmanagement massiv erhöhen. Die Frage sei erlaubt, ob wir dadurch nicht systematisch kleine und mittlere Marktteilnehmer verdrängen, was ja dem Ziel eines möglichst breiten, wettbewerbsorientierten Energiemarkts widersprechen würde.

Risikomanagement ist in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Wie ist Ihr Unternehmen diesbezüglich organisiert?

Samuel Leupold: Das BKW-Trading verfügt über ein hoch entwickeltes Risikomanagement. Risikomanagement ist ein Kernprozess im Handelsgeschäft und ist mit entsprechenden personellen Ressourcen ausgestattet. So kommt bei uns auf vier Händler ein Risikomanager.

Wir kennen jederzeit unsere konsolidierte Risikopositionen und können entsprechend reagieren, falls unsere Risikolimiten erreicht würden. Selbstverständlich ist die Deckung durch genügend Risikokapital jederzeit gewährleistet. Wichtig sind in diesem Zusammenhang aber auch eine gute interne Fehlerkultur sowie eine funktionierende Governance.

Es wird oft von Cross-Border-Business gesprochen. Was ist darunter zu verstehen?

Beat Deuber: Energiehandel ist seit Jahren ein grenzüberschreitendes Geschäft. Dieser grenzüberschreitende Handel trägt entschieden zu einer ökonomischen und sicheren Stromversorgung bei. Am Beispiel der Schweiz zeigt sich das eindrücklich: Durch die starken saisonalen Unterschiede bei der hydrologischen Stromproduktion exportiert die Schweiz im Sommer beträchtliche Mengen elektrischer Energie und ist auf der anderen Seite während dem Winter aufgrund der geringen Produktion aus hydraulischen Kraftwerken auf Importe angewiesen.

Würde das grenzüberschreitende Handelsgeschäft eingeschränkt, müsste die Schweiz zusätzliche Kraftwerkskapazitäten erschliessen, welche das Ungleichgewicht zwischen Winter und Sommer nur noch vergrössern würden und kaum rentabel betrieben werden könnten.

Böse Zungen behaupten, dass Stromhändler im Ausland auch mit unserer Versorgungssicherheit spekulieren. Trifft dies wirklich zu?

Samuel Leupold: Nein. Das Gespenst des «bösen Spekulanten», der die Gesellschaft schädigt, wird zwar leider immer wieder heraufbeschworen, es trifft aber selten bis nie zu. Oft ist es ja bei genauerer Betrachtung gerade nicht der freie Markt, der Probleme verursacht. Fest steht: Ohne BKW-Trading gibt es keine Versorgungssicherheit für unsere Kunden!

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