firtig Die Zeitung zum Feiertag 4. Ausgabe, 1.August 2010
100% SwiSS maDe
In Zürich, Bern und Luzern geschrieben, in Schaffhausen gedruckt und immer pünktlich. Fuck Kantönligeist, hopp FIRTIG!
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Du lieber gott...
oder wer auch immer da oben rumhängt. FIRTIG bringt mit dem ultimativen Glaubensgemeinschaftsrating Licht ins Dunkel unserer gottlosen Zeiten.
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boMbenAlArM
Unser Fachteam für Pyromanie und explosive Substanzen zeigt, wie man sich den 1. August noch knalliger gestaltet…
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eiS AM Stiel
Weniger feurig, dafür voll Porno geht es in unserer Gastro-Abteilung zu und her. FIRTIG nimmt eine ziemlich coole August-Rakete unter die Lupe: das Erfolgsmodell Apollo.
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
FreeSTyle impreSSum Der FirTiG iST: Die einzige gedruckte Zeitung der Stadt Zürich, die an Feiertagen erscheint (und nur dann). 4. Ausgabe, 1. August 2010. GeSchrieben haben: Alejandro Jimenez, Nora Steiner, Natalie Gyöngyösi, Lisa Catena, Richard Oppermann, Fabienne Schmuki, Monika Hardmeier, Deborah Sutter, David Signer. GelayouTeT haben: Dominique «Fixi-Trixi» Magnusson. Sogar während ihren Ferien, im Fall. GeknipST haben: Danilo Neve (lightriders.ch), Lena Elbert (lenielbert.de), Peter Hauser & Sebi Herzog (hauserundherzog.ch). TiTelFoTo: Lena Elbert. GeilluSTrierT haben: Bea Kaufmann (gutundschoen.ch), Tino Jonathan Schelker, Julia Marti (juliamarti.com), Christina Baeriswyl (mdpt.ch), Claudio Kaiser, fahrenheit451 (fh451.com). GebilDreDakTionierT haben: Simon Smit, Marco Rüegg, Dominique Magnusson. inTerneTTen Tun: Simon Smit, Heimo Paffhausen. kirSchSTänGeli, ehrenmeDaillen, GeTränkeGuTScheine unD einlaDunGen Für SchmuTZiGe hauSparTieS an Die herauSGeber: Simon Smit und Marco Rüegg. Druck: ZDS Zeitungsdruck Schaffhausen AG auFlaGe: 3000 Exemplare reDakTionSaDreSSe: FIRTIG, Pflugstrasse 7 8006 Zürich miTmachen? redaktion@firtig.ch werben? anzeigen@firtig.ch Der nächSTe FirTiG erScheinT, nun ja, wiSSen wir auch noch nichT So Genau. Guck Doch einFach im inTerneT!
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Zürcher Stadtpolizei. Wir nehmen dran. Mit regelmässiger Patrouille auf Kinderspielplätzen im Seefeld und der hyperaktiven, tschuldigung, interaktiven Hooligan-Datenbank gewährleistet die Stadtpolizei Zürich das sorgenfreie Zusammenleben. Ab sofort bieten wir zur Verstärkung unserer Street-Parade-Taskforce attraktive Sommerjobs als:
Velopolizist Per Velo – juhu, wie umweltfreundlich – markieren wir Präsenz an besonders berüchtigten Ecken der Stadt (Seepromenade rechts, Bürkli- und Paradeplatz), prüfen die Qualität von Take-Away-Kafi und büssen Hausfrauen, die auf dem Trottoir von der Migros heimradeln und Hundebesitzer, die ihre Köter auf menschenleeren Wiesen frei lassen. Das darf man nämlich nicht. Sie sollten dafür ungefähr Aufmerksamkeit und Sehvermögen eines durchschnittlichen Fifa-Schiris mitbringen. Damit wir uns auf der Strasse gegenseitig erkennen, tragen wir so lässige Kostüme, wie damals der eine von den Village People. Nein, nicht der mit dem Federschmuck. Neben dem Refrain von «Y.M.C.A.» sollten sie ausserdem Folgendes an Englischkenntnissen mitbringen: • «You mei not dreif on se Bösstreife of Langstrasse!» • «It kost fourti Fränks mei fräänd!» • «What is this for a Zigarette? Do you häf en Uuswiis?» • «Känn you tell me the way to main Trainstation?” • «Eimal Döner mit alles und Scharf!» Wir leihen Ihnen ein Mountainbike mit trendigen Neonstreifen und Gepäckträger. Sonst brauchen Sie keine zusätzliche Ausrüstung. Wenn es regnet, jassen wir in der Hauptwache oder spielen Memory mit aktuellen Steckbriefen. Hui, Sie glauben gar nicht, was wir jeweils für ein Gaudi haben. A propos Gaudi: Falls sie keine weiten Strecken auf dem Velo zurücklegen wollen, null Problemo! Wir nämlich auch nicht. Wenn wir den Techno-Hippies beim GZ Wollishofen den Stecker rausziehen, nehmen wir immer das Auto. Und falls Sie keine weite Strecke auf dem Velo zurücklegen KÖNNEN, keine Sorge. Für solche Fälle haben wir Stützrädli. Lust auf eine Spritztour? Wenden Sie Sich von Montag bis Freitag, 10 bis 16 Uhr, an unsere Zweigstelle beim Glacéstand auf der Chinawiese. Aber eben, nur bei schönem Wetter. Sonst schicken Sie halt eine schriftliche Bewerbung mit Foto, Strafregisterauszug und dem Panini-Bild von Benjamin Huggel (fehlt unserem Chef noch) an: Stadtpolizei Zürich, Infostelle, Bahnofquai 3, 8001 Zürich
LHD Ins. Fiirabig:LHD Inserat Fiirabig
27.4.2010
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alejanDro jimÉneZ kommT eS SpaniSch Vor ...dass sein Kollege ins Pissoir sabbert. Aber das ist eine lange Geschichte… Von armen, brüSTen unD leiDGenoSSen Und davon, wie ein gebürtiger Gummihals zwischen den Völkern und Mentalitäten balanciert. Ein Essay, oder so etwas ähnliches, zum Wesen der helvetischen Seele. kawumm poSTer
Sex, DruGS & rock’n’roll Take-Away-Kultur für die Badi und alles danach. winTi-warriorS Wenn in der Agglo schon mal was läuft… der ultimative Schlachtplan für die Musikfestwochen in der zweitgrössten Grossstadt des Kantons. kunST-ShiZZle Die Ruine Dübelstei wird zur Kultur-(Hoch-)Burg. Unsere Fachfrau weiss jetzt schon, was beim Multimedia-Spektakel ob Dübendorf abgeht.
maT coen Äpfel und Hüte sind so was von 1291. Milieu-Detektiv Mat Coen macht sich zum Nationalfeiertag auf eine knallige Mission. Von Hippies, Hochstaplern und Buurezmorge.
EDITORIAL FüR IMMER ZüRI-SUMMER! Ob wir dem Sommer noch böse sind? Nun, ein wenig ja schon. Jetzt ist zwar schon August, doch nachdem der Winter bis Mitte Juni gedauert hat, fühlt es sich jetzt eher an wie ein heisser Frühling. Dabei sind die Tage schon wieder viel zu kurz und die Sommerferien fast wieder vorbei. Aber wir hätten da eine Idee: Wir lassen ab sofort einfach den Mai weg. Braucht doch eh niemand. Dafür machen wir den Juli 62 Tage lang! Stellt euch mal vor: 62 Tage lang Bratwurst und Soft-Ice! Der Glacéverkäufer von der Rentenwiese könnte sich einen Porsche leisten, unsere Velokuriere hätten eine Hautfarbe wie Didier Drogba, am Limmatquai könnten wir Kokospalmen pflanzen, der FKK-Inline-Skater hätte Oberschenkel wie Mammutbäume. Und unsere Redaktion hätte doppelt so lange Zeit, am 1.August-FIRTIG zu arbeiten. Obwohl. Kein Mai, das hiesse dann auch: keine Auffahrt. Und keine Pfingsten. Sprich: zweimal kein FIRTIG. Ist es uns das wirklich wert? Wenn wir genauer überlegen, war der verpisste Mai doch gar nicht so schlecht. An einem verregneten Sonntag kann man ja mit gutem Gewissen daheim bleiben, und das Badezimmer trotzdem nicht putzen. Man kann rumknutschen, ohne dass einem die halbe Werdinsel dabei zuschaut. Man kann die Bücher lesen, die wir euch immer so wärmstens empfehlen. Oder, noch viel besser: gleich den ganzen neuen FIRTIG.Sowieso. übers Wetter zu motzen, das ist etwa sowieso ähnlich aussichtslos, wie mit dem Sepp Blatter über den Videobeweis zu diskutieren. in diesem Sinne: hopp Züri! Die FirTiG-chefredaktion
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nora wunDerT Sich über Die liebe Aber nicht so, wie ihr jetzt denken. Unsere Autorin möchte das Fünf-Buchstaben-Wort nämlich abschaffen. Spinnt die eigentlich?
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hauSFrauenSeiTe Damit ihr auf den Festbänken im Albisgüetli nicht mit den Nachbarn reden müsst. Horoskop und Rätsel. DaS leTZTe Was geht und was nicht, steht in unserer Agenda. Der Rest zum Tag im Wort zum FIRTIG. worT Zum FirTiG Das Comeback!
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
alejanDro jimÉneZ KOMMT ES SPANISCH VOR
SpeichelFaDen DELUxE illustration: fahrenheit451
Pädu stand neben mir am Urinal und sagt: «Hey, schau dir das an!» Und wenn Pädu sagte, «Hey, schau dir das an», dann gibt es auch meistens etwas zu sehen. Er spuckte aus, und ein riesiger Speichelfaden schnellte aus seinem Mund in Richtung Urinal. Dazu muss ich vielleicht erzählen, Pädu ist der Spuckkönig schlechthin. Er ist einer dieser sondergrausigen Zeitgenossen, die immer und überall, im Abstand von etwa fünf Minuten ihr Territorium mit Spucke markieren. Eine saudoofe Angewohnheit das. Aber Pädu hatte daraus so etwas wie eine Kunstform entwickelt. Wenn Pädu gerade so einen Energy-Drink, eine Cola, oder sonst was besonders Klebriges getrunken hat, spielt er manchmal Yo-Yo mit seiner Spucke, und das nicht schlecht. Er lässt den Sabberfaden hängen, mit manchmal bis zu einem halben Meter Länge, und saugt den Faden geschickt wieder in den Mund zurück. Das soll dem Pädu erst mal einer nachmachen. Das erfordert nämlich so manches
Jährchen übung. Da will so manche Cola getrunken werden, bis man das im Griff hat. Von Pädu gibt es sogar Filme im Internet. Leider hat noch niemand Meisterschaften dafür erfunden, sonst wäre der Pädu bestimmt schon Schweizermeister. Diesmal jedoch, als wir beide nebeneinander am Urinal standen, entglitt Pädu der Speichel und das untere Ende klatschte ins Urinal. Nun galt es, den klebrigen Faden möglichst schnell loszuwerden. Pädu spuckte und blies, aber der Faden flatterte nur zwischen seinen Lippen und machte überhaupt keine Anstalten, diese zu loszulassen. Ich lachte und krümmte mich und hätte mich vor lauter lachen beinahe nass gemacht. Zum schiessen war das, wie der Pädu da mit dem widerspenstigen Speichel rangelte. Dann hörten wir, wie hinter uns die Tür ging und unser Chef sagte: «Hallo Männer!» Ich hörte ein kurzes und heftiges Schlürfgeräusch und weg war der störrische Speichel. F
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die abSoluTion FüR 270'000 EURO Es sind gottlose Zeiten, in denen wir leben. Woran soll man da noch glauben? FIRTIG bringt Licht ins Dunkel! Unsere Autorin und Spezialistin für Glaubensfragen Natalie Gyöngyösi hat eine Zusammenstellung, eine Rangliste, ein Manifest der populärsten, berühmt-berüchtigtsten religiösen Glaubensgemeinschaften der Eidgenossenschaft zusammengestellt. Hier findet jeder seinen Rettungszweig, an dem man sich aus dem Schlamassel hievt und sein Seelenheil findet. Oder auch nicht.
SCIENTOLOGY reliGiöSeS oberhaupT/ GrünDer David Miscavige, leitender Geschäftsführer dieser 1954 vom amerikanischen Schriftsteller L. Ron Hubbard gegründeten Organisation.
anZahl miTGlieDer ZielGruppe Schweiz: ca. 1’000 Mitglieder (Entwicklung rückläufig: 1990 waren es um die 3’000). weltweit: Als sich die Scientologen das letzte Mal selbst zu zählen versucht haben, kamen sie auf 8 Mio. Schäfchen. Unabhängige Quellen hingegen zählten 150'000 Mitglieder. Die Gründe für diese divergierenden Resultate könnten im ausgeprägten Sinn für Humor der Scientologen liegen: während der Zählung sind sie vermutlich kichernd hin und her gerannt und haben spasshalber mehrmals die Hand zur Zählung gehoben, um Verwirrung zu stiften. Zur Zielgruppe der Scientologen gehören verheiratete Angestellte mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau sowie Einkommen, welche sich vorzugsweise in einer Lebenskrise befinden (sind so effizienter zu rekrutieren). Zum obersten Segment im Beuteschema gehören Politiker, Manager und Promis.
• Konzernartiger Aufbau (die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit muss heutzutage auch für eine Glaubensorganisation sichergestellt werden) • Offensives Missionieren (nicht alle Leute sind gleich einsichtig, wie sie ihr Vermögen am besten investieren) • Unkomplizierter Umgang mit Menschenrechten (Anti-demokratische Tendenzen) • Eher freie Interpretation staatlicher Gesetzes grundlagen (Selbsternennung zur Kirche)
worum GehT eS? Es geht um die Erlangung des geistigen «Clear»-Status, respektive der «völligen Freiheit” des Einzelnen. Dieser Begriff des «Clear»-Status’ ist eine Definitionsknacknuss. Vermutlich ist er synonym zu verstehen mit «von Gedanken und eigener Meinung leer radiert/gereinigt» und umschreibt einen Zustand der absoluten Freiheit vom (eigenständigen) Denken. Die Scientologen sind Freunde der Populärpsychologie und der Esoterik und begeisterte Fans von Science Fiction. Einer ihrer Theorien geht so: Das zu lösende Hauptproblem der irdischen Scientologenseelen ist das Werk eines das Böse verkörpernden intergalaktischen Herrschers. Dieser Scientology-Vader hätte ihre Seelen («Thetane») von anderen Planeten auf die Erde verschleppt und sie durch gewaltsame Verfahren traumatisiert, so dass sie nun als körperlose «Cluster» andere Menschen «besetzten» und sie in der Ausschöpfung ihres Potentials beeinträchtigten. Voll gemein.
auSSichTen Für ein leben nach Dem ToD Berauschend!* Scientologenseelen reinkarnieren über mehrere Millionen Jahre in verschiedene physischen Formen. Es bestehen reelle Chancen, als Paris Hilton, Lady Gaga oder Froschlurch zur Welt zu kommen. *Vorausgesetzt natürlich, du verfügst über ein minimum an kleingeld.
FIAT LUX
Text: natalie Gyngyösi, illustration: Tino jonathan Schelker
merkmale unD eiGenheiTen
Diverse Kurse, Bücher und Medikamente auf Anfrage und selbstverständlich ebenfalls zu Spottpreisen. Die «völlige Freiheit” ist bereits ab 270'000 euro erhältlich!
worum GehT eS wirklich? • Um das nackte Überleben aller Fiat Lux-Anhänger (okay, das wirkt jetzt alles ein wenig unglaubwürdig wegen diesem blöden Meteorit) • Heilung im Allgemeinen: Fiat Lux verkauft Heilmittel gegen Krebs, welche jeden nicht krebskranken Patienten im Handumdrehen nichtkrebskrank machen. Ganz schön raffiniert, diese Sprachröhrentechnik.
aTTrakTiVSTeS miTGlieD Geilster Scientologe: Franz Rampelmann (Bündnis 90/Die Grünen-Mitglied, «Lindenstrasse»). Geilste Scientologin: Leah Remini («Friends», «King of Queens») auf den rängen: John Travolta, Tom Cruise, Lisa Marie Presley, Laura Prepon, Kirstie Alley
miTGlieDerbeiTräGe kostenübersicht produkte- und Dienstleistungskatalog: • 1 OCA-Test: kostenfrei (Ermittlung des Verbesserungspotenzials des potentiellen neuen Mitglieds) • 1 E-Meter (Hilfsmittel beim Auditing): ca. 4’000 US-Dollar einführungs- und Demonstrations-auditing: • Für Anfänger: 12 Stunden à ca. 200 Euro • Fortgeschrittene: ab ca. 3’500 Euro
reliGiöSeS oberhaupT/ GrünDer Fiat Lux wurde 1980 durch Erika Bertschinger-Eicke (genannt Uriella, das «Sprachrohr Jesu Christi») ins Leben gerufen, nachdem die Gute bei einem Reitunfall auf den Kopf gefallen ist. Heute ist Icordo, vierter Ehemann des Sprachrohrs, Anführer der Truppe.
anZahl miTGlieDer ZielGruppe Schweiz: 1997 betrug die Opfergemeinschaft 723 Personen, inklusive ein paar Zerquetschte in Deutschland und Österreich. Icordo hat seit Uriellas Abgang allerdings ziemlich abgekackt, was die Zahl der Gönner angeht: die Anhängerschaft wird heute auf noch 300 Seniorinnen geschätzt. Schuld sind die bösartigen, Lügen verbreitenden Medien sowie dieser untreue Meteorit, welcher nach Plan 1991 hätte auf die Erde fallen und die gesamte Menschheit in den Tod reissen sollen - ausser den Fiat Lux-Anhängern. Diese hätten von Ausserirdischen gerettet und später auf der Erde wieder angesiedelt werden sollen.
merkmale unD eiGenheiTen Weisse Kleidung zur Abwehr des Strahls von Luzifer (ob es sich bei diesem Strahl um einen Tinten-, Laseroder gar einen diabolischen Urinstrahl handelt, wird nicht konkretisiert)
worum GehT eS?
miTGlieDerbeiTräGe
• Ufologie • Weltuntergangsprophezeiungen • Geistheilung mit Hilfe von «Athrum-Wasser» rezept zum Zuhause selbst ausprobieren: Wir basteln uns «Athrum-Wasser»: 1. Hochzeitsgwändli von der Nachbarin ausleihen (altes Laken geht auch) und künstliche Nägel (z. B. von Fing'rs) aufkleben. 2. Badewanne bis oben mit lauwarmem Wasser voll laufen lassen, auf den Beckenrand setzen. 3. Augen verdrehen, mit den Armen kreisen und fuchteln, dazu verschiedene lustige Laute machen. 4. Mit Silberlöffel in Linksdrehungen im Wasser rühren. Zwischendurch nicht vergessen, Augen zu verdrehen und komisch brabbeln. Oberkörper näher zum Wasser hinunterbeugen, mit Armen fuchteln (nicht hineinfallen!) 5. Das Wasser ist nach zehn Minuten Rührerei «umgepolt» (ausser du hast zwischendurch in die falsche Richtung gerührt, dann kann es natürlich nicht funktionieren: zurück zu Punkt 4!). 6. Jetzt kommen die «himmlischen Athrum-Strahlen» ins Spiel. Aufstehen und mit beiden Armen vom Badfenster aus ins Badewasser stürzende Pfeile imitieren und dazu laute Zischgeräusche machen, so lange du kannst. Am Ende muss das Wasser mit den Strahlen geladen sein, aber das siehst du ja dann, wenn es soweit ist. 7. Das Wannenwasser kann nun in Kanister abge füllt werden (geht auch mit PET-Flaschen). 8. Das selbstgemachte Athrum-Wasser kann nun beliebig über Köpfe gegossen werden (z. B. Mitbe wohner oder Meerschweinchen). Für mehr Wirkung wieder Augen unter halbgeöffneten Lidern verdrehen und «Heile, heile» ächzen.
Bei Fiat Lux müssen die Mitglieder der Anführerin bei Sekteneintritt keine Beiträge zahlen, bloss ein Immobiliendarlehen gewähren. Das Weltuntergangsunternehmen Fiat Lux hat im die Egger 250-Quadratmeter-Villa von Frau Sprachrohr für 1,2 Millionen Franken zum Verkauf ausgeschrieben. Lügen verbreitende Sektenexperten munkeln, dass Uriella mit dem Geld abtrünnige Mitglieder auszahlen muss.
worum GehT eS wirklich? • Um das nackte Überleben aller Fiat Lux-Anhänger (okay, das wirkt jetzt alles ein wenig unglaubwürdig wegen diesem blöden Meteorit) • Heilung im Allgemeinen: Fiat Lux verkauft Heilmittel gegen Krebs, welche jeden nicht krebskranken Patienten im Handumdrehen nichtkrebskrank machen. Ganz schön raffiniert, diese Sprachröhrentechnik.
aTTrakTiVSTeS miTGlieD Geilster Fiat luxer: Steve Wright. Ah nein. Das war der Sänger von Fiat Lux, der Wave-Band. Also dann: Niemand. Geilste Fiat luxerin: Uschi Meier. auf den rängen: Uriella, Icordo, Altersheim Spinnstübli
auSSichTen Für ein leben nach Dem ToD Der helle Wahnsinn! Uriella selbst war schon mal Maria Magdalena und Icordo unter anderem Josef von Ägypten, Huldrych Zwingli und Johann Strauss. Unbedingt noch vor dem Meteoriteneinschlag beitreten, sonst wird das natürlich nichts mit der Transformationsgeschichte.
ICF reliGiöSeS oberhaupT/GrünDer Heinz Strupler organisierte im heutigen TechnoSchuppen Alte Börse in Zürich 1990 einen Gottesdienst – der Ursprung der ICF-Bewegung. Nach diversen Spaltungen und Wiedervereinigungen machten 1996 Leo Bigger, Matthias Bölsterli und Micky Conod Nägel mit Köpfen und gründeten den Verein ICF (Internationale Christliche Freikirche).
anZahl miTGlieDer ZielGruppe Die ICF-Movement kennt keine verbindliche Mitgliedschaft. Von den regelmässigen Besuchern der Gottesdienste und Smallgroups (Kleinklassen oder begleitete Arbeitsgruppen) wird jedoch eine gewisse Verbindlichkeit erwartet. In der Schweiz hat die ICF am meisten Zulauf: es gibt 21 Gemeinden. Die ICF gilt als das Tummelbecken der Cervelat-Prominenz, besonders Ex-Mister und Ex-Missen fühlen sich hier zuhause (siehe unten).
merkmale unD eiGenheiTen • Anleihen aus der Jugendsprache (Pflichtvokabular: «mega», «cool», «easy») • Anglizismen (Smallgroups = Selbsthilfegruppen, Celebrations = Gottesdienste, Message = Predigt, Worship = Lobpreismusik mit Anleihen bei Pop, Rock und Hip-Hop) Strunzkonservativ (trotz lässiger anglizismen):
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merkmale unD eiGenheiTen • Missionieren nur nicht, wenn sie schlafen. Klingeln aufopferungsvoll an deiner Haustür mit der «Heiligen Schrift» oder hauen dich in der Fuss gängerzone mit dem «Wachtturm» in der Hand für ein kurzes dreistündiges Gespräch über Gott an. • Gegen Sex vor der Ehe • Gegen Schwule • Gegen Religionsfreiheit • Gegen Bluttransfusionen • Gegen Verweigerung des Militärdienstes • Gegen kritische Literatur (sonst gibt es Sanktio- nen oder es droht der Ausschluss. Aussteiger werden gedisst) • Gegen die Teilnahme an demokratischen Wahlen • Gegen heidnische Bräuche (Geburtstage, Mutter- tag, Weihnachten und Ostern) • Gegen Anzeige von Kindsmissbrauch
worum GehT eS?
• Homosexualität ist mega nicht cool • Vorehelicher Geschlechtsverkehr ist mega schwul
worum GehT eS? Ein junger ICF-ler: «Es goht um di lässigi Community idr Smallgroup, mir hejs mega cool mitenand ond mached cooli Sache. Zum Bispiel zeme choche oder rollerblade. Mängisch seit eine öpis mega Trurigs und mir hend alli Tears i üsne Eyes. Und dänn seit eine drof obe wieder öpis mega Loschtigs ond mir grölet und rolled üs mega am Bode vor lache. Es git au mega cooli Acts und Events da in üsne Locations, aso itz in first line natürli gejts um d’Celebrations wäge Gott ond so. Chum doch ou mol bi üs verbi go ineluege!» oder schau: www.icf.ch/smallgroups/about.html (ist imfall mega!)
worum GehT eS wirklich? Keine Ahnung. Es gibt transparente Finanzen, respektive keine allzu offensichtliche Mitgliederabzocke. Also eine Art Non-Profit-Sozialgemeinschaft?
aTTrakTiVSTeS miTGlieD Geilster icFler: Duell zwischen ICF-Sprecher Michi Sieber und Claudio Minder (Ex-Mister Schweiz). Geilste icFlerin: Stéffi Berger. auf den rängen: Carmen Fenk (Ex-MusicStar), Jeanette Macchi (Ex-Sängerin, Moderatorin des «Fenster zum Sonntag»)
miTGlieDerbeiTräGe Die Gemeinden finanzieren sich Spenden (ist also besonders für Jugendliche ziemlich gratis). ICF leistet zudem nicht nur intern Entwicklungshilfe, sondern sponsert verschiedene karitative Projekte.
auSSichTen Für ein leben nach Dem ToD Bin ich nicht ganz draus gekommen. Einfach gleich, wie bei den Katholiken.
Jehovas Zeugen wollen deine Freunde sein. Sie möchten dir helfen. Sie sagen dir genau, wie du dein Leben führen musst und woran du glauben musst. Jehovas Zeugen möchten für dich denken. Du kannst also dein Gehirn beruhigt bei ihnen an der Garderobe abgeben und musst dir nie mehr unangenehme Gedanken machen. Das heisst dann: Nächstenliebe. Auch nach Zeugen Jehovas wird die Welt in Kürze durch ein "Harmagedon" untergehen und wieder werden nur die Zeugen Jehovas im Paradies erwachen und alle anderen müssen verenden. Wer nicht hören will, muss sterben.
ZEUGEN JEHOVAS reliGiöSeS oberhaupT/ GrünDer Die Zeugen Jehovas sind eine im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA von Charles Taze Russell mitbegründete christliche Religionsgemeinschaft, die sich kirchlich organisiert.
anZahl miTGlieDer ZielGruppe Die Religionsgemeinschaft veröffentlicht über die missionarischen Aktivitäten jährlich detaillierte Statistiken. Im Jahr 2009 gab es nach eigenen Angaben weltweit 105’298 Versammlungen mit etwa 7,3 Millionen aktiven Zeugen Jehovas, davon 165’837 Personen in Deutschland, 20’884 in Österreich und 18’093 in der Schweiz. Etwa ein Drittel der Mitglieder lebt in Lateinamerika und über eine Million in den USA.
worum GehT eS wirklich? So, wie ich das verstanden habe, geht es im Grossen und Ganzen um die monotheistische Weltdiktatur eines Typen namens Jehova.
aTTrakTiVSTeS miTGlieD attraktivstes mitglied: Michael Jackson, R. I. P. (der Glückliche spielt, wenn alles gut gegangen ist, bereits mit den Kinderlein auf Jehovas Gartensitzplatz) auf den rängen: Prince, Oliver Pocher, xavier Naidoo
miTGlieDerbeiTräGe Keine Mitgliederbeiträge, du spendest dein Leben. Die Zeugen investieren aus dem durch dich Erwirtschafteten dann in Immobiliengeschäfte, Versicherungen und in verschiedene andere Finanzmärkte, damit sie alle zusammen mit gefüllten Taschen ins Paradies einziehen können.
auSSichTen Für ein leben nach Dem ToD Hervorragend! Als Zeuge Jehovas kommt man ins Paradies! Ausser man ist zufällig homosexuell oder trinkt während seinem irdischen Leben zu viel Alkohol. Dann kommt man eben in die Hölle.
KATHOLIKEN reliGiöSeS oberhaupT/ GrünDer Joseph Ratzinger aka Papst Benedikt xVI. ist CEO der Weltkirche, in Vertretung des vor Ewigkeiten verstorbenen Jesus Christus.
anZahl miTGlieDer mitglieder: 1’147’000’000 (Stand: 2009)
merkmale unD eiGenheiTen • Anleihen aus der Jugendsprache (Pflichtvokabular: «mega», «cool», «easy») • Anglizismen (Smallgroups = Selbsthilfegruppen, Celebrations = Gottesdienste, Message = Predigt, Worship = Lobpreismusik mit Anleihen bei Pop, Rock und Hip-Hop) Strunzkonservativ (trotz lässiger anglizismen): • Homosexualität ist mega nicht cool • Vorehelicher Geschlechtsverkehr ist mega schwul
worum GehT eS? • Nächstenliebe, etc. • Kulturelle und soziale Entwicklungshilfe, setzt sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein (z. B. Verbot für Frauen, in der katholischen Kirche Priesterin zu werden)
worum GehT eS wirklich? • •
Wahre Nächstenliebe Noch mehr Entwicklungshilfe/Anregungen zur Verbesserung der Gesundheitspolitik: Papst Benedikt xVI. klärt Afrika darüber auf, dass
die Anwendung von Kondomen die Verbreitung von Aids fördert. •
Konkrete Lösungsvorschläge: «Spirituelle und menschliche Erneuerung» oder besser: einfach gar kein Sex.
aTTrakTiVSTeS miTGlieD Geilste katholikin: Madonna (Popstar) Geilster katholik: Papst Benedikt xVI und eine Reihe Würdenträger
miTGlieDerbeiTräGe • Kirchensteuer (kleine Jungs können auch in Naturalien zahlen). Früher konnte jeder, der etwas verbockt hatte, sein Seelenheil mit Ablasspapieren und einer Beichte zurückkaufen. Heute ist das etwas komplizierter…
auSSichTen Für ein leben nach Dem ToD • Am Lebensende jedes Katheters wartet das Himmlische Gericht auf. Massstab des Gerichts wird der Glaube und die verwirklichten guten Taten. Die Gewinner empfangen ewiges Leben, den anderen droht die ewige Verdammnis in der Hölle. Für Leute, denen das alles zu risikoreich ist (und die über das nötige Kleingeld verfügen), erkundigen sich besser bei einer der oben aufge führten Gruppen über eine Aktivmitgliedschaft. F
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leck MICH!
Sie kommt aus Rohrschach, St. Gallen. Und obwohl sie schon vierzig ist, sieht sie immer noch unverändert frisch und lecker aus. Lässt sie die Hülle fallen, präsentiert sie eine bestechende Figur und lässt allen, die sie sehen, das Wasser im Mund zusammenlaufen. Analyse eines Erfolgsmodells. Text: lisa catena bild: Danilo neve
Jeder möchte sie anbeissen, mit der Zunge die Wassertröpfchen von ihrem Körper lecken und dann zubeissen. Sie weckt unsere Lüste und ist das begehrteste Objekt in der Badi. Jeder will sie haben. Um wen es hier geht? Ihr kennt sie alle. Seit frühster Kindheit habt ihr sie bis heute schätzungsweise zwanzig, hundert, fünfhundert Mal vernascht. Ihr seid der weissorangen Verführung mit Schokokappe erlegen und habt für sie das letztes Taschengeld geopfert: the one and only Raketen-Glacé. Sommer 1969: In Amerika ging es hoch her. In der Nähe eines Nests namens «Woodstock» feierte man drei Tage lang Love, Schlamm, Drogen und Musik und schrieb damit Geschichte. Zur gleichen Zeit führten kalifornische Studentinnen den erste «AntiBH-Tag» durch, ebenfalls mit grosser Resonanz; aus dem ganzen Land schickten junge Frauen das Corpus Delicti an die Universität in San Francisco, damit es auf dem Campus verbrannt werden konnte. In New York, genauer gesagt in der Christopher Street in Greenwich Village, widersetze sich erstmals eine grosse Gruppe von Schwulen und Transvestiten der Verhaftung durch die Polizei. Und während sich Europa ob solcher Nachrichten noch die Augen rieb, ereilte die Welt bereits die nächste Sensationsmeldung, diesmal direkt vom Mond. Dort tat Neil Armstrong seine ersten Schritte für die Menschheit.
Unterdessen in der Schweiz. In Ermangelung einer NASA, einer gesellschaftlichen Revolution oder anderweitig Weltbewegendem, taten wir, was wir am besten können: zugucken und Geld verdienen. In Rohrschach, am Bodensee, befand (und befindet sich noch heute) die Firma Frisco. 1886 als «Konservenfabrik Bernhard & Co.» gegründet, ist sie Erfinderin der ersten industriell hergestellten Konserven-Ravioli und der «Birds Eye Plätzli», welche später
Wir taten, was wir am besten können: zugucken und Geld verdienen. unter dem Namen «Findus» tausende Kinder mit Fischstäbchen beglückte. Zu Ehren der Mondlandung kreiert Frisco im Sommer 1969 die Raketen-Glacé. Das zweifarbige Eis am Stiel wurde sofort ein Hit und die Verkaufszahlen schossen Apollo-mässig in den Himmel. Die Raketen-Glacé sei auch nach 40 Jahren ein sogenanntes «Top-Leader-Produkt», liess Nestlé, die das Unternehmen Frisco 1998 schluckte, zum runden Geburtstag verlauten. Und in der Tat: 12 Millionen «Raketen» werden jedes Jahr produziert. Inhaltlich ist die «Rakete» ein Leichtgewicht. 50ml schwer und nur 49 Kalorien enthaltend, kann man sich auch mal zwei hintereinander
gönnen. Hauptsächlich besteht die «Rakete» aus Wasser und Zucker. Auch etwas Glucosesirup, Öl, Säuerungsmittel, mageres Kakaopulver, Stabilisatoren und Aromen finden sich in ihr. Die knalligen Farben rühren wider erwarten nicht von künstlichen Farbstoffen, sondern von färbenden Frucht- und Pflanzenkonzentraten wie Färberdistel, Karotten und Zitrone her. Allerdings hat die Raketen-Glacé seit ihrer Lancierung viele Konkurrenten bekommen, die um unsere Gunst buhlen: Knallige Wasserglacen, wahlweise in Dinosaurier, Schlumpf oder Shrek-Form, aufgepeppt mit süssen Accessoires wie Kaugummistiel oder Schokostreusel. Edle Sorbets in allen Geschmacksrichtungen, wollen auf unserer Zunge zergehen und versprechen den gehobenen Dessert-Genuss. Mit poetischen Namen wie «Pistache à la Marrakech» oder «Crème Joghurt Lavendel Mohn» trumpfen zarte Rahmglacen auf. Heimische Bio-Glacen, warten in den Kühltruhen des Quartierladens auf ernährungsbewusste Eltern und urbane Hippies, die gerne ein paar Franken mehr für Glacé aus Schweizer Bio-Büffelmilch ausgeben. Was die Rakete zu ihrer Erfolgsgeschichte sagt? Am Besten, ich frage sie gleich selber. Auf zum nächsten Kiosk, 1.50.- hinlegen und schon schäle ich die Glacé aus ihrer Verpackung. Dann beginne ich mein Interview: «Liebe Rakete, was ist es für ein Gefühl, so berühmt zu sein?» «Ach, leck mich!». F
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BoooooooooomBa!
Mit diesem Rezept bastelt FIRTIG in der heimischen Küche einen Chlöpfer, gegen den das ZürifäschtFeuerwerk ein lauwarmer Furz war. Wo man das Baby detonieren lässt, ist dann eure Sache. Obwohl, wir wüssten da… ach, lassen wir das.
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Raketen- und Weiberfurzstände sind in Supermärkten derzeit so zahlreich anzutreffen, wie Frauen ohne Höschen am Sihlquai. Das ist schön, denn Feuerwerk macht Spass. Es gibt zwei Möglichkeit, mit Schwarzpulver zu spielen: Entweder man kauft sich diverse von Chinesenhänden hergestellte Packungen Intant-Feuerwek (mit vielversprechenden Namen wie «Blitzknatterbälle», «Sky Fire» oder «Schock Wirbel»), zündet diese an und erfreut sich an Schall und Rauch. Oder man bastelt sich seine eigenen kleinen Bouquets. Grundlage eines guten Böllers ist Schwarzpulver. Dieses kann man in der praktischen Kilopackung kaufen, am besten in einem seriösen Waffenladen. Das ist der Fall, wenn der Verkäufer eine tanngrüne Hose und Schnauz trägt und nach der Korngrösse fragt. Es empfiehlt sich, mit grobkörnigem Pulver Kategorie 5 zu spielen. Gibt weniger Sauerei und die Reaktionszeit ist ein paar tausendstel Sekunden länger, als bei feinkörnigem. Das Kann Leben retten.
Jetzt suchen wir ein konisches Gefäss und füllen zuerst Schwarzpulver als Basis auf. Anschliessend kommen die übrigen Zutaten, nach belieben dosiert. Ach ja, die Zündschnüre, welche beim Auspullen der chinesischen Raucherwaren abfallen, kann man für die Zündung der eigenen Bombe recyclen. Nur lange genug sollten die Lunten sein, ausser ihr wollt nachher aussehen, wie Niki Lauda. Am besten, man begibt sich für die Zündung nach draussen und verkündet lauthals das bevorstehende Ereignis. Bindet Kinder an und lasst Hunde im Haus. Feuer frei!
SteP 2 Schwarzpulver ist wie ein Silikonbusen: Es braucht etwas Platz, also ja nicht in etwas zu enges reinquetschen, sonst verpufft die Wirkung in einer schalen Rauchwolke. Das ist mässig spannend. Darum pimpen wir unser Do-it-yourself Feuerwerk mit ein paar Produkten aus dem gut sortierten Raketenhandel. Mit einem Japanermesser schlitzen wir die chinesischen Produkte auf. Dabei versuchen wir, die Spasspülverchen und Leuchtkügelchen vom restlichen Müll wie Sägemehl, Karton oder Gips zu trennen.
realisierung: hauser & herzog
SicherheiTShinweiSe: Es empfiehlt sich, beim Bau einer Bombe eine Schutzbrille zu tragen. Mit eventuellen Verlusten von Fingerbärten muss gerechnet werden. Und kommt NICHT auf die Idee, irgendwelche Rohrbomben zu basteln! F
FIRTIG Poster by Hauser & Herzog, hauserundherzog.ch
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Von armen, brüSTen unD LEIDGENOSSEN
Was hat ein Frauenfurz mit Freiheit zu tun, und warum wird ein Volk zu Pyromanen, nur weil sich vor ein paar hundert Jahren drei Bauern die Hand geschüttelt haben? Ein Grenzgänger zwischen den Völkern analysiert das Wesen der helvetischen Seele. Anhand eines Mordinstruments. Text: richard oppermann bild: lena elbert
Am Arm hängen die drei Finger des heiligen Eids, geschworen auf mittlerweile nicht mehr so heiligen Wiesen. In der Brust schlägt das tapfere, zerrissene Herz der Genossen, 700 Jahre lang vom Mut und der Tat eines einzelnen Mannes gespiesen. Nur wenige Objekte beschreiben treffender das alljährlich unter einem Berg von Schwarzpulver begrabene Dilemma der so stolzen Schweizer, als sie: die Armbrust. Frankophilie, Germanophobie, übersteuerte Bescheidenheit & Trotz. Die vier Eckpfeiler des helvetischen Un-selbstbewusstseins. Aus der französischen ,Arbalète‘ wurde die mittelhochdeutsche «Armberust». Die Bewaffnung des Arms, die Bewaffnung der Armen. Kein Schiesspulver, ein rohes Stück Holz reicht dem gerechten Eidgenossen, die geisselnde Autorität – aus der Distanz wohlgemerkt – zu bezwingen. Der Pfeil im Apfel, der Schuss auf das eigene Kind. Da war kein Engel, um den Wahnsinn der Tat zu offenbaren. Da war nur Schiller, der sie überhaupt ermöglichte. Ausgerechnet ein deutscher Dichter mit einem Mythos in den Fingern war vonnöten, um das Loch zu stopfen, das in den Legenden rund um die drei ersten Eidgenossen klaffte. Denn einen Mythos, den braucht es. Ohne Mythos bleiben die drei Helden auf dem Rütli lediglich drei Bauern auf einer Wiese und das helvetische Herz hat nichts, worauf es sich berufen kann, in seinem Trotz gegenüber Autorität und diesen verdammten Nordlern, die eben nicht in mittelhochdeutscher Dialekterei und Identitätssuche im Ausschluss stecken blieben. Dem Schweizertum nähert man sich nämlich am besten in der Suche danach, was es nicht ist. Nicht deutsch, nicht französisch oder italienisch. Es ist weder laut noch leise. Nicht aufrührerisch und nicht unterwürfig. Und aus dieser Negation heraus erschliesst sich auch das liebste und herzensnahste Wort eines jeden Eidgenossen: Nein! In dieser Negation lebe, zugegeben, auch ich. Aufgewachsen in Schweizer Landen, geboren bei den lästigen Schwaben. Nicht Vogel, nicht Fisch.
Zu fest deutsch, um die Schweizer Nationalmannschaft zu unterstützen. Und eindeutig zu heidifiziert, um in germanische Euphorie und selbstbewussten Rausch zu verfallen. Dann doch lieber Mass halten. Stoisches Beobachten des Chaos rundherum und eventuell hin und wieder ein lakonischer Kommentar. Wertungsfrei, selbstverständlich, doch nur für Aussenstehende. Wer Schweizer ist, der versteht. La Rochefoucauld verstand nicht. «Bescheidenheit ist die schlimmste Form der Eitelkeit», formulierte er und befand sich dabei vermutlich direkt neben Tell, als dieser nach seinem goldenen Schuss lediglich raunte: »Scho rächt». Doch nicht nur ein klein bisschen Eitelkeit schimmert da durch den Rauschebart
Ohne Mythos bleiben die drei Helden auf dem Rütli lediglich drei Bauern auf einer Wiese. des Nationalhelden, vor allem ist es Stolz. Denn ein echter Helvetier widersteht. Der geht lieber im sturen Trotz unter, als dass er sich von oben unterwerfen lässt. Und genauso stolz, mit der symbolischen Armbrust über der Schulter, machen sich Herr und Frau Schweizer im Toyota alljährlich auf den Weg in die Migros, kaufen dort das Feuerwerksregal leer und hängen sich einen Lampion auf den Balkon. Denn stolz darf man ja sein, dass man sich nicht verneigt hat, vor diesem Käppi damals, dass man getrotzt hat, dass man sich nicht hat vereinnahmen lassen von diesen anderen. Dass man Unterschiede überwand und eine virtuelle Identität schuf, die höchstens mal auf französische Eleganz zurückgreift. Aber ganz sicher nicht auf europäische Gleichmacherei. An einem Tag im Jahr sind alle Tell. Ist der «Schnäck» das Symbol der Einheit im Geiste. Reisst der Zürcher keine Zoten über den Berner und der im Gegenzug keine über die Fribourger. An einem Tag im Jahr sind
alle der Pfeil, der mit dem Mut des Verzweifelten, aus der Waffe des kleinen Mannes abgeschossen wurde, auf alles, was man nicht ist. Diese Waffe steht auch heute noch in jedem zweiten Haushalt als Zeichen gegen die Unterwerfung. Und während vor siebenhundertundetwas Jahren ein Mann sein Stück Holz hob und auf seinen Walterli zielte, während drei Bauern auf einer grünen Wiese über blauen Seen ihre Arme in den Himmel hoben, so werden auch dieses Jahr die mit vermutlich grün/orangen Streichhölzern bewaffneten Hände in die Höhe gestreckt und das Feuer des Widerstandes gezündet, auf dass es von jedem Gipfel scheine und mit Schall und Rauch in den Gassen und Tälern widerhalle. An einem Tag im Jahr ist es laut und stolz und eitel und so gar nicht massvoll. Dann wird gelärmt und getobt und gelobt. Sich selber gelobt, dass man noch immer Nein sagt, noch immer trotzt, noch immer nicht nachgibt. Nicht dem überheblichen Norden, nicht dem studierten Elitepack. Denn Vernunft kann es ganz bestimmt nicht gewesen sein, was den Volkshelden damals antrieb, auf den Kopf seines Erstgeborenen zu zielen. Und so hat Vernunft auch heutzutage nur einen kleinen Anteil am sonst so herrlich irrationalen Gefühl der Einheit. An einem Tag im Jahr. Also wird geballert und gefuhrwerkt was das Zeug hält. Da lösen sich Monatsgehälter mit Getöse in farbigen Rauch auf. Die zeitgemässe Armbrust hat eine Zündschnur und ist in der Migros erhältlich. Jeder kann sie abschiessen. Dass nicht jeder den Apfel getroffen hat, das ist dann am nächsten Tag in der Tageszeitung nachzulesen. Dann gibt‘s ein, zwei Einheitler weniger. Doch da der grosse Tag vorbei ist, sind es auch alle anderen nicht mehr. Der edle Trotz wird dann wieder zum trötzeln, wenn die blöden Amateurpendler wieder zu langsam aus den S-Bahnen kriechen und der erhoffte Rabatt an der Kasse doch nicht abgezogen wird. Doch laut wird dann auch keiner mehr, denn das wäre ja dann doch zu unschweizerisch. Man kommt, sieht und raunt: »Scho rächt.» F
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Sex, DruGS UND ROCK`N`ROLL SeX arcaDe Fire «The SuburbS» Mercury UK/Universal, ab VÖ: 2. August Diese Rezension ist wie Sex in der Öf Öffentlichkeit: Eigentlich verboten, aber der Reiz ist grösser. Denn: Ich habe mir das vollständige Album noch nicht an anhören können. Doch die beiden geleak geleakten Songs «Month Of May» und «The Suburbs» lassen kein haarbreit Platz für Zweifel. Das dritte Album von Arcade Fire wird einfach nur GEIL!
DrugS Der omeGa-punkT Don DeLillo, 111 Seiten Hitchcocks «Psycho» wird im MOMA New York, der pulsierendsten Stadt der USA, in Zeitlupe abgespielt. Auch für Jimmy, der in die Wüste reist, um seisei nen Wunschprotagonisten von seinem Dokumentarfilmprojekt zu überzeugen, bleibt die Zeit plötzlich stehen. Die TemTem podrosselung macht süchtig. Genau wie DeLillos Sprache.
roCK’n’roll The imaGinarium inarium oF F DocTor parnaSSuS uSS Auf DVD, mit: Heath Ledger, Johnny Depp, Jude Law, Colin Farrell, Tom Waits. Für alle, die das Spektakel im Kino verpasst haben: Was sich Terry Gilliam wieder hat einfallen lassen, rockt. Ledger, Depp, Law und Farrell führen das Publikum durch malerische Traumwelten der eigenen Persönlichkeit. Und Tom Waits hält die teuflische Hand darüber.
Zürich hat ja jetzt auch so ein Openair. Ehrlich gesagt, wir gehen aber trotzdem lieber an die Musikfestwochen im Winterthurer Altstädtchen. Die haben die schöneren Plakate, die schnellere ÖV-Verbindung (20 Minuten mit der S12), den Black Rebel Motorcycle Club, und überhaupt! Damit sich das GrossstadtVolk in der ZVV-Zone 20 nicht verirrt, liefern wir den ultimativen Schlachtplan – mit allen strategisch eventuell wichtigen Punkten. kartographie: Dominique magnusson redaktion: marco rüegg
arTiST pool:
Tonbrunnen:
FirTiG-GraTiS-hiGhliGhTS:
I’d like to be / under the sea: Nicht nur die Beatles gönnten sich gern mal eine Abkühlung. Der Backstage-Brunnen der Musikfestwochen mutiert in schwülen Sommernächten regelmässig zum InstantWhirpool. Der ist auch ohne Kleider begehbar, wie Bonaparte im vergangenen Jahr demonstriert haben.
Wenn nicht gerade betrunkene Studenten darin planschen oder vollbusige Barfrauen Bier zapfen, dient dieser Brunnen als Reich von Tontechniker Büsi.
18. august, 20.15 Uhr, Steinberggasse: Nouvelle Vague (F) 20. august, 21.30 Uhr, Roulotte am Graben: «Der müde Tod» (Film) 21. august, 23 Uhr, Salzhaus: Das Leben ist kein Ponyhof (Party) 22. august, 20.15 Uhr, Kirchplatz: Gisbert zu Knyphausen (D) 22. august, 22 Uhr, Albani: Sein (CH) 26. august, 18.45 Uhr, Steinberggasse: Mundartisten (CH)
DiSco-wG: Hier blinken während der MFW mehr Lämpchen, als auf der Lederjacke von David Hasselhoff. A propos Hoff: Wir hoffen innigst, dass keiner der ewohner vom Fensterbrett purzelt.
reD houSe: In diesem Schuppen tanzen die Puppen. Leider nicht umsonst, aber das ist ein Detail…
ecke DeS SchreckenS: Jedes Mal, wenn uns einer das Geheimnis dieser Ecke erzählen wollte, wurde er von einem vom Himmel fallenden Piano erschlagen. Darum: Am besten selbst nachsehen.
campino-FenSTer: Diese Scheibe hat Berufsjungbleiber Campino 1992 eingetreten und ist in den Raum geklettert. War der tote Höseler nicht wusste: Der Raum ist das Pfarrhaus. Scho no blöd. Campion besänftigte den Herrn, indem er einen Satz Liederbücher gespendet hat.
Musikfestwochen
WETTBEWERB FIRTIG Verlost: 5 x 2 Tickets für das Sonntags-Konzert des 29. August mit den White Lies und The Young Gods. Mail mit Adresse und Betreff »Mein einziger Gott heisst Gary Glitter” an winner@firtig.ch
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
kunST im WALDTOBEL Es ist ein verschwiegenes Örtchen, dieses Dübelstein, gerade mal sieben Autominuten von Zürich entfernt. Ein Waldweg führt hinauf zu den Burgruinen, durch ein wildromantisches Tobel, in dem ein Fluss vor sich hin gurgelt. Aber, was hat das eigentlich mit Kunst zu tun? Text: monika hardmeier
Spricht man den leicht grotesken Namen aus, schüttelt die Mehrzahl der Leute ratlos den Kopf: »Dübelstei”. Der Weiler befindet sich auf einem kleinen Hügel oberhalb von Dübendorf. Und gleich dahinter thronen die Burgruinen. Ein Ort, wo Kinder in eine Art Trance des Entdeckens verfallen. Stundenlang suchen, nach dem verschollenen Schatz der Waldmannsburg, in einem Wald voller Geheimnisse. Gleich neben den Burgruinen, mitten im Wald versteckt, liegt ein leerstehendes Haus mit einem eigentümlich sperrigen Charme. Hier zieht die Kunst ein, für drei Tage. Es wird eine Bühne für Performance, Kunst und Musik, zwischen Ruinen, Scheunen, gruftigen Kellern, irrwitzigen Räumen mit grossformatigen Blumentapeten und einem zauberhaften Garten. Die Kunst nistet sich im Haus ein und besetzt es mit eigenwilliger Attitüde. Da taucht zum Beispiel die Wandzeichnung von Mischa Camenzind auf, die sich in die Blumentapete regelrecht hineinfrisst und sich wie ein wachsendes Ungetüm auf dem üppigen Blumendekor breit macht. Die skurrilen Charaktere von Simone Meier und Roland Sutter, die Teil sind der auf Dübelstei gefilmte Dramen, spuken wie Geister bizarrer Alpträume durch die staubigen Räume. Mitten auf der Burgruine steht ein Monitor, ein einsamer Kunstmonolith. Jules Spinatsch schmeisst Steine in seiner Hommage an Berlusconi, und im Keller, in dem einst der Öltank stand, flimmert zwischen weissen Spinnenskeletten der Video »Bunkerball” von Christoph Draeger, der mit verdrängten Erinnerungen der medialen Welt abrechnet. Hier, wo die Alltagswelt zu Bruch geht und sich eine Tür zur Mythenwelt öffnet, glitzert das zu fragilen und gleichzeitig messerscharfen Skulpturen aufgetürmte Altglas
von Damian Jurt als wäre es der wahre Schatz der Waldmannsburg. Blachentürme wie unfassbare, deplatzierte Nomaden, sie erheben sich in der schummrigen Scheune, und verirrt sich ein Besucher ins Bad, vernimmt er das blubbernde Echo der Waldsirenen. Am Abend des 20. August eröffnet die Ausstellung, am Samstagnachmittag wartet bereits eine zweite Entdeckung: Ab 16 Uhr spielen im Waldtobel eine eigens für Dübelstei erarbeitete Performances und Kunstaktionen. Soundkünstler legen einen vielfältigen Klangteppich über das samtweiche Moos von Dübelstein, und New Yorker Underground-DJs tun sich mit Schweizer Bands zusammen: The Bianca Disco und der Künstler Fabian Chiquet leiten in die Vernissage ein, am Samstag gibt sich die renommmierten Experimental-Jazzer Mats-Up die Ehre, zusammen mit dem New Yorker Rapper Spiritchild. Man ist auf Dübelstei nirgends sicher vor Kunst, und es braucht keinen Begleittext, um die speziell für Dübelstein geschaffenen Werke zu verstehen. Kunst vor Ort, heisst der Verein, der dieses Projekt realisiert und vor Ort sind für einmal auch die Künstler: Die meisten von ihnen werden für drei Tage auf Dübelstein einziehen. F Beteiligte Künstlerinnen: Ausstellung: Tashi Brauen, Mischa Camenzind, Christoph Draeger, Thomas Güntensperger, Sarah Hugentobler, Damian Jurt, Simone Meier & Roland Sutter, Jules Spinatsch Performance: Annina Burkhalter & Amayi Wittmer, Zoë Dowlen, Bianca Hildenbrand, Zofia Klyta-Lacombe, Sarina Scheidegger & Alexandra Stähli Sound: The Bianca Disco, Confuse A Cat / El Grande Lobo & d Panzerknackerjungs, MATS-UP, spiritchild of mental notes (NY) | Dj Junglez (NY) / DJ new.com (ZH) Visuals Mau/funktaxi (NY)
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
maT coen: NATIONALHELD WIDER WILLEN Am Sihlquai stehen sich die Nutten ihre bestiefelten Beine zu Dutzenden in den Bauch, in den Büschen raschelt es, und unser Rotlicht-Detektiv Mat Coen hat trotzdem nichts Besseres zu tun, als den Landesfrieden zu sichern. Und es geht auch nur ein bisschen schief. Text: David Signer, illustration: julia marti
Nur mal vorneweg: Wenn ich etwas mehr hasse als Teenager, dann sind es politisch interessierte Teenager. Ich selbst interessierte mich nie für Politik. Mein Klientenpaar – mir gegenüber sitzend, in meinem abgefuckten Detektivbüro an der Militärstrasse in Zürich – hingegen schon. So sahen sie zumindest aus. Relikte aus Woodstock mit langem, grauem Haar, Batikshirt und Birkenstock Sandalen – man hatte sogar leichte Mühe zu bestimmen, wer nun genau die Mutter und wer der Vater des Sorgenkindes war. «Warum gehen Sie nicht zur Polizei?», fragte ich mein Gegenüber heiser und zündete mir eine Lucky Strike an.
«Wir versuchten es bereits», antwortete die Hippietante. «Aber die nahmen uns nicht ernst. Sie meinten, wir sollen selbst auf unseren Sohn aufpassen. Doch wir sind schlicht überfordert. Wir haben ihm die Gewaltlosigkeit zelebriert und...» «Ihm gezeigt, dass man damit versagt!», unterbrach ich und haute einen Dartpfeil in die Tischplatte. «Ihr Hippies seid doch genau die Schuldigen. Verdammte Scheisse! Ihr habt damals das Verändern der Welt gefeiert, und was habt ihr erreicht? - Nichts! - Ihr lauft jetzt rum wie unsichere Penner oder habt euch derart gekehrt, dass ihr nun selbst im Mercedes euren Champagner einkaufen geht. Die heutige Jugend ist komplett desillusioniert und erstickt im Zynismus. Seien Sie doch froh, wenn ihr Sohn wenigstens noch Träume hat.» Das Paar hatte kurz davor geschildert, dass der Sohn einen Bombenanschlag auf die SVP-Rede am Nationalfeiertag planen würde. Ich räusperte mich, lächelte falsch und nannte den Preis, damit ich dafür sorgen würde, dass es nicht so weit kommt. Als sie gegangen waren, griff ich zum verstaubten Telefon und wählte langsam auf der Drehscheibe die Nummer der Polizei. «Coeen!», brüllte es durch den Höhrer. Es war Brändle.
«Brändle, sie Affe, besorgen Sie mir keinen Tinnitus. te, dass du deinen Chemikasten zusammenpackst, Sagen Sie mir besser, warum Sie die Althippies nicht ernst Junge», antwortete ich und kratzte mich ruhig mit dem nehmen, wenn Sie derart überzeugt sind davon, dass ihr Lauf der Magnum am Bart. «Und diese SVP-Schweine weiSohn einen Bombenanschlag plant», entgegnete ich. «Ach ter ihre Parolen verbreiten lassen?», protestierte er, die AuCoen, jetzt werden Sie nicht gleich schwanger. Wir haben gen weit aufgerissen. «Sicher nicht! Wer auch immer du ein dreifaches Aufgebot an hoch qualifizierten Polizisten. bist, du wirst mich nicht davon abhalten können! Wir sind Die linken Penner werden nichts ausrichten können.» die revolutionäre Kraft von Zürich, wir werden uns nicht «Natürlich können die das, Idiot!», krähte ich zurück. «Bei dem Kapitalismus und dem Rassismus fügen. Keine einem Bombenanschlag hilft auch kein dreifaches Auf- der bisher hier...» Er wurde unterbrochen, durch den Schuss, den ich in seine Chemigebot an unfähigen Bullen. Aber kalien abfeuerte. Eine Stichflamme von euch habe ich auch nichts «Arne empfängt niemanden ragte in die Höhe und der Punk Durchdachtes erwartet. Ich werde und wir werden mit allen kreischte auf. mal in die besetzten Häuser in der Zuerst versuchte er, die FlamBinz gehen, um nach dem Rechten Mitteln verhindern, dass du men mit einem Lappen zu löschen, zu sehen.»«Spinnen Sie, Coen?», hier rein kommst, doch brach kurz darauf aufgrund schrie Brändle nun. «Immer wenn Arschloch!» der lustigen Dämpfe zusammen. Sie ihren Fuss vor die Tür setzen, Ich packte ihn am Kragen seines fliegt irgendwas in die Luft. Die Armeejackets und schleifte ihn die ganze linke Regierung wird uns die Hölle heiss machen, wenn Sie in dem, räusper, Kul- Treppe runter. Beim Ausgang erwartete mich etwas sehr turprojekt in der Binz etwas anrichten. Ich warne Sie, Hartes, das gegen meinen rechten Kieferknochen tätschte. gehen Sie nicht dort hin!»Ich fluchte, knallte den Höhrer Ich fiel nach hinten, trat aber nicht weg, stand wieder auf auf die Gabel und steckte meine 44er Magnum in den und haute einem weiteren Punk mit Baseballschläger eins Hosenbund. Eine gute Stunde später war ich vor einem in die Fresse. Danach trat ich dem zweiten dahinter heftig besetzten Fabrikgebäude, mitten im Zürcher Binz-Quartier, in die Eier und flüchtete nach draussen. Dort konnte ich in der Nähe des Freakoramas. Es war bereits Abend gewor- einem Teenie mit Arafatschal und Joint zwischen den Lipden und vor der grossen Tür tummelten sich ein paar Jugend- pen ein Mofa entreissen und heizte dem Piaggo dermassen liche ohne Frisör und Hygiene. Ich drängte mich vor und ein, dass ich der Horde steinewerfender Alternativen entkam, deren Zuhause inzwischen lichterloh brannte. ging hinein. Im Büro plumpste ich auf den Holzboden und schlief Ich war in einem Korridor mit Türen, der ins Dunkel einer Halle führte, in der entweder jemand gefoltert sofort ein. Am nächsten Tag, dem Nationalfeiertag, weckte wurde oder sang. Aufgrund der mehr oder weniger rhythmisch herumspringenden Weirdos vermutete ich Zweite- mich Ländlermusik. Absolut zum Kotzen! Ich ging völlig res. Ein Typ mit orangem Haar und metalldurchstochenen verwirrt und über alle Massen wuterfüllt auf die Strasse Lippen sprach mich mit einer Lundgren-Miene an: «Wenn und bemerkte, dass diese scheussliche Musik direkt vom du ein Bulle bist, kannst du gleich verreisen.» «Wenn ich SVP-Stand im Kasernenareal kam. Ich wankte durch die ein Bulle wäre, würde ich mich gleich erschiessen», ent- Menge von Bürli-fressenden Zmörgelern und strammen, gegnete ich. «Wo ist Arne Bachmann? Ich möchte mit ihm kahlköpfigen Lehrabsolventen. Ich erblickte die Kapelsprechen.» «Arne empfängt niemanden und wir werden le und sprang auf die Bühne, entriss dem verdutzten mit allen Mitteln verhindern, dass du hier rein kommst, Opa seinen Kontrabass und schleuderte ihn ins PubliArschloch!», meinte Lundgren und wies gestikulierend auf kum. Die Klarinette haute ich einem anscheinend hohen die Tür hinter ihm. «Nun, schön zu wissen, dass er hier Politiker mit Toupet ins Gesicht und die Handorgel flog hoch drin ist, du Penner», sagte ich, zog meine Knarre hervor in Richtung strahlender SVP-Sonne. Doch schon fiel die und hielt sie ihm vor die Fresse. «V..vierter Stock», stotter- Meute der strammen und kahlköpfigen Lehrabsolventen über mich her. Ich versuchte mich zu wehren, doch es war te er und liess mich rein. Ich keuchte die Treppen hoch und verfluchte alle aussichtslos. Diesmal trat ich weg. Ach, wie ich politisch Bombenbauer, die sich den vierten Stock als Labor aus- interessierte Teenager doch hasse! F wählten. Oben angekommen, trat ich in eine Halle, die zu einem Massenschlag umfunktioniert worden war. In der Mitte hatte es einen grossen Tisch mit allerlei Behälter, Chemikalien und Kabeln. Es roch nach Schweiss und Schwefel. Ein kleiner, zierlicher Junge mit schütterem Flaum auf den Wangen und strähnigem, schwarzem Haar liess seinen Lötkolben vor Schreck auf seine Springerstiefel fallen. «Was willst du?», schrie dieser. «Ich möch-
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
nora wunDerT SICH üBER DIE LIEBE
Unsere Autorin möchte das Wort «Liebe» abschaffen. Oder, eigentlich lieber ausschaffen (das kommt besser an beim Stimmvolk). Warum? Weil sie nicht so recht weiss, ob sie uns alle liebt, nur ein paar wenige von uns, oder am Ende gar niemanden. Das hat weniger mit ihren Gefühlen zu tun, als viel mehr mit der Definition. Wer weiss schon, was Liebe heisst? Text: nora Steiner illustration: claudio kaiser
Das Wort Liebe sollte man ausschaffen. Jawohl! Natürlich nicht die Liebe selbst. Nur das Wort. Es kann doch nicht sein, dass wir die Superlative der positiven Gefühle auf ein Wort reduzieren. Fünf Buchstaben. Für einen Apfel, dafür reichen fünf Buchstaben, finde ich. Äpfel sind die runden, harten Früchte, die an den Bäumen hängen. Äpfel halt. Logisch. Aber was ist Liebe? Ich frage, wen ich in solchen Situationen immer Frage: Wikipedia. Liebe ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen (auch zu einem Tier u. a. m.) zu empfinden fähig ist. Okay. Das mit dem Tier verwirrt mich jetzt. Egal. Viel wichtiger: Wie weiss ich denn, dass das, was ich empfinde, auch tatsächlich die stärkste Zuneigung ist, die ich emp-
finden kann? Vielleicht stecken noch viel grössere Gefühle in mir. Was ich heute als Liebe bezeichne, könnte noch weit von wirklicher Liebe entfernt sein. Gemäss Wikipedia muss ich vielleicht in zehn Jahren feststellen, dass ich den Mann, den ich heute liebe, gar nie geliebt habe, weil ich für den Mann, den ich in zehn Jahren liebe, viel stärkere Gefühle empfinden werde. So gesehen werde ich also nie wissen, ob ich schon liebe. Ich wollte von Wikipedia wissen, was Liebe ist. Jetzt weiss ich, dass ich es nie wissen kann. Herzlichen Dank, freie Enzyklopädie! Eine klare Definition gibt es nicht. Und doch stülpen wir alle dieses eine Wort über unsere individuellen Gefühle. Wir sagen: «Ich liebe dich». Ist ja auch bequem. Man verpacke ein paar Gefühle in fünf Buchstaben, garniere diese mit einem Hundeblick und schon läuft dem Gegenüber das Wasser im Mund
Ich wollte von Wikipedia wissen, was Liebe ist. Jetzt weiss ich, dass ich es nie wissen kann. zusammen. Keine nächtelangen Gespräche und Erklärungsversuche, einfach nur Liebe. Nur weil die Verpackung aus den gleichen fünf Buchstaben besteht, kann aber noch lange nicht immer vom selben Inhalt ausgegangen werden. Wo im einen Fall der Frühstücksservice ans Bett inbegriffen ist, muss
im anderen Fall dafür extra bezahlt werden. Von der Verpackung getäuscht, sind wir nun über den Inhalt enttäuscht. «Ich liebe dich», hört sich auch verdammt ähnlich an wie: «Ich liebe dich auch.» Da müsste man ja schon fast Mathematiker sein, um zu merken, dass sich hinter der vermeintlichen Gleichung eine Ungleichung versteckt. Für alle Nicht-Mathematiker wäre es doch aber viel einfacher, wir würden dieses Wort aus unserem Wortschatz streichen. Delete. Tschüss. Weg. Die in Liebe verpackten Gefühle würden plötzlich splitterfasernackt vor uns stehen. Wir müssten Alternativen finden. Versuchen, die Gefühle mit anderen Worten zu umschreiben. Wo der Eine auf «ich bin spitz» ausweicht, wird der Andere etwas von «gschpürsch mi» säuseln. Und endlich wissen wir, woran wir sind. Keine Missverständnisse mehr. Ist doch Super! Die Ausschaffung der Liebe als Wort könnte weitere linguistische Missbrauchsfälle verhindern und zu mehr Transparenz verhelfen. Wörter, die sich ohne klare Definition in unseren Wortschatz einschleichen, haben in diesem Land nichts verloren. Und an all jene, welchen die Liebe lieb ist, sei noch ein wichtiger Hinweis erlaubt: Unter «Liebe machen» wird im allgemeinen Sprachgebrauch der Geschlechtsakt verstanden. Dabei ist das Produkt jedoch keine Liebe, sondern höchstens ein Kind. Oder auch zwei. Kinder sind diese kleinen Schreihälse, denen man sprechen beibringen muss. Da könnt ihr euch nochmals überlegen, wie ihr euren Kindern das Wort «Liebe» erklären wollt… F
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horoSkop by Madame La Effe
löwe 23. juli – 23. auG.
junGFrau 24. auG. – 23. Sep.
waaGe 24. Sep. – 23. okT.
Skorpion 24. okT, – 22. noV.
Du freust dich darauf, das Geld, das du das ganze Jahr über gespart hast, in Feuerwerkskörper zu investieren. Du erhältst ein Päckli Frauenfürze. Nun ja, als Meerschweinchen-Sitter ist noch niemand reich geworden…
Zur Feier des Tages schenkst du deinem Onkel (er heisst August) Knallteufelchen. Er hält die Dinger für kleine Schnupftaback-Beutelchen. Prost Nägeli, an einem Schnupfen wird August nie mehr leiden.
Als stolzer Schweizer Bürger trägst du heute den ganzen Tag die Flagge um den Hals. Nachdem dich drei Leute um Hilfe gebeten haben, beginnst du dich zu wundern... etwa doch weisses Kreuz auf rotem Hintergrund?
Du schmeisst eine Party mit dem Motto «Wichtige Schweizer Persönlichkeiten». Du siehst lustige Lichtchen, hörst die Zimmerpalme sprechen und mit der Hauskatze Liebe machen. Ob Albert Hoffmann die richtige Wahl war?
SchüTZe 23. noV. – 21. DeZ.
STeinbock 22. DeZ. – 20. jan.
waSSermann 21. jan. – 18. Feb.
FiSche 19. Feb. – 20. märZ.
Du lädst deine Freunde zum Rot-Weiss-Dinner ein. Da du dich bei den Speisen schwer tust, reduzierst du spontan auf eine Rotwein-Weisswein-Party. Am Ende sind die Mägen leer, die Gäste dafür umso voller.
Du nimmst an einem Buurezmorge teil. Leider suchst du dir den Bauernhof des geizigen Sepperl aus. Bei ihm ist nicht nur die Milch frisch von der Kuh, sondern auch die Nutella...
Du fährst in die Innerschweiz, auf den Spuren der Schweizer Geschichte. Du folgst aber den Spuren eines Wald-OLs. Als du endlich am Ziel ankommst, ist keiner mehr da. Der 1. August wird für dich zur Single-Party.
Da du vergessen hast, dich für die Rütlifeier anzumelden, tarnst du dich als Musiker. Der Schwindel fliegt allerdings auf, weil deine Vuvuzela alle Alphörner übertrötet.
wiDDer 21. märZ – 20. apr.
STier 21. apr. – 20. mai
ZwillinGe 21. mai – 21. juni
krebS 22. juni – 22. juli
Du liest jede Zeitung von vorne bis hinten und kriegst vom Feiertag nichts mit, weil du so verkrampft nach dem Scherz suchst. Hey, es ist im Fall 1. August, nicht 1. April!
Deine Freunde beauftragen dich damit, für den Abend «Raketen» zu kaufen. Als du mit 20 Eis am Stiel eintriffst, erntest du Spott und Hohn!
Beim alljährlichen Besuch auf dem Rütli vergisst du den Text der Nationalhymne. Mister Schweiz-Gastredner Jan Bühlmann verdonnert dich zu zwei Stunden nachsitzen. Unter vier Augen.
Aus lauter Gier verschlingst du fünf 1. August-Weggen hintereinander. Deine Masslosigkeit bleibt nicht unbestraft: beim letzten Weggen isst du den Zahnstocher und das Fähnchen aus Versehen gleich mit.
Illustrationen: Bea Kaufmann
KREUZhWORTRÄTSEL 1
waaGrechT 6. 7. 8. 9. 10. 11. 13. 14. 15. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
So etwas wie Zürich in Zeitlupe Hier werden Knaben geschossen Live-Club im 5 Stinkt wie die Geschäfte der Fifa. Ist auch gleich nebenan. Formel-1-Rennstall und das Ziel von Meister Proper Dieses Haus ist besetzt, ohne Pause bis jetzt Sternwarte und Störwache Fahren wie die Henker und kriegen noch Geld dafür Wir vermissen sie im Stadtrat (Kathrin) Jetzt Junkie-Garten, vielleicht bald Kinderspielplatz Mag minderjährige Polizistentöchter (vollst. Initialen) Pedaleur de Charme Macht Kebab, Hotel und Plakatwerbung Teures Bier, billiger Jazz Farbe der Tramlinie 2 und 15
SenkrechT 1. Das Kies 2. Stadtheilige (nein, nicht Börni) 3. Kulturoase in der Konsumwüste Sihlcity 4. Röllele, röllele, mit Reis und Fisch 5. Multiplex 10. Fährt im HB auf Gleis 1 und 2 12. Agglo Züri Süd 14. Es gibt sie als Bus, Schiff oder Kobra 15. Bei Musu ist immer offen, die Kunden immer zu 16. Die Tina von der Goldküste
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firtig
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Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
Die Zeitung zum Feiertag – 1. August 2010
worT Zum FIRTIG
TriTTST im MORGENROT DAHER AUSGEHEN STATT EINGEHEN AM NATIONAL-FIRTIG
Von Deborah Sutter
FIRTIG-VORFREUDE:
JUGO-PARTY DELUXE Sommerferien auf Balkanien? Dafür reicht jetzt ein ZVV-Billet, oder das Rennvelo. Am nächsten Wochenende wird der 32er Junkiebus zum Jugo-Express: Im Casablanca (ja, das an der Langstrasse) knallen die Gipsy-Beats, dass es dem Ueli Maurer noch die letzten Härchen von der Halbglatze pustet. Scharfschützen hinter den Plattentellern: das DJ-Trio Alain Ford, Bob Rock und Rock Gitano von der Rambazamba-Partycrew Balkanekspress. Wir sagen: Iischtiige, platznäh! café casablanca, Samstag 7. august, ab 23 uhr
SAMStAg, 31. Juli:
SonntAg, 1. AuguSt:
alTe börSe: Viva La Disco. Bis einem die Kugel auf den Kopf fällt.
barFuSSbar: La Balera. Tanzen ohne Schuhe, oder was?
cabareT: Goldgebrochenes. Komisches Deutsch, aber die Party soll nett sein. Hört man.
GZ wolliShoFen: Da ist am Sonntag immer so Techno-Zeugs, wenn die Bullen grad nicht den Strom abdrehen.
hiVe: Rakete. Wie war das mit dem «Erfolgsmodell Apollo»?
kauFleuTen: Ritmo Rico. Let’s Salsa, der Preis ist Schweiss.
maScoTTe: U! Sommerhit 2010. Jetzt! Mit! Ausrufezeichen!
lonGSTreeT: HOMO. Nomo est omo.
mooDS: Urban Festival Afterparty. Denn das Gute liegt so nah. oranGe cinema: «It’s Complicated» …aber den Aufwand wert. plaZDa: Bestseller auf dem Plattenteller. Ist nicht so billig, wies klingt. Wirklich nicht. proViTreFF: Tibet-Party. Free Züri!
pier weST: Afterparty Urban Festival. Mit dem Partyboot ins Abendrot. uTo kulm: BBQ-Plausch. Für alle, die hoch hinaus wollen. Auch finanziell… 4. akT: Sunday Lounge. Okay, wir geben’s zu: Wir gehen auch nicht hin. x-Tra: BRIGHT.LIGHTS mit Solange La Frange, Electro-Feuerwerk ohne Frauenfürze.
SupermarkeT: Radio Moskau. Putin, bitte kommen, antworten! xenix: «The Cotton Club» von Francis Ford Coppola. Der Streifen ist von 1984, also älter als die meisten von euch.
FIRTIG IM AUSSENDIENST:
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AGGLO-AKTSCHEN Dass die immer so ein Theater machen müssen… Kaum sind die Schilder mit der Aufschrift «Wildnispark Zürich» im Sihlwald getrocknet, quartiert sich das turbinetheater Langnau im Besucherzentrum ein. Für die 21. Eigenproduktion haben sich Regisseur Peter Niklaus Steiner und sein Team den ollen Shakespeare zur Brust genommen. Es wird aber trotzdem lustig, oder erst recht. Die Komödie «Wie es euch gefällt» stopft im Sihltal das kulturelle Sommerloch – und ist ab Zürich HB in 25 Minuten per S-Bahn erreichbar. «wie es euch gefällt», naturzentrum Sihlwald 29. juli bis 22. august, jeweils 20 uhr infos, reservationen und all der übrige krams auf: www.turbinetheater.ch
ZukunFT: DJ Heidi und Co. Endlich mal was Urchiges. 2raumwohnunG (liVe): Turbinenplatz. Und dieser Sektenschnulzer Nadoo singt auch noch mit.
MontAg, 2. AuguSt: exil: Nik Bärtsch’s Ronin. Ja, die machen das immer noch. Woche für Woche. kino am berG: «Away We Go». Charmanter Junge-Eltern-Workshop in 98 Minuten. maScoTTe: Cool Monday. Es gibt doch kein Hitzefrei. oranGe cinema: «Nine» …ist glaubs nicht ganz so gruslig wie «Seven». STairS: Afterhour NationalfeiertagSpecial. Falls Sie ums Verrecken nicht zur Arbeit wollen.
DienStAg, 3. AuguSt: rimini: Der Männerbadi-Montagsmarkt ausnahmsweise am Dienstag, dafür mit Glitter & Glamour. Also, wie immer, eigentlich.
LÖSUNGEN KREUZhWORTRÄTSEL: waagrecht: 6. Bern, 7. Albisguetli, 8. Exil, 9. Zoo, 10. Sauber, 11. Binz, 13. Urania, 14. Taxi, 15. Martelli, 17. Kaserne, 18. CWH, 19. Koblet, 20. Ali, 21. Moods, 22. Rot. Senkrecht: 1. xenix, 2. Regula, 3. Papiersaal, 4. Sushi, 5. Abaton, 10. SZU, 12. Adliswil, 14. Tram, 15. Meyers, 16. Turner
Heisser Sommernachmittag am Letten: Vor dem Eingang ein Meer von Velos, wohin das Auge reicht blitzen und glänzen die Räder in der Sonne. Räder, denen man ihr biblisches Alter ansieht. Drinnen sitzen die Velobesitzer Tuch an Tuch, dicht gedrängt. Eine Mehrheit ist mit altmodischen Stoff-Poschtitäschli unterwegs, die Bikinis und Badehosen sollen auch einen Hauch der «guten alten Zeit» verströmen. Kinder en masse, auf den ersten Blick bietet sich eine Brocki-Sozi-Collage, der scheinbar nichts hinzuzufügen ist. Doch obacht: Was nach Brocki aussieht, ist in Tat und Wahrheit im besten Fall überteuerte «Secondhand»- Ware oder grad ein Designer-Stück. Auch die Velos sind klug ausgewählte Prestigeträger, viele sind garantiert nicht aus Grosis Keller, sondern teuer erworben. Fragt sich nur, ob es sich mit dem Gedankengut ebenso verhält. Wie viel linke Ideologie, wie viel Sozialismus steckt wirklich hinter den Szenis? Derzeit ist herzlich wenig Bereitschaft vorhanden, einen echten Unterschied zu erringen. Mit der ganzen Misere rund um Finanzkrise und deren Ausläufer drängte sich uns die Chance auf eine Veränderung förmlich auf. Unsere Generation hätte aktiv werden können, ja müssen. Wie lange ist’s her, da wir aufgegeben haben, an eine bessere Welt zu glauben? Es scheint, als wäre diese Einstellung irgendwie auf der Strecke verloren gegangen. Wir sind realistischer und pragmatischer als Generationen vor uns. Als Weltverbesserer oder -veränderer sieht sich kaum jemand. Kein kreativer Widerstand gegen das kaputte Wirtschaftssystem – abgesehen vom unermüdlichen Engagement einiger jungen Sozialisten. Schade. Die kapitalistische, konsumorientierte Nestwärme hat uns schläfrig und bequem gemacht. Ideologie ist, wenn sie Taten und Handlungen erfordert, nicht wirklich chic. Hm. Male ich schwarz? Zeichne ich ein falsches Bild von mir und meiner Generation? Keine Ahnung. Mich dünkt es jedoch ungemein wichtig, dass wir uns ab und an, auf unseren Velos durch die Stadt fahrend, eine Frage stellen: Woran hängt eigentlich unser Herz? F