Portfolio Textproben Flora Frommelt

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PORTFOLIO F L O R A

F R O M M E L T





INHALT

UNTERSUCHUNG EINER SUBKULTUR: DIE BODYBUILDER REPORTAGE ÜBER SPRÜNGLIS LUXEMBURGERLI AUSSTELLUNG VON HENRI CARTIER-BRESSON KUNST VOR ORT: AUF DER PFINGSTWEID PORTRÄTS AUF DEM FLOHMARKT AUSEINANDERSETZUNG MIT DER SCHNELLIGKEIT DES LEBENS



UNTERSUCHUNG EINER SUBKULTUR: DIE BODYBUILDER

ZHDK, 2012


DIE BODYBUILDING-BOX Schönheitsideale Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der die Geschwindigkeit eine grosse Rolle spielt. Power-Naps, SchnellzĂŒge, Express-Kassen und Convenience-Food prĂ€gen unseren Alltag. Die Leute wollen immer mehr ausprobieren. Sie sind ungeduldig und wollen in kurzer Zeit möglichst viel erreichen – vorzugsweise ohne grossen Aufwand. Auch die Vorstellungen von Schönheit verĂ€ndern sich in solch einer Gesellschaft sehr schnell. Im Hinblick auf frĂŒhere Schönheitsideale scheint es gar, als ob sie grenzenlos wandelbar wĂ€ren. Weit verbreitet ist daher die Annahme, dass sie sich in völlig beliebiger Weise entwickeln. DemgegenĂŒber verweist die AttraktivitĂ€tsforschung darauf, dass die jeweiligen Schönheitsideale bei aller kulturellen VariabilitĂ€t durchaus auch Gemeinsamkeiten aufweisen. Ihren Erkenntnissen zufolge grĂŒndet sich menschliche Schönheit zumindest teilweise auf definierbare Faktoren, die einem relativen Konsens zwischen Individuen und Kulturen unterliegen und evolutionsbiologisch verankert sind - wie etwa die Makellosigkeit der Haut oder die Symmetrie des Körpers. Sie gelten als Indiz fĂŒr Gesundheit.

Um der Schnelllebigkeit des Alltags gerecht zu werden, sucht sich das Individuum tendenziell den einfachsten und schnellsten Weg, sein Ideal zu erreichen. Bestes Beispiel in diesem Kontext sind Schönheitsoperationen. Sie dienen lediglich dazu, auf einfache – wenn auch teure – Art und Weise zu erhalten, was man sonst nur mit viel Energie und Zeitaufwand erreichen wĂŒrde. Bodybuilding als Schönheitsideal Bodybuilder versuchen, durch gezielte Körpermodifikation ihren Schönheitsvorstellungen zu entsprechen. Es handelt sich dabei um einen in der bĂŒrgerlich-europĂ€ischen Tradition verhafteten MĂ€nnlichkeitskult: das Bild des „starken“ Mannes. Bodybuilding ist ein Schönheitsideal. Im Gegensatz zu anderen Richtungen der Fitness-Szene, bei denen Körper-ErtĂŒchtigung, Gesundheit, Spaß und Sich-fit-FĂŒhlen oft die Hauptziele sind, stehen bei vielen Bodybuildern Aspekte eines zelebrierten Körperkultes im Vordergrund: Das Selbst-Schaffen eines perfekten Körpers, ein stark ausgeprĂ€gtes Ă€sthetisches Bewusstsein, und das Posing (demonstratives Sich-zur-Schau-Stellen oder ImponierenWollen) mit einem extrem geformten Körper auch im Alltag. Als Kontrolle ist es deshalb unerlĂ€sslich, den exakten Bewegungsablauf seiner Übung zu ĂŒberprĂŒfen und einzelne Muskelpartien in angespanntem, wie auch entspannten Zustand zu betrachten. Der Blick in den Spiegel ist somit ein Versuch visueller Distanznahme zum eigenen Körper. Der Bodybuilder hofft stĂ€ndig, von anderen so gesehen zu werden, wie er gesehen werden möchte. Bodybuilding ist Kunstschaffen am eigenen Körper - basierend auf einem ĂŒberhöhten Schönheitsideal. Der Körper ist Ausdrucksmittel und Arbeitsmaterial, das geformt wird. So sagt etwa der frĂŒhere IFBB-Profi Ed Corney: „I look at myself as a piece of art. I have taken 20 years to develop my physical body into the shape it‘s in right now, and if that isn‘t art, I don‘t know what art is.“ Es gilt stets, den Körper in seiner


Form zu perfektionieren und zu definieren. Er ist das Symbol einer nichtalltĂ€glichen, aussergewöhnlichen Einstellung. Durch ihn demonstriert der Bodybuilder sozialweltlich seine FĂ€higkeit zur Ekstase. Der konkrete Zustand des Körpers verweist auf die aktuelle Verfassung des Geistes. An den Schmerzen, die er fĂŒr sein Ziel in Kauf nimmt, erkennt man seine Selbstdisziplin. Dieser Körperkult, der fetischhafte ZĂŒge annehmen kann, wird fĂŒr viele Bodybuilding-Fans zu einem bestimmenden, zeitintensiven und identitĂ€tsstiftenden Element ihres Lebensstils. Dabei geht das Zelebrieren dieses Kultes oft weit ĂŒber das eigentliche Bodybuilding hinaus und entwickelt sich zu einer ganzen Lebensphilosophie. Man spricht daher auch von Bodystyling. Bodybuilder zelebrieren ein Schönheitsideal, das in der heutigen Zeit eher weniger AnhĂ€nger findet. Ein muskulöser Körper wird bis zu einem gewissen Grad als schön empfunden, kippt aber irgendwann ins UnnatĂŒrliche. Er wirkt dann nur noch monströs, eklig, und aufgeblasen. Gerade deswegen handelt es sich bei den Bodybuildern um eine Subkultur.

Die Bodybuilding-Box In einer kritischen Auseinandersetzung mit Bodybuildern und ihrer Ă€sthetischen Wirkung auf die Aussenwelt entstand die BodybuildingBox. Ausgehend vom Begriff „Body-Building“ beinhaltet sie verschiedene Objekte, die den Körper „formen“ und die eigene „Körperform“ in Szene setzen sollen. Die Box ist eine ironische Anspielung auf die Schönheitsideale der heutigen Zeit. Sie versteht sich als do-it-yourself-Kasten mit allen nötigen Bausteinen, welche die typischen Merkmale eines Bodybuilders im Alltag hervorheben. Um den aufwĂ€ndigen, zeitintensiven Weg der Körperperfektionierung zu umgehen, erhĂ€lt man hiermit die Möglichkeit, auf einfachem Weg zum Muskelprotz zu werden.



REPORTAGE ÜBER SPRÜNGLIS LUXEMBURGERLI

FIRTIG, 2011


DER SIEGESZUG DES BONZEN-SMARTIE Kalorienbomben fĂŒr die Welt: Seit einem halben Jahrhundert lassen SprĂŒnglis Zukkerterroristen mit ihrer Geheimwaffe die Herzen asiatischer Touristen und vermögender Naschkatzen höher schlagen. Das Luxemburgerli gilt bis heute als Erfindung helvetischer Confisseriekunst. Dabei war doch alles ganz anders... Auf den Spuren von ZĂŒrichs LifestyleMakaronen. Sie sind das Fashion-Biscuit schlechthin. Perfekte Rundungen, eine straffe, glatt-glĂ€nzende OberflĂ€che und darunter eine luftige CremeFĂŒllung. Beim ersten Bissen knacken sie, verströmen sĂŒsses Mandelaroma und kleben wie Marshmellows leicht an den ZĂ€hnen. Die Rede ist von den kleinen Makrönchen mit dem ungewöhnlichen Namen: die Luxemburgerli. Ihr typisches Merkmal ist das KrĂ€nzchen am Rande des Biscuits – le pied iconique, wie es der Franzose nennt. Eine Herausforderung fĂŒr jeden Profi, denn ohne FĂŒsschen ist es kein waschechtes Macaron. Im Übrigen in Ă€hnlichen

Tönen gehalten wie Ohropaxpfropfen, aber im Gegensatz zu jenen herrlich luftdurchlĂ€ssig. Streng aufgereiht prĂ€sentieren sie sich auf den Silbertabletts der SprĂŒngli Filialen, Luxemburgerli an Luxemburgerli. Wie ĂŒberdimensionale Smarties. Nur eben ein bisschen grösser und teurer. Obwohl die Miniatur-Hamburger bereits 50 Jahre alt sind, gehören sie noch immer zum beliebtesten Mitbringsel aus ZĂŒrich. Was einst als acht Gramm leichte Winzigkeit begann, ist heute zu einem gewichtigen Imperium des ZĂŒrcher Confisserie-Marktes geworden. Was ist das Erfolgsgeheimnis? „It’s a traditional swiss speciality!“ – erklĂ€rt ein mit Fotoapparat ausgerĂŒsteten Japaner, der gerade aus dem berĂŒhmtberĂŒchtigten Kaffeehaus am Paradeplatz stĂŒrmt. Wenn der wĂŒsste... Das Luxemburgerli wird irrtĂŒmlicherweise bis heute dem helvetischen Erfindungsgeist zugeschrieben. Dabei kommt das Rezept weder aus der Schweiz, noch aus den geschĂ€ftstĂŒchtigen HĂ€nden der SprĂŒngli-Dynastie. UrsprĂŒnglich erblickten die Makrönchen in Spanien wĂ€hrend des Passachfestes das Licht der Welt. Die


Juden durften in der besagten Zeit kein GebĂ€ck aus Mehl mit Triebmitteln essen und kreierten so aus weissen Mandeln, Eiweiss, und viel Zucker die kleine Köstlichkeit. Via Italien verirrte sich das Makrönchen dann in den Norden, wo es bis heute Bestandteil der französischen Edel-Confisserie ist. Als Richard SprĂŒngli vor mehr als einem halben Jahrhundert quer durch Europa zog, um bei den renommiertesten Confiseuren des Kontinents sein handwerkliches Geschick zu verfeinern, lernte er die Köstlichkeit kennen und wollte das vorzĂŒgliche GebĂ€ck ab sofort auch selbst herstellen. Das Rezept dazu brachte ihm der junge Camille Studer von einer befreundeten Confiserie in Luxemburg. Dieser weilte Ende der FĂŒnfzigerjahre zur Weiterbildung in ZĂŒrich und verfeinerte dort die Makrönchen seines heimatlichen Lehrmeisters. (1957) Er minimierte sie auf den Durchmesser eines EinfrĂ€nklers, bestrich die untere HĂ€lfte mit einer aromatisierten Buttercreme und setzte die andere SchalenhĂ€lfte wie bei einem Sandwich oben drauf. Der originale Name „Baiser de Mousse“, was ĂŒbersetzt Schaumkuss bedeutet, war der ZĂŒrcher Kundschaft jedoch zu peinlich. Kurzerhand taufte man das zarte GebĂ€ck nach seinem Herkunftsort. Anstelle der KĂŒsse bestellten sie fortan das GebĂ€ck des Luxemburgers. Oder eben die Luxemburgerli. Das kleine GebĂ€ck war jedoch zunĂ€chst alles andere als ein „Renner“. Die Makrönli wurden zwar verkauft, aber ohne viel Enthusiasmus. Die Herstellung von Hand war recht aufwendig und verlangte viel FingerspitzengefĂŒhl. Ganz nach dem Motto Zeit ist Geld verlangen SprĂŒnglis ZuckerkĂŒnstler daher ein kleines Vermögen fĂŒr die Köstlichkeit. Mit den Jahren kamen die ZĂŒrcher auf den Geschmack und heute ist das GebĂ€ck zum sogenannten „Top-Lead-Produkt“ geworden. Die Luxemburgerli sind nicht bloss Sinnbild der Confiserie SprĂŒngli, sondern ein Wahrzeichen fĂŒr ganz ZĂŒrich. Ihr Ruhm geht sogar ĂŒber die Landesgrenze hinaus. Mit der Beliebtheit der Luxemburgerli stieg auch der Ehrgeiz der Confiseure, in zahlreichen

Versuchen die Makrönchen zu verfeinern und zu veredeln. Heute werden laut GeschĂ€ftsfĂŒhrer Thomas Prenosil bei SprĂŒngli durchschnittlich 650 kg Luxembugerli pro Tag hergestellt und ist der bekannteste Artikel aus dem SprĂŒngliSortiment. FĂŒr die Herstellung werden ausschliesslich natĂŒrliche Zutaten ohne Konservierungsmittel und kĂŒnstliche Farbstoffe verwendet. Neben der hochwertigen Frische machen vor allem die feinsten Zutaten das Erfolgsrezept der Luxemburgerli aus – wie zum Beispiel edelste Bourbon-Vanille-Stengel und natĂŒrliche Farbstoffe. Selbst das knallige Rot des Himbeer-Luxemburgerli wird aus dem Saft der Frucht gewonnen. Es gibt sie in ĂŒber 30 Geschmacksrichtungen und jeden Monat kreieren SprĂŒnglis ZuckerbĂ€cker ein neues Geschmackserlebnis. Von Schokolade, Vanille und Haselnuss bis hin zu hippen Kreationen wie Chili-Whisky und fruchtigem Erdbeer-Rhabarber-Aroma ist alles dabei. Zum Anlass des 50. Geburtstages entstand das Gold-Luxemburgerli mit Perrier-JouĂ«t-Champagner, welches auf der Beliebtheistsskala der Ă€lteren Damen sofort Gold-Status erreicht hat. Das Mini-Merinque-Sandwich wurde zum Bestseller auf dem schweizerischen Confiserieteller. Genau deshalb sollten wir die Japaner auch in dem Glauben lassen, das Luxemburgerli sei eine Schweizer SpezialitĂ€t. Sonst erklĂ€ren sie bald Luxemburg zu ihrem neuen favorisierten Urlaubsziel.



AUSSTELLUNG VON HENRI CARTIER-BRESSON

FIRTIG, 2011


DIE JAGD NACH DEM ENTSCHEIDENDEN AUGENBLICK Sich auf die Lauer legen, genau zielen, im richtigen Moment abdrĂŒcken und dann schnell abhauen - so das Arbeitsmotto des bedeutendsten Fotografen des letzten Jahrhunderts. Eine Retrospektive ĂŒber das Katz-und-Maus-Spiel von Henri Cartier-Bresson. Eine Horde Kinder, die in einer zerbombten Ruine spielt. Maskenhaft geschminkte Prostituierte, die gute Laune mimen. Ein Mann, der in dieser Sekunde ĂŒber eine PfĂŒtze springt. Es war stets der entscheidende Moment, den Henri CartierBresson auf seinen Fotografien festzuhalten verstand. Seine Bilder sind ausdrucksstarke Momentaufnahmen. Geometrische Bildkompositionen, die Geschichten erzĂ€hlen. Der französische Fotograf sah es als seine Mission, die Welt so realistisch wie möglich darzustellen. Menschen in ihrer sozialen Umgebung. Die ungeschönte Wahrheit eben. Henri Cartier-Bresson war ein JĂ€ger. Er beobachtet seine Opfer mit der Intuition einer Raubkatze – stets auf der Jagd nach dem „moment

dĂ©cisif“, jenem entscheidenden Augenblick, in welchem das Ereignis gipfelte und sich im Bild erfassen liess. Wie eine Katze vor dem Mauseloch wartete er, bis die entsprechende Person vor die Linse trat und „klick“ – knipste er seinen Schnappschuss. Der Franzose studierte erst Malerei, tauschte dann aber den Pinsel gegen die Leica und reiste von da an als Fotoreporter rund um den Globus. Es war sein unglaublicher Instinkt, der ihn immer wieder zur richtigen Zeit an den richtigen Ort fĂŒhrte. Mit seiner Kamera hielt er die entscheidenden, historischen UmbrĂŒche des 20. Jahrhunderts fest, wie etwa die Ermordung Gandhis, die ersten Tage der kommunistischen Herrschaft in China oder den Kalten Krieg in der UdSSR. Daneben war er MitbegrĂŒnder der legendĂ€ren Fotoagentur Magnum – eine verschworene Kooperative zur Wahrung der Rechte am Bildmaterial. Das Museum fĂŒr Gestaltung zeigt erstmals eine umfassende Retrospektive des Fotojournalisten. Chronologisch gegliedert nach seinem Lebenslauf umfasst sie rund 300 Momentaufnahmen, Bildstrecken, ein Kabinett mit KĂŒnstlerportraits,


Filme, von und ĂŒber Cartier-Bresson, LĂ€nderreportagen und weitere Reliquien. Die Ausstellung lĂ€sst ein ganzes Jahrhundert Revue passieren und eröffnet neue Perspektiven ĂŒber den Mann des entscheidenden Augenblicks.

Henri Cartier-Bresson, im Museum fĂŒr Gestaltung ZĂŒrich, Ausstellungsstrasse 60, 8005 ZĂŒrich. Noch bis 24. Juli. Di-So 10-17 Uhr, Mi 10-20 Uhr, www.museum-gestaltung.ch



KUNST VOR ORT: AUF DER PFINGSTWEID

FIRTIG, 2011


KUNST AUF DER PFINGSTWEID Inmitten von leerstehenden Industriehallen, jugendlicher Clubkultur und schicken Luxuslofts zieht fĂŒr vier Tage die Kunst ein. Ein Partylokal wird zur Ausstellung der besonderen Art. Passend zu Pfingsten gibt’s Kultur auf der „Pfingstweid“. Wo frĂŒher zur besagten Zeit das Vieh weilte, ist heute ein interessantes Konglomerat aus alten Industriehallen, der sich ansiedelnden Clubkultur und den boomenden, vom „Industrial Chic“ angezogenen neuen Luxuslofts. Inmitten dieser Nachtclubszene im Kreis 5 befindet sich die „Pfingstweide“, eine ausgediente Lagerhalle, die zur Diskothek umfunktioniert wurde. Hier, in eine Welt voll elektronischer Musik und flimmerndem Neonlicht, dringt nun fĂŒr vier Tage die Kunst ein – verwandelt das Partylokal in eine Plattform fĂŒr Malerei, Fotografie, Installationen, Video und Performances. Die Werke werden geprĂ€gt von der unverwechselbaren AtmosphĂ€re und der kantigen, ungeschliffenen AuthentizitĂ€t der Industriehalle. Eine Herausforderung fĂŒr die KĂŒnstler, auf diesen Raum einzugehen und spezifisch situative Werke zu schaffen, die ihn in seiner Wirkung kontrastieren oder verstĂ€rken. Thematisiert wird der Ausstellungsort als ehemalige Lagerhalle, eine GegenĂŒberstellung von Industrie versus unberĂŒhrter Landschaft. Hier treffen sich die Arbeiten von 29 GegenwartskĂŒnstlern. Street Art neben Diskokugeln, bröckelnder Verputz und Luftschachtrohre als Kulisse fĂŒr inszenierte Bilder, surreale Skulpturen und politische Installationen. Auf der TanzflĂ€che gedeihen Projektionen, erwachen schrĂ€ge Töne und am Abend erfĂŒllen die SoundkĂŒnstler die

Bude mit Leben. Zwischen diffusem Tageslicht und inszenierter Clubbeleuchtung entsteht ein Gesamtkunstwerk. Der Verein Kunst vor Ort schafft eine Begegnungszone zwischen Industriegebiet und Clubkultur. In einer situativen Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort und den dafĂŒr gestalteten Werken entsteht die Möglichkeit eines ungezwungenen Austauschs zwischen Kunstschaffenden und BesucherInnen. Hier bleibt Platz fĂŒr den zwanglosen Museumsbesuch, fĂŒr Reflexion, fĂŒr Begegnungen, fĂŒr Kommunikation. Ein Ort, der zum Verweilen einlĂ€dt...

Pfingstweide, Pfingstweidstrasse 12, 8005 ZĂŒrich, Verein Kunst vor Ort. Von 22. bis 25. Juni. www.kunstvorort.ch Ausstellung: Thomas Bestvina, Tashi Brauen, Sabrina Davatz, Benjamin Egger, Edith HĂ€nggi, Viktor Korol, Valentin Magaro, Jan van Oordt, Jean-NoĂ«l Pazzi, Monya Pletsch, Navid Tschopp, Oliver Schwarz, Ernst Thoma Performance: Sabrina Davatz, Sarah Graf, Viktor Korol, Jari Antti, Martin Chramosta, Cornelia Heusser, Raimo Benedetti, Gabriel Stampfli, Pocketmaster, Quynh Dong, Giulin StĂ€ubli, Svein Herseman, Tham Le, Duc Le, Niklaus Erismann, Thai Pham Sound: Effbeats & Reaves, Lenz, Juen & Bach, Die Abstrakten




PORTRÄTS AUF DEM FLOHMARKT

ZHDK, 2011


PORTRÄTS Die Stimmung und das Kaufverhalten auf FlohmĂ€rkten sind einzigartig: Man kauft nicht mechanisch wie im Laden, sondern mit Emotionen. Leute verabschieden sich von ihren GegenstĂ€nden und freuen sich, wenn sich jemand anderes in die Sachen verliebt. Besonders gefĂ€llt mir, dass man auf dem Trödelmarkt mit den Leuten ins GesprĂ€ch kommt. Erst so erfĂ€hrt man die interessanten Geschichten und Erinnerungen hinter den GegenstĂ€nden. In fĂŒnf illustrierten Kurzgeschichten habe ich Personen und ihre ErzĂ€hlungen festgehalten.


„Ich mag den Charme von analogen TontrĂ€gern. Mit diesem Rekorder zum Beispiel habe ich frĂŒher Kassetten bespielt. Das hat Zeit und Geduld gekostet. Ich sass dann Stunden vor dem Radio und wartete auf das richtige Lied - immer auf der Jagd nach aktuellen Hits und Klassikern, die noch in meiner Sammlung fehlten. Als Liebesbeweis habe ich fĂŒr meine damalige Freundin eine Kassette mit ihren Lieblingsliedern zusammengestellt. Wir sind nun schon seit vielen Jahren glĂŒcklich verheiratet und hören uns die Kassette manchmal gemeinsam der Schweiz, noch aus den geschĂ€ftstĂŒchtigen Kalorienbomben fĂŒr die Welt: Seitan.“ einem HĂ€nden der SprĂŒngli-Dynastie. UrsprĂŒnglich halben Jahrhundert lassen SprĂŒnglis ZuBeat, 61 erblickten die Makrönchen in Spanien wĂ€hrend ckerterroristen mit ihrer Geheimwaffe die des Passachfestes das Licht der Welt. Die Herzen asiatischer Touristen und vermögender Naschkatzen höher schlagen. Das Juden durften in der besagten Zeit kein GebĂ€ck aus Mehl mit Triebmitteln essen und kreierten Luxemburgerli gilt bis heute als Erfindung so aus weissen Mandeln, Eiweiss, und viel helvetischer Confisseriekunst. Dabei war Zucker die kleine Köstlichkeit. Via Italien verirrte doch alles ganz anders... sich das Makrönchen dann in den Norden, Auf den Spuren von ZĂŒrichs Lifestylewo es bis heute Bestandteil der französischen Makaronen. Edel-Confisserie ist. Als Richard SprĂŒngli vor mehr als einem halben Jahrhundert quer durch Europa zog, um bei Sie sind das Fashion-Biscuit schlechthin. Perden renommiertesten Confiseuren des Kontifekte Rundungen, eine straffe, glatt-glĂ€nzende nents sein handwerkliches Geschick zu verOberflĂ€che und darunter eine luftige Cremefeinern, lernte er die Köstlichkeit kennen und FĂŒllung. Beim ersten Bissen knacken sie, wollte das vorzĂŒgliche GebĂ€ck ab sofort auch verströmen sĂŒsses Mandelaroma und kleben selbst herstellen. wie Marshmellows leicht an den ZĂ€hnen. Die Das Rezept dazu brachte ihm der junge CamilRede ist von den kleinen Makrönchen mit dem le Studer von einer befreundeten Confiserie in ungewöhnlichen Namen: die Luxemburgerli. Luxemburg. Dieser weilte Ende der FĂŒnfzigerIhr typisches Merkmal ist das KrĂ€nzchen am jahre zur Weiterbildung in ZĂŒrich und verfeiRande des Biscuits – le pied iconique, wie es nerte dort die Makrönchen seines heimatlichen der Franzose nennt. Eine Herausforderung fĂŒr Lehrmeisters. (1957) Er minimierte sie auf den jeden Profi, denn ohne FĂŒsschen ist es kein Durchmesser eines EinfrĂ€nklers, bestrich die waschechtes Macaron. Im Übrigen in Ă€hnlichen untere HĂ€lfte mit einer aromatisierten ButterTönen gehalten wie Ohropaxpfropfen, aber im creme und setzte die andere SchalenhĂ€lfte wie Gegensatz zu jenen herrlich luftdurchlĂ€ssig. bei einem Sandwich oben drauf. Streng aufgereiht prĂ€sentieren sie sich auf den Der originale Name „Baiser de Mousse“, was Silbertabletts der SprĂŒngli Filialen, LuxemburĂŒbersetzt Schaumkuss bedeutet, war der gerli an Luxemburgerli. Wie ĂŒberdimensionale ZĂŒrcher Kundschaft jedoch zu peinlich. KurzerSmarties. Nur eben ein bisschen grösser und hand taufte man das zarte GebĂ€ck nach seiteurer. nem Herkunftsort. Anstelle der KĂŒsse bestellten Obwohl die Miniatur-Hamburger bereits 50 sie fortan das GebĂ€ck des Luxemburgers. Oder Jahre alt sind, gehören sie noch immer zum eben die Luxemburgerli. beliebtesten Mitbringsel aus ZĂŒrich. Was einst Das kleine GebĂ€ck war jedoch zunĂ€chst alles als acht Gramm leichte Winzigkeit begann, andere als ein „Renner“. Die Makrönli wurden ist heute zu einem gewichtigen Imperium des zwar verkauft, aber ohne viel Enthusiasmus. Die ZĂŒrcher Confisserie-Marktes geworden. Was ist Herstellung von Hand war recht aufwendig und das Erfolgsgeheimnis? „It’s a traditional swiss verlangte viel FingerspitzengefĂŒhl. Ganz nach speciality!“ – erklĂ€rt ein mit Fotoapparat ausgedem Motto Zeit ist Geld verlangen SprĂŒnglis rĂŒsteten Japaner, der gerade aus dem beZuckerkĂŒnstler daher ein kleines Vermögen rĂŒhmtberĂŒchtigten Kaffeehaus am Paradeplatz fĂŒr die Köstlichkeit. Mit den Jahren kamen die stĂŒrmt. Wenn der wĂŒsste... ZĂŒrcher auf den Geschmack und heute ist das Das Luxemburgerli wird irrtĂŒmlicherweise bis GebĂ€ck zum sogenannten „Top-Lead-Produkt“ heute dem helvetischen Erfindungsgeist zugegeworden. Die Luxemburgerli sind nicht bloss schrieben. Dabei kommt das Rezept weder aus Sinnbild der Confiserie SprĂŒngli, sondern ein



„Ich ziehe in wenigen Wochen mit meiner Freundin zusammen. Deshalb sind wir auf der Suche nach Möbeln, die uns beiden gefallen und nicht zu teuer sind. Der Flohmarkt ist perfekt dafĂŒr. Hier finden wir bestimmt etwas Geeignetes. Ich könnte mir diese Sessel gut vorstellen. Die Gebrauchsspuren und das antike Design geben ihnen Charakter. Weil sie heute nicht mehr hergestellt werden, sind sie etwas Besonderes.“ Marc, 26

„Mit meinen Barbies und Kens habe ich jeden Tag meiner Kindheit geteilt. Am liebsten spielte ich Prinz und Prinzessin und habe davon getrĂ€umt, spĂ€ter einmal genau so viele schöne Kleider zu besitzen wie sie. Vor kurzem bin ich ausgezogen und rĂ€umte den Keller meiner Mutter frei - da habe ich meine alten Spielsachen in einer Kiste gefunden. Nun habe ich endlich den Mut gefasst, sie auszusortieren. Die lachenden Augen der kleinen MĂ€dchen entschĂ€digen mich fĂŒr den Verlust der Puppen.“ Sabrina, 19


„Seit Jahren gehe ich auf FlohmĂ€rkte, um Kleidung zu kaufen. Die Klamotten hier kann man viel individueller stylen als die von der Stange. Heute trage ich meine Lieblings-Felljacke. Die habe ich vor zwei Jahren bei einem netten MĂ€dchen erstanden - nach einer Viertelstunde harter Verhandlung. Jedes Mal, wenn ich die Jacke aus dem Schrank ziehe, erinnere ich mich daran.“ Ciara, 25

„Ich bin ein grosser Fan der afrikanischen Kultur. Deshalb fliege ich einmal pro Jahr nach Sierra Leone, einer kleinen Republik in Westafrika. FĂŒr wenig Geld kriegt man dort von Hand gefertigte Glas- und Holzperlen. Daraus gestalte ich selber Schmuck und verkaufe ihn hier auf dem Flohmarkt. Ich hoffe, auf diese Weise ein kleines bisschen von der afrikanischen Tradi-tion in die Schweiz bringen zu können.“ Regula, 22




AUSEINANDERSETZUNG MIT DER SCHNELLIGKEIT DES LEBENS

ZHDK, THEMA „REC / PLAY“ 2011


EINFACH ABSCHALTEN

DER KLEINE RATG E B E R F Ü R R I C H T I G E S FA U L E N Z E N Unser Alltag wird immer hektischer. Viele Menschen fĂŒhlen sich wie ein Hamster im Laufrad, gehetzt und ausgepowert. Wir mĂŒssen heute im Zusammenhang vernetzter Systeme funktionieren und können deshalb oft nicht frei ĂŒber uns, unsere Zeit und unsere Arbeit verfĂŒgen. Im Gegensatz zu dem griechischen Hochkulturen definieren wir uns nicht mehr ĂŒber persönliche Freiheit, sondern ĂŒber unsere Leistung. Selbst im Urlaub möchten wir immer noch neue Sprachen erlernen und uns kulturell weiterbilden. Aus dem schöpferischen „homo faber“ ist ein „animal laborans“, ein Arbeitstier, geworden. Bis heute gilt deshalb das Vorurteil: Durch Nichtstun kommt nichts zustande. Nichtstun „bringt nichts“. Diese Argumentation ist vollkommen falsch. Ohne lange Zeiten des Nichtstuns ist der menschliche Körper nicht mehr leistungsfĂ€hig. Unser Gehirn ist ein Organ, das stĂ€ndig KohĂ€renzarbeit leistet. Es ist, im Gegensatz zum Computer, nicht dafĂŒr geschaffen, Daten zu speichern und wieder auszuspucken.

Vielmehr will es aktuelle Erlebnisse verstehen, die Umwelt gestalten und Handlungen steuern, die gegenwĂ€rtig sinnvoll sind. Informationen können am besten verarbeitet werden, wenn wir uns in einem entspannten Zustand befinden. Aus diesem Grund ist es heute umso wichtiger, das Faulenzen als TĂ€tigkeit auszuleben. Wir benötigen einen Stop-Knopf, um von der leistungsorientierten Gesellschaft abschalten zu können. Wer den ganzen Tag ĂŒber in einem Zwangskorsett steckt, braucht daneben auch Phasen der Erholung. Nicht umsonst steckt in dem Wort der Lenz drin, der an herrliche Sonnentage in der aufblĂŒhenden Natur erinnert. Dieser Ratgeber möchte als Anlass dienen, den ganz persönlichen Stop-Knopf zu betĂ€tigen und sich wieder einmal der dolce-far-niente (dem sĂŒssen Nichtstun) hinzugeben. In fĂŒnf einfachen Schritten werden die wichtigsten Merkpunkte des Faulenzens aufgezeigt. ZusĂ€tzlich finden Sie die Anleitung auf einer CD am Ende des Buches.


KONZEPT REC | PLAY – die Nonstop-Gesellschaft Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der die Geschwindigkeit eine grosse Rolle spielt. Power-Naps, SchnellzĂŒge, Express-Kassen und Convenience-Food prĂ€gen unseren Alltag. Und wo es nicht mehr schneller geht, fordert man Multitasking und Rund-um-die-Uhr-Betriebe. Das Leben nimmt eine ungeahnte Beschleunigung an: Arbeit wird zur TĂ€tigkeit, analoge Handlungsweisen zur FlexibilitĂ€t und mechanische Zeit zur Echtzeit. Wir sind immer schneller unterwegs. Nonstop. In diesem Zeitalter der Technik bleibt dem einzelnen Individuum nichts anderes ĂŒb- rig, als mit dem Tempo mitzuhalten. Es entsteht das PflichtgefĂŒhl, immer funktio- nieren zu mĂŒssen. Durch Kommunikationsmittel wie Handy und Computer sind wir zudem jederzeit erreichbar geworden. Wir mĂŒssen stĂ€ndig aufnehmen und abspielen – speichern und wiedergeben. STOP – Ausstieg aus der Geschwindigkeit Immer hĂ€ufiger leiden Menschen unter dem Zeit- und Leistungsdruck der Gesell- schaft. Burn-Outs und die körperliche, geistige sowie emotionale Erschöpfung sind daher keine Seltenheit mehr. Im Gegensatz zu Maschinen sind wir Menschen aber auf den Stop-Knopf angewie- sen. Wir besitzen das BedĂŒrfnis nach Pause und Erholung. Obwohl das Faulenzen durchaus essentiell fĂŒr den menschlichen Körper ist, getraut sich niemand zuzu- geben, den ganzen Sonntag vor dem Fernseher verbracht zu haben. StĂ€ndig wird gefragt, was wir denn schon geleistet hĂ€tten. Das Nichtstun steht heute unter einem schlechten öffentlichen Image.

Faulenzen – das Abschalten im Alltag Ich habe in meiner Umsetzung das Tabuthema „Faulenzerei“ aufgegriffen. Um mich dem Thema von einer kritischen Seite zu nĂ€hern, schien mir die Form des Ratgebers sehr treffend. Anleitungen findet man heutzutage ĂŒberall: Kochrezepte, Do-it-your- self-Strategien, Bauanleitungen, FitnessplĂ€ne - der Mensch braucht fĂŒr alles eine An- weisung. Wir können so vereinfacht etwas aufnehmen (rec) und nachmachen (play). „Der kleine Ratgeber fĂŒr richtiges Faulenzen“ ist meine Antwort auf die Schnel- ligkeit des Lebens und die nonstop-Gesellschaft. Ich möchte die AttraktivitĂ€t und gesellschaftliche Relevanz des Nichtstuns hervorheben und eine Anleitung fĂŒr all jene bieten, die diese wertvolle TĂ€tigkeit verlernt haben.



FLORA FROMMELT FISCHMARKTSTRASSE 4 8640 RAPPERSWIL +41 79 327 86 02 ŃĐŒĐ’ora.frommelt@bluewin.ch



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