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Hohe Handwerkskunst und uralte Tradition: Bei Montecristi-Hüten kommt beides zusammen. Angelica Oschatz, Gründerin und Inhaberin von The Hattitude, pflegt und fördert das kulturelle Erbe aus Ecuador.

Foto: Sven Germann Text: Anke Fischer

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44 Fäden pro Zoll, feinstes Material und ganze zehn Monate Produktionszeit. Klingt ähnlich verheissungsvoll wie der Bau eines Ferrari, beschreibt aber ein anderes erlesenes Luxusprodukt: den Montecristi Royal – die absolute Premium-Variante des Strohhuts. Mit Stroh hat er aber nicht allzu viel zu tun. Der Panama-Hut – zu dessen Kategorie der Montecristi Royal zählt, die aber damit eigentlich falsch benannt ist; dazu im nächsten Abschnitt mehr – wird aus der Pflanze Carludovica palmata hergestellt. Diese gedeiht im Dschungel unter der brennend heissen Äquatorsonne: im sogenannten ewigen Wald an der Küste Ecuadors. Dort werden die besten Palmblätter geerntet und anschliessend in Wasser weich und weiss gekocht. Neun der besten Zweige werden pro Montecristi benötigt. Flechterinnen verarbeiten dann in einem akribischen, 15-stufigen Prozess die widerstandsfähigen und zugleich weichen Naturfasern zu einem Hut. Angelica Oschatz setzt hier bewusst auf Frauenpower, wie sie erzählt: «Ich habe mir die Zeit genommen, die talentiertesten Weber in Montecristi zu finden. Die meisten sind Frauen. Sie stellen in ihren Häusern wunderbare Stücke traditionell her.»

400 JAHRE ALT Das Flechten von Panama-Hüten ist eine 400-jährige ecuadorianische Tradition. Und das verrät sogleich, warum der Panama-Hut unter falschem Namen läuft. Die erste Verwechslung des echten Herkunftslandes Ecuador mit Panama fand 1855 statt, als der für Napoleon III. gedachte Sombrero de paja toquilla in Panama eingeschifft wurde. Die mit Einschiffungsort Panama gekennzeichnete Lieferung führte zum falschen Schluss, dass auch deren Inhalt – die Hüte – aus Panama seien. Für die Franzosen galt fortan Panama als Ursprung dieses Huttyps.

Durch findige Kaufmänner enstanden dann tatsächlich auch in Panama Hutproduktionen. Das Geschäft florierte dank Export direkt aus Panama und den ankommenden Goldrausch-Prospektoren, die einen Hut für die Sonne brauchten. Und im 19. Jahrhundert importierten die USA Güter aus Südamerika nur von einer zentralen Sammel- und Zollstelle: Panama. Man nannte die Hüte daher in den USA kurzerhand «Panama hat.» Als US-Präsident Theodore Roosevelt bei einer Besichtigung des Panamakanals im Jahr 1906 einen ecuadorianischen ToquillaStrohhut trug, gingen die Fotoaufnahmen um die Welt und setzten endgültig den heutigen Namen Panama-Hut fest. Es sei aber ein Irrglaube, dass ein Montecristi-Hut mit einem Panama-Hut gleichzusetzen sei, korrigiert Angelica: «Ein Montecristi wird im Gegensatz zum oftmals industriell hergestellten Panama-Hut vollständig von Hand gefertigt – mit den gleichen alten Verfahren wie vor Hunderten von Jahren und unter Verwendung einer natürlichen Faser aus einer wild wachsenden Pflanze, die ihn zu einem nachhaltigen und umweltfreundlichen Produkt macht.»

EINE HERZENSANGELEGENHEIT Angelica liebte schon immer aussergewöhnliche Hüte. Und der Montecristi ist einer der faszinierendsten: Bei ihm schwingt ein Hauch von Karibik, Zigarrenqualm und Revolutions-Romantik mit. Obwohl feine Hüte auch in anderen Teilen Ecuadors gewebt werden, ist Montecristi die Wiege der feinsten Strohhutweberei der Welt. Es sind die raffiniertesten aller Strohhüte, die Royals wie Prinz Charles und Prinz Harry, ebenso Caroline von Monaco und Prinzessin Mary von Dänemark, Staatsoberhäupter wie Winston Churchill, Schriftsteller wie

Ernest Hemingway und Berühmtheiten wie Johnny Depp oder Paul Newman wegen ihrer exquisiten Handwerkskunst und Naturfasern begehren. Angelica will aber nicht nur dieses Image bedienen. Viel mehr liegen ihr Nachhaltigkeit, Fairness und soziale Verantwortung am Herzen. Darum gründet sie mit dem Traum, eine vom Verschwinden bedrohte Handwerkskunst zu bewahren und eine positive Veränderung im Leben der Weberinnen und Weber in Ecuador zu erreichen, 2012 ihr Unternehmen «The Hattitude». Profit spielt dabei keine Rolle. Eine Skalierung ist sowieso nicht möglich und auch nicht erwünscht: Alle Montecristi-Hüte sind Unikate und werden in den Privathäusern ausgewählter Kunsthandwerkerinnen hergestellt. Daher sind sie von begrenzter Auflage und können nicht in Massen hergestellt werden. Dafür ist eine Personalisierung im eigenem Stil mit elegantem oder modernem Design möglich. An jedem einzelnen Montecristi-Hut arbeiten mindestens neun Personen – jede auf entscheidende Fertigkeiten spezialisiert. Aufgrund der gebeugten Haltung und erforderlichen Konzentration wird aber nicht mehr als drei bis fünf Stunden pro Tag geflochten.

Für einen Superfino, einen Feinsten der Feinen, flechten die Meisterinnen meterweise Stroh so zart, dass sich das Material anfühlt wie gewebtes Leinen. Ein Kunstwerk, das seinen Preis hat. Nur eine Handvoll Flechterinnen an der Küste ist überhaupt noch in der Lage, einen Fino – geschweige denn einen Superfino – zu flechten. Angelica kennt sie alle persönlich, lebte sogar eine Zeit lang in ihren Familien und hält auch täglich den Kontakt per FaceTime aufrecht.

EIN BISSCHEN MAGIE Die massgefertigten Einzelstücke von The Hattitude kommen nicht in die Läden. Stattdessen wird der Hut direkt von der Kunsthandwerkerin dem neuen Besitzer übergeben. Dieser hat sogar die Möglichkeit, beim langwierigen Entstehungsprozess über die Schultern zu schauen: per VideoCall in Angelicas Atelier in Basel. Angelica schwärmt von diesen Erlebnissen: «Es ist unglaublich, live zu beobachten, wie an einem Meisterstück geflochten wird: diese Fingerfertigkeit und schnelle Präzision. Und es ist auch für den Kunden schön, die Handwerkerinnen in Ecuador persönlich kennenzulernen. Man taucht dabei in deren Welt ein – eine fast schon magische Begegnung.»

Obwohl Panama-Hüte den Ecuadorianern den Lebensunterhalt sichern, bleiben weniger als ein Dutzend Weber übrig, die in der Lage sind, die besten Montecristi-Superfi nos herzustellen. Die Produktion in Ecuador geht aufgrund wirtschaftlicher Probleme und der Konkurrenz durch Massenproduktionen zurück. Nur jahrelange Ausbildung und Erfahrung ermöglichen es den Weberinnen, Hüte von hoher Qualität und künstlerischer Originalität traditionell herzustellen. Angelicas Vision ist es, die in der Herstellung involvierten ecuadorianischen Familien zu unterstützen und diese von der UNESCO als nicht-materielles Weltkulturerbe gewürdigte Tradition aufrechtzuerhalten sowie die Wissensweitergabe an die nächsten Generationen durch schulische Ausbildung zu fördern. Angelica: «Denn in einer Welt, wo alles sofort und jetzt verfügbar sein muss, müssen der Respekt gegenüber der Natur, die gesellschaftliche Verantwortung und das Aufrechterhalten von Traditionen wieder an Wert gewinnen.»

Weitere Informationen: thehattitude.com villa-honegg.ch

Angelica Oschatz durften wir während einem motorisierten Ausflug zum 5-Sterne-Hotel Villa Honegg kennenlernen. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft.

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