FRAGILE Suisse Magazin 3 / 2019

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MAGAZIN Ausgabe 3 / 2019

FRAGILE Suisse

FRAGILE Suisse

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Weil es auch die Kinder betrifft

Neues Projekt: Familienbande

Angehörige

Neuropsychologin und Therapeutin Birgit Hohnecker im Interview

Für Menschen mit Hirnverletzung und Angehörige Ausgabe 3 / 2019 | 1


FRAGILE Suisse

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser Nach einer Hirnverletzung ist nichts mehr wie vorher, weder für die Betroffenen noch für deren Angehörige. Und jede Hirnverletzung wirkt sich bei jedem Betroffenen anders aus. Giovanna Rebmann Vorstandsmitglied FRAGILE Suisse

Die Folgen einer Hirnverletzung sind oft mit dem Auge nicht erkennbar, weshalb diese «unsichtbare Behinderung» in der Regel vom Umfeld der Betroffenen nicht verstanden wird. Und dieses Nicht-Verstehen ist auch für die Angehörigen eine zusätzliche enorme Belastung. Die Angehörigen kämpfen täglich um das Wohl ihrer Betroffenen, müssen sich ständig erklären und führen unter Umständen einen jahrelangen Kampf mit den Sozialversicherern. Ein ewiger Kampf mit vielen Facetten, der an die Substanz geht, der aber mit Hilfe von FRAGILE Suisse und ihren 11 Regionalvereinigungen gewonnen werden kann. Als langjährige Angehörige weiss ich, wie eminent wichtig es ist, dass das persönliche und auch das fachliche Umfeld wie Sozialversicherer, Arbeitgeber, Case Manager usw. verstehen, was die Folgen einer Hirnverletzung bedeuten. Andererseits, dass die Betroffenen und Angehörigen wissen, dass es eine Organisation gibt, die ihnen helfen kann. Ich wünsche mir, dass in naher Zukunft in der Schweiz niemand mehr das erleben muss, was mein Mann als Betroffener mit mehrfachen Hirnverletzungen und ich als Angehörige in den letzten über 20 Jahren haben erfahren müssen. Deshalb engagiere ich mich ehrenamtlich im Vorstand von FRAGILE Suisse. In dieser Ausgabe des Magazins erfahren Sie, wie sich das Leben von Angehörigen von Menschen mit Hirnverletzung verändert, welche Hilfe und Unterstützung sich Angehörige wünschen und wie FRAGILE Suisse mit ihren Unterstützungs- und Entlastungsangeboten helfen kann. Ich wünsche Ihnen eine bereichernde Lektüre.

Giovanna Rebmann Vorstandsmitglied FRAGILE Suisse Titelbild: Giovanna Rebmann ist Angehörige und Vorstandsmitglied von FRAGILE Suisse

Impressum FRAGILE Suisse Magazin | Ausgabe 3 / 2019 Auflage 45‘000 Ex. Herausgeber FRAGILE Suisse, Badenerstrasse 696, CH-8047 Zürich, 044 360 30 60, info@fragile.ch, www.fragile.ch Gestaltung Rebel Communication, 8004 Zürich, www.rebelcom.ch Druck Prowema GmbH, 8330 Pfäffikon Redaktion Carole Bolliger, Sophie Correvon und Aurélie Vocanson Inserateverkauf fachmedien.ch, Zürichsee Werbe AG, 8712 Stäfa Übersetzung Dominique Nägeli-Gascon Spendenkonto PC / CCP 80-10132-0 Abonnement CHF 10.– pro Jahr, im Spenden- bzw. Mitgliederbeitrag inbegriffen.

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FRAGILE Suisse

FRAGILE Suisse engagiert sich auch politisch … denn Angehörige brauchen mehr Entlastung Wir wollten es wissen – FRAGILE Suisse hat den nationalen Parteien drei Fragen gestellt zu: • • •

Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung (zurzeit Debatte im Parlament) Entlastung betreuender Angehöriger (Förderprogramm auf Bundesebene) Geeignete Betreuungsplätze für Betroffene

Was die Parteien geantwortet haben, erfahren Sie hier: www.fragile.ch/politik

Aktuell

Persönliche Zukunftsplanung Mit anderen Menschen zusammen über die eigene Zukunft nachdenken und Träume in gangbare Schritte umwandeln. Das ist Persönliche Zukunftsplanung PZP. Organisiert wird der Anlass, der am 27. Oktober in Solothurn stattfindet, von FRAGILE Suisse in Zusammenarbeit mit der Organisation hiki (Hilfe für hirnverletzte Kinder). Der eintägige Workshop richtet sich an junge Menschen mit einer Hirnverletzung und deren Angehörige sowie an Fachpersonen, die mit diesen zusammenarbeiten. Weitere Informationen unter: www.hiki.ch/de/angebote/pzp

FRAGILE Suisse an der Swiss Handicap Ausserdem führen wir an beiden Tagen unseren Parcours «Selbsterfahrung Hirnverletzung» durch. Die Besucher der Messe können kostenlos an den sechs Posten des Parcours teilnehmen. Dabei erzählen Betroffene, wie es ihnen seit ihrer Hirnverletzung geht und die Teilnehmenden erfahren dank verschiedenen Aktivitäten und Spielen, wie das Leben mit einer Hirnverletzung sein kann.

Am 29. und 30. November findet in Luzern die Swiss Handicap statt. Die Messe für Menschen mit und ohne Behinderung ist schweizweit die einzige ihrer Art. Es werden über 10‘000 Besucherinnen und Besucher und etwa 150 Aussteller erwartet. Dieses Jahr ist auch FRAGILE Suisse wieder mit dabei! Mit einem Stand stellen wir unsere Organisation vor. Spielerisch sensibilisieren wir die Besucherinnen und Besucher für die sichtbaren und unsichtbaren Folgen von Hirnverletzungen. Auch der Komiker Guy Landolt, der 2016 zwei Schlaganfälle erlitt, wird teilweise vor Ort sein und für Fotos bereitstehen.

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Auch das Rahmenprogramm von FRAGILE Suisse kann sich sehen lassen. Auf der Eventbühne zeigt die Singgruppe von FRAGILE Zentralschweiz ihr Können. Im Vortragssaal hält FRAGILE Suisse ein Fachreferat zur Reintegration von Menschen mit Hirnverletzung in den ersten Arbeitsmarkt. Unsere Sozialberaterin Julia Eugster diskutiert mit dem betroffenen Mitarbeiter Andreas Ulrich über Fragen wie: Was brauchen die Betroffenen? Wie können Arbeitgeber auf diese Bedürfnisse eingehen? Welche möglichen Veränderungen kommen auf den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer zu? FRAGILE Suisse freut sich, Sie im November an unserem Stand begrüssen zu dürfen. www.fragile.ch/swiss-handicap

Im September behandeln wir das Thema Angehörige nicht nur in diesem Magazin, sondern werden es auch online vertiefen. Wie hat sich das Leben der Angehörigen von Menschen mit Hirnverletzung verändert? Welche Hilfe und Unterstützung wünschen sie sich? Wir lassen Angehörige zu Wort kommen und geben Informationen zu Unterstützungs- und Entlastungsangeboten. Alle Informationen zum Thema Angehörige: fragile.ch/angehoerige

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Porträt

«Wir haben mehr Zeit füreinander» Text: Carole Bolliger, Foto: Reto Schlatter

Jin Yao hatte vor drei Jahren einen Unfall mit seinem Trottinett. Als Folge erlitt er eine Hirnblutung, wodurch sich sein ganzes Leben veränderte. Aber auch das seiner Frau und seiner Kinder. Ann Xiaoyan Shi erinnert sich gut an den Tag im März vor dreieinhalb Jahren. Ihr Mann Jin Yao war auf dem Nachhauseweg von der Arbeit als IT-Manager. Die letzten paar Hundert Meter von der Bahnstation fuhr er jeweils mit seinem Trottinett. Doch an diesem Tag kam er nicht zuhause an. Der heute 55-Jährige hatte einen schweren Unfall und erlitt daraufhin eine schwere Hirnblutung. Einen Monat war er im Unispital Zürich, zwei Wochen davon lag er im Koma. «Wir wussten nicht, ob er überleben würde, und falls ja, wie es ihm gehen wird», erzählt Ann Xiaoyan Shi. Sie ist und war seit dem Unfall die wichtigste Person für Jin Yao. «Wenn meine Frau bei mir ist, dann geht es mir besser, dann fühle ich mich sicherer», sagt Jin Yao, der durch den Unfall nicht mehr in seinem früheren Job als IT-Manager arbeiten kann. Unterstützung von FRAGILE Suisse Nach dem Spitalaufenthalt folgte eine mehr als einjährige Reha-Phase in Bellikon, danach war er ein Jahr und zwei Monate im Haus Selun, ein Kompetenzzentrum für Menschen mit Hirnverletzung. Dort konnte er neue Perspektiven aufbauen und neue Lebensformen finden, sofern das mit seinen Folgen der Hirnverletzung möglich war. Jin Yao ist halbseitig gelähmt. Am Stock kann er gut ein paar Schritte gehen, seinen linken Arm kann er nicht mehr brauchen. Aber er trainiert ihn fleissig in der Therapie. Während der Reha-Phase besuchte Ann Xiaoyan Shi ihren Mann jeden Tag. «Hätte ich ihn alleine gelassen, hätte ich mich schuldig gefühlt», sagt sie. Heute weiss sie, dass es sehr wichtig ist, auch als Angehörige Zeit für sich zu haben, um neue Kraft und Energie zu tanken. Eine grosse Stütze und Hilfe waren und sind ihr auch immer noch ihre drei mittlerweile erwachsenen Kinder. Weitere Unterstützung bekommen die beiden von FRAGILE Suisse. Sylvianne Imhof Zanaty kümmert sich seit einem guten Jahr als Wohnbegleiterin um die Familie, die seit 20 Jahren in der Schweiz lebt. Vor allem bei administrativen Arbeiten wie dem Organisieren von

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Terminen ist sie ihnen behilflich. «Diese Hilfe schätzen wir sehr, Sylvianne Imhof Zanaty entlastet mich», so Ann Xiaoyan Shi. Sie arbeitet noch 25 Prozent als Chinesischlehrerin, kümmert sich um den Haushalt, die drei Kinder, die alle noch zuhause leben, und eben um ihren Mann. Glaube als Kraftquelle Nicht immer kann Ann Xiaoyan Shi die Emotionen ihres Mannes verstehen und deuten. Das macht es manchmal schwierig für sie. Auch eine Herausforderung ist seine Ungeduld. «Vor dem Unfall war er der geduldigste Mensch, heute ist er sehr ungeduldig.» Wenn er etwas wolle, dann müsse es sofort sein. Er sieht das allerdings ganz anders. In seinen Augen ist er nicht ungeduldig, was er auch sogleich im Gespräch ziemlich deutlich klarstellt. Auch werde er öfters wütend, wenn es nicht so gehe, wie er es möchte, erzählt seine Frau weiter. Auch hier hat Jin Yao eine andere Ansicht. «Wenn ich mich ärgere, habe ich einen Grund, wenn meine Frau sich aufregt, hat sie keinen», sagt er und lacht schelmisch. Die beiden reden viel miteinander und trotz der schwierigen Situation haben sie ihren Humor nicht verloren. Auch ihr christlicher Glaube gibt ihnen viel Mut und Kraft. Ann Xiaoyan Shi ist überzeugt, dass sie es ohne ihren Glauben nicht geschafft hätte. So schwer es manchmal auch ist, so sieht die dreifache Mutter trotzdem noch das Positive: «Heute verbringen wir viel mehr Zeit miteinander.» Vor dem Unfall war Jin Yao stark in seinen Job eingebunden. «Die Situation und das Leben nach dem Unfall haben mich stärker gemacht», schliesst Ann Xiaoyan Shi.


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Politische Arbeit von FRAGILE Suisse Angehörige von Menschen mit Hirnverletzung brauchen mehr Entlastung FRAGILE Suisse engagiert sich auch politisch für die Anliegen von Betroffenen und Angehörigen. Zurzeit wird im Parlament eine Gesetzesvorlage zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung debattiert. Das Förderprogramm auf Bundesebene zur Entlastung pflegender und betreuender Angehöriger strebt die Weiterentwicklung von Entlastungsangeboten an. Beides, die Gesetzesvorlage sowie das Förderprogramm, sind für Menschen mit Hirnverletzungen und ihre Angehörigen wichtig. Denn Angehörige benötigen Unterstützung und Entlastung, um die Betroffenen mit Geduld und Zuwendung begleiten zu können. FRAGILE Suisse erklärt in einem Positionspapier, worum es in der Gesetzesvorlage und im Förderprogramm geht. Zudem stellt FRAGILE Suisse Forderungen, sodass die Entlastung und Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit von betreuenden Angehörigen verbessert werden. Mehr dazu unter www.fragile.ch/politik

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FRAGILE Suisse

bildungen

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Kurse und Weiterbildungen Kurse

Kurse und

Verminderte Belastbarkeit nach Hirnverletzung

Eine Dienstleistung der SAHB

Selbständig und mobil

Begleitetes Wohnen

Nach einer Hirnverletzung ermüden Betroffene im Alltag sehr schnell. Für das Umfeld ist das Ausmass dieser Müdigkeit kaum nachvollziehbar. Dieser Kurs lehrt, warum die Belastbarkeit eingeschränkt ist und welche Strategien es gibt, um damit besser im Alltag umzugehen. Eigene Erfahrungen sind Teil des Kurses.

Mit der Exma VISION unterhält die SAHB eine ganzjährige Beratung und Helpline Ausstellung mit Ideen und Lösungen zur Förderung der Freitag, Selbständigkeit und Mobilität zu Hause und unterwegs. • Rollatoren, Rollstühle, Elektromobile • Sitz- und Plattformtreppenlifte • Pflegebetten und Transferhilfen • Hilfsmittel für Badezimmer und Küche Der Besuch unserer Ausstellung Exma VISION lohnt sich – unsere Fachleute beraten Sie unabhängig und kompetent.

18. Oktober 2019, Referenten: Wolfgang Fries, Neurologe und Freddy Amend, Sozialpädagoge, Supervisor, Mediator Luzern. Infos und Anmeldung unter Telefon 044 360 26 91 oder afs@fragile.ch Mehr auf fragile.ch/kurse

Exma VISION Industrie Süd, Dünnernstrasse 32, 4702 Oensingen T 062 388 20 20, exma@sahb.ch, www.exma.ch

Trütsch Fahrzeug Umbauten AG Ihre Mobilität ist unsere Aufgabe Wir passen Ihr Fahrzeug Ihrem Handicap an: • Hand Gas-/Bremssysteme

• Lenkhilfen

• Einstiegshilfen

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• Und alles Andere, was Sie für Ihre Auto-Mobilität brauchen Trütsch-Fahrzeug-Umbauten AG Steinackerstrasse 55 8302 Kloten

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Tel: 044 320 01 53 www.truetsch-ag.ch info@truetsch-ag.ch

Begleitetes

Beratung u


FRAGILE Suisse

Dienstleistungen

Weil auch die Kinder betroffen sind Text: Carole Bolliger

Wenn die Mutter oder der Vater eine Hirnverletzung hat, betrifft dies auch immer die Kinder. Um betroffene Familien und das Umfeld direkt mit Informationen zu unterstützen, hat FRAGILE Suisse das Projekt «Familienbande» ins Leben gerufen. «FRAGILE Suisse hat Kinder und Jugendliche bis anhin nicht direkt angesprochen, aber sie sind von einer Hirnverletzung der Eltern auch immer betroffen», sagt Janine Sobernheim, Texterin im Projekt «Familienbande». Deshalb führt FRAGILE Suisse das Projekt «Familienbande» durch, das sich an Kinder und Jugendliche mit einem betroffenen Elternteil wie auch an die Eltern selbst richtet. Welche Unterstützung und Informationen wünschen sich aber Kinder und Jugendliche sowie betroffene Familien und Fachpersonen? Um das herauszufinden, hat FRAGILE Suisse eine Umfrage durchgeführt. Die Angebote, die FRAGILE Suisse nun entwickelt, sind aufgrund der Umfrage und der Interviews mit betroffenen Familien entwickelt worden. Kinderbuch, eigene Website und Infobroschüre Konkret gibt es für die Kleinsten bald ein schön illustriertes Kinderbuch mit einer Geschichte, in der ein Elternteil des Kindes eine Hirnverletzung hat. Das Buch erzählt aus der Sicht des Kindes, was es erlebt. Ebenso wird dazu für Eltern und Personen aus dem schulischen Umfeld eine Begleitdokumentation erstellt.

Für grössere Kinder und Jugendliche wird es auf der Website von FRAGILE Suisse einen eigenen Bereich geben. Dort finden sie in Form von gezeichneten Erklär-Videos und Texten altersgerecht aufbereitete Informationen zu Hirnverletzung und zum neuen Alltag mit dem betroffenen Elternteil. Für Erwachsene wird eine Informationsbroschüre erstellt. Diese zeigt auf, wie es Kindern in solch einer neuen Situation geht, wie der neue Familienalltag organisiert werden kann und die Kinder dabei einbezogen werden können. All diese Angebote werden voraussichtlich bis Ende 2019, spätestens im Frühjahr 2020 Kindern und Jugendlichen mit einem betroffenen Elternteil und ihrem Umfeld zur Verfügung stehen. Caroline Schmid, Psychologiestudentin, war von Mai 2018 bis Ende Mai 2019 Praktikantin im Projekt «Familienbande». Sie sagt, weshalb das Projekt wichtig ist: «Wir wollten uns auf die Familien konzentrieren, da sie oft übersehen werden. Schwierige Situationen sind nicht nur für Eltern anstrengend, sondern auch für die Kinder.» Mehr zum Projekt erfahren Sie hier: www.fragile.ch/familienbande

«Mit RehaClinic zurück in den Alltag.» Nach einem Unfall oder einer Krankheit steht für Sie Ihre Gesundheit an erster Stelle. Während Ihrer Genesung begleitet Sie RehaClinic vollumfänglich bis zur Rückkehr in Ihren Alltag. Weitere Informationen unter: www.rehaclinic.ch

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FRAGILE Suisse

Fachartikel

«Es ist wichtig, dass Angehörige Zeit für sich haben» Interview: Carole Bolliger

Eine Hirnverletzung betrifft auch immer die Angehörigen. Auch sie brauchen Hilfe, um mit der neuen Situation klarzukommen. Neuropsychologin und Therapeutin Birgit Hohnecker sagt, was für Angehörige wichtig ist und was sie brauchen. Birgit Hohnecker, nach einer Hirnverletzung ist auch für die Angehörigen alles anders. Was brauchen Angehörige in der ersten Phase besonders? In der ersten Phase nach einer Hirnverletzung ist es sehr wichtig, dass Angehörige viele Informationen erhalten: Was ist eigentlich mit der betroffenen Person passiert, was bedeutet dies, wie geht es weiter? Solche und andere Fragen stellen sich Angehörige. Es braucht Fachpersonen, die sich für sie Zeit nehmen, um die Fragen zu beantworten, Ängste zu nehmen. Angehörige laufen oft einfach so nebenher, das ist das Schwierige an der ganzen Situation. Sie fühlen sich oft im Stich gelassen. Angehörige versuchen, den Betroffenen Mut zu machen. Sie haben aber selber mit Sorgen und Ängsten zu kämpfen. Was raten Sie als Neuropsychologin und Therapeutin ihnen? Wie schon erwähnt, ist sich informieren sehr wichtig. Auch empfehle ich, Gleichgesinnte in Selbsthilfegruppen für Angehörige zu treffen, sich mit ihnen auszutauschen. Oft merkt man dann, dass andere dasselbe oder Ähnliches durchmachen, man fühlt sich verstanden und sieht, dass man nicht alleine ist auf der Welt mit solchen Problemen und Ängsten. Nach einer gewissen Zeit beziehe ich Angehörige auch in meine Therapien mit ein. Was sind die Hauptprobleme von Angehörigen? Viele funktionieren, legen sich rein, erledigen alles, kümmern sich um alles, fahren den Betroffenen von Ärzten zu Therapeuten. Irgendwann, so nach zwei bis drei Jahren, kommen viele an den Punkt, an dem sie nicht mehr können, total ausgelaugt sind. Obwohl sie dann mal Zeit für sich bräuchten, fühlen sich viele schuldig, den Betroffenen «im Stich» zu lassen. Oft

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Birgit Hohnecker Neuropsychologin, Therapeutin

bekommen sie das auch vom Umfeld zu spüren. «Der arme Mensch ist von einer Krankheit betroffen und jetzt fährst du einfach alleine in den Urlaub» sind Sprüche, die sich viele vom Umfeld anhören müssen. Das hilft nicht. Man muss für sich schauen, um wieder zu Kräften zu kommen, sich selber auch mal etwas Gutes tun, damit man dann wieder für den anderen sorgen kann. Was brauchen Angehörige in Ihren Augen stärker? Es bräuchte mehr externe Betreuung, damit Angehörige mal einen Tag für sich haben. Denn externe Betreuung kann sich nicht jeder leisten. Die Krankenkassen kommen dafür nicht auf. FRAGILE Suisse bietet verschiedene Kurse für Angehörige an. Unter anderem: «Hirnverletzung – wie gehen wir als Angehörige damit um?» Dieses Seminar soll speziell Angehörigen von Menschen mit Hirnverletzung einen Einblick geben, warum Betroffene oftmals nicht mehr die sind, die sie vor dem Ereignis waren. Welche Auswirkungen das auf die Beziehung haben kann und wie auch Angehörige sich Raum schaffen können und dürfen. Denn nur gesunde und ausgeglichene Angehörige können sich um ihre Betroffenen kümmern. Geleitet wird der Kurs von Birgit Hohnecker, klinische Neuropsychologin und Therapeutin. Mehr dazu und über das ganze Kursangebot: www.fragile.ch/kurse


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FRAGILE Suisse

REGIO-NEWS Beratung auf Augenhöhe: Eine Peer-Beraterin erzählt. Le conseil d’égal à égal: une conseillère témoigne. Seit einigen Monaten bieten drei Regionalvereinigungen Peer-Beratung für Menschen mit Hirnverletzung oder für ihre Angehörigen an. Peer-Beratung, das ist Austausch zwischen Gleichbetroffenen. Dieses Pilotprojekt läuft seit einigen Monaten bei den Regionalvereinigungen Ostschweiz, Zentralschweiz und Vaud. Wer ein persönliches Gespräch zu zweit bevorzugt, kann von dieser kostenlosen Dienstleistung profitieren – ob nun Betroffener oder Angehöriger. Irene Schumacher ist eine der ersten Peer-Beraterinnen bei FRAGILE. Die 44-Jährige will ihre Erfahrungen mit dem Thema Hirnverletzung mit anderen teilen. Ihr Vater hatte vor sechs Jahren eine grosse Hirnblutung, ist halbseitig gelähmt und sitzt im Rollstuhl. «Ich wäre damals froh gewesen, hätte es eine solche Beratung für mich gegeben», sagt sie. Zwar haben ihr auch die Selbsthilfegruppentreffen geholfen, ein relativ neutrales Gespräch in persönlicherem Rahmen – ob von Angesicht zu Angesicht oder nur telefonisch – hätte sie aber auch gerne gehabt. Damit andere Angehörige nun diese Möglichkeit haben, dafür stellt sich Irene Schumacher gerne zur Verfügung. «Ich finde das ein tolles Konzept und wenn ich mit meiner eigenen Erfahrung jemand anderem helfen oder der Person vielleicht sogar etwas Mut machen kann, dann mache ich das gerne.» Informationen für alle Interessierten (auch für die, die nicht in einer der drei Regionen leben) unter: Text: Carole Bolliger

fragile.ch/ostschweiz/peer-beratung fragile.ch/zentralschweiz/peer-beratung

Depuis quelques mois, trois associations régionales proposent le conseil entre pairs pour les personnes cérébro-lésées ou pour les proches. «Le conseil entre pairs» repose sur l’échange entre des personnes concernées par une même problématique. Ce projet pilote est en cours, depuis quelques mois, dans les associations régionales d’Ostschweiz, de Zentralschweiz et du canton de Vaud. Les personnes qui préfèrent cette formule, soit un entretien personnel à deux, peuvent profiter de cette prestation gratuite – qu’elles soient cérébrolésées ou proches. Irene Schumacher est l’une des premières «conseillères pairs». Agée de 44 ans, elle souhaite partager son expérience dans le domaine des lésions cérébrales. Son père, victime d’une grave hémorragie cérébrale il y a six ans, est hémiplégique et se déplace en fauteuil roulant. «A l’époque, j’aurais apprécié ce genre de conseil», déclaret-elle. Les réunions du groupe d’entraide l’ont certes aidée, mais elle aurait aussi aimé bénéficier d’un entretien relativement neutre mais plus personnel, en présence d’un conseiller ou par téléphone. Irene Schumacher propose ce type d’échange, afin que d’autres proches puissent désormais en bénéficier. «Je trouve que c’est une idée fantastique et si je peux aider quelqu’un ou lui redonner courage grâce à mon expérience, je le fais très volontiers.» Les personnes intéressées (habitant ou non l’une de ces trois régions) trouveront des informations sur le site Internet suivant: fragile.ch/conseil-entre-pairs-vaud

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FRAGILE Suisse

Liebe LeserInnen Chers lecteurs, In den Regionalvereinigungen von FRAGILE Suisse ist immer viel los. Einen Einblick in das Geschehen des dritten Quartals sowie künftige Veranstaltungen erhalten Sie auf diesen Seiten. Les associations régionales de FRAGILE Suisse déploient de nombreuses activités. Ces pages vous donnent un aperçu de leur programme des mois passés et des événements à venir.

FRAGILE Basel

Neue Wegbegleiterin für FRAGILE Basel Seit Mai haben wir eine neue Beisitzerin im Vorstand. Die 33-jährige Janine Künzle lernte FRAGILE Suisse vor 15 Jahren kennen, als sie aufgrund eines Hirntumors ihr Leben ändern musste. Aktuell studiert sie Geologie und arbeitet Teilzeit im Detailhandel. Seit einiger Zeit verspürt sie den Wunsch, sich für die Hilfe, die sie erhalten hat, zu revanchieren. Dies möchte sie tun, indem sie der Vereinigung und ihren Mitgliedern etwas zurückgibt. Mit ihrem Engagement und ihren frischen Ideen ist sie bei uns genau an der richtigen Stelle. Wir teilen ihr Motto «Der Weg ist das Ziel» und schätzen es sehr, eine weitere Gefährtin auf unsere gemeinsame Reise mitnehmen zu können.

FRAGILE Genève

Nouveauté: groupe de parole pour les proches et animation

FRAGILE Jura

Pique-nique Dimanche 16 juin, un beau feu accompagnait quelques saucisses et petits morceaux de viande agrémentés de délicieuses salades. Une belle ambiance régnait durant le pique-nique de FRAGILE Jura. Malgré un temps maussade en début de journée, quelque 45 personnes se sont retrouvées à la Vélie, à Montavon. L’après-midi, de généreux rayons de soleil ont égayé le ciel pour la désormais traditionnelle partie de pétanque où 11 équipes se sont joyeusement affrontées. Toutes les activités de l’association sur:

FRAGILE Genève a mis en place cette année un groupe de parole destiné aux proches. Une fois par mois, ces rencontres présentent des thématiques libres ou spécifiques. Les Drs Louis Nahum et Lucien Rochat, neuropsychologues, ont ainsi abordé le thème de la sexualité, des émotions et des problèmes comportementaux après une lésion cérébrale. Illustrant leurs interventions par des exemples concrets, les proches présents ont souligné l’importance de ces sujets pour un meilleur accompagnement. En juillet, Mme Sofia Pereira a quitté l’association. Elle a été remplacée dans l’animation des groupes de parole par Mme Luisa Meziane. Nous remercions Sofia pour son engagement durant ces trois années et souhaitons la bienvenue à Luisa dans ses nouvelles fonctions. Toutes les informations sur:

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FRAGILE Suisse

FRAGILE Vaud

Délicieuse rencontre en cuisine Le premier atelier de cuisine de FRAGILE Vaud a eu lieu en juin. Dix personnes ont enfilé leur tablier pour préparer un repas gourmand. Au menu: une salade tunisienne, des polpettes de veau et, pour terminer sur une note sucrée, un tiramisu «à se relever la nuit». L’atelier s’est joyeusement terminé par la dégustation des plats confectionnés. Suite à cette belle réussite, d’autres rencontres sont prévues dès l’automne 2019. Les prochaines dates sur:

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FRAGILE Valais

Journée de prévention de l’AVC à Sion Mercredi 3 juillet, FRAGILE Valais a participé à cette journée organisée par les étudiants de l’école supérieure de soins ambulanciers de Genève (EsAmb). L’association a pu rencontrer plusieurs personnes touchées par un AVC et les orienter vers les différentes aides proposées, notamment les groupes de parole. Cette journée a confirmé l’importance d’aller à la rencontre de ces personnes et de renforcer les démarches de prévention. Couverture médiatique de la journée:

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FRAGILE Zürich

Ausbildungsplatz Aktiv Treff Der Aktiv Treff am Freitagnachmittag ist auch ein Ausbildungsplatz! Seit Anfang 2018 begleitet die 37-jährige Nicki Hawkins die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei ihren Hirnleistungstrainings, Geschicklichkeitsspielen und kreativen Arbeiten. Die praktischen und theoretischen Kenntnisse hat sie sich in der Ausbildung zur Gestaltungspädagogin erworben. Nicki Hawkins führt seit Februar 2019 im Aktiv Treff monatlich eine Gestaltungssequenz durch. Nora Wittlinger, die Ergotherapeutin und Leiterin des Aktiv Treffs, freut sich über die schöpferischen Fähigkeiten und Ideen von Nicki. Für Nicki stellt die Arbeit mit den hirnverletzten Menschen eine Bereicherung dar. «Ich schätze den Austausch mit den Teilnehmenden sehr und kann meine kreativen Ideen mit ihnen ausleben. Ich bin dankbar, habe ich hier eine Chance für meine Weiterbildung erhalten.» Der Aktiv Treff findet jede Woche am Freitag statt, 13–16 Uhr, Gemeinschaftszentrum Schindlergut, Kronengasse 12, 8006 Zürich. Auskunft bei FRAGILE Zürich, Telefon 044 262 61 13, zuerich@fragile.ch

FRAGILE Zentralschweiz

Spielend das Gedächtnis trainieren Der Ferienkurs am stimmungsvollen Ufer des Bodensees lockte sechs Betroffene und vier Angehörige im Mai nach Romanshorn. Die Morgeneinstimmung mit Singen und Atemübungen liess eine lockere Atmosphäre entstehen. In immer wieder anderen Gruppenzusammensetzungen konnten neue Spiele mit Jasskarten kennengelernt und geübt werden. Gestartet wurde mit einfachen Spielen, die halfen, die Jasskarten (noch) besser kennenzulernen. Danach folgten anspruchsvollere Spiele als Gedächtnistraining mit Spass. Spiele, um die Merkfähigkeit, das Erinnerungsvermögen, das strategische Denken und die Flexibilität gezielt zu trainieren. Nebst Spielen stand ein Ausflug mit dem Kursschiff auf dem Programm.

Regionen / Régions FRAGILE Suisse Weitere Infos unter fragile.ch/regionen Plus d’infos sur fragile.ch/régions

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Agenda: Oktober bis Dezember 2019 / octobre à décembre 2019 5. Oktober 2019 Grün 80 Treff FRAGILE Basel

26. Oktober 2019 Jubiläum 20 Jahre FRAGILE Ostschweiz FRAGILE Ostschweiz

7. Oktober 2019 Ab in den Garten FRAGILE Zürich

4. November 2019 Gesprächsgruppe FRAGILE Aargau/Solothurn Ost

9. Oktober 2019 AphaSingers Bern FRAGILE Bern

11 novembre 2019 Groupe de parole FRAGILE Jura

17 octobre 2019 Conférence interactive: «L‘AVC, qu‘est-ce que c‘est?» FRAGILE Valais

19. Dezember 2019 Gesprächsgruppe FRAGILE Aargau/Solothurn Ost

20. Oktober 2019 Sonntags-Brunch für Jüngere mit einer Hirnverletzung FRAGILE Bern

Weitere Veranstaltungen und Kurse unter: Plus d‘événements et de cours sur ce lien: www.fragile.ch/veranstaltungen/

FRAGILE Aargau / Solothurn Ost Fröhlichstrasse 7 5200 Brugg Telefon 056 442 02 60 aargau@fragile.ch www.fragile-aargau.ch

FRAGILE Jura Route de Soulce 36 2853 Courfaivre Téléphone 032 427 37 00 fragile.jura@bluewin.ch www.fragile-jura.ch

FRAGILE Vaud Rue du Bugnon 18 1005 Lausanne Téléphone 021 329 02 08 vaud@fragile.ch www.fragile-vaud.ch

FRAGILE Basel Bachlettenstrasse 12 4054 Basel Telefon 061 271 15 70 basel@fragile.ch www.fragile-basel.ch

FRAGILE Ostschweiz Kirchstrasse 34 9430 St. Margrethen Telefon 071 740 13 00 ostschweiz@fragile.ch www.fragile-ostschweiz.ch

FRAGILE Zentralschweiz Pilatusstrasse 30 6003 Luzern Telefon 041 260 78 61 zentralschweiz@fragile.ch www.fragile-zentralschweiz.ch

FRAGILE Bern Seftigenstrasse 11 3007 Bern Telefon 031 376 21 02 bern@fragile.ch www.fragile-bern.ch

FRAGILE Ticino Via Prada 6 6710 Biasca Tel. 091 880 00 00 ticino@fragile.ch www.fragile-ticino.ch

FRAGILE Zürich Alderstrasse 40 8008 Zürich Telefon 044 262 61 13 zuerich@fragile.ch www.fragile-zuerich.ch

FRAGILE Genève Rue de Montbrillant 80 1202 Genève Téléphone 078 683 25 43 geneve@fragile.ch www.fragile-geneve.ch

FRAGILE Valais Avenue de Tourbillon 9 1950 Sion valais@fragile.ch www.fragile-valais.ch

Spenden/Dons: PC / CCP 80-10132-0 IBAN CH77 0900 0000 8001 0132 0

Impressum: Verlag/Editeur FRAGILE Suisse, Badenerstrasse 696, CH-8047 Zürich Gestaltung/Design Rebel Communication, www.rebelcom.ch, Petra Kurmann Redaktion/Rédaction Carole Bolliger, Sophie Correvon, Aurélie Vocanson

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