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Auf dem Weg zur Menschenkirche Ein Leitbild und ein Kirchgemeindezentrum f端r die Reinacher Reformierten

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Auf dem Weg zur Menschenkirche Die Reinacher Reformierte Kirchgemeinde baut ein Leitbild und ein Kirchgemeindezentrum

Inhaltsverzeichnis Vorwort von Bianca Maag-Streit: Ein Leitbild und ein Haus

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Frank Lorenz: Der Leitbildprozess – Ein Überblick

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Franz Wirth: Reinachs Reformierte – Woher kommen sie?

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Erik Haendeler: Das Beste kommt erst noch – Ein Zukunftsforscher über Kirche

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Frank Lorenz: Der erste Workshop – Die DNA des Leitbildes entsteht

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Judith Könemann: Kirchgemeinden auf der Höhe der Zeit

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Maja Grauwiler: Nach dem Vortrag von Judith Könemann – Wie weiter?

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Frank Lorenz: Vox populi – Die Befragung des Kirchenvolkes

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Frank Lorenz: Der Text des Leitbildes und die Kurzfassung

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Martin Engel : Kirche auf dem Markt - Wie setzen wir ein Leitbild um?

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Yves Stump, Hans Schibli: Das Projekt und der Bau

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Christoph Erhardt: Ausblick und Zukunft

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Impressum: © 2014 by Reformierte Kirchgemeinde Reinach bzw. Texte by den Autorinnen und Autoren Redaktion: Bianca Maag-Streit, Maja Grauwiler, Christoph Erhardt, Frank Lorenz Konzept / Gestaltung: Caterina Reimer Layout: Frank Lorenz, Caterina Reimer Korrektorat: Markus Probst Fotos: Frank Lorenz, Caterina Reimer, Corinne Bertschmann (S.4 oben), Heiner Leuthardt (S.5), Visualisierungen S.72 und 73: © stumpschibliarch.ch Auflage: 500 Reformierte Kirchgemeinde Reinach, Bruderholzstr. 39, 4153 Reinach, www.refk-reinach.ch


Ein Leitbild und ein Haus Vorwort von Bianca Maag-Streit

Mit dem Studienauftrag «Neues Kirchgemeindehaus Mischeli» im Jahre 2007 wurde für uns als Kirchgemeinde ein wichtiger Meilenstein gesetzt. Dem Ziel, das Ensemble Kirche, Kirchgemeindehaus und Pfarrhaus zu stärken, gemeinsame und neue Räume und Begegnungszonen zu schaffen, kamen wir damit einen Schritt näher. Das Quartierplanverfahren als Grundlage des Wettbewerbsprojekts und weitere kleine Abklärungen waren im 2012 mit dem Regierungsratsbeschluss abgeschlossen. Somit konnte im Jahr 2012 der definitive Bau eines neuen Kirchgemeindehauses an der Kirchgemeindeversammlung beschlossen werden. Mit der grossen

Herausforderung, der Realisierung dieses für ­unsere Kirchgemeinde so wichtigen «Jahrhundertprojektes», konnte gestartet werden. Begleitend zu all diesen Schritten und Vorhaben war jedoch auch klar, dass wir uns bewusst werden mussten, welches Ziel wir genau mit diesem neuen Gebäude anstreben und erreichen wollen. Es brauchte dazu intensive Diskussionen und Gespräche mit interessierten Kirchenmitgliedern sowie verschiedene Umfragen und die dazugehörigen Auswertungen. Die Kirchenpflege und das MitarbeiterInnenteam arbeiteten ebenfalls an diversen Sitzungen, Workshops und Retraiten weiter an dem Thema


«Was und Wohin wollen wir als Kirchgemeinde». Entstanden ist für uns alle ein verbindliches und umfassendes Leitbild. Die dazugehörigen zehn Leitsätze sollen uns immer in unserem Handeln und Tun begleiten.

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An den beiden Abstimmungen 2009 und 2012 in der Kirchgemeindeversammlung wurde die Basis für das Bauvorhaben gelegt und der Baukredit gesprochen.

Unser Leitbild soll aufzeigen, wohin wir uns als Kirchgemeinde bewegen und entwickeln wollen, welche unsere Ziele und Vorgaben für unsere Räume und Begegnungsorte sein sollen. Nach innen soll unser Leitbild Orientierung geben und somit motivierend für alle Mitarbeitenden wirken. Es soll auch für alle verbindliche Richtlinien festlegen. Es ist die Basis für die Identität unserer Kirchgemeinde.


Unser Leitbild soll aufzeigen wohin wir uns als Kirchgemeinde bewegen und entwickeln wollen, was unsere Ziele und Vorgaben für unsere Räume und Begegnungsorte sein sollen. Baubeginn am 4.Dezember 2012: Die ersten Bagger fahren auf und der symbolische Spatenstich findet statt. Auf dem Foto rechts: Pfrn. Florence Develey, Hans Oppliger (Präsident Genossenschaft Aumatt), Bianca Maag-Streit (Präsidentin Kirchgemeinde), Yves Stump und Hans Schibli (Architekten), Dieter Bäni, Architekt und Vertreter Genossenschaft Aumatt, sowie Rolf Eigenmann von der Bauleitung.

Das Leitbild beschreibt auch die Mission und die Vision nach aussen sowie die angestrebte Organisationskultur. Es soll unserer Kirchgemeinde ein Selbstverständnis geben und die für unsere Gemeinschaft wichtigen Grundprinzipen festhalten. Es war und ist uns auch ganz wichtig, dass wir nicht ein Leitbild schaffen, welches dann in den Schubladen verschwindet, sondern dass es gelebt und verwirklicht werden kann. Wir sind überzeugt, mit dem vorliegenden Leitbild dieses Ziel erreicht zu haben. Die Umsetzung liegt nun aber an jedem und jeder von uns, sei es als freiwillig Mitarbeitende, als festangestelltes Team-

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Momentaufnahmen (Januar und März 2013) der Baukamera, die am Kamin der Mischeli-Kirche angebracht war während der gesamten Bauphase: Januar 2013 bis Juli 2014.

mitglied, als Kirchenmitglied oder Sie als Lesende dieser Broschüre. Sie zeigt auf, wie wir uns mit den verschiedenen Themen auseinander gesetzt haben, wie wir uns auch durch Fachleute inspirieren liessen und uns so auch weitergebildet haben. Es war ein spannender und vielfältiger Prozess und ich danke allen Beteiligten für die differenzierten, anspruchsvollen und kritischen Auseinandersetzungen mit diesem so wichtigen Thema. 6

Ich freue mich mit Ihnen, mit Euch diese Räume zu beseelen, zu bewegen und zu beleben. Herzlich Bianca Maag-Streit Reinach, im Frühjahr 2014 Bianca Maag-Streit ist seit 1986 in Reinach, Präsidentin Evangelisch Reformierte Kirchgemeinde, Mitglied des Gemeinderates und des Landrates


Der Leitbildprozess – Ein Überblick Ein Beitrag von Frank Lorenz

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Dieser Prozess wird idealerweise in einem oder zwei Workshops der Leitung der Institution ausgelöst. Damit entsteht die Basis: Eine Willenserklärung, das Leitbild zu machen und ein Routenplaner für den Weg dorthin. Die Begriffswolke in der unterstehenden Graphik fasst alle Schritte und Inhalte zusammen. Fast wie eine Wanderkarte zeigt sie den Weg, der über mehrere Arbeitstagungen, Exper-

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u Q Eine Institution denkt über sich selber nach, wenn sie ein Leitbild sucht und formuliert. Der Prozess, der zum Leitbild führt, ist fast so wichtig, wie das Leitbild selber. Möglichst viele sollen einbezogen werden aus dem inneren und äusseren Umfeld einer Institution. Alle reflektieren und äussern sich über ihr Tun, über die Organisation und über die sie leitenden Werte. Sie beschreiben den Ist-Zustand.

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Am Ende des Prozesses steht ein Leitbild als Zusammenschau des Soll-Zustandes. Die Leitung muss dieses in umsetzbare Zielformulierungen übersetzen.

tenhearings und Bestandesaufnahmen der Ressourcen führt. Der Prozess wird idealerweise von einer Spurgruppe begleitet, die immer wieder den Alltag der Organisation mit dem Ergebnis vergleicht, verdichtet, die nächsten Schritte vorbereitet und deren Ergebnisse evaluiert. Die Graphik rechts zeigt den Zeitplan der U ­ msetzung, die Möglichkeiten der Beteiligung durch alle Betroffenen, AkteurInnen, Leistungserbringenden und Leistungszahlenden auf. In der «Spurgruppe» die den Prozess steuerte, waren während der gesamten Zeit (2008–2014) die gleichen Personen aktiv. Sie sicherten den zuverlässigen Informationsfluss, eine sachgerechte Behandlung und die Weiterplanung des Prozesses. Es waren dies Bianca Maag-Streit, Maja Grauwiler, Christoph Erhardt und Frank Lorenz. Am Ende eines solchen Weges steht das Leitbild als eine Art «Synopse»: Eine Zusammenschau des wünschbaren Soll-Zustandes, ein Vergleich und eine Verdichtung. Es ist Aufgabe der Leitung einer sozialen Organisation, diese in datier- und umsetzbare Ziele zu übersetzen und der Ziel­ ereichung Ressourcen zuzuweisen.

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Leitbilder haben auch ein Verfallsdatum. Nach rund 10 Jahren sollten sie überprüft und angepasst, vielleicht sogar neu formuliert werden. Das vorliegende Leitbild wurde im Frühling 2014 in


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Biblische Leitbilder sind: Wanderndes Gottesvolk, Stadt Gottes, Fest Gottes, Gesandte Gottes, Licht der Welt, Salz der Erde, Senfkorn.

Kraft gesetzt. Es erhielt sogenannte Leitsätze für den Schluss und wurde in Legislaturzielen mit Daten und Ressourcenplanung umgemünzt. Die Leitsätze sollen im neu gebauten Kirchgemeindezentrum an die Wand gehängt werden. Die Legislaturziele wurden von der Kirchenpflege in die konkrete Alltagsarbeit gegeben und sollen bis 2017 verwirklicht sein. Eine öffentlich-rechtliche Organisation hat natürlich noch andere Rahmenbedingungen, wenn sie ein Leitbild formuliert. In einem demokratischen Staat ist dies das in Gesetzen und Verordnungen beschriebene staatliche Kirchenrecht und die eigenen kirchlichen Gesetze und Ordnungen. Biblische Leitbilder

Jedem kirchlichen Leitbild gehen aber immer die Berichte, Geschichten und Bilder in der Bibel voraus. Darum haben wir sie in unserem Leitbild am Anfang ­benannt. Darum stehen sie in diesem Büchlein auch fast am Anfang. Pfr. Frank Lorenz ist Theologe, Journalist und hat einen Master in Betriebswirtschaft (MBA). 10

Kirche und Kirchgemeinde ist laut der Bibel

• «Wanderndes Gottesvolk». Das verweist auf die Dimension Befreiung und Unterwegssein (vgl. 2. Mose 13, 17–22) • «Stadt Gottes». Das verweist auf die Dimension ­Geborgenheit und Zuflucht (vgl. Eph 2, 19) • «Fest Gottes». Das verweist auf die Dimension ­Festfreude und Gottesdienst (vgl. Lk 14, 16–23) • «Leib Christi». Das verweist auf die Dimension ­Einheit und Gleichwertigkeit (vgl. 1.Kor 12,12 f.) • «Gesandte Gottes». Das verweist auf die Dimension Diakonisches Handeln (vgl. Mt 25, 31 ff., Lk 4, 18, Jes 61, Lk 10, 25–37) • «Licht der Welt – Salz der Erde». Das verweist auf die Dimension Prophetisches Amt, Ökumene (vgl. Mt 5, 23 ff.) • «Senfkorn». Das verweist auf die Dimension Hoffnung und Unverfügbarkeit (Mt 13, 31)


Reinachs Reformierte: Woher kommen sie? Ein Beitrag von Franz Wirth

Vorgeschichte

Schon 1525 – in der Reformationszeit – beriefen die Reinacher mit Marcus Heiland einen ersten reformierten Pfarrer in ihr Dorf. Während beinahe sieben Jahrzehnten, bis in die 1590er Jahre, bekannte sich danach die Gemeinde Reinach zum reformierten Glauben. Dann setzte ihr Oberherr, der Fürstbischof von Basel, die Rückkehr zum Katholizismus durch. (Mehr zu diesem Thema ist in meinem 2011 erschienenen Buch «500 Johr im Dorf – Die Pfarrei St.Nikolaus in Reinach BL. Eine Erkundigungsfahrt durch die Kirchengeschichte einer Birsecker Gemeinde» zu finden. F.W.)

Neubeginn im 19. Jahrhundert – Folge der Industrialisierung in Arlesheim

Seit der von Fürstbischof Jakob Christoph von Blarer Ende des 16. Jahrhunderts durchgesetzten Gegenreformation blieb Reinach während mehr als zweieinhalb Jahrhunderten bis tief ins 19. Jahrhundert hinein eine sozusagen rein katholische Gemeinde. Erst die in der Nachbarschaft einziehende Industrie zog einige reformierte Familien an. 1856 liess der Eigentümer der seit 1830 in Arlesheim ansässigen Schappe-Fabrik, Daniel August Alioth-Falkner, im grossen Park seiner stattlichen Villa eine reformierte Kapelle errichten. Als Pfarrer setzte er den in seiner Familie wirken-

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den Hauslehrer Friedrich Christoph Eppler ein. Die damals in Reinach wohnhaften 46 protestantischen Einwohnerinnen und Einwohner gehörten – wie ihre Glaubensgenossen in Arlesheim, Dornach, Aesch, Pfeffingen und Grellingen – zu dieser insgesamt 294 Seelen umfassenden «Reformierten Kirchgenossenschaft Arlesheim und Umgebung». Auch die Reinacher Reformierten besuchten nun den Gottesdienst in der von Alioth gestifteten Kapelle. 1858 erlangte diese Kirchgenossenschaft die Anerkennung durch den basellandschaftlichen Regierungsrat und wurde ab 1882 mit 700 Franken jährlich vom Kanton unterstützt. Bis zur Kirchenverfassung von 1952 hatte die Kirchgenossenschaft Arlesheim kein Steuerrecht, musste also ihren Unterhalt aus dem kleinen staatlichen Zuschuss und aus privaten Spenden bestreiten. Einen grossen Teil der Auslagen – insbesondere die Pfarrerbesoldung – übernahm anfänglich die Familie Alioth, welche sich deshalb grossen Einfluss auf das kirchliche Leben vorbehalten konnte. Daniel August Alioth bestimmte den Pfarrer und verhinderte so die Wahl ihm unliebsamer liberaler Theologen. Alioth nahm mit dieser Praxis die mittelalterliche Tradition der Patronats- oder Eigenkirchen auf. 12

Allmählich wurde die aliothsche Kapelle für die Bedürfnisse der immer zahlreicher werdenden refor-

mierten Birsecker zu klein. Nach langen Planungsarbeiten konnte am 3. November 1912 die heute noch dem Gottesdienst der Arlesheimer Reformierten dienende Kirche der Basler Architekten La Roche und Staehelin am Stollenrain eingeweiht werden. Weiterhin mussten die Reinacher Reformierten noch während mehr als einem Jahrzehnt nach Arlesheim zur Kirche pilgern. Auch die Konfirmation fand für die Reinacher Jugendlichen in Arlesheim statt. In Reinach stieg die Zahl der Reformierten bis zu den 1920er Jahren auf über fünfhundert an. Deshalb wurde 1924 für die Gemeinden Aesch-Pfeffingen-Reinach ein eigenes – weiterhin in Arlesheim domiziliertes – Vikariat eingerichtet, mit dem bis 1927 Pfarrer Fritz La Roche betraut war. Die Gottesdienste fanden auch für die Reinacher noch immer in Arlesheim statt, was viele als sehr beschwerlich empfanden. In dieser Situation bot 1925 Frau Elisabeth AliothVischer die in ihrem Garten in Arlesheim stehende, nicht mehr benützte Kapelle den Reinacher und Aescher Reformierten an: Die Kapelle hätte abgebrochen und im Neuhofgebiet zwischen Aesch und Reinach wieder aufgebaut werden sollen. Nach eingehender Prüfung lehnte die Kirchgenossenschaftsversammlung im September 1926 dieses Angebot dankend ab. 1927 erlaubte der Reinacher Gemeinderat den Refomierten als Zwischenlösung, alle 14 Tage am Sonntag-


Am 30. März 1930 wurde das Kirchgemeindehaus des Basler Architekten Rudolf Christ eingeweiht. Die Gemeinde sang das Luther-Lied «Ein feste Burg ist unser Gott».

nachmittag den Gottesdienst in einem der Dorfschulhäuser durchzuführen. Fast gleichzeitig übernahm Pfarrer Jörg Mangold bis 1930 das Pfarrvikariat für Reinach–Aesch–Pfeffingen. 1930: Ein Kirchgemeindehaus in Reinach

1927 begann man sich ernsthaft mit dem Gedanken der Errichtung eines Gemeindehauses in Reinach zu befassen. 1928 erwarb die Kirchgenossenschaft weitab vom Dorfkern an der Bruderholzstrasse rund 26 Aren Land zum Preis von CHF 2.20 pro Quadratmeter. Die reformierten Reinacherinnen und Reinacher wohnten zumeist in den neuen Kleinquartieren Landhof, Surbaum und im Grenzgebiet gegen Münchenstein. Nach der Abwehr von einigem Widerstand gegen die exzentrische Lage und nach einem Projektwettbewerb konnte schliesslich das Gemeindehaus-Projekt des Basler Architekten Rudolf Christ verwirklicht werden. Bereits ab Weihnachten 1929 fanden im Saal Gottesdienste statt. Und am 30. März 1930 wurde das Gemeindehaus mit einer Predigt des Arlesheimer Pfarrers Hans Senn und mit Reden des Präsidenten der Arlesheimer Kirchgenossenschaft, Peter Sarasin-Alioth, und des Historiker-Pfarrers Karl Gauss eingeweiht. Zum Schluss sang die Gemeinde das Luther-Lied »Ein feste Burg ist unser Gott». Die Baukosten betrugen – inklu-

sive CHF 6’000.– für den Landerwerb – CHF 96’000.–. Sensation: 1930 wird eine Frau PfarrVikarin in Reinach Ins neue Kirchgemeindehaus zog 1930 in der Person von Anna Aicher eine Pfarr-Vikarin ein. Anna Aicher hatte in Basel Theologie studiert und war 1931 eine der beiden ersten Frauen, die von der Basler Kirche zum Pfarramt ordiniert wurden. Nach ihrem Wegzug von Reinach 1937 wirkte Anna Aicher im Diakonissenhaus in Riehen und in der Bibelschule in Gwatt sowie bei der Schweizer Mission in Südafrika und machte sich dort u.a. als Mitübersetzerin der Bibel in die einheimische Tsonga-Sprache einen Namen. Sie starb hochbetagt im Jahre 1991. In den späteren Dreissigerjahren entwickelte sich der Bereich links der Birs zu einer eigenen Seelsorgeeinheit Reinach-Aesch-Pfeffingen, immer unter dem Dach der alten Kirchgenossenschaft Arlesheim. Hier wirkte von 1937 bis 1947 als Nachfolger Anna Aichers Pfarrer Jörg Mangold, der schon sein Lernvikariat in Reinach absolviert hatte. 1944 konnte als zweites Gotteshaus für den Bereich links der Birs die reformierte Kirche in Aesch eingeweiht werden. 1947 wurde Jörg Mangold nach St. Jakob in Basel berufen. Von ihm übernahm 1947 Walter Erhardt das Reinacher Pfarramt, das er bis 1979 – bis 1952 auch für Aesch-Pfeffingen zuständig – betreute.

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1957 schrieb die Kirchenpflege einen Wettbewerb für die Planung der Kirche aus. Sieger wurde der Zürcher Architekt Ernst Gisel.

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Reinach erhält eine eigene reformierte Kirche

Neue Pfarrstellen

Mitte der Fünfzigerjahre überschritt die Zahl der Reinacher Protestanten die Zweitausendermarke. Schon 1954 äufnete die Kirchenpflege einen Baufonds für eine neue Kirche. 1955 beschlossen die Stimmberechtigten der Kirchgemeinde einen Zuschlag von 50 Prozent auf der Kirchensteuer mit dem Zweck, den Baufonds aufzustocken. Auch viele private Spenden liessen den Fonds bald anwachsen. Die Kirchgemeinde schrieb 1957 einen Wettbewerb für die Planung einer Kirche aus. Sieger wurde Architekt Ernst Gisel aus Zürich, der die neue Mischelikirche von 1961 bis 1963 in «gemässigt kubistischem Stil» als Mischbau in Beton und Backstein errichtete. Die Baukosten beliefen sich auf rund 1.1 Millionen CHF.

1965 zählte Reinach über 4‘000 Protestanten und erhielt deshalb in Dieter Best einen zweiten reformierten Pfarrer. 1971 schuf der Regierungsrat, als die Zahl der evangelischen Gemeindeglieder auf über 6‘000 angestiegen war, eine dritte Stelle, die erst 1975 mit Pfarrer Martin Stettler besetzt wurde. Als Pfarrer Walter Erhardt pensioniert wurde, ersetzte ihn 1980 Robert Heimberg. Nach einem kurzen Zwischenspiel von Pfarrer Jürg Kaufmann und Pfarrerin Esther Borer trat 1987 Peter Reimer in die Dienste der Reinacher Kirche, und 1990 übernahm Christoph Herrmann das dritte Pfarramt. 2004 wurde Florence Develey an die Stelle des nach Oberwil wegziehenden Hermann gewählt. Nachfolgende der in Pension gehenden Reimer und Heimberg wurden 2007 Benedikt Schoelly und Frank Lorenz und 2008 Gabriella Schneider.

Am 2. September 1962 fand am Eingang zum Rohbau in Anwesenheit von reformierten und katholischen Kirchenvertretern wie auch von Repräsentanten der Politik die Ecksteinlegung statt. Nach einem grossen Basar war das nötige Geld für die Beschaffung von drei Glocken beisammen. Am 25. Mai 1963 konnte die Reinacher Schuljugend die drei Glocken in den Betonturm aufziehen. (Eine vierte wurde erst 1967 beschafft.) Die Einweihung der neuen Kirche erfolgte am 1. September 1963 wiederum unter grosser Beteiligung von Politik und reformierten wie katholischen Kirchenbehörden.

Kirchenverfassung

Nach dem Erlass des basellandschaftlichen Kirchengesetzes 1950 konnte sich die reformierte Landeskirche an die Schaffung einer eigenen Kirchenverfassung machen. Durch diese Kirchenverfassung von 1952 wurde die bisherige privatrechtliche »Kirchgenossenschaft Arlesheim und Umgebung» in die drei selbständigen öffentlich-rechtlichen Kirchgemeinden


von Arlesheim, Reinach und Aesch-Pfeffingen umgewandelt. Die drei neuen Kirchgemeinden blieben aber in dem gemeinsamen, durch die drei Kirchenpflegen gebildeten Kirchenvorstand verbunden. Wandel im Leben der Kirchgemeinde

Eine ganz wesentliche Rolle spielten vor allem früher im Leben der Kirchgemeinde die kirchlichen Vereine, die sich dem sozialen Zusammenleben wie auch der Lösung von Problemen aller Art widmeten. Wichtig war die religiöse Erziehung der Kleinsten. Nachdem die Katholiken bereits seit 1911 in einem Zimmer der Gemeindeverwaltung eine konfessionell ausgerichteten Kleinkinderschule führten, konnte – bezeichnenderweise im Kirchgemeindehaus im Surbaumquartier – anfangs 1946 ein reformierter Kindergarten seinen Betrieb aufnehmen. Die Trägerschaft übernahm der »Verein für den Kindergarten Surbaum». Als erste Kindergärtnerin wirkte mit einem Monatslohn von CHF 30.-. bis 1948 Dora Schüepp. 1951/52 konnte die Kirchgemeinde an der Stockackerstrasse ein neues Kindergartenlokal bauen. Später kam noch ein zweiter reformierter Kindergarten an der Binningerstrasse dazu. Nachdem sich die gesellschaftliche Landschaft Reinachs dank des hastigen Bevölkerungswachstums gründlich gewandelt hatte, übernahm

1970 die Einwohnergemeinde die Verantwortung für die Kindergärten. Ähnlich verhielt es sich mit der Kranken- und Hauspflege. Schon anfangs des 20. Jahrhunderts wurde für das reformierte Birseck ein Krankenverein gegründet. Diakonissen übernahmen die Krankenbetreuung. Bis 1966 war die allgemeine reformierte Birsecker Krankenpflege auch für Reinach zuständig. Dann gründeten die reformierte und die katholische Kirchgemeinde den paritätischen Kranken- und Hauspflegeverein Reinach (heute Spitex Reinach). 1930 gründeten initiative reformierte Reinacher Frauen den »Schaffverein», unter dem offiziellen Namen »Reformierter Frauenverein». Diese Gemeinschaft war vielfältig tätig: beim Organisieren von Gemeindeanlässen, aber auch beim Vertrieb von Weihnachtspaketen an Bedürftige und in sonstiger sozialer Tätigkeit. Infolge Mitgliederschwunds löste sich der Frauenverein 1993 auf. Ganz wichtig im Gemeindeleben ist natürlich die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Der der reformierten Kirche nahestehende CVJM/CVJF bietet sinnvolle Freizeitbeschäftigung an. – Von der Kirche angestellte Jugendarbeiter betreuen die Jugendlichen auf vielfältige Weise, u.a. in dem in den 1990er Jahren gegründeten Café Paradiso.

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Zur Einweihung der neuen reformierten Kirche 1963 schenkten die Katholiken einen silbernen Abendmahlsteller mit der Inschrift ­ «Ut omnes unum sint».

Auch für die Senioren wurde ein reiches Angebot geschaffen: von Altersnachmittagen über Altersausflüge hin zu Altersferien. In der Spitalseelsorge, bei der Betreuung von Migrantinnen und Migranten, von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, von Neuzuzügern tut sich das weite Arbeitfeld der sozialdiakonischen Mitarbeiterin der Kirchgemeinde auf. Ökumene

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschränkte sich die Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der reformierten Kirche in Reinach auf ein Minimum. Man schottete sich gegeneinander ab und führte auf Nebenschauplätzen oft kleinere Konfessionskriege. Dabei stellten sich die Exponenten der katholischen Mehrheitskirche gerne auf den «Herr-imHaus»-Standpunkt.

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Das äusserte sich krass bei der Frage von Lehreranstellungen: Die reformierten Reinacher, die schon 1930 beinahe ein Drittel der Einwohner Reinachs stellten, trugen immer stürmischer den Wunsch nach einer Lehrkraft evangelischer Konfession vor. Dieses Thema durchzieht die Gemeinderats- und Schulpflegeprotokolle der 1930er und 1940er Jahre. Entweder hiess es, die katholischen Bewerberinnen und Bewerber seien fachlich besser, oder es wurde verlangt, dass

zuerst die Kantone und Gemeinden mit reformierter Bevölkerungsmehrheit katholische Lehrkräfte anstellen sollten. Erst 1945 wählte die Schulpflege in Hans Breitenstein einen reformierten Sekundarlehrer. Heute geradezu unvorstellbar erscheint die Art und Weise, wie reformierte Pfarrer die Toten bestatten mussten. Eine Benützung der beim Dorffriedhof liegenden Kirche St Nikolaus für protestantische Abdankungen war undenkbar. Bei Hitze und Kälte mussten die Beerdigungsfeierlichkeiten im Freien durchgeführt werden. Erst ab 1955 konnten reformierte Abdankungen in der Nikolauskirche stattfinden. Viele Schwierigkeiten zwischen den beiden Konfessionen waren nicht zuletzt begründet in der Persönlichkeitsstruktur des von 1937 bis 1965 in Reinach wirkenden katholischen Pfarrers Joseph Sieber, der aus der intransigenten Schule des Basler HeiliggeistPfarrers Robert Mäder kam. Bekanntlich stolperte Pfarrer Sieber über einen Bestattungsfall, in welchem er in seiner unduldsamen Haltung zu sehr dem katholischen Kirchenrecht und zu wenig dem gesunden Menschenverstand vertraute. 1967 musste er Reinach verlassen. Schon vor dem Weggang Pfarrer Siebers hatte sich das Verhältnis zwischen den Konfessionen dank dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der davon


Konfessionsstatistik Reinach BL 1900–2010

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5000

Andere

4000 3000 Konfessionslos und ohne Angabe

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Ökumenisches Abendgebet, Suppentage, Fastensuppe sind Beispiele dafür, wie man seit den 1960er Jahren immer mehr zusammenarbeitet. Eine ökumenische Tat war in den 1980er Jahren die gemeinsame Planung der im Eigentum der Einwohnergemeinde stehenden Fiechtenkapelle im Rahmen des neuen Friedhofs. Verschiedentlich fand der Kanzeltausch zwischen reformierten und katholischen Geistlichen statt. Oekumenische Altersanlässe, Jugendgottesdienste, die Drittweltgruppe, die Erwachsenenbildungsgruppe, die Asylbetreuergruppe und anderes prägen das gemeinsame christliche Leben der Kirchgemeinden.

2010

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geprägten Haltung der katho­lischen Kirchenbehörden Reinachs wesentlich v­erbessert. Gesten illustrieren dies: Zur Einweihung der neuen reformierten Kirche (1963) schenkten die Katholiken einen silbernen Abendmahlsteller mit der Inschrift «Ut omnes unum sint». Die Reformierten revanchierten sich 1964 mit dem Altarkreuz für die erweiterte St. Nikolaus-Kirche.

Katholisch

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Statistisches: Mitgliederzahlen

Werfen wir noch einen Blick auf die zahlenmässige Entwicklung der reformierten Reinacher Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Das Diagramm (oben) zeigt, wie sich die Mitgliederzahlen des reformierten und des katholischen Teils der Bevölkerung im Lauf des 20. Jahrhunderts mehr und mehr angeblichen haben. Bekannten sich um 1900 noch 90 Prozent der Bevölkerung zum katholischen Glauben, so sank dieser Anteil bis 1980 auf 37 Prozent ab. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der Reformierten von 10 auf

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37 Prozent zu. Das Diagramm lässt uns auch erkennen, wie sich der Bevölkerungsboom vor allem seit der Jahrhundertmitte auch auf die Reinacher Religionsgemeinschaften ausgewirkt hat, nahm doch die Zahl der Katholiken in den dreissig Jahren zwischen 1950 und 1980 um das Vierfache, jene der Reformierten gar um mehr als das Fünffache zu. Nach 1980 nehmen wir sowohl bei der reformierten wie bei der katholischen Kirche einen empfindlichen Mitgliederschwund wahr. Von diesem Rückgang bei den Landeskirchen profitierten andere Konfessionen und Religionen: Orthodoxe, Islam und andere. Am auffallendsten ist aber – eine Folge des Säkularisierungsprozesses in der heutigen Gesellschaft – die Zunahme des Anteils der Konfessionslosen: Bei gleichbleibender Entwicklung werden in wenigen Jahren ebensoviele Konfessionslose wie Reformierte in Reinach leben. Im Kanton Basel-Stadt ist dieser Zustand längst erreicht: Dort bilden die Menschen, die keiner religiösen Gemeinschaft angehören, schon seit 1990 die grösste «Konfession». – In losem Zusammenhang mit dieser Entwicklung ist die Statistik der Ein- und Austritte bei der Reformierten Kirche Reinach zu sehen: Zwischen 1980 und 2010 stehen den 1400 Austritten bloss 290 Eintritte gegenüber. 18

Die zahlenmässige Entwicklung bei den Kasualien

Bei den Kasualien (kirchliche Amtshandlungen beim Eintritt eines Menschen in eine neue Lebensphase) sieht die Situation nicht überall so dramatisch aus. Zwar verzeichnen wir bei den reformierten Taufen zwischen 1980 und 2010 einen Rückgang von 55 auf 46 pro Jahr. In dieser Zeit ist aber auch ein allgemeiner Geburtenrückgang festzustellen. Eine sehr viel deutlichere Abnahme zeigt sich zwischen 1980 und 2010 bei den Konfirmationen: Wurden 1980 in Reinach noch 133 junge Menschen durch die Konfirmation zu mündigen Kirchenmitgliedern, so waren es 2010 nur noch 51. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Jugendlichen in dieser Zeitspanne generell kleiner geworden ist. Es zeigt sich aber deutlich, dass leider ein nicht unbedeutender Teil der getauften jungen Menschen nicht mehr gewillt sind, zur Kirchenzugehörigkeit Ja zu sagen. Der Rückgang bei den Konfirmationen ist erheblich auffallender als jener bei den Taufen. Hier wird der Säkularisierungsprozess in unserer Gesellschaft besonders deutlich. Ähnliches stellen wir bei der Heiratspraxis fest. In den letzten 30 Jahren haben die reformierten Trauungen recht massiv von im Schnitt 24 auf 6 pro Jahr abgenommen. Wir haben hier keine Vergleichsbasis, etwa


Es zeigt sich, dass leider ein nicht unbedeutender Teil der getauften jungen Menschen nicht mehr gewillt ist, zur Kirchenzugehörigkeit Ja zu sagen. Der Rückgang bei den Konfirmationen ist erheblich auffallender als jener bei den Taufen. Hier wird der Säkularisierungsprozess in unserer Gesellschaft besonders deutlich.

die Gesamtzahl der Trauungen in Reinach, weil die Eheschliessungen nicht gemeindeweise statistisch erfasst werden. Allgemein bekannt ist aber der dahingehende Trend, dass man sich – sofern man überhaupt heiratet – mit der zivilstandsamtlichen Trauung begnügt. Die kirchlichen Bestattungen bilden die einzige Kasualiensparte, bei der wir einen ansteigenden Trend feststellen können. Fanden 1980 noch 32 reformierte Abdankungen statt, so waren es 2010 deren 92. Das ist wenig erstaunlich: Zum einen hängt es mit der ansteigenden Zahl der Todesfälle überhaupt zusammen. Grund dafür ist die zunehmende Überalterung der Reinacher Bevölkerung. Zum andern hat wohl die ältere Generation eine intaktere Verbindung zur Kirche als etwa die Altersstufe der Konfirmanden oder der Heiratswilligen. Dr. Franz Wirth ist promovierter Historiker. Er wirkte als Lehrer am Wirtschaftsgymnasium in Basel. In Rei nach amtierte er 1980-88 als Einwohnerrat und 198899 als Gemeinderat. Heute lebt er in Arlesheim. Quellen und Literatur 1. Ungedrucktes Material 1.1 Gemeindearchiv Reinach Gemeinderatsprotokoll 1935 ff.

Schulpflegeprotokoll 1935 ff. 1.2 Archiv Reformierte Kirchgemeinde Reinach Jahresrechnungen 1980 ff. 1.2 Mündliche Auskünfte Pfarrer Walter Erhardt (reformiert) Vreni Landolf, Sekretärin ev.-ref. Kirchgemeinde 2. Gedrucktes Material und Literatur Altermatt Urs, Katholizismus und Moderne. Zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Schweizer Katholiken im 19. und 20. Jahrhundert. - Zürich 1989. Basilea Reformata 2002. Die Gemeinden und Spezialpfarrämter der Evangelisch-reformierten Kirchen Basel-Stadt und Basel-Landschaft, ihre Pfarrerinnen und Pfarrer von der Reformationszeit bis zur Gegenwart. Basel/Liestal 2002. Blunschi Jules, Reinach. Ein kurzer Gang durch die Kirchengeschichte der Gemeinde. - Basel 1964. Feigenwinter-Wenger Ernst August, Die Feigenwinter im Spiegel von fünf Jahrhunderten. - Basel 1989. Gauss Karl, Basilea Reformata. Die Gemeinden der Kirche Basel Stadt und Land und ihre Pfarrer seit der Reformation bis zur Gegenwart. - Basel 1930. Geschichte der Landschaft Basel und des Kantons Basellandschaft. Hrsg. Regierung des Kantons Baselland-

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schaft. Verfasst von D. K. Gauss, L. Freivogel, O. Gass, K. Weber. - Liestal 1932. (zit. Geschichte der Landschaft Basel) Hagmann Daniel, Reinach – Biografie einer Stadt vor der Stadt. Heimatkunde Bände 1 und 2. – Reinach BL 2006. Heimatkunde Arlesheim. Hrsg. O. Studer, E. Hänggi, Paul Menz. - Liestal 1993. Heimgartner Theo, Katholische Jugendjahre in Reinach 1945-1965. (erscheint 2013) Heyer Hans Rudolf, Reformierte Kirche von Arlesheim. (= Schweizerische Kunstführer) - Basel, 1976 Morf J. Eduard und Blunschi Jules, Kirchengeschichte von Reinach. Festschrift zur Hundertjahrfeier der 1886 geweihten St. Nikolaus-Kirche. - Basel 1986. (zit. Kirchengeschichte von Reinach) Nah dran – weit weg. Geschichte des Kantons BaselLandschaft. Bände 5-6. - Liestal 2001 Sarasin-Alioth Peter, Achtzig Jahre Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Arlesheim. - Arleshem 1938 20

Westermann Richard, Geschichte der reformierten Kirchgemeinde Reinach. – Reinach BL 1993

Windler Hans und Mitarbeiter, Reinach BL. Beiträge zur Heimatkunde einer jungen Stadt. - Liestal 1975 Wirth Franz, 500 Johr im Dorf – Die Pfarrei St. Nikolaus in Reinach BL. Eine Erkundigungsfahrt durch die Kirchengeschichte einer Birsecker Gemeinde. – Reinach BL 2011


Das Beste kommt erst noch – Ein Zukunftsforscher über Kirche Ein Beitrag von Erik Händeler

Immer schon war Kirche eingebettet in die Strukturen der Gesellschaft, in der sie wirkte: Die Kirche der feudalen Agrargesellschaft war eine andere als die der Industriegesellschaft mit von Fabriken geprägter Massenkultur. Viele Katholiken beziehen ihre Vorstellung von Kirche vor allem aus vermeintlich goldenen früheren Zeiten. Das Optimum der Kirche liegt aber nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Denn der Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu Wissens basierter Arbeit verändert die Hierarchien, Verhaltensweisen und ökonomischen Erfolgsmuster: Je mehr Arbeit von immaterieller Gedankenarbeit abhängt, umso mehr sind wir auf das Teilwissen anderer angewiesen. Das berührt die seelischen Schichten der Menschen, denn es erzwingt Zu-

sammenarbeit in derselben Augenhöhe, Transparenz, wechselnde Wichtigkeit, Versöhnungsbereitschaft, Authentizität statt Statusorientierung, Kooperationsfähigkeit statt Ellenbogen, langfristige Orientierung. Das alles sind zentrale Inhalte des Christentums. Wird die Welt vielleicht doch immer besser? Arbeit ist, Probleme zu lösen. Und weil wir Gott sei Dank immer Probleme haben werden, wird uns die bezahlte Arbeit niemals ausgehen. Sie wandelt sich lediglich: Arbeit ist nicht mehr so sehr, die materielle Welt direkt mit den Händen zu bearbeiten – schrauben, fräsen, montieren haben uns die Roboter weitgehend abgenommen. In Zukunft ist Arbeit vor allem immateriell: Eine Situation analysieren, Neues ent-

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wickeln, entscheiden, Information verständlich aufbereiten, in der gigantischen Wissensflut das Wissen finden und anwenden, das man braucht, um ein Problem zu lösen. Arbeitslosigkeit bedeutet nicht, dass es an Arbeit fehlt, sondern dass es nicht genug Menschen gibt, die das können, was gerade nötig ist, um die anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Produktivität ist eine Gemeinschaftsleistung

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Dabei geht es nicht mehr so sehr um Einzelleistungen wie früher, sondern um die Produktivität von Gruppen, um deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Weil der Einzelne ein Fachgebiet immer weniger überblicken kann, sind wir zunehmend auf das Wissen anderer angewiesen. Wenn jemand ein Problem lösen muss, hat er nicht die Zeit, fünf Bücher zu lesen, um an die gewünschte Information zu kommen. In Zukunft ist es wichtig, jemanden zu kennen, der diese fünf Bücher durchdacht hat und das Problem in ein paar Minuten lösen kann. Statt des gehorsamen, austauschbaren Rädchens der alten Industriegesellschaft wird so jeder einzelne auf einmal zu einem unverzichtbaren Spezialisten für einen Zwischenschritt in der Produktion oder für ein Wissensgebiet. Er ist auf einmal für die ganze Firma verantwortlich – zumindest was sein Fachgebiet angeht. Seine tatsächliche Bedeutung ist nicht mehr von einer formalen Hier-

archie abhängig, sondern schwankend von der tages­ aktuell geforderten Kompetenz. Das verändert die Strukturen: Weil viele Schreibtische den Informationsfluss verlängern und unnötig Zeit kosten, haben wir Hierarchien abgebaut, um direkter zu kommunizieren. Anstatt Entwicklungs-, Produktions-, und Marketingabteilung getrennt voneinander arbeiten zu lassen, haben wir die Firmen umorganisiert in projektbezogene Teams, in denen die Entwickler zusammensitzen mit Produktfachleuten und den Vertrieblern, die den Kunden kennen. Doch das wirklich Neue ist nicht so sehr diese Strukturveränderung als vielmehr etwas Soziales: Umgang mit Wissen ist immer Umgang mit anderen Menschen, die wir unterschiedlich gut kennen, unterschiedlich gerne mögen und mit denen wir unterschiedlich viele berechtigte Interessenskonflikte haben. Die nötige Teamarbeit erzeugt ein vermeintliches Machtvakuum, weil nicht mehr klar zu sein scheint, wer das Sagen hat. Die für Informationsarbeit nötigen flachen Organisationsstrukturen und projektbezogene Teamarbeit vervielfältigen die Schnittpunkte in den Unternehmen und damit die Gründe für Interessenskollisionen und persönliche Spannungen, die nicht nur Zeit und Geld kosten, sondern auch die Beschäftigten krank machen. Es mangelt an Verhaltensweisen, die den Wissensfortschritt fördern, anstatt ihn zu behindern, es mangelt an einer ausreichend sach-


Heute geht es nicht mehr so sehr um Einzelleistungen wie früher, sondern um die Produktivität von Gruppen, um deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit.

lichen und fairen Kultur des Umgangs miteinander. Die meisten haben nicht gelernt, in derselben Augenhöhe zusammenzuwirken, und so fechten sie schon im Vorfeld von konkreten Projekten Statuskämpfe aus oder schüchtern die anderen ein. Wer heute etwas Geniales vorschlägt, aber zu fünf Prozent irrt, den nageln wir fest bei den fünf Prozent, anstatt den guten Gedanken aufzunehmen – denn das könnte ja dessen Status erhöhen. Im Meeting signalisieren wir den anderen unterschwellig, «wehe du kritisierst mich, sonst rede ich nicht mehr mit dir» (was natürlich höchst unproduktiv ist). Wer aus der Deckung tritt und Fehlentwicklungen anspricht, um ein langfristig gesundes Firmenklima und eine redliche Entscheidungsbasis zu schaffen, der steht schnell alleine da. Denn bei abteilungsinternen Streitereien halten wir eher zu dem, der uns nützlicher erscheint oder zumindest weniger bedrohlich, anstatt denjenigen zu stärken, der über seine eigenen Kostenstelle hinaus die größere Verantwortung für das Ganze verfolgt. Wir verschweigen Konflikte oder tragen sie schließlich frontal aus, notfalls bis zur Vernichtung des anderen, mit dem Recht des Stärkeren oder der Macht der besseren Beziehung. Meinungsverschiedenheiten arten zu Machtkämpfen aus, die bis zur Verrentung anhalten und den Informationsfluss unterbinden. Unmengen an Energie verpuffen bei der Selbstbehauptung. Manche Firmen haben eine Kultur und

Rahmenbedingungen, in denen Gemeinheiten und Buckelei zu notwendigen Verhaltensmustern gehören, um überhaupt zu überleben. Der Krieg im Büro verursacht Produktivitätsverluste, die jedes Jahr in die Milliarden gehen. Eine destruktive Umgangskultur schädigt die Gesundheit, drängt Mitarbeiter in Arbeitslosigkeit und Frühverrentung und belastet so mit der Sozialversicherung die gesamte Volkswirtschaft. Wer meint, daran werde sich nichts ändern, weil «der» Mensch eben «so» sei, der verkennt die formende Kraft einer andauernden ökonomischen Strukturkrise. Sie übt einen Veränderungsdruck aus: Wer Informationsarbeit nicht ausreichend effizient löst, der bekommt in Zukunft vordergründig ein «Kostenproblem» und wird dann vom Markt verschwinden. Die Wirtschaft entwickelt sich in langen Kondratieff-Strukturzyklen

Auch in der Vergangenheit hat es große, jahrelange Stagnationen gegeben, weil sozioökonomische Strukturen rund um eine grundlegende Erfindung erschöpft waren, aber die Infrastruktur und Kompetenzen des nächsten technologischen Netzes noch nicht ausreichend erschlossen waren. Deshalb kam es nach dem langen Boom, den die Eisenbahn getragen hatte, 1873 zum Gründerkrach mit fast zwei Jahrzehn-

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Die meisten Ökonomen denken vor allem über Geld nach. Dabei sind monetäre Größen eher Folge denn Ursache für wirtschaftliche Entwicklung. Motor der Wirtschaft sind Verbesserungen im realen Leben.

ten Depression. Und nach dem Wohlstandsschub der Elektrifizierung folgte die Weltwirtschaftskrise von 1929. Dieselbe Instabilität tauchte nach dem vom Auto getragenen Aufschwung in den 1970ern auf. Seit dem Ökonomen Joseph Schumpeter sind diese langen Zyklen nach Nikolai Kondratieff (1892 – 1938) benannt. Zwar wurden nach der Ölkrise noch mehr und immer bessere Autos gebaut. Aber die treibende, Produktivität steigernde Kraft war jetzt der Computer, mit dessen Hilfe man Autos billiger und höherwertiger bauen konnte. Die Informationstechnik (IT) half vor allem seit den 80er Jahren, Kosten zu senken, und machte so Investitionen wieder rentabel. Der Computer ermöglichte Telefonvermittlung fast zum Nulltarif, Autovermieter und Fast-Food-Ketten wurden erst dank IT-gestützter Logistik rentabel.

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Nachdem die IT alle für sie möglichen Arbeitsschritte rationalisiert hat, tritt die Wirtschaft auf der Stelle; es gibt weniger, wofür es sich lohnt, rentabel zu investieren. Deswegen sinken die Zinsen, und weil sie so niedrig sind, bekam ein arbeitsloser Landstreicher in den USA einen Kredit für ein Haus, den er nicht zurückzahlen kann; weil die Zinsen so niedrig sind, konnten sich Griechenland weit über seine Leistungsfähigkeit hinaus verschulden, und wegen der niedrigen Zinsen geht das Geld in die Spekulationsblasen mit Aktien, Gold und Öl – das ist der Hintergrund für die derzeitige instabile Lage der weltweiten Finanzmärkte, ein ganz normaler Vorgang am Ende eines

Kondratieffzyklus. Die meisten Ökonomen denken vor allem über Geld, also über Preise, Zinsen oder Staatsausgaben nach – deswegen tun sie sich schwer damit, diese realwirtschaftliche Sicht in ihr Weltbild zu integrieren. Dabei sind monetäre Größen eher Folge, aber nicht die Ursache für wirtschaftliche Entwicklung. Motor der Wirtschaft sind Verbesserungen im realen Leben. Sie sparen den Menschen Zeit und Kraft, um damit etwas anderes anzufangen – so entstehen rentable Arbeitsplätze und mehr Wohlstand. Bis sie alle Bereiche des Lebens durchdrungen haben – dann treten die Unternehmen auf der Stelle. Vielleicht wäre es der Weltwirtschaft besser ergangen, hätte diese real orientierte Sichtweise in der monetär ausgerichteten Wirtschaftswissenschaft über Schumpeter hinaus mehr Unterstützung bekommen. Denn sie liefert einen Hinweis, in welche Richtung sich das Leben in Zukunft verändert: Je knapper ein Produktionsfaktor wird, umso größer sind die Anstrengungen, den Flaschenhals mit anderen Organisationsstrukturen und anderer Ausrüstung zu beseitigen. Als Transport die Knappheitsgrenze für die Wirtschaft war, musste demnach die Eisenbahn gebaut werden; als die Informationsflut explodierte, brauchten wir so einen elektronischen Rechner wie den Computer. Was also ist denn nun die nächste Knappheit im Arbeitsprozess, die zu überwinden ist, soll es wieder bergauf gehen? Viele meinen: Energie und Rohstof-


fe. Doch je weniger zum Beispiel Öl zur Verfügung steht, umso mehr werden regenerative Energiequellen rentabel – Kohle aus Klärschlamm, Solarfelder in Afrika, höhere Wirkungsgrade. Dies wird die Verluste ausgleichen, die durch teureres Öl und Gas entstehen, es ersetzt aber nur eine Energie- und Mobilitätsform durch eine andere, es ist nicht wirklich eine höhere Stufe des Wohlstandes. Wer Energie verbrauchen darf, das entscheidet sich am Markt letztlich daran, wer sie am effizientesten verwendet – und das hängt ab von der Qualität der Wissensarbeit. Die größte Knappheit: Der Mensch

Die größte Knappheit werden gebildete Menschen sein und ihre Problemlösungs-Wertschöpfung. Diese werden nur dann ihr Wissen motiviert einbringen und über 67 hinaus frei mitarbeiten, wenn die Arbeitsstrukturen darauf eingestellt werden: Weniger Druck im Alter bei angepasster Bezahlung, flexiblere Arbeitszeiten, Weiterbildung bis zur Rente und darüber hinaus. Weil Bildung zu einer teuren, Jahrzehnte langen Investition wird, muss sie sich auch länger amortisieren – die Nachfrage nach Gesunderhaltung wird so stark, dass sie einen Aufschwung tragen kann. Zwar wird auch wieder Hardware zu dem nächsten Strukturzy-

klus beitragen – Gentechnik, Nanotechnologie in der Medizintechnik, andere materielle Gesundheitsinvestitionen. Aber das ist nur das dienende Drumherum um die aktuelle Knappheit: Intelligente, unstrukturierte, kooperative Informationsarbeit. Da es keine Maschine mehr geben wird, die unsere Gedanken produktiver macht, wird die immaterielle Wertschöpfung der Informationsarbeiter zur wichtigsten Grundlage des Wohlstandes – und die hängt vor allem vom Sozialverhalten ab, von seiner seelischen Gesundheit. Die politischen (Standort)Debatten dagegen schlagen noch immer die Schlachten der alten Industriegesellschaft, anstatt sich auf das neue Paradigma einzustellen: In einer globalisierten Wirtschaft kann längst jeder überall Kapital aufnehmen, verfügt jeder per Internet schnell über alle Informationen und jedes Wissen, kann sich jeder auf einem freien Weltmarkt jede Maschine kaufen und seine Produkte weltweit vermarkten. Der entscheidendste Standortfaktor wird die Fähigkeit der Menschen vor Ort, mit Information umzugehen – und das ist in der Regel auch Umgang mit anderen Wissensarbeitern, Projektpartnern, Kunden, Kollegen. Der wirtschaftliche Wettbewerb wird zu einem Wettbewerb der Kulturen und der sie prägenden Religion; er erzwingt Verhaltensänderungen, die überall weh tun werden, besonders aber in jenen Regionen der

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Der wirtschaftliche Wettbewerb wird zu einem Wettbewerb der Kulturen und der sie prägenden Religion. Er erzwingt Verhaltensänderungen, die überall weh tun werden.

Welt, wo sie gruppenreligiöse oder andere traditionelle Werte-Gebäude zum Einsturz bringen. Kampf (innerhalb) der Kulturen

Weltweit am weitesten verbreitet sind noch ein Sozialverhalten, eine Ethik, eine religiöse Weltanschauung, die auf die eigene Gruppe bezogen bleiben wie die Jahrtausende zuvor – nationalistisch, rassistisch, eben gruppenethisch. Unter dem sozioökonomischen Druck besserer Wissensarbeit werden sie nun aufbrechen. In patriarchalischen Kulturen und in Stammeskulturen werden alte gesellschaftliche und religiöse Hierarchien entwertet, die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen völlig neu geordnet (das ist der Hintergrund für die wütende Gegenreaktion entzürnter Taliban, die Mädchenschulen niederbrennen).

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Dabei wird es nicht zu einem Kampf der Kulturen kommen, etwa an der Bruchstelle zwischen USA, islamischer Welt, Asien oder Europa. Sondern alle Kulturen sind nun wirtschaftlich gezwungen, effizienter mit Informationen umzugehen. Das führt zu einem Kampf innerhalb der Kulturen, an den Fronten zwischen Gruppenethik («Ich mache alles für mein Volk/ meine Religion, und wer außerhalb davon steht, darf gnadenlos bekämpft werden»), Individualethik («Ich

mach, was ich will, was mir gut tut und verfolge meine Interessen») und Universalethik («Ich habe ein echtes Interesse am gleichberechtigten Wohlergehen des anderen», «Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst»). Das ist auch eine religiöse Auseinandersetzung, wohlgemerkt: vor allem eine innenpolitische, eine inner-religiöse Auseinandersetzung, zum Beispiel von einem universalethischen Christentum gegen ein gruppenethisches Christentum. Doch sie trifft die Unternehmen mit ganzer Wucht: Schließlich sind sie ein Teil ihres gesellschaftlichen Umfeldes. Wenn jemand zu der Auffassung kommt, er werde jetzt nicht machen, was der Vorarbeiter ihm anschafft, weil der von einer niederen Kaste ist, und dessen Vorfahren jahrtausendelang der eigenen Kasten gedient hätten, dann kostet ein solches Denken viel Geld. Und wird entweder zur Entlassung und zur Verhaltensänderung führen, oder aber zur wirtschaftlichen Stagnation. Ebenso ergeht es, wer nicht mit Frauen oder «Ungläubigen» zusammenarbeiten will, weil ihm dann zu viele Synergien fehlen werden. Wenn ein islamischer Theologe anfängt, in seinem Land den Koran kritisch zu hinterfragen – was hat Mohammed von Juden und Christen übernommen, was muss man aus dem Zeitkontext verstehen – dann könnte er Morddrohungen bekommen und muss nach Europa emigrieren. Mir gefällt auch nicht alles, was so mancher Theologe in der Katholischen Kirche so schreibt


oder sagt. Aber wenn es in einem System nicht erlaubt ist, Dinge kritisch zu hinterfragen oder anzumerken, dann wird es nicht produktiv sein. Auch die Gruppenethik der Japaner und Chinesen, die damit früher sehr erfolgreich waren, stößt an eine Grenze: In einer globalisierten Wirtschaft mit ständig wechselnden Partnern, Kunden und Lieferanten ist eine Gruppenethik nicht mehr produktiv. Gleichzeitig breitet sich in Japan, in den Tigerstaaten und in chinesischen Städten ein kulturell neues Phänomen aus: der Individualismus, nicht als moralisches Laster, sondern als Folge selbstverantwortlicher Informationsarbeit. Das wird zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen, die sich wirtschaftlich zunächst negativ auswirken werden. Die Amerikaner, zu deren Gründungsmythos der Individualismus gehört, geraten mit einer zu starken Vereinzelung unter Veränderungsdruck: Dass ein Viertel der Gefängnisinsassen der Welt in den USA einsitzen, zeigt, dass sie ihre sozialen Probleme in die Haftanstalten entsorgt haben. Zu starke Mobilität zerreißt das Gesellschaftsgefüge – erschrocken vor einem Zuviel an Individualismus reagieren Teile der US-Bevölkerung mit einem Rückschritt hin zu einer religiösen oder politischen Gruppenethik, wie sie vor 30 Jahren nicht vorstellbar war.

Die Zukunft ist europäisch vielfältig

Für Europa scheint das neue Paradigma leichter zu bewältigen zu sein als für andere Weltregionen, wegen seiner kulturellen Wurzeln im Christentum. Es hat in seiner Geistesgeschichte eine Menge hinter sich gebracht, was dem kollektiven Gedächtnis anderer Völker in dieser Breite fehlt: Es hat schmerzhafte Erfahrungen gemacht mit Gruppenethiken wie Nationalismus, Faschismus, Stalinismus. Es hat die Nachteile einer rein individuell-intellektualistischen oder einer rein materialistischen Lebensweise kennen gelernt. Es hat durch die Jahrhunderte die verschiedenen Extreme von fundamentalistischer Enge und militantem Atheismus durchgekämpft. Im Gegensatz zu vielen Regionen der Welt ist der einzelne stärker befreit von religiösen, staatsideologischen oder kulturellen Einschränkungen. Im Idealfall ist das eine Freiheit, die nicht beim eigenen Ich stehen bleibt, sondern eingeordnet wird auf die selbstverantwortete Zusammenarbeit mit anderen Wissensarbeitern. Ausgehend von Teamsitzungen, gemeinsamen Projekten und Treppenflurinformationsproduktivität kann der nächste Strukturzyklus in Europa eine ungeheure Erfolgsgeschichte werden, von der die anderen Teile der Welt ebenso profitieren, weil sie irgendwann ineinander verschwimmen.

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Die Ethik, die sich derzeit über Versuch und Irrtum in der Berufswelt evolutionär herausbildet, ist in der Theorie die christliche Ethik des Evangeliums. Die Christen sind also nicht die Letzten von vorgestern, sondern die Ersten von morgen.

Umbruch von der Industrie- zur Wissensarbeit: Ihr seid die Ersten von morgen

Der Umbruch von der Industrie- zur Wissensarbeit destabilisiert die gewohnten Erfolgsmuster, ohne dass sich schon die neuen gefestigt hätten. So wie eine bestimmte Dichte an Autos irgendwann feste Verkehrsregeln nötig machte, so bilden sich unter dem schmerzhaften Veränderungsdruck der neuen Anforderungen an Arbeit neue Verhaltensmaßstäbe heraus. Sie haben weniger mit Fachkompetenz oder Organisation zu tun, sondern mit ethischer Qualität. Solange diejenigen die tollen Typen waren, die wussten, wie man eine Eisenbahn baut oder später ein Auto, solange der gesellschaftliche Fortschritt von technischen Verbesserungen abhing, solange waren ethische und religiöse Fragen aus dem gesellschaftlichen Leben vorwiegend ins Private verdrängt. In der Öffentlichkeit brach man fast ein Tabu, wenn man Glaubensfragen thematisierte. Das ändert sich nun mit dem neuen sozioökonomischen Paradigma, in dem immer komplexere Probleme in der Zusammenarbeit von immer mehr Spezialisten gelöst werden müssen.

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Ausgerechnet die Wirtschaft rückt daher solche Themen in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung: Wie sollen wir uns verhalten? Wie werde ich gesund/heil? Wie finde ich meine Ausgeglichen-

heit wieder (das nannte man früher «inneren Frieden»)? Das gehört zum Erfahrungsschatz der christlichen Kirche(n), und ihre Konzepte sind besser als die, die ebenfalls Vorstellungswelten anbieten, in denen es jedoch fast nur um den einzelnen geht. Dabei kommt ihnen entgegen, dass die Ethik, die sich derzeit über Versuch und Irrtum in der Berufswelt unter leidvollen Verlusten evolutionär herausbildet, in der Theorie die christliche Ethik des Evangeliums ist (im Gegensatz natürlich zu manch real gelebter Ethik von Christen). Der österreichische Zukunftsforscher Professor Hans Millendorfer (1921–2001) sagte schon bei Vorträgen in den 70er und 80er Jahren vorausschauend: «Ihr seid nicht die Letzten von vorgestern, sondern ihr seid die Ersten von morgen.» Es geht künftig nicht darum, Mitarbeiter zu manipulieren und Kunden über den Tisch zu ziehen («Wie zwinge ich ihn am Telefon zu einem schnellen Vertragsabschluss»). Eine langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit wächst nur dann heran, wenn jemand weiß, dass er sich im Guten wie im Schlechten darauf verlassen kann, dass der andere auch wirklich meint, was er sagt, dass dieser keine Informationen vorenthält oder die Wahrheit nach seiner momentanen Nützlichkeit manipuliert. Das entspricht dem Evangelium: «Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein. Was darüber hinausgeht, ist vom Bösen»1.

Matthäus 5, 37.

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Während Lügen ein bequemer Weg ist, Spannungen zu unterdrücken oder zu verzögern, werden sie durch Wahrhaftigkeit entschleiert und zu offen ausgetragenen Konflikten – diese sind völlig normal. Die Frage ist nur, in welchem Stil sie ausgefochten werden, ob mit dem Ellenbogen zur Vernichtung anderer oder ehrlich und sachlich nach dem besseren Argument, gerechtem Interessensausgleich und objektiv vereinbarten Spielregeln. Fair ausgetragene Konflikte bauen die Spannungen ab und führen zum Frieden. Die Menschen in der Wirtschaft leiden inzwischen stark unter den ungelösten Konflikten, die hintenherum weiter geschürt werden, seelische Kraft binden und Synergien verhindern. «Hat aber Dein Bruder gegen Dich gesündigt, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf Dich, so hast Du Deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit auf dem Mund von zwei oder drei Zeugen festgestellt sei jede Sache. Hört er auch auf diese nicht, dann sag es der Kirche; hört er auch auf die Kirche nicht, dann sei er für dich wie der Heide und wie der Zöllner.»2 Das heißt in der Logik des humorvollen Jesus, der gerade zu den Sündern gekommen ist: Bemühe Dich weiter um ihn. Umgekehrt gilt, sich mit seinem Gegner ohne Zögern zu versöhnen, «solange du noch mit ihm auf dem Weg bist.»

Matthäus 18, 15-17 3 Matthäus 5,22. 2

Gestörte Informationsbeziehungen heilen lassen

Für die komplexe Wirtschaft der Informationsgesellschaft ist es wichtig, dass sich gestörte Beziehungen heilen lassen. Sie kann es sich nicht leisten, dass jemand sagt: Mit dem arbeite ich nicht mehr zusammen. Oder wenn ungeklärter Streit noch das Verhältnis belastet. Deswegen wird sich am Ende der langen ökonomischen Restrukturierung eine Kultur herausbilden, in der man das eigene Verhalten redlich prüft, Schuld zugibt und andere um Vergebung bittet; eine Kultur, in der Schuld vergeben werden kann, «sieben Mal siebzigmal»4 . Statt der hierarchischen Führungskultur des Industriezeitalters braucht die Informationsgesellschaft eine dienende Führungskultur. Die Fachkompetenz – früher war sie ganz oben angesiedelt – rutscht in der Wissensarbeit runter auf die Ebene der Sachbearbeiter. Die Aufgabe der Chefs wird es nun, den Informationsfluss zu gestalten, die Leute zu fragen: Was braucht ihr, um eure Aufgabe zu erfüllen? Wie wirkt sich das bei euch und beim Kunden aus, wenn wir in der Geschäftsleitung so entscheiden würden? Während Chefs der Industriestruktur andere herumkommandiert haben, werden die Chefs der Wissensgesellschaft anderen partnerschaftlich auf Augenhöhe begegnen, ihre Macht als Leihgabe betrachten statt als Besitz, die sie dienend ausüben. «Die Könige der Heidenvölker Lukas 17, 3-4.

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Das neue sozioökonomische Paradigma bewegt sich auf Verhaltensmuster zu, die exakt der christlichen Ethik entsprechen. Darin liegt für die christlichen Kirchen zunächst eine große Chance.

spielen den Herrn über sie, und die Gewalthaber lassen sich `Gnädige Herren´ nennen. Ihr seid nicht so; sondern der Größte unter Euch werde wie der Kleinste und der Gebietende wie der Dienende.»5 Und nach diesem Zitat wusch Jesus die wohl ziemlich dreckigen Füße seiner Jünger. Das Wort Gehorsam ist belastet, seit es in Kadavergehorsam umgewertet wurde. In der 1500 Jahre alten christlichen Regel des Benediktinerordens jedoch wird Gehorsam verstanden als genau hinhorchen, oft auch übersetzt mit «Bereitschaft zum Dialog», also Kooperationsfähigkeit. Die ist wichtig, weil die wenigsten Fehler dort entstehen, wo mehrere Blickwinkel in einem Team verhindern, dass sich jemand in einen Irrweg verrennt. Das funktioniert nur, wenn keiner automatisch kraft seines Status von vorneherein immer recht hat. Denn dann würden die anderen nicht mehr mitdenken und ihre Ideen und Sichtweisen nicht mehr motiviert vortragen. Das Christentum geht davon aus, dass jeder Mensch fehlerhaft ist, dass sich jeder Mensch irren kann – «Nur einer ist gut, Gott.»6 Deswegen ist das Christentum eine Dialogkultur.

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Kontraproduktiv ist inzwischen, wenn jemand nur den Menschen und den Kollegen im Betrieb nützlich ist, die ihm selber auch wieder nützlich sein könnten. Denn Informationsarbeiter sind so hochspezialisiert, dass sie oft Leuten helfen, die ihnen wiederum keinen Nutzen zu bieten haben; andererseits helfen ihnen anLukas 22,25-26. Matthäus 19,17.

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dere weiter, die sie mit ihrem Wissen nicht unterstützen können. Die Wirtschaft braucht daher eine freigiebige Kultur der Informationsweitergabe. Denn wir können die Folgen unseres Tuns nicht überblicken.7 Die Konsequenzen für die Kirche

Wenn bewusste Christen früher gegen den Strom im Arbeitsleben ehrlich waren, sich für den Gesamtnutzen einsetzten und jeden Menschen unabhängig von seinem hierarchischen Status sowohl respektierten (die «Niederrangigen») als auch kritisierten (die hierarchisch höheren und Mächtigeren), hatten sie es schwer. In Strukturen von Befehl und Gehorsam und einem Paradigma, in dem der Fortschritt von Technik abhing, ging ihr Verhalten unter. Das ist jetzt anders, wenn sie versöhnen, Wahrhaftigkeit erstreiten, anderen authentisch begegnen, Spannungen klären, Kritik nicht runter bügeln. Das neue sozioökonomische Paradigma bewegt sich auf Verhaltensmuster zu, die exakt der christlichen Ethik entsprechen. Darin liegt für die christlichen Kirchen zunächst eine große Chance. Unklar ist zunächst, ob sie diese auch wahrnehmen. Denn noch hängt das innerkirchliche Verhalten in den Strukturen vorheriger Kondratieffs fest. In manchen Diözesen entsteht die Tagesordnung des Ordinariatsrates nach der Wichtigkeit der Personen, die etwas vorzubringen haben – in anderen dagegen Matthäus 5,46f.

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Das Christentum in seiner Theorie ist eine kooperative Kultur; was nicht heißt, dass alles, was in der Praxis so gläubig daherkommt, dem Geist des Evangeliums entspricht.

schon nach der Wichtigkeit der Themen. In einer Diözese bekamen sämtliche Mitarbeiter einer Ab­ teilung eine Änderungskündigung, weil sie sich geschlossen über ihren Leiter beschwerten – anstatt sich inhaltlich mit der Kritik auseinanderzusetzen. Es gibt fundamentalistische Gruppen, die Lügen als selbstverständliches Mittel einsetzen, ihre Ziele zu erreichen. So wie sich Esoteriker um ihre eigene Erleuchtung drehen, gibt es auch «Christen», die vor allem ihren eigenen Heiligkeits-Status zelebrieren. Schlechtes Beispiel sind auch die «Legionäre Christi», die nun durch eine Visitation reformiert werden, während Kritiker im früheren Pontifikat das Gefühl hatten, gegen Wände zu laufen: Manipulative Methoden, Arbeiten an Parallelstrukturen, überhebliches und unwahrhaftiges Auftreten; dazu ein Gründer mit Personenkult, der seinen Einfluss im Vatikan mit Geldkuvert zu steigern suchte, viele Seminaristen sexuell missbraucht hatte und nebenbei noch ein Doppelleben führte mit Frau und Kindern – mit bester PR-Arbeit, «richtig» katholisch zu sein. Zu jedem Sünder war Jesus gut, aber nie war Jesus wütender als wenn sich jemand im Glauben einen höheren Status über andere Menschen anmaßte. Selbst seine Jünger musste er maßregeln, weil sie darüber diskutieren, wer von ihnen wohl wichtiger ist als der andere. Das Christentum in seiner Theorie ist eine kooperative Kultur; was nicht heißt, dass alles, was in der Praxis

so gläubig daherkommt, dem Geist des Evangeliums entspricht. Das ist der Grund, warum Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe und Demut heute nicht in dem Maße mit Christentum und Kirche gleichgesetzt werden, wie es sein könnte. Glaube liefert die Begründung für eine Ethik

Religion ist mehr als ihre Ethik – sie ist die Begründung für ihre Ethik. Und die ist im Christentum das Verhalten Gottes, wie es im Evangelium dargestellt wird. Der stößt jedoch bei Nicht-Christen schon mal wegen eines falsch transportierten Gottesbildes auf Ablehnung. Kreuze werden abgehängt, weil ein gefolterter Mensch die Psyche von Kindern beschädige. Unverständnis: Was ist das für ein beleidigt-grummelnder Gott, für den ein anderer Teil seiner Dreieinigkeit am Kreuz gequält und ermordet werden muss, damit er wieder mit dem Menschen versöhnt ist? Ein menschliches Fabrikat. Man stelle sich den antiken Götterhimmel vor dem Christentum vor: Herrisch, eitel, selbstsüchtig, andere gebrauchend. Mit welchem Kontrastprogramm warten dagegen die ersten Judenchristen auf: Dieser eine gute Gott will Gemeinschaft mit den einfachsten, ärmsten Menschen. Er vergewaltigt nicht, weil Liebe nur echt ist, wenn sie nicht erzwungen, sondern in

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Freiheit selbstgewählt ist. Er kennt seine Leiden und wird in Jesus selber Mensch, um den Weg zu dieser Gemeinschaft vorzuleben. Er heilt und beschenkt. Er reißt das geknickte Schilfrohr nicht ab, er drückt den glimmenden Docht nicht aus. Nicht überheblich tritt Jesus auf, sondern lässt sich vom sträubenden Johannes taufen und wäscht seinen Jüngern die Füße. Das Kreuz ist so auch das Symbol für Gottes Konsequenz seiner Demut: Bis zur letzten Todessekunde begegnet Gott in der Person Jesus Christus den Menschen auf derselben Augenhöhe. Keine hochgefahrenen Energiefelder schützen ihn vor den Torturen des Kreuzwegs. Jesus lebt, wie wir anderen begegnen sollen: Er dominiert den Menschen nicht. Bei der Samariterin am Brunnen mit ihren fünf vergangenen Lebenspartnern fängt Jesus nicht hysterisch von der Todsünde zu kreischen an. Sondern er bietet ihr «lebendiges Wasser» an, um ihre Bedürfnisse nach Liebe und Geborgenheit zu stillen. Die Kirche von morgen

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Der neue Strukturzyklus wird auch die Kirche verändern. Kaum einer wünscht sich sicher die Kirche des Mittelalters zurück mit unreflektierten (Aber)Glauben, oder in Strukturen, in denen ein übriger Adelssohn irgendwo Bischof wurde. Auch die Kirche vor 50 oder mehr Jahren war geprägt von Dörfern und

engen Gemeinschaften, in denen man sich angepasst verhalten musste – sonst riskierte man die soziale Unterstützung zu verlieren. Als nach dem Krieg das Auto für viele erschwinglich wurde, konnte man der Nachbarschaft und der Großfamilie davonfahren und endlich die schrägen Leute treffen, die dieselben Interessen haben. Und wenn einem der Pfarrer am Dorf, der früher die ganze Bandbreite der Spiritualität abdecken musste, zu liberal oder zu konservativ war, ist man eben mit dem Auto drei Dörfer weiter gefahren, weil einem da die Predigten besser gefallen. So hat das Auto den Individualismus ermöglicht und auch in die Kirche getragen, was dort zu Spannungen führt, aber nicht daran liegt, dass die Menschen heute schlechter oder besser sind als früher: Sondern dass auch Kirche eingebettet ist in die sozioökonomischen Strukturveränderungen. Das ist der Grund, warum es im Kirchengebälk so knarzt: Wissensarbeiter müssen in ihrem Bereich ständig selber entscheiden und damit Verantwortung übernehmen – die zu hütenden Schäfchen sterben aus. Unter mehr oder weniger vorgehaltener Hand machen viele Amtsträger den Individualismus für die Kirchenkrise verantwortlich, doch sie irren: Das ist ein notwendiger Entwicklungsschritt. Nur wer sich selber kennt, kann in Freiheit zum «Du» gelangen. Individualismus wird die Kirche langfristig nicht schwächen, sondern im Gegenteil stärken, weil reflektierte Haltungen stabiler sind. Individualismus ist


nur eine Zwischenstation hin zu einem kooperativen Individualismus, das ist dann die Universalethik. Bis dahin wird die Kirche wie die ganze Gesellschaft noch einen aufreibenden Veränderungsprozess erleben. Je mehr aber in der Wirtschaft die autokratische Führung durch eine moderierende und sinnorientierte Führung abgelöst wird, umso besser als bisher wird dies auch in der Kirche gelingen. Je mehr Wirtschaft und Gesellschaft – aus einer ökonomischen Notwendigkeit heraus – in die Kooperationsfähigkeit der Menschen investieren, um so mehr werden diese nicht Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten auch im Glauben betonen; übrigens mit Rückwirkungen, wie innerkirchlich und zwischenkirchlich miteinander umgegangen wird. Je mehr die Menschen im Berufsleben lernen, Spannungen auszuhalten und bei Gegensätzen die jeweils andern nicht zu verteufeln, umso weniger werden Glaubensgegensätze in Einzelfragen zu emotionalen oder gar organisatorischen Brüchen führen. Und je weniger rein individualistisches Verhalten ohne Rücksicht auf universalethische Aspekte gesellschaftlich akzeptiert ist, um so weniger stark wird der Rückhalt für individualistisch-überschießende, theologische Entwürfe sein, die sich nicht integrieren lassen. Offensichtlich scheint es doch so etwas wie Heilsgeschichte zu geben.

Erik Händeler, geboren 1969, ist Trend- und Zukunftsforscher und arbeitet u.a. mit dem Zukunftsinstitut in Kelkheim zusammen. Er wohnt in Lenting bei Ingolstadt, ist verheiratet und hat drei Kinder. Website: www.Kondratieff.biz Kontakt: haendeler@kondratieff.biz Außerdem erschienen von Erik Händeler die Bücher: Die Geschichte der Zukunft – Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen. Kondratieffs Globalsicht, Brendow Verlag, Moers, 7. Auflage 2009, 480 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-87067-963-7 Außerdem sind von ihm erschienen: Kondratieffs Welt. Der Wohlstand nach der Industriegesellschaft, Brendow Verlag, Moers, 4. Auflage 2009 128 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978-3-86506-065-5 Der Wohlstand kommt in langen Wellen, Hörbuch, Brendow Verlag, Moers 2006, 2 CDs, 16,90 Euro ISBN 978-3-86506-138-6 33


Der erste Workshop – Die DNA des Leitbildes entsteht Ein Beitrag von Frank Lorenz

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Die Inputs von Franz Wirth und Erik Haendeler wollten verarbeitet sein. Und das ging nicht so einfach. Franz Wirths historische Spurensuche haben Aufstieg und drohenden Niedergang der Reformierten in Reinach nachgezeichnet und in den historischen Kontext der Stadtentwicklung Reinachs und einer grösser gesellschaftlichen Entwicklung eingebettet. Die Altersentwicklung, die den Aufstieg der Kirchgemeinde einst förderte, wirkt sich nun langfristig zu Ungunsten der Mischeli-Gemeinde aus. Der Säkularisierungsprozess spiegelt sich in den zurück gehenden Zahlen der Amtshandlungen und Lebensbegleitungsriten (Taufe, Konfirmation, Hochzeit) aus. Die historischen und statistischen Ausführungen Wirths machten uns einigermassen nachdenklich.

Erik Haendelers ökonomische Analysen und Ableitungen hingegen haben Mitarbeitende und Behörde begeistert: Dass in der christlichen Tradition wertvolle – im Wortsinn – Ansätze liegen, die in der Informationsgesellschaft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausmachen, das gab Mut. Haendeler zeigte die Möglichkeiten einer transparenten kircheninternen Unternehmenskultur, die als freigiebige Informationsweitergabe Modelle für andere Firmen sein könnten. Die Kirchen seien also nicht die Verlierer, oder ewig Gestrigen, sondern vielmehr die «Ersten von Morgen». Der Ökonom riet uns dabei, ganz klar die Themen anzugehen, die durch Knappheit ganz oben anstehen: Leben in Balance, Lebens-


Inhalte

2

stil aus christlicher Sicht, Gesundheit zu erhalten ohne die Gesundheit zu vergötzen, Faktoren betonen, die seelische Gesundheit stärken: Sozialkontakte, Sinn, Angenommen sein, Selbstannahmen und Streitkultur in der Berufswelt. Eine Kirchgemeinde brauche, so Haendeler, eine offene Tür nach draussen, durch die andere unverbindlich gehen können, zu allgemeinen Vorträgen oder zum Plaudern in einem Café. Dort kommen sie mit den Menschen und mit den Inhalten einer Gemeinde in Kontakt. Vielleicht braucht es auch ein Haus, in dem Menschen in Krisen mitleben können oder Menschen, die eine Auszeit brauchen. Es braucht einen großen Vortragssaal, in dem man auch Fasnacht feiern kann. Es braucht viele kleine und mittlere Räume für die Gruppen der Gemeinde und für Vorträge und Seminare. Es ist wichtig, einen Ort zu haben, an den die Menschen kommen können; wichtig ist aber auch, dass die Köpfe der Gemeinde, die draußen in der Welt wirken, eine Basis haben.

Universalethik Universalthemen

Nahe an der Wirklichkeit

3

Sinn des Lebens Sinn des Glaubens

4

Vorbild sein

4

Wahrhaftigkeit

2

Empathie

Angebote für das spirituelle Leben

Erfolgreiches nicht verkümmern lassen

Neugier und Visionen 3

4

Glaubwürdigkeit

2

Seminare und Vorträge

Wenig machen dafür fundiert

Selbstbewusstsein

3

Gewaltprävention

7

Konfliktlösung

4

Streitkultur

Aufsuchen

Allgemein

10

Spezifisch

Offensiv, zeitgemäss Präsent sein

Raum für Krisenbetroffene 7

Vernetzen Plattform bieten Gemeinschaft schaffen Netzwerke ermöglichen

Rasch wandelbare Strukturen

MehrzweckRäume

4

Stadtkloster

Dienende Führung

Zahl der Nennungen Strukturen

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Offen und zeitgemäss präsent

Beschwingt von dieser guten Botschaft machte man sich an eine Auslegeordnung der Bereiche, wie wir als Kirche und Kirchgemeinde in Reinach tätig sein wollen. Diese wurden in einem Koordinatensystem eingeordnet (Siehe vorherige Seite): Auf der horizontalen Achse wurden Bereiche angetragen, die von allgemeinem Interesse sind bis hin zu sehr spezifischen Begriffen. Auf der Vertikalen trugen wir ein, ob der vorher genannte Begriff eher inhaltlicher Natur war oder eher in strukturelle Fragen führte. Im Zentrum stand, das war sehr klar, unser Bedürfnis jetzt und zukünftig «offensiv und zeitgemäss in Reinach präsent zu sein». In der Grafik sieht man durch die Zahlen auch, wie häufig die Begriffe genannt wurden, wie wichtig also sie uns waren. DNA des Leitbildes entsteht

Fünf Themenbereiche ergaben sich aus diesem ersten Arbeitsgang, die – wie wir später merkten – bereits so etwas wie die DNA, die Struktur unseres Leitbildes ausmachte. Die meisten der Begriffe und Inhalte finden sich auch im fertigen Leitbild.

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Wir verständigten uns auf folgende fünf Bereiche: A

Unser Auftrag

B

Präsent und offensiv sein

C

Vernetzen

D

Unsere Räume

E

Plattformen und Begegnungen

Insbesondere das Thema «Kirchencafé» war mit ­Haendelers Vortrag frisch lanciert. Den Bereich eines Cafés hatten die Architekten ja von Anfang an in ihre bauliche Planung einbezogen. Dass und wie dieses Café von der Kirchgemeinde allerdings aktiv genutzt und als Begegnungsraum für Mitglieder, PassantInnen, Einkaufende und Einwohnerinnen und Einwohner dienen kann: Das war in den folgenden Jahren Gegenstand von tief gehenden Gesprächen und auch von viel Arbeit. Eine eigene Fachgruppe «Kirchencafé» wurde von der Baukommission eingesetzt um die verschiedenen Möglichkeiten der Realisierbarkeit zu evaluieren.


Kirchencafé lanciert

Dass heute im neuen Kirchgemeindezentrum ein Café von Freiwilligen unter Animation eines eigens dafür angestellten sozio-kulturellen Fachmannes belebt wird, ist wesentlich Verdienst dieser Fachgruppe, die sich inzwischen wieder dem «Ressort Forum & Diakonie» eingegliedert hat. Ein Betriebskonzept und eine Planrechnung für die ersten Betriebsjahre zuhanden der Kirchenpflege war das wichtigste Ergebnis dieser Gruppe. Die beiden sozialdiakonischen Fachpersonen der Kirchgemeinde zu jenen Zeiten, Claude Hodel und Gabriele WingerUhlich leiteten die Arbeitsgruppe nacheinander. Der Begriff muss klar sein

Meinungen und Zweckbestimmungen für das Leitbild wurden gesammelt. Sie geben die Breite der Diskussion wider: • Schlankes Leuchturm-Licht • Realisierbare Vision für ein paar Jahre • Zwischen schön formulierter Utopie und Gebrauchsanweisung für den kirchlichen Alltag

• Horizont und Orientierung • Leitstern, Leit-Planke: Was wir als Kirche beken- nen und welche Aufgaben wir wahrnehmen • Richtungsweiser • Eine Hilfe um Kräfte und Mittel auf unsere wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren Schon fast zu einer feststehenden Formel wurde die Mahnung des Spurgruppenmitglieds Maja Grauwiler, man möge kein Leitbild für die Schublade schreiben. So wurde zum Konsens, dass unser Leitbild aus einem breit abgestützten Prozess entstehen möge und über unsere Mission, den Ist-Zustand, die Gegenwart unserer Kirchgemeinde Auskunft geben möge, wie auch unsere Vision, den Soll-Zustand, die Zukunft unserer Kirchgemeinde aufzeigen solle. Aus diesem Papier soll die Behörde ihre Strategie, den Weg vom Ist zum Soll und die Ressourcenplanung und Mittelzuweisung ableiten. Dies ist nach Abschluss des Prozesses mit der Legislaturplanung 2013-2017 geschehen. Als nächste Gesprächspartnerin für Mitarbeitende, Behörde und Kirchenmitglieder musste jemand gefunden werden, der oder die konkret zu den Formen kirchlichen Lebens und Arbeitens unter den Bedingungen der Zukunft etwas zu sagen hatte. 37


Kirchgemeinden auf der Höhe der Zeit Ein Vortrag von Dr. Judith Könemann

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben sich zu dem aufwändigen Prozess einer Leitbildentwicklung in ihrer Kirchgemeinde aufgemacht. Anlass für diesen Prozess ist – so sagte mir Pfrarrer Lorenz – der Bau eines neuen Kirchgemeindezentrums. Veränderungen, Neubauten sind ja immer ein Anlass, neu anders oder erneut darüber nachzudenken, was man eigentlich will, ob die bisherigen Prioritäten in der kirchgemeindlichen Arbeit noch passend sind oder welcher evtl. neuen Schwerpunkte die soziale Situation in der Kirchgemeinde bedarf.

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So verstehe ich ihren Prozess als Selbstvergewisserung, als eine Vergewisserung darüber: «Wer sind wir?», «Was wollen wir?» Und was braucht die Situation in unserer Kirchgemeinde? Es geht also um

Bilanzierung dessen was schon ist und was weitergeführt werden soll und vielleicht auch muss und es geht um das, was neu zusätzlich zu entwickeln oder an die Stelle von etwas Altem zu setzen ist. Es bedarf also der Vergewisserung im Sinne einer Bilanzierung und einer auf Zukunft hin gerichteten Weiterentwicklung. Dabei kann der Neubau des Kirchgemeindezentrums so etwas wie einen Katalysator darstellen, einen solchen Vergewisserungsprozess auszulösen und gleichzeitig ist ein neues Zentrum so etwas, wie ein Kulminationspunkt, denn Räume sind ja nicht einfach nur Räume, sondern sie sind im besten Falle auch Ausdruck dessen, was eine Kirchgemeinde ist, wie sie sein will und wie sich in der Öffentlichkeit darstellen möchte.

Im folgenden Text wird häufig das Fremdwort «Pastoral» und dessen «Adjektiv» pastoral verwendet. Es leitet sich ab vom lateinischen pastor ‚Hirte‘ und wird in der römisch-katholischen Theologie und Kirche sowohl synonym zu «Kirchgemeinde» als auch zur Arbeit und Praxis in der Kirch­ gemeinde verwendet.


Zu einer solchen Bilanzierung und prospektiven Entwicklung gehört – so haben sie es in ihren Vorbesprechungen und in ihrem bisherigen Prozess gesagt – auch eine theologische Vergewisserung, der Rückbezug auf die Ursprünge bzw. auf den Ursprung aus dem Gemeinde und Pastoral ihre Legitimation und ihren Auftrag bezieht. Ich möchte Ihnen mit meinen Überlegungen einen Input zur Verfügung stellen, der in einem ersten Schritt pastoraltheologisch an den Auftrag von Gemeinde und Pastoral anknüpft und sich dann in weiteren Schritten den Herausforderungen von Pastoral heute zuwendet und dieses mit ihren mit ihren bisherigen Überlegungen zu verbinden sucht. Ziel ist es, ihnen zum einen eine pastoraltheologische Grundlage heutiger Gemeinde für Ihre weitere Arbeit zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig möchte ich einige Gedanken und Hinweise im Hinblick auf die von Ihnen formulierten Themenkreise und Projekte geben. Dass manche Referenzen, auf die ich dabei zurückgreife, aus dem katholischen Umfeld stammen, ist dabei meiner Herkunft als katholischer Theologin geschuldet, ich denke jedoch in Zeiten gelebter Ökumene können wir nur voneinander lernen. Ich möchte meine Überlegungen mit einem Zitat aus der Generalsynode der niederländisch-reformierten Kirche aus dem Jahre 1974 beginnen, das m. E. trotz

seines Alters immer noch Wesentliches zu heutigem Gemeindeverständnis aussagt: «Mit der Ausgiessung des Heiligen Geistes zu Pfingsten beginnt die Christusgemeinde ihren Weg durch die Geschichte. Sie lebt aufgrund einer neuen Befreiungstat Gottes, die an Tiefe und Radikalität die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten übertrifft: Es ist nun eine Erlösung aus Sünde und Schuld, die ihr geschenkt wird, und die Verheissung der Überwindung des Todes, die – in der Auferstehung Christi erfochten – auch ihr in Aussicht gestellt wird. Insofern ist das Ende der Geschichte der Menschenwelt, die von Schuld und Tod gekennzeichnet ist, innerhalb der Gemeinde, im Glauben, bereits angebrochen. Aber dieser Grund und diese Perspektive geben ihr zugleich die Kraft, jetzt noch innerhalb der Geschichte zu leben: Hoffend und handelnd und leidend an der Geschichte teilzunehmen und das Reich Gottes zu bezeugen, das in Jesus angebrochen ist und einmal auch für die gesamte Welt sichtbar und siegreich durchbrechen wird.»1 Dieser Text beschreibt m. E. sehr präzise Grund und Sendung christlicher Gemeinde: Gemeinde verdankt sich zu allererst der grundlegenden Initiative Gottes und seiner Zuwendung zu den Menschen. Gemeinde ist damit ein Geschenk, das im

Vom Geheimnis der Gemeinde. Eine Handreichung zum Glaubensgespräch. Angenommen von der Generalsynode der Niederländischen Reformierten Kirche auf ihrer Tagung am 18.06.1974, Gütersloh 31977, 18. 1

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Es gibt drei Elemente von Gemeindepraxis: Das entlastende Moment der Erfahrung des GeschenktSeins, und die beiden verpflichtenden Elemente der spirituellen und sozial-politischen Dimension andererseits.

Glauben angenommen werden kann. In diesem Glauben bezeugt Gemeinde das Reich Gottes; Auch wenn Glaube immer persönlich und individuell ist und in freier Entscheidung vollzogen wird, ist Glaube allein schon auf Grundlage des jesuanischen Handelns niemals Privatangelegenheit; denn auch das jesuanische Handeln war immer ein öffentliches Handeln. Persönlicher Glaube verweist immer auf Beziehung und das Leben von und in Beziehungen, deren Form und Qualität sich am Massstab Jesu und seinem Umgang mit den Menschen misst. Glaube beinhaltet also in der kommunikativen Praxis Jesu ein soziales Miteinander, eine Gemeinschaft. Letztlich impliziert christlicher Glaube das Auftreten von Kirche und Gemeinde, wo diese Praxis des Glaubens – bei aller Gebrochenheit und Vorläufigkeit – gemeinsam gelebt und wo der Glaube gemeinsam bezeugt wird.

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Neben diesen Aspekten, die wesentlich für ein theologisches Verständnis von Gemeinde sind, macht das Zitat zudem in besonderer Weise deutlich, worauf es mir wenn es heute um Gemeinde geht, ankommt: Bei allen pastoralen Bemühungen in der heutigen Situation und bei allen Versuchen, neue Konzepte in die Pastoral einzubringen, darf, ja muss vielleicht sogar immer in unserem Bewusstsein sein, dass Kirche und Gemeinde kein Selbstzweck sind. Dass sie letztlich

kein Menschenwerk sind, sondern immer und zuerst Geschenk sind. Ein Geschenk Gottes, das wir nur im Glauben annehmen können. Dies heisst allerdings nicht, dass wir die Hände in den Schoss legen können und alles geschehen lassen. Für die heutige Gemeindearbeit, die sich unter deutlich veränderten Bedingungen vollzieht, bedeutet dies sowohl eine Entlastung als auch eine Verpflichtung. Die Entlastung besteht darin, dass Gemeinden als zeichenhafte Orte geschenkter Versöhnung und verheissener Befreiung diese Befreiung und Versöhnung letztlich nicht herzustellen brauchen, ja dies gar nicht können, denn sonst wären sie nicht gnadenhaft gewirkt. Die Verpflichtung besteht in einer doppelter Hinsicht: Zum einen gilt es, dem Ursprung der christlichen Botschaft, dem eigentlichen Kern unseres Glaubens verbunden zu bleiben. Darin liegt die religiöse und spirituelle Dimension von Gemeindepraxis. Gerade angesichts der grossen spirituellen Bedürfnisse heute ist es wieder wichtig, sich auf diese Dimension verstärkt zu besinnen. In ihren Vorbereitungen und Ideen findet die Aufmerksamkeit für diese Dimension seinen Ausdruck in der Idee vom Stadtkloster. Das andere Verpflichtungsmoment besteht darin, konkrete Solidarität mit den Menschen und ihren realen Lebensverhältnissen leben und zwar sowohl im unmittelbaren Umfeld des Nahbereiches als auch in unseren grösseren Zusammenhängen. Darin liegt die soziale und politische Dimension christlicher GeVgl. dazu auch Mette 2005, 108.

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Was bedeutet es, diese drei Elemente ausbalanciert zusammen zu denken und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für eine künftige Kirchgemeindearbeit?

meindepraxis.2 Diese drei Momente von Gemeindepraxis: Das entlastende Moment, also die Erfahrung des Geschenkt-Seins, und die beiden verpflichtenden Elemente der spirituellen Dimension einerseits sowie der sozial-politischen Dimension anderseits, ergänzen einander und sind unauflöslich miteinander verwoben. Dabei bestimmt die Erfahrung bereits geschenkter Versöhnung die Praxis. Eine Kirchgemeinde bedarf also all dieser drei genannten Elemente: Anders als gerade formuliert, es braucht also das Bewusstsein der Nicht-Machbarkeit vollkommener Versöhnung durch den Menschen, also ein Bewusstsein dessen, was die theologische Tradition «Ungeschuldetheit des Heils» bzw. schlicht und ergreifend «Gnade» nennt. Und es braucht ein Bewusstsein sowohl für die religiös-spirituelle als auch die sozialpolitische Dimension christlicher Gemeindepraxis. Diese beiden Dimensionen sind wie die zwei Seiten einer Medaille, das eine geht nicht ohne das andere, auf jeden Fall nicht, wenn es christliche Gemeinde sein soll. Es bedarf also hier der gelingenden Balance zwischen Mystik und Politik oder auch «vita activa und vita contemplativa». «Wo» – so schreibt Norbert Mette – «dieses spannungsreiche Verhältnis von Kontemplation und Aktivität zugunsten eines der beiden Pole aufgelöst wird und somit ein für die Kirche und ihre Gemeinden konstitutiver Faktor ausfällt, mag es sich um einen Mette 2005, 108.

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Zirkel von fromm gestimmten Gleichgesinnten oder eine Initiative sozial Engagierter handeln, nicht jedoch um eine Gemeinde in der Nachfolge Jesu»3. Auf diese notwendige Einheit von Sozial- und Glaubenspastoral hat vor einigen Jahren im Übrigen schon der Pastoraltheologe Ottmar Fuchs, in einem Aufsatz mit gleichnamigen Titel deutlich hingewiesen. Im Folgenden möchte ich nun der Frage nachgehen, was es für eine Kirchgemeinde bedeutet, diese drei Elemente, den Charakter des Geschenktseins von Gemeinde und die religiös-spirituelle Dimension sowie die sozial-politische oder auch solidarische Dimension von Gemeindepraxis ausbalanciert zusammen zu denken, und welche Konsequenzen sich daraus für eine künftige Pastoral ergeben. Schritt eins: 1. Gemeinde als Geschenk und die NichtMachbarkeit umfassenden Heils

Das momentan grosse Spiritualitätsbedürfnis, das interessanterweise vielfach aus Kreisen kommt, die sich nicht unbedingt zur christlichen Kirche zählen, verweist uns – wie schon kurz angedeutet – wieder deutlicher auf das «uns geschenkt sein» von Gemeinde. Es verweist auf die spirituell-religiöse oder auch mystische Dimension des Christseins. Den Aspekt der «Nichtmachbarkeit von vollkommener Gemeinde» in heutiger Gemeindearbeit ernst zu nehmen be-

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deutet anzuerkennen, dass Pastoral und Gemeinde nicht aus sich selbst heraus da sind, sondern ihren Ursprung letztlich in der Selbstmitteilung Gottes an uns Menschen und im Heilshandeln Jesu Christi finden. Insofern sich Gemeinde diesem Heilshandeln Gottes verdankt, ist sie Zeichen der Nähe Gottes und seines Heilswillens für alle Menschen in der Welt, auf den sie in ihrer Praxis verweist. Gemeinde will jedoch nicht nur auf die Nähe Gottes hinweisen, sondern diese Nähe und diese Zusage umfassenden Heils in ihrem Sein und Tun gegenwärtig setzen. Das Handeln in der Gemeinde durch Haupt-, Freiwillige und einfach nur teilnehmende Mitglieder ist gerade durch das Zeugnis, das sie geben und durch ihr Handeln heilsvermittelnd. Aber nicht die Gemeinde oder die Pastoral stellt das Heil durch ihr Tun her. Vielmehr versucht sie, dass uns zugesagte schon angebrochene Reiches Gottes, so gut es ihr möglich ist, zu verwirklichen. Dabei weiss sie um die letztliche Nicht-Machtbarkeit umfassenden Heils.

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Dies ist kein Defizit von Gemeinde, sondern kann gerade eine Entlastung darstellen, nicht alles verwirklichen zu können, ja auch nicht zu müssen, aber den eigenen notwendigen, manchmal auch notwendenden Beitrag zu leisten. Dies bedeutet genau diese NichtMachbarkeit des umfassenden Heils als Entlastung wahrzunehmen und mehr geschehen, mehr wirken zu lassen.

Auf der konkreten Handlungsebene wäre dann zu schauen, wie mit den materialen und personalen Ressourcen umgegangen wird. Zu schauen, was das jeweils Spezifische einer Gemeinde ist, was ihr Profil ist, sein kann und sein soll. Was entspricht den Bedürfnissen, aber auch den Möglichkeiten und Fähigkeiten der dort konkret lebenden Menschen? Was wollen diese tun und was können sie auch leisten, von ihren Fähigkeiten und auch von ihren Kapazitäten her? Wo kann und soll der Schwerpunkt dieser Gemeinde ­liegen? Es ist also zunächst eine Art Bestandsaufnahme von Fähigkeiten und Möglichkeiten gefragt. Dabei sollten auch die Selbstentfaltungskräfte, die eigenen Initiativen und Aufbrüche, die von unten, von der Basis kommen Raum haben dürfen. Diese gilt es zu unterstützen und zur Entfaltung kommen lassen. Wie steht es aber neben diesem entlastenden Moment mit den beiden schon genannten Verpflichtungsmomenten der religiös-spirituellen und sozial-politischen Dimension der Gemeindepraxis? Ich komme zu Schritt zwei: 2. Eine Kultur der Berührbarkeit als Verbindungsmoment dieser drei Elemente

Das zentrale Stichwort für die enge Zusammengehörigkeit des entlastenden und der beiden verpflichtenden Moment ist für mich das Stichwort der Kultur:


«Berührbarkeit» ist das Schlüsselelement ­ künftiger Gemeindearbeit, weil sie sowohl die religiös-spirituelle als auch die solidarische Dimension von Gemeindepraxis umfasst und diese unauflöslich, wechselseitig miteinander verbindet.

Welcher Kultur bedarf es also, um den Geschenkcharakter, der Gemeinde, um Kontemplation und Aktivität, um Mystik und Politik der Gemeinde in eine konkret vor Ort angemessene Balance zu bringen? Ziel und Ausrichtung solch einer künftigen Gemeindekultur kann am Besten mit dem Begriff einer «­ Kultur der Berührbarkeit» bezeichnet werden. Denn «Berührbarkeit» scheint mir das Schlüsselelement künftiger Gemeindepastoral in allen ihren Aktivitäten zu sein. Berührbarkeit deshalb, weil sie sowohl die religiös-spirituelle als auch die solidarische Dimension von Gemeindepraxis umfasst und diese unauflöslich, wechselseitig miteinander verbindet. Berührbarkeit auch, weil sich darin eine wesentliche Dimension jesuanischen Handelns widerspiegelt. Gott hat sich selbst in Jesus Christus berührbar gemacht hat, in seiner Botschaft vom Reich Gottes als umfassende Befreiung für alle Menschen. Gott lässt sich vom Menschen berühren, lässt sich vom Leid der Menschen berühren und rettet sie dadurch, dass er sich berühren lässt und uns Menschen berührt. Dies findet seinen Ausdruck in der Inkarnation, in dem Gott in Jesus Mensch wird und alles teilt, was menschliches Leben ausmacht, alle Freude und Hoffnung, alle Ängste und Trauer. Es zeigt sich in der unbedingten, heilenden Zuwendung Jesu zu den Menschen, von denen die Wundererzählungen beredten Ausdruck geben und findet seinen Höhepunkt in

der Passion, indem sich Gott bis zum Äusserten berührbar gemacht hat und bereit war, den höchsten Preis menschlichen Lebens, den Tod zu zahlen. So wie Gott sich berührbar gemacht hat und sich berühren lässt, so sind auch wir Christinnen und Christen aufgerufen, uns berührbar zu machen und uns berühren zu lassen: Von Gott und seiner für uns unbedingt entschiedenen Liebe, die sich in der spirituellen Seite der Berührbarkeit ausdrückt und von den konkreten Anderen und ihrer jeweiligen Lebenssituation, worin sich die sozial-politische, solidarische Seite der Berührbarkeit einer Gemeinde zeigt. Weil wir uns berühren lassen, werden wir sensibel für das Leid des Anderen, für Ungerechtigkeiten, seien sie individuell erfahren oder strukturell bedingt. Insofern schließt die Berührbarkeit eine passive und eine aktive Seite mit ein: Passiv im Sich-Berühren lassen durch die Andere, aktiv in der Beziehung zum Anderen und der Übernahme von Verantwortung für den/ die ­Andere. Werden wir also berührt und lassen wir uns berühren, von Gott und vom anderen Menschen, so überschreiten wir den eigenen Horizont, überschreiten wir unsere Gedanken und Gefühle. Nichts anderes meint denn der Ausdruck «Transzendenzbezug»: Wir transzendieren uns selbst auf den Anderen und auf den absolut Anderen hin, den wir Gott nennen. Im christlichen Verständnis ist dieses Überschreiten an

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Verweist die religiös-spirituelle Dimension die Gemeinde «nach innen», so verweist die solidarische Praxis darauf, dass Gemeinde immer sehr konkret in der Welt angesiedelt ist und in den «weltlichen» Gegebenheiten.

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ganz bestimmten inhaltlichen Qualitäten bzw. Kriterien festzumachen: an Liebe, Gerechtigkeit, am Überstieg zu Fremden und zu Feinden. Insbesondere die religiös-spirituelle Dimension der Berührbarkeit, das Sich-Berühren-lassen von Gott, eröffnet dem gläubigen Menschen die Möglichkeit, diese Zuwendung, diese unbedingte Liebe Gottes als vorbehaltlose und bedingungslose Gabe, als «ungeschuldete Gnade», eben als Gratuität zu erfahren.

der Welt angesiedelt ist und in den «weltlichen» Gegebenheiten. Wenn eine Gemeinde das Wort Gottes mit der konkreten individuellen, kirchlichen und gesellschaftlichen Situation in Verbindung bringt und diese im Horizont der biblischen Botschaft auslegt, wird sie zur Gemeinde als Volk Gottes. Aus der Erfahrung unbedingter Bejahung und Anerkennung gewinnt sie die Möglichkeit zu einem Zusammenleben in Solidarität.7

Diese Erfahrung der Gratuität beinhaltet aber eben nicht nur das Sich Hinwenden zu Gott, sondern auch das Sich-Hinwenden zum Anderen. Der Glaube an den menschenbefreienden Gott hält dazu an, dass wir andere an den neuen Lebensmöglichkeiten teilhaben lassen, sie darin einbeziehen und Widerstand leisten gegen alles, was daran hindert. Dass alle Menschen ein bejahenswertes Leben führen können, darauf richtet Gott all seine Leidenschaft.5 Dabei beschränkt sich der so gespeiste Impuls zur Solidarität nicht nur auf die Solidarität im unmittelbaren Lebensumfeld; die Erfahrung gelebter Solidarität im Nahbereich wird vielmehr zum entscheidenden Kern einer Solidarität, die sich auch auf die grösseren, globalen Zusammenhänge richtet.6

Damit zeigt sich noch einmal, wie sich die spirituelle und sozial-politische Dimension christ licher Lebenspraxis wechselseitig bedingen. Aus der Glaubenserfahrung und Glaubenspraxis heraus mit ihren Grundvollzügen Verkündigung und Liturgie erwächst der Grundvollzug des diakonischen Engagements, und umgekehrt erwächst aus dem sozialen Engagement die Glaubenserfahrung, führt also die Diakonia zur Verkündigung.

Verweist die religiös-spirituelle Dimension die Gemeinde «nach innen», so verweist die solidarische Praxis darauf, dass Gemeinde immer sehr konkret in

Eine «Kultur der Berührbarkeit», als pastorale Leitlinie auszubilden, bedarf eines Perspektivwechsels im Verständnis von Pastoral bzw. Seelsorge oder anders

Vgl. Mette 2005, 111. Vgl. Fuchs 1999, 94.

Was bedeutet nun eine solche Kultur der Berührbarkeit für Pastoral? Schritt drei: 3. Berührbarkeit als pastorale Leitlinie

Vgl. Mette 2005, 110. Vgl. Steinkamp 2005.

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gesagt, es bedeutet die Einnahme eines parteilichen Standpunktes. Pastoral und Seelsorge haben heute mehr denn je den einzelnen Menschen als auch die unheilen und ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Die Verhältnisse, in denen der Einzelne lebt, in die er verstrickt ist und die zu Beschädigungen führen. Pastoral bedeutet, sich dem Einzelnen zuzuwenden und ihm heilsamen und heilenden Zuspruch zukommen zu lassen, sei es der alte Mensch im naheliegenden Altenwohnheim, sei es der Jugendliche, der orientierungslos oder verzweifelt seinen Weg sucht. Es gilt, Menschen in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken, damit sie – im Bild gesprochen – «aufrecht» gehen können. Dazu bedarf jedoch der konsequenten Umsetzung eines Seelsorgeverständnisses, das die seelsorgliche Beziehung als eine Beziehung zwischen Gleichen – wenn auch mit unterschiedlichen Rollen – versteht und keine pastoralen Machtverhältnisse produziert, in denen der, der Seelsorge in Anspruch nimmt subtil klein wird. Ziel jeglicher Seelsorge ist also die Ermächtigung des Subjekts zur «Selbstsorge» in einem ganzheitlichen und somit auch spirituellen Sinn.8 Seelsorge versteht sich somit in erster Linie als «Assistenz» zur Selbstsorge und Selbstermächtigung bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Subjekt eigen«mächtig» handeln und «aufrecht» gehen kann. Etwas überspitzt gesagt, ist letzter Sinn von SeelsorVgl. Mette, N.: Als Person(en) kenntlich – Identität in Solidarität, in: WzM 56 (2004), 230‐242, 237. 9

ge, sich selbst überflüssig zu machen, denn so Norbert Mette: «Wenn Seelsorge sich davon entlastet sehen darf, sich um Menschen die zur Selbstsorge fähig sind, zu kümmern, ist sie um so dringlicher an (gesellschaftlich marginalisierte) Orte verwiesen, wo Menschen daran gehindert oder beeinträchtigt werden, ihre Fähigkeit zu Selbstsorge auszubilden.» Seelsorge wird gerade dann zum Ernstfall befreiender christlicher Praxis.»9 Die französische Kirche hat in ihren basiskirchlichen Initiativen – so scheint mir – eine Gemeindekultur entwickelt, die alle drei oben genannten Elemente vereint und von der wir vielleicht lernen können. Diese Kultur der Berührbarkeit kann über die drei sie wesentlich bestimmenden Stichworte des accueil, der partage und der gratuité beschrieben werden. Accueil

Das ist der Empfang, die Aufnahme für die, die interessiert sind und nach Möglichkeiten der mehr oder weniger intensiven Begegnung fragen. Accueil richtet sich auf den Anderen, den zu Empfangenden, der der Empfang und Aufnahme sucht und will ihr/ ihm vorbehaltlos gegenüber treten, will ein Feld eröffnen, Erfahrungen zu machen ohne mehr oder weniger verschämte Rekrutierungsabsichten, will den/die

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Accueil heisst Annahme: Präsent und offen sein. Partage bedeutet teilnehmen und teilgeben. Gratuieté heisst: Das Wesentliche ist Geschenk.

Andere/n in seiner Andersartigkeit anerkennen und ihm mit einer Präsenz des Hörens und der Offenheit begegnen. Accueil will einfach und ‚nur’ für den /die Andere da sein, da im Sinne von präsent sein. Partage

Das bedeutet Teilen, Teilgeben und Teilnehmen. Mit Partage ist ein wirkliches Teilen gemeint, in einem immateriellen wie auch materiellen Sinne. D.h. es geht um mehr als einen Teil abgeben, um mehr als um Hilfe aus Mitleid. Partage meint wirkliche Solidarität mit dem/der Anderen im Denken und Fühlen als auch in der konkreten Solidarität des Handelns. Das bedeutet auch, die eigenen Anteile und Verwicklun gen wahrzunehmen und auch für die strukturellen Verstrickungen in Unrechtssituationen und -strukturen sensibel zu sein. Die Haltung des Partage lässt dem/der Anderen seinen/ihren Raum, macht ihn/sie nicht kleiner – auch nicht subtil – um selber grösser zu sein, und anerkennt ihn/sie mit ihren Fähigkeiten und seinem/ihrem Beitrag für das Ganze. Gratuieté

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Dies meint die Haltung der Ungeschuldetheit, des sich Verdanktfühlens gegenüber dem, der das eigene Leben geschaffen hat. Es meint das Wissen darum,

nicht alles in der Hand zu haben und Leben, das eigene als auch das der/des Anderen, als Geschenktes und Unwiederbringliches zu begreifen. Diese Haltung durchbricht alle Zweckrationalität und macht aufmerksam für heilvolles Miteinander, macht sensibel für die eigene Lebenskultur und die Kultur der nahen und fernen Umkreise. Wenn es gelingt, sich als Gemeinde auf diese Grundhaltungen einzulassen, dann entwickeln sich alle Aktivitäten und Prioritäten dessen, was pastoral verwirklicht werden soll aus diesen Grundhaltungen heraus und richten sich gleichzeitig auf diese wiederum aus. Was bedeutet es nun, diese so beschriebene Kultur zur Grundlage der pastoralen Planung zu machen. Dazu abschliessend einige Hinweise: 1. Ein Kultur der Berührbarkeit

Es gilt zu schauen, inwiefern in den jeweiligen Gemeinden Bedingungen herrschen oder inwiefern Bedingungen hergestellt werden können, die diese «Selbstsorge» der Subjekte ermöglichen und fördern, so dass der/die Andere «aufrecht» gehen kann. Dies beginnt schon bei der Frage nach dem je eigenen Seelsorgeverständnis, das jede/r Hauptamtliche implizit und explizit hat, und das in der jeweiligen Gemeinde


Ein Haus, das für die Kultur einer Gemeinde steht kann und sollte ein Ort sein, in dem es möglich ist, sich über Fragen der Religiosität und des Glaubens zu verständigen, kann ein Ort sein, sich über die eigene Religiosität und den eigenen Glauben zu vergewissern.

eine bestimmte Kultur ausgebildet hat. Dabei geht es nicht um die abstrakte Rezeption von Seelsorgetheorien oder Pastoralkonzepten, sondern vielmehr – im Sinne des oben Gesagten darum, sich mit der eigenen Person, mit den eigenen Haltungen, mit den eigenen Möglichkeiten, accueil und partage verwirklichen zu können. Oder anders gesagt, im Mittelpunkt steht, wie konkret die Verbindung von Spiritualität und Solidarität gelebt werden kann. Eine Kultur der Berührbarkeit, die sich in den drei gerade beschriebenen Grundhaltungen ausdrückt, setzt zuallererst Beziehungsfähigkeit voraus. Will Beziehungsfähigkeit gefördert werden, macht dies allerdings intensive Bildungsprozesse notwendig. Dies würde auch die Aussage von Erik Händeler aufgreifen, dass Sozialkompetenz in Zukunft ein knappes Gut sei. Die Förderung von Beziehungsfähigkeit, von Sozialkompetenz ist das A und O für ein friedliches menschliches Zusammenleben und liegt allen konkreten Kompetenzen wie Konfliktlösungskompetenz, Teamfähigkeit etc. noch voraus. Wollen die Verantwortlichen in einer Gemeinde diese Elemente der beschriebenen Kultur ihrer Arbeit und damit der Gemeinde zugrunde legen, setzt dies allerdings auch und vor allem die Bereitschaft voraus, sich selbst auf diese Beziehungsdimension einzulassen und die eigene Person hinsichtlich der eigenen Beziehungskompetenz zu schulen. Angebote in dieser Di-

mension von Bildungsarbeit, im Sinne von Förderung einer Sozialkompetenz, die sich dann auch in konkreten Themen wie Konfliktbewältigung, Teamfähigkeit oder Gewaltprävention niederschlagen, können ihren Ort im ihrem neuen Kirchgemeindezentrum haben. Im Vordergrund kann dabei aber nicht ausschliesslich das einfache Lernen von Handwerkszeug, von Techniken sein, sondern dieses muss immer eng an die eigene Person angebunden sein. Ansonsten werden Rezepte gelehrt, nicht aber Beziehungsfähigkeit gefördert. Entscheidend ist also immer die innere Haltung derjenigen, die sich verantwortlich fühlen. Eine solche Kultur führt auch zu einer Reihe von anderen Themen, die aufzugreifen wären, z.B. die Auseinandersetzung mit Fragen des interreligiösen Dialogs. Ein Haus, das für die Kultur einer Gemeinde steht und diese Kultur in ihren Räumlichkeiten ausdrückt, kann und sollte ein Ort sein, an und in dem es möglich ist, sich über Fragen der Religiosität und des Glaubens zu verständigen, kann ein Ort sein, sich über die eigene Religiosität und den eigenen Glauben zu vergewissern. Auch hier gilt das Diktum vom aufrechten Gang, ein Glaube und eine Religiosität, die selbstbewusst geformt ist, weiss um ihren Grund und kann aus dieser sich selbst bewussten Religiosität handeln. Nicht zuletzt kann aus einer solchen selbstvergewisserten Haltung heraus die Offenheit für eine unvoreingenommene interkulturelle und interreligiöse Verständigung erwachsen. Ihr neues Zentrum

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könnte zu einem Ort der Begegnung unterschiedlicher Kulturen und Religionen werden und einen entscheidenden Beitrag zum Lernen von interreligiöser Kompetenz leisten. 2. Ein Raum der Vermittlung

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Kirchliche Gemeinde stellt keine Sonderwelt in der Gesellschaft dar, sondern findet sich in gerade dieser und all ihren Fragen wieder. Das bedeutet, sie kann ihr Handeln nicht nur nach innen auf den Binnenraum der Gemeinde richten, sondern wird über den unmittelbaren sozialen Nahraum den Blich auf die gesellschaftlichen Zusammenhänge lenken. Wir können Kirchen heute auch so verstehen, dass sie zwischen dem Bereich des Privaten und demjenigen des Öffentlichen vermitteln und dabei versuchen, auf beide Sphären mit ihrer spezifischen Deutungskompetenz und ihrer Botschaft einzuwirken. Die Kirchen sind – so der Religionssoziologe Karl Gabriel – «einerseits der Ort, an dem die religiösen Erfahrungen der Einzelnen aus der Welt des Privaten in den Raum der Öffentlichkeit eintreten und andererseits vermitteln sie die Gehalte des christlichen Glaubens in die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit als Raum der Diskussion.»10 Diese Vermittlung aus dem privaten in den öffentlichen Raum kann dabei aber nicht nur den Kirchen und ihren offiziellen Vertretern vorgenommen wer-

den, sondern auch von den einzelnen Christinnen und Christen, die ihre (religiösen) Überzeugungen über den Bereich der Kirchgemeinde hinaus in das Gemeinwesen einbringen können, sie sind ja nicht nur Christen und Christinnen, sondern gleichzeitig auch Bürger und Bürgerinnen. Inhaltlich können Kirchen und Gemeinden dabei folgende Rolle übernehmen: Sie können erstens öffentlich auftreten, um Aufmerksamkeit für diejenigen zu schaffen, die aus der medialen Aufmerksamkeit heraus fallen oder herauszufallen drohen. Damit haben sie so etwas wie die Aufgabe einer Gegenöffentlichkeit. Sie können zweitens eine kritischkorrektive Kraft gegenüber den Machtansprüchen von Staat und Markt sein und aufgrund ihrer ethischen Maximen so etwas wie der prophetische Stachel für eine Gesellschaft sein. Sie können drittens normative Gehalte des christlichen Glaubens hinsichtlich des universalen Gemeinwohls, der Menschenrechte, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung einbringen und damit an der Schaffung gerechter Lebensverhältnisse mitwirken. Eine Gemeinde, die sich also einer Kultur wie beschrieben verpflichtet, wird sich präsent und offensiv in die Zivilgesellschaft und ihre öffentlichen Diskussionen einbringen und selbstbewusst die ethischen Gehalte vertreten und gegen Ungerechtigkeiten

Gabriel, Karl: Modernisierung als Organisierung von Religion, in Krüggeler, Michael, Gabriel, Karl, Gebhardt, Winfried (Hg.): Institution – Organisation – Bewegung. Sozialformen der Religion im Wandel 1999, 19‐37, 30f. 10


Eine Gemeinde, die sich dieser Kultur verpflichtet, wird sich präsent und offensiv in die Zivilgesellschaft und ihre öffentlichen Diskussionen einbringen und selbstbewusst die ethischen Gehalte vertreten und gegen Ungerechtigkeiten protestieren.

­ rotestieren, sei es z.B. in der Frage nach Minarettp bauten oder dem Umgang mit Asylsuchenden oder Auszuschaffenden. 3. Eine Chance der Vernetzung

Ein bauliches Zentrum bietet die Chance, dass das zusammenkommen kann, was ansonsten vielleicht an verschiedenen Orten verteilt ist. Von daher bildet ein Zentrum auch die Chance zur Vernetzung der verschiedenen Aktivitäten, Gruppen und Initiativen in der Gemeinde. Die Kultur, die sich eine Gemeinde gibt, kann und sollte dabei konzeptleitend für die bauliche und ästhetische Gestaltung sein. Letztlich soll der räumliche Ort die innere Grundhaltung, den «Geist» widerspiegeln und kenntlich sein für Aussenstehende. Das Leitbild, das sie entwickeln werden, wird so seinen Niederschlag in den Räumen finden. Wenn es gelingt, sowohl die verschiedenen Generationen in der Gemeinde als auch die verschiedenen sozialen Schichten im Zentrum inhaltlich zu beheimaten, dann verwirklicht sich Gemeinde. Räume leben von Präsenz. So würde sich das Grundelement des accueil, der Empfang und die Offenheit für alle, die kommen, verwirklichen können, wenn es gelingt, dass immer jemand da ist, ein Ansprechpartner, eine Ansprechpartnerin zur Verfügung steht. Das

Konzept der Citykirchen kann hier handlungsleitend sein, die mit ständiger Präsenz und hoher Niedrigschwelligkeit viele Menschen anzusprechen vermögen. Dazu bedarf es aber einer wirklichen Präsenz. Wenn ich nicht weiss, ob jemand da ist, werde ich diesen Ort nicht aufsuchen. Nun ist ständige Präsenz sehr personalintensiv, wie man so schön sagt. Interessanterweise haben die Citykirchen keinerlei Probleme Freiwillige zu finden, eher haben sie lange Wartelisten. Dies finde ich ein interessante Tatsache in Zeiten, in denen immer geklagt wird, es gäbe keine Freiwilligen mehr. Präsenz lässt sich vielleicht mit ihrer Idee eines Cafés verbinden, wobei es mehr braucht als eine rein gastronomische Präsenz. Der Raum sollte auch die Einheit von vita activa und vita contemplativa widerspiegeln. Vielleicht kann es gelingen, auch eine regelmässige spirituelle Präsenz zu ermöglichen und einen entsprechenden Raum. Dieser könnte auch eine interreligiöse Gastfreundschaft zur Verfügung stellen. Entscheidendes Moment für ein Kirchenzentrum scheint mir jedoch das Moment der Offenheit zu sein. Es gilt also eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich nicht nur reformierte Christen willkommen fühlen, sondern auch andere Gruppen beheimaten können, auch nicht nur kirchliche. Das Anliegen des Zusammenlebens sollte dabei über den kirchlichen Binnen-

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raum hinausgehen. Dann kann es zu einem Zentrum der Region werden und etwas die Spannung zwischen einer «Geh-hin-Struktur» und einer reinen Angebotsstruktur lösen.

wirklich auf das Beziehungsangebot Gottes aus freiem Willen und Entschluss einlassen zu können, und sich aus freiem Willen und Entschluss auf den Anderen beziehen und für diesen solidarisch Verantwortung übernehmen zu können.

4. Die Vielfalt und die Breite

Eine solche Gemeinde ist zum einen «auf der Höhe der Zeit», weil sie der Religiosität der Menschen von heute entspricht, zum anderen lassen sich die in ihr lebenden Menschen auf sich selbst und auf den je anderen ein und lassen sich so berühren vom Anderen. Gott scheint im Angesicht unseres Nächsten auf, so sagen und glauben wir. Nehmen wir das ernst, dann ist eine Kultur der Berührbarkeit die entscheidende Voraussetzung für die Verwirklichung und Weiterarbeit am schon angebrochenen Reich Gottes.

Viefalt und Breite können sich bei klarer konzeptioneller Grundlage auch in den inhaltlichen Angeboten zeigen. Auch hier sind die verschiedenen Schichten und sozialen Gruppen gut im Blick zu behalten. Was die einen mögen, mögen die anderen noch lange nicht. Die Sinus-Studie mit ihrer Unterscheidung der verschiedenen Lebensstilmilieus kann hier eine hilfreiche Sehhilfe sein, die Angebote so auszurichten, dass sich unterschiedliche Gruppen angesprochen fühlen. Will Kirche, will Gemeinde heute anschlussfähig an die modernen Menschen und ihre Wünsche und Bedürfnisse sein und weiss sich gleichzeitig dem Evangelium verpflichtet, dann ist es ein entscheidendes Element, die Selbstermächtigung von Menschen und die Möglichkeit, christlichen Glauben in Freiheit und ohne autoritären Druck erleben und leben zu können. 50

Daraus folgen weder Unverbindlichkeit noch Libertinage, sondern im Gegenteil die Möglichkeit, sich

Judith Könemann ist promovierte römisch-katholische Theologin, Soziologin und Erziehungswissenftlerin. Zum Zeitpunkt des Vortrages in Reinach war sie Direktorin des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts in St. Gallen und Geschäftsführerin der Pastoralplanungskommission der Schweizer Bischofskonferenz. Seit 2009 ist sie Professorin am Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik der Universität Münster.


Nach dem Vortrag von Judith Könemann – Wie weiter? Ein Beitrag von Maja Grauwiler

Zusammenfassung des Referats – Was ist für uns wichtig? Wie setzen wir Worte in Taten um?

aus im Sinne der Diakonie und durch den sozialpolitischen Aspekt, den wir nicht ausser Acht lassen dürfen.

Die neuen Räume im Kirchgemeindezentrum sollen zum Ausdruck bringen, was unsere Kirchgemeinde ausstrahlt, was wir sind und dass Kirche und Gemeinde kein Selbstzweck sind. Die Grundlage unserer Gemeinde besteht im Ursprung der christlichen Botschaft. Die Nächstenliebe soll gelebt werden.

Im Hinblick auf den Neubau wurden wir im Referat von Frau Könemann aufgefordert, den Ist-Zustand unseres kirchlichen Lebens aufzulisten. Bereits im ersten Workshop zum Thema Leitbild widmeten wir uns einem Brainstorming und nahmen den «Bestand» auf. Ziel dieser damaligen Auflistung war, von weniger Begehrtem loszulassen, Bewährtes fortzusetzen und vielleicht neuen Ideen Platz machen zu können. Genau diesen Schritt schlug uns auch die Theologin vor.

Eine Gemeinde wie die unsrige ist ein Geschenk Gottes, das wir in der Bezeugung zum Glauben annehmen. Dieses Geschenk jedoch verpflichtet uns auch. Es bedeutet, dass wir den Glauben leben. Eine christliche Gemeindepraxis zeichnet sich durch Solidarität und Verständnis gegenüber unseren Mitmenschen

Ausserdem riet sie uns, in der künftigen Planung die finanziellen Ressourcen, die Kräfte der Mitarbeiten-

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den und der Freiwilligen abzuwägen, so dass ein gutes, einvernehmliches Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen entsteht! Keine einfache Aufgabe, wenn man den Neubau nur vor dem geistigen Auge hat, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal dessen Grundmauern aufgerichtet sind! Eine Gemeindekultur zeichnet sich auch durch ihre Berührbarkeit aus. Berührbar, offen und hellhörig sein bedeutet, der Seele der Mitmenschen Sorge zu tragen und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. In der französischen Kirche drückt sich eine gute Basis der Berührbarkeit in den folgenden drei Grundpfeilern aus: • Accueil heisst: Aufnahme, Empfang, Information (zuerst spüren und erst dann handeln) • Partage im Sine von: teilen, sich solidarisch im Handeln und Denken mit dem Gegenüber verhalten • Gratuieté bedeutet: Dankbarkeit für das Geschenktsein unseres Daseins gegenüber unserem Schöpfer, sich bewusst sein, dass nicht alles in ­unseren Händen liegt

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Die Zentrumsfunktion unseres neuen Hauses müssen wir wahrnehmen. Hier wird sich unser kirchliches Leben abspielen, das wir auch für Kirchenferne weit öffnen. Warum nicht eine Insel sein für Menschen,

die für eine kurze Zeit vom Berufsalltag abschalten möchten? Warum nicht Inputs schaffen für müde Menschen, die einen Anschub aus unserer Mitte ­benötigen? Ist es möglich, mit unseren Qualitäten an solche Menschen zu gelangen? Wir unternehmen und bieten ja schon sehr viel. Der Kreis unserer Gemeinschaft muss grösser werden. Wie machen wir das ohne allzu sehr missionarisch aufzutreten? Im ersten Workshop erarbeiteten wir fünf Themenkreise, die uns nun als Basis für unsere weiterführenden Gedanken und Verknüpfungen dienen sollen. Es sind Themenkreise, die unsere Arbeit nach innen und aussen beschreiben. Ein Ziel dieser Auseinandersetzung ist eine klare, übersichtliche Auslegeordnung über unsere lebendige Kirchgemeinde «Wer sind wir, was machen wir?». Nach dem auf der folgenden Seite fotografisch und auf der folgenden Doppelseite inhaltlich dokumentierten, intensiven Brainstorming über unser Erscheinungsbild «Wer sind wir, was machen wir?» gaben wir uns Zeit, diese Vielfalt wirken zu lassen. Wir spürten in uns hinein, wo und wie wir uns zukünftig mit Hand und Herz am liebsten einbringen könnten. Maja Grauwiler ist Vizepräsidentin der Evangelischreformierten Kirchgemeinde und war Primarlehrerin in Reinach.


Blitzlichter aus den Workshops der Kirchenpflege und der Leitbildgruppe/Spurgruppe, die zwischen den Experten足referaten und den Arbeitsphasen stattfanden.

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Unser Auftrag – Präsent und offensiv – Vernetzung –

Unser Auftrag – Worauf wir bauen

• Verkündigung, Diakonie: Wir Christen haben dieser Welt etwas zu sagen, nicht nur spirituell, auch politisch und sozial. Wir wollen uns als Christen behaupten. • Sich bekennen und entsprechend handeln, den Glauben leben, sich unserer Kultur bewusst sein - liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst • Dem Menschen nahe sein, berührbar und präsent sein • Auf das «Füreinander» bauen, sich für die Akzeptanz untereinander einsetzen • Anderen helfen, aber auch sich selbst helfen lassen • Sich um alle Leute kümmern • Wir leben jetzt und mit Visionen für die Zukunft

Präsent und offensiv – Wer und wie wir sind

• Konfessions-übergreifend • Niederschwellig - sich zur Kirche bekennen, jedoch nicht aufdringlich • Selbstbewusst - mit Respekt und Toleranz • Uns in Gesellschaft einbringen • Die eigene Vielfalt pflegen • Im Wochenblatt / Kirchenfenster und im Kirchenboten: wahrnehmbar als reformierte Kirche in Reinach • Flyers mit kirchlichen Anlässen • Nicht nur in kirchlichen Räumen präsent, auch in Restaurants, bei anderen Veranstaltungen 54

• • • • •

Präsent und offensiv für Menschen in Schwierigkeiten Präsent und offensiv bei Hilfsprojekten Kirche als Raum anbieten (z.B. Musik) Angebote für jedes Alter Zusammenkünfte von verschiedenen Altersgruppen organisieren • Originelle und praktische Dienste anbieten • Kirchenkaffee, Apéro, Teilete nach dem Gottesdienst institutionalisieren • Glauben 12 Kurse und Theologiekurse anbieten Vernetzen - Wie und mit wem wir zusammen arbeiten, innerhalb und ausserhalb

• Vernetzung der Mitglieder stärken, ihre Bedürfnisse abklären • Leistungen zur Verfügung stellen • Kurse anbieten • Vernetzung / Zusammenarbeit mit: Quartier Mischeli Politischer Gemeinde Bürgergemeinde BEAG / Aumatt Sozialen Beratungsstellen und den sozialen Diensten Reinach Jugendhaus Polizei Asylheim Spital


Unsere Räume – Plattformen und Begegnungen

Behindertengruppen /-organisation Unseren Projekten der Mission 21 Kantonaler Synode Politischen und kirchlichen Organisationen in der Re- gion Anderen Religionen (Oekumene) Anderen ethnischen Gruppen (kennenlernen) Anderen Kirchgemeinden Nicht-kirchlichen Gruppen und Vereinen

• Gruppenräume, vermietbar an Externe • Spielwiese / Kirchgemeindehaus / Einkaufszentrum - ein Trio! • Gute Akustik in allen Räumen • Umweltgerechte Bauweise • Behindertengerecht

Unsere Räume Welche neuen Räume wir brauchen

• Schwerpunkt Café / Kirchgemeindezentrum • Präsenz mit Permanence: «Wenn ich jemanden brauche, ist jemand da» • Begegnung • Beratung und Begleitung • Offenheit • Austausch • Das Café soll Heimat und Gastgeberin sein für Gemeindemitglieder, für Suchende, für Viele - ähnlich einem Stadtkloster (geistliche Nahrung und Gemeinschaft), für Mütter, Randständige, Arbeitslose, Generationen…für DICH und auch für MICH - für ALLE • Entwicklung eines Seelsorge-Pikettdienstes

Es ist uns wichtig, dass wir im Mischeliquartier mit dem neuen Zentrum gut verankert sind. Wir wünschen uns innerhalb des Gebäudes eine grosse Flexibilität. Unsere vielen Angebote sollen gut «platziert» sein: • Öffentliches Café, öffentlicher Kulturraum, mit Imbissmöglichkeit • Gute funktionelle Küche • Raum der Stille in der Nähe des Cafés • Spielzimmer / Kinderhort in Verbindung mit dem Café • Grosser Saal mit Bühne • Multifunktionale Gruppenräume • Freundliches Sekretariat/Empfang, helle, einladende ­Räume • Gut ausgebaute Infrastruktur (Technik) • Multifunktionaler Jugendraum (Musik, Party, Internet, Fitness)

Plattformen und Begegnungen – ­ Welche Inhalte/Gefässe wir brauchen

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Vox populi – Die Befragung des Kirchenvolkes Ein Beitrag von Frank Lorenz

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Im ersten Semester 2009 wurde der Spurgruppe klar, dass die Kirchenmitglieder nach all diesen Grundsatzüberlegungen und auf der Basis der erarbeiteten Auslegeordnung ihre Meinung sagen müssen. Es sollten zu vier Themenfeldern Fragen gestellt werden: Was soll unser Leitbild beinhalten? Wie soll unser künftiges Kirchgemeindezentrum aussehen? Was sagen Sie zu unserer aktullen und zur künftigen Arbeit der Kirchgemeinde. Die entsprechende Fragebogenaktion startete mit dem Versand im Oktober 2009 und endete mit einer Rücklaufdeadline drei Wochen später. Genauso lange war derselbe Fragebogen auf www.umfrageonline.ch erreichbar. Durch eine spezielle Technik («Cookies») und eine Notierung der IP-

Nummern wurde sicher gestellt, dass keine teilnehmende Person im Internet doppelt antworten konnte. Die Fragebogen auf Papier hatten alle eine Nummer. Bei der analoge Fragebogenaktion wurden sowohl Fragebogen auf Papier mit frankiertem Rückantwortcouvert versandt als auch die Möglichkeit angeboten, digital und online zu antworten. Bei der Auswahl Anzuschreibender wurden mehrere Kriterien ausgeglichen berücksichtigt: Sowohl die sehr Kirchgemeinde Nahen (Kirchenpflege, Gottesdienstbesuchende, freiwillig Mitarbeitende) als auch die sympathisch Distanzierten in mittlerer Nähe zur Kirchgemeinde (Traupaare, Tauffamilien, Konfir-


manden-Eltern ) und Kirchenferne bzw. von einem Zufallsgenerator Ausgewählte wurden berücksichtigt. Rücklauf

Von den von uns angeschriebenen 750 Personen/Familien haben 223 ihren Fragebogen retourniert. Online haben uns 28 Personen ihre Meinung gesagt zur Zukunft unserer Kirchgemeinde. Antworten erhielten wir wie folgt: Von unseren freiwillig Mitarbeitenden sind 48 Fragebögen eingegangen. Die Fragebogen von Behördenmitgliedern und jene Zettel, Die Sekretariatleiterin Karin Etter beim Auswerten der Fragebogenaktion die in der Kirche oder in den Gemeindehäusern auf den Infoständern auslagen, wurden 37mal laufquoten bei schriftlichen Befragungen deutlich zurückgesendet. Von jenen, die in den vergangenen niedriger als bei mündlichen Umfragen. Dabei gelten Jahren bei uns geheiratet oder ihr Kind getauft haben, für schriftliche Untersuchungen, sofern es sich nicht erhielten wir 18 Fragebogen. Die Konfirmanden-Fa- um Spezialumfragen bei einem definierten Personenmilien der zurückliegenden Jahre haben uns 66mal kreis handelt, Rücklaufquoten von mehr als 10 bis 15 ihre Meinung zurückgeschickt. Vom Zufallsgenerator Prozent bereits als bemerkenswert hoch.» So schreibt ausgewählte Bewohnerinnen und Bewohner von Rei- es Heribert Meffert in seinem Grundlagenwerk «Marnach sagten 44mal ihre Meinung. «Die Rücklaufquote keting» unter dem Stichwort «Meinungsumfragen». oder ‚Ausschöpfung’ ist ein Indikator zur Beurteilung der Repräsentativität einer Befragung. Definiert ist sie Die absolut hohe Rücklaufquote von 33,4% überals das Verhältnis von abgeschlossenen Interviews zu rascht also solche und spricht sowohl für einen gut den versuchten Interviews. Generell liegen die Rück- gewählten Zeitpunkt der Befragung, eine hohe Be-

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reitschaft zur Mitwirkung, eine hohe Bindung der Befragten und eine grosses Interesse der Befragten an den Themen. Statistisches

Erwartungsgemäss ist die übergrosse Mehrheit der Antwortenden 92,5% reformiert, nur 2,5% sind römisch-katholisch, einer anderen oder gar keiner ­religiösen Gemeinschaft gehören die restlichen 5% an. Bei den Online-Antwortenden muss man von stark Internet-Affinen ausgehen, was sich auch an den Kommentaren belegen lässt, die von teilweise grosser Sachkenntnis in Bezug auf Online-Angebote zeugten. Diese Gruppe ist immer noch eher jung (also 16 bis 45). Die frisch Verheirateten sind zwischen 20 und 40. Die Konfirmanden-Eltern sind im Alter ­zwischen 40 und 55.

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Unsere Freiwilligen sind auch eher im mittleren bis gehobenen Alterspektrum (45 bis 70) und eher ­weiblich. Da die Fragebögen der Behördenmitglieder mit denjenigen der Anonymen gemischt sind, die ihre Fragebögen von den Infoständern genommen und zurückgegeben haben, lässt sich hier nur von Kirchennahen und Gottesdienstbesuchenden reden, die tendenziell im mittleren bis gehobenen Alterspektrum anzusiedeln sind.

Zusammenfassend ist also zu sagen, die Zahl der Teilnehmenden im Segment der Jungen und Mittelalten ist unerwartet hoch, verglichen mit der Reinacher Altersverteilung sogar leicht überwertig. Die hohe Zahl der Rückläufe im Bereich der gehobenen Altersstufe entspricht den statistischen Erwartungen für eine Kirchgemeinde und der Reinacher Altersverteilung. Erfreulich gering sind Kommentare, die aggressiv oder als «Ventil» für lange Angestautes dienen. Als Kontrollgruppe zu den Ergebnissen wurden separat die zufällig Ausgewählten (44 von 223) ausgewertet. Wo sie statistisch relevant von den Ergebnissen der Kirchenzugewandten abweichen, sind deren Ergebnisse separat erwähnt. Ergebnisse

Die Fragebogenaktion im Herbst 2009 wurde im Winter und Frühling 2010 ausgewertet. Die Ergebnisse wurden im April 2010 allen Interessierten im Rahmen eines Samstag Vormittags in der Mischeli-Kirche präsentiert. In den Fragen zu kirchgemeindlichen Tätigkeit bzw. zur Vernetzung unserer Kirchgemeinde mit kirchlichen, staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen konnten die Befragten zwischen 1 «unwichtig» und 4 «sehr wichtig» abstufen. Die


Personen- und Ereignisbezogenen Tätigkeiten der Krisenbegleitung (3,4), Seelsorge (3,2) und Sozialarbeit/Diakonie (3,1) wurden mit wichtig bis sehr wichtig benannt. Die öffentlichen Tätigkeiten in Gottesdienst (2,9) und Musik und Kultur (2,7) wurden als wichtig bezeichnet. Stellungnahmen zu politischen Themen wurden neutral bewertet (2,2) bewertet. Beim Kontakt mit anderen Konfessionen und ­Religionen wurde wenig überraschend die römischkatholische Schwestergemeinde als Partnerin am meisten gewünscht (3,04 = wichtig), dann die jüdische Gemeinde bzw. die Freikirchen und die nichtchristlichen Religionen (2,74 bzw. 2,64). In der Wahrnehmung der eher kirchenfernen «Zufälligen» lagen die Freikirchen und nichtchristlichen Religionen (2,4) vor der jüdischen Gemeinde (2,3). Beim ­Kontakt mit anderen Organisationen und Institutionen wurden wie in der vorigen Frage die traditionellen und alltäglichen Partner der Kirchgemeinde in den sozialen Diensten, also das Seniorenzentrum mit Genossenschaft und Stiftung Aumatt, das WBZ und das Jugendhaus als wichtige Partner genannt. In der Vernetzung mit Institutionen denken die Reinacher von innen nach aussen: Zu den sozialen Beratungsstellen und Diensten sollten wir von der Kirchgemeinde auch weiterhin den engsten Kontakt haben,

genauso wie zum Seniorenzentrum, dem WBZ und dem Jugendhaus. Eher wichtig sollte uns die Vernetzung zu den umliegenden Kirchgemeinden sein, zur politischen Gemeinde im Allgemeinen und zur ­Bürgergemeinde. Nicht überraschend aber doch deutlich fielen die Voten bei der Wunschplanung für unserer neues Kirchgemeindezentrum aus: Als wichtig bis sehr wichtig wurden klar die Jugendräume, ein Kirchencafé/Begegnungsraum mit guter, funktionaler Küche und Mittagstisch und ein gut erreichbarer Empfangsbereich genannt. Ebenso wichtig erschien ein Spielzimmer/Kinderhort und ein grosser Saal mit Bühne. Erst mit deutlichem Abstand wurden ein Kulturraum, ein Mediationsraum oder Raum der Stille und multifunktionale Gruppenräume gewünscht. Wie sich heute im fertigen Gebäude zeigt, konnten wir fast alle Wünsche berücksichtigen. Auch in das Leitbild und die darus abgeleiteten Legislaturziele sind alle Themen und Aufgabenbereiche eingeflossen, die uns die Befragten ins Aufgabenheft geschrieben hatten.

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Der Text des Leitbildes und die Kurzfassung Ein Beitrag von Frank Lorenz

Vom Sommer 2010 bis Frühling 2013 war die lange Zeit der Diskussionen, Begriffsklärungen und Textredaktionen. Die Fülle an Material musste mithilfe der ermittelten Struktur in klare Formen, verständliche Worte und Sätze gegossen werden. Diesen Prozess haben wir in seiner Dauer unterschätzt und manchmal musste er zurücktreten zugunsten der Alltagsarbeit, der Koordination der Bautätigkeit oder besonderer Fachgruppenarbeit, wie beispielsweise rund um das Kirchencafé.

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gemeindezentrum) als Sonntagskirche und Alltagskirche gliederten und als Titel für beide gemeinsam das Wort «Menschenkirche» aus der Taufe hoben. Unter «Sonntagskirche» verstehen wir die traditionellen Aufgabenbereich rund um den Gottesdienst. Unter Alltagskirche fassen wir den gesamten Bereich der Sorge um den Menschen, wo er im Leben steht. Dies ist sowohl Unterricht und Seelsorge, aber auch Jugendarbeit und Bildung. Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit ist hier zu finden, wie auch – und dies besonders herausgehoben und sichtbar – der ganz neue Arbeitsbereich im Kirchencafé.

Ein Durchbruch war erreicht, als wir die künftigen Arbeitsbereiche analog zum bestehenden (Mischeli- Der Begriff «Menschenkirche» stiess nicht von AnKirche) und zum neuen kirchlichen Ort (Kirch­­ - fang an bei allen auf gleich grosse Begeisterung.­


Retraiten auf dem Leuenberg liessen Haus und Leitbild entstehen

Theologisch ist er jedoch unbestritten. Der Berner Dichterpfarrer Kurt Marti machte den Zusammenhang zwischen Haus und Botschaft, zwischen Menschen und Kirche, im Lauf der Entwicklung der Jesus-Bewegung zur christlichen Kirche wunderbar durchsichtig und verständlich mit seiner kurzen Sentenz:

die kirche des geistes sind unsere körper (....) darum waren da zuerst: umarmungen, küsse und heilige mähler erst später gab es: kirchen aus stein Formulierungsarbeit in einer Gruppe zu leisten ist ein schwieriger Weg. Noch schwieriger wird dieser Weg, wenn die Textfragmente immer wieder einem w ­ eiteren, grösseren Gremium zur Beschlussfassung vorgelegt werden muss. Trotzdem brachte auch hier Geduld Rosen.Zwar musste manch eine Kröte geschluckt werden. Was nun aber hier vorliegt, kann mit Fug und Recht als für die nächsten rund zehn Jahre tragfähiges Leitbild angesehen werden. Es stellte sich nun die Frage wie wir das Leitbild in konkrete Ziele umsetzen können, also zur Arbeit bringen. Hierfür haben wir einen Profi

aus dem Bereich Marketing gesucht und in der Person von Martin Engel auch gefunden. So standen am Anfang und zum Ende unseres Prozesses interessanterweise Experten aus dem Bereich der Ökonomie als Referenten. Vielleicht ist auch dies zeichenhaft für heutiges kirchgemeindliches Leben. Lesen Sie aber vor der Dokumentation der Verwirklichungsphase das Leitbild und dessen Kurzfassung, die Leitsätze, in aller Ruhe.

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Leitbild für unsere Kirchgemeinde Unsere Basis:

Viele Berichte, Geschichten und Bilder in der Bibel beschreiben unseren Weg und unser Ziel als Gemeinschaft und Kirche. Kirchen und Kirchgemeinden sind gemäss der Bibel des Alten und Neuen Testaments: • «Wanderndes Gottesvolk» in der Dimension Befreiung und Unterwegssein (vgl. 2. Mose 13, 17–22) • «Stadt Gottes» in der Dimension Geborgenheit und Zuflucht (vgl. Eph 2, 19) • «Fest Gottes» in der Dimension Festfreude und Gottesdienst (vgl. Lk 14, 16–23) • «Leib Christi» in der Dimension Einheit und Gleichwertigkeit (1. Kor 12, 12 f.) • «Gesandte Gottes» in der Dimension Diakonisches Handeln (Mt 25, 31 ff., Lk 4, 18, Jes 61, Lk 10, 25–37) • «Licht der Welt – Salz der Erde» in der Dimension Prophetisches Amt, Ökumene (Mt 5, 23 ff.) • «Senfkorn» in der Dimension Hoffnung und Unverfügbarkeit (Mt 13, 31) Dies alles sind «Leitbilder». Wir geben uns eines, auf der Basis dieser jüdisch-christlichen Überlieferungen («Altes und Neues Testament»), mit dem wir die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre leben und arbeiten wollen. 62

Unsere Grundlage:

Wir, das sind Mitglieder, Mitarbeitende und gewählte Behördenvertretende der Kirchgemeinde. Wir alle sind Kirche: in und für Rei- nach, für alle Menschen und gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen. Und als die, die wir sind, sagen wir: Unser Leben, alles, was uns wichtig ist und so auch unser Kirchgemeinde-Sein ist ein Geschenk Gottes, das wir dankbar annehmen, achtsam verwalten und grosszügig weitergeben. Die Gesetze und Verordnungen, die für uns gelten und deren Inhalte diesem Leitbild zu Grunde liegen, sind die Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Landschaft, das Kirchengesetz und die Ordnung der Kantonalkirche. Wir sind nahe bei den Menschen: An unserem Gemeinschaftsleben (Alltagskirche) und unserem Feiern (Sonntagskirche) – kann Jeder und Jede bedingungslos teilnehmen, ohne ein Bekenntnis abzulegen. Unsere Anlässe und Treffen sind für alle zugänglich, niederschwellig und ohne Vorbedingungen erreichbar. Unser Auftrag, unsere Strukturen und Kernaufgaben

Wir sind Menschenkirche Wir sind eine öffentlich-rechtlich organisierte Bewegung glaubender Menschen und ein gegliedertes Unternehmen zu Gunsten von Menschen, insbesondere von jenen, die Hilfe bedürfen. Unsere Organisation und Entscheidungsfindung sind demokratisch. Unsere Kultur im Umgang miteinander ist wertschätzend, tolerant und anteilnehmend. Fachkonzepte regeln die Arbeit in den Ressorts. Wir sind Sonntagskirche Wir feiern Gottesdienste in traditioneller, zeitgemässer oder


innovativer Form an Sonntagen und Festtagen, in unseren Kirchen oder dort, wo Menschen nach unserem Handeln fragen. Wir bezeugen die biblische Heilsbotschaft gemäss unserem reformatorischen Verständnis im Jahreslauf und im Lebenslauf wie Geburt, Erwachsenwerden, Partnerschaft, Abschied und Tod. Wichtig für dieses Zeugnis sind uns auch traditionelle und zeitgenössische Musik und bildende bzw. darstellende Kunst. Wir sind Alltagskirche Wir leben und gestalten Kirche im Alltag durch vielfältige Sozialdiakonie, durch Seelsorge, als Sorge für den ganzen Menschen, dort wo Menschen im Leben stehen, und in Krisenbegleitung. Wir geben unseren Glauben, unser Wissen und unsere Kultur im Religions- und im Konfirmationsunterricht weiter; ebenso in regelmässiger oder punktueller Bildungsarbeit, mit allgemeinem oder zielgruppenspezifischem Adressatenkreis. Wir betreiben ein Begegnungszentrum und verfügen über grosszügige Jugendräume. Durch gemeinsames Essen und Trinken, durch Kontaktmöglichkeiten und durch Niederschwelligkeit schaffen wir einen gastfreundlichen Ort für kirchennahe und -ferne Menschen aller Altersgruppen und jeglicher Herkunft. Wir nutzen elektronische und gedruckte Medien, um über unseren Auftrag und unsere Angebote zu informieren. Unser Auftreten – Was wir nach aussen tun

Wir sind in Gemeinde und Kanton, Gesellschaft und Politik präsent und nehmen Teil am gemeinschaftlichen Leben. Im öffentlichen Raum engagieren wir uns entsprechend unseren Möglichkeiten, Gaben und Qualifikationen aktiv und persönlich, mit Respekt und Toleranz, selbstbewusst und kompetent.

Wir sind mit den katholischen und unseren reformatorischen Schwesterkirchen ökumenisch verbunden. Wir haben Kontakt zu den Freikirchen, in die weltweite Kirche und zu anderen Konfessionen und Religionen, unter Wahrung unserer Identität. Wir setzen uns im Rahmen unseres Auftrags für Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ein. Wir stehen an der Seite von Menschen in Not und Schwierigkeiten. Wir unterstützen die Arbeit unserer Hilfswerke. Unsere Angebote und Vernetzungen

Wir teilen Lebensfreude und machen Angebote, die Gemeinschaft fördern und die Gemeinde aufbauen. Wir vernetzen so unsere Mitglieder unterein-ander und stärken das Gemeinschaftserlebnis. Unsere Angebote haben Zielgruppen im Blick: Seien sie definiert durch Lebensalter, Interessen oder durch Lebenssituationen. Generationen zusammenzubringen sehen wir als besonderen Auftrag an. Unsere Angebote sind sowohl Einzelanlässe als auch Projekte. Dank der Arbeit und Ressourcen von und mit Freiwilligen vermehren wir die Wirkung unserer Mittel. Wir bieten Vorträge, Kurse und Seminare an, intern oder extern, und nutzen dazu eigene oder fremde Ressourcen. Wir arbeiten mit anderen Organisationen zusammen, fest und projektweise, entsprechend aktueller Situationen und Bedürfnisse. Unsere Visionen

Visionen sind Bilder einer zukünftigen Wirklichkeit, in Worten vorweggenommen. Visionen sind auch jene Vorstellungen von Kirche, die wir zu Anfang benannt haben. Gottes Verheissungen geben uns Visionen. 63


In Matthäus 5, 3–9 lesen wir folgende Vision: Freuen dürfen sich alle, die nur noch von Gott etwas erwarten – mit Gott werden sie leben in seiner neuen Welt. Freuen dürfen sich alle, die unter dieser heillosen Welt leiden – Gott wird ihrem Leid ein Ende machen. Freuen dürfen sich alle, die unterdrückt sind und auf Gewalt verzichten – Gott wird ihnen die Erde zum Besitz geben. Freuen dürfen sich alle, die danach hungern und dürsten, dass sich auf der Erde Gottes gerechter Wille durchsetzt – Gott wird ihren Hunger stillen.

In unseren zukünftigen Tätigkeiten setzen wir thematische Schwerpunkte und arbeiten fachübergreifend zusammen. Wir nützen die Kompetenzen unserer Gemeindemitglieder und achten darauf, dass sie eine Beziehung zu uns behalten und sich wohlfühlen. Wir bleiben wach und offen für die Menschen und die Welt. Wir sind als Kirchgemeinde Teil einer Gemeinschaft innerhalb der weltweiten Kirche.

Freuen dürfen sich alle, die barmherzig sind – Gott wird auch mit ihnen barmherzig sein.

Leitsätze

Freuen dürfen sich alle, die im Herzen rein sind – sie werden Gott sehen.

Unser Leitbild – Unser Bild, das uns leitet – Unsere Kultur

Freuen dürfen sich alle, die Frieden stiften – Gott wird sie als seine Söhne und Töchter annehmen. Wir versuchen, solche Verheissungen – in aller Vorläufigkeit und mit glaubendem Vertrauen – erlebbar und sichtbar zu machen. Damit wollen wir auch unsere Räume «beseelen». Wir sind und bleiben eines der Zentren des Lebens in Reinach. Die Mischeli-Kirche und unser Kirchgemeindezentrum sind Sonntags- und Alltagskirche. Wir schaffen mit unseren Angeboten Räume, wo man gerne hinkommt. Gott liebt diese Welt, jeden und jede. Diese Botschaft verpflichtet uns Zeit, Mitmenschlichkeit und Lebensfreude nachhaltig weiter zu geben. Unsere ehrenamtlich, freiwillig und hauptamtlich Mitarbeitenden und unsere Angebote helfen Menschen, ihren Weg in dieser Welt mutig, verantwortungsbewusst und zuversichtlich zu gehen. Wir laden ein zu uns zu kommen. Wir gehen hin und suchen Menschen auf. Trotz gesellschaftlicher Veränderungen bleiben wir eine volkskirchliche Gemeinde mit Vielfalt und Raum für alle. Unsere bestehenden und zukünftigen Angebote müssen unseren Visionen und Ressourcen entsprechen. 64

• Wir bewahren Gottes Schöpfung und setzen uns ein für Friede und Gerechtigkeit. • Wir sind Kirche für Sie, für Dich, für uns, als Sonntagskirche und Alltagskirche. • Wir feiern Gottesdienste. • Wir begegnen einander wertschätzend, tolerant und anteilnehmend. • Wir sind gastfreundlich, teilen Lebensfreude und pflegen Gemeinschaft. • Wir stehen an der Seite von Menschen in Not und Schwierigkeiten. • Wir bieten vielfältige Veranstaltungen und nehmen Teil am gesellschaftlichen Leben. • Wir laden ein, bei uns dabei zu sein und mit zu arbeiten. • Wir pflegen die Ökumene und sind Teil der weltweiten christlichen Kirche. • Wir sind und bleiben ein Zentrum des Lebens in Reinach, als Bild für ein g astfreundliches Reich Gottes. Das alles leitet uns als Evangelisch- reformierte Kirchgemeinde Reinach. Wir sind uns bewusst, dass nicht alles in unseren Händen liegt.


Kirche auf dem Markt – Wie setzen wir ein kirchliches Leitbild um? Ein Beitrag von Martin Engel

Die Kirchgemeinde Reinach hat sich viel vorgenommen – und mit ihrem Leitbild klare und hohe ­Ansprüche an sich selber formuliert. Wie entsteht daraus konkretes Handeln? Kann das «MarketingDenken» helfen, das Leitbild umzusetzen, Menschen zu erreichen und für die Kirche «neue Märkte» zu erobern? Können wir vom «Management» etwas lernen, um wieder an Strahlkraft zu gewinnen? Mitte Januar 2012 kommen die Verantwortlichen der reformierten Kirchgemeinde Reinach/BL im Tagungszentrum «Leuenberg» zusammen, um gemeinsam den Entwicklungsprozess ihrer Gemeinde vorwärts zu bringen. Im Zentrum steht die Frage, wie können wir unser Leitbild umsetzen? Wie können wir

Wirkung erzeugen? Wie können wir die Menschen erreichen? Dieser Text versucht einen Einblick in die Überlegungen zu geben, mit denen wir uns an diesem Tag auseinandergesetzt haben. Der Tag stand unter dem Titel «Kirche, Markt und Marketing». Marketing im kirchlichen Kontext – das provoziert. Muss sich jetzt auch die Kirche den Prinzipien der Wirtschaft unterwerfen? Oder ist sie selbstbewusst genug, um sich beim Werkzeugkasten der gewinnorientierten Unternehmen zu bedienen? Denn der Werkzeugkasten «Marketing» wird heute zunehmend auch von Non-Profit-Organisationen, öffentlichen Körperschaften und Behörden genutzt. Wer bei Marketing nur an schreiende Produktwer-

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bung, ­plumpe Slogans und aufdringliche Verkäufer denkt, wird dieser Methodik nicht gerecht. Marketing bedeutet in seinem Kern, dass wir unser Tun und Handeln auf die Bedürfnisse unseres Gegenübers ausrichten. Dass wir versuchen zu verstehen, warum sich jemand zum Beispiel einen Schokoladeriegel kauft? Warum diesen Riegel und nicht einen anderen? Zu welcher Tageszeit kaufen die meisten Menschen ein solches Produkt, wo und unter welchen Umständen? Welche Personengruppe kauft überhaupt Schokoriegel? Sind es sportliche Frauen über 60, mit höherem Bildungsniveau, oder eher Teenager, aus dem ländlichen Raum, mit einem eigenen Facebook-Profil, und die auch Coca-Cola trinken? Das Marketing versucht zu verstehen, wer warum was tut. Kurz: Das Marketing versucht die menschlichen Bedürfnisse zu ergründen, um Antworten darauf zu geben – und mit diesen Antworten die Menschen zu erreichen. Marketing-Denken

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Was bei unserem Beispiel auf das simple Verkaufen eines Produkts des täglichen Gebrauchs hinausläuft, ist beim Angebot einer Kirche nicht grundsätzlich anders – höchstens ein bisschen komplizierter. Denn eine Kirchgemeinde will letztlich das Gleiche: Menschen erreichen, ihnen Antworten geben können. Wenn wir die Partizipation und die Zufriedenheit erhöhen wollen, sollten wir die Menschen erreichen

können, und dafür müssen wir uns in sie hineinfühlen, müssen wir unsere Angebote nicht an uns sondern an ihnen orientieren. «Marketing-Denken» heisst letztlich, die Beziehungen zu den Kunden – den Menschen - in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen. Dafür müssen wir uns von unserer Innensicht lösen und uns selber, unsere Organisationen, Angebote und Werte von aussen betrachten können. Dieser Perspektivenwechsel ist zwingend, um sich auf seine zukünftigen Kunden einstellen zu können. Und er ist für jede Organisation gesund: Sich aus Sicht des Aussenstehenden zu denken, das hilft gegen Selbstbezogenheit und Betriebsblindheit. Managementmethoden?

Mit dem Leitbild «Menschenkirche» ist viel definiert worden: Ansprüche, Visionen, Angebote. Das war eine grosse Arbeit und die Formulierung dieses Papiers bedeutet viel. Jetzt sollen diese Gedanken in eine konkrete Praxis umgesetzt werden. Auf diesem Weg ist es von entscheidender Bedeutung, strukturiert vorzugehen. Die Gefahr ist gross, sich ob all der guten Ideen und Absichten zu überfordern, oder knappe Ressourcen zu verschleudern. Das moderne Unternehmensmanagement bietet hier Methoden, die Umsetzung strukturiert anzugehen. Denn die Konkurrenz schläft auch im kirchlichen Bereich nicht und der gesellschaftliche Wandel ist rasant. Wenn wir


Die Konkurrenz schläft auch im kirchlichen Bereich nicht und der gesellschaftliche Wandel ist rasant. Wenn wir Management-Methoden anwenden, so achten wir auch auf den Faktor «Zeit» – denn wir haben auch hier nur endlich viel davon.

Management-Methoden anwenden, so achten wir auch auf den Faktor «Zeit» – denn wir haben auch hier nur endlich viel davon. Ausgangslage verstehen und Ziele stecken

Kernelement aller Umsetzungen ist die Strategie, respektive eine Vielzahl an Teilstrategien oder Konzepte. Sie zeigen den Weg, den wir vom Ausgangspunkt bis zum Zielpunkt gehen wollen. Je genauer unsere Ziele und Visionen definiert sind, und je präziser das Verständnis unserer Ausgangslage ist, desto angemessener können wir unsere Vorgehensstrategie planen. Entscheidend ist, ob es uns gelingt, unsere Ist-Situation selbstkritisch und wertschätzend zugleich zu analysieren. Wir sind auf ein realistisches Selbstbild angewiesen, um uns gut gerüstet auf den Weg zu machen. Das Umfeld und den Wandel verstehen

Wenn wir wissen wer wir sind, wo wir stehen, und wohin wir gehen wollen, kommt die nächste grosse Frage: Wie sieht es eigentlich rund um uns herum aus? Wir müssen uns mit der Welt auseinandersetzen, welche die Menschen prägt und formt. Und was prägt das gesellschaftliche Umfeld mehr, als ein rasanter Wandel (siehe Kasten). Soll sich die Kirche davon abschotten, und sich ganz auf den historischen Kern ihrer Mission zurückziehen? Oder soll sie in einen

bewussten Austausch mit der Welt treten, ganz im Bewusstsein, dass sich die Menschen den Einflüssen dieser Welt nie gänzlich entziehen können. Wenn wir über Marketing und Kirche sprechen, so haben wir uns bereits dafür entschieden, uns den Herausforderungen der modernen Welt zu stellen. Zielgruppen eingrenzen

Wenn wir mit unseren Angeboten Menschen erreichen wollen, so wissen wir, dass nicht jedes Angebot bei allen Menschen gleich angenommen wird. Wir richten unser Angebote auf bestimmte Gruppen aus, machen einen Jugendgottesdienst oder einen Altersnachmittag. Wenn wir unsere Angebote weiterentwickeln, so denken wir sie aus Sicht der entsprechenden Zielgruppe. In der Auseinandersetzung mit dem Leitbild «Menschenkirche» haben wir uns zum Beispiel intensiv mit der Gruppe der distanzierten Kirchenmitglieder auseinandergesetzt. Wer sind diese Menschen, welche die kirchlichen Angebote kaum nutzen, in keiner Weise in das kirchliche Leben integriert sind und trotzdem der Kirche treu bleiben? Was wissen wir über diese Gruppe? Gibt es in dieser Gruppe Konstanten, in Bezug zur Beziehung zur Kirche, in Bezug zu Lebensstil und Werten? Wo finden trotz aller Distanziertheit Kontakte statt? Wie könnten wir ihre Wünsche mit neuen Problemlösungen befriedigen? Was können nur wir ihnen bieten? Die Ausein-

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andersetzung mit einer Zielgruppe kann nicht Sache eines einmaligen Workshops sein, sondern bedeutet ein ständiges Genau-Hinsehen und Lernen. Planen, umsetzen, verwerfen, von vorne beginnen

Alles Marketing-Denken nützt aber wenig, wenn wir nicht sowohl bei der Planung wie auch bei der Umsetzung strukturiert und umsichtig vorgehen. Unsere Projekte haben eine gewisse Komplexität und können nicht einfach «freihändig» geführt werden. Unsere Ressourcen sind knapp, was ein sorgfältiges Management von Menschen, Zeit und Finanzen auch auf der Ebene von Kirchgemeinden immer notwendiger macht.

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Und wenn wir nun mit den Umsetzung begonnen haben, Erfahrungen gesammelt haben, Erfolge und Misserfolge erlebt haben, dann beginnt dieser ganze Prozess von vorne. Dann sitzen wir wieder zusammen, schauen wo wir stehen, ob wir an unseren Zielen etwas korrigieren sollen, bauen neu erlerntes ein, planen wieder, schreiben Strategien und Konzepte um - und beginnen von vorne, machen neue Umsetzungsversuche und gehen unseren Weg weiter. Unser Ziel haben wir dabei im Blick: Wir wollen im Austausch mit Menschen lebendig sein, etwas bewirken und unsere Strahlkraft weiter steigern.

Widersprüchlicher gesellschaftlicher Wandel

Unsere Gesellschaft wandelt sich ständig. Grosse gesellschaftliche Veränderungen verlaufen nie linear, sondern lösen immer auch Gegenbewegungen aus. • Unsere Gesellschaft hat sich geöffnet, traditionelle Autoritäten verlieren an Einfluss, Wertewandel und –vielfalt zeichnen die Moderne aus. Viele Gesellschaftsbereiche werden liberalisiert und eine Pluralisierung der Lebensstile wird möglich. «Alles ist nebeneinander möglich.» Dieser gesellschaftliche Aufbruch hat aber in gewissen Segmenten gleichzeitige Retraditionalisierung-Tendenzen ausgelöst. Dies führt zu einem nicht nur sehr pluralen, sondern auch hybriden Gesellschaftsbild. Neben einer Vielzahl an modernen Lebensrealitäten gibt die offene Gesellschaft auch die Möglichkeiten sich in die Enge von «mittelalterlichen Trutzburgen» zurückzuziehen, ja sie provoziert es sogar. • Individualisierung und Flexibilisierung sind in diesem Zusammenhang wichtige Stichworte. Die individuelle Freiheit hat grösste Bedeutung und das bedeutet auch eine Zersetzung traditioneller sozialer Strukturen.


Gleichzeitig finden soziale Neuzusammensetzungen statt und der Wunsch des Individuums nach Sicherheit nimmt zu. • Die Gesellschaft differenziert sich zunehmende aus. Sie muss auf immer neue Problemlösungen neue spezifische Antworten finden. Die Komplexität und die Vernetzung respektive die wechselseitigen Abhängigkeiten und Durchdringungen im Zusammenspiel der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure nehmen zu – und gleichzeitig ist ein steigender Wunsch nach Einfachheit feststellbar. • Die gleiche Widersprüchlichkeit lässt sich auch im Bereich der zunehmenden Mobilität und Globalisierung feststellen. Auch dieser «Megatrend» nährt bei den Menschen auch den Wunsch nach Nähe. • Bildungsexplosion, ungehinderter Informationszugang, rasante technologische Innovationsdynamik sind Stichworte einer Realität. Der wachsende Wunsch nach einem romantischen, emotionalen respektiv spirituellen Ausgleich steht im Widerspruch dazu, bildet aber ebenso eine Realität ab. • Das historisch Einmalige der gegenwärtigen Entwicklung ist wohl das Tempo der

Veränderungen respektive die exponentielle Wachstumskurve. Was die Antithese impliziert: Der Wunsch nach Natürlichkeit, Einfachheit, Ruhe, Zeit und Langsamkeit.

Martin Engel ist Soziologe und Kommunikationsex­ perte in Basel. Er berät, unterstützt und coacht Organisationen in Fragen von Marketing und Kommunikation, er entwickelt Konzepte und Strategien und setzt diese wenn nötig auch um. www.martinengel.ch

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Das Projekt und der Bau Ein Beitrag der Architekten Yves Stump und Hans Schibli

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2007 haben wir mit dem Entwurf «Insieme» den Architekturwettbewerb für das Kirchgemeindehaus wie auch für die nahe liegenden Seniorenwohnungen für uns entscheiden können. Nach einer längeren Pause wurde der Bebauungsplan als politische Grundlage für die Baugenehmigung erarbeitet. Als dann mit der Überarbeitung des Projektes, mit dem Kostenvoranschlag und dem Spatenstich im Dezember 2012 die Realisierungsphase begann wurden wie in fast jedem Bauprojekt die Kosten zum übergeordneten Thema. Wir nennen diesen Prozess design-to-cost: Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft,

den künftigen Nutzern und den Fachplanern gemäss Budget optimiert. Aufgrund der zahlreich besetzten Baukommission gab es naturgemäss sehr viele Inputs, auch verschiedene Ansichten und Meinungen, die unter einen Hut zu bringen waren. Da das Projekt auf einem detaillierten Raumprogramm basierte, änderte sich wenig Grundsätzliches: Die spitze, etwas zu aggressive Ecke des Baus seitens der Niederbergstrasse wurde abgeschwächt und es entstanden die beiden zum Pfarrhaus und neuen Kirchplatz hin orientierten Erker. Zusammen mit den


zenitalen Oberlichtern sorgen diese für eine adäquate, leicht sakrale Stimmung des im Obergeschoss gelegenen Saales. Zudem wurde das gesamte Projekt redimensioniert. Im Wesentlichen jedoch entspricht das Haus dem Grundentwurf – wir können also voll hinter dem Ergebnis stehen – und es wiedergibt v.a. auch unsere städtebauliche Haltung: Das neue Kirchgemeindehaus ist zusammen mit der Kirche von Ernst Gisel und dem Pfarrhaus von Hans Roduner Teil des neuen Ensembles, das sich um den vergrösserten Kirchplatz im Zentrum bildet. Architektonischer Ausdruck im Kontext

Wenn wir uns mit einem Projekt auseinander setzen, entwickeln wir Bilder von der Materialität und vom architektonischen Ausdruck im Kontext: Mit grossflächigen Betonelementen und Verglasungen versuchten wir die bestehende Betonarchitektur von Kirche und Pfarrhaus aufzunehmen, ohne sie zu imitieren. So stellten sich viele interessante Fragen: wie stark sollten sich die Oberflächen aufeinander beziehen bzw. unterscheiden; wie reagiert man auf den Altersunterschied und die schon angesetzte «Patina» des Bestan-

des? Oder welches ist die adäquate, zeitgemässe Konstruktion, bietet doch heute der Baustoff Beton ganz andere Verarbeitungsmöglichkeiten als einst? Zur Material-Thematik hinzu kam die für uns wichtige Differenzierung zwischen dem Kirchgemeindehaus und den Alterswohnungen: Nach zahlreichen Tests, Bemusterungen und Diskussionen mit der Bauherrschaft haben wir uns beim Kirchgemeindehaus für einen naturbelassenen Sichtbeton mit leicht gerillter Textur, bei den Wohnbauten für einen gewaschenen und eingefärbten Beton entschieden. Für den Innenausbau standen weniger «Bilder» im Vordergrund. Viel mehr entwickelten wir diesen im Gespräch mit den Nutzern. Der Saal sollte eher introvertiert und festlich-intim sein. Das Kirchencafé ist viel öffentlicher; es stellt eine neue Art Zugang zur Kirche dar und trägt umgekehrt das Leben der Kirche auf Passantenniveau nach aussen. Der doppelgeschossige, skulpturale Eingangsbereich und die Administration sind weitgehend verglast und stehen für «Kommunikation», und auch der Jugendbereich hat seine ganz eigene, eher «provisorische» Stimmung. So wie Ernst Gisels faszinierendes «Spiel» mit Beton und dem ganz anderen Material Backstein im InnenNächste Doppelseite: Visualisierungen des Bauprojekt durch die Architekten

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bereich der Kirche, wollen wir im Neubau mit Farben und Materialien Zonen differenzieren und eigene, spezifische Stimmungen schaffen. Kirchenarchitektur ist sozio-kulturell

Kirchenarchitektur, zu der auch ein Kirchgemeindehaus gehört, war stets ein wichtiges sozio-kulturelles Thema. Auch Ernst Gisel plante damals ein entsprechendes, ähnlich situiertes Nebengebäude, das aber nie gebaut wurde. Insofern ging es beim neuen Kirchgemeindehaus «Mischeli» nicht nur um den «Dialog» mit dem herausragenden, denkmalgeschützten Bau und dessen eindeutig «codierten» Architektursprache der «Beton brut»-Architektur der 70-er Jahre. Es ging genauso um das «Zwiegespräch» der Nutzungen: Gisels Bau, die Kirche ist der Sakralbau und spirituelle Raum, wohingegen das neue Gebäude den Lebensraum darstellt, entsprechend dem Leitbild der Kirchgemeinde: Sonntagskirche und Alltagskirche.

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Diese im Leitbild gewünschte Lebendigkeit sprachen uns von Beginn der Planung her an. So wurde das Haus aus dem Leben, aus den Bewegungen der Gemeinschaft des Quartiers entwickelt. Die Räumlichkeiten sollen offen und flexibel sein für verschiedenste «Bespielungen» und sich verändernde Bedürfnisse. Dementsprechend freuen wir uns darauf, zu sehen,

wie das Kichgemeindehaus Mischeli angenommen, belebt und bespielt wird von den Nutzenden: Wie beispielsweise das Kirchencafé Stühle rausstellt, wie der neue Kirchenplatz bevölkert wird, wie die Jugendlichen ihren Raum «beschlagnahmen» und ausschmücken oder welche Konzerte, Darbietungen und Feste den grossen Saal «zum Klingen bringen». Yves Stump und Hans Schibli sind Architekten FH/BSA mit Büro in Basel.


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Ausblick und Zukunft Ein Beitrag von Christoph Erhardt

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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entfloh der französische Maler Paul Gauguin der steifen Gesellschaft in Frankreich und hoffte, auf der exotischen Insel Tahiti ein ursprüngliches, sorgenfreies, ja paradiesisches Leben zu finden. Von der Wirklichkeit enttäuscht und ratlos gab er einem seiner letzten grossen Bilder den Titel «Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?», bevor er aus lauter Verzweiflung versuchte, sich mit Arsen das Leben zu nehmen.

nicht ausweichen können. Als Antwort gilt für uns Christen, dass wir Teil von Gottes Schöpfung und seine Kinder sind, dass wir auf Gottes Wort vertrauen und an die gute Botschaft von Jesus Christus glauben. Die vorliegende Schrift vermag deshalb zu erklären und zu schildern, woher wir kamen, wie wir uns verstehen und wie so das Leitbild entstanden ist.

Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Dies sind Grundfragen des Lebens, denen wir

In unserer Zeit ist vieles, zu vieles organisiert, strukturiert und vorgeschrieben. Der Dichter Friedrich

Doch: Wohin gehen wir?


Dürrenmatt hat unser geregeltes Leben sogar als Gefängnis gedeutet. Wohl als Gegensatz dazu gilt viel, sich selbst zu verwirklichen. Selbstbestimmung, Freiheit und Eigenverantwortung sind in Mode, sind aber auch Schlagworte.

moderne Einrichtungen und beste Voraussetzungen für vielfältiges Tun und Leben in unserer Kirchgemeinde. Frau Dr. Könemann ermuntert uns in ihrem Beitrag (vgl. Seite….) zum Besuch Empfangen Accueil), zum Zuhören, Reden und Anteil nehmen (Partage) und zur Gratuieté, das heisst, ohne dafür Rechnung zu stellen. Nutzen wir also unser neues Zentrum so!

Auf sich allein gestellt sein kann zu Einsamkeit und in Krisen führen. Statt Verlassenwerden heisst es zwar modern «Lebensneustart», statt Stellenverlust «Neuorientierung» und statt Verzweiflung «Burn Out». Aber damit tauchen sie wieder auf, die Fragen «Woher komme ich? Wer bin ich?» Wohin gehe ich?». Typisch für unsere Zeit des Individualismus ist dabei die Einzahl «ich» und weniger die Mehrzahl «wir».

Unser neues Gebot könnte darum auch heissen «Gib deinem Nächsten Zeit wie dir selbst». Studien und Untersuchungen zeigen nämlich, dass im Gespräch mit einem vertrauten, nahestehenden Menschen sich am meisten ereignet und verändert, besonders auch im Finden oder wieder Finden des christlichen Glaubens. 1

Der Mensch ist jedoch kein einzeln existierendes Wesen, sondern lebt erst in Gemeinschaft mit Anderen auf. Das ist nicht nur bei Kindern so, auch Erwachsene brauchen Nähe zu vertrauten anderen Menschen, das Reden und Leben mit Anderen. Mitglieder einer christlichen Kirche sind nicht nur für sich selber da, sondern kümmern sich auch um das Schicksal anderer. Vom «ich» führt unser Auftrag und Weg zum «Du» und «wir». Darum hält uns das Leitbild an, einerseits einzuladen, andererseits zu andern hinzugehen, uns um sie zu kümmern, besonders wenn sie Hilfe brauchen. «Wohin gehen wir?» das zeigt uns das Leitbild auf mannigfache Weise auf.

Das neue Kirchgemeindezentrum steht, die Arbeit am Leitbild ist beendet, aber die Arbeit für jeden Einzelnen von uns beginnt jetzt erst richtig. So soll nun in Zukunft noch mehr gelten: Ich will mitmachen, mitwirken und etwas tun. Nur so sind wir stark, nur so lebt das Kirchgemeinde-Zentrum. Oder um mit dem Wort des Soziologen Jean Ziegler zu sprechen: «Der Mensch ist, was er tut». Christoph Erhardt ist Ingenieur ETH und Kirchenrat der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Basellandschaft mit dem Ressort Finanzen.

Mit dem neuen, stattlichen Gebäude gegenüber der Mischeli-Kirche haben wir nun wunderbare Räume, Folgende Doppelseite: Die fertigen Räume – bereit zur Belebung

«Wie finden Erwachsene zum Glauben?» Studie des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Ernst‐ Moritz‐Arndt‐Universität, Greifswald 2010 1

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Oben: Foyer(Eingangsbereich

Oben: Küche des Kirchencafé, Unten: Kirchencafé

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Oben: Grosser Saal mit Oberlichtern und Erkern zum Kirchplatz

Oben: Unterrichtzimmer/Kleiner Saal, Unten: Jugendbereich

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