Zwischenstadt

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ZWISCHENSTADT











ZWISCHENSTADT Frederike Wetzels













































































ZWISCHENSTADT Prof. em. Thomas Sieverts

Die Zwischenstadt ist der Raum zwischen den alten historischen Stadtkernen und der offenen Landschaft, zwischen dem Ort als Lebensraum und den Nicht - Orten der Raumüberwindung, zwischen den kleinen örtlichen Wirtschaftskreisläufen und der Abhängigkeit vom Weltmarkt.

Längst lebt und arbeitet mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland in so genannten Zwischenstädten, die man weder als Stadt noch als Land bezeichnen kann, auf die aber auch der Begriff Vorort nicht mehr zutrifft. Besonders ausgeprägt ist diese Stadtform in Gegenden, wo Städte über ihre in das Umland ausgreifende Ausdehnung zusammenwachsen zu einer Ansammlung von Stadtfeldern, am deutlichsten aber dort, wo die historischen stadtbildenden Kräfte gar nicht erst zur Wirkung kamen, wie z.B. im Ruhrgebiet oder in den Metropolen der dritten Welt. Es ist eine auf den ersten Blick diffuse, ungeordnete Struktur verschiedener Stadtfelder, die insgesamt planlos wirkt, aber aus unzähligen – jeweils für sich genommenen – rationalen Einzelentscheidungen entstanden ist. Die zersiedelte Landschaft konstituiert sich aus einzelnen Inseln ohne eindeutige Mitte, dafür jedoch aus vielen mehr oder weniger stark funktional spezialisierten Bereichen, Netzen und Knoten: Gewerbegebiete in der erstaunlichsten Mischung aus tatsächlichen Werkstätten, aber auch Einfamilienhäuser, aufgegebene Hallen und Schuppen; moderne Bürokomplexe und Brachflächen, Sportanlagen und Billigmärkte. Dazu Hotels, Krankenhäuser, Reste von Land-


wirtschaft, Gehölze und Gewässer; Fernleitungen, Autobahnen, alte Gleise und Dämme. Durch das derart unverbundene Nebeneinander in Funktion, Maßstab und Nutzung ganz unterschiedlicher Elemente gestaltet sich die Zwischenstadt als eine heterogene Landschaft, die ihren Bewohnern trotz der fast vollständig menschengemachten Materialität auch als etwas Fremdes, Anderes und Unverfügbares gegenübertritt, dessen Gestalt sich nicht mehr als Ganzes bestimmen lässt. Die Heterogenität dieser Stadtlandschaft zeichnet sich jedoch nicht nur durch eine spezielle „entfremdende“ Anästhetik des Raumes aus, die sich exemplarischen Bildern entzieht, sondern bedeutet auch einen drohenden Verlust von Heimatorten als ortsgebunden und ganzheitlich erfahrener Lebenswelt. So gliedert sich heute nicht nur die Landschaft, sondern auch das Alltagsleben ihrer Bewohner in räumliche und zeitliche „Inseln“ mit spezialisierten Funktionen, die untereinander über Verkehrswege verbunden sind, die selber meist keine Lebensqualität vermitteln können, sondern zu einer Zerstückelung von Lebensraum und Lebenszeit führen. Die Zwischenstadt ist gleichermaßen Teil wie Instrument dieser Auflösung des gesellschaftlichen Ortsbezugs, der seit den 60er Jahren zugunsten einer Trennung und Spezialisierung zur betriebswirtschaftlichen und technischen Maximierung vieler Einrichtungen stattgefunden hat. Wesentlich für die Entstehung der Zwischenstadt waren dabei drei elementare Entwicklungen des letzten Jahrhunderts: Wachsende globale Konkurrenz mit der Folge der Konzentration führte – in Verbindung mit der sich spezialisierenden Arbeitsteilung – zu immer größeren Einheiten, die in der alten traditionellen Stadt weder Platz fanden noch erschlossen werden konnten, die aber auch die Alte Stadt nicht mehr benötigten. Wachsender Wohlstand führte zu einer Verdreifachung der Wohnfläche und zu einer Verdoppelung der frei verfügbaren Zeit pro Einwohner, für beides gab es in der Alten Stadt keinen Spielraum. Bei der Suche nach einem Wohnstandort mit erweiterten Wohnmöglichkeiten bemühten sich viele Haushalte, im Rahmen ihres Budgets drei Ziele miteinander zu verbinden: Nähe zu Natur und offener Landschaft für die Freizeit, Versorgung mit täglichen Dienstleistungen (z.B. Einkaufen, Schule, Ärzte) und Zugang zum regionalen Verkehrsnetz zur Erschließung des regionalen Arbeitsmarktes. Eine weitere Voraussetzung für die Entstehung der Stadtlandschaft der Zwischenstadt war die schnelle Verbreitung des Autos als überall verfügbares Verkehrsmittel, das eine beliebige Erschließung in der gesamten Fläche ermöglichte. Das Resultat ist die typische netzförmige Erschließungsstruktur und die Verteilung hochspezialisierter Funktionen auf je unterschiedliche Zentren, die jeweils ihren eigenen ökonomischen „Gesetzmäßigkeiten“ der Erreichbarkeit und ihrer Einzugsgebiete entsprechend an unterschiedlichen Standorten liegen, die jedoch den Nicht-Autofahrer – auch in unserer hochmotorisierten Gesellschaft, mehr als die Hälfte


der Bevölkerung – mangels eines häufig genug verkehrenden öffentlichen Nahverkehrsmittels von einer selbstbestimmten Nutzung der Zwischenstadt ausschließen. Bei der Ungewissheit der globalisierten Wirtschaftsentwicklung werden außerdem zwei dieser drei Voraussetzungen in Zukunft wahrscheinlich nur noch eingeschränkt gelten: Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Wohlstand in Zukunft noch – wie aus den letzten Jahrzehnten gewohnt – so weiterwachsen wird wie bisher. Man wird mit Einbußen an materiellem Wohlstand rechnen müssen. Und es ist eher wahrscheinlich, dass sich mit dem Versiegen der fossilen Energiequellen die Automobilität grundsätzlich ändern wird. Damit werden sich auch die Stadtformen wieder grundlegend ändern – aber niemand kann bisher voraussagen, wie! Sicher ist nur, dass gerade die Stadtlandschaft von diesem Wandel besonders betroffen sein wird, umso wichtiger ist demnach eine vertiefte Beschäftigung mit dieser jungen Stadtform! Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit von Frederike Wetzels von besonderer Bedeutung, denn die anfangs genannte Bildlosigkeit dieser Stadtform hat gesellschaftliche und politische Folgen: Ihre Bildlosigkeit entspricht einer Nichtwahrnehmung; und etwas, das nicht wahrgenommen wird, wird nicht zum Gegenstand des gesellschaftlichen Diskurses und auch nicht zum Gegenstand der Erinnerung. So kommt die Zwischenstadt trotz ihrer großen quantitativen Bedeutung nicht als Gegenstand einer öffentlichen Planungsdebatte vor. Diese dreht sich auch heute noch überwiegend um die historischen Stadtzentren, obwohl diese nur einen kleinen Bruchteil der neuen Stadtformen einnehmen. Die Fotografien von Frederike Wetzels dienen in diesem Kontext einer veränderten, aktivierenden Wahrnehmung und damit auch politischen Aneignung der Zwischenstadt. Denn auch die Systeme der großen Verkehrswege mit den Knoten der Bahnhöfe, Tankstellen, Raststätten, Einkaufszentren und Verteileranlagen, die die Wahrnehmung der Zwischenstadt in weiten Teilen beherrschen, müssen endlich als große Gestaltungsaufgabe begriffen werden. Im Zeitalter der elektronischen, digitalisierten Medien, die die Welt nur am Bildschirm zeigen, und einer übermächtigen anästhetischen Realität müssen sinnlich und emotional erfahrbare und begreifbare Gegenwelten geschaffen werden. Es sollte daher als eine besondere europäische Aufgabe angesehen werden, aus diesem städtebaulichen Erbe wieder ganzheitliche Lebensfelder zu schaffen!



NACHWORT Fabian Heitzhausen

„Alle Städte aber sind Ideen. Sie erschaffen sich selbst, und die Welt nimmt sie nach Belieben wahr oder ignoriert sie.“ - Jonathan Franzen

1 Sieverts, Thomas: Zwischenstadt. Zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land. Birkhäuser Verlag, Basel 2008, S. 7 2 van de Camp, Gert; Dekker, André; Reutlingsperger, Ruud: Stillstand, was bedeutet das für den homo mobilis? In: Kornhardt, Dieter; Pütz, Gabrielle; Schröder, Thies (Hrsg.): Stadt schafft Landschaft. Junius, Hamburg 2002, S. 150 3 Prigge, Walter: Vier Fragen zur Auflösung der Städte. In: Prigge, Walter (Hrsg.): Peripherie ist überall. Campus Verlag, Frankfurt am Main, New York 1998, S. 7 4 Hauser, Susanne: Anästhesie und Lesbarkeit. In: Bölling, Lars; Sieverts, Thomas: Mitten am Rand - Auf dem Weg von der Vorstadt über die Zwischenstadt zur regionalen Stadtlandschaft. Verlag Müller + Busmann KG, Wuppertal 2004, S. 206 5 ebd.

Was aber, wenn der Raum, den der Begriff „Zwischenstadt“1 umschreibt, keiner Idee folgt? Sondern sich aus voneinander unabhängigen Einzelentscheidungen zu einem System der „Nicht - Verbundenheit“2 konstituiert und sich außer der„Logik einer ökonomischen Standortpolitik“3 nichts feststellen lässt? Oder die Zwischenstadt als ein heterogenes Gebilde als Betrachtungsgegenstand erst gar nicht in Frage kommt, weil der Zugang zu dieser Stadtform nur über ein Netz von Verkehrsinfrastrukturen möglich ist? Sich der Raum daraus folgend aus Bewegungsformen und Geschwindigkeiten definiert und nur die Erfahrung des Fahrens4 nicht aber die des Ortes bleibt? Frederike Wetzels macht die Zwischenstadt und die ihr spezifische Anästhetik5 zum Thema ihres fotografischen Blicks. Für ihre Annäherung an diese neue Form zivilisatorisch geprägter Landschaft benutzt sie unterschiedliche Bildsprachen, die sich innerhalb ihrer Arbeit zu einem heterogenen Bilderkomplex verweben. Das Buch wird durch vollformatige schwarzweiße Fotografien umrahmt. Die darauf abgebildeten nächtlichen Straßenszenen werden durch starke Unterbelichtung zu mächtigen schwarzen Flächen, die nur vereinzelt durch Streifen und Lichtflecke unterbrochen werden. Straßenlaternen, Autoscheinwerfer und angestrahlte Schilder wirken wie Fragmente einer geometrischen Welt, die


keinen Bezug mehr zueinander zu haben scheinen. Nur der Betrachter vermag es den Hauch an Information zu verbinden. Das eigentlich Indexikalische des Lichtscheins ist so auf Form reduziert, dass eine Entschlüsselung der Bildwelt nur durch die räumliche Anordnung der Lichter auf dem Blatt und ein extrem konventionalisierter Blick Abbilder entstehen lassen. Die Bilder beschreiben demnach eine Welt, die aus nichts zu bestehen scheint, außer dem uns ubiquitär umgebenden Transitraum Straße und dem Blick selbst. Erst angezogen von den klaren geometrischen Formen und dann auf die eigene kontextualisierte Wahrnehmung zurückgeworfen, findet sich der Betrachter in einer Darstellung, die die Frage aufwirft, wo das Hier eigentlich ist und wie es in Erscheinung tritt.

6 Hauser, Susanne: Anästhesie und Lesbarkeit. In: Bölling, Lars; Sieverts, Thomas: Mitten am Rand - Auf dem Weg von der Vorstadt über die Zwischenstadt zur regionalen Stadtlandschaft. Verlag Müller + Busmann KG, Wuppertal 2004, S. 206

Die erste Landschaftsdarstellung blendet. Nicht nur der starke Helligkeitsunterschied der 32,3 x 26 cm großen Bilder im Vergleich zu den schwarzen Flächen, sondern auch die hohe Informationsdichte und präzise Schärfe fallen auf. Plötzlich dieser Überblick, ist der erste Eindruck. Doch je weiter man blättert, desto deutlicher wird, dass die Frage nach dem spezifischen Hier unbeantwortet bleibt. Es entsteht das Gefühl, jede dieser Fotografien könnte an vielen möglichen Orten aufgenommen sein und gleichzeitig aber ist das jeweilig Abgebildete Mittelpunkt eines bewussten Interesses. Weder Standpunkt, Blickwinkel noch Motivwahl sind beliebig. Frederike Wetzels Fotografien bewegen sich in diesem kontradiktorischen Spannungsfeld zwischen Achtsamkeit und einer Austauschbarkeit, die aus dem Wesen der Zwischenstadt abgeleitet ist. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf eine alltägliche Umgebung, ohne in ihr das Ungewöhnliche oder das Aufregende zu forcieren. Mit einer pointierten Ästhetik des Unscheinbaren eröffnet sie dem Betrachter eine Bildwelt, die sowohl die Besonderheiten als auch die Gleichheiten der Zwischenstadt fassen kann. In ihren sorgfältigen und zurückhaltenden Bildern findet das Komplexe, das Heterogene sowie das Eintönige dieser Landschaft einen Platz. Neubausiedlungen zwischen den Lärmschutzwällen einer Autobahn und der offenen Landschaft, Konzernzentralen umgeben von Brachflächen ehemaliger Industrieareale, Regenrückhaltebecken und Bauerwartungsland, Acker am Rande eines Gewerbegebietes, Wohnanlagen des sozialen Wohnungsbaus inmitten eines Moores. Ein Nebeneinander unterschiedlichster Elemente ohne sichtbaren Bezug zueinander. Einzig Strommasten, Straßen und Wege, Parkplätze und Autos treten als verbindende Bildgegenstände regelmäßig auf und spielen als Infrastrukturen nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch in ihren Funktionen eine wichtige Rolle im zwischenstädtischen Raum. Denn „der Raum wird in und auf ihnen, über sie „erfahren“ und konstituiert als Raum aus überlagerten Netzen. In diesen Netzen fungieren einzelne Orte als anziehende und konzentrierte Knotenpunkte, als Ziele, die die Bewegung zum vorläufigen Stillstand bringen.“6


Dieses rhizomatische Denken findet sich auch in der Herangehensweise wieder, mit der Frederike Wetzels die unterschiedlichen monospezialisierten Zentren zeigt, die nicht nur die Zwischenlandschaft als Knotenpunkte aufspannen, sondern sich auch in Gestalt einer übergeordneten Netzstruktur über das Buch verteilen. Immer wieder tauchen kleine grell-bunte, stark schemenhafte Bilder auf, die sich beim genauen Betrachten als anonyme Orte des Konsums identifizieren lassen. Leuchtende Supermärkte, Empfangshallen, Kantinen und Einkaufszentren, die trotz ihrer extrem vereinfachten Darstellung ein Gefühl von Wiedererkennen entstehen lassen. In ihrer starken Farbigkeit bestechen und überfordern sie zugleich. Sie versetzten den Betrachter in eine Wahrnehmung, die nicht in der Lage ist, zwischen Informationsfülle und Detailmenge zu unterscheiden. Die architektonischen Elemente der Innenräume werden durch die Handykamera, die Frederike Wetzels benutzt, um diese „Orte des Ortlosen“7 zu erfassen, zu einfachsten quadratischen Flächen und Farben. Menschen werden zu diffusen identitätslosen Körpern und jede Interaktion zwischen dem Subjekt und seiner Umwelt scheint unmöglich.

7 Augé, Marc: Nicht-Orte. Becksche Reihe. Beck Verlag, München 2010, S. 146 8 Welsch, Wolfgang: Ästhetisches Denken. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1990, S. 10

Frederike Wetzels Bildgegenstand ist die Zwischenstadt, deren differentia specifica zu anderen Landschafts- oder Stadtformen ist, sich einem Betrachtungsmuster zu verweigern. Im Gegensatz zum urbanen Stadtkern oder der idyllisch gezeichneten Kulturlandschaft gibt es von der Zwischenstadt keine explizite Vorstellung. Sie steht damit vor dem vermeintlichen Paradoxon etwas abzubilden, das sich dadurch auszeichnet, dass es kein homogenes Bild abgibt. Ein visuelles Erfassen der Zwischenstadt wird durch die spezielle Anästhetik dieses Raumes erschwert, die als „Kehrseite der Ästhetik“ jenen Zustand beschreibt, „wo die Elementarbindung des Ästhetischen – die Empfindungsfähigkeit – aufgehoben ist.“ Anästhetik problematisiert „die Empfindungslosigkeit – im Sinn eines Verlusts, einer Unterbindung oder der Unmöglichkeit von Sensibilität, und auch dies auf allen Niveaus: von der physischen Stumpfheit bis zur geistigen Blindheit.“8 Dieser Schwierigkeit entgegnet Frederike Wetzels auf konzeptuelle und visuelle Weise. Einerseits konzeptuell durch ihren ungewöhnlichen Bilderkomplex, der durch die verschiedenen Bildsprachen den Betrachter dazu auffordert, die eigene Wahrnehmung zu reflektieren und gleichzeitig dabei ein aufmerksames Sehen der neuartigen menschengemachten Landschaft ermöglicht. Auf diese Art und Weise wird das Verhältnis von Zwischenstadt und der in ihr stattfindenden Wahrnehmung beziehungsweise ihre Unsichtbarkeit thematisiert. Andererseits überwindet sie das Problem der Nicht-Wahrnehmung jener Räume visuell durch ihre sensiblen Bildkompositionen, die nicht nur das schwer Erfassbare – als Darstellung eines abstrakten ästhetischen Problems – sichtbar machen, sondern das verhandeln, was an diesen Orten aufzufinden ist. Ihr differenzierter


und distanzierter Blick nimmt dabei jeden Aspekt des Vorgefundenen wahr. Ein weiterer Aspekt, den die Arbeit von Frederike Wetzels aufgreift, betrifft die Zwischenstadt als Agglomeration im Spannungsfeld von globaler wirtschaftlicher Verflechtung und der direkten lokalen Manifestation in eben dieser Landschaft, die im Zusammenhang neoklassischer Theorien gedeutet wird, „in deren Modellannahmen der Raum einen neutralen Behälter darstellt und allenfalls als Hindernis bei der Raumüberwindung wahrgenommen wird, so wurde weitestgehend staatliche Abstinenz hinsichtlich einer Korrektur der räumlichen Entwicklung verlangt, weil sich eine optimale Verteilung der Produktionsfaktoren als Ergebnis der Marktprozesse von selbst ergebe.“9 Mensch und Ort sind unter diesen Voraussetzungen nur Faktoren einer sozioökonomischen Rechnung, die es nicht schafft, der Zwischenstadt als Lebensraum, Ort der Kultur und sozialer wie individueller Beziehungen gerecht zu werden. Ortsspezifische Geschichte, individuelle Bedürfnisse und ihre wechselseitigen Verknüpfungen finden keinen Platz innerhalb dieser Theorien. Die Fotografien von Frederike Wetzels und der in den Bildern vereinzelt auftauchende Mensch bilden dadurch einen Kontrapunkt, dass die Orte immer wieder als von Menschen benutzt gezeigt werden. Eine der Fotografien zeigt beispielsweise eine Person, die mit dem Rücken zum Betrachter auf einer Brücke einer Grünanlage zwischen neuerbauten Siedlungsfeldern steht und in die Ferne blickt. In Anlehnung an die Landschaftsgemälde von Caspar David Friedrich zeugt die Person von einer Entfremdung und Distanz zur Landschaft und vermittelt zwischen Bildwelt und Betrachter. Durch die Rolle des Beobachters, Nutzers und Bewohners dieser Landschaften wird die Voraussetzung für ein Denken gebildet, das die Zwischenstadt auch als Lebensraum erfasst. Frederike Wetzels zeigt in ihrem Buch „Zwischenstadt“ eine neue Art menschengeformter Landschaft auf eindringlichste Weise. Ihr fotografischer Blick schafft es jedem Aspekt der Zwischenstadt aufmerksam und sensibel zu begegnen, ohne dabei den sozialen und global - ökonomischen Zusammenhang aus den Augen zu verlieren. In dem Spannungsfeld zwischen dokumentarischer Abbildung und konzeptueller Vorgehensweise entsteht ein Bilderkomplex, der die Wahrnehmung im Bezug auf diese übersehene Landschaft schärft und zugleich eine notwendige Position zur Zwischenstadt bezieht.

9 Häussermann, Hartmut: Ökonomie und Politik in alten Industrieregionen Europas. Probleme der Stadt- und Regionalentwicklung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Birkhäuser, Basel 1992, S. 11



Fotografie und Konzept: Frederike Wetzels Buchgestaltung: Frederike Wetzels Betreuung: Prof. Susanne Brügger Prof. Sabine an Huef Kai Jünemann Texte: Prof. em. Thomas Sieverts Fabian Heitzhausen Druckerei: Druckverlag Kettler GmbH, Bönen © 2011 Frederike Wetzels











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