Digitalisierungsvorhaben sind Organisationsentwicklungsprojekte

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Digitalisierungsvorhaben sind

Organisationsentwicklungsprojekte

Gelingensfaktoren für die

Begleitung von Veränderungsprozessen

Digitalisierungsvorhaben sind

Organisationsentwicklungsprojekte

Impulse aus dem Veränderungsmanagement für die erfolgreicheUmsetzungvonDigitalisierungsvorhabenin deröffentlichenVerwaltung

Interne Digitalisierungsprojekte gehören derzeit zu den wichtigsten Motoren der Transformation der öffentlichen Verwaltung. Digitale Verfahren sind dabei nicht nur ein neues Werkzeug, derer sich die öffentliche Verwaltung intern zur Erledigung ihrer Aufgaben bedient. Sie verändern in der Regel die Aufbau- und Ablauforganisation in den Behörden und Einrichtungen. Dabei liegen sie häufig quer zu den üblichen Hierarchien.SieführenzurStandardisierungvonAbläufenundProzessen z.B. bei Einrichtungen mit vielen Standorten, die bisher relativ eigenständig ihre internen Prozesse gestalten konnten. Gleichzeitig erfordern sie nicht nur in der Entwicklungs-, sondern auch in der Anwendungsphase neue Arbeits- und Verhaltensweisen bei der Erledigung von Aufgaben. Sie brauchen neue Kompetenzen, hinterfragen traditionelle bürokratische Konzepte von „Zuständigkeiten“ oder „Entscheidungsfindung“ und ganz nebenbei verändern sie auch das Kompetenzprofil der öffentlichen Verwaltung: Ohne IT-Fachkompetenzen ist eine erfolgreiche öffentliche Verwaltung nicht mehr denkbar.

Kurz: Jedes Digitalisierungsprojekt, welches innerhalb der Verwaltung initiiert wird, ist im Grunde ein Organisationsveränderungsprojekt, welches durch Technologie angeschoben wird, aber eben auch der Logik von Veränderungsprozessen von Organisationen unterliegt. Diese Logik erfordert die Identifizierung von Strukturen und Abläufen, die für die UmsetzungvonDigitalisierungsvorhabenförderlichsind,undsieerfordert den Fokus und die Beteiligung der Betroffenen dieser Vorhaben. Sie werdendiejenigensein,diekonstantdiejeweiligenAufgabenderBehörde oderEinrichtungerledigenmüssen–währendderEntwicklungsphaseund nach Einführung der neuen digitalen Lösung. In dieser Rolle sind sie Expertinnen und Experten für ihre Aufgaben und die Entwicklungspotentiale der Organisation und Lernende zugleich und alssolche sollten sie in diesen „Organisationsveränderungsprojekten mit IT-Anteil“ auch mitwirken können.

DahintersteckteinhoherAnspruchfürdieSteuerungundBegleitungvon IT-Vorhaben. Gleichzeitig wissen wir, dass viele Organisationsveränderungsprojekte daran scheitern, dass diese organisationalen und sozialen Herausforderungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der wichtigste Punkt vorab: Widerstand gegen Veränderung ist normal. Sowohl individuell als auch organisational. Das „never touch a running system“ ist die organisationale Entsprechung des individuellen „Das haben wir schon immer so gemacht“. Was steht hinter diesen Sätzen? Eine Organisation und Menschen, die wissen,wiemanProblemebishererfolgreichgelösthatunddiesichdabei daran orientieren, was in den formalen Regeln zur Aufgabenerledigung festgeschrieben wurde. Jeder Widerstand im Projekt ist also eine Einladung darüber nachzudenken, wofür es bisher gut war, eine Aufgabe genau so und nicht anders zu erledigen. Eine Einladung dazu, die formalen Regelungen zu prüfen, welche dem Organisationsentwicklungsprojekt möglicherweise im Wege stehen, sie zu ändern, die handelnden Akteure dabei zu unterstützen, ihre Expertise einzubringen undsiealsLernendedabeizuunterstützen,mitdenneuenAnforderungen zurecht zu kommen.

Das Veränderungsmanagement gibt Impulse, wie man diese komplexen Herausforderungen systematisch berücksichtigen kann. Der Ansatz des Projektmanagements von Digitalisierungsvorhaben (klassisch oder agil) und der Ansatz des Veränderungsmanagements sollten zusammengedacht werden, um die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung weiter voranzubringen. Ihr Team vom CCO berät Sie gern dazu und unterstützt dabei, diese Impulse in Ihren Projekten mit Leben zufüllen.

1.Veränderungsprojekte brauchen Dringlichkeit und Veränderungsbereitschaft

Erfolgreiches Veränderungsmanagement betont die Dringlichkeit anstehender Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung – zu Beginn des Projektes und fortlaufend. Das kann über den Verweis auf gesetzliche Rahmenbedingungen und Beschlüsse geschehen, oder mit Verweis auf die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Staates, z.B. vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der zunehmenden Zahl an Aufgaben, die die öffentliche Verwaltung zu erledigen hat. Dazu gehört auch, die Chancen und Gewinne des Digitalisierungsprojektes für diejenigen aufzuzeigen, die an der Entwicklung beteiligt sind oder die das neue digitalisierte Verfahren künftig anwenden sollen. Gleichzeitig ist Ehrlichkeit gefragt: Digitalisierungsprojekte brauchen in der Entwicklung zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen und in der Regel laufen sie neben dem Alltagsgeschäft. Zur Dringlichkeit gehört auch, transparent zu kommunizieren, dass Digitalisierungsvorhaben als Organisationsentwicklungsprojekte begriffen werden! Diese Ehrlichkeit braucht es, um Veränderungsbereitschaft bei allen Beteiligten und Stakeholdern zu erzeugen und über den gesamten Prozess hinweg aufrecht zu erhalten. Ehrlichkeit beginnt mit partizipativer Analyse: Entdecken Sie in Ihrem Team,mitwelchenStärkenSiedieseHerausforderungenangehenunddie Chancen heben können und welche Schwächen und strukturellen Hindernisse Sie wie bearbeiten müssen.

Abbildung 1: SWOT-Analyse, Methode zur Identifikation der Stärken, Schwächen, Chancen und RisikeneinerOrganisationseinheit,kannbeiderEtablierungeinerFührungskoalitionundbeider ErstellungeinerVisiongenutztwerden(eigeneDarstellung)

2.Veränderungsprojekte brauchen eine Führungskoalition und Leadership

Veränderungsprojekte brauchen gute Führung, auch und gerade in Bezug auf die Organisationsveränderung und die Einbeziehung der betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Die wichtigste Botschaft lautet hier: Die Führungsebene steht geschlossen hinter dem Projekt und hinter den damit verbundenen Veränderungen in der Organisation und setzt z.B. bewusst auf eine enge Verbindung zwischen Organisations- und IT-Einheit.

Eine glaubwürdige Führungskoalition besteht am besten aus einem interdisziplinären Team vonStakeholdern, welches denWandel nicht nur fachlich, sondern auch prozessorientiert und menschenzentriert begleitet. Kompetenzen im Change- und Projektmanagement sind von zentraler Bedeutung, um sowohl die strukturellen als auch die psychologischen Aspekte der Veränderung zu steuern. Die Glaubwürdigkeit der Führungskoalition spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Mitglieder müssen Vorbilder für den angestrebten Wandel sein und ein gemeinsames Verständnis von Veränderung als sozialem Prozess teilen.

Diese Art von Leadership als Kunst, Menschen für eine Veränderung zu motivieren, ist auch an weiteren Stellen des Veränderungsprozesses gefragt. Hier sind insbesondere die Führungskräfte im mittleren Managementgefordert,dennsiemüssenbeidhändigagieren:Siemüssen dafür sorgen, dass das Tagesgeschäft erledigt wird und sie müssen ihre Kolleginnen und Kollegen ermutigen, ihre Expertise und ihre Arbeitskraft auch in das Digitalisierungsprojekt einzubringen. Ohne diese Brücke zur Fachlichkeit können Digitalisierungsprojekte am Ende nur scheitern. Dementsprechend gilt es, diese Führungskräfte auch entsprechend zu unterstützen, z.B. durch Weiterbildung oder Coaching oder agile Austauschformate mit anderen Führungskräften.

In Phasen, in denen es darum geht, Mitarbeitende zu befähigen, spielen Multiplikatoren eine entscheidende Rolle. Diese Personen sollten sowohl das Interesse als auch die Befähigung haben, andere zu motivieren und speziell zu den neuen Anforderungen, wie dem Umgang mit neuer Software, ausgebildet sein. Wichtig ist, dass diese Multiplikatoren legitimiert sind, ihr Wissen weiterzugeben und dass sie sich untereinander austauschen können, um ihre Erfahrungen zu reflektieren und in den Change-Prozess zurückzuspiegeln.

Bedeutend ist in jedem Fall: Jedes Mitglied der Führungskoalition sollte als Promotor für das Digitalisierungsprojekt und die damit verbundene Organisationsveränderung sichtbar sein!

Abbildung2:Stakeholderanalyse,(eigeneDarstellung)

3. Veränderungsprojekte brauchen ein attraktives Zukunftsbild undOrientierungimProzess

Die Erarbeitung eines attraktiven Zukunftsbildes odereinerVisionisteinewesentlicheersteAufgabe der gemeinsamen Führungskoalition. Diese Vision, welche mit einem Digitalisierungsprojekt verbunden ist, geht über die technische Seite weit hinaus. Digitalisierte Verwaltungsverfahren bedeuten: Eine neue Art des Arbeitens in der jeweiligen Verwaltungseinheit, neue Abläufe, geänderte Verantwortlichkeiten. Ein attraktives Zukunftsbild muss eine Vorstellung davon vermitteln, wie die anstehenden Aufgaben mit dem digitalisierten Verwaltungsverfahren künftig besser erfüllt werden können.

Dabei geht es um weit mehr als eine Zusammenstellung von Fakten, Begründungen und SMARTen Zielen.

Das Zukunftsbild soll alle Stakeholder emotional ansprechen und ihnen eine glaubwürdige und motivierende Antwort vermitteln, warum der Wandelnotwendig istundwohinerführensoll.ZweiwesentlicheFragen sollten mit der Vision beantwortbar sein: „Wo wollen wir hin?“ und „Wofür tun wir das?“ und die Antwort sollte sein: vorstellbar kurz und knapp erstrebenswert bildhaft und visualisiert emotional ansprechend in wenigen Minuten erklärt.

Damit diese Vision greifbar und wirksam ist, muss sie auf die spezifischen Belange der jeweiligen Verwaltung oder Organisationseinheit zugeschnitten sein.

So kann das Zukunftsbild drei zentrale Funktionen im Projektverlauf übernehmen: Es hilft, die Handlungen aller Beteiligten auszurichten. Es lässt unpassende Handlungen oder Entscheidungen schneller erkennbar werden und es bietet permanente Orientierung im Arbeitsalltag. Warum es emotional ansprechend sein muss? Weil Zahlen, Daten und Fakten wenig Motivationskraft haben, gute Geschichten schon. Und weil erfolgreicheDigitalisierungsprojekteKolleginnen undKollegen brauchen, die bereit sind, sich selbst und ihre Arbeitsweise zu verändern. Eine gute Vision bietet eine Antwort auf die Frage „Warum sollten wir uns denn verändern? Wir haben das bisher doch immer ganz anders gemacht!“

4.Veränderungsprojekte brauchen die Beseitigung struktureller Hindernisse

Strukturelle Hindernisse entfalten die stärkste Bremskraft in Veränderungsprojekten, deutlich stärker als einzelne widerständige oder scheinbar unwillige Kolleginnen und Kollegen. Verwaltungsstrukturen geben sehr eindeutig Handlungsabläufe vor, die Verwaltungskultur ist stark legalistisch geprägt, alles Handeln steht – auch in Bezug auf die interne Verwaltungsorganisation – unter dem Vorbehalt von formalen Regelungen. Nun sind Digitalisierungsprojekte per se Transformationsprojekte und als solche nicht bis ins Kleinste formal regelbar. Das heißt: Sie stoßen mit der ihnen innewohnenden Logik an Grenzen. Prozessorientierung, Standardisierungsbedarfe, agile Projektlogik oder iterative Entwicklungen seien nur beispielhaft genannt.

Ein sehr typisches Hindernis von Organisationsentwicklungsprojekten durch Digitalisierungsvorhaben ist das schwierige Zusammenspiel zwischen traditionellen hierarchischen Strukturen und (agilen) Projektstrukturen, die für Digitalisierungsvorhaben typisch sind. Das kann sich darin äußern,dassProjektleiterinnenundProjektleiter zwar das Digitalisierungsprojekt leiten sollen, aber die Prokura für Entscheidungen bis in Einzelheiten bei der Führungskraft in der hierarchischen Struktur verbleibt. Das Projekt gerät so ins Stocken. Zweierlei ist notwendig: Die Führungskoalition muss die betroffenen Führungskräfte an der Vision teilhaben lassen und sie müssen lernen, Dinge, die bisher in der eigenen Entscheidungsmacht lagen, an die Projekte zu übertragen. Loslassen!

Die traditionellen Silostrukturen innerhalb der Verwaltung behindern auchdiecrossfunktionale,bzw.interdisziplinäreZusammenarbeit,diefür agile Arbeitsweisen in Projekten unerlässlich ist.

Entscheidende strukturelle Hindernisse ergeben sich natürlich ganz wesentlich durch mangelnde Ressourcen, die an der angestrebten Vision ausgerichtet sind.

Um mit solchen strukturellen Hindernissen umzugehen, bietet die aktuelle Forschung wertvolle Hinweise. Eine Studie von Metaplan (2024) zur digitalen Transformation der Bundesministerien hebt sechs Lösungsansätze hervor, die auch auf andere Verwaltungen übertragbar sind.

Erstens empfiehlt sie, die Etablierung einer verbindlichen gemeinsamen

Projektlogik für ressortübergreifende Digitalisierungsprojekte mit entsprechendenEntscheidungskompetenzen.DasschafftklareStrukturen und fördert die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg.

Zweitens sollten Personalprozesse an die Anforderungen der digitalen Transformation angepasst werden, um das notwendige Know-how und die Flexibilität im Personalwesen sicherzustellen. Das betrifft sowohl die Neueinstellungen als auch die Weiterbildung des Personals: Weiterbildungen dürfen nicht mehr als Belohnung gesehen werden. Sie sind in der digitalen Transformation dringend notwendig und sollten arbeitsbegleitend möglich sein.

Drittens sollte die Haushaltslogik Spielräume für die spezifische Rationalität von Digitalisierungsprojekten bieten. Es braucht finanzielle Spielräume,uminnovativeundlangfristigwirkendeEntwicklungsprojekte zu unterstützen.

Die vierte Empfehlung bezieht sich auf die Stärkung der Beteiligungsführung, um die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben effizienter zu gestalten. Dies könnte durch klar definierte Entscheidungsprozesse und Beteiligungsformate geschehen.

Aufträge zur Umsetzung von Verwaltungsdigitalisierungen sollten möglichst Inhouse vergeben werden, damit die Expertise in der Organisation bleibt und ein nachhaltiger Wissensaufbau gefördert werden kann.

5.Veränderungsprojekte brauchen eine kontinuierliche Veränderungskommunikation

Erfolgreiche Veränderungsprozesse leben davon,dassalleStakeholderdiemitdemProjekt verbundene Vision kennen und kommunikativ gut eingebunden sind. Von der Führungskoalition über die konkreten Projektleiterinnen und Projektleiter, die Entwicklerinnen und Entwicklern bis hin zu den Kolleginnen und Kollegen, die ihre jeweilige Fachexpertise einbringen und künftig mit den neuen Verfahren arbeiten sollen: Alle müssen die Vision des Projektes kennen.

ZudenbeidenbereitsgenanntenFragen„Wowollenwirhin?“und„Wofür tun wir das?“ kommen drei weitere: „Wie tun wir das?“; „Wer gehört wie dazu?“ und „Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich Fragen habe?“. Die letzte Frage zeigt: Es geht bei Veränderungskommunikation neben der Information immer auch um Zuhören und Aufnehmen von Fragen und Unklarheiten. Veränderungsprozesse bringen Unsicherheiten, Ängste und Widerständemitsich–diesesindinderRegelnichtmitDokumentenund Beschlüssen zu beantworten, sondern brauchen Dialogbereitschaft.

Eine entsprechende Kommunikationsstrategie basiert also auf der erarbeiteten Vision und sorgt dafür, dass kontinuierlich über Entscheidungen und Fortschritte informiert wird. Erfolge und Vorbilder sollten sichtbar gemacht werden, um Motivation zu schaffen, und es muss Raum für Rückfragen und Antworten geben.

Ein zentrales Ziel der Change-Kommunikation ist es, konkrete operative Ziele in den größeren strategischen Zusammenhang zu stellen.

AufdieseWeiseverstehenalleStakeholdernichtnurdiejeweilseinzelnen Schritte, sondern auch den Gesamtzweck bzw. die Vision des Digitalisierungsprojektes. Außerdem muss in der operativen Kommunikation darauf geachtet werden, dass Dialog und Partizipation ermöglicht und Widerstände bearbeitet werden - eine Aufgabe für alle im Projekt Beteiligten.

Wichtig für dieFührungskoalition ist eszuerkennen:Jede undjeden,der und die künftig von einem Digitalisierungsvorhaben betroffen sein werden,bewegenzunächstganzindividuelleFragen:Was ändertsichfür mich? Ist mein Arbeitsplatz sicher? Werde ich den Anforderungen gerecht?WerdendieseFragennichtgehörtundbeantwortet,entstehtein Kommunikationsvakuum, in dem Gerüchte und Unsicherheiten die eigentlichenZieledesProjektsgefährdenkönnen.DeshalbmussChangeKommunikation sowohl die strukturelle und strategische Ebene als auch die individuellen, oft emotionalen Fragen berücksichtigen.

Damit die Change-Perspektive effektiv in die Projektkommunikation integriert wird, sollte die Change-Kommunikation bereits im Gesamtprojektplan verankert sein. Es ist sinnvoll, regelmäßige Feedbackschleifen einzurichten, um den Stakeholdern Raum für Rückmeldungen und Fragen zu geben.

Um den Wandel zu unterstützen, sollten die bestehenden Kommunikationskanäle konsequent genutzt werden (z.B. regelmäßiger Tagesordnungspunkt zum Projektstand in der Dienstberatung). GegebenenfallssolltenauchneueKommunikationskanälespeziellfürden Change-Prozess entwickelt werden (Change Monitoring, Videobotschaften, spezielle Intranetseiten oder Mitarbeitendenbefragungen).

6.VeränderungsprojektebrauchenPartizipationundBefähigung

Digitalisierungsprojekte sind Organisationsentwicklungsprojekte und brauchen deshalb interdisziplinäre Zusammenarbeit, Partizipation und Formate zur Befähigung der Betroffenen.

Die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit liegt auf der Hand. Organisationsverantwortliche und Kolleginnen und Kollegen mit fachlicher Expertise bringen die Nutzerperspektive und Kenntnis der von Digitalisierung betroffenen Aufgaben, Prozesse und Abläufe ein. Mit IT-Fachlichkeit und den verschiedenen Verwaltungsfachlichkeiten treffen höchst komplexe Welten aufeinander, die sich zu Beginn in der Regel auch nicht verstehen. Um diese interdisziplinäre Situation konstruktiv zu gestalten, braucht es sehr gute kommunikative Kompetenzen und Konfliktfähigkeit auf beiden Seiten.

Partizipation trägt einerseits dazu bei, bessere Lösungen zu entwickeln, weil sie die Nutzerorientierung bei der Entwicklung oder Implementierung von IT-Lösungen stärkt. Andererseits ist sie ein Instrument des Akzeptanzmanagements und vermindert das „notinvented-here-syndrom“: Hier werden neue Ideen abgelehnt, weil sie nicht aus der eigenen Organisation stammen. Instrumente wie Feedbacksysteme, regelmäßige Frage- und Austauschmöglichkeiten, Design-Thinking-Formate oder andere agile Arbeitsmethoden schaffen gemeinsam mit der Vision des Gesamtprojektes die notwendigen Rahmenbedingungen.

EinweitererzentralerAspektistdieSicherstellungvonWeiterbildungund Lernerfahrungen, die sowohl die fachliche, als auch die Team- und die psychosozialeEbeneberücksichtigen.Hiergehtessowohlumindividuelle Weiterbildung und Teamentwicklung, aber auch um das Ermöglichen kollegialer Lernerfahrungen, z.B. über Multiplikatorensysteme,

Möglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernen durch asynchrone Lernformate, Teamworkshops oder Formate wie "Learning out Loud".

Eine besondere Zielgruppe für Partizipation und Befähigung sind die Führungskräfte insbesondere im mittleren Management, da sie unter besonderem Druck stehen. Sie sollten nicht nur im Hinblick auf das Zukunftsbild bzw. die Vision gecoacht und weitergebildet werden, damit sie die Vision in ihrem täglichen Führungsverhalten weitergeben können. Sie brauchen auch Räume, in denen sie geschützt die Kompetenzen erlernen können, die ihnen z.B. bei der Anwendung der neuen digitalen Verfahren fehlen. Führungskräfte in der Transformation sind immer auch Menschen,dieselberdazulernenmüssen –gerade,wenn siedigital nicht erfahren oder affin sind, sollten sie das gesichtswahrend tun können, damitsieinihrerFührungsrollegestärktwerdenundVorbildseinkönnen.

LernpsychologischeErkenntnissezeigen,dassMenschenlernen,wennsie die Fähigkeiten dazu haben, wissen wofür sie lernen, und verstehen was sie verlieren, wenn sie nicht lernen. Zudem wird das Lernen motiviert, wenn der Nutzen des Gelernten klar ist und die Selbstwirksamkeit gestärkt wird. Ein zentraler Aspekt des Lernens ist das Modelllernen: Die Vorbildwirkung der Führungskräfte ist entscheidend. Daher sollten arbeitsbegleitendes Lernen, kollegiale Beratung und Lernen am Arbeitsplatz als zentrale Methoden eingesetzt werden.

Was zählt ist Haltung: Diejenigen, die von Digitalisierungsprojekten als künftige Anwender betroffen sind, mögen von der Digitalisierungsseite (noch) nicht viel verstehen, aber sie sind: Expertinnen und Experten in ihrer Fachlichkeit. Als solche sollten sie einbezogen werden und mit den IT-Fachleuten auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

7.Veränderungsprojekte brauchen sichtbare Quick Wins und kontinuierlicheVerbesserung

IT-Projekte sind organisationale

Veränderungsprozesse und deren langfristiger Erfolg hängt entscheidend von sichtbaren kurzfristigen Erfolgen, sogenannten Quick Wins, ab. Diese ersten Erfolge haben eine wichtige motivatorische Funktion: Sie zeigen, dass der Veränderungsprozessgrundsätzlichaufdem richtigen Weg ist und nehmen Zweiflern den Wind aus den Segeln. Die am Projekt Beteiligten sehen, dass sich die Anstrengungen lohnen. Werden Quick Wins als starkes Signal in die gesamte Organisation gesendet, wird Widerstand gegen das Projekt erschwert, weil sichtbare Erfolge für die Erreichung der Vision sprechen. Bestenfalls können weitere aktive Unterstützer gewonnen werden, die den Veränderungsprozess aktiv mittragen. Quick Wins sollten auf einem echten Ergebnis basieren, in ihrerQualitätmöglichstwenigRaumfürgrundsätzlicheKritiklassenund deutlich sichtbar gemacht werden.

Die kontinuierliche Visualisierung des Fortschritts des Projektes ist dabei von zentraler Bedeutung (siehe auch: Kommunikationsstrategie). Hier helfen Instrumente wie spezielle Intranet-Seiten zum Change-Vorhaben oder auch Team- oder Taskboards (z.B. Kanban). Sie können eingesetzt werden, um den Status und die Erfolge des Projekts für alle sichtbar zu machen.Esistratsam,früherreichbareZwischenzieleeinzuplanen,deren Umsetzung konsequent vorangetrieben wird. Diese Meilensteine sollten TeilderKommunikationsstrategiesein,umdieZielerreichungtransparent zu machen und sie entsprechend zu belohnen. Die Kommunikation über erreichte Ziele und erste Erfolge sollte auf verschiedenen Ebenen stattfinden.

Dazu gehören nicht nur regelmäßige Informationen durch die Leitungsebene, sondern auch symbolische Abschlüsse oder Veranstaltungen,umwichtigeMeilensteinezufeiernunddieÜberleitung zu den nächsten Schritten des Veränderungsprozesses zu gestalten.

8.VeränderungsprojektebrauchenAusdauerundAmbidextrie

Organisationen, die sich in einem Veränderungs- oder Transformationsprozess befinden, erleben eine Zerreißprobe zwischen ihrem Kerngeschäft und der notwendigen Transformation. Diese Spannung zeigt sich in mehreren Bereichen: Bei den Zielen konkurrieren die herkömmlichen Aufgaben und Zuständigkeiten des Kerngeschäfts mit den Zielen der Veränderung. Ähnlich verhält es sich bei den Strukturen, wo traditionelle Entscheidungsprozesse und Zuständigkeiten auf flexible Projektstrukturen treffen. Die Ressourcen sind ebenfalls oft eine Herausforderung, da das Tagesgeschäft in der Regel bereits alle Kapazitäten bindet, während das Veränderungsprojekt zusätzliche Ressourcen erfordert – häufig von denselben Personen. Auch die Vorgehensweisen prallen aufeinander: Während das Kerngeschäft auf Routine, Effizienz und Standardisierung setzt, erfordern Digitalisierungsprojekte den Fokus auf Innovation, Kreativität und iterative Prozesse. Auch die „Kulturen“ von Verwaltung und Digitalisierungsprojekten sind im Konflikt – eine Null-Fehler-Kultur in der Verwaltung steht der notwendigen reflexiven Lernkultur in einem Digitalisierungsprojekt gegenüber und die agile Projektkultur kann mit den hierarchischen Strukturen des Kerngeschäfts kollidieren. Von der Führungskoalition erfordert das ein strukturell verankertes Bekenntnis, dass die Organisation für die Zeit des Digitalisierungsvorhabens Kerngeschäft und Innovation gleichzeitig stemmen muss (Ambidextrie). Anzuerkennen gilt, dass dies eine besondere Belastungssituation ist, der mannichtausdem Weggehenkann, dieaber–mit Blick aufdieVisionendlich ist. Die handelnden Akteure brauchen dafür eine hohe

Ambiguitätstoleranz, um lösungsorientiert mit den Widersprüchen zwischen dem Alltagsgeschäft und dem Wandel umzugehen.

Im Digitalisierungsprojekt braucht es vor allem: Ausdauer. Eben gerade weil es nicht nur um technische Entwicklungen oder Umsetzungen geht. Organisationaler und individueller Widerstand ist normal und kann genutzt werden! Insbesondere nach den ersten sichtbaren Erfolgen ist es wichtig,denVeränderungsprozesskonsequentweitervoranzutreiben.Die Führungskoalition muss das Vorhaben immer wieder bekräftigen und neue Impulse setzen, um die Dringlichkeit aufrechtzuerhalten und Stagnation zu vermeiden. Es darf nicht zu früh der Eindruck entstehen, dass der Wandel abgeschlossen ist – das Kerngeschäft könnte den Veränderungsprozess sonst „auffressen“, indem die Organisation in altbekannte Routinen zurückfällt.

Einzurechnen ist auch – gerade für die Roll-Out-Phasen in Digitalisierungsprojekten – dass individuelle Lernerfolge auf Wiederholungen beruhen. Die Einführung eines neuen Programms oder Prozesses kann nicht mit einer einmaligen Erklärung abgeschlossen werden. Es braucht kontinuierliche Schulungen, Wiederholungsmöglichkeiten oder Möglichkeiten,sichzuvergewissern(z.B.überMultiplikatorensysteme),damitdas Gelernte wirklich verankert wird.

9.Veränderungsprojekte brauchen Stabilisierung und die Verankerung veränderter Strukturen, Abläufe und Verhaltensweisen

Digitalisierungsprojekte bringen Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation mit sich, z.B. durch die Veränderung von Mitzeichnungsregeln oder durch eine technisch neu geregelte Zusammenarbeit zwischen Verwaltungseinheiten. Diese Veränderungen werden zunächst vielleicht nur informell vollzogen, müssen aber strukturell verankert und geregelt werden, damit die im Sinne der Vision angestrebten Handlungsweisen tatsächlich auch gelebt werden. Als

Beispiel kann auf die gängigen Dokumentenmanagementsysteme hingewiesen werden – hier muss nach der Einführung strukturell festgelegt werden, wer wie was im DMS bearbeiten oder speichern soll, sodass alle einheitlich damit arbeiten.

Auch sollten weitere organisatorische Rahmenbedingungen wie Entscheidungsfindungsprozesse, Informations- und Kommunikationswege angepasst werden. Die technische Ausstattung muss entsprechend gestaltet werden, ggfs. sollten auch Räumlichkeiten angepasst werden, um z.B. ortsflexibles Arbeiten und Arbeiten im Team zu ermöglichen.

Strukturelle Anpassungen betreffen auch undinsbesonderedas Personal. Hier müssen z.B. Anforderungs- und Kompetenzprofile angepasst, Stellenbeschreibungen verändert und Stellenausschreibungen auf die neuen Kompetenzen hin entwickelt werden. Die Nachbesetzung von Führungsrollen sollte genutzt werden, um die angestrebten VeränderungeninderOrganisationweiterzuverankern.Auchbeidiesem Punkt sind insbesondere die Führungskräfte im mittleren Management wichtige Stakeholder. Sie brauchen die Gelegenheit, ihre Fragen und Anregungen in den Implementierungsprozess einzubringen und Unterstützung, um ihre Teams entsprechend der Vision und der Ziele des Digitalisierungsprozesses führen zu können.

10. VeränderungsprojektebrauchenRessourcenundMonitoring auchfürdiePerspektivedesVeränderungsmanagements

Ein erfolgreiches Digitalisierungsvorhaben erfordert ausreichende Ressourcen – und zwar auch für die Durchführung von Maßnahmen des Veränderungsmanagements. Projekt- und Veränderungsmanagement sollten eng miteinander verzahnt werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass wesentliche Ereignisse aus dem Veränderungs-management mit in die Meilensteinplanung integriert werden.

Außerdem beinhaltet es, dass die Kommunikationsplanung aufeinander abgestimmt ist und schnelle Erfolge (Quick Wins) nicht nur sichtbar gemacht werden, sondern auch Ressourcen für deren Kommunikation bereitgestellt werden.

Darüber sollte das Projektmonitoring auch die Aspekte des Veränderungsmanagements beinhalten. Dieses Monitoring kann verschiedene Maßnahmen umfassen, wie die Darstellung der bereits durchgeführten Aktivitäten, das Monitoring von Schulungen und Weiterbildungen sowie regelmäßige „Puls-Checks“, um das Stimmungsbild in der Organisation zu erfassen. Solche Maßnahmen helfen dabei, den Fortschritt des Wandels transparent zu machen und sicherzustellen, dass der Prozess kontinuierlich gesteuert und an neue Anforderungen angepasst werden kann.

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