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50 JAHRE DESIGN
Happy Birthday für Hessens kleinste staatliche Hochschule: Ein Blick zurück nach vorn mit fünf Highlights aus fünf Jahrzehnten der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach.
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›› Text: Jürgen Mai
HfG feiert Geburtstag 50 JAHRE DESIGN
15. SEPTEMBER 1970: EIN PAPIERPLAKAT ZUM START 1970 ist für die Stadt Offenbach ein besonderes Jahr. Die Kickers feiern mit dem Gewinn des DFB-Pokals den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte. Rund drei Kilometer Luftlinie vom Stadion am Bieberer Berg entfernt, läutet die bisherige Werkkunstschule Offenbach am Main in der Schloßstraße am Mainufer eine neue Ära ein: Am 15. September 1970 geht die Trägerschaft von der Stadt Offenbach auf das Land Hessen über. Die Institution agiert fortan als Hochschule für Gestaltung. Der Name hat Gewicht und wurde bis dato vom Bauhaus in Dessau benutzt. Der Start der HfG gerät unprätentiös: Stadtrat Walter Buckpesch nimmt das bisherige Schild ab, Schuldirektor Dieter C. Döpfner bringt ein provisorisches Papierplakat an. Seitdem trennen sich die Wege: Der OFC spielt heute viertklassig in der Regionalliga, während die HfG erneut an der Schwelle zu einer neuen Ära steht.
80ER JAHRE: DER OFFENBACHER ANSATZ WIRD BEKANNT Getrieben durch Jochen Groß, der fast 30 Jahre an der HfG lehrte und Mitte der 1970er Jahre die studentische Arbeitsgruppe „Des-In“ zur Entwicklung einer eigenständigen Recycling-Ästhetik gründete, machte sich die HfG schnell einen Namen in der Designtheorie. Die Theorie der Produktsprache wird geboren, die sich der Beziehung von Mensch und Objekt widmet. Sie wird auch als „Offenbacher Ansatz“ bezeichnet. Die Kernthese lautet, dass ein Produkt nicht nur einen Zweck erfüllt (praktische Funktion), sondern auch ästhetische Qualitäten aufweist und symbolische Aussagen transportiert. In den 80er Jahren veröffentlich die HfG hierzu drei Bände. Ende dieses Jahres werden die aktuellen HfG-Professoren Prof. Dr. Kai Vöckler und Prof. Dr. Thilo Schwer diese Ära würdigen. Sie veröffentlichen einen fast 500 Seiten dicken Band mit historischen Dokumenten, Interviews und Stellungnahmen von Zeitzeugen. „Der Offenbacher Ansatz“ wird am 27. Dezember 2020 im Transcript Verlag erscheinen.
1997: DER ERSTE RUNDGANG Es ist ein Fixpunkt in der Hochschulszene des Rhein-Main-Gebiets und der traditionelle Jahreshöhepunkt der HfG: Der Rundgang zum Ende des Sommersemesters. 1997 findet er zum ersten Mal statt. Die Hochschule öffnet ein Wochenende lang ihre Türen. Studierende aller Fachrichtungen zeigen ihre Projekte in den HfG-Gebäuden. Besucher*innen können sich über die künstlerische und gestalterische Arbeit aus den Bereichen Kunst, Kommunikationsdesign, Medien, Bühnenbild und Produktdesign informieren und Einblicke in die Ausbildung an der HfG und in gestalterische Prozesse erhalten. Präsentiert werden Arbeiten des vergangenen Studienjahres und speziell auf die Situation abgestimmte Projekte.
2007: ERINNERUNG AN DIE WURZELN Die HfG erinnert sich an ihre Wurzeln und blickt zurück ins Jahr 1832, als Georg Fink eine private Handwerkerschule gründete. Er tut dies, wie die Chronik der Hochschule betont, „aus eigener Initiative, auf eigene Kosten und ohne Unterstützung der Stadt“. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Bau- und Möbelzeichnen, freies Handzeichnen, Architektur, Mechanik und Geometrie. Letzteres verwundert nicht, denn Fink war Geometer von Beruf. Die Schule wird 1846 vom Gewerbeverein übernommen. Vereinigte Kunst-, Industrie- und Handwerkerschule (1877), Kunstgewerbeschule (1885), Technische Lehranstalten (1902) und Offenbacher Werkkunstschule (1949) lauten weitere Meilensteine der bewegten und von vielen Namenswechseln geprägten Geschichte. Anlässlich des 175. Jubiläums der Handwerkerschule erscheint 2007 die Festschrift „Gestalte/Create“, begleitet von einer Alumni-Ausstellung im Museum Angewandte Kunst.
HfG-Präsident Prof. Bernd Kracke
2010ER JAHRE: MEILENSTEINE FÜR DEN NEUBAU 2015 kommen gute Nachrichten vom Land Hessen: Die HfG erhält einen Neubau im Hafen Offenbach. 2019 folgt der Erwerb der Grundstücke. HfG-Präsident Prof. Bernd Kracke ordnet ein: „Nach dem Neubau der Hochschule im Jahr 1912 durch Hugo Eberhardt ist das nun die nächste Stufe, um die Entwicklungsperspektive der HfG gewährleisten zu können und eine zukunftssichere Positionierung in der internationalen Hochschullandschaft zu zementieren. Dies ist eine Jahrhundertentscheidung.“ Rund 15.000 Quadratmeter Fläche stehen zur Verfügung, das Land Hessen unterstützt mit 100 Millionen Euro aus dem Hochschulbauprogramm „HEUREKA II“. Der Architekturwettbewerb, in dessen Vorfeld sich die HfG bewusst zurückhält, soll in Kürze starten. Kracke sagt: „Im Jahr des 50. Jubiläums, das durch die Pandemie selbst ein Jahr des anthropologischen Umbruchs ist, reflektieren wir unsere Geschichte, um den Blick für die Zukunft zu schärfen. Mit dem Neubau im Offenbacher Hafen bauen wir aktuell ganz buchstäblich an einer neuen HfG und damit auch an der Idee einer Kunst- und Designhochschule des 21. Jahrhunderts.“
Aktionen zum Jubiläum – die HfG zum Anschauen
Ausstellung „Aus heutiger Sicht. Diskurse über Zukunft“ ›› 29.1.-28.3.2021, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt Anlässlich des 50. Jubiläums ihrer Umwandlung in eine Kunsthochschule des Landes im Jahre 2020 richtet die HfG den Blick in die Zukunft. In Kooperation mit dem Museum Angewandte Kunst werden aktuelle künstlerische und angewandte Positionen aus verschiedenen Lehrgebieten präsentiert. Durch die Exponate und ein umfangreiches Ausstellungsprogramm ergeben sich in Kunst und Design unvorhersehbare Interaktionen zwischen verschiedenen Akteur*innen und wechselnden Kontexten. Es entstehen neue Entwürfe zu brennenden Fragen unserer Zeit, die Diskurse über die Zukunft eröffnen. Filmreihe ›› ab Mitte November werden die Folgen wöchentlich auf der HfG-Homepage (hfg-offenbach.de) veröffentlicht Anlässlich des Jubiläums hat die Dr. Marschner Stiftung der Hochschule durch die Finanzierung eine fünfteilige Kurzfilmreihe ermöglicht, die sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Hochschule beschäftigt. Ehemalige und aktuelle HfG-Angehörige aus den beiden Fachbereichen Kunst und Design reflektieren in den Filmen Ereignisse, Stimmungen und Perspektiven. Sie eröffnen einen Blick auf die Historie der Hochschule, auf die Vielseitigkeit der gegenwärtigen interdisziplinären Arbeits- und Denkweisen und auf die Zukunft von Lehre und Forschung an einer Kunsthochschule des 21. Jahrhunderts.