70 JAHRE WAZ – DIE JUBIL ÄUMSBEIL AGE
Viele große Geschichten Seit 1948 Tag für Tag druckfrisch in Ihrer Zeitung
Das neue Tempo der Politik
Ein Teil der Familie
In Bonn lud Blüm zum Butterkuchen. Das Berliner Parkett ist für Politiker wie Berichterstatter glatter. Seite 23
Für viele Leser gehört die WAZ einfach dazu. Bei einigen prägte sie sogar das ganze Leben. Ihre Geschichten: Seite 42-45
ES GIBT WAZ ZU FEIERN! Die WAZ wird 70 und wir gratulieren!
Als Ruhrgebiets-Unternehmen gratulieren wir herzlich mit einer waschechten Pott-Torte. Und sollte beim Feiern etwas danebengehen, haben wir einen kleinen Tipp von Geburtstagskind zu Geburtstagskind: Seit 50 Jahren sorgt unser Waschmittel Tandil fĂźr eckenfreie W sche.
EDITORIAL & INHALT
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Samstag, 31. März 2018
70 Jahre. Wir feiern mit Ihnen! Ein runder Geburtstag – Grund genug für diese WAZ-Jubiläumsausgabe
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ie WAZ wird 70 Jahre jung. Man merkt ihr das Alter nicht an – meinen wir zumindest. Modern, aufgeräumt, kritisch, zugleich bodenständig und verlässlich. Eine Zeitung aus dem Ruhrgebiet für das Ruhrgebiet – gedruckt oder digital, auf jeden Fall ganz nahe bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Andererseits sind 70 Jahre schon eine ordentliche Strecke. In den vergangenen Jahrzehnten hat die WAZ viele von Ihnen begleitet. Und umgekehrt. Deshalb feiern wir gemeinsam und machen Ihnen ein Geschenk, das Ihnen hoffentlich gefallen wird. In dieser großen, 80-seitigen Jubiläumsbeilage blicken wir auf das Leben – auf die Vergangenheit, auf die Gegenwart, auf die Zukunft. Seit die Gründer Jakob Funke und Erich Brost am 3. April 1948 die erste WAZ herausbrachten, ist sehr viel passiert in der Welt, in Deutschland, im Ruhrgebiet. Wir zeigen aus jedem Jahrzehnt eine prägende Titelseite. Die Originalseiten stellen
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Die bleierne Zeit. Eine kurze Geschichte der Zeitungstechnik.
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Als das alte Ruhrgebiet starb – Bergbaukrise und Stahlproteste.
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zu dringen. Fake News, Lügenpresse-Vorwürfe und FacebookPropaganda – auch das gehört zum Leben im Hier und Jetzt. Und in Zukunft? Das können am besten diejenigen beschreiben, denen die Zukunft gehört: junge WAZ-Journalisten, die sich mit neuen Medien beschäftigen. Auch der Lesespaß wird nicht zu kurz kommen. Da bietet sich unter anderem die WAZSammlung der besten Sport-Sprüche an. „Hört endlich auf, in jeder Suppe ein Salz zu finden“, hat Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß jüngst gefordert. Ob die Journalisten das befolgten, ist nicht überliefert.
Auch geht unser Blick aufs Heute und Morgen. Wir geben Einblicke in die Funktionsweise einer modernen Zeitung und beschreiben den Wandel in Politik und Gesellschaft – mit den Auswirkungen für den Journalismus. Am Beispiel des NochSchalker Fußballer Leon Goretzka zeigen wir, dass es möglich bleibt, hinter den Panzer von PR-Beratern und Autorisierungen
Klar ist aber, dass das gesamte WAZ-Team auch in den kommenden Jahren für Sie da sein wird. In dieser Ausgabe stellen wir alle Redakteurinnen und Redakteure vor. Frei nach dem alten Spruch des Hauses: WAZ – Wir arbeiten zusammen. Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen alles Gute und viel Vergnüngen mit der Jubiläumsbeilage!
Frauen im Journalismus – Felicitas Kapteina war 1948 die erste Redakteurin der WAZ.
26 „Projekt Bochum“ – das WAZ-Labor für eine noch bessere Zeitung.
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Von Andreas Tyrock WAZ-Chefredakteur
Fake News und alternative Fakten – ist der Journalismus für die Schlacht gerüstet?
Hinter den Kulissen der Zeitung. 24 Stunden in der Redaktion.
Das Medienhaus – in Essen entsteht die neue FunkeZentrale.
Wir machen für Sie die WAZ. Die Redaktion in 302 Porträts.
Mal ganz im Ernst: Unser Karikaturist Heiko Sakurai schwärmt von Merkels „träumenden Augen“.
„Jetzt ein Exemplar stationieren!“ – die treffsichersten SportWeisheiten.
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Welch ein Beruf! Journalisten über unvergessliche Geschichten.
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WAZ WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE Gründungsherausgeber: Erich Brost und Jakob Funke. Chefredakteur: Andreas Tyrock. Stellvertreter: Dr. Alexander Marinos. Redaktion dieser Ausgabe: Thomas Mader (Ltg.), Lutz Heuken, Heinz-Dieter Schäfer, Frank Stenglein, Michael Weeke. Realisierung: FUNKE Redaktions Services: Oliver Multhaup (Ltg.), Carsten Oberste-Kleinbeck (CvD), Oliver Schäfer, Lisa Dießner, Olivia Fetter, Marcello Mazza, Sara Stei-
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Ups! Unsere schlimmen Fehler, über die wir im Nachhinein lachen können.
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nert, Niklas Tessmer (Gestaltung), Gert Bertelmann, Denise Ohms (Grafik), Felix Heyder, Katharina Kemme (Fotoredaktion), Michael Hermes (Redaktionelle Produktion). Anzeigen: Dennis Prien. Produktmanagement: Frank Grieger. Geschäftsführung: Manfred Braun, Michael Wüller. Druck: Druckzentrum Essen GmbH (Friedrichstraße 34-38, 45128 Essen) und Druckzentrum Hagen GmbH (Hohensyburgstr. 67, 58099 Hagen).
DAS IST FÜR SIE DRIN
Die Gründer – Jakob Funke und Erich Brost im geschichtlichen Porträt.
eine besondere emotionale Verbindung her zu diesen historischen Ereignissen. Und natürlich erzählen wir Geschichten. Über den Stahl, über den Bergbau, über den Fußball, über den Humor, über besondere Momente und besondere Menschen. Darüber, wie die WAZ das Leben von Menschen veränderte, wie sich Menschen kennen und lieben lernten, wie sie Arbeit fanden. Kinder malen wunderbare Bilder und zeigen uns, wie sie die WAZ wahrnehmen. Auch Antonia Cervinski-Querenburg ist dabei. Sie kennen sie noch? Nein? Dann werden Sie sie in dieser Beilage kennenlernen.
VERLAG UND REDAKTION
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Samstag, 31. März 2018
„Die WAZ hält das Ruhrgebiet zusammen“ Julia Becker, Verlegerin und Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe, und Chefredakteur Andreas Tyrock im Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der WAZ Die WAZ feiert ihren 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass trafen sich Verlegerin Julia Becker und WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock zum Gespräch über die größte Regionalzeitung Deutschlands. Das Gespräch moderierte Tobias Korenke.
Tyrock: Ich wünsche mir das ebenfalls und bin mir sicher, dass sich die WAZ als regionale und lokale Kraft auch künftig profilieren wird. Ich wünsche mir aber auch, dass wir neue Produkte für spezifische Zielgruppen entwickeln, etwa für Sportfans oder Kulturinteressierte. Vielleicht gibt es sogar mal eine Studenten-WAZ. Auf jeden Fall bin ich sehr optimistisch: Die WAZ hat Zukunft.
Was bedeuten Ihnen 70 Jahre WAZ? Julia Becker: Das ist für unsere Familie ein ganz wichtiges Jubiläum, denn WAZ-Geschichte ist für uns immer auch Familiengeschichte. Vor 70 Jahren hat mein Großvater Jakob Funke gemeinsam mit Erich Brost die Zeitung gegründet, dann führten meine Mutter und ihre Schwestern den Verlag, seit Anfang dieses Jahres hat meine Generation Verantwortung übernommen. So macht mich der Geburtstag einerseits stolz, er führt einem aber auch die Verantwortung vor Augen, den Weg jetzt erfolgreich fortzuführen. Was bedeutet es Ihnen, WAZ-Chefredakteur zu sein? Andreas Tyrock: Beruflich gesehen: Alles! Die WAZ lässt einen nicht unberührt, sie ist etwas Besonderes. Die Familiengeschichte ist großartig. Das Verbreitungsgebiet ist spannend für Journalisten. Und es ist die größte Regionalzeitung in Deutschland und damit einfach eine Marke. Ich freue mich jeden Tag, diese Zeitung machen zu dürfen. Welche Rolle spielt die WAZ in der Funke Mediengruppe? Becker: Ganz klar, die WAZ ist das Herzstück. Sie ist der Grundstein und ohne sie wäre das Unternehmen nicht das, was es heute ist. Alle Zeitungs- und Zeitschriftentitel, die wir bei Funke verlegen, liegen uns am Herzen, aber die WAZ war eben zuerst da.
„Das ist für unsere Familie ein ganz wichtiges Jubiläum“
Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe
WAZ-Geschichte ist immer auch Ruhrgebietsgeschichte. Wo hat die WAZ wichtige Impulse gesetzt? Tyrock: Die WAZ hat eine große integrative Kraft. Gerade in einer Region, die sich so radikal verändert, ist das von enormer Bedeutung. Die WAZ hält das Ruhrgebiet in gewisser Weise zusammen. Aber natürlich ordnet sie auch die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen ein und bewertet sie. Dabei ist sie stets mehr als ein Chronist, sie war und ist immer auch Motor der Entwicklung. Grundlegend ist ihre Bindung zum Ruhrgebiet: Wir berichten kritisch und distanziert, aber immer mit einer Liebe zur Region ... Becker: ... und auch mit einer ordentlichen Portion Zuversicht. Ich finde, das ist ganz wichtig für die Grundstimmung, die eine Tageszeitung haben sollte. Es ist ja auch oft leichter zu kritisieren, gerade im Regionalen, als zu sagen, wie toll etwa ein Spielplatz gestaltet worden ist. Ich finde es gut, wie die WAZ mit einer gelungenen Mischung aus Distanz und Kritik einerseits und Empathie und Zuversicht andererseits berichtet. Tyrock: Wichtig ist, dass wir für alle Menschen, die hier leben, relevant sind: Die WAZ hat den fast schon klassischen Taubenzüchter als Le-
Was wären Ihre Wünsche an die Verlegerin dabei? Tyrock: Dass das in Erfüllung geht, was sich Frau Becker eben selbst für die WAZ gewünscht hat. Dass wir eine starke, journalistische Zeitung bleiben, die weiterhin frei arbeiten kann und politisch unabhängig bleibt. Ich wünsche mir, dass die Verlegerin weiterhin ein Grundvertrauen in die Redaktion hat. Und dass wir eine angemessene Ausstattung behalten.
Gespräch über das 70-jährige Bestehen der WAZ und die Herausforderungen der Zukunft: Julia Becker und Andreas Tyrock.
ser, den Bauarbeiter, aber auch die Menschen, die in den DAX–Konzernen und in den Universitäten arbeiten. Das ist eine enorme Bandbreite: Wir müssen sie alle erreichen und binden, indem wir ihnen einen Wissensvorsprung verschaffen, sie überraschen, sie informieren mit Dingen, die sie bisher so nicht kannten. Konkret heißt das: Ich bündele die Themen gern in Serien – wir haben etwa Serien zum Bergbau, zur Spitzenforschung, zur Zukunft der Region.
Ist die WAZ noch die Stimme des Reviers? Tyrock. Ganz klares Ja. Wer wissen will, was hier los ist, wie sich das Ruhrgebiet, ja, auch wie sich NRW immer wieder neu erfindet, der muss die WAZ lesen. Was macht Ihnen besonderen Spaß an der WAZ? Becker: Zum einen der Essener Regionalteil. Ich finde es wichtig, auch wenn ich mittlerweile nicht mehr hier wohne, meine Heimat-Region zu verfolgen. Dann finde ich die WAZ von der Gestaltung her sehr ansprechend. Und ich liebe den Regionalsport. Eigentlich macht mir die ganze WAZ großen Spaß, jeden Tag. Tyrock: Wir wollen regional und lokal nah dran sein an den Menschen. Und wir wollen Themen setzen, die die Menschen wirklich interessie-
ren. Klar, in einigen Bereichen gibt es in der Qualität sicherlich noch Luft nach oben. Aber das ist doch überall so: Man kann und muss immer noch besser werden. Insgesamt jedoch hat sich eine ganze Menge getan. Uns gelingt meines Erachtens die Mischung aus Nachrichten und eigenen Themen zunehmend besser. Ich finde auch in der Optik werden wir ansprechender. Wir sind modern und zeitgemäß, aber auch verlässlich und berechenbar – damit jeder weiß, wo was steht. Wie im heimischen Wohnzimmer.
„Wichtig ist, dass wir für alle Menschen, die hier leben, relevant sind.“
Andreas Tyrock, WAZ-Chefredakteur
Wir wissen, dass gerade jüngere Leser die WAZ auf ihrem Tablet oder ihrem Smartphone lesen wollen. Wie weit sind Sie hier? Tyrock: Wir haben viel unternommen, um unsere Inhalte auch digital zugänglich zu machen. Denken Sie nur an WAZ.de oder unsere Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken. Der Dreh- und Angelpunkt bleibt, ob es gelingt, mit journalistischen Inhalten im Netz Geld zu verdienen.
Denn nur so können wir künftig journalistische Qualität garantieren. Da sind wir noch nicht weit genug. Becker: Eine erfolgreiche „Paid Content Strategie“ haben auch die anderen Verlage noch nicht gefunden. So viel steht fest: Auch die Bezahlschranke allein wird uns nicht „retten“ . . . Wir werden zum Beispiel neue Abo-Modelle im Netz ausprobieren und denken über andere Erlösquellen und neue Geschäftsmodelle nach.
Welche Bedeutung haben denn überhaupt noch Nachrichten in der Zeitung? Die Leserinnen und Leser wissen doch schon alles aus dem Netz oder dem Fernsehen . . . Tyrock: Klar, der Wert der Nachricht in einer Zeitung hat massiv abgenommen. Ich glaube aber, das eine Meldungsspalte noch völlig okay ist, also das Wichtigste finden die Leute noch wieder. Aus der Tagesschau oder aus dem Internet kennen sie es schon. Dann haben wir aber bei den großen Mittelblöcken die so genannten „Weiterdreher“ mit Einordnungen, Hintergründen und Erklärungen. Zusammengefasst: Der Printbereich der Nachricht wird weiter abnehmen und in absehbarer Zeit keine große Rolle mehr spielen. Vor drei Jahren ist in Berlin die Funke-Zentralredaktion gegründet worden, die die Regionaltitel, auch die
FOTO: RETO KLAR
WAZ, mit überregionalen Berichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beliefert. Was bedeutet das für die WAZ? Tyrock: Ich möchte da gar nicht drum herum reden: So nachvollziehbar die Entscheidung für die Zentralredaktion auch ist, sie hat die WAZ schon hart getroffen. Natürlich fehlte plötzlich ein wesentlicher Teil der Redaktion. Und auch das Selbstverständnis ändert sich, wenn wichtige Inhalte zugeliefert werden. Aber die Zusammenarbeit mit den Berliner Kolleginnen und Kollegen, von denen ja viele vorher bei der WAZ gearbeitet haben, funktioniert sehr gut. Und wir nutzen die Chancen, die in dieser Aufstellung liegen: Wir konzentrieren uns jetzt mehr denn je auf eine hervorragende Regionalund Lokalberichterstattung. Da wollen wir die Besten sein, hier liegt unser Auftrag. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der WAZ? Becker: Natürlich hoffe ich auf eine stabile Abonnenten- und Auflagenentwicklung für die gedruckte Zeitung. Und ich wünsche mir, dass wir mit unseren journalistischen Digitalangeboten endlich auch Geld verdienen und damit guten Journalismus auch im Netz sichern können. Und ich wünsche der WAZ genau die Kraft, für die sie immer gestanden hat: Die starke Stimme im und für das Ruhrgebiet zu sein.
Zur Person
Zur Person
K Andreas Tyrock (54), seit Juli 2014 WAZ-Chefredakteur, ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Nach Abitur und zweijähriger Bundeswehrzeit schloss er 1991 sein Studium an der Universität Göttingen als Diplom-Sozialwirt ab.
K Julia Becker ist Enkeltochter
K 1991 begann Andreas Tyrock
K Seit 2012 sitzt Julia Becker im
als Volontär der Braunschweiger Zeitung, 2005 wurde er dort Mitglied der Chefredaktion. Von 2007 bis 2014 war er Chefredakteur des Bonner General-Anzeigers.
von Jakob Funke, der gemeinsam mit Erich Brost die WAZ gegründet hat, und wurde in Essen geboren. Sie hat Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaften studiert.
Optimismus am Ende des Gesprächs. „Ich wünsche der WAZ die Kraft, für die sie immer gestanden hat“, sagt Julia Becker. FOTO: RETO KLAR
Aufsichtsrat der Funke Mediengruppe, am 1. Januar 2018 übernahm sie den Vorsitz. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt mit ihrer Familie im Münsterland.
Und was sind Ihre Erwartungen an den Chefredakteur? Becker: Den Ball kann ich wunderbar zurückspielen. Im gegenseitigen Vertrauen werden wir die Marke WAZ in eine gute Zukunft führen. Der Weg wird bestimmt steinig, aber ich bin auch vollkommen davon überzeugt, dass wir ihn gemeinsam meistern werden. Das Wichtigste dabei ist ein offener Austausch. Wenn wir den pflegen, dann haben wir eine gute Chance, dass unsere Wünsche keine Wünsche bleiben, sondern auch in Erfüllung gehen.
„Im gegenseitigen Vertrauen werden wir die WAZ in eine gute Zukunft führen.“
Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe
Was sagen Sie jungen Leuten, die sich für den Beruf des Journalisten interessieren? Warum sollen sie Regionaljournalisten werden und sich bei der WAZ bewerben? Tyrock: Man wird Journalist, um nah am Leben zu sein. Es gibt keine Form des Journalismus, der so authentisch und nah am Menschen ist, wie der Lokal- und Regionaljournalismus. Und die WAZ, das haben wir gerade skizziert, hat eine tolle Zukunft, weil Verleger und Redaktion an einem Strang ziehen und sie eine ausgezeichnete Redaktion hat. Übrigens legen wir großen Wert auf Nachwuchs. Junge Menschen mit Talent haben bei uns alle Möglichkeiten. Becker: Menschen zu informieren über die Dinge, die in der Welt oder vor der Haustür passieren und das kritisch und objektiv zu tun, ist eine wahnsinnig wichtige Aufgabe. Menschen, die sich dazu entscheiden, dies zu tun, tragen am Ende ja auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Darüber hinaus ist die WAZ Teil eines Medienhauses, in dem es unendlich viele und auch neue Wege einer Ausbildung gibt. Es gibt nicht nur die Redaktionen, sondern auch Vermarktung, Digital, Textgestaltung und so weiter. So viele neue Wege innerhalb eines Unternehmens auszuprobieren und gehen zu können, ist, glaube ich, ein Pluspunkt, den wir als modernes Medienunternehmen liefern können.
DIE GRÜNDER
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Samstag, 31. März 2018
Journalist aus vollem Herzen
Der Architekt des Erfolgs
Erich Brost hatte mehrere Leben: als Politiker, als Widerständler gegen die Nazis und als Gründer dieser Zeitung. In der Hitze des Kalten Krieges warb er für Entspannung, die Aussöhnung mit Polen blieb ihm ein stetes Anliegen
Jakob Funke lernte das Zeitungmachen von der Pike auf. Mit Gründung der WAZ nahm er die Rolle des Verlagsmanagers an – und brillierte in dieser Funktion. Er schuf die Strukturen für die Mediengruppe, die heute seinen Namen trägt
gänzlich fremd. Der Maßstab, den er an sich und andere legt, ist Bildung, der seine Hochachtung gilt. Dass ein „gelernter“ Sozialdemokrat ein unabhängiges Blatt führt, hat irritiert. Aber Brost ist kein Eiferer, er ist tolerant, eher konservativ in seinem Wesen, pflegt Freundschaften auch in anderen politischen Lagern, respektiert Konrad Adenauer und der respektiert ihn. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner frühen dramatischen Jahre liegt ihm fortschreitenden Alters jähe Veränderung nicht. Man fühlt es in seinem Haus in Essen-Bredeney, da scheint die Zeit stillzustehen: Noch zur Jahrtausendwende trifft der Besucher auf großbürgerlich unaufdringliche Gediegenheit im Charme der 1950er-, 60er-Jahre. Ein geräumiger Bungalow zwar, doch nirgendwo das betont luxuriöse Ambiente von Großspurigkeit. Ein stiller Buchladen liegt Brost näher als Gesellschaft, die in gestelzter Pose parliert. Zurückhaltend, manchmal seltsam anmutend scheu, manchmal ein wenig im Gestrigen lebend – so geht er privat wie beruflich auf Menschen zu.
Von Rolf Potthoff Essen. Dieses Leben glich einer Reise durch Zeit und Raum. Es hat Frieden, Kriege und Zäsuren der Geschichte überdauert, das Kaiserreich, die Weimarer Jahre, den Nationalsozialismus, die Geburt einer neuen, in sich gefestigten Republik. Es hätte für zwei Leben gereicht: Der Widerstand gegen ein perfides Regime, Flucht und Odyssee durch Europa, die Kraft, in einer zerbombten Wüstenei einen Neuanfang zu wagen und ein Medienunternehmen zu schaffen, das zu den größten gehört. Doch all dies war vereint in dem fast 92-jährigen Leben von Erich Brost, der zusammen mit seinem Partner Jakob Funke die WAZ gegründet und zur „Stimme des Ruhrgebiets“ aufgebaut hat. Wenn frühe Erfahrungen prägen, so auch ihn. Im westpreußischen Elbing, dem heutigen Elblag in Polen, am 29. Oktober 1903 geboren, wächst der Sohn eines Maschinenmonteurs in einem sozialdemokratisch orientierten, gewerkschaftlich engagierten Milieu auf. Begeisterungsfähig ist der Junge, ihn interessiert historisch-politische Literatur und er liest leidenschaftlich gern. So bleibt es zeitlebens, die sich Jahrzehnte später Meter um Meter reihenden Bücherwände in seinem Haus im Essener Süden zeugen davon. „Man muss doch informiert sein, um zu leben“ lautet sein Prinzip. Danzig. Die uralte Hansestadt nahe der Mündung der Weichsel wird zum Schicksalsort werden. Hier verknüpft sich sein Leben mit Weltpolitik. Es ist sein „erstes Leben“, das des Politikers Brost.
„Die Engländer trauten mir als Sozialdemokraten zu, eine überparteiliche Zeitung zu machen. Und das mit Recht.“ Erich Brost, Gründer der WAZ
in der Hitze des Kalten Kriegs, wirbt er – niemals verbohrter Ideologe – mit Verve aber besonnen für Entspannungspolitik. Als sich die Nationalsozialisten in Danzig ausbreiten, prangert Brost deren rüde Übergriffe in der Stadt an, gerät ins Visier der Hitler-Partei. Im letzten Moment vor Verschleppung gewarnt, emigriert er 1936 nach Warschau, zieht später mit Ehefrau Margarete über Finnland und Schweden nach England ins Exil. Kurz vor Weihnachten 1942 erreicht er London, wo er beim deutschsprachigen BBC-Programm wirkt, das Goebbels’ Kriegspropaganda konterkariert. Was ihm das Wichtigste im Leben gewesen sei, wird Brost in hohem Alter gefragt. Und er, der alles erreicht hat, der zu Ansehen und beträchtlichem Wohlstand kam, sagt: „Dass wir Widerstand geleistet haben gegen die Nazis.“
Politiker in Danzig, zwischen den Fronten Nach einer Buchhändlerlehre Redakteur bei der „Danziger Volksstimme, zieht er für die SPD in den Volkstag ein, ins regionale Parlament. Als „Freie Stadt“ steht Danzig in den 20er, 30er Jahren unter dem neutralen Schutz des Völkerbundes in Genf, denn sowohl Deutsche als auch Polen betrachten die Stadt als eigenes Terrain. National Gesinnte, besonders Rechte, schüren den Konflikt – und Brost tritt dem brandgefährlichen Treiben nach Kräften entgegen, ausgleichend, vermittelnd, aber bestimmt. Aussöhnung, Freundschaft mit Polen, dem „Erzfeind“, bleibt für ihn alle Zeit ein Gebot von Herz und Vernunft. Später,
Eine zweite Karriere im Journalismus nach dem Krieg Anfang Juni 1945 kehrt der Emigrant mit der britischen Besatzungsmacht nach Deutschland zurück. 42 ist er, als sein „zweites Leben“ beginnt, das des Journalisten und Verlegers Brost. Er arbeitet für den „Kölnischen Kurier“ und die „Ruhr-Zeitung“ in Essen, beim Aufbau von „Radio Hamburg“ und als Chefredakteur für die „Neue Ruhr Zeitung“. Dann beruft ihn der SPD-Vorstand zum Kontaktmann mit dem Alliierten Kontrollrat der Siegermächte in Berlin. Noch schwankt Brost zwischen Parteilaufbahn und Journalismus. Die Entscheidung fällt mit dem Angebot der Briten, an der Ruhr eine neue, parteiunabhängige Zeitung zu gründen. Als seinen Nachfolger beim Kontrollrat schlägt Erich Brost einen Mann vor, den er im Exil kennenlernte. Er heißt Willy Brandt. Anfang 1948 erhält Brost die Lizenz Nr. 192, die Geburtsurkunde
Erich Brost als Abgeordneter des Danziger Volkstages. FOTO: WAZ
Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern für Erich Brost (1978): Ministerpräsident Johannes Rau (r.), Anneliese Brost (2.v.r.) und Verlagsmanager Günther Grotkamp (l.).
Erich Brost im Porträt. Das Bild entstand in Essen um 1957.
redaktion, will mit der WAZ „das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ruhrbevölkerung fördern“. Getragen von „freiheitlichem, rechtsstaatlichem Geist“ und entschieden sozial soll sie sein. Die Sorgen der Menschen im Zentrum der Schwerindustrie sind ihm vertraut, hat doch
der Vater bei einem Lohnstreik die Arbeit verloren. Brost war damals acht, noch mit 90 erinnert er sich seiner Ängste, als sei es gerade erst geschehen. Von der Redaktion erwartet er objektive, verständliche, leicht lesbare Texte. Intellektuelle Attitüde ist ihm
Erich Brost verstarb 1995, drei Wochen vor seinem 92. Geburtstag. FOTO: WAZ
2008 weihte Anneliese Brost den „Erich Brost-Pavillon“ hoch über dem Welterbe Zollverein in Essen ein. FOTO: JAKOB STUDNAR
Rolf Potthoff (68), ehemaliger Nachrichten- und Politikredakteur, ist Mit-Herausgeber zeitgeschichtlicher Dokumentationen.
„Mein Sohn, wenn du fleißig bist, kannst du hier eine Lebensstellung haben.“
Jakob Funke, der 1948 gemeinsam mit Erich Brost die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, somit die Keimzelle der heutigen Funke-Mediengruppe, gründet, ist keiner, der den großen Auftritt sucht, der sich mit großer Geste in der Öffentlichkeit bewegt. Doch Jakob Funke, der Mann, der von der Pike auf die Kunst des Zeitungsmachens erlernt, beweist, dass er noch ganz andere Qualitäten hat, als die eines hervorragenden Journalisten. Eine Tatsache, die ihm in der Gründungsphase der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in der Trümmerlandschaft des vom Bombenkrieg verwüsteten Ruhrgebiets äußerst wertvolle Dienste erweisen wird. Geboren wird Jakob Funke am 4. Mai 1901 in einer Arbeiterwohnung in der Kruppschen Werkssiedlung Kronenberg, die damals nicht zur Stadt Essen, sondern zur noch selbstständigen Gemeinde Altendorf gehört. Sein Vater Johann Heinrich Funke arbeitet als Schlosser bei Krupp, seine Mutter Bertha kümmert sich um die sechs Kinder. Als noch nicht einmal 14-jähriger Heranwachsender wird der spätere Vollblutjournalist in die bis dahin für ihn völlig fremde Zeitungswelt hineingeworfen. Ein knappes Jahr nach dem plötzlichen Tod seines Vaters am 27. März 1914 entdeckt seine Mutter eine Anzeige in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung (RWZ). Eine Entdeckung mit Folgen. Am 16. Februar 1915 findet sich dort folgendes Inserat:
Reinhold Wulle, Chefredakteur der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, ließ dem jungen Jakob „Köbes“ Funke diese Empfehlung übermitteln
„Zum sofortigen Eintritt suchen wir noch einen fleißigen, geweckten Knaben für leichte Bürodienste.“ Für den „geweckten Knaben“ Jakob Funke ist es eine Anzeige, die sein Leben für immer verändern wird. „Da stand ein noch nicht ganz vierzehnjähriger Junge vor uns mit hellblonden Haaren und hellen blauen Augen und grinste. In der Hand schwang er einen Malakka, das war damals schick, und hieb mit dem Rohrstock durch die Luft, dass es pfiff. Dazu lachte er.“ So beschreibt sein älterer Freund Karl Sabel (später viele Jahre Lokalchef der Essener WAZ-Lokalredaktion), der einige Jahre vor ihm bei der RWZ eine Anstellung gefunden hatte, den „Auftritt“ Jakobs in dem eher düster wirkenden Gebäude des ReismannGrone-Verlags im Schatten des alten Grillo-Theaters. Mitten im 1. Welt-
Dieses Foto von Jakob Funke stammt aus dem Mai 1951.
krieg, als sich die Völker Europas in einem schrecklichen Gemetzel gegenüberstehen, nimmt Jakob Kurs auf ein neues Ziel. Absolut verwunderlich aus heutiger Sicht: Dieser kundige und vor allem in seiner Sprache so lesernahe Journalist Jakob Funke trat mit der Gründung der WAZ viele Jahre spä-
FOTO: MARGA KINGLER-BUSSHOFF/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM
ter als Schreiber völlig in den Hintergrund und fungierte als Gesellschafter und als „Verlagsmanager“. Vielleicht war gerade diese strikte Aufgabenteilung zwischen Jakob Funke und Erich Brost, der nicht nur Herausgeber, sondern auch Chefredakteur des neuen Blattes wurde, das eigentliche Erfolgsrezept. Ein Re-
zept, für die später so bewunderte, von manchen beneidete WAZ. Die sich zunächst als Hecht im Haifischbecken gegen wiedererstarkte Altverleger zu behaupten hatte und dies erfolgreich meisterte. Der umtriebige Jakob jedenfalls lernt als Jugendlicher die Welt der Zeitung von Grund auf kennen. Ver-
trauten wird er später immer wieder voll Stolz von diesen Lehrjahren berichten. Ohne richtigen Schulabschluss, ohne jede akademische Bildung, schwimmt er bald ganz oben mit, zieht die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich. Vom Redaktionsboten, der treppauf treppab Manuskripte aus der Schreibstube zur Setzerei brachte, bis zum Chefredakteur des „Essener Anzeiger“, der ebenfalls im Reismann-GroneVerlag erschien, führt ihn sein Weg. Von Reinhold Wulle, Chefredakteur der RWZ, hat Karl Sabel diese Empfehlung an Jakob „Köbes“ Funke überliefert. „Mein Sohn, wenn du fleißig bist, kannst du hier eine Lebensstellung haben.“ Wie recht Wulle haben soll. Köbes, diesen Spitznamen behält er sein Leben lang. Jakob Funke heiratet 1926 zum ersten Mal. Aus der Ehe geht Tochter Gisela hervor. Nach dem Tod seiner ersten Frau Katharina heiratet er ein zweites Mal. Drei weitere Töchter, Renate, Ute und Petra, als jüngste, hat er mit seiner zweiten Frau Rosemarie. Während des Krieges verliert Jakob Funke seine Position. Zeitungen werden zusammengelegt. Auch in Essen verlieren Blätter ihre Selbstständigkeit. Funke gilt als korrekt. Erst spät, im April 1941, tritt er in die NSDAP ein. Wie er später festhalten wird, auf Verlangen seines letzten Arbeitgebers, dem Deutschen Nachrichtenbüro (Vorläufer der Deutschen Presseagentur). Da steht sein Schreibtisch wieder in Essen. Nach dem Krieg findet Jakob Funke einen Job als Journalist bei der von den englischen Besatzungsbehörden herausgegebenen Ruhr-Zeitung. Bis Februar 1946 schreibt er also für die Briten. Da er ein genauer Kenner der Stadt Essen war, dürfte er keinerlei Schwierigkeiten gehabt haben, sich dort zurecht zu finden. Danach arbeitet er wiederum in Essen für das frühe SPD-Parteiblatt Rhein-Echo. Herausgegeben wird es
von Dietrich Oppenberg. Kein Zufall also, dass Funke hier wieder arbeiten kann. Beide kennen sich aus der Sachsenstraße. Oppenberg hatte als Verlagsmitarbeiter, Statistiker, wie Oppenberg einmal selbst sagte, mit dem Redakteur Funke beinahe Tür an Tür dort beim Reismann-Grone-Verlag gearbeitet. Als Oppenberg dann am 13. Juli 1946 die NRZ gründet, ist es nur natürlich, dass Funke ihm dorthin folgt. In dieser Zeit lernt er auch Erich Brost kennen, den ersten Chefredakteur der NRZ. Eine Verbindung, die nachhaltig Früchte tragen soll. Doch noch hat Funke, erster Lokalchef der NRZ, einige Monate Zeit. Bis ins Detail schaltete sich Jakob Funke später in der noch vom Trümmerschutt des Bombenkrieges bestäubten ersten Bochumer Zentrale des jungen Verlags aus ein. Da war es ganz gleich, ob es um Schreibmaschinen, Mobiliar oder schwer zu organisierendes Papier ging.
„An Essener Redaktion … Warum … nicht bei uns … bedauerlich … JFu“ Obwohl er sich nie mehr journalistisch betätigte, hatte er stets ein wachsames Auge auf die Redaktion. Er liebte es, über Zettel zu kommunizieren, mischte sich ein, wenn er es für nötig hielt. Seine journalistischen Erfahrungen ließen ihn die Bedürfnisse des journalistischen Alltags erkennen. Stark, im guten Sinne eines familiär geführten und familiär gelebten Unternehmens, nahm er die persönlichen Sorgen seiner Mitarbeiter wahr. Er sparte jedoch nicht mit Kritik, wenn er es für nötig hielt. Eine seiner von manchen gefürchteten, jedoch stets fair gemeinten Botschaften ist erhalten geblieben: „An Essener Redaktion … Warum … nicht bei uns … bedauerlich … JFu.“ Den Beginn der Zeitungsgruppe WAZ, dem Vorläufer der heutigen Funke Mediengruppe, trieb er kurz vor seinem Tod gemeinsam mit dem 1960 von ihm ins Unternehmen geholten Günther Grotkamp voran. Jakob Funke starb 1975, nur vier Tage nach dem Tod seiner Frau Rosemarie. Auch aus Respekt vor seinem Lebenswerk trägt der Verlag heute seinen Namen. Michael Weeke (55) ist stellvertretender Redaktionsleiter in Bochum. Er recherchiert seit Jahren zum Leben Jakob Funkes.
FOTO: HEINZ JÜRGEN KARTENBERG
der WAZ. Er nimmt den Essener Journalisten Jakob Funke zum Partner, einen glänzenden Organisator und Kenner des Reviers mit wichtigen Kontakten. Obwohl sie sich später entzweien, wird eine Erfolgsgeschichte daraus. Funke leitet den Verlag, Brost übernimmt die Chef-
FOTO: MARGA KINGLER-BUSSHOFF/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM
Brost bleibt präsent in der Redaktion 1970 übergibt Brost die Chefredaktion an Siegfried Maruhn, einem bewährten Vertrauten.1975, neun Jahre nach dem Tod seiner Frau Margarete, aus deren 38jähriger Ehe mit ihm der Sohn Martin hervorging, heiratet er Anneliese Brinkmann, seit der ersten Stunde der WAZ seine Sekretärin und rechte Hand. Fast bis zum Lebensende bleibt er präsent in seinem Büro an der Friedrichstraße, bei der Nachmittagskonferenz, lässt sich über die Weltlage berichten und da ist es dann wieder, jenes „man muss doch informiert sein...“, die Lebensdevise, die sich 1991 auch in der Stiftung des „Instituts für Journalismus in Europa“ in Dortmund niederschlägt, das seinen Namen trägt. Am 8. Oktober 1995, drei Wochen vor seinem 92. Geburtstag, ereilte der Tod mit Erich Brost einen Pionier der jüngeren Zeitungsgeschichte. Die Redaktion verlor einen väterlichen Freund.
Von Michael Weeke
Am Pressetisch während der ersten Wahlkampfkundgebung nach dem Krieg: Jakob Funke (links) und NRZ-Verleger Dietrich Oppenberg (3. von links). FOTO: NRZ
Die Bedürfnisse des journalistischen Alltags stets im Blick: Jakob Funke. FOTO: WAZ
Mit Rosemarie Funke (Mitte) freuen sich die vier Töchter von Jakob Funke (v.l.) Gisela, Ute, Petra und Renate über den Nachwuchs. FOTO: MARGA KINGLER/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM
Jakob Funke mit WAZ-Fotografin Marga Kingler-Busshoff, von der obiges Porträt stammt.
DER VERLAG
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INFORMATIONEN, ENTERTAINMENT, SERVICES –
FUNKE MEDIENGRUPPE
DAS IST DIE DAS P O RT FO L I O ZEITUNGEN 12 Tageszeitungen mit rund 3,7 Millionen Lesern. Zudem etwa 100 lokale Anzeigenblätter. Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Westfalenpost (WP) Neue Rhein-/Neue Ruhr Zeitung (NRZ) Westfälische Rundschau (WR) Hamburger Abendblatt Bergedorfer Zeitung Berliner Morgenpost Braunschweiger Zeitung Harz Kurier Thüringer Allgemeine Thüringsche Landeszeitung Ostthüringer Zeitung
RADIO Die zwölf Westfunk-Lokalradios im Ruhrgebiet und im Hochsauerland sind für rund 1,7 Millionen Radiohörer täglich eine wichtige Informationsquelle. Radio Essen Radio Bochum Radio Duisburg Radio Emscher Lippe Radio Ennepe Ruhr Radio Hagen Radio Herne Radio K.W. Radio Mülheim Radio Oberhausen u.a.
Frauenzeitschriften
Rund 20 Zeitschriften mit mehr als 12 Millionen Lesern, darunter
Rund 14 Titel mit mehr als 14 Millionen Leserinnen, darunter
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GEBURTSTAGSGRÜSSE
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Samstag, 31. März 2018
„Die WAZ ist unverändert die Stimme des Reviers!“ Liebe Leserinnen und Leser, als die erste Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am 3. April 1948 erschien, war Karl Arnold seit einem knappen Jahr als erster frei gewählter Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens im Amt. Das junge Nordrhein-Westfalen begann laufen zu lernen – die junge WAZ begann, jeden Schritt zu begleiten. Heute heißt es 70 Jahre WAZ, 70 Jahre „zwischen Duisburg und Dortmund“, 70 Jahre Lokaljournalismus im Ruhrgebiet!
Alltäglich berichtet die WAZ, was im Ruhrgebiet passiert und interessiert – seit nun 70 Jahren.
FOTO: JAKOB STUDNAR
Ganz besonders das Ruhrgebiet ist in einem Maße identitätsstiftend wie wahrscheinlich kaum eine andere Region in Deutschland. Kohle und Stahl haben es historisch zum Leuchten gebracht. Jetzt, 70 Jahre später, schließen die letzten zwei Steinkohlezechen – dazwischen liegt eine Geschichte, geprägt von Strukturwandel. Gerade die Kohle stand für Lohn und Brot, für Arbeit und Würde, für einen ausgeprägten Zusammenhalt und für eigene Kultur. Und gleichzeitig war diese Zeit des Strukturwandels auch immer mit Unsicherheit und Sorgen verbunden. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung hat diese Geschichte Tag für Tag begleitet, sie in all ihren Facetten und Details aufgeschrieben und damit Heimat, Identität und Orientierung an den Frühstückstisch ihrer Leserinnen und Leser gebracht. Sie hat sich von Beginn an als „Stimme
FOTO: LAND NRW / L. CHAPERON
Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
des Reviers“ verstanden. Ich bin mir sicher, dass das Archiv der WAZ eine überwältigende Geschichte des Ruhrgebiets und seiner Bürger schreibt. Auch heute ist die WAZ unverändert die „Stimme des Reviers“. Sie selbst hat sich gewissermaßen einem Strukturwandel unterziehen müssen und sich dem Zeitgeist der Digitalisierung angepasst. Und das mit Erfolg – die vierseitige Erstausgabe von 1948 hat sich zur größten Regionalzeitung Deutschlands entwickelt und sich früh auf die immer schneller werdende Welt der Online-Nachrichten eingestellt. Sie ist nah dran an den Leserinnen und Lesern, tief verwurzelt in ihrem Verbreitungsgebiet und leistet so einen unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren unserer Demokratie. Herzlichen Glückwunsch, liebe WAZ, zu 70 Jahren Geschichte(n) schreiben! Bleiben Sie weiterhin unabhängiger und kritischer Begleiter der Politik, Freund und Kumpel des Ruhrgebiets und Stimme des Reviers.
DIE GRÜNDUNGSPHASE
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Samstag, 31. März 2018
Wie die WAZ wurde, was sie ist Später als viele Konkurrenten kam die Westdeutsche Allgemeine im Jahr 1948 auf den Zeitungsmarkt. Aber sie hatte ein klares redaktionelles Konzept und konzentrierte sich bewusst auf das Ruhrgebiet. Das war die Basis für eine große Erfolgsgeschichte Von Frank Stenglein
Die Westdeutsche Allgemeine war ein Nachzügler auf dem Zeitungsmarkt, als sie 1948 die Lizenz mit der Nummer 192 der britischen Besatzungsmacht erhielt. Für den wirtschaftlichen Erfolg hätte das ein ernstes Problem sein können. Die Lizenzzeitungen der ersten Stunde, gegründet zumeist im Jahr 1946, waren schon auf dem Markt, hatten Leser und Anzeigenkunden an sich binden können. Eigentlich sprach nicht viel dafür, dass ausgerechnet die WAZ an allen Konkurrenten vorbeiziehen, die unangefochtene Spitzenstellung im Ruhrgebiet erzielen und die auflagenstärkste Regionalzeitung der Bundesrepublik Deutschland werden würde.
„Die Briten hatten blindes Vertrauen zu mir.“
Erich Brost über seine inhaltlichen Freiräume bei Gründung der WAZ
Genau so aber kam es, und drei Faktoren waren dafür entscheidend. Erstens verfolgte die WAZ von Anfang an ein redaktionelles Konzept, das sich von Zeitungen unterscheiden wollte, die sich als Sprachrohr von Parteien oder Interessengruppen verstanden. Zweitens konzentrierte man sich früh in weiser Selbstbeschränkung auf den Ballungsraum Ruhrgebiet, der wirtschaftlich und von der Mentalität seiner Bewohner her relativ homogen war. Und drittens schließlich startete die WAZ dank der Papierzuteilung durch die alliierten Stellen mit einer hohen Auflage von 250 000 Exemplaren. Kurz und gut: Gerade weil sie erst vergleichsweise spät in den Markt ging, konnte die WAZ Fallstricke vermeiden, unter denen Konkurrenzblätter teils heftig litten. Das redaktionelle Konzept war zunächst Sache von Erich Brost, dem die Lizenz zur Herausgabe der WAZ Mitte 1947 angeboten wurde und der im Januar 1948 Jakob Funke als gleichberechtigten Partner ins Boot holte. Erich Brost war Sozialdemokrat, Funke teilte eher konservative Ansichten, und auch sonst waren sie sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Mindestens eines aber einte sie: Von ihrem Naturell und ihren Grundüberzeugungen her waren sie pragmatische Menschen. Für die neue Zeit im Zeitungswesen waren das gute Voraussetzungen. Erich Brost wurde 1903 in Ostpreußen geboren, war Politiker und in den 1920er-Jahren Redakteur bei der sozialdemokratischen „Volks-
stimme“ in Danzig. Als Freie Stadt gehörte Danzig zunächst nicht zum NS-Machtbereich, war aber ständigen Provokationen ausgesetzt. Brost geriet in Lebensgefahr und floh kurz vor dem zweiten Weltkrieg über Umwege nach England. Den Journalismus, den er hier kennenlernte, hielt Brost für zukunftsweisend: Die klare Trennung von Nachricht und Meinung sowie populäre Darstellungsweisen mit unterhaltenden Anteilen („human touch“) waren Leitlinien, die er später in einer Art „Grundgesetz“ den WAZ-Mitarbeitern auferlegte. Das sprachlich Verquaste, gespreizt Gelehrsame, manchmal auch Blasierte, das den altdeutschen Journalismus prägte, sollte bei der WAZ keine Fortsetzung erfahren. „Gründlichkeit ist nicht mit Langeweile identisch“, befand Brost. Kurze Sätze, viel direkte Rede und „straffste Zusammenfassung“ war von Redakteuren und Korrespondenten ebenso gefordert wie „Vermeidung unnötigen Beiwerks“. Ferner: „Wenig Fremdworte, jedenfalls keine ungebräuchlichen“. Hintergrundschilderungen waren aber ausdrücklich gewünscht. Selbst „Vermutungen, Kombinationen und Gerüchte“, waren nach Ansicht des Chefredakteurs „auf jeden Fall zu bringen, soweit sie von Interesse, Gewicht und einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind“ – sie mussten aber selbstredend auch als solche gekennzeichnet werden.
der Tat: Erst dieser Schritt machte die WAZ sehr rasch nach ihrem Erscheinen wirtschaftlich erfolgreich und ließ sie zum Sprachrohr der Industrieregion werden. Jakob Funke war es auch, der von Beginn an die lokale Verankerung vorantrieb. Jede Stadt im Ruhrgebiet sollte ihre spezifische WAZ erhalten, wobei man sich im Untertitel an die Traditionen früherer Lokalzeitungen vor Ort anlehnte, sie quasi eingemeindete. Kaum zu unterschätzen war auch, dass Funke seine alten Vertriebsund Anzeigen-Kollegen für die neue Zeitung gewinnen konnte, was von Beginn an ein hohes Maß an Professionalität und gute Einnahmen sicherte. „Funke war ein außerordentlich tüchtiger Mann“, urteilte Brost 1995 – dass man sich schon bald zerstritten hatte, änderte offenbar nichts an dieser Wertschätzung. Festzuhalten ist: Ohne Brost, der die inhaltlich-journalistische Leitung übernahm, hätte es die Lizenz für die WAZ nicht gegeben. Ohne den Verlagsleiter Jakob Funke und sein organisatorisches Talent aber wäre der WAZ kaum so rasch großer Erfolg beschieden gewesen. „Überall türmten sich Schwierigkeiten“, erinnert sich Brost später. „Die allgemeinen Verhältnisse waren katastrophal. Und wir selbst hatten ja kein Papier, wir hatten keine Druckfarbe, keine Büromöbel, keine eigenen Maschinen, und vor allem: Wir hatten kein Geld.“ Letzteres ließ sich regeln, die WAZ galt als kreditwürdig.
Von der NRZ über Berlin zur WAZ Mit solchen, noch unformulierten Ideen kehrte Brost nach Deutschland zurück und kam erstmals ins Ruhrgebiet. Fünf Monate war er 1946 erster Chefredakteur der Neuen Ruhr/Rhein-Zeitung (NRZ), eine der frühen Lizenzzeitungen, die im westlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein erschien. Bereits Ende 1946 aber folgte er zum Verdruss von NRZ-Verleger Dietrich Oppenberg einem Ruf nach Berlin, wo er Vertreter des SPD-Vorstands beim Alliierten Kontrollrat wurde. Auch dies blieb ein Intermezzo. Im Herbst 1947 kehrte Brost ins Ruhrgebiet zurück, um die von den Briten offerierte Chance zu ergreifen, eine eigene, überparteiliche Zeitung zu gründen: eben die Westdeutsche Allgemeine. Vorausgegangen war eine Umfrage, die die Besatzungsmacht unter den Lesern der Lizenzzeitungen unternommen hatte, die alle nach dem Vorbild der Weimarer Republik Parteien zumindest nahestanden. „Das Urteil war vernichtend. Weit über zwei Drittel der Befragten lehnten die bis dahin den Markt dominierenden Parteizeitun-
„Das habe ich nicht so klar gesehen wie Jakob Funke.“
In der teilzerstörten Margarethenhöhe in Essen – hier ein Bild vom Wiederaufbau – wohnten die WAZ-Gründerfamilien für kurze Zeit in einem Haus. FOTO: RUHRMUSEUM
Erich Brost zur bewussten Beschränkung der WAZ auf das Ruhrgebiet
Britische Besatzungsoffiziere und Diplomaten – hier lässig an einer Bar in den Räumen der beschlagnahmten Villa Hügel – forcierten die Gründung der WAZ. Gewünscht war ein anderer Zeitungstypus als der der ersten Nachkriegsjahre. FOTO: RUHRMUSEUM
gen ab“, heißt es in der Brost-Biografie von Marek Andrzejewski und Hubert Rinklake aus dem Jahr 1997. Dies traf sich exakt mit den Eindrücken von Brost, den die Briten rasch als den richtigen Mann für ihre reformierten Zeitungspläne identifizierten. Das Exil in London und die Tätigkeiten in den ersten Nachkriegsjahren waren dabei entscheidend. Nicht einmal die Namen der Redakteure, die er einzustellen beabsichtigte, musste Brost später vorlegen, was bei anderen Lizenznehmern unabdingbar war. „Die hatten blindes Vertrauen zu mir. Weil sie mich so gut kannten“, so Brost. Nur wenige Monate Vorbereitungszeit blieben bis zum 3. April 1948, dem festgelegten Erscheinungstermin für die erste WAZ-Ausgabe. Brost war klar, dass dies unter den Bedingungen der Kriegszerstörungen, der schlechten Versorgungslage und der allgemeinen Knappheit eine Herkulesaufgabe war. Vom Bleistift bis zur funktionierenden Druckerei fehlte es an allem. Um die Probleme zu meistern, brauchte Brost einen Mann an seiner Seite, der im Ruhrgebiet über mehr und bessere Kontakte verfügte, als er selbst sie haben konnte. Dieser Mann war Jakob Funke. Brost hatte ihn bei der NRZ kennengelernt, wo Funke als Essener Lokalchef seine journalistiche Laufbahn
fortsetzte. Geboren 1901 in Essen, war er der Prototyp des mit allen Wassern gewaschenen Ruhrmenschen: tatkräftig und direkt, durchsetzungsstark und bestens vernetzt.
„Besonders bei den Lokalredakteuren ließ sich das gar nicht vermeiden.“
Erich Brost zum Problem der NS-Belastung der ersten WAZ-Journalisten
Als 14-Jähriger begann er als Botenjunge beim Verlag ReismannGrone, der die Rheinisch-Westfälische Zeitung und den Essener Anzeiger herausgab. Schnell wurde sein journalistisches Talent entdeckt, schon in jungen Jahren erhielt Funke leitende Positionen. Als der Essener Anzeiger 1941 seine Selbstständigkeit verlor, arbeitete er einige Monate bei einer deutschsprachigen Zeitung im besetzten Belgrad, kehrte dann nach Essen zurück und war bis Kriegsende Dienststellenleiter des Deutschen Nachrichtenbüros. Wie viele andere Journalisten, die Brost in verschiedenen Funktionen an seine Seite holte, war Funke Mitglied der NSDAP gewesen. Der späte Zeitpunkt – er trat 1941 bei – lässt aber eher an beruflich motivierte An-
passung denken als an ideologische Begeisterung. Ohne zumindest formal bekundete Regimetreue war es unmöglich, im NS-Staat als verantwortlicher Redakteur zu arbeiten, unbelastete Journalisten gab es deshalb nach 1945 kaum. „Das wusste ich natürlich. Besonders bei den Lokalredakteuren ließ sich das gar nicht vermeiden“, sagte Brost 1995 seinen Biografen. Obwohl Widerständler, vertrat Brost beim Thema NSDAP-Mitgliedschaft eine aus heutiger Sicht erstaunlich gelassene Haltung. Entscheidend war für ihn der glaubwürdige Wille, den demokratischen Neuanfang mitzugehen. In Funkes Wohnung in der halbzerstörten Essener Siedlung Margarethenhöhe, wo auch Familie Brost anfangs Unterschlupf fand, wurden in langen Diskussionen die Weichen gestellt. Die britischen Lizenzgeber wollten die WAZ ursprünglich im ganzen Bundesland NordrheinWestfalen erscheinen lassen. Brost sympathisierte zunächst damit, wich jedoch nicht zuletzt auf Drängen Funkes davon ab und überzeugte schließlich nach schwierigen Gesprächen auch die Briten: Die WAZ sollte sich mit ihrer relativ hohen Startauflage auf das Ruhrgebiet konzentrieren können. „Das war unbedingt der richtige Weg“, so Brost später. „Das habe ich nicht so klar gesehen wie Funke.“ In
Mangelware waren auch Schreibmaschinen, das unentbehrlichste Utensil eines Redakteurs. Bezugsscheine halfen nicht viel weiter, denn wo nichts war, konnte auch nichts bezogen werden. Im Januar 1948 ließ der NRW-Wirtschaftsminister die WAZ-Oberen wissen: „Mir wurden in den letzten drei Monaten insgesamt 51 Maschinen für das ganze Land Nordrhein-Westfalen zugewiesen. Diese Maschinen, denen Tausende von Anträgen, unter anderem solche des Staatskommissars zur Bekämpfung von Korruption und Misswirtschaft, gegenüberstehen, sind längst verteilt. Die Deckung Ihres Bedarfs scheint daher im Augenblick völlig unmöglich.“ Irgendwie klappte es trotzdem. Am 3. April erschien die erste WAZ, ganze vier Seiten stark, gedruckt auf einer Rotationsmaschine in Bochum, der einzigen im Ruhrgebiet, die für die neue Zeitung Kapazitäten frei hatte. „Es waren Wochen, randvoll mit Arbeit und Sorgen“, erinnert sich später Ernst Ney, Redakteur der ersten Stunde und später Korrespondent in der Bundeshauptstadt Bonn. Und er mochte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Ach, diese Schlaumeier, die später schrieben, die neue Zeitung habe ja von Anfang an alles gehabt, was für den glücklichen Start erforderlich war.“ Was zählte, war dies: Die WAZ war da, und sie hatte vor zu bleiben. Frank Stenglein (55) ist Leiter der WAZ Lokalredaktion Essen.
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DIE LIZENZ. DIE CHEFREDAKTEURE
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Samstag, 31. März 2018 DIE CHEFREDAKTEURE DER WAZ
DER DEUTSCHE TEXT DER LIZENZURKUNDE
Militärregierung Deutschland Nachrichtenkontrolle
Lizenz
Zulassung Nr. 192
>
1. Gemäß den im Paragraf 2 festgesetzten Bedingungen, ist folgende Person ERICH EDUARD B R O S T welche im Nachfolgenden als „Zulassungsinhaber“ bezeichnet wird, autorisiert, folgende Tätigkeit auszuführen:
1948 - 1970 | Erich Brost 1970 - 1988 | Siegfried Maruhn
HERAUSGABE DER ZEITUNG „WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG“. 2. Diese Zulassung ist erteilt unter folgenden Bedingungen: a) Dass alle Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Anweisungen der Militärregierung befolgt werden. b) Dass diese Zulassung im Betrieb des Zulassungsinhabers jederzeit öffentlich angeschlagen ist. c) Dass sämtliche Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Plakate oder irgendwelche anderen Veröffentlichungen, ebenso Schallplatten und sonstige Tonaufnahmen und Filme, die gemäß dieser Zulassung hergestellt oder veröf-
<
fentlicht werden, folgende Aufschrift in vorgeschriebener Weise tragen: „Veröffentlicht (oder hergestellt) unter der Zulassung Nr. 192 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung“. d) Dass keine Person, die nicht in diesem Gesuch als an diesem Geschäftsunternehmen finanziell interessiert eingetragen ist, irgendeinen Anteil an dem Nutzen aus dem Geschäftsunternehmen erhält; ferner, dass kein finanzieller Anteil an dem Geschäftsunternehmen für eine im Gesuch nicht erwähnte Person ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis der Militärregierunge zurückbehalten wird.
> 1988 - 2000 | Ralf Lehmann 2000 - 2005 | Uwe Knüpfer
<
e) sonstige Bedingungen: GEMÄSS DEN ALLGEMEINEN UND BESONDEREN ANWEISUNGEN DER NACHRICHTENKONTROLLE AN VERLAGE, DIE EINE ZEITUNGSZULASSUNG INNEHABEN UND SONSTIGEN ANWEISUNGEN, DIE IN ZUKUNFT VERÖFFENTLICH WERDEN MÖGEN.
Die „License Nr. 192“
FOTO: JAKOB STUDNAR
3. Diese Zulassung wird für keine bestimmte Zeitfrist erteilt und stellt kein Eigentumsrecht dar, sie ist nicht übertragbar und kann ohne Kündigungsfrist oder Untersuchung rückgängig gemacht werden.
> 2005 - 2014 | Ulrich Reitz seit 2014 | Andreas Tyrock
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
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DIE ZEITUNG Du sollst berichten, was wahr ist
Quizshow im Fernsehen, die Millionenfrage wird gestellt – und Günther Jauch sagt zu den Kandidaten: Pech gehabt, Frau Müller. Ihre Antwort ist zwar richtig, aber Herr Meier hat seine falsche Antwort viel lauter gebrüllt und ist deshalb der Gewinner! Undenkbar? Leider nein. Fake News und alternative Fakten – ist der Journalismus für die entscheidende Schlacht gerüstet? Von Ulrich Schilling-Strack
Was richtig, was „wahr“ ist, verliert immer öfter. „Fake News“ und „alternative Fakten“, vor nicht allzu langer Zeit noch „Lügen“ genannt, schwingen das große Wort und verwandeln die Medienszene in einen Boxring ohne Regeln. Manipulation und Einschüchterung gab es schon immer in der Branche, aber richtig Fahrt aufgenommen hat die Verlotterung der Sitten mit Donald Trump. Der 45. amerikanische Präsident begreift Journalismus als Krieg mit anderen Mitteln und bekämpft den unabhängigen Reporter als Feind. Wahrheit? Die mache ich mir selbst! Für den Journalismus ist das eine große Bedrohung. Vieles hat sich geändert in diesem Beruf. Die Schreibmaschine wurde durch den Computer ersetzt, und die Nachrichten kann man auch auf dem Handy abrufen. Aber das Kerngeschäft galt als unantastbar und ruhte auf zwei Geboten: Du sollst berichten, was wahr ist. Und das musst du erstmal lernen.
Zu größerer Sorgfalt verdonnert So einfach ist das nämlich nicht, das Wichtige vom Unwichtigen und das Wahre vom Unwahren zu unterscheiden und das Ergebnis dann auch noch in Worte zu fassen. Das braucht seine Zeit. Der Journalist begann also als Praktikant, schaute den erfahrenen Kollegen über die Schulter und war begeistert, als er endlich zum ersten Mal einen Artikel schreiben durfte. Etwa den Marktbericht mit den Eierpreisen oder das Spitzenderby in der Kreisliga, und wehe, man hatte einen Zahlendreher in der Preistabelle oder schrieb den Namen des Torschützen falsch – dann wurde man von der aufmerksamen Leserschaft ausgelacht und vom zuständigen Redakteur zu noch größerer Sorgfalt ver-
donnert. Zweimal nachfragen, dreimal nachprüfen, ob das alles stimmt, was du da schreibst. Nach dem Praktikum gab es – wenn man sich richtig Mühe gegeben hatte! – einen Platz als Volontär, also als angestellter Lehrling, zuweilen noch ein Hochschulstudium, und dann, nach vielen Jahren intensiver Ausbildung, das Redakteursdiplom. Und eine Anstellung. Da war man natürlich mächtig stolz und gelobte, auch in Zukunft die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, zu verkünden.
mehr, damit die Klicks nicht woandershin wandern und das auf Radau basierende Geschäftsmodell zusammenbricht.
Fatale Entwicklung Eine fatale Entwicklung. Mit dem Tempo, dem Lärm im Netz können etablierte Medien nicht mithalten. Sie sollen das auch nicht. Die Annäherung an die Wahrheit braucht Zeit. Recherche, Personal, Mühe. Das kostet Geld. Und das hat sich anderswo orientiert. Alle gedruckten Zeitungen in Deutschland haben in den letzten
zehn Jahren an Auflage, an Bedeutung verloren. Die wirtschaftliche Grundlage war bereits durch die hohen Anzeigenverluste bedroht. Stellenmarkt oder Autoinserate findet man längst nicht mehr in der Samstagsausgabe der Lokalzeitung, sondern im Internet. In den USA, wo man viele Entwicklungen schon ein paar Jahre vor ihrer Ankunft in Deutschland beobachten kann, schien die Messe für
die Tageszeitung, wie wir sie kennen, bereits gelesen.
Die wahre Wahrheit Und dann kommt Trump. Beschimpft unliebsame Journalisten öffentlich als Verbreiter von „Fake News“ und verweigert lang gedienten Korrespondenten im Weißen Haus Antworten auf berechtigte Fragen. „Lügenbolde“, twittert Trump täglich, und kontert mit „alternativen Fakten“. Die eigene Wahrheit, das ist ja mal ganz was Neues. Bisher dachte man, es gibt nur eine Wahrheit, nämlich die wahre Wahrheit. Man schaut aus dem Fenster, sieht die Sonne und denkt: Wow. Blauer Himmel! Schönes Wetter! Aber Trump und Spießgesellen wie Kalle49 wollen vielleicht Regenschirme verkaufen und sagen: Fake News! Wir haben alternative Fakten. Es regnet!
, s w e N e k a F s e l l t a s i d s e n , i g s u e s Z s e n e „Da d n u f r e t e s is nie passiert.“
Kalle49 behauptet ungestraft Und heute? Da spielt die Musik ganz woanders. Gelernte Journalisten werden ausgelacht, und wer ein Handy, einen Computer einschalten kann, wird im Schnellkurs Reporter und ernennt sich zum „Influencer“. Die Dissonanzen sind nicht zu überhören. Manch ein Leser hat sich im allgemeinen Getümmel abgewandt von den etablierten Medien, manch einer hält sie für die Büttel der Mächtigen, und man glaubt nicht mehr das, was Tageszeitung oder Tagesschau vermelden. Man verlässt sich lieber auf Kalle49 bei Facebook, der ungestraft behaupten darf, die Weltverschwörung habe die Erde zur Scheibe gerundet. Kalle ist zwar kein Journalist, hat er nie gelernt, aber er ist ein Blogger, und er posaunt das, was einst am Stammtisch dröhnte, ins Internet – und er verdient mit jedem Klick Geld. Da muss man aber ganz schön laut auf die Trommel hauen, jedes Mal ein bisschen
US-Präsident Donald Trump FOTO: IMAGO
Ein schützenswertes Gut Weil es aber immer noch genug Menschen gibt, die Wahrheit und den Umgang mit ihr für ein schützenswertes Gut halten, ist nicht alles verloren. Beispiel: noch einmal die USA. Die „New York Times“, von Journalisten in aller Welt stets als leuchtendes Vorbild untadeligen Journalismus’ verehrt, schien noch vor Jahresfrist auf dem Weg in den Untergang. Dramatische Auflagenverluste, sogar das Verlagsgebäude musste in höchster Not versilbert werden. Donald Trump adelte die „Times“ als mächtigsten Gegner
und rettete sie damit – sicher ungewollt – vor der Bedeutungslosigkeit. Unerschrocken geißelten die Journalisten vom ersten Tag an die Winkelzüge des neuen Präsidenten und gewannen damit erstmals seit vielen Jahren wieder Leser hinzu. Über eine Viertelmillion Abos kamen in einem Quartal dazu, digitale Leser, keine Printkäufer, aber auch die bringen in den USA, wo die Zeiten der Umsonst-Kultur im Internet vorbei sind, Geld in die Kasse. Der Verlag investierte in die Redaktion. Neue Stellen entstanden, und heute arbeiten wieder 1300 Redakteure für die beste Tageszeitung der Welt. Eine Erfolgsstory.
Pauschal verteufelt Gibt es also auch Hoffnung für die deutsche Zeitungslandschaft? Das bleibt abzuwarten. Noch läuft der Trend, sich an der sogenannten „Lügenpresse“ abzuarbeiten und die etablierten Medien pauschal zu verteufeln. Verleger reagieren unterschiedlich auf die Herausforderungen. Manch einer gibt auf. Redaktionen werden verkleinert, dabei auch mal kurz und klein geschlagen, was das Produkt nicht gerade verbessert und auch noch den letzten Leser vergrämt. Wohin das alles führt, bleibt abzuwarten. Einen Trump als Bösewicht, der die Verteidiger des unabhängigen Journalismus zusammenschweißt, muss man nicht unbedingt haben. Aber ein wenig Hoffnung für unsere Tageszeitung, sorgfältig zusammengestellt von richtigen Journalisten, wird ja wohl gestattet sein. Ulrich SchillingStrack (69) war Sportredakteur, Korrespondent in London und Ressort-Leiter.
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DAS BAND DER SOLIDARITÄT
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Samstag, 31. März 2018
Fotos und Berichte zum „Band der Solidarität“ ließ die WAZ in der Ausgabe vom 15. Februar 1997 über alle Seiten laufen. Es war der größte Reportereinsatz aller Zeiten.
REPRO: MORRIS WILLNER
„Die WAZ ist bis heute Klammer des Ruhrgebiets“ Bodo Zapp erinnert sich an das „Band der Solidarität“ zum Erhalt des Bergbaus Von Frank Meßing Essen. An Zechen-Schließungen hatte sich das Ruhrgebiet längst gewöhnt. Als die schwarz-gelbe Bundesregierung Mitte der 90er Jahre dem Bergbau aber vollends den Geldhahn zudrehen wollte, stand das Revier auf. Und mit ihm die WAZ. Mit Hintergrundberichten und Interviews im Vorfeld verhalf sie dem „Band der Solidarität“ zu einer Größe, die selbst Optimisten nicht für möglich hielten. In die Kette, zu der die Bergbau-Gewerkschaft aufgerufen hatte, reihten sich am 14. Februar 1997 rund 220 000 Menschen ein.
„Das Ruhrgebiet hat keine Gönner“ Motor dieser publizistischen Kampagne war der stellvertretende WAZChefredakteur Bodo Zapp. „Das Ruhrgebiet hat keine Gönner. Die Stimmung war gegen den Bergbau“, erinnert sich der heute 74-jährige Pensionär an die damals so aufwühlenden Zeiten. Für ihn und die WAZChefredaktion stand außer Frage: „Das Ruhrgebiet muss dagegen steuern, dass es platt gemacht wird – auch wenn es nur ein Aufschieben für das Ende des Bergbaus war“, sagt Zapp. „Wer, wenn nicht die WAZ, soll für die Menschen im Revier und ihre Arbeitsplätze kämpfen?“ Nachdem die Redaktion schon Tage zuvor kräftig für das „Band der SoliBodo Zapp mit einem Extrablatt vom 3. Mai 1987 zum Papst-Besuch im Revier. FOTO: LUKAS SCHULZE
darität“ getrommelt hatte, war sie am 14. Februar 1997 „mit dem größten Reportereinsatz aller Zeiten“, wie Zapp sagt, zwischen Lünen und Neukirchen-Vluyn unterwegs. „27 Berichterstatter und 18 Fotografen – so etwas konnte nur die WAZ liefern. Das war toll und hat die Redaktion stolz gemacht“, erzählt der Journalist.
„Stehen hinter Menschen im Revier“ Das „Band der Solidarität“ zog sich nicht nur durch das gesamte Revier, sondern am Tag darauf auch über alle Seiten der WAZ-Ausgabe. „Die Fotos und Berichte wirkten wie ein Förderband der Gefühle“, sagt Zapp. „Wir haben den Menschen des Ruhrgebiets signalisiert, dass wir hinter ihnen stehen.“ Der damalige Zeitungsmacher ist davon überzeugt, dass die Menschenkette zumindest dazu beigetragen habe, das Auslaufen des Bergbaus ohne soziale Brüche zu organisieren. Nicht nur mit der Unterstützung dieses Ausnahme-Ereignisses, sagt Zapp, habe die Redaktion unterstrichen, dass „die WAZ auch heute noch die Klammer des Ruhrgebiets“ sei. So tiefe Kenntnisse aus den Städten könne nur die WAZ liefern.
HINTER DEN KULISSEN DER WAZ
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„Blattabnahme“ in Essen (v.r.): Chefredakteur Andreas Tyrock, Chef vom Dienst Carsten Oberste-Kleinbeck und Seite 1-Macher Lutz Heuken. FOTO: STEFAN AREND
Von Ute Schwarzwald, Thomas Mader und Peter Syzmaniak
2.00
Uhr MEZ. In Peking ist es neun Uhr früh. Felix Lee setzt seine Kaffeemaschine in Gang – und zugleich ein komplexes Räderwerk, das innerhalb von 24 Stunden eine Zeitung produzieren wird. Unser Mann in China ist der fernöstlichste unserer Korrespondenten, einer von 17, die aus Kapstadt, Kairo oder Bangkok für die WAZ schreiben. Was könnte heute in Fernost Thema werden? Lee studiert als erstes Xinhua, Kyodo und Yonhap, die wichtigsten Nachrichtenagenturen.
4.00
Dirk Hautkapp geht schlafen. Der Mann in Washington ist unser westlichster Korrespondent. Bei ihm ist es jetzt 23 Uhr – und er muss früh raus. Wie wir sehen werden. Felix Lee ist inzwischen bei einer Pressekonferenz in der Großen Halle des Volkes in Peking. Er notiert die Worte des chinesischen Außenministers zu Aufrüstung und den Spannungen mit den USA wegen Taiwan. Später wird er das, was der Minister sagt, für die WAZ-Leser übersetzen – nicht nur ins Deutsche.
Felix Lee in seinem Heimbüro. Im Hintergrund läuft „Deutschlandfunk“. FOTO: LEE
5.00
Im Online-Ressort der Berliner Zentralredaktion läuft der Frühdienst auf. Von wegen Journalisten sind Nachteulen.
8.00
Felix Lee hat der Redaktion sein Themenangebot geschickt, Zeit für ein Mit-
Samstag, 31. März 2018
Ein Tag in der Redaktion Irgendwo passiert immer irgendwas: 24 Stunden bei der WAZ – wie wir sie so oder ähnlich täglich erleben tagsschläfchen. In Essen beginnt der „Community-Manager“ Thomas lau den Dienst. Er schaut, was die Menschen in den sozialen Netzwerken bewegt, tauscht sich mit den Lesern auf WAZ.de und auf Facebook aus.
9.00
Reporterin Annika Fischer nimmt ihren Platz im Düsseldorfer LoveparadeProzess ein. Sie verfolgt das Verfahren von Anfang an. Heute sollen interessante Zeugen aussagen. Könnte der Aufmacher auf RheinRuhr werden, das ist die „Seite 3“ der WAZ.
chael Hermes die Mitteilung aus der Anzeigenabteilung: Wo muss er auf den Zeitungsseiten Platz reservieren? Überhaupt wird in der Ära des Großraumbüros viel in Tischen gedacht: Der „News-Desk“ etwa ist der Tisch, an dem die Kollegen die Nachrichten im Auge behalten und
9.15
Im Brief kasten der Oberhausener Lokalredaktion (nur eine von vielen der WAZ, aber die einzige, um die es hier der Übersicht halber gehen wird) findet Sekretärin Karin Bertram einen anonymen Brief: 33 Mitarbeiter des Klinikums würden freigestellt, heißt es. Langsam wird in Essen klar: Es wird doch ein stürmischer Tag. Annika Rinsche schickt die erste Orkanwarnung als Eilmeldungs-Banner aufs Portal und als Push-Mitteilung an die WAZ-App-Bezieher. Es folgt die Entscheidung: Wir starten einen Liveticker. Am 18. Januar, dem „Friederike“-Tag, zählte WAZ.de schließlich 350 000 Leser, die jeder im Schnitt drei Artikel lasen.
5.30
Annika Rinsche, als Chefin vom Dienst ebenfalls zuständig für Online, trifft in der Essener Hauptteilredaktion ein. Noch vor dem Frühstück wollen die Pendler wissen, wo es sich heute staut, welche Züge fahren, welche nicht. Früher schauten die Menschen auf die Nachrichtenseiten im Internet, wenn sie ins Büro kamen, danach flauten die Zugriffe ab mit neuen Spitzen am Mittag und Abend. Seit es Smartphones gibt, steigen die Klicks ab 5.30 Uhr stetig. Rinsche ruft Feuerwehr und Polizei an und checkt, was in der Nacht passiert ist, dann schaut sie aufs Wetter. Braut sich da wieder was zusammen, zuletzt war es ja ziemlich stürmisch?
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Online-Konferenz: Julia Richter, Marc Wolko und Sinan Sat. FOTO: LARS HEIDRICH
9.30
Das Team der WAZHauptteil-Redaktion in Essen macht sich nach und nach ans Werk. Ein früherer Arbeitsbeginn ergibt keinen Sinn, denn der Redaktionsschluss soll möglichst spät liegen, damit das Blatt aktuell ist. Kaum eingetroffen, wird Reporter Hubert Wolf von Frank Preuß, dem Chef der Seite 3, gleich wieder rausgeschickt: Gucken, wie schlimm der Sturm wirklich tobt, am Dortmunder Bahnhof geht angeblich schon gar nichts mehr ... Am Produktions-Tisch, wo die Seiten gestaltet werden, studiert Mi-
wert“ geliefert werden: interaktive Karten, Fotostrecken, Videos? Steht die Live-Schaltung zum Loveparade-Prozess?
10.15
Redakteurin Nadine Gewehr trifft in der Oberhausener Redaktion ein – mit selbst pürierten Smoothies für alle. Lokalchef Peter Szymaniak ist begeistert: „Spart mittags Zeit fürs Schreiben und die Recherche.“ Ein Leser aus dem Oberhausener Norden fragt per Mail nach: In der Nacht habe die Erde leicht gebebt, „was war da los?“ Die Ursache ist rasch geklärt: Gesteinsspannungen im Bottroper Bergwerk Prosper Haniel waren Auslöser, wieder einmal. Gewehr postet die Nachricht auf WAZ.de und Facebook. Dann ruft sie beim Krankenhaus an: „Stimmt es, dass Sie Leute entlassen wollen?“
die Seiten eins und drei. Den Sturm hatten wir gestern noch nicht auf der Liste. Aber wohin dann mit Annika Fischers Bericht vom LoveparadeProzess, der auf Rhein-Ruhr stehen sollte? „Könnte der Sturm nicht auch Tagesthema sein?“, also die Seite zwei, regt Frank Preuß an. Nein, da muss Trump laufen, sagt Andreas Tyrock – zusammen mit dem Kommentar von Dirk Hautkapp. „Ein schönes Paket“. Und wie groß machen wir die Vorwürfe gegen das Oberhausener Klinikum, fragt Lutz Heuken – falls sie sich durch Recherche erhärten lassen?
11.00
Die „Blattkritik“ ist fester Bestandteil der Konferenz; die Volontärin ThuyAn Nguyen übernimmt sie heute. Sie ist extra früher aufgestanden, um jedes Wort zu lesen, jeden Widerspruch aufzudecken. Sie bemängelt Tippfehler, ein flaues Bild und den „unterirdischen“ Text auf, na egal, auf welcher Seite. Jedes Ressort kriegt mal sein Fett weg. Nur so wird man besser. In Oberhausen meldet sich ein empörter Abonnent: Er habe keine Zeitung erhalten. Die kostenlose Nachlieferung wird angeleiert.
10.30
die Zeitung „umschmeißen“, wenn sich ein wichtigeres Thema zeigt. Zeitweise sitzen hier auch die Vertreter der Ressorts Kultur, Politik, Wirtschaft und Rhein-Ruhr. Der Sport kommt für Absprachen vorbei. Lutz Heuken, Chef des Nachrichtentisches und der Seite 1, verschafft sich wie die Kollegen einen Überblick mit Hilfe von Agenturen, Zeitungen, Internet und den eigenen Lokalredaktionen, dann ruft er die beiden Düsseldorfer Korrespondenten an. Was wird heute das größte Thema sein? Armin Laschet zur Schulpolitik, der Dieselskandal oder Schrottimmobilien in den Städten? Das Wetter, weiß Lutz, ist nie zu unterschätzen. Das Telefon von Dirk Hautkapp klingelt. Ein Kollege will wissen, ob Dirk heute Reaktionen zu Trumps neuester Twitterattacke liefern wird. Werde er – wie per Mail angekündigt, knurrt Hautkapp ins Telefon. Aber später. Das politische Washington schlafe um 4.30 Uhr Ortszeit noch. Er eigentlich auch. Gern.
Am Essener Konferenztisch versammeln sich Vertreter aller Ressorts um Chefredakteur Andreas Tyrock. Die Zentralredaktion in Berlin ist per Video zugeschaltet. Deren rund 80 Kollegen schreiben und produzieren Material für mehrere Zeitungen, die zur Funke Mediengruppe gehören, darunter das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost. Sie behandeln die internationalen und deutschlandweiten Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, während die WAZ-Hauptteilredaktion in Essen alle NRW-Themen aus diesen Bereichen sowie Regionales, Kultur und Sport bearbeitet. Zunächst stellt der Berliner Chefredakteur Jörg Quoos das Angebot vor. Dann geht’s in Essen um die eigenen Themen und die Bewertung des gesamten Angebots. Jede Planung ist nur vorläufig, so auch die heutige für
USA-Korrespondent Dirk Hautkapp vor dem „Weißen Haus“. FOTO: DIRK HAUTKAPP
Pflichtlektüre beim Frühstück. Dazu beobachtet er die großen Sender von CNN über NBC bis Fox News, Regionalzeitungen wie den Boston Globe, die LA Times oder die Times Picayune in New Orleans. Und auf die Internet-Portale von Slate über Buzzfeed bis Axiom hat er auch ein Auge. Seine Pläne für den Tag hat er bereits am Vorabend an Berlin gemailt. Da Trump so hektisch agiert, muss er oft Themen nachreichen. Maximal bis 17 Uhr seiner Zeit (22 Uhr MEZ) hat Dirk Chancen, etwas unterzubringen.
11.35 „Blattkritik“ im Konferenzraum mit den Vertretern der Ressorts.
11.30
Thomas Kloß, Online-Chef in Berlin, ruft auf dem Weg in sein Büro ein erstes Mal „FERTIGWERDEN!!!“ in die Redaktion. Acht Stunden zu früh, aber er war ja einst in Essen als Chef vom Dienst verantwortlich dafür, dass alle Seiten pünktlich rausgingen. Der Spruch hat sich irgendwann verselbstständigt. Dirk Hautkapp in Washington sitzt an seinem Schreibtisch, gegen fünf Uhr seiner Zeit (10 Uhr MEZ)
10.00
Felix Lee beginnt zu schreiben. Die Online-Kollegen konferieren, natürlich an ihrem Tisch. „Läuft der Sturm-Ticker?“, fragt Annika Rinsche. Ein Kollege kümmert sich um diese Live-Berichterstattung. Zu welchen Themen kann noch „Mehr-
steht er in der Regel auf. „Anders ist meine erste Deadline gegen 16.30 Uhr deutscher Zeit nicht zu schaffen“, erklärt der USA-Korrespondent. New York Times, Washington Post und das Wall Street Journal sind
Video-Schaltung mit der Berliner Zentralredaktion. Das Themenangebot muss mit der NRW-Planung koordiniert werden. FOTOS (4): INGO OTTO
Ein älterer Herr schiebt sich mit seinem Rollator in die Oberhausener Redaktion: Ob man freundlicherweise seine Einladung fürs Skat-Traditionsturnier verbreiten könne. Kann man. Das Krankenhaus hat auch endlich zurückgerufen. Der Klinik-Manager will um 17 Uhr Auskunft geben, in seinem Büro.
11.45
„Was macht Bochum?“ Frank Preuß leitet die Telefonschalte des RheinRuhr-Ressorts mit den zwölf Lokalredaktionen der WAZ (ohne Stadtteilredaktionen). Insgesamt nennen die Kollegen Frank Preuß etwa 40 Themen. Der Prozess in Bochum hört sich spannend an; vielleicht was für den „Aufsetzer“, den zweitgrößten Text unten auf der RheinRuhr-Seite. Da der Angeklagte aus Herne kommt, können die Kollegen dort den Text übernehmen. Für das neue Start-up-Unternehmen in Duisburg dürften sich die Wirtschaftskollegen interessieren. Oberhausen will dem „Anonymen Brief“ erst einmal gründlicher nachgehen. Als wichtigstes Thema legen Peter Szymaniak und seine Stellvertreterin Andrea Rickers vorläufig fest: Warum fehlen unseren Schulen so viele Lehrer und Sonderpädagogen? Wir müssen die Nachrichten eben immer wieder nach Wichtigkeit sortieren. Nur Spötter behaupten, im Journalismus sei „Schubladendenken“ weit verbreitet.
HINTER DEN KULISSEN DER WAZ
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Morgendliche Blattkritik in Oberhausen (v.l.): Nadine Gewehr, Ralph Wilms, Lokalchef Peter Szymaniak, Michael Bresgott und Andrea Rickers.
12.30
Die ersten Kämpfe sind gefochten, Zeit fürs Mittagessen. Ayhan Esler bietet in der Kantine Schwäbische Gemüsepfanne an. Frank Preuß bittet darum, die Maultaschen gut abtropfen zu lassen (es gibt nichts Schlimmeres als Suppe, wo keine hingehört. Nur Koriander ist schlimmer). Koch Ayhan lächelt, er kennt das schon.
Ayhan Esler kocht frisch in der von „Bistro Essart“ betriebenen Kantine.
13.00
Michael Bresgott kommt von einem Termin mit Oberhausener Bürgern, die sich über Straßenlärm beschweren. Seine schwarze Daunenjacke legt er gewohnheitsmäßig nicht ab – sicher muss er gleich wieder raus. „Wo wart ihr denn alle, Mittagessen mal wieder?“, will Reporter Andreas Böhme von seinen Kollegen im Rhein-Ruhr-Ressort wissen. Er bringt sich immer Brötchen mit und war am Morgen bereits unterwegs, traf Polizisten, die ihm von ihrem Berufsalltag berichteten. Hubert Wolf hat am sturmumtobten Dortmunder Bahnhof „Gestrandete“ gefunden und sich von ihren Nöten berichten lassen. Eine Kurzfassung seiner Geschichte hat er bereits fürs Internet geschrieben. Mit Frank Preuß spricht er nun ab, wie viel Text er für die Seite 3 liefern soll. Annika Fischer meldet sich aus Düsseldorf. Nur in der Mittagspause
des Loveparade-Prozesses darf sie ihr Handy benutzen. Sie erfährt, dass ihr Bericht nur der Aufsetzer werden kann – wenig erbaulich.
13.30
Annika Rinsche will Feierabend machen. Die Tagschicht ist seit 9.30 Uhr da, der Spätdienst beginnt gegen 15 Uhr. Ausgerechnet jetzt kommt der Anruf aus Oberhausen: „Bei uns haben sie gerade einen Blindgänger gefunden, der muss noch heute entschärft werden.“ Eine Meldung (welche Straßen sind gesperrt) ist schnell auf dem Portal, die Oberhausener Kollegen liefern Text, Foto und Video.
14.05
Anruf des Krankenhauses in der Oberhausener Redaktion. Der Geschäftsführer habe nun doch schon Zeit. Ob die Kollegin Gewehr wohl früher kommen könne?
15.00
Felix Lee klappt den Rechner zu. Bei ihm ist es 22 Uhr, alle Texte sind abgeschickt, und der Ferne Osten geht nun zu Bett, auch politisch. Lutz Heuken telefoniert mit Heiko Sakurai, der die Karikatur für Seite 2 liefert. Drei Vorschläge hat er geschickt, alle drei sind gut. Doch nur eine Zeichnung kann ins Blatt.
16.00
Spätestens jetzt wird geschrieben. Um diese Zeit ist es am ruhigsten im Essener Großraum, den sich Kultur, Wirtschaft, Politik und Rhein-Ruhr sowie das „Wochenende“ teilen. Politikredakteurin Stephanie Weltmann fragt bei den Düsseldorfer Korrespondenten, wie die Schlagzeile zu Laschets Schulpolitik lauten kann. Die Opposition ist dagegen – vielleicht „Streit um ...?“
17.30
Redaktionsbote Uwe Hoch kommt zum dritten und letzten Mal, um Briefe mitzunehmen oder abzugeben. Schließlich wollen wir auch unseren Lesern antworten, die keine Email-Adresse haben. Außerdem sammelt Uwe die Fußballtipps ein. „Denk dran“, sagt er traditionell zum Abschied. „Die Post muss raus.“ Er meint nicht nur seine eigene, wie wir noch sehen werden. In Oberhausen ist nun klar: Es gibt keine Massenentlassungen in der Klinik, ein Dutzend Krankenschwestern wird allerdings in die Altenpflege versetzt. Die Redaktion beschließt, nicht mehr aktuell zu berichten. Das Thema kann besser morgen breiter recherchiert werden: Es gilt zu überprüfen, wie die Situation in anderen Kliniken aussieht. Handelsexperte Frank Messing feilt an seinem Kommentar zu den Butterpreisen, da kommt ein Anruf: Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer hat eine Studie zum Dieselskandal für die WAZ – ein starkes Thema. Die Wirtschaft muss umplanen.
18.00
Andreas Tyrock und Alexander Marinos, der stellvertretende WAZChefredakteur, treten vor die große Bildschirm-Wand am „Newsdesk“ in Essen. „Blattabnahme“: Die ersten Seiten aller WAZ-Lokalausgaben werden hier allabendlich eingeblendet, einige sind um diese Zeit so gut wie fertig, andere noch „Baustelle“. Unter anderem kommen Lutz Heuken hinzu, Carsten ObersteKleinbeck, der Chef vom Dienst, und HDS (viele Kollegen tragen Spitznamen anhand des Autorenkürzels). Heinz-Dieter Schäfer ist Chef des Regiodesks, also eines weiteren Tisches. Sein Team übernimmt
FOTOS (2): FABIAN STRAUCH
die Seitengestaltung für fast alle Lokalredaktionen. Sie schauen gemeinsam vor allem auf Fotos und Überschriften. Warum ist jenes Thema nicht auch im Hauptteil? Oberhausen hat aber eine starke Zeile!
18.30
Andreas Tyrock „kippt“ das Bild vom leer gefegten Dortmunder Bahnhof, das für die Titelseite ausgesucht wurde. Bildchef Felix Heyder hat längst alternative Fotos vorbereitet, normal bei solchen Lagen. Die Runde entscheidet sich nach kurzer Diskussion für ein anderes, das die Feuerwehr beim Wegschaffen eines umgestürzten Baumes zeigt.
19.00
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Samstag, 31. März 2018
Immer nah dran: Reporter Hubert Wolf im Einsatz.
sitzen und dem Dirigenten Steven Sloane auf die Finger schauen.
19.30
Die „Postausgabe“ muss raus, Redaktionsorakel Uwe Hoch hat es vorhergesagt. Damit ist der Abgabetermin für die Zeitungsausgabe gemeint, die
Qualitäts-Check in Oberhausen mit Lokalchef Peter Szymaniak.
per Post versendet und sogleich an den Kiosken verkauft wird. Tatsächlich entstehen jeden Abend mehrere unterschiedliche Ausgaben, denn die Städte werden nacheinander gedruckt: Wenn etwas passiert, können wir noch eine ganze Weile Seiten ändern und „nachschieben“. Auch Oberhausen schickt nun seine Seiten an die Druckerei.
19.15
20.01
Stephanie Weltmann liest Korrektur – manchmal noch in der Bahn.
22.40
Sportreporter Thomas Tartemann sendet mit dem Schlusspfiff seinen Spielbericht aus der Gelsenkirchener Arena – die Drucker müssen die aktualisierte Seite so schnell wie möglich bekommen. In der Redaktion haben Melanie Meyer und Andreas Berten schon die Schlagzeile gemacht und die Bilder ausgesucht. Die Teamarbeit im wohl zeitkritischsten Ressort sitzt.
23.00
In Essen wird die Zeitung ausgedruckt und gelesen. Ebenso in Oberhausen: Alle acht Lokalseiten und die beiden Nachbarschaftsseiten hängen in Reihe. Das Team begutachtet Schlagzeilen (treffend, spannend, verständlich?), Fotos (Hingucker?) und sucht nach „Doubletten“. Manchmal schafft es ein Thema zweimal in die Zeitung – der Alptraum eines jeden Blattmachers. Kulturreporter Lars Ludwig von der Gönna macht sich auf ins Musikzentrum Bochum. Er wird in der ersten Reihe
FOTO : RALF ROTTMANN
Die Post ist endlich raus, die meisten Redakteure auch. Da meldet sich Stephanie Weltmann bei Carsten Oberste-Kleinbeck im Spätdienst: Auf der Heimfahrt, in der Bahn, hat die Politikredakteurin in einem Ausdruck doch noch einen Fehler entdeckt. Carsten korrigiert und schiebt die Seite nach. Die Drucker machen eine neue Druckplatte daraus.
21.40
Redaktionsschluss für die „Hauptausgabe“ der WAZ, die an die Abonnenten geliefert wird.
Carsten ObersteKleinbeck und Sinan Sat für Online machen Feierabend. Wenn sich wichtige Dinge ereignen, kann der Spätdienst aber auch länger dauern. Beim Militärputsch in der Türkei war das so oder bei den Anschlägen von Nizza, erinnert sich Carsten. „Ich war nur noch zufällig in der Redaktion. Hatte gebummelt. Um 23.40 Uhr kamen die ersten Agentur-Meldungen: Lkw fährt in Menschenmenge.“ Ein guter Teil der Leser erfuhr dies schon am nächsten Morgen aus der WAZ. Theoretisch könnte auch Dirk Hautkapp den Nachmittag genießen. Praktisch schreibt er noch drei Texte – zusätzlich zum üblichen Pensum.
23.10
Die Druckereien in Essen und Hagen laufen jetzt auf Hochtouren, der Velberter Lokalteil ist schon fertig. Die Ausgabe Duisburg-Nord wird als letzte gegen 2.35 Uhr angedruckt.
2.00
Zusteller Harry Ebert holt an einer Bochumer Bushaltestelle „sein“ Paket ab und wirft einem Leser nach dem anderen die WAZ in den Briefkasten. Felix Lee schmeißt seine Kaffeemaschine an.
IHRE WAZ ZIEHT UM
SEITE 18/19 Medienhaus 2
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Samstag, 31. März 2018
Medienhaus 1 SÜD
Medienhaus 1 NORD
Das neue Medienhaus der Funke Gruppe
4. Obergeschoss FUNKE Lounge
und Dachterasse
5. Obergeschoss FUNKE Sport 2. Obergeschoss Lokalredaktionen
WAZ / NRZ
Erdgeschoss Kiosk 2.0
Erdgeschoss Konferenz und
Seminarbereich
1. Obergeschoss WAZ / NRZ Redaktionen
und Produktionsdesk
Erdgeschoss Mitarbeiterrestaurant 1. Obergeschoss Konferenz und hn ütze
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Erdgeschoss Service Center
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1. Obergeschoss Fitnessraum
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FUNKEGRAFIK NRW: BERTELMANN / KONOPKA
FUNKEGRAFIK NRW
Bekenntnis zum Standort Im Sommer ziehen 1300 Verlagskaufleute, Anzeigenvertreter, Techniker und Redakteure in die neue Unternehmenszentrale Von Michael Kohlstadt
Grundsteinlegung am 4. Juli 2016: Architekt Herwig Spiegl, Essens Stadtdirektor Hans-Jürgen Best, Stephan Kölbl, DAL-Geschäftsführer Kai Eberhard sowie die Geschäftsführer der Funke-Gruppe, Michael Wüller und Manfred Braun (v.l.). FOTO: ROTTMANN
Der Berliner Platz in Essen ist einer der verkehrsreichsten Orte im Ruhrgebiet. In der Mitte das Medienhaus 2 der neuen FunkeZentrale, rechts das Einkaufszentrum Limbecker Platz. FOTO: KAI KITSCHENBERG
Essen. Der Innenausbau ist weit gediehen, der Umzug en détail geplant. In diesem Sommer ist es soweit: Passend zum WAZ-Jubiläum bezieht die Funke Mediengruppe nach zweijähriger Bauzeit ihre neue hochmoderne Firmenzentrale. Über 1300 Beschäftigte wechseln dann an den quirligen Berliner Platz in Essen: Verlagskaufleute und Anzeigenvertreter, Techniker und Redakteure. Die bisherige Verlagszentrale im Büroviertel nahe Hauptbahnhof und Bahndamm wird aufgegeben. Nur das Druckzentrum an der Essener Schederhofstraße bleibt, wo es ist. Ganz bewusst haben sich die Funke-Verantwortlichen entschieden, am Stammsitz in Essen zu bleiben. Es ist die Stadt, in der aus der WAZ in den vergangenen Jahrzehnten ein multimedial aufgestelltes Medienhaus heranwuchs. Die Standortentscheidung für Essen darf man also als
klares Bekenntnis zur Historie des Unternehmens und gleichermaßen als Orientierung in die Zukunft verstehen. Der Neubau selbst weckt hohe Erwartungen, obwohl er trotz imposanter Größe eher durch schlichte Eleganz besticht. Der architektonische Entwurf stammt vom Wiener Architekturbüro „AllesWirdGut“.
In guter Nachbarschaft Der insgesamt 285 Meter lange Gebäudekomplex am Rande des Essener Uni-Viertels unterteilt sich in einen langgezogenen Gebäudetrakt mit drei Querriegeln und in einen markanten Medienturm direkt am belebten Berliner Platz. Das Hauptgebäude besteht seinerseits aus einem Nord- und einem Südtrakt. Beide sind durch eine verglaste, viergeschossige Brücke miteinander verbunden. Die unterhalb der Brücke verlaufende Straße führt mitten in eines der modernsten und größten Wohnquartiere der Stadt: Essens grüne Mitte.
Auch ansonsten befindet sich die neue Funke-Zentrale in guter Gesellschaft. Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Essener City, das riesige Einkaufszentrum „Limbecker Platz“ sogar direkt vis-à-vis. Auf der anderen Seite des viel befahrenen Verkehrskreisels bietet sich das ColosseumTheater mit seiner historischen Krupp-Hallen-Fassade als Blickfang an. Nebenan lockt Essens größter Kino-Komplex Abend für Abend Hunderte Gäste an. Und im Norden des neuen Funke-Areals schlägt – nur getrennt durch den neuen Radschnellweg Ruhr – das Herz von Lehre und Wissenschaft: der Campus der Essener Universität. Michael Kohlstadt (55) ist Redakteur im Politikressort der Essener WAZZentrale.
Vier Fragen an . . . Heiko Hansler (40), Immobilienchef der Funke Mediengruppe
1
Der Neubau der Zentrale eines großen Medienunternehmens muss für jeden Bauingenieur eine Herausforderung sein. Was ist das Besondere an der neuen FunkeZentrale? Zunächst einmal die schiere Größe. 38 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche verteilt auf einer Länge von insgesamt 285 Metern sind ein Pfund. Hinzu kommen die sehr unterschiedlichen Nutzungsarten des „Funke Media Office“. Es ist ja mehr als nur ein klassisches Bürogebäude. Es gibt eine Kita, ein Seminarzentrum, ein großes modernes Mitarbeiter-Restaurant mit Außenbereich, ein öffentliches MedienCafé im „Kiosk“ des Medienturms. Ein besonderes Augenmerk mussten wir natürlich auf die spezielle Redaktionstechnik legen, die im Haus verbaut wird.
2
Was bedeutet das konkret? Es gibt unzählige Bildschirme im ganzen Haus. Allein acht sogenannte Medienwände mit jeweils zwölf großen Monitoren unterstüt-
„Wir wollen nach außen zeigen, dass wir ein Medienunternehmen sind.“ zen die Redaktionen bei der tägliche Produktion unserer Zeitungen und Online-Seiten. Dass die FunkeZentrale ein Medienhaus ist, soll aber auch baulich für alle deutlich sichtbar werden.
3
Und das geschieht wie? Zum Beispiel durch unsere Newswall oben auf dem Medienhaus 2, mit 40 Metern Länge, 7,5 Metern Höhe die größte MediaLeuchtwand Deutschlands. Mittels der insgesamt 480 000 elektroni-
schen halbkreisförmig angeordneten Bildpunkte können hier Nachrichten aller Art übertragen werden. Ein Unikat wird auch die zwölf Meter lange Medientreppe im Eingangsfoyer des Hauptgebäudes. Sie ist Stufe für Stufe mit LED-Panels bestückt, die zusammen wie ein riesiger Bildschirm wirken.
Rundblick: eine Büroetage im Medienturm. FOTO: ULRICH VON BORN
4
Die Fassade des langgestreckten Hauptgebäudes ist tief schwarz, der Medienturm strahlt dagegen silbern. Ein bewusstes Farbkonzept? Der schwarze Riegel des Medienhauses 1 soll an ein Kohleflöz erinnern. Das symbolisiert die Heimatregion des Verlages: das Ruhrgebiet. Das Schwarz steht aber auch für die Druckerschwärze. Der silberne Medienturm nimmt die Form eines Druckzylinders auf. mko Heiko Hansler ist Bauingenieur, hat vor seinem Studium aber auch eine Maurerlehre absolviert. Er verantwortet den Immobilien- und Liegenschaftsbereich der gesamten Funke Mediengruppe.
Der Neubau der Funke-Zentrale am Berliner Platz am Rande der Essener Innenstadt erstreckt sich auf einer Gesamtlänge von 285 Metern. FOTO: HANS BLOSSEY
Der Medienturm: Mitte Mai 2017 wurde hier das Richtfest gefeiert. FOTO: ULRICH VON BORN
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Originalbildunterschrift: „Der Maschinensetzer tastet den Text und löst Gußmatritzen aus dem Typenmagazin.“ Auch eine Arbeit, die es lange nicht mehr gibt.
ZEITUNGSGESCHICHTE
Das erste WAZ-Haus mit den Redaktions- und Verlagsräumen (re.) und den technischen Abteilungen (li.). Diese Gebäude gibt es – stark verändert – noch heute.
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Samstag, 31. März 2018
Korrektoren prüfen die Text-Manuskripte auf Fehler. Mittlerweile gibt es bei der WAZ wieder Korrektoren, jetzt prüfen sie allerdings fertige Seiten.
Faszination des Zeitungmachens Über das erste eigene Verlagshaus der WAZ ließ Verleger Jakob Funke 1954 einen Bildband herausgeben. Der bekannte Fotograf Albert Renger-Patzsch schuf ein einzigartiges Firmen-Porträt
Von Frank Stenglein
Handarbeit von Schriftsetzern und Hilfskräften war bis in die 1980er-Jahre hinein notwendig. Hier werden so genannte Klischees mit Druckerschwärze eingefärbt.
Kühle Modernität der 1950er-Jahre in der Eingangshalle, wo Anzeigen angenommen und Abonnements abgeschlossen werden konnten.
Ein Zimmer in der Redaktion. „Ruhe zu geistiger Arbeit in einem hellen Raum“, heißt es im Original. Links Siegfried Maruhn, später WAZ-Chefredakteur.
Die WAZ trägt den Nerz nach Innen, heißt ein geflügeltes Wort, das viele Jahre lang mit einem gewissen Stolz vorgetragen wurde. Das 1954 fertiggestellte, erste eigene Verlagshaus an der Friedrichstraße in Essen ist Stein gewordener Ausdruck der nüchternen Reduzierung auf das Wesentliche wie auch der Abneigung gegen Protz und Pomp. Generell war die Architektur der 1950er-Jahre geprägt von großer Schlichtheit, von Helligkeit und dem Willen zur Transparenz. Dies konnte kühl, fast klinisch sauber wirken, aber auch etwas Erhabenes verströmen.
Funke wollte die Zentrale in Essen Diesen Geist atmet idealtypisch das Verlagshaus der WAZ, das ganz ein Werk von Jakob Funke war. Er war es, der darauf drang, dass die noch junge Zeitung von ihrem Gründungsort Bochum nach Essen zog. Funke trieb dabei nicht nur die Liebe zur Heimatstadt. Für ihn gehörte die WAZ einfach in die damals unbestrittene Metropole des Ruhrgebiets, in der sich auch das mediale Leben der Region konzentrierte. Der wachsende Erfolg des Unternehmens verschaffte die finanziellen Mittel, um diese Investition im alten Essener
Zeitungsviertel zu stemmen, wo Funkes Karriere begonnen hatte. Vom stillen Stolz, den Jakob Funke für sein Verlagshaus empfand, zeugt ein für damalige Verhältnisse aufwändiger Bildband, aus dem die Fotos auf dieser Seite entnommen sind. Der in Essen bestens vernetzte Verleger gewann dafür Albert Renger-Patzsch, einem Meister der fotografischen Sachlichkeit, der wie die Familie Funke lange in der Siedlung Margarethenhöhe gelebt hatte. Renger-Patzsch fotografierte das Verlagshaus vom Papierkeller bis zur Kantine im fünften Obergeschoss, in genau jenem Stil, für den er in Fachkreisen berühmt war: sezierend wie ein Chirurg, dabei keineswegs distanziert und mit einem Blick für die Würde der Arbeit. Nichts Chaotisches, nichts Hektisches haftet hier dem Zeitungmachen an, vielmehr entsteht der Eindruck einer technisch hypermodernen Präzisionsmanufaktur fürs gedruckte Wort. Dies wird unterstützt durch den Buchtext von Karl Sabel, der die Essener Lokalredaktion leitete und Funke freundschaftlich verbunden war. „Ein Bürohaus ist kein Palast. Es soll in der Ansicht so ordentlich sein wie die Arbeit, die in ihm erwartet wird“, schreibt Sabel. So hat es dem Verleger sicherlich gefallen.
Das Arbeitszimmer von Jakob Funke, eingerichtet in betont nüchternem Stil, der nichts Einschüchterndes hatte. Hinten links sind Fotos seiner vier Töchter erkennbar.
Im Papierkeller unter der Druckerei lagerten die zentnerschweren Papierrollen. Nach Neubau und Vergrößerung der Druckerei diente der Keller als Tiefgarage.
„Der Handsetzer stellt noch wie zu Zeiten des Johannes Gutenberg Type neben Type.“ Ein angesehener, uralter Beruf, der im Zuge der Digitalisierung ausstarb.
In der Wagenhalle im Hof des Verlagshauses warten die klassischen VW-Bullis auf ihren Einsatz. ALLE FOTOS: ALBERT RENGER-PATZSCH/WAZ
ZEITUNGSGESCHICHTE
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Einmal Zukunft und zurück Von der bleiernen Zeit zur multimedialen Produktion: Eine kurze Geschichte der Zeitungstechnik von 1948 bis zur Gegenwart Anfang der 1990er-Jahre hielt der Ganzseitenumbruch Einzug bei der WAZ: Mit dem „MulticomSystem“ konnte man nun am Bildschirm komplette Seiten gestalten und geschlossen ausgeben, bald sogar mit integrierten Bildern. Sie sei so schwarz wie die Kohle im Revier, hatten Spötter der WAZ einst nicht ganz zu Unrecht unterstellt. Nun wurde die Zeitung immer luftiger, bunter, besser lesbar.
Von Frank Grieger Essen. Es gab mal eine Zeit, in der Telefone Wählscheiben hatten. In der nicht mal Commander McLane vom Raumschiff Orion „dieses Internet“ prophezeit hätte. Wackere Redakteure hackten ihre Texte auf Papier – mittels kiloschwerer Schreibmaschinen (für junge Leser: das war so eine Art Tastatur, die direkt drucken konnte). Berufe wie Maschinensetzer, Metteure, Stereotypeure oder Klischee-Ätzer waren unverzichtbar, bevor sie als Kollateralschaden des technischen Fortschritts verschwanden wie Dinosaurier nach dem großen Meteoriteneinschlag.
Die bleierne Zeit Bis Anfang der 1970er-Jahre regierte bei der WAZ das Blei. Zu Beginn oft im Handsatz wie in den Tagen des seligen Johannes Gutenberg. Zunehmend mit Setzmaschinen wie der berühmten Linotype: Für jeden vom Setzer getippten Buchstaben spuckte sie eine Matrize (Gussform) aus und reihte diese zu Zeilen aneinander. Die fertige Zeile wurde mit flüssigem Metall ausgegossen: Es entstand die namensgebende „line of types“. Für ganze Seiten kombinierte man die Zeilenblöcke zu Druckstöcken, das Blei wurde nach dem Druckvorgang wieder eingeschmolzen. Derweil produzierte die „Klischeeanstalt“ aus Bildern Druckformen: Vom Originalfoto wurde ein Negativ hergestellt und durch eine Rasterplatte in Punkte aufgelöst: je dunkler die Partie des Origi-
Gegenwart: Mit „Méthode“ können Lisa Dießner und ihre Mediengestalterkollegen die Seiten in ein ansprechendes Gewand kleiden. FOTO: MARIT LANGSCHWAGER
nalbildes, umso dicker die Rasterpunkte. Das Ganze wurde auf eine Zinkplatte mit lichtempfindlicher Schicht kopiert. Nach dem Aushärten konnten die empfindlicheren Zwischenräume mit Säure weggeätzt werden. Übrig blieben die Rasterpunkte, und los ging’s – fast wie beim Kartoffeldruck. Von den Bleiseiten wurden „Pappmatern“ erstellt (de facto eine Sicherheitskopie), aus denen die halbrunden Druckstöcke für die Zeitungsrotation gegossen wurden. Mit der Zeit wurde die Leistung der Setzmaschinen durch neue Techniken wie Lochstreifenprogrammierung optimiert. Doch mit etwa 3600 Zeilen pro Stunde war die Kapazität des Bleis ausgereizt.
Der Weg ins Licht In den 1970er-Jahren ging die Reise zunehmend in Richtung Foto-
und vor allem Lichtsatz: Durch Belichtung wurde die Druckvorlage auf einen Trägerfilm übertragen – eine wichtige Voraussetzung für die Erstellung von Offset-Platten. Denn zeitgleich fand auch in den Druckereien die Umstellung auf dieses Druckverfahren statt, bei dem das Bild der Zeitungsseite nicht direkt von der harten Druckplatte, sondern über den Umweg eines weichen Gummituchs aufs Papier übertragen wird. 1976 klang es zunächst wie Science Fiction: Jeder Redakteur sollte bald schon seine Texte über eine „Video-Schreibmaschine“ in einen Zentralrechner befördern. Der gibt Textfahnen aus, die man von Hand mit den gerasterten Bildvorlagen zu Seiten zusammenschnitt und klebte. Die Vision des „Klebesatzes“ wurde Wirklichkeit, 1979 erschien die letzte Seite im Bleisatz.
Storys und Service auf allen Kanälen Einen weiteren Meilenstein bildete 2009 die Einführung des Redaktionssystems Méthode von EidosMedia: Mit freien Fotoformen und Infografiken ermöglicht es, zeitgemäßes Erzählen in ein ansprechendes Gewand zu kleiden. Und das nicht nur im Druck, sondern multimedial im Internet: 70 Jahre, nachdem die erste WAZ erschien, gedruckt in Bochum fast wie zu Gutenbergs Zeiten. Aus heutiger Sicht mag man lächeln über jene graue Vorzeit der Zeitungstechnik, die so antiquiert erscheint wie Dampfloks oder Zeppeline. Doch 70 Jahre WAZ, das bedeutet auch: 70 Jahre technische Innovation, die das Medium in seiner modernen Form erst möglich gemacht hat. Frank Grieger (54) ist seit 27 Jahren WAZ-Angestellter. Seit 2017 leitet er im Anzeigenbereich die Abteilung Sonderthemen NRW.
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Samstag, 31. März 2018 TECHNIK, DIE BEGEISTERTE
Hellschreiber. Fax und
E-Mail? Davon konnte in den 1940er- und 1950er-Jahren natürlich noch lange keine Rede sein. Stattdessen gab es auch bei der WAZ „Hellschreiber“, benannt nach Erfinder Rudolf Hell. Bei dieser Art des Fernschreibers, den unter anderem Presseagenturen nutzten, wurden Schriftzeichen in ein Raster von (7 x 7) Bildpunkten zerlegt, per Funk oder Telefonkabel an ein Empfangsgerät übertragen und dort am laufenden Meter auf schmale Papierstreifen in Reinschrift gedruckt. Schreibkräfte übertrugen sie dann auf Manuskripte.
Rohrpost. 1961 wurde das WAZ-Druckhaus an der Essener Schede-
rhofstraße eingeweiht. Mit einer technischen Sensation: Eine unterirdische Rohrpost verband Redaktion und Druckerei. In den Büchsen, die per Druckluft auf die Reise gingen, wurden Druckfahnen oder Repro-Filme verschickt – fast so flott wie beim Beamen auf der Enterprise. Erst mit komplett vollzogener Digitalisierung lösten Datenkabel nach Jahrzehnten die Rohrpost ab.
Datenspeicher.
Ende der 1970er hatten die mächtigsten Wechselplattenspeicher eine Kapazität von stolzen 30 Megabyte. In den 1990er-Jahren schafften Plattenstapel als Datenträger (Bild) immerhin schon bis zu 300 Megabyte.
Die Datasette.
Anfang der 1980er-Jahre liefen bei der WAZ verschiedene Redaktionssysteme parallel. Eines davon (von der Herstellerfirma Harris, im Bild: der frühere Chefredakteur Ralf Lehmann) verwendete als Datenträger eine Art Kompakt-Cassette, ähnlich wie bei alten Diktiergeräten, nur größer und schwerer. Das Vertrackte: Nach jedem Text musste per Funktionstaste ein Abschluss-Befehl gesetzt werden. Vergaß der Redakteur das, ertönten vom Nachbarschreibtisch spitze Schreie: Der oder die vorhergehenden Texte waren unwiederbringlich futsch ... FOTOS: WAZ
DER ZEITZEUGE
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Samstag, 31. März 2018
Vom Fernschreiber zum Smartphone Ein Gespräch mit dem Vor-Vor-Vorgänger: Alexander Marinos (46), stellvertretender Chefredakteur der WAZ, trifft Franz Czerny (94), der die Westdeutsche Allgemeine Zeitung bis zu seinem Ausscheiden 1989 mit prägte Alexander Marinos: Lieber Herr Czerny, Sie sind 1989 als mein VorVor-Vorgänger im Range eines stellvertretenden WAZ-Chefredakteurs in Rente gegangen und besuchen nun unsere modernen Redaktionsräume. Was ist Ihr Eindruck? Franz Czerny: Überall stehen Computer, Computer und noch mehr Computer. Haben Sie nicht Sorge, dass der Computer Sie und Ihre Kollegen eines Tages überflüssig machen wird? Marinos: Nein. Der Computer ist das zentrale Werkzeug, dessen wir uns bedienen und das uns die Arbeit (meist) erleichtert. Die Nachrichtenauswahl, die Recherche, das Verfassen von Berichten, Reportagen, Kommentaren – all das sind geistige Leistungen, für die wir gut ausgebildete Journalisten benötigen. Selbst die Rechtschreib-Programme können den Menschen nicht ersetzen …
„Die Technik von heute macht uns das Leben an vielen Stellen auch erheblich leichter.“
Alexander Marinos, stellvertretender WAZ-Chefredakteur
Czerny: … was man zuweilen an den Tipp-Fehlern im Blatt erkennen konnte, wenn ich das anmerken darf. Marinos: Dürfen Sie. Deshalb beschäftigen wir auch wieder Korrektoren, so wie es früher zu Ihrer Zeit üblich war. Diese Kollegen kommen abends frisch zum Gegenlesen, bevor die Zeitung in den Druck geht. Czerny: Mir fällt noch etwas auf. Es ist recht ruhig hier im Großraumbüro. Marinos: Das kann sich schnell ändern, wenn die Nachrichtenlage dramatisch wird. Aber es stimmt: Hier wird sehr konzentriert gearbeitet. Czerny: Ich kann nur staunen, wie heute alle geistige und handwerkliche Arbeit der Redaktion am Bildschirm geschieht. Vor 50 Jahren gab es noch die Blei-Zeit in den Zeitungshäusern. Jede gedruckte Zeile war zuvor in Blei gegossen. In der Mettage bauten Redakteure Hand in Hand mit Kollegen aus der Technik die Seiten aus gebündelten Bleizeilen zusammen. Bei solcher Gestaltung der Titelseite, des Schaufensters der Zeitung, und bei den Politikseiten habe ich oft mitgewirkt. Können Sie sich das vorstellen? Marinos: Nur schwer. Als ich Mitte der 90er Jahre volontiert habe, existierte bereits der elektronische Ganzseitenumbruch. Wir skribbelten das Layout der Seiten zwar noch auf Papier vor. Aber die Produktion der Seiten erfolgte dann durch den Redakteur bis zur Druckreife am Bildschirm. Die Berufsgruppe der Metteure war da bereits ausgestorben. Czerny: Das hat auch das Berufsbild des Zeitungsredakteurs sehr verändert. Marinos: Sicher – und der Wandel geht unaufhörlich weiter. Computer dominieren ja nicht nur unsere Arbeit, sondern die ganze Gesellschaft. Vor allem die mobilen Geräte wie Smartphones werden immer wichtiger. Die Zeitung gibt es daher auch in elektronischer Form, dem „e-paper“. Zudem bieten wir mit waz.de einen Rund-um-die-UhrInternetauftritt an und bespielen diverse Facebook-Kanäle. WAZ-Redakteure erstellen nicht mehr nur
die gedruckte Tageszeitung. So etwas wie einen „Redaktionsschluss“ gibt es nicht. Czerny: Klingt nicht so, dass ich Sie beneiden müsste. Marinos: Kommt darauf an. Die Technik von heute macht uns das Leben an vielen Stellen auch erheblich leichter. Wenn ich alleine an die Papierflut denke, die früher die Fernschreiber produziert haben. Ich durfte das als junger Nachrichtenchef noch miterleben … Czerny: In der Nachrichtenzentrale der WAZ ratterten damals vier Fernschreiber. Die Nachrichtenschwemme deutscher und internationaler Presseagenturen sowie sonstiger Informationsdienste staute sich in riesigen Stapeln. Dazu kamen die Beiträge eigener Korrespondenten, die hineintelefoniert und dann von Sekretärinnen verschriftlicht wurden. Selbst die Fußballberichte wurden am späten Abend aus den Stadien von Schalke und Dortmund in die Schreibmaschine diktiert und von Redaktionsboten im Eilschritt zur Bleisetzerei befördert. Nicht weniger umständlich gelangten Fotos in die Zeitung: in der Dunkelkammer entwickelt, in der Redaktion mit der gewünschten Größe markiert, in der Klischee-Anstalt auf einer Metallfolie in unzählige winzige Punkte verwandelt und dann in der Mettage mit den Artikeln aus Bleiguss zu einer Zeitungsseite zusammengebaut. Marinos: Schön sah das nicht aus, wenn man die Maßstäbe von heute anlegt. Czerny: Alle Illustrationen gingen nur in Schwarz-Weiß. Ich finde, dass manche Bilder in Schwarz-Weiß besser wirken als in Farbe.
„Ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah, und so wurde ich Journalist, ohne zu ahnen, wie interessant dieser Beruf werden würde.“ Franz Czerny, begegnete kurz nach der Kriegsgefangenschaft 1946 einem Verlagsdirektor, der ihn zum Volontär machte.
Marinos: Da bin ich bei Ihnen. Historische Fotos sind in einer bunten Welt zu echten Hinguckern geworden. Wir wissen, dass die Leser solche alten Aufnahmen sehr mögen. Czerny: Das erste aktuelle Farbbild auf Seite 1 der WAZ erschien am 1. Mai 1980. Es zeigte die Krönung der holländischen Königin Beatrix. Marinos: Und? Wie kam das an? Czerny: Die Premiere glückte nur mäßig. Die neue Majestät strahlte leicht verwackelt. Es sollte noch eine Weile dauern, bis das Zusammenspiel der Farben Rot, Gelb, Blau und Schwarz auf Zeitungspapier die heutige Perfektion erreichte. Marinos: Lieber Herr Czerny, wie
Beide wurden zufällig an einem 25. Februar geboren, dazwischen liegen allerdings genau 48 Jahre: Franz Czerny (Jahrgang ‘24) und Alexander Marinos (Jahrgang ‘72) im Gespräch. FOTOS: FABIAN STRAUCH
sind Sie eigentlich zur Zeitung gekommen? Czerny: Im Rückblick kann ich das selbst kaum nachvollziehen. Ich bin 1946 mit 22 Jahren aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Wenig später begegnete ich in Werl einem alten Verlagsdirektor, der mich beim Westfälischen Kurier zum Volontär machte. Ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah, und so wurde ich Journalist, ohne zu ahnen, wie interessant dieser Beruf werden würde. Das Zeitungsmachen gelernt habe ich dann erst bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund. Die schickten mich auch für zwei Monate zur Journalisten-Schule nach München. Ich nehme an, das ist heute anders. Marinos: Unsere Volontäre genießen ihre in der Regel zweijährige Ausbildung bei der Medienakademie Ruhr und werden dort und in unseren Redaktionen auf die hohen Anforderungen als Zeitungs- und Online-Redakteure vorbereitet. Czerny: Wie wichtig ist Ihnen dabei der Lokaljournalismus? Marinos: Überragend wichtig. Das ist unser Kerngeschäft. In der Lokalund Regionalberichterstattung macht uns keiner etwas vor. Das, was in der eigenen Stadt, im Viertel und unmittelbar vor der eigenen Haustür passiert, betrifft die Menschen in besonderer Weise. Das heißt nicht, dass wir nicht auch großen Wert auf eine qualitativ hochwertige nationale und internationale Berichterstattung aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und dem Vermischten legen. Die Mantelredakteure der WAZ in Essen, Funke Sport und die Funke Zentralredaktion in Berlin stellen dies sicher. Aber es gibt nichts, was nicht auch Auswirkungen aufs Lokale hat, und letztlich kann man das Große am Besten im Kleinen erklären. Das macht die WAZ aus. Das gehört zu den Hauptaufgaben unserer Lokalredaktionen. Czerny: Das ist eine Konstante, wenn man auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblickt, und das freut mich natürlich. Auch zu meiner Zeit war die Redaktion stets bestrebt, das Ansehen der WAZ zu mehren. Wir hatten oft hohe Gäste: Kohl, Rau, Strauß, Genscher und Udo Jürgens zum Beispiel. Sie lieferten Hintergrundwissen aus erster Hand frei
Haus. Auch bei den heutigen Kollegen ist das ehrgeizige Bemühen zu spüren, noch mehr von dem zu bringen, was nicht am Vorabend in der Tagesschau war. Insofern muss ich Ihnen ein Kompliment machen: Die Zeitung ist noch besser geworden. Marinos: Her mit den Komplimenten! Aber im Ernst: Es gehört inzwischen zur Marke WAZ, das regional Bedeutsame schon auf der Titelseite sowie auf der Startseite im OnlinePortal abzubilden und dann wie einen roten Faden durch alle Ressorts – durch Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport – laufen zu lassen. Czerny: Wie stark sind die Versuche aus Politik und Wirtschaft, ins redaktionelle Geschehen einzugreifen? Marinos: Versuche gibt es immer wieder. Aber die Unabhängigkeit der Redaktion sind Verlag und Chefredaktion heilig. Darum sind solche Versuche regelmäßig zum Scheitern ver-
„Ich finde, dass manche Bilder in Schwarz-Weiß besser wirken als in Farbe.“
Franz Czerny, bis zum Jahr 1986 stellvertretender WAZ-Chefredakteur
urteilt. Unser wichtigstes Kapital ist das Vertrauen, das uns die Leser und Online-Nutzer entgegenbringen. Wir müssten schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein, um das zu gefährden. Czerny: Vertrauen – eine Konstante, die ich gerne höre. Ich möchte Ihnen von einem Erlebnis berichten, das ich immer wieder unseren Volontären erzählt habe. Marinos: Gerne. Czerny: Es geschah in der Zeit, als
ich Leiter der Essener Lokalredaktion war und im Rathaus ein Recke des Reviers regierte: der Oberbürgermeister Wilhelm Nieswandt. Ein Mann mit starker Hand, aber auch mit Eigenwilligkeiten, die öfter zu Kritik und Widerspruch in der Zeitung reizten. Ein sozialdemokratisches Urgestein, so wie sein Parteifreund und WAZ-Gründer Erich Brost. Bei meinem Wechsel aus der Lokalredaktion in die Chefredaktion überraschte mich der Verleger und Chefredakteur Brost mit diesen Worten: „Heute kann ich es Ihnen ja sagen. Ich bin in der letzten Zeit zu keiner Veranstaltung mehr gegangen, bei der ich dem Herrn Nieswandt begegnet wäre. Denn der hat sich bei mir jedes Mal über Sie beklagt.“ Auf meine verdutzte Frage: „Aber Herr Brost, warum haben Sie mir davon nie etwas gesagt?“, folgte seine denkwürdige Antwort: „Ich
„Ich wollte Sie in Ihrer Arbeit nicht beeinflussen.“
Erich Brost, Verleger und Chefredakteur, zu Franz Czerny, warum er Veranstaltungen mit einem Parteifreund, Essens OB Nieswandt, mied und darüber schwieg.
Redaktionsbesuch: Alexander Marinos erläutert Franz Czerny an der großen Monitor-Medienwand in Essen die heutigen Abläufe des Tages. FOTO: FABIAN STRAUCH
Kurz-Biografie
K Franz Czerny wurde 1924 gebo-
ren und stammt aus dem Sudetenland in der ehemaligen Tschechoslowakei. 1964 kam er als Leiter der Lokalredaktion Essen zur WAZ. 1969 wurde er Chef vom Dienst, 1986 schließlich stellvertretender Chefredakteur.
K 1989 verabschiedete er sich in
den Ruhestand und verfolgt seitdem weiter aufmerksam die WAZ, die er sich wegen einer Sehschwäche inzwischen jeden Tag mit Hilfe
des elektronischen „News-Readers“ vorlesen lässt.
K Viele ältere Essener mögen in
Franz Czerny die Kunstfigur „Fridolin“ wiedererkennen. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte er samstags insgesamt mehr als 200 Kolumnen, in denen er das Geschehen in der Stadt mit augenzwinkernder Respektlosigkeit kommentierte. WAZ-Karikaturist Gerd Hüsch lieferte die – scheinbar – naiven Zeichnungen dazu.
wollte Sie in Ihrer Arbeit nicht beeinflussen.“ Marinos: Diese innere Pressefreiheit gehört zu den schönen WAZ-Traditionen. Czerny: Es mag sein, dass meine Erinnerungen an die „gute alte Zeit der WAZ“ mit dem Abstand von 29 Rentnerjahren ein bisschen verklärt erscheinen. Aber mein Rückblick bleibt verbunden mit den Chefredakteuren Erich Brost, Siegfried Maruhn und Ralf Lehmann und mit einem Arbeitsklima, das wohltuend war. Mit Gehör auch für persönliche Nöte, mit mehr Lob als Tadel und mit Kritik, die für Betroffene nicht verletzend sein durfte. Marinos: Lieber Herr Czerny, wie zu hören ist, haben Sie selbst auch einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet. Kommen Sie uns bitte wieder besuchen. Czerny: Gern, so Gott will, auch schon vor dem 75. Geburtstag unserer WAZ.
POLITIK IM WANDEL
Samstag, 31. März 2018
FOTO: THALIA ENGEL/DPA
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Aus der Vogelperspektive Das Tempo in der Politik ist gestiegen mit dem Umzug von Bonn nach Berlin. Für die Berichterstatter sind die Entscheider weniger nahbar geworden Von Miguel Sanches Berlin. Bei Blüms war es schön. Man saß am Esstisch, darauf stand eine drehbare Platte, wie man sie vom Chinesen kennt. Zur Tafelrunde bei Norbert Blüm gehörten nur wenige Journalisten. Der Hausherr dozierte über Gott und die Welt, meist über Sozialpolitik, einmal schwärmte er auch von seinem jungen Staatssekretär, einem gewissen Horst Seehofer. So ging es zu in Bonn, so familiär, daheim beim Sozialminister! FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff lud zum Brunch ein, dafür engagierte er eigens einen Butler. Ein, zwei Mal im Jahr traf man Gerhard Schröder im Kanzlerbungalow, lange Rotweinabende waren das. Zur Adventszeit fand mit fast jedem Minister eine Weihnachtsfeier mit Korrespondenten statt. Das mutet wie ein Sittengemälde aus der Steinzeit an, ein Fund für politische Paläontologen. In Berlin ist so viel Nähe selten.
Früher war nicht alles besser, aber lustiger war es am Rhein Wenn man genau hinschaue, meinte Helmut Schmidt einmal, „sieht man, dass die politischen Journalisten eigentlich mehr zur politischen Klasse gehören und weniger zum Journalismus.“ Der Altkanzler sagte das 2010, lange nach dem Regierungsumzug. Ganz sicher traf seine Beobachtung auf die Bonner Republik zu. Wer Korrespondent wird, sollte zum Arbeitsvertrag einen Beipackzettel mit den Risiken und Nebenwirkungen erhalten. Unter „Nähe“ würde stehen: Wer Distanz wahrt, erfährt nichts, wer zu nahe ist, wird korrumpierbar. An dieser Gratwanderung hat sich nichts geändert. Früher war nicht alles besser, aber lustiger war es am Rhein, nicht nur zu Karneval. Ein Kind der Bonner Republik war der Abgeordnete Jakob Maria Mierscheid, ein fiktiver Volksvertreter, der sich satirisch zu Wort meldete. Von ihm stammt das Revier-affine Mierscheid-Gesetz, wonach der Stimmenanteil der SPD bei Bundestagswahlen nach dem Index der deutschen Rohstahlproduktion gemessen wird. Solcher Nonsens wurde am Rhein gepflegt. In Berlin macht sich Mierscheid rar, obwohl die Erinnerung an die Kunstfigur – bemüht – hoch gehalten wird. Berlin ist groß, man verliert sich schnell aus den Augen. In Bonn saßen 90 Prozent der Korrespondenten am oder um das Tulpenfeld herum. Man tauschte sich aus (auch die Artikel), viele ließen ihre Türen offen, das Pressehaus war ein Bienenkorb, ein ständiges Gesum-
me. Gerüchte verbreiteten sich wie im Fluge. Ende der 80er-Jahre hat der Korrespondent der Südwest-Presse, Hans-Peter Schütz, in seinem Büro einem Kollegen eine Information anvertraut. Etwa eine Stunde später wurde ihm das Gerücht zugetragen – es hatte einmal die Runde gemacht. Die politischen Gegensätze waren scharf, die Parteien kein Diskussionsfriedhof, das Lagerdenken ausgeprägt, kurzum: die Republik noch nicht im merkelschen Dämmerzustand einer Großen Koalition.
Man darf den alten Zeiten nicht nachhängen, vor allem nicht Berlin anlasten, was bloß dem Lauf der Zeit geschuldet ist. Dass Gäste im Innenministerium so streng kontrolliert werden wie am Flughafen, hat weniger mit der Stadt und mehr mit der Terrorgefahr zu tun. Das Internet, die sozialen Netzwerke, die berufliche Aufholjagd der Frauen hätten den Journalismus in Bonn nicht weniger als in Berlin verändert. Der Auflagenrückgang der Tageszeitungen, die Konkurrenz durch Online-Medien hätten auch am Rhein den Druck erhöht und zu größeren Einheiten geführt. Die 70-jährige WAZ hat in Berlin kein eigenes Büro mehr, sondern greift auf eine Redaktion zurück, die alle Titel der Funke Mediengruppe beliefert. So handhaben es viele Verlage. Es gibt die neue Berliner Redaktionsgesellschaft, die Du-Mont-Gruppe, das Redaktionsnetzwerk Deutschland; Archen, unterwegs in der Hoffnung auf bessere Zeiten.
Pop aus der Bonner Republik: der fiktive Abgeordnete Jakob Maria Mierscheid.
Der Berlin-Umzug war im Rückblick auch technologisch eine Zäsur Der Berlin-Umzug zur Jahrtausendwende war im Rückblick nicht zuletzt eine technologische Zäsur. Wer zu Bonner Zeiten ein klobiges Ding namens Handy hatte, war ein Exot. Heute verkehrt man über SMS; die Gretchenfrage ist, von welchem Politiker man die Handynummer hat. Wer einen alten Zeitungsartikel lesen wollte, ging in Bonn in die Bibliothek, holte sich die Zeitungsbände auf Mikrofilm und machte Fotokopien. Heute googelt man dieselbe Information binnen Sekunden. Das Tempo ist gestiegen, der Alltag der Journalisten ungemütlicher als in der „kleinen Stadt in Deutschland“, wie Bestseller-Autor John le Carré einst Bonn nannte. Berlin hat bisher zwei Kanzler erlebt, Gerhard Schröder und Angela Merkel. Schröder war zu kurz im Amt, um die Hauptstadt zu prägen. Ganz anders die Kanzlerin: ernst, distanziert, verschwiegen, in Strenge, Disziplin, Selbstbeherrschung unverkennbar protestantisch. So, genau so ist die Berliner Republik. Eine Merkel sieht man nicht beim Presseball, nie käme die Kanzlerin wie Helmut Kohl auf die Idee, einen ganzen Zug zu mieten und mit den
Der „Spiegel“ war das Leitmedium, fast jede Ausgabe mischte den Polit-Betrieb auf. Die Storys aus dem Kabinett waren so detailreich, als ob ein Teilnehmer jeden Mittwoch nach der Sitzung auf einen Kaffee im Büro hereingeschneit wäre. „Tempi passati“ würde Joschka Fischer sagen, vergangene Zeiten.
Moderne Archen, unterwegs in der Hoffnung auf bessere Zeiten Der Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 war ein Schock, politisch wie kulturell. Wie sie schon aussahen! Wie die Asta-Vertreter an der Uni. Ihren Rektor hatten sie gleich mitgebracht: Otto Schily war ein erfolgreicher Anwalt, Anzug, Dreiteiler, Krawatte, goldene Uhr. Der kesseste Grüne war Fischer, der über den Bundestag sagte, „eine unglaubliche Alkoholiker-Versammlung, die teilweise nach Schnaps stinkt“. Er selbst verkehrte in der „Provinz“, einer Kneipe schräg gegenüber dem Kanzleramt. In Bonn war die Kneipe die Zitadelle der jungen Abgeordneten von SPD und Grünen, von Gerhard Schröder und Fischer. Eines Tages kam Claus Grobecker (SPD) rein, Spitzname „Grobi“, ein Bremer, der sich wie ein Seemann aufführte: grob und direkt. „Grobi“ nahm sich einen Bierdeckel und malte einen Strich darauf, von unten nach oben: „Das wird euer Weg sein, links unten einsteigen, rechts oben ankommen.“
Hauptstadt-Korrespondent Miguel Sanches (56) berichtet seit 1991 über Bundespolitik, davon fast zehn Jahre in Bonn.
Journalisten für einen Abend in die Pfalz zu fahren, wo es so viel Saumagen und Wein gab, dass alle angeschickert die Heimreise antraten. Nie hat man sich damals gefragt, wer das alles bezahlte. Heute schon. Heute sind die Grenzen zwischen Politik und Journalisten klarer, schärfer gezogen. Das ist auch gut so.
Wer im Revier bestand, war gestählt Unausgesprochen hat sich im Kanzleramt eine Art „White House Press“ herausgebildet, ein kleiner und privilegierter Kreis von Merkel-Verstehern. Am meisten fällt es bei den Auslandsreisen auf: Das Gros der Mitfahrer ändert sich wenig. Es gibt Regionalzeitungs-Kollegen, die es sich abgewöhnt haben, sich um einen Mitflug zu bemühen; sie gaben die Hoffnung auf eine Zusage auf. Die WAZ war seit der ersten Stunde am Regierungssitz vertreten. Groß, stark, einerseits unübersehbar, andererseits unaufgeregt. So wie NRW. Kohl eröffnete Wahlkämpfe gern in der Westfalenhalle. Für einen CDU-Politiker war Dortmund zwar Feindesland wie die Nordkurve in Gelsenkirchen für einen BVB-Fan.
„Das wird euer Weg sein, links unten einsteigen, rechts oben ankommen.“
Claus Grobecker, kauziger SPD-Politiker aus Bremen, zu den jungen Abgeordneten von SPD und Grünen.
Aber es war Kohls Art zu zeigen, dass er für die Nordkurve tauglich ist: Wer im Revier bestand, war gestählt. Schröder bereitete seine Kanzlerkandidatur akribisch im Revier vor. Und als die Würfel dann gefallen waren, da war es die WAZ, die seine Kandidatur exklusiv melden durfte. Im toten Winkel ist das Land auch heute nicht, dafür ist es zu groß, aber die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Der erste Hinweis auf einen Bedeutungsverlust war der Umzugsbeschluss selbst; der Einfluss reichte nicht mehr, um Bonn zu verteidigen. Der zweite Hinweis war das Fremdeln von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die nie, nie nach Berlin wollte. So viel Selbstbeschränkung war man nicht gewohnt. Düsseldorfer Regierungschefs kam urwüchsig bundespolitische Bedeutung zu, mit der sie kokettierten. Die Landespolitik war das Standbein, die Bundespolitik das Spielbein. Der Tanz gelingt heute schlechter. Das Berliner Parkett ist glatt.
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
Samstag, 31. März 2018
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DIE JOURNALISTEN
Bilder wie im Flug Hans Blossey war einst WAZ-Reporter. Heute fotografiert er das Ruhrgebiet aus der Luft mehrmals im Kreis flog: Dann war er das wohl. „Ich fliege nie ohne Kamera“, sagt Ruhrgebiet. Vorbeugen ist besser als heulen, Blossey. Man sagt ja auch: Nur fotografiedas weiß jeder. Hans Blossey hat seinen ren ist schöner. Der Turm am Flugplatz ist besetzt, das ist 520 Kilo schweren Motorsegler – Gottseidank hat das Ding Räder, allerdings hatte gut, ein Tipp noch von dort: nicht über die Wiese zur Startbahn es gestern einen platzu rollen. Zuviel ten Spornreifen, aber Matsch heute für so ein das führt nun wirklich kleines Flugzeug. Bloszu weit – also, er hat sey lässt den Motor an, den Flieger aus dem kontrolliert die AnzeiHangar am Flugplatz gen, schaltet das GPSHamm geschoben, Gerät ein, auf dem nun umrundet er ihn Bildschirm erscheint: und guckt vom Hun„Guten Tag, Hans.“ dertsten ins Tausends- Hans Blossey, Pilot und Fotograf Guten Tag, GPS. Dann te: zupft an den Benrollen wir zum Start. zinleitungen, rüttelt an den Flügeln, beäugt das Ölstäbchen, prüft, Kein Luftverkehr in der Nähe. Die nächste wieviel Spiel die Propellerblätter haben, Maschine ist fünf Flugminuten entfernt schreibt sich in die Hand, wie groß die und nicht zu sehen. Wir steigen auf etwa Reichweite noch ist, da die Tankanzeige 500 Meter, und die berühmte Freiheit über nachher, nun ja, nur eine grobe Einschät- den Wolken besteht jetzt aus zwei schmazung liefert . . . Kurzum, er prüft, macht und len Sitzen, strammen Sicherheitsgurten, einem kurzen Fußraum und Pedalen, die tut. „Man kann ja nicht mal eben rechts ran sich auch unter den Füßen des Mitfliegers fahren, wenn was klappert“, sagt Blossey. spürbar bewegen, wenn Blossey mit den Nein, da oben wohl nicht. „Man muss Pedalen auf seiner Seite steuert. drumrum gehen und alles anfassen.“ DanDa fahren 1000 kleine Autos ke, Hans! Unser Mann im Flugzeug. Der Luftbild- Das war ein bisschen gemein mit der Freifotograf, das fliegende Auge der Zeitung. heit, natürlich ist es großartig hier, so hoch Der höchste Job der WAZ. Fünfzig- bis über dem Ruhrgebiet: Da siebzigmal im Jahr rollt der 65-jährige fahren 1000 kleine Autos Hammer an den Start, ist dann für Stunden auf der Autobahn 1, da in der Luft. Über dem Ruhrgebiet, dem dampft das Kraftwerk Sauerland, dem Niederrhein – von den in Hamm, da fließt die internationalen Reisefotoflügen jetzt mal Lippe, dann komganz zu schweigen. Vier Stunden Flug, men das Ufo-GeHunderte Fotos. Seit 30 Jahren geht das so, bäude des Desigdabei sind unfassbare 233 000 Aufnahmen ners Luigi Colani entstanden. Ja, wahrscheinlich haben in Lünen, die alte auch Sie Hans Blosseys Flugzeug schon Fläche von Zeche einmal gesehen. D-KAFM steht daran, und Minister Achenwenn jemals ein Motorsegler über Ihnen bach in Brambauer, Von Hubert Wolf
„Man kann ja da oben nicht mal eben rechts ran fahren, wenn was klappert.“
Gleich geht es nach oben: Hans Blossey mit seinem Motorsegler in Hamm. FOTO: LARS HEIDRICH
Spielzeugland Ruhr: Das Naturbad in Mülheim-Styrum mit seiner Wasserrutsche hat Hans Blossey im Frühjahr 2015 fotografiert.
das Kreuz Dortmund-Nordwest. . . „Das Spannende ist, ich weiß, was da unten passiert“, sagt Hans Blossey. In vielen Lokalredaktionen hat er gearbeitet, auch zehn Jahre in der WAZ-Reportage: Der Mann kennt sein, nun ja, Revier.
Aus der Luft gegriffene Meldungen Und fliegt Wunschlisten ab. Das neue Regenrückhaltebecken steht heute darauf. „Am Boden ist so etwas praktisch nicht zu fotografieren, falls man auch nur die geringsten Ansprüche an ein Bild stellt“, sagt Blossey und steuert hin. Und dann kommt: „Baustellen zu fotografieren, ist wie Meldungen zu schreiben.“ Das muss man erklären, falls sich unter Ihnen, liebe Leser, nicht nur Journalisten befinden sollten. Also: Die Zeitung braucht Meldungen, mehr als alles andere sogar; nur gilt, sie zu schreiben, nicht als
die oberreizvollste journalistische Aufgabe. Doch zurück ins Flugzeug. Es steuert gerade die neue Landes-Erstaufnahme für Flüchtlinge in Bochum an, eine Gruppe großer weißer Zelte. Der Ablauf, der nun folgt, ist immer gleich: Blossey umkreist sein Ziel, dann bringt er den Motorsegler gefühlt in eine Fünf-nach-halb-Eins-Haltung. „Man kann das Flugzeug prima in die Luft stellen.“ Und während es so wirkt, als fliege es nun allein seine Kreise, fotografiert unser Mann aus seinem aufgezogenen Fenster heraus. Noch eine Runde. Noch eine Runde. Um die Wahrheit zu schreiben: Normalerweise fliegt während des Fotografierens ein Co-Pilot, aber das geht ja nun nicht mit einem eher ungeeigneten Reporter an Bord. Es gibt auch glaubhafte Geschichten, wonach manchen Leuten dieses Kreisen nicht so gut bekommen sein soll: wenn die Erde gewöhnungsbedürftigerweise links
unten ist und der Himmel rechts. Das pure Vergnügen also! Nur kommen auf eine Stunde Vergnügen sieben Stunden PC. Denn er muss die Bilder nachher: laden und sichern, manche löschen und andere auswählen, sie bearbeiten, verorten, beschriften. Verschlagworten natürlich, also mit Suchbegriffen versehen, mit denen ein durchschnittlich verständiger Redakteur das Motiv vielleicht suchen würde. Sagen wir: „Baustelle“, „Hamm“, „Regenrückhaltebecken“. Lieber Himmel, das ist ja schlimmer, als Meldungen zu schreiben! Dabei sind nicht nur Redaktionen die Kunden von Hans Blossey. Er veröffentlicht Bücher („Ruhrgebiet von oben. Die schönsten Luftbilder der Region“ zuletzt), er fliegt für Firmen wie auch die Emschergenossenschaft. Und natürlich für Bauer Lünemann, Benedikt Lünemann aus Cappenberg. Sie kennen ihn nicht? „Er ruft jedes Jahr einmal an. Wenn sein neues Maislabyrinth fertig ist.“ Hans, gutes Fliegen weiterhin! Mehr Luftbilder von Hans Blossey finden Sie weiter hinten auf den Seiten 50 und 51 und – zusammen mit einem Video – im Internet unter: waz.de/70Jahre
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Der Autor Hubert Wolf (57) ist seit 1989 Reporter im überregionalen Teil der WAZ.
Nur aus der Luft bildet die se Baumgruppe bei Datteln ein Herz. FOTO: HANS BLOSSEY
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REDAKTEURINNEN AUS DREI GENERATIONEN
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Samstag, 31. März 2018
„Wir mussten uns erst beweisen“ Felicitas Kapteina war 1948 die erste Redakteurin der WAZ. Mit den jüngeren Kolleginnen Christina Wandt und Linda Heinrichkeit spricht sie über weibliche Pionierarbeit, über Familie und die Leidenschaft für den Journalismus
Christina Wandt: Fee, du hast mit Anfang 20 in Schleiden in der Eifel eine Lokalredaktion alleine gestemmt, warst dort zivile Kriegsberichterstatterin. Wie bist du nach dem Krieg zur WAZ gekommen? Felicitas Kapteina: 1946 hörte ich, es wird in Essen eine Zeitung gegründet, die Neue Ruhr Zeitung, eine SPD-Zeitung. Ich habe gedacht, die nehmen dich nie im Leben, du kommst von einer Nazi-Zeitung und hast keine Chance. Aber ich dachte, du musst es wenigstens versuchen, sonst machst du dir ewig Vorwürfe. So traf ich auf Erich Brost, den Chefredakteur. Dem habe ich alles schonungslos erzählt – und er hatte großes Verständnis für mich. Dabei war er selbst Widerstandskämpfer, und ich kam aus der Hitlerjugend. Er hat zu mir gesprochen wie ein Vater. Im April 1946 begann mein Volontariat. Mir gefiel aber nicht, dass ich überall mit Genossin angesprochen wurde. Und als das Volontariat zu Ende ging, trat die Westdeutsche Rundschau in Wuppertal an mich heran: Und ihr glaubt es nicht, da hab’ ich ein Jahr die Lokalredaktion Essen geleitet – mit 24 Jahren. Linda Heinrichkeit: Mit 24 habe ich gerade mein Studium beendet und mein erstes Kind bekommen. Mein Volontariat bei der WAZ habe ich erst mit 28 begonnen und war bei Weitem nicht die Älteste in meinem Jahrgang. War es nicht ungewöhnlich, in dem Alter eine Lokalredaktion zu leiten, noch dazu als Frau? Felicitas Kapteina: Damit hatte ich kein Problem, immer nur mit der Politik: Damals saßen die Engländer in der Villa Hügel, und die „North German Coal Control“ machte ihnen etwas vor, wie gut die Kumpel behandelt würden. Da kam ein englischer Lord her, und mit irgendeiner List habe ich mich bei einer Zechenbesichtigung an ihn rangemacht. Ich war mit ihm im Förderkorb, und der sauste so hinunter. Da habe ich mich irgendwo festgehalten und das war der Lord. So kam ich mit ihm ins Gespräch, sagte ihm, dass er belogen wird und führte ihn ins SegerothViertel. Da hab’ ich ihm gezeigt, wie die Bergmänner wirklich lebten. Das gab einen Wirbel!
„Wir stellen Sie ein für weibliche Themen.“ Erich Brost zu Felicitas Kapteina
Linda Heinrichkeit: In dem Fall hattest du also als junge Frau einen Vorteil? Das klingt fast, als hättest du damit auch ein wenig kokettiert. Felicitas Kapteina: Ja, natürlich! Ein Jahr später hörte ich, dass in Bochum eine überparteiliche Zeitung gegründet werden sollte: die WAZ. Der Chefredakteur war Erich Brost. Ich bin sofort zu ihm und habe gejammert: ,Herr Brost, überall, wo ich hinkomme, habe ich Ärger mit der Politik.’ Da lachte er: ,Fräulein Narz, bei uns brauchen Sie keine Politik zu machen, wir stellen Sie ein als Reporterin für weibliche Themen.’ Linda Heinrichkeit: In der Bochumer Lokalredaktion arbeitete nur eine Frau, bis meine Kollegin und ich vor einem Jahr dazu kamen. Ich erlebe es öfter, dass soziale Themen an meine Kollegin oder mich gegeben werden. Meist ist das aber auch an unseren Interessen ausgerichtet. Ich habe zwei kleine Kinder – natürlich schreibe ich da eher mal über Kita-
Eine der ersten Journalistinnen der Nachkriegszeit: Felicitas Kapteina (94), genannt „Fee“. FOTOS (2): KERSTIN KOKOSKA
Gebühren als meine männlichen Kollegen mit erwachsenen Kindern. Christina Wandt: Trotzdem ist es unfassbar, dass Bochum bis vor kurzem fast eine reine Männer-Redaktion war. Schon als ich 1993 von der Uni zur Redaktion Duisburg kam, konnte ich kaum glauben, dass da gar keine Frau arbeitete – bloß ist das 25 Jahre her. Später war ich die einzige Frau im Hauptsport und durfte über Dressurreiten schreiben; die männlichen Kollegen litten wohl an kollektiver Pferdehaarallergie. Aber ich habe schon geschaut, dass ich auch mal zum Fußball kam. Heute würde sich wohl keine Frau auf „weibliche Themen“ festlegen lassen. Felicitas Kapteina: Ich habe die weiblichen Themen gern gemacht. Aber immer mit der Tendenz: Seht, wie tüchtig Frauen sind. Ich habe ihre Leistungen herausgestellt, mehr Rechte für sie gefordert. Dafür habe ich das Bundesverdienstkreuz bekommen; auch meine Serie „Mädchen in Männerberufen“ wurde ausgezeichnet. Der stellvertretende Chefredakteur Oskar Bezold konnte mich trotzdem nicht leiden: Ihm
gefielen Frauen in diesem Beruf grundsätzlich nicht.
Christina Wandt: Er meinte, Frauen gehören nach Hause? Felicitas Kapteina: Ja, genau. Und das zeigte er auch. Ich verstand mich gut mit dem Reporter Ludwig Döring, der die männlichen Themen hatte. Döring war schwul, und das war damals noch verboten. Darum tat er so, als ob er etwas mit mir hätte. Dafür hat er mir manchmal Themen zugeschoben, die eigentlich in sein Ressort fielen. So ließ er mich eine Reportage über die Braunkohlegebiete in Garzweiler schreiben. Sie erschien, und Bezold stauchte mich zusammen: ,Sie sind sich doch darüber im Klaren, dass Ihnen das Thema nicht zusteht als Frau!’ Christina Wandt: Und dann... Felicitas Kapteina: ... hab’ ich gefragt: ,Wieso, war das schlecht geschrieben?’ Da sagte er, das sei nicht das Problem. Das Problem sei, dass wir uns an Prinzipien halten müssten. Linda Heinrichkeit: Aktuell wird viel über die Belästigung von Frauen am
Drei Journalistinnen-Generationen an einem Tisch (v.li.): Felicitas „Fee“ Kapteina (94), Christina Wandt (51), stellvertretende Redaktionsleiterin in Essen, und Linda Heinrichkeit (30), Redakteurin in der Lokalredaktion Bochum.
Arbeitsplatz gesprochen, Stichwort „Me-Too“. Hast du erlebt, dass Männer übergriffig geworden sind? Felicitas Kapteina: Ja natürlich! Ich war zwar nie eine Sexbombe, und ich reagiere schon allergisch, wenn mir einer dreckige Witze erzählt. Aber die jungen Männer waren doch alle im Feld, und du warst als junge Frau nur unter alten Männern. Dass die versucht haben, dich ins Bett zu kriegen, ist doch logisch. Die haben gedacht, sie haben es einfach. Aber wenn man von vornherein plausibel macht, bis hierhin und nicht weiter, sind die auch anständiger.
„Du kannst nicht Journalistin werden, du musst es sein.“ Felicitas Kapteina
Linda Heinrichkeit: Mit Kollegen erlebe ich solche Situationen nie. Es wird geflirtet, aber es gibt Grenzen. Aber mich hat schon mal ein Pressesprecher gefragt, ob ich mir für den Sommer denn schon einen neuen Bikini gekauft oder gehäkelt hätte. Ich hatte ihn zum Thema Baden in der Ruhr angerufen. Oder ein anderer, der fragte: Schätzchen, wie alt bist du denn eigentlich? Solche Fragen erleben Männer in der Regel nicht. Christina Wandt: . . . mit zunehmendem Alter lassen diese Fragen nach. Linda Heinrichkeit: Nachdem du eine Weile in Bochum als Redakteurin gearbeitet hattest, bist du mit deinem Mann nach Stuttgart gegangen, hast einen Sohn bekommen . . . Felicitas Kapteina: Ich hatte Heimweh nach meinem Beruf und habe ohne Wissen meines Mannes einen Vertrag als Lektorin unterschrieben. Da ging mein Mann hin und annullierte den Vertrag. Er hat gesagt: Ich möchte, dass du unseren Sohn selbst erziehst. Heute ist das anders.
Christina Wandt: Ich bin nach der Elternzeit erst mit halber Stelle eingestiegen und habe später mehr gearbeitet als mein Mann – sonst hätte ich nicht stellvertretende Redaktionsleiterin werden können. Das klappt auch, weil die Betreuungsangebote heute viel besser sind – trotzdem hat mein Sohn schon manche Stunde in der Redaktion verbracht. Linda Heinrichkeit: Ich könnte nicht als Redakteurin arbeiten, wenn mein Mann sich nicht mit um die Kinder kümmern würde. Und wenn nicht unsere Eltern noch mithelfen würden. Die Arbeitszeiten bis in den Abend hinein sind nicht familienfreundlich. Manchmal wundert es andere Mütter, wenn mein Mann derjenige ist, der die Treffen für die Kinder am Nachmittag vereinbart. Felicitas Kapteina: Ich habe noch viele Frauen erlebt, die sagten, ich hätte im Beruf nichts zu suchen. Das war vielleicht auch Neid. Besonders in Stuttgart, wo die Frauen noch mit Kittelschürze rumliefen. Die neideten mir auch meine Intelligenz. Eine Frau sagte mal: ,Ja, ja, ihr Frauen aus dem Rheinland denkt schnell, aber wir denken gründlicher.’ Christina Wandt: 1962 bist du nach Essen zurückgekommen und wieder in den Beruf eingestiegen: Du hast jahrzehntelang für die WAZ-Lokalredaktion gearbeitet – aber immer als freie Mitarbeiterin. Wenn du junge Frauen erlebt hast, hattest du das Gefühl, die haben es leichter, müssen weniger kämpfen? Felicitas Kapteina: Sie haben andere Probleme: Wir mussten uns erst beweisen, ihr müsst Euch halten. Viele Kolleginnen heute haben Angst um ihren Posten – wir mussten zwar unsere Rechte erstreiten, hatten aber keine Angst vor Entlassungen. Und noch eins: Journalismus ist ein Begabungsberuf. Du kannst nicht Journalistin werden, du musst es sein. Und wenn du es einmal bist, bleibst du es. Das kannst du nicht kündigen.
Drei Journalistinnen drei Generationen
K Felicitas Kapteina gehört zu je-
ner Generation, die im NS-Staat sozialisiert und im Krieg ihrer Illusionen beraubt wurde: 1923 als Felicitas Narz in Werden geboren, war sie bei der NS-Machtübernahme zehn Jahre alt. Ihr Vater starb im Zweiten Weltkrieg, ihre Mutter arbeitete als Rote-KreuzSchwester. Felicitas gehörte der Hitlerjugend an und schwärmte für die „fliegende Schriftstellerin“ Elly Beinhorn. „Werd’ lieber Journalistin“, riet ein Redakteur des NS-Blattes „Westdeutscher Beobachter“ in Köln. Da fielen schon Bomben auf Essen, war ihr Vertrauen ins Dritte Reich schon erschüttert. Dennoch ging sie nach dem Notabitur zu der Zeitung in Köln, übernahm eine verwaiste Lokalredaktion. Als „zivile Kriegsberichterstatterin“ erlebte die sie Bombenteppiche, Chaos und Sterben. Nach Kriegsende gab ihr Erich Brost als Chefredakteur der 1946 gegründeten NRZ ein Volontariat. Später holte er sie zur WAZ, für die „Fee“ – mit Familienpausen – schrieb, bis sie fast 90 Jahre alt war.
K Christina Wandt, verheiratet,
ein Sohn. 1966 in Bonn geboren, studierte in Münster und Berlin, war Lehrerin in Frankreich. Volontierte bei der WAZ, arbeitete als Korrespondentin in Berlin und London, ist heute stellvertretende Redaktionsleiterin in Essen.
K Linda Heinrichkeit, verheiratet, ein Sohn und eine Tochter. 1987 in Essen geboren, studierte in Innsbruck und München, volontierte bei der WAZ und ist seit April 2017 Redakteurin in der Lokalredaktion Bochum.
DIE AUSBILDUNG
SEITE 28 ONLINE-VOLONTÄRINNEN IM TWITTER-INTERVIEW
Welche Zukunft hat unser Beruf?
t.beissert@waz.de Schnell und trotzdem gründlich, @Katharina Weber, @Merle Mokwa – ist das die größte Herausforderung im Online-Journalismus? k.weber@waz.de Ja, Aktualität und Schnelligkeit spielen eine bedeutende Rolle. Dennoch darf die Qualität der Berichterstattung nicht darunter leiden. Bei aktuellen und unvorhergesehenen Ereignissen muss besonders bedacht reagiert und sorgsam recherchiert werden.
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Samstag, 31. März 2018
Wir sind der Nachwuchs. Lasst uns mal gemeinsam überlegen.
m.mokwa@waz.de Mancher Rechtschreibfehler ist sicher der Eile geschuldet, aber Schnelligkeit und gründliche Recherche dürfen sich auch online niemals ausschließen. Die größte Herausforderung ist sicher die Suche nach der Formel, um mit dem OnlineJournalismus Geld zu verdienen. t.beissert@waz.de Wie unterscheidet sich eure Arbeit von der von Print-Journalisten?
k.weber@waz.de Onliner haben keine Deadline. Der Vorteil zur Zeitung: Artikel können jederzeit aktualisiert werden. Außerdem überlegen Online-Redakteure immer, wie man eine Geschichte multimedial umsetzen kann. m.mokwa@waz.de Wir arbeiten unter einem noch größeren Zeitdruck. Denn je schneller unser Thema auf dem Markt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute es bei uns und nicht bei der Konkurrenz lesen. Als weitere Multiplikations-Wege nutzen wir die sozialen Medien. t.beissert@waz.de Was geht online, was im Print nicht geht?
k.weber@waz.de Zeitungen sind eingeschränkter, was den formalen Aufbau und die kreative Gestaltung der Seiten betrifft. Online besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, Texte mit Fotostrecken, Videos, Grafiken, Karten oder Quizzen aufzulockern und Links zu weiterführenden Artikeln zu setzen. m.mokwa@waz.de Wir müssen online viel schneller reagieren, Themen sofort aktualisieren und neu gewichten. Anhand der Klickzahlen erhalten wir unmittelbares Feedback und können auf die Interessen unserer Leser reagieren. Online können wir zudem aus einer Bandbreite an Erzählformen schöpfen.
REGIO-DESK
Die WAZ gestaltet K In meiner Zeit am Regio-Desk habe ich das Layout für verschiedene Lokalredaktionen geplant und im ConThuy-An tent-Team die Nguyen (28) WAZ-Ausgabe Recklinghausen mitproduziert. K Besonders spannend fand ich zu lernen, wie das Layout der WAZ gestaltet wird. K Entstanden sind viele von mir selbst gebaute Seiten. K Während dieser Zeit habe ich gelernt, die WAZ als Gesamtprodukt sowie die Produktionsabläufe besser zu verstehen. Ich habe gleichzeitig ein besseres Verständnis für die Arbeit der Kollegen am Desk entwickelt.
(v.l.) Tabea Beissert, Gesa Kortekamp, Hendrik Steimann, Hendrik Niebuhr, Stephanie Heske, Simon Gerich, Jory Aranda.
Der große Geburtstag unserer Zeitung ist nicht nur Anlass, zurückzublicken, sondern gerade auch für uns – für den Nachwuchs – Anlass, den Blick in die Zukunft zu richten. Der Journalismus steht in diesen Zeiten vor großen Veränderungen: Neben der gedruckten Zeitung setzen wir verstärkt auch auf OnlineInhalte. Über Chancen und Perspektiven diskutierten aktuelle Volontäre der WAZ. Das Gespräch führten Tabea Beissert und Stephanie Heske.
Wie seht ihr die Zukunft des Regional- und Lokal-Journalismus im Wandel der Digitalisierung? Jory Aranda: Wir sollten die technische Entwicklung im Blick behalten. Bald werden wir vermutlich mit dem Handy schneller surfen können als am Rechner zuhause. Dadurch rücken Videoformate stärker in den Mittelpunkt. Um unsere Leser bestmöglich zu erreichen, sollten wir uns diesem Nutzungsverhalten anpassen und noch stärker auf Videos setzen. Also die Formate, die wir haben, erweitern? Gesa Kortekamp: Genau. Und zwar
so erweitern, dass der Leser Lust auf mehr bekommt. Weil er etwa ein kurzes Video gesehen hat und jetzt mehr über den Menschen, den er da gesehen hat, erfahren möchte.
Jory Aranda: Wenn man guten Journalismus machen möchte, lernen wir hier ein gutes Handwerk. Die Leute vertrauen unserem Medium, wir arbeiten gewissenhaft.
über die Straße wächst und die Stadt nichts unternimmt. Wir müssen ganz nah dran sein und immer ein offenes Ohr haben. Das schafft Vertrauen.
Das funktioniert aber nur online. Jory Aranda: Ich selbst lese Nachrichten auch zuerst online auf dem Handy. Sobald ich am Frühstückstisch sitze, halte ich aber gerne die gedruckte Zeitung in den Händen. Hendrik Niebuhr: Wir müssen uns als Lokaljournalisten verstärkt Gedanken darüber machen, wie wir auch die Leute für uns gewinnen, die ausschließlich online lesen.
Dieses Vertrauen aufrecht zu erhalten, ist ja für uns essenziell. Wie kann uns das gelingen? Gesa Kortekamp: Ein Ansatz wäre, unsere Arbeit transparenter zu machen. Zum Beispiel durch einen Instagram-Account, in dem wir darstellen können, wie ein Arbeitstag bei uns abläuft. Hendrik Steimann: Den Menschen ist wichtig, was vor ihrer Haustür geschieht. Warum etwa das Unkraut
Wie haben die sozialen Medien unser Berufsbild verändert? Jory Aranda: Es besteht ein größerer Bedarf für die Einordnung von Nachrichten. Viele sagen, dass durch das Internet die Bedeutung von Journalisten sinkt. Ich glaube, es ist eher anders herum. Die Bedeutung von gut ausgebildeten Journalisten wächst. Sie können Infos bewerten, die im Internet kursieren. Simon Gerich: Soziale Netzwerke sind längst zu einer wichtigen Quelle geworden, um Themen zu finden, die die Leute bewegen. Jory Aranda: Vor zehn Jahren konnte sich niemand vorstellen, was wir heute alles mit dem Smartphone machen. Wer weiß, was in fünf Jahren alles möglich ist. Vielleicht lesen wir nicht mehr selbst, sondern bekommen alles vorgelesen mit einem kleinen Knopf im Ohr.
Ihr seht Zukunft in der Ausbildung bei einer Tageszeitung? Hendrik Steimann: Ja, denn wir arbeiten längst multimedial auf al-
„Der Bedarf, lokal informiert zu werden, wird bleiben.“ Jory Aranda, Volontär
len Kanälen, haben digitale Produkte wie die Sonntagszeitung als E-Paper, und sind viel auf Facebook aktiv.
LOKAL
Wie kann der Lokaljournalismus in diesen turbulenten Zeiten überleben?
FOTO: KAI KITSCHENBERG
Jory Aranda: Der Bedarf, lokal informiert zu werden, wird bleiben. Die Frage ist, wie wir die Themen aufbereiten, so dass sie zeitgemäß sind und viele Menschen erreichen. Gesa Kortekamp: Ich kann mir vorstellen, dass es irgendwann eine Wochenzeitung gibt, in der wir Hintergründe aufzeigen. Über aktuelle Ereignisse berichten wir dann online in Echtzeit. Hendrik Niebuhr: Wir müssen in Kontakt mit den Bürgern bleiben. Interaktion mit den Lesern wird immer wichtiger. Wo und wie soll dieser Austausch mit den Lesern stattfinden? Jory Aranda: Immer wichtiger wird Community Management. Also das „Gespräch“ mit den Lesern auf sozialen Plattformen im Internet. Da würde ich auf allen Kanälen präsent sein, nicht nur bei Facebook. Das ist arbeitsintensiv. Aber letztendlich profitieren wir davon, wenn wir uns dort eine Leserschaft aufgebaut haben. Man hat dann Zugriff auf so eine Art Schwarmwissen. Hendrik Steimann: Überall, wo wir nicht dabei sind, verpassen wir einfach etwas. Und wir sollten den Anschluss nicht verlieren.
HAUPTTEIL
Sebastian Hetheier entdeckte seine Stadt neu
Christina Teupen: Spannende Konferenz
K In meiner Lokal-Phase habe ich in der Redaktion in Bochum gearbeitet. Die meiste Zeit konnte ich eigene Geschichten umsetzen. Da ging es dann mal um Nachhaltigkeit, den Brexit, Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer und Star Trek – alles auf Bochum gemünzt. Aber auch über ein paar städtische Klassiker wie die Currywurst von Döninghaus und den Starlight Express durfte ich schreiben. K Besonders spannend fand ich, dass ich meine Heimatstadt tatsächlich in vielen Bereichen neu entdeckt habe. Ich bin eigentlich kein Lokalpatriot, habe während meiner Station aber richtig Lust auf Bochum bekommen. Auf die vielen interessanten Menschen, Geschichten und Ideen, die diese
K In meiner Mantel-Phase gelungen, was hätte besser habe ich je einen Monat in sein können? Diese Fragen den Ressorts „Rheinwerden dabei beleuchtet. Ruhr“ und „Wirtschaft“ geK Entstanden ist während arbeitet. Ich konnte sodieser Zeit unter anderem wohl eigene Themen umein Artikel, der sich mit der setzen als auch die Abläufe Christina Vergabe der Anbaulizenzen Teupen (22) in der Essener Zentrale für Cannabis zu medizinischen Zwecken beschäftigt. Obmiterleben. K Besonders spannend fand ich wohl in Deutschland angebaut die Konferenz am Morgen, an der werden soll, haben deutsche alle Ressorts teilnehmen. Weitere Bauern und Unternehmer kaum Titel der Funke Mediengruppe Chancen ohne ausländische Partwerden per Video zugeschaltet, ner – das war vor meiner Recherum zu besprechen, was am nächs- che selbst einigen Branchenkenten Tag im Blatt stehen soll. Die nern nicht bewusst. Berliner Zentralredaktion stellt zu K Gelernt habe ich, dass sich ManBeginn ihre Themen vor, die sie für telseiten auch kurz vor Druck alle Titel anbietet. Außerdem wird noch komplett verändern können, die aktuelle WAZ-Ausgabe in einer etwa bei einem politischen GroßBlattkritik besprochen. Was ist gut ereignis.
Stadt zu bieten hat. Leander kelgasse eingerichtet wurde Haußmann hat mal beund eine deutschlandweit hauptet, Bochum sei das Paeinzigartige Adresse für Garis des Ruhrgebiets. Da ist mer und Nerds ist. Das habe was dran. ich auf dem Weg zur Arbeit K Entstanden ist während entdeckt und als erster drüdieser Zeit eine Doppelseite Sebastian ber berichtet. Der Artikel Hetheier (28) zum Thema „Freifunk“. Da wurde online ziemlich oft ging es um das bürgerschaftlich En- gelesen. Das hat nach und nach angagement vieler Bochumer, die in dere Medien auf den Plan gebracht, der Stadt ein kostenloses WLAN- vom WDR bis bento.de Netz aufgebaut haben. Drumhe- K Gelernt habe ich, dass Lokaljourrum sind interessante Geschichten nalismus eine schöne, aber auch entstanden, von der vernetzen schnelle Angelegenheit ist, die in Kleingartenanlage hin zu Geflüch- Zukunft weiterhin wichtig bleibt. teten, denen das kostenlose Inter- Beim Projekt ProBo konnte ich ernet geholfen hat, sich in der Stadt leben wie neue Ideen und Formate zurechtzufinden. Entstanden ist fürs Lokale entwickelt und umgewährend dieser Zeit auch ein Por- setzt werden. Das war ein spannenträt über ein neues Tattoo-Studio, der Prozess. Diesen Mut zum Expedas im Stil von Harry Potters Win- riment behalte ich mir bei.
DIE AUSBILDUNG
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Samstag, 31. März 2018
Nur fotografieren war gestern
So bildet die MAR die Volontäre aus
Eine kurze Bildgeschichte über die Multimedia-Ausbildung bei der WAZ
Nachwuchs lernt Handwerk in Seminaren Bunte Reportagen, kritische Interviews und treffende Kommentare: Ihr Handwerk lernen WAZ-Volontäre in der Medienakademie Ruhr (MAR). Seit 25 Jahren bildet sie den Nachwuchs aus, aber auch freischaffende Journalisten weiter. Während ihrer zweijährigen Ausbildung bei der WAZ besuchen die Volontäre immer wieder Seminare und Workshops in der MAR mit Sitz in Essen. Neben Pflichtmodulen haben sie die Möglichkeit, Fachseminare etwa zu Sport und Wirtschaft oder Workshops zu Videojournalismus oder Bloggen als PR-Instrument zu besuchen. Renommierte Dozenten leiten die Seminare. Die MAR bildet crossmedial aus und versteht sich als Vorreiterin in der Entwicklung und Etablierung neuer Aus- und Weiterbildungsangebote – vor allem auch im digitalen Bereich. Zum Werkzeug eines Journalisten zählen heute schließlich nicht mehr nur Block und Stift, sondern etwa auch das Smartphone. Die Volontäre lernen, wie sie dieses nutzen können und wie ihnen Google, Facebook und Twitter bei ihrer Recherche helfen.
Bewegte Bilder: Marit Langschwager interviewt und filmt für den Online-Auftritt von WAZ.de.
Julia Tillmann fotografiert den Automonteur bei seiner Arbeit für die Zeitung und für WAZ.de.
DIE MAR IN ZAHLEN
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Mitarbeiter gehören zum Team der Medienakademie Ruhr und organisieren die Aus- und Weiterbildung unter anderem für die Volontäre der WAZ.
400 Jahr an. FOTOS: INGO OTTO
Der letzte Schritt: Marit Langschwager und auch Julia Tillmann bearbeiten die Daten am PC.
ONLINE
FOTO
Auf geht’s: Die Multimedia-Volontärinnen Julia Tillmann (l.) und Marit Langschwager auf dem Weg zum Termin.
SEMINARE
Verena Camen war interaktiv unterwegs
Annalena Dörner wechselte die Seite
Jana Tessaring lernte Theorie
In meiner Online-Phase habe ich viel mit der Polizei telefoniert, interessante Themen recherchiert und mit Verena Ca- verschiedenen intermen (24) aktiven Elementen wie Karten und Grafiken aufbereitet sowie am Newsdesk Meldungen zu aktuellen Themen aus der Region angelegt. Außerdem habe ich die Themen der Lokalredaktion online-gerecht aufbereitet. Besonders spannend fand ich die Pressekonferenz einer Mordkommission in Bochum, von der ich einen Liveticker geschrieben habe. Dabei wurden Details zu einem Tatverdächtigen genannt, der ein Rentnerpaar ermordet haben soll. Der Fall hat in Bochum und darüber hinaus für viel Aufsehen gesorgt. Der Tatverdächtige wurde erst ein halbes Jahr nach der Tat gefasst. Entstanden ist passend zur dunklen Jahreszeit eine Übersicht über beleuchtete Laufstrecken in der Region, natürlich mit einer Karte dazu. Gelernt habe ich, dass man in Online-Redaktionen schnell, aber trotzdem gründlich arbeiten muss. Über die sozialen Medien bekommt man von den Lesern unmittelbar Feedback zu seinen Artikeln.
In meinem Fotomonat habe ich die Seite gewechselt und habe die Zeitungsseiten bebildert anstatt wie Annalena sonst Artikel zu Dörner (25) schreiben. Besonders spannend fand ich, dass ich live bei einer Bombenentschärfung dabei sein durfte. Um mich herum wurden Schulen und Supermärkte evakuiert. Ich hingegen bin mit Kamera und Handy ausgestattet weiter durch die Straßen gezogen. Fasziniert hat mich auch die Themenvielfalt. Von Porträts bis hin zu Landschaftsaufnahmen habe ich alles fotografiert. Entstanden ist dabei unter anderem dieses Bild von der Burgruine Altendorf in Essen (siehe unten). Gelernt habe ich, dass Fotografieren nicht einfach nur der Druck auf den Auslöser ist. Ein gutes Foto braucht eine gute Technik und eine schöne Bildkomposition.
Bei meinen Seminaren habe ich durch die Mischung von Theorie und Praxis viel gelernt. Ich freue mich Jana Tessa- schon besonders auf ring (25) das Seminar „Politikberichterstattung“ in Brüssel. Toll ist es auch, bei den Seminaren immer wieder die anderen Volontäre zu treffen. Besonders spannend fand ich den Besuch in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen und der Essener Asservatenkammer im Rahmen unseres einwöchigen Grundseminars „Justizberichterstattung/Presserecht“. Dieses Seminar wird mir definitiv im Gedächtnis bleiben. Entstanden ist unter anderem ein Nachrichtenbeitrag im Seminar „Video für das Web“, bei dem wir mit einer Kamera, Licht, Ton und dem ganzen Drum und Dran über den Alltag eines Lokalredakteurs berichtet haben und dabei mit den Kameraperspektiven gespielt haben. Gelernt habe ich, direkt zu Beginn des Volontariats, wie die Funke Mediengruppe aufgebaut ist, worauf es bei der Gerichtsberichtserstattung besonders ankommt und dass bei Fotos kreative Ideen ebenso wichtig sind wie die Bildtiefe.
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Die Burgruine in Altendorf.
FOTO: DÖRNER
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Seminartage bot die MAR im vergangenen
Volontäre waren dort 2017 in der Ausbildung.
WIR MACHEN FÜR SIE ZEITUNG – UNSER REDAKTIONSTEAM
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Andreas Tyrock, Chefredakteur
Alexander Marinos, stellv. Chefredakteur
Lutz Heuken, Deskchef/Politik
WOCHENENDE
Marc Oliver Hänig, Leiter Wochenende
Georg Howahl, Redaktion Wochenende
Maren Schürmann, Red. Wochenende
Frank Preuß, Leiter Redaktion Rhein-Ruhr
POLITIK
Andreas Böhme, Reporter Rhein-Ruhr
Annika Fischer, Reporterin Rhein-Ruhr
Thomas Mader, Rhein-Ruhr
Ute Schwarzwald, Rhein-Ruhr
PROJEKTE
FUNKE REDAKTIONS SERVICES
Philipp Wahl, Projektkoordinator
Oliver Multhaup, Leitung
Ilja Höpping, stellvertretender Leiter
Stefan Wette, Gerichtsreporter
Carsten Oberste-Kleinbeck, Chef vom Dienst
Hubert Wolf, Reporter Rhein-Ruhr
Michael Kohlstadt, regionale Politik
Oliver Wagner, stellv. Achim Beer, Redaktion Chef vom Dienst Chef vom Dienst
WIRTSCHAFT
Thomas Schmitt, Leiter Redaktion Bochum
Stefanie Weltmann, regionale Politik
Tobias Blasius, Landeskorrespondent
Matthias Korfmann, Landeskorrespondent
Stefan Schulte, Leiter Wirtschaftsredaktion
Ulf Meinke, Reporter Wirtschaft
Frank Messing, Wirtschaftsredaktion
Jens Dirksen, Leiter Kulturredaktion
Britta Heidemann, Kulturredaktion
Lars von der Gönna, Kulturreporter
James Brunt, Redaktion Chef vom Dienst
Gerd Heidecke, Redaktion Chef v. Dienst
Michael Hermes, Redaktion Chef v. Dienst
Daniel Kamphaus, Redaktion Chef v. Dienst
Felix Heyder, Leiter Fotoredaktion
Lene Lotte Burkhard, Fotoredaktion
Katharina Kemme, Fotoredaktion
Stefan Moutty, Redaktion Veranstaltungen
Maxi Strauch, Redaktion Veranstaltungen
Anna Wolff, Redaktion Veranstaltungen
Kai Süselbeck, stellv. Leiter Red. Bottrop
Dirk Aschendorf, Redaktion Bottrop
Matthias Düngelhoff, Redaktion Bottrop
Ute Hildebrand-Schute, Redaktion Bottrop
Christina Wandt, stellv. Leiterin Essen
Janet Lindgens, Redaktion Essen
Jörn Stender, stellv. Redaktionsleiter GE
Inge Ansahl, Redaktion Gelsenkirchen
BOTTROP
WATTENSCHEID
Michael Weeke, stellv. Redaktionsleiter BO
Jürgen Boebers-Süßmann, Redaktion BO
Linda Heinrichkeit, Redaktion Bochum
Bernd Kiesewetter, Redaktion Bochum
Gernot Noelle, Redaktion Bochum
Markus Rensinghoff, Redaktion Bochum
Andreas Rorowski, Redaktion Bochum
Gianna Schlosser, Redaktion Bochum
Jürgen Stahl, Redaktion Bochum
KULTUR
Christopher Onkelbach, regionale Politik
BOCHUM
Barbara MertenKemper, Betriebsrätin
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Samstag, 31. März 2018
Sabine Vogt, Redaktion Bochum
Michael Eckardt, Leiter Lokalsport Bochum
Ralf Ritter, Lokalsport Bochum
Ralf Drews, Redaktion Wattenscheid
Ellen WiedersteinSchulte, Wattenscheid
Michael Friese, Leiter Redaktion Bottrop
DUISBURG
Norbert Jänecke, Redaktion Bottrop
Andrea Kleemann, Redaktion Bottrop
Nina Stratmann, Redaktion Bottrop
Felix Hoffmann, Lokalsport Bottrop
Oliver Schmeer , Leiter Redaktion Duisburg
ESSEN
Willi Mohrs, stellv. Leiter Redaktion DU
Martin Ahlers, Redaktion Duisburg
Anne Horstmeier, Redaktion Duisburg
Kristina Mader, Redaktion Duisburg
Fabienne Piepiora, Redaktion Duisburg
Thomas Richter, Redaktion Duisburg
Daniel Wiberny, Redaktion Duisburg
Gregor Herberhold, Red. Duisburg-Nord
Christian Balke, Red. Duisburg-Nord
Katja Burgsmüller, Red. Duisburg-Süd
Monique de Cleur, Red. Duisburg-Süd
Gabriele Beautemps, Red. Duisburg-Süd
Annika Matheis, Redaktion Duisburg-Süd
Frank Stenglein, Leiter Redaktion Essen GELSENKIRCHEN
Gerd Niewerth, Redaktion Essen
Kirsten Simon, Redaktion Essen
Martina Schürmann, Redaktion Essen
Dagmar Schwalm, Redaktion Essen
Marcus Schymiczek, Redaktion Essen
Martin Spletter, Redaktion Essen
Jennifer Schumacher, Stadtteilred. Essen
Norbert Ahmann, Stadtteilred. Essen
Zlatan Alihodzic, Stadtteilred. Essen
Rüdiger Hagenbucher, Stadtteilred. Essen
Michael Heiße, Stadtteilredaktion Essen
Dietmar Mauer, Stadtteilredaktion Essen
Sabine Moseler-Worm, Stadtteilred. Essen
Dominica Sagan, Stadtteilred. Essen
Elisabeth Schulz, Stadtteilred. Essen
Petra Treiber, Stadtteilredaktion Essen
Rolf Hantel, Lokalsport Essen
Ralf Wilhelm, Lokalsport Essen
GLADBECK
Anne Bolsmann, Redaktion GE
Elisabeth Höving, Redaktion GE
Nikos Kimerlis, Redaktion GE
Sibylle Raudies, Redaktion GE
Wolfgang Laufs, Redaktion GE-Buer
Christiane Rautenberg, Red. GE-Buer
Angelika Wölke, Redaktion GE-Buer
Ralf Birkhan, Lokalsport Gelsenkirchen
Manfred Hendriock, Lokalsport GE
Christoph Winkel, Lokalsport GE
Maria Lüning-Heyenrath, Leiterin Gladbeck
HATTINGEN
Georg Meinert, stellv. Leiter Gladbeck
Tabea Beissert, Redaktion Gladbeck
Marcus Esser, Redaktion Gladbeck
Nina Estermann, Redaktion Gladbeck
HERNE
Brigitte Ulitschka, Redaktion Hattingen
Sabine Weidemann, Redaktion Hattingen
Liliane Zuuring, Redaktion Hattingen
Matthias Spruck, Redaktion Sprockhövel
Heiner Wilms, Lokalsport Hattingen
Michael Muscheid, Leiter Red. Herne
Andrea Müller, Redaktion Mülheim
Margitta Ulbricht, Redaktion Mülheim
Gerd Böttner, Lokalsport Mülheim
Peter Szymaniak, Leiter Red. Oberhausen
Tobias Bolsmann, stellv. Leiter Herne
Lars-Oliver Christoph, Redaktion Herne
Ute Eickenbusch, Redaktion Herne
Gabriele Heimeier, Redaktion Herne
Kathrin Meinke, Redaktion Herne
Jürgen AugsteinPeschel, Leiter Witten
Svenja Suda, Redaktion Gladbeck
Thomas Dieckhoff, Lokalsport Gladbeck
Ulrich Laibacher, Leiter Red. Hattingen
Michael Brandhoff, stellv. Leiter Hattingen
Sabine Kruse, Redaktion Hattingen
Karoline Poll, Redaktion Herne
Martin Tochtrop, Redaktion Herne
Stefan Falk, Lokalsport Herne
Wolfgang Volmer, Lokalsport Herne
Mirco Stodollick, Leiter Red. Mülheim
Katja Bauer, stellv. Leiterin Red. Mülheim
Andreas Heinrich, Redaktion Mülheim
Deike Frey, Redaktion Mülheim
Frank-Rainer Hesselmann, Red. Mülheim
Bettina Kutzner, Redaktion Mülheim
Christoph Husemeyer, Red. Heiligenhaus
Oliver Kühn, Redaktion Heiligenhaus
Katrin Schmidt, Redaktion Heiligenhaus
Harald Wiegand, Redaktion Langenberg
Kathrin Melliwa, Redaktion Neviges
Klaus Herbst, Redaktion Regiodesk
Martin Hinz, Redaktion Regiodesk
Michael Jacobs, Redaktion Regiodesk
Sylvia Lukassen, Redaktion Regiodesk
Ralf Schacht, Redaktion Regiodesk
VELBERT
Andrea Rickers, stellv. Leiterin Oberhausen
Michael Bresgott, Redaktion Oberhausen
Nadine Gewehr, Redaktion Oberhausen
Barbara Hoynacki, Redaktion Oberhausen
Andrea Micke, Redaktion Oberhausen
Rusen Tayfur, Redaktion Oberhausen
WITTEN
Ulrich Tröster, Lokalsport Velbert
Gerhard Römhild, Redaktion Gladbeck MÜLHEIM
OBERHAUSEN
Annette Lehmann, Redaktion Mülheim
Steffen Gaux, Leiter Red. Gelsenkirchen
Ralph Wilms, Redaktion Oberhausen
Yvonne Szabo, Leiterin Redaktion Velbert
Klaus Kahle, stellv. Leiter Red. Velbert
Sascha Döring, Redaktion Velbert
Christopher Shepherd, Red. Velbert
Rulof Albert, Redaktion Regiodesk
Gudrun Czekalla, Redaktion Regiodesk
Andree Hagel, Redaktion Regiodesk
REGIODESK
Michael Vaupel, stellv. Leiter Red. Witten
Britta Bingmann, Redaktion Witten
Andrea Böhnke, Redaktion Witten
Jutta Bublies, Redaktion Witten
Tina Bucek, Redaktion Witten
Johannes Kopps, Redaktion Witten
Annette Kreikenbohm, Red. Witten
Susanne Schild, Redaktion Witten
Oliver Schinkewitz, Lokalsport Witten
Heinz-Dieter Schäfer, Leiter Regiodesk
Sabine van Triel, stv. Leiterin Regiodesk
Samstag, 31. März 2018
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FUNKE SPORT
Pit Gottschalk, Chefredakteur Funke Sport
Peter Müller, Leitender Redakteur Funke Sport
Jan Kanter, Chef vom Dienst Funke Sport
Nils Balke, Redakteur Funke Sport
Daniel Berg, Chefreporter Funke Sport
Andreas Berten, Redakteur Funke Sport
Jürgen Blöhs, Redakteur Funke Sport
Christian Brausch, Redakteur Funke Sport
Francois Duchateau, Redakteur Funke Sport
Andreas Ernst, Redakteur Funke Sport
Björn Goldmann, Redakteur Funke Sport
Martin Herms, Redakteur Funke Sport
Marian Laske, Redakteur Funke Sport
Thomas Lelgemann, Redakteur Funke Sport
Dominik Loth, Reporter Funke Sport
Melanie Meyer, Redakteurin Funke Sport
Michael Ryberg, Reporter Funke Sport
Thomas Tartemann, Reporter Funke Sport
Sebastian Weßling, Reporter Funke Sport
Krystian Wozniak, Reporter Funke Sport
Anne Krum, Redaktionsleiterin
Andreas Fettig, Chef vom Dienst
Annika Rinsche, Chefin vom Dienst
Sarah Kähler, Nachrichtenchefin
Ingmar Kreienbrink, Nachrichtenchef
Julia Richter, Videokoordination
Thomas Lau, Community Management
Marc Wolko, Redakteur
Sina Heilmann, Redakteurin
Gerrit Dorn, teur
Sinan Sat, teur
Pirkko Gohlke-Maurer, Redakteurin
Martin Schroers, Redakteur
Hanna Lohmann, Redakteurin
Marcel Krischik, Redakteur
Annette Kalscheur, Online-Koordinatorin
Jasmin Kleemann, Redakteurin
Dagobert Ernst, Redakteur
Stefan Kober, Redakteur
Kathrin Walger-Stolle, Online-Koordinatorin
Sophia Höpping, Redakteurin
Nadia Al-Massalmeh, Redakteurin
Johannes Pusch, Redakteur
WAZ.DE
Redak-
Redak-
FUNKE FOTO SERVICES - DIE BILDREDAKTEURE
Klaus Micke
Gerd Wallhorn
Markus Weißenfels
Svenja Hanusch
Volker Herold
André Hirtz
Kai Kitschenberg
Kerstin Kokoska
Thorsten Lindekamp
Ulla Michels
Ingo Otto
Ralf Rottmann
Dana Schmies
Lutz v. Staegmann
Fabian Strauch
Olaf Ziegler
Samstag, 31. März 2018
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FUNKE ZENTRALREDAKTION BERLIN
Chef-
Thomas Kloß, Chefredakteur Online
Jochen Gaugele, stellv. Chefredakteur
Karsten Kammholz, Chefreporter
Mark Hippler, stellv. Chefredakteur Online
Guido Heisner, Chef vom Dienst
Alexander Klay, Chef vom Dienst
Birgitta Stauber, Chefin vom Dienst
Walter Bau, Textchef Online
Diana Zinkler, Textchefin Print
Michael Backfisch, Chef Außenpolitik
Tim Braune, Chefreporter
Gudrun Büscher, Leitende Redakteurin
Dr. Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin
Alexander Kohnen, Politik-Korrespondent
Theresa Martus, Politik-Korrespondentin
Kerstin Münstermann, Politik-Korrespondentin
Philipp Neumann, Politik-Korrespondent
Egbert Nießler, PolitikKorrespondent
Christian Unger, Politik-Korrespondent
Björn Hartmann, Wirtschaftsredaktion
Beate Kranz, Wirtschaftsredaktion
Anja Stehle, Wirtschaftsredaktion
Jürgen Polzin, Leiter Ratgeber/Wissen
Kai Wiedermann, Red. Ratgeber/Wissen
Sonja Fröhlich, Red. Ratgeber/Wissen
Jan Mölleken, Red. Ratgeber/Wissen
Alina Reichardt, Red. Ratgeber/Wissen
Laura Rethy, Red. Ratgeber/Wissen
Kai-Hinrich Renner, Redaktion Medien
Petra Koruhn, Leiterin Red. Vermischtes
Jonas Erlenkämper, Red. Vermischtes
Lion Grote, Redaktion Vermischtes
Caroline Rosales, Redaktion Vermischtes
Oliver Stöwing, Redaktion Vermischtes
Klaus Brandt, Reportage/Recherche
Anne Diekhoff, Reportage/Recherche
Sören Kittel, Reportage/Recherche
Miguel Sanches, Reportage/Recherche
Anja Bleyl, Fotoredaktion
Jörg Quoos, redakteur
AUSLANDSKORRESPONDENTEN
Mark Allen, Fotoredaktion
Anna Schwarz, Fotoredaktion
Eva Adler, Produktionsredaktion
Lisa Ahlers, Produktionsredaktion
Fabian Buß, Produktionsredaktion
Julian Philipp, Produktionsredaktion
Markus Schünemann, Produktionsredaktion
Dirk Hautkapp, Korrespondent USA
Christian Kerl, Korrespondent Brüssel
Martin Gehlen, Korrespondent Naher Osten
Noch viel mehr hilfreiche Hände und kreative Köpfe
Willi Germund, Korrespondent Asien
Peter Heusch, Korrespondent Frankreich
Gerd Höhler, Korresp. Griechenland/Türkei
Felix Lee, Korrespondent China
Ralph Schulze, Korrespondent Spanien
Jochen Wittmann, Korrespondent England
K 302 Fotos von Redakteurinnen und Redakteuren finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf dieser und auf den vorangegangenen drei Seiten – und immer noch reicht der Platz bei weitem nicht aus, um alle Mitarbeiter zu zeigen, die zum guten Gelingen Ihrer WAZ beitragen. Es sind so
viele hilfreiche Hände und kreative Köpfe, die am Entstehen Ihrer Zeitung beteiligt sind: in der Mediengestaltung, in den Grafik-Abteilungen, in den Sekretariaten, in den Print- und Online-Redaktionen, in den Druckhäusern, in der Technik, im kaufmännischen Bereich, in der Zustellung, in . . .
WAZ – WIR ARBEITEN ZUSAMMEN
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Bürgermeister und Bischof: Alle kennen „Daggi“ Die Sekretärin: Dagmar Assauer ist Gesicht und Stimme der WAZ in Gelsenkirchen Gelsenkirchen. Vielleicht ist eine Sekretärin nicht allein das Gesicht der Zeitung, sicher aber ihre Stimme. „Lokalredaktion, Assauer, guten Tag!“, so klingt in freundlichem Singsang Gelsenkirchen, früher hörte sich Essen so an. Bei Dagmar Assauer landen Leser, die Fragen haben oder Klagen; über Müll, Leerstand und „was den Leuten auffällt in ihrer Stadt“. So hat die Frau im Sekretariat schon manche Geschichte für den WAZ-Lokalteil „an Land gezogen“. Die inzwischen 60-Jährige hat einst Architektur studiert, aber sie wollte nie ins Büro, immer „auf die Baustelle“. Gewissermaßen hat sich der Wunsch also trotzdem erfüllt, Zeitungsseiten sind immer eine Art Baustelle, bis sie in den Druck gehen, jeden Tag neu. Und wenn in der Redaktion die Technik streikt, dann rufen alle nach „Daggi“: Kannst du? „Klar.“ So hat sie in Essen einst das Fotoarchiv aufgebaut und gepflegt und hat später den Veranstaltungskalender und seine Datenbank mit ans Laufen gebracht. So sitzt sie heute vor Bildschirm, Telefon und Pinnwand. Dagmar Assauer sorgt dafür, dass in Gelsenkirchen alle Termine stimmen, rührt jede Woche aus 130 festen Einträgen eine neue Mischung – und weiß dabei immer, „was Sache ist“. Beson-
ders in der Kultur, ihr gilt ihre Liebe, und dass die Szene in Gelsenkirchen eine solch lebendige ist, hat sie „positiv überrascht“.
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Samstag, 31. März 2018
Ein Quartett fürs Blatt Der Zusteller: Harry Ebert bringt die Zeitung – und drei andere Geschichten von Menschen bei der WAZ. Von Annika Fischer
„Da bin ich heute noch stolz drauf.“
Dagmar Assauer hatte die Handynummer von Berthold Beitz
Dagmar Assauer mag es, auf dem Laufenden zu sein, dazu den Kontakt mit den Menschen, auch mit bekannten. Als sie noch in Essen arbeitete, besuchten Bischof und Bürgermeister die Redaktion, auch Stars, die in der Grugahalle auftreten sollten, schauten vorher an der Friedrichstraße vorbei. Assauer organisierte, pflegte das Gästebuch, hielt Kontakt. Sie hatte die Handynummer des Krupp-Granden Berthold Beitz, „da bin ich heute noch stolz drauf“. Viele, die in Essen erst groß wurden, kannte sie „von Anfang an“. Und, ehrlich, alle kennen Daggi. Wer von Ihnen, liebe Leser, diese Frage also immer schon mal stellen, wollte, hier ist die Antwort: Ja, Daggi Assauer ist mit dem Assauer verwandt (der Name, sagt sie, „ist in Gelsenkirchen manchmal hilfreich“). Der große alte Schalker ist ihr Onkel.
Sie sorgt dafür, dass in und bei der WAZ Gelsenkirchen alle Termine stimmen: Sekretärin Dagmar Assauer. FOTO: LARS HEIDRICH
Nachts unterwegs: WAZ-Zusteller Harry Ebert bringt den Lesern in Bochum-Werne und -Langendreer die Zeitung. Bochum. Die Wetter-App hat „kalt“ gesagt, und sie hat so recht. Harry Ebert checkt das immer zuerst, „jeden Morgen“, sagt er, dabei ist „Morgen“ relativ: Es ist viertel vor zwei in der Nacht, als der 65-Jährige seinen Wecker ausschaltet, ein schnelles Käffchen trinkt und nach der Temperatur guckt. Minusgrade in Bochum. Heute wird das Zeitungs-Austragen eine Rutschpartie. Aber Harry – Jogginghose, sehr waches Lachen, „Denn mal los!“ – trägt nicht mal Handschuhe! „Jeden Morgen das gleiche Spiel“, sagt Harry Ebert fröhlich, als er an einer Bushaltestelle „seine“ Zeitungspakete unter den Arm klemmt. Nach Bezirken sortiert stapelt er sie vor dem Beifahrersitz, zum „Aufreißen“ hat er eine Schere dabei. „Ich bin ein Ordnungsfanatiker.“ Es ist 2.26 Uhr, Nebel wabert um den Fahrplan, um 4.17 Uhr fährt der erste Bus zum Krankenhaus. Dann hat Harry den ersten von zwei Bezirken längst durch.
Es gibt Leute, weiß Ebert, die ihre Zeitung schon um fünf Uhr haben wollen, „aber meine schlafen alle lange“. Er nennt die Abonnenten „meine Kunden“ und seine Bezirke, ein Stück Werne, ein Stück Langendreer, „mein Wohnzimmer“. Er achtet auch ein bisschen darauf: „Dass alles seine Ordnung hat.“ Augen und Ohren sind immer offen, „in alle Richtungen“. Der Zustellbezirk ist zu groß um zu laufen, aber das Auto fährt nie weit. Das Radio – Schlagermusik auf WDR4 – macht Harry Ebert leise, er will niemanden wecken. Dann steigt er schon wieder aus, drei Zeitungen unter dem Arm, 14 Zeitungen, „am Anfang war es schwierig, jedes Haus zu suchen“. Es ist ja dunkel und in dieser Nacht spiegelglatt. Wie glatt, erkennt Ebert an den Steinen der Auffahrten, am Glitzern der Gehwegplatten. Er versucht, sich nicht festzuhalten, aber woran auch? Die Straße ist abschüssig, aber er muss sie
auch wieder hoch, nennt sie den „Berg der Verzweiflung“. Den Job als Bote hat Harry Ebert vor zwei Jahren begonnen, er suchte den „sportlichen Ausgleich“, aber vielleicht war es auch seine
„Man versucht, so leise wie möglich zu sein.“
Harry Ebert, Zeitungs-Zusteller, will seine Kunden nicht wecken
Frau, die ihn suchte: „Harry“, sagte sie dem frischgebackenen Rentner, „du nimmst zu“. So hat Ebert angefangen, und er liebt seine Nächte auf der Straße. So wie die Kälte, die er „herrlich“ findet, und überhaupt jedes Wetter: „Das macht mir nichts aus, ich war früher Jugendtrainer.“ Er hat seine Tricks, wie die WAZ nicht nass wird: kurze Wege und immer die äußere zuerst „stecken“.
FOTO: LARS HEIDRICH
Er weiß genau, wer an welchem Tag die WAZ bekommt, es gibt ja auch Wochenend-Abos oder Kunden, die für den Urlaub abbestellen. Für zwei Häuser hat er einen Schlüssel, er schleicht sich hinein, wenn es klappert, ist er sauer: „Man versucht ja, so leise wie möglich zu sein.“ Manchmal liegt es aber auch am Briefkasten. „Dass die Leute sich nichts Leises bauen können!“ Sonst hat Harry, der Spaßvogel, wenig Sorgen da draußen. Nur um seinen Sohn, eines von vier Kindern, der den gleichen Job macht, aber danach nicht ins Bett geht wie sein Vater, sondern in seinen „richtigen“ Beruf. Und um seine 140 Zeitungen. Wenn am Ende der Straße noch eine übrig ist, dann rotiert er: „Wo haste eine vergessen?“ Jetzt gerade ist das so, aber das könnte an der ungewohnten Begleitung liegen. „Mein Gehirn sagt mir, wenn was falsch ist. Aber es kommt keine Meldung.“ Harry Ebert hat sich einfach verzählt. afi
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Samstag, 31. März 2018
Der Mann, der selbst der Kanzlerin das Wasser reichte Der Hausbote: Uwe Hoch bringt seit 28 Jahren die Post. Und ein freundliches Wort gleich mit
Andreas Schäfers kontrolliert das Paper „seiner“ Druckmaschine. Noch sind die Bahnen nur zweifarbig bedruckt.
FOTO: RALF ROTTMANN
„Die erste Gute“ muss um elf fertig sein Der Drucker: Andreas Schäfers steht jede Nacht an „seiner“ Maschine Essen. Mit dem Schlusspfiff im Stadion beginnt Andreas Schäfers zu rennen. Es ist schon wieder spät geworden, die Sportredaktion schiebt das aktuelle Ergebnis nach und der Drucker die Platte. Es ist zehn vor elf am Abend, um 23 Uhr muss „die erste Gute“ fertig sein. Aber „für ein Fußballergebnis“ hält der Schichtführer „auch um 23.15 Uhr die Maschine an“. Es riecht nach Farbe und Öl in der Druckerei der WAZ in Essen. Bis gerade eben ist es noch ruhig gewesen, die Mitarbeiter haben das Papier eingespannt, die Rolle bis zu 1,5 Tonnen schwer, sie haben die Spannung der Bahnen geprüft, acht Farben pro Druckturm kontrolliert, die ersten belichteten Seitenplatten eingehängt. Was, wenn die nun eilig dazwischengehängte
„Sport A“ in der Eile an die falsche Stelle kommt, sagen wir: zwischen die Stadtteilseiten oder mitten in die Kultur? Andreas Schäfers klemmt die Daumen hinter die Träger seiner blauen Latzhose und guckt so durchdringend wie fra-
„Ich finde es gut, dass man immer unter Druck steht.“ Andreas Schäfers, Drucker
gend. „Man baut hier“, sagt er sehr langsam, „erst Platten ein, wenn man weiß, wo sie hingehören.“ Es dürfen, hat sein Chef eben gesagt, „keine Fehler gemacht werden“. Schäfers, 55, findet gut, dass man „immer unter Druck steht“, und
dass dies eine bemerkenswerte Formulierung ist an diesem Ort, merkt er gar nicht. 34 Jahre ist er dabei, hat angefangen, als man in der Druckerei noch im Farbnebel stand und schwere Bleiplatten schleppte. Damals hat er im wahren Wortsinn „am Rad gedreht“, heute steht er am Monitor. Zehn vor elf, als die acht Maschinen schnauben und alle gleichzeitig loslegen, sie heulen auf, drehen immer schneller, Schäfers greift die erste Zeitung und hält sie wie ein Buch: Eine Hand am Knick, die andere blättert. Noch etwas Magenta, weniger Gelb, liegt der Seitenkopf auf derselben Höhe? Schäfers steuert mit dem Computer, „jetzt ist die schon schön“, sagt er nach wenigen Minuten. Um elf muss die Ausgabe „Essen-Süd“ im Versand
sein, schluckt dort die Beilagen und wandert an die Rampe, ab in den Lieferwagen! Andreas Schäfers mag diese Nachtschichten, er mag die Gemeinschaft und dass er jedes Jahr etwas Neues lernt, weil die Technik sich entwickelt. „Es ist nie stupide.“ Wenn er früh nach Hause kommt, ist er „grob informiert“, was in der Welt passiert ist, „man kann schon mal linsen, was einen interessiert“. Und er hat es mit „seiner“ großen Maschine 65 000-mal gedruckt. Annika Fischer (46) ist seit 2001 Reporterin im überregionalen Teil der WAZ.
Essen. Die WAZ hat ihre eigenen Postboten, die einzigen Menschen wohl, die den Weg kennen durchs Labyrinth der alten fünf Verlagshäuser – und alle Menschen darin. Die um deren Marotten wissen: Chefs, die pfeifen, wenn niemand anderem danach ist, die am Sudoku verzweifeln, und wer Fan von welchem Fußballverein ist. Uwe Hoch ist so einer, der seit 28 Jahren zur Familie gehört, er bringt die Briefe, aber immer auch einen fröhlichen Gruß, ein freundliches Wort, einen dummen Spruch. „Na, meine Lieblings-Zecke, wie war dein Wochenende?“, wird er die schwarz-gelbe Reporterin nach einer Dortmunder Niederlage am Montag fragen, während er ihr liebenswürdig die Post auf den Tisch legt. Wenn „sie“ aber im Derby gewonnen hat, dann gibt er den Kaffee aus. So ist unser Uwe, der einzige Schalker, den auch Borussen mögen, jedenfalls bei der WAZ. Es gibt Kollegen, die nennen ihn ihren „Sonnenschein“, dabei ist er eher der Typ Ruhr-Schnauze. Uwe Hoch, der Gelsenkirchener in der Essener Poststelle, lebt das Revier und spricht in seinem Tonfall. Und er liest seine Zeitung, deren Ausgaben er kiloweise in alle Abteilungen trägt, „von vorne bis hinten“. Jeden Tag, „damit ich weiß, was so passiert ist im Ruhrgebiet“. Oft, er ist ja in der Redaktion dabei, weiß er schon am Vortag, „wattet Neuet gibt, aber ich sag’ noch nix“. Nicht einmal, wenn er in der Sportredaktion etwas läuten gehört hat von einem prominenten Spielerwechsel. . . Wenn Hoch, 55, sagt: „Ich hab’ sie alle gehabt“, dann ist das nicht anzüglich, so ist der Uwe nicht. Er meint auch tatsächlich keine Frauen: Er meint vier Chefredakteure, längst ausge-
schiedene Urgesteine, unvergessene Ressortleiter – und eine Kanzlerin, der er beim Redaktionsbesuch das Wasser reichte. Die von der WAZ kennt er alle, vielen hat er die Post gebracht, auf die sie warteten. Ist gerannt, um Tabellen aus dem Nachrichtenticker zu holen, gewetzt durch die Etagen, um den Wetterbericht zu organisieren, er trug Fotos hin und her, und zum Fest schleppte er 17 Kisten mit Postkarten – die Lösungen des Weihnachtsrätsels. Noch heute sind der Briefe oft so viele, dass er mit dem Rollwagen kommt.
„Na, meine Lieblings-Zecke, wie war dein Wochenende?“ Uwe Hoch, Schalker, mit seinem freundlichsten Montagsgruß
Für den ehemaligen Sport-Chef schaute er in vor-digitalen Zeiten Fußball, während Hans-Josef Justen Kommentare schrieb, „und wenn was passiert ist, musste ich schreien“. Hin und wieder wurde er auf ein Päuschen gebeten beim Gründungs-Chefredakteur der WAZ, Erich Brost. „Da menschelte es.“ Manches Mal ist es knapp geworden in jenen Jahren. Stau in der Rohrpost, Rennbahn-Ergebnisse zu spät, irgendwo noch ein Loch im Blatt. „Aber es konnte passieren, was wollte“, sagt der Hausbote Hoch, „die Zeitung ist immer rausgekommen.“ Uwe Hoch bringt die WAZ. FOTO: HEIDRICH
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
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DIE LESER
„Die WAZ hat das Ruhrgebiet mit erfunden“ Theo Grütter, Chef des Ruhrmuseums, über die Rolle der Zeitung in der Region Herr Grütter, Sie stammen aus Gelsenkirchen, sind dort aufgewachsen. Was wurde zuhause gelesen? Grütter: Die WAZ. Obwohl mein Vater sehr konservativ war, und es damals auch andere Lokalzeitungen in Gelsenkirchen gab. In unserem Haus wohnten drei Familien und dreimal kam die WAZ. Wäre es übertrieben zu sagen, dass die WAZ die Region und ihre Identität stark geprägt hat? Das ist Fakt. Die WAZ war seit ihrem Erscheinen 1948 die erste kulturelle Klammer des Ruhrgebiets und blieb lange Zeit die einzige. Die WAZ stieg auf, als das Ruhrgebiet seine gemeinsame Identität entdeckte, sie hat ganz klar das Ruhrgebiet als mentales Ereignis miterfunden. WAZ-Mitbegründer Jakob Funke hat früh darauf gedrungen, dass die Zeitung sich aufs Ruhrgebiet konzentriert – und nicht, wie von den Briten geplant, in ganz NRW erscheint ... ... und da muss Jakob Funke bereits eine klare Vorstellung gehabt haben vom Ruhrgebiet als einem zusammenhängenden Raum. Dass Kohle und Stahl überhaupt eine eigene Identität begründen können, wurde lange nicht begriffen. Im Ruhrgebiet ging es ab den frühen 1950er-Jahren wirtschaftlich bergauf, und es gab deshalb natürlich auch enorme Bevölkerungs- und somit Leserzuwächse. Ein Riesenpotenzial, Region und Zeitung wuchsen parallel. Es war in jeder Hinsicht eine kluge Entscheidung der WAZ-Gründer. Eine NRW-Identität gab es erst viel
später, das hätte 1948 als Klammer nicht funktioniert.
Die WAZ wollte nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst auch inhaltlich andere Akzente setzen. So ist es, und da muss man etwas ausholen. Die Weimarer Republik war die Zeit der Tendenzpresse mit einer enormen ideologischen Aufladung, und das Ruhrgebiet war eine politische Kampfarena, vergleichbar nur mit Berlin. Die WAZ mit ihrer bewusst überparteilichen Ausrichtung und ihrer eher ruhigen Machart, ohne radikale Ausschläge nach links oder rechts, hat mit dem Verzicht auf emotionales Aufpeitschen viel dazu beigetragen, dass diese Polarisierung nach dem Zweiten Weltkrieg sich so nicht mehr wiederholen konnte. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die WAZ sich hohe Verdienste erworben hat um die Befriedung und die demokratische Entwicklung im Ruhrgebiet – und damit indirekt in der jungen Bundesrepublik. Denn wenn die Ruhr politisch aus dem Ruder gelaufen wäre, hätte das schlimme Folgen fürs ganze Land gehabt. Die Politik im Ruhrgebiet entwickelte sich in eine ähnliche Richtung. Sonst wäre es nicht möglich gewesen. Die politisch relativ ruhige Entwicklung gelang vor allem dank des Wandels der Sozialdemokratie, die das Ideologisieren in den 1950erJahren dämpfte. Demokratische Parteien verstanden sich nicht mehr nur als Kampfeinheiten, sie wurden zu Kümmerern, wobei Arbeiten und Wohnen im Mittelpunkt standen.
„Wenn es eine Zeitung gibt, die mit Recht den Anspruch erheben kann, für das gesamte Ruhrgebiet zu sprechen, dann war und ist das die WAZ.“ Prof. Theo Grütter (60), Historiker und Direktor des Ruhrmuseums
Neben „Kumpel Anton“ ist Jürgen von Manger der Pionier des Ruhrdeutschen: Hier besucht er 1965 auf der Zeche Wolfsbank in Essen-Borbeck die Abbrucharbeiter. FOTO: KLARTEXT
Die WAZ war allerdings nicht sozialdemokratisch ... ... aber doch deutlich sozialdemokratisiert, was auch die christliche Soziallehre der CDU einschloss. Die im Ruhrgebiet eher konservative SPD und die ebenso typischerweise im Bundesvergleich eher linke CDU waren doch gar nicht so weit auseinander. Und die WAZ passte da gut, hat den partnerschaftlichen Ansatz im Wirtschaftsleben mitvertreten und befördert. Man sei „entschieden sozial“, wie Erich Brost sagte. Aber die WAZ war eben keine Parteizeitung – im Unterschied zu anderen, die dieses Label dann zu ihrem Nachteil lange nicht loswurden. Das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass die WAZ zwar spät startete, dann aber beim wirtschaftlichen Erfolg alle anderen überholte. Ja, ganz sicher. Und das begründete wieder ihren enormen Einfluss auf die öffentliche Meinung im Ruhrgebiet. Die Menschen haben fast alle das Gleiche gelesen, heute in dieser Form schwer vorstellbar. Worüber hat man früher im Betrieb oder auf der Zeche gesprochen, beim gemeinsamen Anlegen der Arbeitskleidung, beim Einfahren oder in der Pause? Über das, was morgens in der Zeitung stand. Fast alle konnten da mitreden. Auch das war sehr wichtig für den Zusammenhalt im Ruhrgebiet.
Wenn es um die Rolle der WAZ bei der Identitätsfindung des Ruhrgebiets geht, kommt man an der legendären Figur „Kumpel Anton“ nicht vorbei, oder? Das war ganz entscheidend. Erst als das Ruhrgebiet begann, sich selbstironisch mit dem eigenen Dialekt und der eigenen Identität auseinanderzusetzen, war die Region ganz bei sich. Eine Region mit der Fähigkeit zum Humor ist von der Identität her stabil und kann sich humorvoll nach außen abgrenzen – und nicht etwa aggressiv. Da hat Kumpel Anton den Anfang gesetzt. Mit ihm war die WAZ sehr nah an den sogenannten kleinen Leuten, ohne sie zu verraten oder lächerlich zu machen.
nalzeitung dann etwa kühl sagen: Das kann alles weg? Das hätten die Leser überhaupt nicht verstanden.
Die WAZ hat dem Bergbau lange die Stange gehalten, auch als es schon unaufhaltsam wirtschaftlich mit dieser Branche bergab ging. Ein Fehler? Manche Schlaumeier kritisieren den langen Abschied von der Kohle. Doch wer das Siechtum und die sozialen Verwerfungen in Belgien oder England kennt, kann in dem sanften Ausstieg keinen grundsätzlichen Fehler erkennen. Bergbau ist eine Kernidentität des Ruhrgebiets, hat die Menschen tief geprägt. Es ist klar, dass die daraus resultierende Mentalität eine gewisse Widerständigkeit gegen ihr eigenes Ende entwickeln würde. Will man als Regio-
vorwerfen, sie musste sich entscheiden: Willst du ein Blatt für Bildungsbürger sein? Oder volkstümlich etwas für alle bieten? Der zweite Weg wurde beschritten, die WAZ wäre sonst ökonomisch gescheitert. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch berechtigte Kritik gab.
Ein Liebling der Intellektuellen war die WAZ allerdings nicht gerade. Die Leser im Ruhrgebiet hatten nun mal andere Sorgen als das Feuilleton. Man kann der WAZ das nicht
„Zeitweise war die WAZ zu sehr Teil der SPD-Hegemonie.“
Theo Grütter zur Linie der Zeitung in den 1970er- und 1980er-Jahren.
Nämlich? In den 1970er- und 1980er-Jahren war mir die WAZ zu brav, zu sehr Teil der sozialdemokratischen Hegemonie im Ruhrgebiet und in NRW. Es gab dann ja auch Bestrebungen, eine Gegenöffentlichkeit zu etablieren. Begrüßt habe ich,
dass die WAZ dann im neuen Jahrtausend eine Zeit lang die RuhrstadtIdee offensiv vertreten hat. Die Debatte war richtig, auch wenn der Glaube an die Realitätstauglichkeit mir im Nachhinein etwas blauäugig erscheint.
Wo sehen sie die Rolle der WAZ in Gegenwart und Zukunft? Die WAZ setzt stark auf das Lokale, das finde ich richtig und naheliegend. Aber sie muss auch das Diskussionsforum für die Entwicklung der Region sein. Es gibt nach wie vor kein anderes Medium mit dieser Breitenwirkung. Es kann nicht nur um das Beschreiben und Begleiten gehen, das wäre zu wenig. Die WAZ muss Debatten anstoßen, Themen setzen. Wer sonst soll es machen? Für meinen Geschmack könnte es da noch etwas aktiver zugehen. Wünschen Sie sich auch etwas in ihrer Funktion als Historiker? Die WAZ muss auch weiterhin die große Geschichte dieser Region erzählen. Dieses Narrativ und damit die Identität zu pflegen und gleichzeitig nach vorne zu schauen – das ist kein Widerspruch, überhaupt nicht. Das gehört zusammen. Das Gespräch führte Frank Stenglein, Leiter der WAZLokalredaktion in Essen
IM DRUCKHAUS
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Samstag, 31. März 2018
In der „Versand- und Beilagenhalle“ kommt der Betrieb erst am späten Abend in Schwung. Hier legen – vor allem – Maschinen Millionen von Beilagen in die Zeitungen.
FOTOS: LARS HEIDRICH
„Nachher sieht das hier aus wie Achterbahn auf Crange“ Mit Witz und vielen Anekdoten führt Edmund Weidenbach seit zwölf Jahren Leser-Gruppen durch das Druckhaus in Essen Von Hubert Wolf Essen. Zehn nach acht am Abend, die letzte Seite fehlt noch, und die Druckmaschine schweigt – sie sollte seit zehn Minuten laufen, ach was, rotieren. Wo die Seite bleibt, ist gerade nicht recht klar, aber Edmund Weidenbach schöpft aus der Tiefe seiner Lebenserfahrung: „Manchmal haben wir ein Problem mit den Redakteuren, weil sie die Zeiten nicht kennen.“ Der Mann ist natürlich Partei, muss man vorausschicken: im Rin-
gen zwischen der Redaktion, die lieber noch aktualisiert und später druckt, und dem Druckhaus, das möglichst früh, oder sagen wir pünktlich, beginnen will. Denn Weidenbach hat sein Berufsleben hier im Druckhaus in Essen verbracht und im Gegenstück in Hagen, war mit 65 entschlossen, in den Ruhestand zu gehen – und hat sich kurz darauf breitschlagen lassen, zurückzukehren und Führungen durch das Haus zu machen. Und das ist jetzt auch schon wieder zwölf Jahre her. Gegen 18.30 Uhr hat er die heuti-
ge Gruppe, acht Leser aus Gladbeck, unten im „Raum für Leser“ empfangen. Es sind weniger als angekündigt: „Wenn die Termine fixiert werden, haben die Frauen nicht im Kopf, wann Bayern München spielt. Heute spielt Bayern“, sagt der 77Jährige. Weidenbach hat da drin die Brötchen drapiert, den Beamer angeschaltet, nun wirft er Bilder an die Wand und tritt eine Tour de Force an durch die Welt der Funke Mediengruppe: all die Zeitungen und Anzeigenblätter, all die Zeitschriften und Radiosender und Angebote im Netz.
„Gehen Sie nachher nicht ins Bett und denken, Mensch, das hätte ich gerne noch gefragt!“
Hunderte Sprinter-Fahrzeuge laden fast zugleich ihre Zeitungspakete Und dann geht er los: Weidenbach vorweg, dann die Gäste, hinten einer seiner sechs Kollegen hier, Björn Knoblich: Es soll ja auch möglichst niemand abhanden kommen in diesem Labyrinth. „Herr Kollege, acht“ ruft Weidenbach dem Pförtner zu („für den Fall, dass es brennt und der Brandmeister wissen will, wie viele Gäste im Haus sind“) und eilt über den Innenhof voran zu jener Halle, wo heute Nacht hunderte SprinterFahrzeuge mehr oder weniger zugleich ihre Zeitungspakete laden werden: „Das sieht dann hier aus wie im Kinderzimmer.“ Weiter in die Halle, wo sich riesige Papierrollen in den Himmel stapeln, unterschiedlich breite Papierrollen. „Warum?“ Allgemeines Schütteln des Kopfes. „Die Zeitung ist nicht jeden Tag gleich dick. Wenn Sie die falsche Rolle einlegen, bleiben weiße Seiten, und wir müssen Buntstifte mitliefern.“ Bei jeder Maschine eine Ankedote oder ein Spruch Auf jede Maschine sattelt Weidenbach eine Anekdote oder einen Spruch, verschweigt aber auch nicht, wie immer wieder neue und modernere auf Kosten der Arbeitsplätze von Druckern gingen. Häufigster Satz: „Das macht die Maschine heute alles selbst.“ Und kündigt an, nachher allen aus der Gruppe „eine nicht aktuelle Zeitung“ schenken zu wollen. Nicht aktuell, weil Bayern noch spielt. „Weißt du, wie das ausgeht? Wir auch nicht.“ Der Rest sind Zahlen, die erschlagen:
100 000
Tonnen Papier werden hier im Jahr verarbeitet,
30
Tonnen Farbe und
16 000
Kubikmeter Wasser im Monat – und oben, in der Versandund Beilagenhalle, da legen sie
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Millionen Beilagen ein. Wöchentlich.
Edmund Weidenbach führt eine Gruppe Leser durch das Druckhaus der WAZ.
Die Rollen mit Zeitungspapier werden automatisch in die Druckmaschine eingelegt.
Der Abend ist noch jung, noch laufen wenige Bänder mit Beilagen. „Nachher sieht das hier aus wie Achterbahn auf Crange.“ Da ist die letzte Seite dann doch noch gekommen. Ein Kollege wirft die Druckmaschine an, ein anderer zieht aus den ersten gedruckten Exemplaren einzelne heraus. Stimmen die Farben nicht? Justiert er nach. Stimmt die Planung mit der Abfolge der Seiten überein? Abgehakt. Noch läuft die Maschine langsam, Textund Bildflächen sind noch zu unterscheiden. Dann, es ist jetzt alles in Ordnung, fahren sie das Tempo hoch, so hoch, dass es zu schnell wird für das Auge: Die Zeitungsseiten sind nur noch verwischt zu erkennen. Es ist der Druckauftakt der Postausgabe, jener WAZ-Exemplare, die am nächsten Morgen Urlauber in Belgien und Holland kaufen können: Sie müssen zuerst gedruckt werden wegen des weiten Weges – heute auch ohne das Bayern-Ergebnis. Nach gut zwei Stunden ist die Führung beendet. Noch Fragen? Wie
„Die Leute sehen die Zeitung danach mit anderen Augen.“
Edmund Weidenbach (77) unternimmt seit zwölf Jahren Druckhausführungen mit Lesern.
immer, fast keine: „Die Leute sind erschlagen“, sagt Weidenbach, „sie sehen die Zeitung danach mit anderen Augen“. Herr Weidenbach, eins noch: Warum sind sie zurückgekommen aus dem Ruhestand? Er hätte, erzählt er, nach wenigen Monaten ein Buch schreiben können. Ein Buch der Ausreden für Ruheständler, warum sie jetzt nicht raus gehen. „Aber wenn die Gäste warten, da musst du hin, egal, ob es regnet oder schneit!“ Tickets können online unter www.waz.de/druckhaus gebucht werden, ebenfalls persönlich im Leserladen oder telefonisch unter 0201 / 804 8058.
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Schule malt Zeitung Was Zweitklässlern alles zur WAZ einfällt! Bochum. „Der Tagesprophet bei Harry Potter wird von Eulen ausgeliefert.“ Die achtjährige Lilia Nieberg strahlt. Heute ist Malen für die WAZ angesagt in den zweiten Klassen der Natorpschule in Bochum-Weitmar. Vorher reden wir über Zeitung. Wer hat denn zuhause eine?
„Zeitung ist Internet auf dem Blatt“ Tatsächlich gehen die meisten Finger nach oben. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Die einen mögen das Internet bevorzugen, die
Jakob Tanriverdi malt, was in der Zeitung steht: Es brennt in Bochum.
anderen haben keinen Bezug mehr zu ihrer Stadt und den zugehörigen Nachrichten, wieder andere mögen nicht das Geld haben oder ausgeben wollen. Dabei, weiß zum Beispiel Benedikt (8): „In der Zeitung stehen wichtige Sachen – über Politik und Wirtschaft.“ Wer Zeitung liest, kann mitreden. Und das können die Kinder der zweiten Klasse schon. Was ihnen nicht alles einfällt! Ein zweiter Benedikt hebt den Finger: „Zeitung wird aus Holzfasern gemacht.“ Er wird ein Bild malen, auf dem drei Bäume zu sehen sind. Das ist weit gedacht. Und Jaymee Bicer sagt den erstaunlichen Satz: „Zeitung ist eigentlich Internet auf dem Blatt.“ Die Perspektive der Nachgeborenen. Mia Schilling (7) verrät, als wir sie beim Malen stören: „Ich war schon mal in der Zeitung. An Karneval, da hab ich drei Bonbons abgegeben.“ Diese Zeitung, die scheint ja ziemlich gut informiert zu sein. tom
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Samstag, 31. März 2018
Lisann Anouk Kespe (8). Bei Harry Potter bringen die Eulen die Zeitung – in diesem Fall mit viel Liebe. Oder stehen die Herzchen für gute Nachrichten? Jaymee Bicer (8 Jahre) weiß genau: Die Zeitung liebt Sensationen. Und welch Glücksfall: Hier liebt sogar die Sensation die Zeitung zurück!
Die Zeitungsboten haben es nicht leicht, ahnt Lotta Leistenschneider (8). Besonders Hunde, Seehunde und Frechdachse machen ihnen das Leben schwer – aber mit der Zeit freundet man sich an.
hule in Bochum-Weitmar.
Das Jubiläumsmalen in der Natorpsc
FOTOS: INGO OTTO
GESCHICHTEN MIT DER WAZ
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KRIMILEIDENSCHAFT
GRUß AUS DEM STADION
Mitfiebern mit Meisterdetektiv Rip Korby Bochum. Einen rechten Schatz hat Erika Gebauer aus Bochum-
Langendreer ihrer WAZ zugesandt: Das alte Schul-Lesebuch hatte keinen Rücken mehr und auch die Titelseite mit den um einen Baum tanzenden Mädchen war arg angefressen von fast sieben Jahrzehnten. Vorsichtig schlugen wir in der Redaktion das Buch auf, statt Märchen fanden wir darin aus der Zeitung ausgeschnittene und eingeklebte Comicstrips – Meisterdetektiv „Rip Korby“ – zum Teil mit Buntstiften koloriert. „Für Ihr WAZ-Museum“, hat Erika Gebauer dazugeschrieben.
Meine Zeitung, mein Leben
Um 1954 muss es gewesen sein, der Bruder war noch nicht geboren, da trug Erika Gebauer jeden sonnigen Nachmittag Tisch und Stühle in den Innenhof in Witten-Annen, um mit ihren Freundinnen Annegret und Angelika die Comic-Strips um Rip Korby zu lesen und ordentlich „auszuschnippeln“. Auch die Serie „Julia und Eva“ lasen die drei, „aber diese Liebesgeschichten waren mir seelisch zu kompliziert“, scherzt sie. „War damals auch schon der Dankwart Bumskopp dabei.“
Die WAZ bringt Menschen zusammen. Leser berichten, wie sie den Partner, den Beruf oder die Reise ihres Lebens fanden
Mut zum Schreiben
Erika Gebauer
„Ja, so hieß der doch! ... Ach ne, Blondie! Damals hat jedenfalls meine Krimileidenschaft angefangen.“ Jerry Cotton folgte, als Erika Gebauer mit 14 in die Ausbildung zur
Oberhausen. Auf Wunsch ihres Sohnes schrieb Gisela Butzin die Geschichte ihrer Familie auf. 100 Bücher ließ sie davon drucken, das war im Jahr 2002. Aber was sollte sie mit so vielen Büchern machen, fragte sie sich? Die Frau nahm ihren Mut zusammen und stellte ihr Buch bei der WAZ vor. Nach Veröffentlichung des Artikels wurde aus der Familiengeschichte der Butzins ein kleiner Bestseller in der Buchhandlung Gentsch in Oberhausen. Heute schreibt Gisela Butzin dazu: „Es ist nicht gerade die
Rechtsanwaltsgehilfin ging, heute liest sie gerne Karen Rose oder Mary Higgins Clark. Ihre Leidenschaft für Nachrichten aber entwickelte sich parallel: „Es war schon in der Berufsschule gefordert, dass man sich auf dem Laufenden hielt. Rechtsanwalt Römer fragte dann im Sachkundeunterricht: Wer ist dieser oder jener Minister?“ Erika und Horst Gebauer kann man das heute noch immer fragen. Sie sind gerade aus dem Urlaub gekommen, es hat sich ein Stapel Zeitungen angehäuft. Jede wird nachgelesen. Er nimmt sich nach dem Frühstück zwei Stunden für die Lektüre („Ich lese jede Zeile“), sie etwa 40 Minuten am Nachmittag („für das Interessanteste“). „Die WAZ gehörte einfach von Anfang an dazu“, sagt Erika Gebauer. Und wenn Onkel Willy das Gemüse in seinem Geschäft darin einwickelt. „Damals war Papier eben knapp“, erinnert sie sich, natürlich machte ihr Vater Gerhard schon mal den Kohleofen mit der WAZ von gestern an, und wenn aus Versehen eine Folge Rip Korby in Flammen aufging, flossen die Tränen. „Meine Großmutter benutzte die Zeitungsseiten sogar zum ...“ Frau Gebauer überlegt kurz, ob sie das erzählen soll, aber es war eben die Nachkriegszeit. Jedenfalls hatte Oma Anna auf ihrem Bauernhof ein Plumpsklo. tom
„Die WAZ gehörte einfach von Anfang an dazu.“
Ihr Mann Horst lacht.
Von Anfang an treu geblieben Bochum. Auch Erwin Steden gratuliert
zum Jubiläum. Er gehört zu den ältesten Lesern der WAZ, wie er nun erzählt: „Seit 1948 einschließlich meiner Eltern.“ Der Bochumer ist in seiner Heimatstadt nahezu eine Legende: Als nur zehnjähriger Junge spielte er während des Zweiten Weltkrieges eine wichtige Rolle als Melder im Luftschutzkeller. Die Ansagen des jungen Erwin warnten die Menschen vor Angriffen. Für seine Erwin Steden war Jugendleiter des VfL Bochum. Hier mit Spieler Ulrich Bapoh. FOTOS: NOELLE, PRIVAT
„Danke, liebe WAZ! Ohne Dich hätte ich die Liebe meines Lebens nie gefunden.“
Mit Buntstiften koloriert und ordentlich durchnummeriert: Erika Gebauer sammelte als Kind die Rip-Korby-Comics. FOTOS: INGO OTTO
BEGEGNUNGEN
Das Wiedersehen Essen. Schon seit über 30 Jahren abonnieren wir Ihre Zeitung. Die WAZ kenne ich schon seit meiner Kindheit, ohne sie ging es nicht bei meinen Eltern. Umso mehr war ich stolz, dass die WAZ sich bei mir und meiner Familie melde-
te, als wir Karten für die Buga 1997 gewannen. Wir wurden gefragt, ob wir Lust hätten, diese in Begleitung des damaligen Volontärs Michael Muscheid zu besuchen. Reportage und Fotos wurden in Ihrer Zeitung abgedruckt. Es machte Riesenspaß. Die Buga haben wir seitdem sehr oft besucht! Heute, nach 21 Jahren, hat es unsere beiden Söhne Sebastian und Chris-
topher wieder in den Nordsternpark verschlagen. Beide arbeiten seit einigen Jahren bei der Vivawest. Christopher erinnert sich des Öfteren daran, wie er als kleiner Junge durch die Buga streifte, befragt wurde und den Artikel später in der Schule zeigen konnte! 1999 erhielt ich wieder einen Anruf von Michael Muscheid. Er hatte mich in anderen Zeitungen erkannt, da ich
zu dem Zeitpunkt die Serie „Die Fahrschule“ auf Sat 1 gedreht hatte. Es war die erste Dokusoap in Deutschland, und Herr Muscheid meinte, darüber müsse auch die WAZ berichten. War eine tolle aufregende Zeit! Nun kann ich die Artikel meinen Enkelkindern zeigen, die das lustig finden und vielleicht später auch ohne die WAZ nicht frühstücken können! Anne Pritting
DEMONSTRATION
TEILHABE
Für die Allgemeinheit
Eintauchen in fremde Welten Mülheim. Herzlichen Glückwunsch
zum 70-jährigen Bestehen. Ihre Zeitung begleitet uns bald 45 Jahre unseres Lebens. Ohne die Zeitung würde uns etwas fehlen. Besonders schön ist es, wenn man selber dazu beitragen kann, andere Leser auch in sein eigenes Leben eintauchen zu lassen. So war es bei uns, als ich einen Beitrag, für die LeserSerie „Die Reise mei-
SCHNAPPSCHUSS JUBILÄUM
Aufs Korn genommen Duisburg. Ich war 1988 bei der
Duisburger Industrie- und Handelskammer in der Presseabteilung beschäftigt und wurde vom Kollegen gebeten, für eine andere Kollegin ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen. Das damalige Duisburger Averdunkzentrum war nicht weit entfernt und so bin ich losmarschiert bei schönstem Wetter. Als ich das Geschäft mit dem Geschenk in einer Tüte verlassen wollte, brach ein plötzlicher Wolkenbruch los. Den konnte ich nicht
Die Liebe verbindet Ruhrgebiet. Das Ehepaar Karl Heinz
und Doris van Elten lernte sich am 25. Oktober 1970 durch eine Kontaktanzeige der WAZ kennen. Die Hochzeit folgte am 17. Dezember. WAZ-
Fotograf Hans Blossey fotografierte die van Eltens an ihrem 40. Hochzeitstag. Und das Paar blickt bereits auf den 50. Hochzeitstag. Karl Heinz und Doris van Elten
abwarten, weil ich zu meinem Arbeitsplatz zurück musste. Um nicht ohne Schirm klatschnass zu werden, nahm ich das Geschenk aus der Tüte und setzte diese auf den Kopf. Das hat wohl der WAZ-Fotograf gesehen und mich aufs Korn genommen. Am nächsten Tag sagten meine Kollegen: „Sie stehen heute mit Bild in der Zeitung“. Sie fanden das sehr lustig und auch ich musste lachen. Ingrid Schlag
Herne. Dieses Bild entstand am
1. Mai 1968 auf dem Arm meines Mannes in Herne bei einer Kundgebung. Inzwischen ist unsere Tochter 51 Jahre alt. Seither hat sich vieles verändert, nur eines ist gleich geblieben: Damals wie heute wollen (müssen) viele Menschen mitbestimmen, wenn es um das Wohl der Allgemeinheit geht. Wir sind der WAZ treu geblieben und unsere Tochter auch. Marianne und Jürgen Böttcher
Erika Brands aus Duisburg lernte ihren Ehemann auf einer Reise nach Ischia, Italien kennen. Die Anzeige für die Reise entdeckte sie in der WAZ.
nes Lebens“ schrieb. Borneo war unser Ziel, eine Reise für Entdecker. Nach der Veröffentlichung bekamen wir viele Anrufe und viele Leute waren
begeistert. Ich würde jedem Leser raten, sich hinzusetzen und etwas beizutragen für die Allgemeinheit. Es wird mit der eigenen Freude belohnt. Auch bei Ihren Events und Ihren Gewinnspielen hatten wir schon öfter Glück. Mit Ihrer Hilfe erreicht man die Menschen im Revier. Weiter so, Ihre begeisterten Leser! Karin und Ulrich Büschken Das Ehepaar Büschken stößt zum 70. Geburtstag der WAZ an.
FÜR DIE SEELE
KARRIERE
Laut gelacht
Traumjob gefunden
Herne. Ich habe das Foto in
Bochum. Im Oktober 1965 ha-
der WAZ gesehen, laut gelacht und versucht ihn nachzuzeichnen. Mehr konnten die 82-jährigen Hände nicht leisten. Ich bitte um Milde! Rita Jessel
TRÄUME
be ich zufällig in der WAZ die Anzeige der Zollverwaltung gesehen. Ich war zu der Zeit Eisenbahner und nicht so ganz glücklich mit meinem Beruf (Rangierdienst). Da ich unabhängig war, habe ich mich einfach beworben. Ich wurde genommen und ab April 1966 machte ich Grenzdienst an der holländischen Grenze. Später hat man alles Mögliche beim Zoll gemacht. Es wurde mein Traumjob bis zur Pensionierung – auch dank der WAZ! Gerhard Höptner
Diese Anzeige war es, die Gerhard Höptner 1965 zu seinem Traumberuf führte.
weitere Laufbahn blieb da kaum anderes übrig: Der erwachsene Erwin Steden wurde nicht nur Jugendleiter sondern auch Stadionsprecher des VfL Bochum.
spektakulärste Geschichte mit der WAZ, aber für mich und meine Familie und vor allem unseren Enkel ein besonders tolles und wichtiges Erlebnis, das mich mit Stolz erfüllte. Außerdem gab es mir Mut, bei der Schreiberei zu bleiben. Und so schreibe ich seit 2002 Kurzgeschichten in der Schreibgruppe beim Katholischen Bildungswerk Oberhausen. Der Verlag Karl Maria Laufen bringt jedes Jahr ein Buch mit den Kurzgeschichten unter dem Titel ‚Begegnungen mit dem Wort‘ heraus.“
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FAMILIENBANDE
Die Lektüre darf nicht fehlen
FAMILIENLEBEN
Die Zeitung als treuer Begleiter Duisburg. Erst einmal möchte ich zu
70 Jahren WAZ gratulieren. Es ist toll, denn auch ich werde in diesem Jahr 70. In den 70 Jahren meines Lebens war die WAZ mein ständiger Begleiter. In den 50er Jahren hat die Zeitung meine Familie ernährt, denn meine Mutter hat jahrelang die Zeitung im Duisburger Süden ausgetragen. Es war eine enorme Herausforderung, denn meine Mutter musste mitten in der Nacht los. Wenn wir Kinder aufstanden, war sie wieder da. So konnte sie ihre vier Kinder für den Kindergarten bzw. Schule fertig machen. Später, als ich meinen Mann kennenlernte und meinen eigenen Haushalt hatte, war es selbstverständlich, dass wir die WAZ abonnierten. Sollte aus irgendwelchen Gründen die Zeitung zum Früh-
stück nicht da sein ... für uns eine kleine Katastrophe! Sie war auch Glücksbringer. Wir haben Karten für den Zoo, ein Buch und ein tolles Essen für zwei in einem tollen Restaurant gewonnen. Wir haben schöne und fröhliche, aber auch traurige Anzeigen geschaltet. Es erschienen nette und schöne Artikel über uns. Ein Thema war eine langjährige Freundschaft, dann eine schöne Geschichte über unseren verlorenen Ehering. Wir sagen aus voller Überzeugung: Es ist schön, dass es die WAZ gibt. Auch unseren Zustellern gilt unser Dank, immer pünktlich und zuverlässig. Elfriede Dorn
Gelsenkirchen.
Ich bin 75 Jahre alt und schreibe meine Erinnerung an unsere WAZ auf. Wir hatten eine Drei-Zimmer-Wohnung für vier Personen. Als mein Opa 80 Jahre alt und zweifacher Witwer war,
zog er bei uns ein. Es war alles sehr eng, aber er brachte eine kleine Rente und er brachte auch die WAZ mit ins Haus. Nach dem Lesen wurde sie zerschnitten und an einem Nagel in der Toilette aufgehängt. Bei jeder Sitzung schaute man in das Stück Zeitung. Und wenn Opa an die Tür kam, sagte er: „Lies mal schön weiter.“ An die Zeitung haben wir uns gewöhnt und haben sie immer noch. Ach ja, natürlich haben wir jetzt Klopapier. Christel Wensing
FLUGSTUNDEN
Eine Reise fürs Leben Antrag per Graffiti: „Hallo Ela, hier ist Pu. Etwas Erfrischendes? Wie wäre es mit Hochzeit machen? Am 11.11.1994.“
Duisburg. Im Spätsommer 1993 durften meine Zwillinge Andreas und
DER HEIRATSANTRAG HEIMATGEFÜHL
Liebe auf Umwegen für Ela und Pu
Ein buerscher Junge Gelsenkirchen. Sie wollen wissen,
was mich mit der WAZ verbindet? Die Antwort mag pathetisch klingen, aber mir fällt keine andere ein als: Alles. Mein Leben. Ich bin 1964 in GelsenkirchenBuer geboren. Und die ersten Buchstaben, die ich als I-Dötzchen mit meinem Vater geübt habe, waren 1970 die Großbuchstaben auf der WAZ-Titelseite. Von da an hat sie mich mein Leben lang treu begleitet. Aus Kindern werden Leute, aus dem I-Dötzchen erst ein Grund-, dann ein Realschüler. Immer dabei: die WAZ. Sie weckte
Oberhausen. Wir gratulieren herzlich zum 70. Jubiläum der WAZ und
auch meine politisches Interesse, diente bei so manchem Schulreferat als Datengrundlage. Im Jahr 2000 verließ ich meine buersche Heimat und zog an den Niederrhein. Seitdem wohne ich in Wachtendonk. Mittags hat der Postbote die aktuelle WAZ im Gepäck. So werde ich mit voller Überzeugung weiterhin der WAZ und dem buerschen Lokalteil treu bleiben – meine Verbindung in die alte Heimat. Warum ich das immer so betone mit dem buerschen Lokalteil? Wenne aus Buer komms, weisse warum! Markus Altenhoevel
erinnern uns gerne an ein schönes Erlebnis mit ihrer Zeitung zum Hochzeitsantrag an meine Frau auf einer Plakatwand. Jeden Tag fuhr meine Liebe am Hallenbad Sterkrade vorbei zum Büro. Da lag es nahe, gegenüber vom Hallenbad eine Plakatwand anzumieten und ein Graffiti-Team zu engagieren, um den Hochzeitsantrag zu veröffentlichen (siehe Foto oben). Die WAZ wurde informiert, um darüber zu berichten. Es hat geklappt und 2019 feiern wir Silberhochzeit. Elke und Wilhelm Hoffmann
Thomas einen wunderschönen Tag auf Mallorca verbringen. Möglich machte es der WAZ-Ferienspaß auf Mallorca. Da meine Söhne schon immer gerne einmal fliegen wollten, ich mir aber damals die teuren Flüge nicht leisten konnte, bewarben wir uns für den WAZ-Ferienspaß auf Mallorca. Meine Söhne waren dabei und bald ging es los. Die Freude war groß. Bis heute sind meine Söhne der Fliegerei treu geblieben. Einer arbeitet bei Condor und der andere Zwilling bei Eurowings. Herzlichen Dank! Dagmar Dörr
ZUGEMAUERT
Trubel am Hochzeitstag Essen. Anlässlich unserer Hochzeit am 12.6.1982 hatten sich unsere Freunde einen besonderen Scherz einfallen lassen. Während wir mit unseren Hochzeitsgästen feierten, haben unsere Freunde die Tür an dem kleinen 34 Quadratmeter großen Häuschen meines Mannes, zugemauert und das Häuschen sowie den davor geparkten VW gebührend geschmückt. Dies bekamen Nachbarn mit, die das Geschehen aus einiger Entfernung mit Fernglä-
sern beobachtet hatten und die Polizei informierten. Offensichtlich wurde auch die WAZ auf das Ereignis aufmerksam und berichtete. Mittlerweile sind wir 37 Jahre glücklich verheiratet und haben drei erwachsene Kinder, auf die wir mächtig stolz sind. Mechthild und Lothar Jordan
ENGELSGLEICH
Wenn es nichts zu lesen gibt . . . Bochum. Der steinerne Himmelsbote stand 1987 schon lange im elterlichen Garten in Fallingbostel. Als er die WAZ zu lesen bekam, erhellten sich seine Züge. 30 Jahre später war er nach Bochum geflogen. Da keine WAZ zur Hand war, musste ich ihm das Neueste vorsingen. Er lächelt nun wieder ... Wie dem auch sei, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Martin Donde
Der steinerne Engel bekam 1987 eine Ausgabe der WAZ in die Hände gelegt.
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GESCHICHTEN MIT DER WAZ
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Samstag, 31. März 2018
UPCYCLING
Um bloß keine Seite zu verschwenden Essen. Mein Beitrag ist noch ganz
frisch, man kann den Lack quasi noch riechen: Ich habe in den letzten Wochen vor dem Aufruf viele WAZ-Tageszeitungen vor dem Altpapiercontainer bewahrt und Schälchen und eine große Etagere daraus gebaut. Diese werden die Beschenkten und mich hoffentlich lange begleiten und erfreuen. Brigitta van Laak
MANN SUCHT FRAU
Liebe auf den zweiten Blick
Essen. Vor 33 Jahren gab es in der
WAZ eine Rubrik „Pinnwand“. Ich war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre jung und Single. Nicht gerade auf der Suche nach einem Partner, aber ich dachte man kann die Augen aufhalten und die Rubrik „Mann sucht
Frau“ in Augenschein nehmen. Gesagt, getan. Dort suchte ein junger Mann eine Frau für Freizeitgestaltung und sonstigen Blödsinn. Ich fand es interessant und setzte mich hin, um einen Brief zu schreiben und ihn schnell in die Post zu werfen, bevor ich mich doch nicht mehr traute. Es war zwar ein Foto gewünscht, aber ich wollte lieber anders überzeugen. Dienstag war die Anzeige in der Zeitung und
Donnerstag schellte es bereits an meiner Wohnungstür. Ich war überrascht, wie schnell eine Antwort in Person vor meiner Tür stand. Da ich in meinem Brief schrieb, dass ich sportlich wäre, machte sich der Mann zu Fuß auf den Weg nach oben in die vierte Etage. Ich benutzte aber immer den Aufzug. Nach einer kurzen Vorstellung lernten wir uns schnell kennen. Und ein nächstes Treffen war schnell
ausgemacht: Einen Tag später. Wir trafen uns wieder, und es war Liebe auf den, naja, zweiten Blick. Am Sonntag sind wir dann bereits zusammen gezogen. Wir sind mittlerweile 32 Jahre verheiratet und dass wir uns ohne die WAZ kennengelernt hätten, glaube ich nicht. Eine von vielen tollen WAZ-Geschichten. Und immer noch lesen wir jeden Tag die WAZ. Martina-Malmedy Koll
FEHLERSUCHE
HÖRZEITUNG
Schulaufgaben
Lesen für Oma
Ruhrgebiet. Dieses Foto (rechts) wur-
Ruhrgebiet. Ich bin Jahrgang 1946
de für eine Aufgabe in der Schule gemacht. Es war im Jahr 1956, wir sollten Druckfehler oder Zeichensetzungsfehler aus diversen Zeitungen und Zeitschriften suchen. Unsere Gruppe hatte die WAZ gewählt. Da sich zu der Zeit viele Menschen keine Tageszeitung leisten konnten, brachte ich die WAZ meiner Eltern mit in die Schule. Bis heute bin ich noch Ihr Leser. Irmtraud Hicking
und habe bereits vor Einschulung – bedingt durch eine große Schwester und die Wohnverhältnisse – lesen gelernt. Meiner bei uns lebenden Großmutter habe ich dann die WAZ vorgelesen und vorbuchstabiert, da diese Analphabetin war. Bis zum heutigen Tage gehören zu meinem Tagesbeginn Kaffee und die WAZ. Gisela Herborn
PAPIERMÜTZEN
Kopfschmuck für die Kleinsten Duisburg. Ich erinnere mich gut
daran, dass für meinen Vater Josef Ovelgönne die Lektüre der WAZ am Wochenende ein besonderer Genuss war. Er war Lehrer und später Leiter einer Schule in Moers. Nachdem die Zeitung gelesen war, bastelte er oft für meinen Bruder Josef und mich Papiermützen. Besonders stolz waren wir Kinder, wenn ein schönes Bild unseren Kopfschmuck zierte. Die Fotos wurden 1961 gemacht. Martina Mader
MALWETTBEWERB
Wenn Wünsche wahr werden Ruhrgebiet. Im Jahre 1959, da hieß ich noch
Ilona Breuer, nahm ich an einem Malwettbewerb teil. Und siehe da, ich habe gewonnen und bekam 20 DM von der WAZ für die schönsten Kleider. Wie habe ich mich als junges Mädchen darüber gefreut. Seit 70 Jahren bist Du mir eine unverzichtbare Begleiterin. Meine Eltern pflegten zu sagen: „Ein WAZAbo gilt für immer – es wird vererbt und nur gekündigt, wenn es keine Nachkommen gibt.“ Die gibt es! Also liebe WAZ, auf die nächsten 70 Jahre! Ilona Schroyen
ZEITUNG DIGITAL
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Samstag, 31. März 2018
Die WAZ kommt auch elektronisch Auf www.waz.de bieten wir unseren Lesern rund um die Uhr aktuelle Nachrichten aus der Welt, der Region und ihrer Stadt. Auch unser E-Paper ist bei vielen Lesern sehr beliebt Für viele Menschen im Ruhrgebiet gehört die Zeitung nach wie vor zum Frühstück. So wie das frische Brötchen oder die Tasse Kaffee. Was sich aber in immer mehr Familien ändert: Die WAZ am Frühstückstisch ist nicht mehr aus Papier, sie kommt elektronisch ins Haus. Für das Smartphone, das Tablet oder den Computer. Nichts für Sie? Keine Sorge, kann man lernen. Nachmittag ist es und Hartmuth Laaser wartet im Präsentationscenter der WAZ schon auf die Teilnehmer seiner Schulung. Seit vielen Jahren hilft der 49-jährige IT-Spezialist beim Einstieg in die digitale Welt – früher vor allem am Computer, mittlerweile meist über das Smartphone oder das Tablet. „Das Interesse ist riesengroß“, weiß Laaser und versichert: „Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.“ Ja, man muss noch nicht mal ein eigenes Tablet haben. Auf Wunsch gibt es für den Kursnachmittag ein Leihgerät.
„Die Leute haben Angst, irgendwas falsch zu machen“ Und so sitzen die Kursteilnehmer wenig später am Tisch und lassen sich von Laaser erst einmal die Grundlagen eines Tablets erklären. Heute läuft auf den Geräten das Betriebssystem Android, am nächsten Tag gibt es eine Schulung für iPads. Aber so unterschiedlich die Geräte sich in manchen Punkten auch bedienen lassen, die eigentlichen Probleme auf dem Weg in die virtuelle Welt sind in beiden Fällen sehr ähnlich. „Die Leute haben Angst, ir-
Die neue Online-Chefin Anne Krum
K Das rund 20-köp-
fige Online-Team von WAZ.de wird seit 1. Februar von Anne Krum geleitet. Bis dahin war sie Mitglied der Chefredaktion bei NOZ Medien, zu der die Neue Osnabrücker Zeitung gehört.
K Dort hat die 38-Jährige ihre
journalistische Karriere 2006 gestartet und parallel in Politikwissenschaft in Münster promoviert.
K Ab 2012 leitete sie die Redak-
tion NOZ Digital und trieb vor allem die Entwicklung von digitalen Bezahlangeboten voran. Bei WAZde wird Anne Krum sich auch um die Weiterentwicklung der Marke WAZ plus kümmern.
die vollständige Ausgabe der gedruckten WAZ direkt auf den Bildschirm seines Tablets. Einmal heruntergeladen, lässt sich das EPaper jederzeit und überall auch ohne bestehende Internet-Verbindung lesen. Einzelne Artikel lassen sich vergrößern, ganze Ausgaben archivieren. Das Digital-Abo ist laut Pallus auch „sehr bequem“. Vor allem wenn man im Urlaub ist. „Man hat seine Zeitung immer dabei“, sagt der Bochumer, der sich im Kurs noch ein paar Feinheiten der Technik erklären lassen will. Aber auch in den eigenen vier Wänden macht sich der Umstieg auf ein Digital-Abo schnell bemerkbar. „Man muss“, hat der 60-Jährige schnell festgestellt, „viel weniger Altpapier entsorgen.“ Exklusiv als E-Paper gibt es die Digitale WAZ am Sonntag – mit den relevanten Nachrichten des Wochenendes, den bewegenden Momenten der vergangenen Woche und natürlich viel Sport. Das Angebot kostet 2,99 Euro im Monat und ist flexibel kündbar. Weitere Infos zu den digitalen Angeboten der WAZ unter waz.de/digital Einzelheiten zu Tablet-Schulungen unter waz.de/schulungen
i Die Tablet Schulung für WAZ-Leser erfreut sich großer Beliebtheit. Hartmuth Laaser erklärt den Lesern die Funktionen ihrer Geräte. FOTO: FABIAN STRAUCH
gendwas falsch zu machen“, stellt Laaser immer wieder fest. Müssen sie aber gar nicht. Denn das Internet lässt sich gar nicht versehentlich löschen, wie oft gescherzt wird. Und die berührungsintensive Oberfläche der Geräte hält mehr aus, als man denkt. Man darf also ruhig feste darauf drücken mit dem Finger. Was die meisten auch tun nach einiger Zeit – spätestens dann, wenn sie „zurück zur Intuition“ gefunden haben.
„Meine Tochter hat gesagt, ich muss da jetzt mal ran“, sagt Elisabeth Jaeger, die aus Bottrop zur Schulung gekommen ist. Nachrichten möchte sie sich im Netz ansehen, möglichst aktuell versteht sich. Das kann sie an vielen Stellen aber wenn sie nicht nur wissen will, was in der Welt passiert, sondern auch vor der Haustür und in der Nachbarschaft, dann ist die Seite www.waz.de eine gute Anlaufstelle. Nahezu rund um die Uhr gibt es hier
– einstellbar nach Stadt – aktuelle Neuigkeiten aus der Region. Viele davon sind exklusiv, sind „WAZ plus“, wie wir es nennen. Abonnenten der Zeitung können sie auch im Netz vergünstigt lesen. (Mehr dazu rechts auf dieser Seite.) Kursteilnehmer Achim Pallus aus Bochum ist eigentlich schon Stammgast in der digitalen Zeitungswelt. Er ist vor einiger Zeit vom Print- zum Digital-Abonnenten geworden, holt sich also jeden Tag
Der Autor Andreas Böhme (56 ) ist Reporter im RheinRuhr-Ressort.
WAZ lesen auf Laptop, Tablet oder Smartphone – alles ist möglich FOTO: WAZ
Die Digitale Zeitung bringt die WAZ auf den Bildschirm Die Digitale Zeitung bringt alle Vorteile der gedruckten Zeitung auf den Bildschirm. Und das früher als gedruckt: Denn das E-Paper steht ab 3 Uhr morgens zum Download bereit. Sie können jeden Artikel in der gewünschten Schriftgröße lesen, und Ihre bevorzugten Themen mit der Suchfunktion filtern. Ausgaben, die einmal heruntergeladen wurden, können auch ohne Internetverbindung gelesen werden. Zusätzlich enthält das E-PaperProspekte und Beilagen, die der gedruckten Ausgabe beiliegen. Unser Angebot: Lesen Sie die Digitale Zeitung Ihrer WAZ und erhalten Sie Zugang zu allen Premiuminhalten auf WAZ.de mit WAZ plus. Abonnenten der gedruckten Tageszeitung erhalten WAZ digital zum Vorzugspreis von nur 4,99 Euro im Monat. Neukunden können WAZ digital zum Preis von 23,90 Euro im Monat lesen. Das WAZ-plus-Abo können PrintAbonnenten für 2,99 Euro dazu buchen. Für Neukunden kostet es 9,90 Euro im Monat. Neugierig geworden? Unser Serviceteam hilft gerne weiter: Telefon 0800 / 60 60 710.
Mehr Mehrwert Was sich hinter WAZ plus verbirgt Ruhrgebiet. Immer mehr Menschen lesen ihre WAZ mittlerweile als EPaper oder im Internet auf WAZ.de, einem der größten Regional-Portale Deutschlands: 17 Millionen Klicks und 1,5 Millionen Besucher werden regelmäßig pro Monat in der DigitalAusgabe der Zeitung registriert. Und dort gibt es seit einem Jahr WAZ plus – als digitales Premiumangebot für unsere Abonnenten. Das hat es in sich: An der WAZ arbeiten insgesamt etwa 300 Redakteure und Fotografen. Sie berichten mit viel Leidenschaft und kenntnisreich darüber, was sich in den Städten des Ruhrgebiets tut und was die Menschen in NRW bewegt. Dazu zählt
das Team von Funke Sport. Um das aktuelle Geschehen in Deutschland und der Welt kümmern sich die Redakteure in unserer Zentralredaktion in Berlin. All ihre Berichte, rund 1000 pro Tag, fließen zusammen auf WAZ.de – sortiert und aufbereitet vom Online-Team, das im DreiSchicht-Betrieb fast rund um die Uhr sieben Tage die Woche in Essen sowie im Verbreitungsgebiet am Start ist. Und unsere WAZ-plus-Abonnenten haben unbegrenzten Zugriff auf diese Fülle im Netz, zum Beispiel auf alle Artikel von über 20 Lokalausgaben. Sie sind auch das Herzstück unseres Portals: Jede Stadt im Ver-
breitungsgebiet hat eine eigene Online-Seite, auf der die Artikel der Lokalredaktion vor Ort fokussiert zusammenlaufen. Auf WAZ.de erfahren die Leser in Echtzeit, wie es um die GroKo bestellt ist, warum es sich gerade auf der A 40 staut und ob der Großbrand in der Nachbarstadt
schon gelöscht ist. Zur Schnelligkeit der Nachrichten, die dem Online-Medium eigen ist, gesellt sich bei WAZ plus die Tiefenrecherche einer Redaktion, der es um Gründlichkeit geht und darum, Zusammenhänge zu erklären. WAZ.de verfolgt daher ein Freemium-Modell: Nachrichten, die etwa von Agenturen oder Behörden stammen, sind redaktionell gut aufbereitet und frei zugänglich. Alles das, was unsere Redaktionen selbst recherchiert und geschrieben haben, bekommen die WAZ-plus-Abonnen-
ten exklusiv. Zu diesem Service gehört auch, dass unsere wichtigsten Artikel multimedial aufbereitet und mit zusätzlichen Informationen in Form von Dateien, Chroniken, Fotostrecken, interaktivem Kartenmaterial und Videos angereichert werden. Als weiteres Plus bieten wir Dossiers und Schwerpunkte an, in denen unsere Redaktion den Dingen auf den Grund geht. Hier finden Sie alle wichtigen Recherchen, Informationen und Tipps zu einem Themenschwerpunkt auf einen Blick. Achten Sie also auf das WAZ-plus-Emblem im Portal: Damit erfahren Sie grundsätzlich mehr.
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
Samstag, 31. März 2018
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DAS REVIER
„Jetzt ein Exemplar stationieren!“ Seit 1991 sammelt Sportredakteur Peter Müller für die Silvester-Ausgabe die „Sportwahrheiten“ des Jahres. Eine Auswahl Von Peter Müller
Es gibt Sportler des Jahres, Fußballer des Jahres, Handballer des Jahres, Leichtathleten des Jahres – verdiente Auszeichnungen für herausragende Leistungen. In der WAZ vergeben wir seit 1991 zum Jahresende weitere Ehrentitel im Sport: für die besten Sprüche des Jahres. Eine Auswahl ohne Anspruch auf Ernsthaftigkeit.
Der Greenkeeper des Jahres 1991 – Fußball-Nationalspieler Andreas Thom. Vor dem Länderspiel gegen England auf dem edlen Grün von Wembley sagte er zu seinen Kollegen: „Zieht die Schuhe aus, wenn Ihr den Rasen betretet!“ Die Schweinerei des Jahres 1992: „80 Prozent der hier spielenden Damen sind faule und fette Schweine“, behauptete der holländische Tennisprofi Richard Krajicek in Wimbledon. Tags darauf entschärfte er seine Beleidigung: „Ich habe übertrieben, es sind wohl nur 75 Prozent.“ Der Irrläufer des Jahres 1994 – Bayern Münchens brasilianischer Weltmeister Jorginho. „Ich will endlich nach Rio zurück“, sagte er – und wechselte nach Japan.
Der Experte des Jahres 2007 – Kabarettist Dieter Nuhr: „Ich habe die Ungedopten bei der Tour de France sofort erkannt: Die hatten kein Fahrrad.“
sprechers bei der Eiskunstlauf-EM in Dortmund: „Wir möchten Sie recht herzlich darum bitten, während des Wettbewerbs nicht mit Blitzlicht zu telefonieren.“
Der Analytiker des Jahres 1996 – Weltmeister Thomas Häßler vom Karlsruher SC: „Wir wollten kein Gegentor kassieren. Das hat auch bis zum Gegentor ganz gut geklappt.“
Der Pragmatiker des Jahres 2008 – Nationalelf-Kapitän Michael Ballack: „Ich habe keine Rituale. Bloß die Sachen, die man immer gleich macht.“
Die Danksagung des Jahres 1997 – von einem Schalke-Fan in einem WDR-Beitrag nach dem Uefa-CupGewinn: „Ich danke alle Ärzte, die uns für morgen krankgeschrieben haben.“
Die Antwort des Jahres 2009 – Borussia Dortmunds Brasilianer Dede auf die Frage, ob er Udo Jürgens kenne, den
Der Motivationskünstler des Jahres 1998 – der Trainer eines Bezirksligisten in Recklinghausen: „Jungs, denkt an die drei großen A – Abwehr, Angriff, Angagement!“ Der Kritiker des Jahres 1999 – der in Mönchengladbach ausgemusterte Stürmer Toni Polster: „Man hetzt die Leute auf mit Tatsachen, die nicht der Wahrheit entsprechen.“
Der Aufruf des Jahres 1995 – eine Ansage des Hallen-
„Der Zahn der Zeit läuft auch an mir nicht spurlos vorbei.“
Boris Becker, Rhetoriker des Jahres 1996
Der Vergleich des Jahres 2000 – TM3-Reporter Jörg Dahlmann zum Abschied von Lothar Matthäus: „Da geht er, ein großer Spieler. Ein Mann wie Steffi Graf.“ Der Kämpfer des Jahres 2001 – Alexander Strehmel vom Bundesliga-Absteiger Unterhaching: „Gerade in einem Spiel, in dem die Nerven blank liegen, muss man sein wahres Gesicht zeigen und
„Wir dürfen jetzt nicht den Sand in den Kopf stecken.“ Lothar Matthäus, Nationalmannschafts-Kapitän, mit dem Versprecher des Jahres 1993
die Hosen runterlassen.“
Das Lob des Jahres 2001 – von Kaiserslauterns Trainer Andreas Brehme: „Die Brasilianer sind ja alle technisch serviert.“ Die Logik des Jahres 2002 – von Leverkusens Manager Reiner Calmund: „Im Fußball ist es wie im Eiskunstlauf – wer die meisten Tore schießt, der gewinnt.“ Die Pressemitteilung des Jahres 2003 – von den Handballern des TuS 84/10 Essen nach einem Turnier: „Überlegen gewannen die Spieler von DJK Altendorf 09. Nach dem
Spiel machten sie einen großen Haufen, so groß war die Freude.“
Die Sinnestäuschung des Jahres 2004 – von Radstar Jan Ullrich: „Ich sehe überhaupt keine Alarmglocken läuten.“ Die Diagnose des Jahres 2005 – von VfB Stuttgarts Trainer Matthias Sammer: „Das ist ärgerlich, aber kein Beinbruch“, sagte er zu Philipp Lahms Fußbruch. Der Motivator des Jahres 2006 – 1. FC Kölns junger Nationalspieler Lukas Podolski: „Wir müssen jetzt die Köpfe hochkrempeln.“
rend der zum Elfmeter anlief: „Pass auf den Abpraller auf!“
Die Erklärung des Jahres 2012 – Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp über das Wort „Pöhler“ auf seiner Kappe: „Ein Pöhler ist einer, der sich auf dem Bolzplatz die Knie aufschrubbt, um sich nachher besser zu fühlen.“ Das Comeback des Jahres 2012 – ein Amateurschiedsrichter verkündete stolz, nach einer Schulterverletzung wieder einsatzfähig zu sein: „Und der Arzt hat mir nicht mal Korrosion gespritzt.“ Der Dialog des Jahres 2013 – aufgeschnappt in der Kreisliga. Spieler zum Trainer: „Warum spiele ich in der Zweiten?“ Trainer zum Spieler: „Weil wir keine Dritte haben.“ Die Beobachtung des Jahres 2014 – von TV-Moderator Oliver Welke: „Heute ist eine der häufigsten Spielerverletzungen: Spliss.“
Stargast der 100-Jahr-Feier des BVB: „Ich habe nicht mit ihm zusammengespielt.“
Die Aufforderung des Jahres 2015 – Amateurfußballer zum Mitspieler in der Halbzeitpause: „Mach das, was du kannst – geh duschen!“
Die Laudatio des Jahres 2010 – von Franz Beckenbauer zu Günter Netzers Abschied als ARD-Experte: „Er wurde ja ausgezeichnet mit dem Gebrüder-Grimme-Preis.“
Der Kommentar des Jahres 2016 – von einem Leser unter einem Bericht zum BVB auf WAZ.de: „Da muss Tuchel jetzt ein Exemplar stationieren.“
Die Bestellung des Jahres 2010 – von einer Frau, die ihren Mann mit Karten für ein Bundesligaspiel überraschen wollte. Als sie bei der Bestellung darüber informiert wurde, dass das noch nicht genau terminierte Spiel freitags, samstags oder sonntags stattfinden könnte, sagte sie: „Dann nehme ich Sonntag 15 Uhr.“
Die Beschimpfung des Jahres 2017 – Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß vor Journalisten: „Hört endlich auf, in jeder Suppe ein Salz zu finden.“
Der Ansporn des Jahres 2011 – ein Jugendtrainer zum Stürmer, wäh-
Peter Müller (58) ist seit 1989 Redakteur in unserer überregionalen Sportredaktion
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LUFTBILDER DES REVIERS
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Raster eins: Der Ruhrpark in Bochum hat seine Frauenparkplätze eindeutig gekennzeichnet.
Raster zwei: Bier- und Getränkekisten stapeln sich bei der Firma Trinkgut in Hamm.
Die Bilder dieser Seite stammen alle von Hans Blossey, und wenn Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sind: Seine Luftbilder füllen auch ganze Bücher. Zuletzt – im Januar 2018 – erschien im Essener Klartext-Verlag „Ruhrgebiet von oben – Die schönsten Luftbilder der Region.“
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Raster drei: Das Centro entstand in den 90er-Jahren in Oberhausen. Vorbild war die praktisch baugleiche ,Meadowhall’ im englischen Sheffield.
ALLE FOTOS: HANS BLOSSEY/WWW.BLOSSEY.EU
Raster vier: Fußballfans zweier bekannterer Vereine aus dem Ruhrgebiet halten sich lieber getrennt. Bei genauem Hinsehen entdecken Sie aber Ausnahmen.
Die industrielle Seite hat sich nirgendwo so gut gehalten wie im Duisburger Norden. Blick auf das Werksgelände von Thyssen-Krupp.
Die ländliche Seite: Pferde tollen auf ihrer Koppel in Hattingen. Der Reitsportverein Hattingen-Homberg ist hier zuhause.
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LUFTBILDER DES REVIERS
Ein Essener Blick: Der WAZ-Luftbildfotograf Hans Blossey, 1952 in Essen geboren, hat seine Heimatstadt an einem Herbsttag eingefangen – mit Rathaus (links) Limbecker Platz (rechts) und den Hochhäusern nahe der A 40.
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FOTO: HANS BLOSSEY/WWW.BLOSSEY.EU
WIE DIE WAZ DEN STRUKTURWANDEL BEGLEITETE
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Die große Chance für Oberhausen Von Frank Meßing
Der Abschied der Industrie aus der „alten Mitte Oberhausens“ verläuft schleichend, aber er hat es in sich. Unter dem Strich verliert die Stadt 36 000 Arbeitsplätze in ihrem Montan-geprägten Herzen. Zechen, Kokerei, Hochöfen und das Stahlwerk schlossen nacheinander. Mitten in diesem wirtschaftlichen Trauma kommt Burkhard Drescher 1990 zunächst als Stadtdirektor, ein Jahr später als Oberstadtdirektor ins Oberhausener Rathaus. „Innerhalb von fünf Jahren wurden 350 000 Hektar frei. Oberhausen verlor insgesamt 50 000 Arbeitsplätze. Das war eine gigantische Aufgabe“, erinnert sich Drescher. Nach der Wiedervereinigung zerplatzen die Pläne, auf dem riesigen Gelände der Gutehoffnungs-Hütte und des Thyssen-Stahlwerks ein Motorenund ein Druckmaschinen-Werk anzusiedeln. Die Unternehmen zieht
„Das Wichtigste ist die Transparenz.“
Burkhard Drescher, ehemaliger Oberhausener Oberstadtdirektor
es stattdessen in den Osten. Die Idee amerikanischer Investoren, in Oberhausen „Triple Five“ – das größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt – zu bauen, verwirft die Landesregierung schon Jahre vorher. Oberhausen steht mit leeren Händen da. Bis Drescher 1991 eine Einladung der Landesbank WestLB nach Düsseldorf erhält. Dort stellt man ihm die Pläne des britischen Handelskönigs Eddie Healey vor, in Oberhausen ein gewaltiges Einkaufs- und Freizeitzentrum zu bauen. Investition: 1,5 Milliarden DM. Er reist nach Sheffield, die ehemalige englische Montanstadt, in der der Strukturwandel „viel brutaler“, wie Drescher sagt, zugeschlagen hatte. Dort hatte Healey kurz zuvor bereits ein Einkaufszentrum eröffnet.
Das Konzept überzeugt Das Konzept überzeugt den Verwaltungsmann. Zurück in Oberhausen, lässt er im Oktober 1991 im Rathaus einen Masterplan für das ehemalige Industrieareal entwerfen. Drescher ahnt, dass das künftige Centro Bedenken in der eigenen Stadt, aber auch bei den Nachbarn provozieren könnte. Und so absolviert er im Jahr 1992 fast 250 Abendveranstaltun-
Niedergang von Industrie und Brauereien kostete Dortmund 80 000 Jobs. Aufbruchstimmung am See Von Klaus Buske
Blanke Wut befeuerte einen Stahlwerker, als er 1997 vom Aus der Stahlwerks in Dortmund-Hörde hörte. Betriebsräte verhinderten bei einer nächtlichen Belegschaftsversammlung, dass er dem damaligen Vorstandschef der Stahl AG an die Wäsche ging. 2001 wurde der letzte Konverter auf der ehemaligen Herrmannshütte Hörde geleert. Die Wut wurde weggespült vom Phoenixsee.
Bei den Arbeitskämpfen in Hattingen und Rheinhausen rückten die Menschen zusammen
gen, um Vereine, Kirchengemeinden und Handelsverbände zu überzeugen. Vor allem die Einzelhändler aus Essen fürchten die Konkurrenz in Oberhausen, Bottrop zieht sogar vor Gericht. „Am Ende stimmte der Rat der Stadt Oberhausen einstimmig zu“, erinnert sich Drescher. Die Stadt kann das Grundstück von Thyssen kaufen. Mit EU-Mitteln lässt sie die Altlasten entfernen und verkauft das baureife Areal an Investor Healey.
Unterstützung durch die Medien Das Konzept geht auf. Inzwischen ist die Neue Mitte Oberhausen mit Centro, Arena, Aquarium, Theater, Kino, Freizeitpark, Gastronomie und vielem mehr Wirtschaftsmotor und Publikumsmagnet. „Ich konnte mein Versprechen einhalten, dass dort mehr als 10 000 Arbeitsplätze entstehen“, bilanziert Drescher. Er räumt aber auch ein, dass sich für Oberhausen Anfang der 90er Jahre politisch ein „günstiges Zeitfenster“ geöffnet habe. Die Landesregierung stand nach der Ablehnung der Triple-Five-Pläne bei der Emscher-Stadt im Wort. Und mit Heinz Schleußer (SPD) saß ein Oberhausener auf dem wichtigen Sessel des NRW-Finanzministers. Als jüngster Oberstadtdirektor in Deutschland schaffte Drescher aber auch die organisatorischen Voraussetzungen, das Mega-Projekt Neue Mitte zu stemmen. Im Rathaus schaffte er Dezernate und Ämter ab, bildete Runde Tische. Weil er das Centro abspeckte, stimmten am Ende auch die Nachbarstädte im Bezirksplanungsrat zu. „Es gab sehr viele günstige Umstände“, bekennt Drescher. Dazu habe natürlich Investor Healey gezählt, der zu Kompromissen bereit gewesen sei. Der Stadtchef wusste aber auch die Medien auf seiner Seite. „Die WAZ hatte den Strukturwandel-Aspekt erkannt und die Entwicklung der Neuen Mitte sehr positiv begleitet“, betont Drescher und erinnert daran, dass sich der damalige WAZ-Chefredakteur Ralf Lehmann selbst mehrfach über die Planungen informiert hatte. Im Rückblick steht für den heutigen Chef von Innovation City fest: „Wenn wir die WAZ nicht überzeugt hätten, wäre der Ratsbeschluss nicht einstimmig gewesen.“ Ohne die Unterstützung durch Medien seien Großinvestitionen wie das Centro auch heute nicht denkbar. Drescher: „Das Wichtigste ist aber die Transparenz. Wir konnten vermitteln, dass da nicht gemauschelt wurde.“ Frank Meßing (52) arbeitet seit 1986 für die WAZ – aktuell als Wirtschaftsredakteur in der Essener Zentrale.
Josh Strickland spielt den Tarzan im gleichnamigen Musical am Stage Metronom Theater, das auch zur Neuen Mitte Oberhausen gehört. FOTO: MORRIS MAC MATZEN
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Phoenixsee spülte die Wut der Stahlarbeiter weg
Als das alte Ruhrgebiet starb
Wie Burkhard Drescher eine Brache zur pulsierenden Neuen Mitte machte
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Chinesen demontierten Hochöfen und Stahlwerk Chinesen demontierten 2003 und 2004 Hochöfen und Stahlwerk, um sie in China neu entstehen zu lassen. Längst demontiert und danach in China wieder aufgebaut wurde auch die Kokerei Kaiserstuhl auf der Dortmunder Westfalenhütte, die damals modernste Europas, auf der nach nur acht Jahren und zwölf Tagen Betriebszeit im Jahr 2000 der letzte Koks gedrückt wurde. Im September 2006 war erster Baggerhub auf dem 98 Hektar großen Areal in Hörde. 2010 floss das erste Wasser in den See. Eine Tochter der Dortmunder Stadtwerke AG setzte das Projekt um. Zuvor und bis zum Bau der ersten Eigenheime am Nordufer im Jahr 2011 schlug das
Vor wütenden Krupp-Stahlarbeitern verteidigte Vorstandschef Gerhard Cromme am 30. November 1987 den Stilllegungsbeschluss für das Werk Rheinhausen. Ein monatelanger harter Arbeitskampf sollte folgen. Von Lutz Heuken
Das alte Ruhrgebiet, es starb Ende der 80er Jahre – in zwei legendären Arbeitskämpfen. Die monatelangen Aufstände der Stahlwerker gegen die Hüttenschließungen in Hattingen und Rheinhausen waren das verzweifelte Aufbegehren stolzer und selbstbewusster Belegschaften gegen ihr Schicksal. „Taschenrechner in Menschengestalt“ nannten die Arbeiter die Manager von Thyssen und Krupp, die mit Stilllegungsbeschlüssen auf die weltweite Überproduktionskrise beim Stahl reagierten. Die Nachricht, dass die traditionsreiche Henrichshütte stillgelegt werden sollte, traf die Hattinger am 19. Februar 1987, dem „schwarzen Donnerstag“. Erstmals sollte es Massenentlassungen in der Stahlindustrie geben. 3000 Arbeitsplätze und 400 Ausbildungsstellen standen auf dem Spiel.
Die ganze Stadt stand unter Schock Die ganze Stadt, die ökonomisch und menschlich mit der Hütte eng verwoben war, stand unter Schock. Doch diese nur scheinbare Hilflosigkeit ließ die Menschen ganz eng zusammenrücken, ließ sie Formen des Widerstandes entwickeln, wie sie die Republik bis dahin noch nicht erlebt hatte. Das ganze Land schaute gebannt auf das kleine Städtchen an der Ruhr, in dem man sich nicht widerstandslos ergeben wollte. Denn es ging bei dem Kampf – natürlich – um den Erhalt der Hütte, es ging aber ebenso um Würde. „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Dieser Spruch, später oft nur noch als Phrase gebraucht, hier hatte er Bedeutung. Wer die Heftigkeit des Widerstandes in Hattingen – und wenig später in
Rheinhausen – erklären will, muss natürlich zuerst auf jene Männer verweisen, die – ähnlich wie die Bergleute – so stolz waren auf ihre Arbeit. Diese Arbeit in Schmutz und Staub, bei zugiger Kälte und großer Hitze am Hochofen, deren Faszination sich Außenstehenden kaum erschließen mag. Stahlarbeiter und Bergleute, der Adel des Reviers. Der Widerstand aber sprengte schon in kürzester Zeit die (fast) reine Männerwelt der Henrichshütte. Rasch bildeten sich Frauen-, Jugend- und Senioreninitiativen. Menschenketten wurden organisiert, Autokorsos, ein „Dorf des Widerstands“, die Frauen traten in den Hungerstreik. Die ganze Stadt stand hinter den Stahlwerkern – die Brotfachverkäuferin, der Bäcker, die Architektin. Alle wussten: Ohne Hütte geht hier vieles den Bach runter.
Hattinger Protest fand bundesweit große Beachtung Der Hattinger Protest fand bundesweit große Beachtung. Er war zäh und fantasievoll. Aber war er auch ein Erfolg? Ende Juni 1987 wurde der Stilllegungsbeschluss bestätigt. Doch die Hattinger hatten dem Konzern und der Politik durch ihren Kampf umfangreiche Zugeständnisse abgetrotzt. So wurde auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet, man einigte sich auf Frühpensionierungen, „freiwilliges“ Ausscheiden und Versetzungen. Das Land legte das millionenschwere Programm „Zukunftsinitiative Montanregion“ auf. Das Gelände der Henrichshütte beherbergt heute ein Museum. Das beschäftigt sich mit der Geschichte des Werks – und mit dem letzten Arbeitskampf. Der Arbeitskampf in Hattingen, der breit gefächerte Widerstand, konnte den Menschen in Rheinhausen als Blaupause dienen, als am
26. November 1987 die Nachricht vom geplanten Aus für das riesige Krupp-Werk am Rhein die Runde machte. Die Erschütterung war riesig, die Stimmung schwankte zwischen Wut und Resignation. Es war dann vor allem eine Rede, die den Aufstand der Kruppianer entfachte, die ihm den Kompass gab und dessen Heftigkeit begründende. Krupp-Obermeister Helmut Laakmann tritt vor die 10 000 Menschen in der Werkshalle. Er, der zur Führungsschicht des Werks gehört, spricht schneidend klare Worte, die lange nachhallen: „Es kann nicht sein, dass eine kleine Clique, eine kleine Mafia, mit den Menschen in
Der damalige NRWMinisterpräsident Johannes Rau (SPD) eilte nach Hattingen, um vor Stahlarbeitern seine Solidarität auszudrücken. FOTO: FRIEDHELM ZINGLER
diesem Land macht, was sie will“, ruft er. Und: „Ab jetzt gilt: Auge um Auge und Zahn um Zahn.“ Niemand, der dabei war, wird diese Worte je vergessen. Sie sind Startsignal zum größten und erbittertsten Arbeitskampf der deutschen Nachkriegsgeschichte. Er wird 160 Tage dauern. Das Werk steht in dieser Zeit fast still, die Belegschaft ist im Dauer-Ausstand. Der Widerstand ist radikal und neuartig. Er verändert die Menschen. Tausende besetzen Brücken und blockieren Autobahnen, stürmen die Verwaltung von Krupp-Stahl in Bochum und sogar das „Allerheiligste“, die Villa Hügel in Essen. Baggerführer produzieren Videos, andere ma-
chen Radio aus der Dachstube. Zuerst rückt die Stadt zusammen, dann das ganze Revier. Der Protest steckt an, begeistert. Journalisten aus aller Welt reisen an, über Wochen dominiert der Aufstand der Kruppianer die Nachrichten in Deutschland. So etwas hatte die Republik noch nicht gesehen – und so etwas wird sie wohl nie wieder sehen. Das „Rheinhausen-Fieber“ erfasste auch die WAZ-Redaktion. Der Autor, damals Reporter in der Zentrale, verbrachte buchstäblich Tag und Nacht im Stahlwerk, schlief auch schon mal auf der Pritsche im Betriebsratsbüro, war längst nicht mehr nur „objektiv,“ sondern wurde von den Ereignissen
FOTO: MANFRED VOLLMER
mitgerissen. Die Berichte aus dem Hause WAZ erschienen damals überall in der Republik, für Menschen außerhalb des Reviers war es ein faszinierender Blick in eine völlig unbekannte Welt.
Und wieder schließen sich breite Schichten der Bürger an Und wieder schließen sich in Rheinhausen breite Schichten der Bürger dem Protest an. Tausende sind täglich auf den Straßen, geben einander Halt. Ohne Stahl sehen viele keine Zukunft fürs Revier. Auch Polizisten in Uniform stellen sich in die erste Reihe der Demonstranten und machen bei Blockaden mit. Die Herzen fliegen ihnen zu. Im Februar bilden rund 100 000 Menschen im Ruhrgebiet eine Menschenkette – von Rheinhausen bis zu Hoesch in Dortmund (siehe S. 14). Das Revier steht zusammen, welch ein Symbol. Auch in Rheinhausen endet der erbitterte Kampf mit einem Kompromiss. Auf die sofortige Schließung wird verzichtet, ebenso auf Massenentlassungen. Und doch ist das Aus für die Stahlproduktion besiegelt. Heute hat auf dem ehemaligen Hüttengelände am Rhein vor allem die Logistikbranche ein neues attraktives Zuhause gefunden. „Wenn es an der Ruhr brennt, hat der Rhein nicht genug Wasser, um die Flammen zu löschen“, hat Konrad Adenauer einmal gesagt. Wer die Kämpfe in Hattingen und Rheinhausen erlebt hat, ahnt, was Adenauer meinte. Lutz Heuken (61) begleitete als WAZ-Reporter die Stahlarbeiter-Proteste. Heute leitet er die Politik-Redaktion der WAZ.
Projekt hohe Wellen auch bei Skeptikern. Ob bei der nächtlichen Belegschaftsversammlung im Stahlwerk Hörde oder der „Nacht der 1000 Feuer“, bei der die Stahlwerker in der Nacht des 17. Februar 1993 die B1 blockierten, oder dem Niedergang der einst größten deutschen BrauerStadt, die Dortmunder WAZ-Redaktion war stets dabei. Zu tun gab es genug: Rund 80 000 Arbeitsplätze kostete der Niedergang bei Kohle, Stahl, Maschinenbau und bei den Brauern. Der Phoenixsee ist inzwischen zum Synonym geworden für Struk- Wohnen, Arbeiten, Freizeit – rund um den Phoenixsee in Dortmund hat sich ein ganz FOTO: HANS BLOSSEY turwandel in Dortmund. 161 Unter- neuer, pulsierender Stadtteil entwickelt. nehmen mit 1700 Beschäftigten – elf Prozent mehr als im Vorjahr – arbeiteten 2017 am Seeufer und dem benachbarten Areal Phoenix West. Die Entwicklung am Phoenix See war und ist Teil einer langen und noch andauernden Reise, auf die sich der „Dortmunder Konsens“ aus Stadt, Universität und Wirtschaft begeben haben. Klaus Buske (65) beleuchtete bis 2013 den Strukturwandel in Dortmund. Seit 2014 ist der WAZ-Redakteur im Ruhestand.
Die letzte Stahlschmelze im Stahlwerk Phoenix Ost. Die Industrie räumte das Gelände in Dortmund-Hörde und schaffte Platz für Neues. FOTO: FRANZ LUTHE
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DER WANDEL IM SPORT
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Früher war mehr Vertrauen
Der Sport macht keine Pausen mehr, auch die Medien ruhen nie: Wie sich die Arbeit eines Sportredakteurs verändert hat. Persönliche Erinnerungen an Interviews ohne Schutzzonen und an abenteuerliche Übermittlungen von Texten Von Peter Müller
Ein Montagabend Ende der Achtziger. Kollege Bommi, ein erfahrener Redakteur, beruhigte den Neuling. „Du musst nur die Ergebnisse vom Pferderennen nachschieben“, versichert er mir. „Sonst ist montags nichts los.“ Trabrennen gab es damals noch regelmäßig: in Gelsenkirchen, Recklinghausen, Dinslaken und Mönchengladbach. Gegen 22 Uhr lieferten die Rennvereine und die Nachrichtenagenturen die Resultate. Die packten wir dann auf der zweiten Sportseite in die Ecke. Und das war’s. Bommi hatte Recht: kein Grund zur Aufregung. Ein Montagabend im Jahr 2018. Borussia Dortmund spielt gegen den FC Augsburg. Ein Bundesligaspiel, terminiert gegen den Willen vieler Fans. Ein Aufregerthema seit Wochen, begleitet von Protesten, interessant für Massen. Im Einsatz sind an diesem Abend: drei Reporter im Stadion, fünf Redakteure im Innendienst. Ständig stellen wir neue Nachrichten auf unser Online-Portal. Mit dem Abpfiff muss der erste Spielbericht fertig sein, der dann auch zum Aufmacher im Sportteil der Zeitung wird. Bis Mitternacht wird er um Reaktionen ergänzt, auch die Fotos werden noch mal ausgetauscht. Die Sportredaktion ro-
tiert auf Hochtouren. Normal. Einen ruhigen Tag gibt es im Sport auch unter der Woche nicht mehr. Einmal im Jahr nur gönnt er sich und uns ein ganz kurzes Verschnaufen: Heiligabend wird kein Ball bewegt und auch kein Trainer entlassen. Früher war nicht alles besser. Aber vieles war einfacher. Übersichtlicher. Und unaufgeregter.
„Und schreibt was Schönes!“
Henry Maske, Box-Weltmeister, vertraute in den 90er-Jahren seinen Gesprächspartnern
Interviews zum Beispiel. Man traf sich mit dem Sportler, dem Trainer, dem Funktionär, und die Atmosphäre war meistens entspannt. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit Box-Weltmeister Henry Maske in einem Dortmunder Hotel, 1994 war das, er bereitete sich in jenen Tagen auf einen Kampf in der Westfalenhalle vor. Mein Kollege Thomas Lelgemann und ich redeten mit ihm ungezwungen über alles, was uns interessierte. Bereitwillig erzählte er über sein stark verändertes Leben, nachdem er vom erfolgreichen Amateurboxer für die DDR nach der Wende zum Profi und zum gesamt-
deutschen Sport-Idol aufgestiegen war. Henry Maske war im Ring kein Haudrauf, und auch im Gespräch ging er nicht zum Angriff über. Besonnenheit zeichnete ihn aus. Als wir uns verabschiedeten, sagte er: „Und schreibt was Schönes, sonst bekommt ihr Ärger mit meinem Bodyguard.“ Er zeigte dabei auf einen großen, bulligen Mann mit kahlrasiertem Kopf, der am Nebentisch saß und aß. Als er das hörte, stand er auf, reichte uns lachend die Hand und stellte sich vor: „Hallo, ich bin Axel Schulz!“ Auch der damals noch weitgehend unbekannte Schwergewichtler, der ein Jahr später selbst die große Bühne betrat und gegen Legende George Foreman um die WM boxen durfte, unterhielt sich noch ein bisschen mit uns. Niemand bat uns darum, das Interview zum Gegenlesen vorzulegen. Vertrauen war nichts Ungewöhnliches.
Begegnung mit einem Jungstar Keine Ahnung, wann genau ich erstmals mit dem Wort Autorisierung konfrontiert wurde, wann in Vereinen und Verbänden ganze Abteilungen aufgebaut wurden, die sich heute umfassend um Medienarbeit kümmern. Die dabei auch darauf bedacht sind, dass Spieler bloß kein falsches Wort sagen, also nichts, was ihnen selbst, den Mitspielern, dem Trainer oder dem Verein in irgendeiner Weise schaden könnte. Die Klubs reagieren damit auf eine veränderte Medienwelt, in der sich Nachrichten durch OnlineJournalismus und soziale Medien rasend schnell verbreiten. Und dann haben die Spieler auch noch persönliche Berater, die eigene Interessen verfolgen. Die legen allergrößten Wert darauf, dass der Wert des Profis und sein Image, sprich die Marke, unangetastet bleiben. Auf der Strecke bleibt dabei oft die Lockerheit. Als ich im Jahr 2014 mit Leon Goretzka auf Schalke verabredet war, wurde mir das alles komprimiert vor Augen geführt. Mein Vogts Thema hieß „Zwischen Schalke rti Be r ine tra es nd Peter Müller und Bu FOTO: ARCHIV und Schulbank“, der damals 19ts: Sportredakteur 92. Begegnung in Triko r während der EM 19 rte po Re n ge ge ab jährige, hochbegabte Fußballer St BDF iel Sp em bei ein sollte bitte mal erzählen, wie er es auf
Ein Döschen Bier für den Herrn Präsidenten: Hermann Neuberger (1992 verstorben), der Chef des Deutschen Fußball-Bundes, in den 70er-Jahren am Telefon bei der WAZ. Ganz rechts Sportredakteur Rolf Dennemark, Zweiter von rechts Sportressortleiter Hans-Josef Justen. FOTO: ARCHIV
Der Weltmeister-Trainer zu Gast bei der WAZ: Helmut Schön, der die Fußball-Nationalelf 1974 in München zum Titel führte, mit dem langjährigen WAZ-Sportchef Hans-Josef Justen. Helmut Schön verstarb 1996, Hans-Josef Justen 2015. FOTO: ARCHIV
wundersame Weise schaffte, mit dieser extremen Doppelbelastung zu leben: einerseits schon in der Champions League zu spielen, andererseits auf der Zielgeraden zum Abitur nicht aus der Spur zu geraten. Mir gegenüber saß ein höflicher Junge, der sich aber erkennbar unwohl fühlte in dieser Situation. Er hatte offensichtlich gelernt, wie man sich möglichst unverfänglich äußert, möglichst nicht aneckt. Er sagte zunächst Sätze wie „Das muss der Trainer entscheiden“ und „Ich versuche, der Mannschaft zu helfen“. Phrasen, fürs Interview unbrauchbar.
Das autorisierte Gespräch Leon Goretzka ist ein kluger Kerl. Natürlich merkte er irgendwann, dass ich nicht gekommen war, um ihn mit Fangfragen zu konfrontieren und ihm Fallen zu stellen. Aber es dauerte, bis er erkannte, dass ich ihm
nichts Böses wollte, sondern tatsächlich an dem Menschen interessiert war, der hinter den für sein Alter außergewöhnlichen Leistungen steckte. Als er den Schutzpanzer ablegte, erzählte er, wie er das durch den Wechsel vom Zweitligisten VfL Bochum zum Bundesligisten FC Schalke noch komplizierter gewordene Leben organisierte, wer ihm dabei half, wem er vertraute. Wir sprachen über Mitschüler, Lehrer, Eltern. Die Frage, ob er es bedauere, nicht wie andere junge Menschen auch mal über die Stränge schlagen zu können, beantwortete er in voller Überzeugung so: „Was ich durch den Fußball erlebe, erleben andere nicht, und das wiegt alles hundertprozentig auf.“ So wurde es mit Verzögerung doch noch ein persönliches, interessantes Interview. Neben Leon Goretzka saß ein Mitarbeiter aus der Medien-Abtei-
lung des Vereins, der das Gespräch aufzeichnete. Ein Profi in seinem Metier, der von Beginn an keine Bedenken hatte und dann auch das aufgeschriebene Interview, das ihm wie heutzutage üblich zur Autorisierung vorgelegt wurde, unverändert ließ.
Der Reporter in der Telefonzelle Das ist der Idealfall, leider keine Selbstverständlichkeit. Es kam auch schon mal vor, dass ein führender Funktionär eines Fußballklubs darauf bestand, ein Interview selbst noch einmal zu überarbeiten. In dem Word-Dokument, das er mir zurückschicken ließ, hatte er ganze Passagen umgeschrieben, Aussagen verdreht, Belangloses eingefügt. Es dominierte die Farbe Rot – fast alles war verändert worden. Ich schrieb ihm zurück, dass mich dieses Werk an meine Lateinarbeiten als Jugendlicher erinnerte. Und dass er sich
Legendentreff in der Sportredaktion: 25 Jahre nach dem 3:2 über Ungarn sprachen der Essener Weltmeister Helmut Rahn (links, verstorben 2003) und sein Schalker Nationalmannschafts-Kollege Berni Klodt (rechts, verstorben 2003) mit dem früheren WAZ-Sportchef Wilhelm Herbert Koch (verstorben 1983), der 1954 aus Bern berichtet hatte. FOTO: MARGA KINGLER-BUSSHOFF
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Der junge Formel-1-Weltmeister in der WAZ-Redaktion: Michael Schumacher mit Peter Müller, Hans-Josef Justen und Bodo Zapp. FOTO: HEINZ JÜRGEN KARTENBERG
Ein offensichtlich nettes Gespräch: Box-Weltmeister Henry Maske (rechts) 1994 in Dortmund mit Peter Müller und Thomas Lelgemann. FOTO: HANS BLOSSEY
Das waren noch Zeiten: WAZ-Sportchef Hans-Josef Justen, ein leidenschaftlicher Läufer, rennt mit Sepp Herberger (verstorben 1977), dem legendären Weltmeistertrainer von 1954, um dessen Haus in Weinheim. Herbergers Frau Evi scheint sich für den Ausgang des Rennens nicht zu interessieren. FOTO: ARCHIV
entscheiden müsse: So würde es jedenfalls nicht gedruckt. Es kam zu einem Kompromiss, mit dem beide Seiten leben konnten. So mag manches komplizierter geworden sein im Laufe der Jahre – die Übermittlung von Texten aber ist heute angenehme digitale Routine. Egal, wo du dich als Reporter befindest: Du kannst senden, sobald der
letzte Punkt gesetzt ist. An Gutes gewöhnt man sich ja so schnell. Zu Beginn der 90er-Jahre gab es noch kein Laptop und kein Handy. Beim Eishockey-Derby zwischen der Düsseldorfer EG und den Kölner Haien war die kleine Pressetribüne überfüllt, ich saß mit Block auf den Knien zwischen den Zuschauern. Kurz vor Spielende raste ich mit
Auf einen Kaffee mit dem 100-Meter-Olympiasieger: Linford Christie 1992 mit den Redakteuren Peter Müller, Ralf Wilhelm, Hans-Josef Justen. FOTO: HANS BLOSSEY
lauter Mark-Stücken in der Hosentasche zur Telefonzelle vor der Eishalle an der Brehmstraße. Die Dame in der Telefonaufnahme der WAZ wartete schon. Ich diktierte, sie schrieb direkt in den Computer. Kurz nach Spielende rissen Fans die Tür auf, einer brüllte, ich solle endlich da rauskommen. Was hätte ich dann tun sollen? Rauchzeichen senden? Schnell gab ich noch durch, dass sich Düsseldorfs Torwart gegen die überlegenen Kölner „wie ein Nichtschwimmer im Haifischbecken“ vorgekommen sein muss. Ich dachte, das sei ein originelles Ende. Die Dame in Essen versicherte, sie habe alles verstanden. Am nächsten Tag las ich in der Zeitung: wie ein Lichtschimmer im Haifischbecken ... Hans-Josef Justen, der fast 40 Jahre die Sportredaktion der WAZ geleitet hatte und vor drei Jahren ver-
starb, erzählte gerne die Geschichte, wie er 1975 den FC Bayern zum Europapokalspiel in Eriwan, damals noch Sowjetunion, begleitete. Reporter durften noch im Mannschaftshotel wohnen, der WAZMann aber verzweifelte daran, dass er keine Telefonleitung bekam. Er versuchte es auch am späten Abend noch, bis in die Nacht hinein, und wenn er mal durchkam, brach die Leitung sofort wieder zusammen. Immer wieder brüllte der Reporter: „Herr Wesemann – verstehen Sie mich?“ Doch der Mann in der Telefonaufnahme hörte ihn nicht. Am nächsten Morgen begrüßte Bayern-Trainer Dettmar Cramer die Spieler beim Frühstück. „Schönes Hotel“, sagte er. „Nur ein bisschen hellhörig. Ich habe mich die ganze Nacht gefragt: Wer ist eigentlich dieser Herr Wesemann?“
Revierderby am WAZ-Kicker im Jahr 2009: BVB-Chef Hans-Joachim Watzke (links) gegen Schalke-Chef Clemens Tönnies (rechts). FOTO: MATTHIAS GRABEN
In der Heimat: Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff 2017 mit WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock und Funke-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk. FOTO: LUKAS SCHULZE
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DIE HISTORISCHE SEITE
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DIE STÄDTE Das gibt’s nur hier
Liebeserklärungen ans Revier Recklinghausen hat vielleicht das einzige Theater mit angegliedertem Zoo: Pfaue, Ziegen, Schafe, Affen. Manchmal ist man bei den Ruhrfestspielen nicht sicher, ob jemand den Käfig offen gelassen hat. Das ist wundervoll!“ Lars von der Gönna, Kultur-Redaktion
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Duisburg ist was für Macher, nicht für Erzähler! Es ist die Stadt des Wassers, der Maloche, der Natur, des Stahls, des Hafens – und das Zuhause für Menschen aus über 170 Nationen.“ Thomas Richter, Redaktion Duisburg
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Bodenständig, weil diese Stadt Heimat bietet. Offen, weil es sich damit am ehrlichsten lebt. Tolerant, weil das eine Tugend der Bergleute ist. Tatkräftig, weil Stillstand keinen Wandel erzeugt. Respektvoll, weil gute Nachbarschaft hier Tradition hat. Optimistisch, weil mit Innovation City Zukunft entsteht. Pragmatisch, weil Schwärmerei den Kumpels nie lag. Michael Friese, Redaktion Bottrop
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Stehse auffem Gasometer im Sturmesbrausen und alles, watte siehst, is Oberhausen / zehntausend Plätze, um Bier zu konsumieren, und jede Menge Büsche, sein Herz zu verlieren. Am Sonntag im Kaisergarten sich küssen, bei den Hängebauchschweinen die Tiger vermissen, andere Städte haben auch einen Zoo, aber so wie bei uns issat nirgendwo (nirgendwoho) ...“ Missfits, eingesendet von der Lokalredaktion Oberhausen
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„Gelsenkirchen muss man nicht lieben, kann man aber. Wer Herkules hat und 60 Jahre keinen Titel und dabei nicht verzweifelt, wer Historie und Moderne verbindet, der zeigt Weitsicht, Wagemut, Ausdauer, Herz, Stolz, Liebe und Tatkraft – also alles, was eine Stadt braucht.“ Jörn Stender, Redaktion Gelsenkirchen
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Wir sind der Mittelpunkt des Reviers. Bei uns geht’s immer rund, nicht nur auf Crange. Wir sind grau und wir sind grün. In Herne wohn’ ich gerne.“ Michael Muscheid, Redaktion Herne
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„Wo früher Stahl geschmolzen wurde, liegen jetzt Segelboote im Hafen. In der alten Brauerei steckt Kunst. Statt Kohle werden nun kreative Typen gefördert. Und über allem schlägt ein großes schwarzgelbes Herz. Dortmund ist wie die gemischte Tüte von der Bude: von allem etwas und ganz schön lecker.“ Kirsten Simon, Redakteurin aus Dortmund
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Bochum, ich komm aus Dir: WAZ!“ (Die Zeitung wurde hier gegründet.) Die Lokalredaktion
Z Grau, aber immerhin“. Der Spruch von Werbe-Altmeister Vilim Vasata ist immer noch einer der prägnantesten über Essen, weil er die immer etwas peinliche Feierlichkeit ironisch bricht und natürlich auch nicht wirklich stimmt. Aber es ist doch auch einiges Wahre dran.“ Frank Stenglein, Redaktion Essen
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Mülheim hat die Ruhr, lebt an der Ruhr, liebt die Ruhr. Der Fluss ist die Lebensader, die die Menschen antreibt zu Aktivitäten, bürgerschaftlichem Engagement und Brückenbau. Die Perle des Ruhrgebiets glänzt viel Grün, nicht nur entlang des Blaus. In Mülheim leben alle Generationen gerne miteinander.“ Katja Bauer, Redaktion Mülheim
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Hattingen ist die Altstadt des Ruhrgebiets. Hattingen hat Industriekultur und Zukunftsvisonen. Hattingen hat Natur und Natürlichkeit. Hattingen ist lebens- und liebenswert. Hattingen ist Heimat. Michael Brandhoff, Red. Hattingen
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Bei uns in Velbert gibt es ein Schloss und ganz viele Schlösser. Wir sind das Wanderparadies vor der Haustür.“ Yvonne Szabo, Redaktion Velbert
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Witten, hier schmecken die Fritten. Manchmal ein bisschen grau, frei nach Herbert: du bist keine Schönheit, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Zweite Reihe, da machste was her, Uni, Stahl, Jugendstilvillen, viel Grün und das blaue Band der Ruhr. Witten, das liegt doch neben … genau, die Stadt zwischen den Metropolen. Wir mögen dich, wie du bist. Jürgen Augstein, Redaktion Witten
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UNGEWÖHNLICHE KARRIEREN
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Offizier, Journalist, Rennfahrer Andreas Graf Praschma (72) hat seine Berufswünsche erfüllt Von Michael Weeke Essen/Haltern am See. Andreas Graf Praschma (72) stammt aus einem alten oberschlesischen Adelsgeschlecht, den Stammbaum kann er lückenlos bis ins 12. Jahrhundert verfolgen. „Meine Berufswünsche, so lang ich mich erinnern kann, waren: Offizier, Journalist und Rennfahrer.“ Und tatsächlich, irgendwie hat er alle diese drei so unterschiedlichen Berufe auch ausgefüllt. Mit gerade mal zwölf Jahren lernte er das Autofahren von einem älteren Cousin, der „Fahrschulwagen“: ein altes Käfer Cabriolet. Andreas Graf Praschma FOTO: FRANK OPPITZ
Andreas Graf Praschma (r.) an Bord von U 13 in der Ostsee. FOTO: JOCHEN TACK
Von 1966 bis 1968 verpflichtete sich Andreas Graf Praschma bei der noch jungen Bundeswehr als Fallschirmjäger, anschließend lernte er bei der deutschen Handelsmarine an Bord von Frachtern die halbe Welt kennen, die Häfen. 1969 kam er zur WAZ. Mit drei Artikeln bewarb er sich, natürlich zur Seefahrt, zu Streckenposten bei der Formel Eins und zur Ausbildung zum Fallschirmjäger. Der damalige stellvertretende Chefredakteur Georg Wilhelm Kruse fackelte nicht lange und holte den „Grafen“ zur WAZ. Über Stationen in Gladbeck, Dorsten und
Marl landete der Redakteur in Essen. Schnell sprach sich seine Leidenschaft für das Autofahren herum, seine Liebe für das Reisen. Immer wieder sprang er als Reporter ein, berichtete etwa aus Tonga. Bei der Camel-Trophy in Zaire, dem heutigen Kongo, fuhr er mit, schrieb spannende Reiseberichte. Immer wieder Reportagen über Militärisches, etwa an Bord von U13. Seine guten Kontakte halfen ihm stets. Denn Einsätze als Reservist bei den Fallschirmjägern absolvierte er etliche. Bis 1987 blieb der Oberstleutnant d. R. der WAZ treu, hatte eigentlich das damalige „Auto-Ressort“ des legendären Ferdinand Hannen übernehmen sollen. Denn bis ins damals prächtig gedeihende Opel-Werk in Bochum hatte sich seine Liebe zum Rallye-Sport herumgesprochen. Zunächst machte er dort die Pressearbeit für das Werk als freier Mitarbeiter, von 1995 bis 2005 in Bochum als festangestellter Pressechef des Werkes. Als es zu kriseln anfing, wurde er nach Rüsselsheim gerufen, von dort aus be-
Termin in luftiger Höhe: Andreas Graf Praschma über der Essener Innenstadt.
treute er für ein Jahr alle deutschen Opel-Werke. Ihm gab die Opel-Spitze viele Befugnisse, die Direktion vertraute ihm, sein Spielraum war groß. Als die Automanager ihn mit seinen bald 60 Jahren einfangen wollten, zurechtstutzen, zog er die Reißleine. Die Landung war zwar
nicht sanft, aber erträglich. Und nun konnte er wieder frei sein. So frei, dass er für die Funke-Zeitschrift „Das Goldene Blatt“ eine gewaltige Serie schrieb. Worum es da ging: Natürlich den Adel und wie er so lebt im Deutschland des 21. Jahrhunderts.
FOTO: FRANZ STRAUCH/WAZ
Andreas Graf Praschma lebt heute als freier Journalist (er testet für sein Leben gern Autos), mit seiner Frau und seiner 17-jährigen Tochter in Haltern am See. Übrigens: Im Alter von zwölf Jahren lernte die Tochter schon das Kartfahrern. Wer da wohl der Fahrlehrer gewesen sein mag...?
Michael Lentz liebte und lebte das Kino Der WAZ-Filmkritiker war auch als Drehbuchautor und Produzent hoch angesehen Von Michael Vaupel
Seine Meinung war gefragt: Als pointierter Filmkritiker bei den Kulturlesern der WAZ ebenso wie bei seinen Kollegen aus der Kinobranche. Denn Michael Lentz (1926 2001) liebte Kino nicht nur, er lebte es. Als Drehbuchautor, Regisseur – unter Pseudonym – und Produzent. Mit Ehefrau Jelka Naber-Lentz bildete er ein unzertrennliches Team. So gründeten sie 1972 in Essen die Produktionsfirma „Oase“, die auch die TV-Ruhrgebietskultserie „Die Pawlaks“ realisierte. Schon aus Studienzeiten in Münster kannte Lentz unter anderem Peter und Ulrich Schamoni, Enno Patalas oder Ulrich Gregor, die sich später vehement für frischen Wind auf der Leinwand einsetzten. 1962 war er auch auf der Seite der Rebellen des „Oberhausener Manifestes“, das Opas Kino für mausetot erklärte. Zu Ulrich Schamonis Kleinbürgersatire „Alle Jahre wieder“ schrieb Lentz das Drehbuch und erhielt dafür 1967 den „Silbernen Bären“ der Berlinale. Überhaupt pflasterten Auszeichnungen seinen langen Karriereweg. Um nur einige zu nennen: Für seine Dokumentationen „Wie in alten Zeiten“ (1983) und „Wegen
Michael Lentz war auch Medienprofessor in Köln. FOTO: G. MEMMESHEIMER
Reichtum geschlossen“ (1986) erhielt er Adolf-Grimme-Preise in Gold und Bronze. Die gemeinsam mit Rolf Schübel realisierten Filme „Nachruf auf eine Bestie“ (1983) und „Der Indianer“ (1989) wurden international ausgezeichnet. Über viele Jahre berichtete Michael Lentz für die WAZ von den Kinofestivals in Berlin und Cannes. Dabei begeisterte er die Leser nicht nur durch seine große Filmkenntnis, sondern auch durch seine feine Menschenbetrachtung.
1948 im Büro des Verlegers Erich Brost (r.). Ganz links: Michael Lentz aus der ersten Generation der WAZ-Volontäre. Er war erfolgreicher Kritiker und Filmemacher. F.: WAZ
DIE GESCHICHTE DER STADTREDAKTIONEN
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Samstag, 31. März 2018
Juli 1948: Mitten in den Trümmern an der Kreuzung Hattinger/Kronenstraße in Bochum wirbt die WAZ. FOTO: STADT BOCHUM, PRESSEAMT
enmühlen Die WAZ im Druck: Produktion bei Laup DT BOCHUM R/STA MÜLLE W.K. FOTO: um. & Dierichs in Boch
Als die WAZ laufen lernte
Erst Fotograf in Witten, später Chef in Datteln: Friedrich WilREPRO: HÄNISCH helm Eckhardt.
Zwischen Trümmern und Bombentrichtern war Improvisationstalent gefordert. Arbeitsangebot auf Schmierpapier Von Michael Weeke
Gern erzählen sich die Leute Geschichten aus der vornehmen Kirchturmperspektive. Doch weitaus lieber noch hören sie die Anekdoten, die Schnurren aus der Tiefe der Gassen, direkt von der Straße, frei von der Leber weg. Das gilt umso mehr für die Anfänge dieser Zeitung. Über die Situation in Bochum, wo im AnzeigerIm Hintergrund rauchen schon wied Haus, Rathausplatz 8, auf der vom er die Schlote: Bochum im Oktober 1948, rechts (eing Krieg halbwegs verschont gebliebenen efärbt) das Gründungshaus der WAZ. FOTO: STADT BOCH Frankenthaler Rotationsmaschine, UM/PRESSEAMT die ersten Exemplare dieser Zeitung gedruckt wurden, ist viel bekannt. Daher nur ein kurzer Satz aus jener Zeit. „Hätte der Verlag nur unbedrucktes Papier geliefert – drei Ausgaben in der Woche zu vier oder sechs Seiten und für zwei Reichsmark – der Erfolg wäre möglicherweise nicht geringer gewesen.“ Diesen Eindruck aus Bochum verfasste Georg Wilhelm Kruse, später stellvertretender Chefredakteur, von manchen liebevoll „Papa Kruse“ tituliert. In ihrem letzten Interview im Jahr 2010 erinnerte sich Anneliese Brost, die als Anneliese Brinkmann vom Beginn an dabei war, an jene wilde Gründerzeit: „Als wir im April 1948 in Bochum mit wöchentlich dreimal vier Seiten anfingen, hatten wir weder viel Geld noch geWAZ-Fotograf Heinz Ducklau nug Leute, Papier und Arbeitsmaterial. Mehrein Oberhausen. REPRO: HÄNISCH re Redakteure mussten sich eine Schreibmaschine teilen. Aber alle waren bis in die Nächte begeistert bei der Sache, und die Menschen rissen uns damals die Zeitung förmlich aus der Hand.“ Doch die Gründung der WAZ, sie spricht viel mehr noch aus den Berichten über die zum Teil abenteuDie ersten eigenen Auslieferungswagen in Bochum – mit Nummern- erlichen Arbeitssituaschildern der Britischen Besatzungszone. FOTO: W.K. MÜLLER/STADT BOCHUM
tionen in den Städten. Zum zehnjährigen Jubiläum 1958 bekamen die Lokalchefs den Hinweis aus der da schon in Essen sitzenden Zentralredaktion, doch einmal einen Blick auf die ersten zehn Jahre in ihrer Stadt, ihrem Ort zu werfen. Durch einen glücklichen Zufall sind diese Berichte erhalten geblieben. Zwischen Trümmern und Bombentrichtern regte sich Leben, die Menschen im Ruhrgebiet hatten gerade den Hungerwinter 1947/1948 überstanden, der beinahe so schlimm war wie der katastrophale Winter im Jahr davor. Die Überlebenden des Kriegs, die Heimkehrer und auch die jungen Menschen gierten nicht nur nach Nahrung. Sie sehnten sich geradezu nach Nachrichten, denn zu lange gab es nur Durchhalte-Parolen und braun gefärbten Einheitsbrei.
Die Redaktionsstube war zweieinhalb mal dreieinhalb Meter groß Wie die Welt sich darbot in jenen Tagen, steht etwa in einem Bericht über den Beginn in der Essener Lokalredaktion. „Unter der dünnen Tünche der wiederaufgebauten Zimmerwände ließ sich mühelos ablesen, wie viele Ziegelsteine die Maurer in der Länge und Höhe gebraucht hatten.“ Auf die Situation vieler Journalisten, die die WAZ damals vor Ort prägten, ihr sozusagen ein Gesicht gaben, treffen folgende Sätze von Willy Jaeger zu, dem ersten Lokalchef für Bottrop und Gladbeck (Foto): „Mit diesem Tage, dem 28. Februar 1948, als ich das Arbeitsangebot auf einem Stück Schmierpapier bekam, beginnt für mich die Geschichte der WAZ. Erst recht aber am 18. März, da ich in gefärbten englischen Armee-Klamotten, einer aus Heimkehrerspende stammenden Windjacke in Essen und Bochum Anstellungsgespräche führte. Ich sah erbärmlich aus. Das war aber nicht wichtig, denn den übrigen Zeitgenossen ging es nicht viel besser.“ Jaeger hatte Glück und es damit besser als
Der Plan für das Ruhrgebiet Briten wollten ein Blatt für das gesamte Nordrhein-Westfalen Zur Wahrheit der Gründungsgeschichte der WAZ – und möglicherweise der eigentliche Grund für die späteren Erfolge – gehört, dass die Engländer, genauer die Pressekontrolle in in der englischen Besatzungszone, eigentlich Redaktionsleiter Heinz Pawelczk REPRO: JOACHIM HÄNISCH ein Zeitungs-Projekt im Sinn hatten, Oberhausen. das als Verbreitungsgebiet das gesamte neue Bundesland NordrheinWestfalen abdecken sollte. Die Auflage wurde auf 250 000 Exemplare festgelegt, eine ansehnliche Menge, aber viel zu gering, um landesweit mit bereits am Markt stehenden Blättern konkurrieren zu können. Jakob Funke, der als Essener Junge und erfahrener Zeitungsmann das Ruhrgebiet kannte wie seine Westentasche, erarbeitete mit Erich Brost gemeinsam den Plan, das neue Blatt auf das Ruhrgebiet, trotz Eine Außenansicht der WAZ-Lokalredaktion in Gel- des Krieges immer noch das industREPRO: JOACHIM HÄNISCH senkirchen. rielle Herz des Westens, zu kon-
zentrieren. Um den Engländern wenigstens etwas entgegen zu kommen, gab es eine kleine, recht unbedeutende Landesausgabe. Beim Start am 3. April 1948 schließlich erschien die erste Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in folgenden Städten und Ortsteilen: Essen, Mülheim, Oberhausen, Duisburg mit Dinslaken, Wesel, Moers, Bochum mit Langendreer, Wattenscheid, Bottrop und Gladbeck, Dortmund mit Lünen, CastropRauxel und Witten sowie Gelsenkirchen, Hagen und Recklinghausen. Schon von Beginn an gelang es der WAZ, mit einem kleinen Kunstgriff, die Leser für sich einzunehmen. Unter dem Titel ließen sie zum Teil die Titel ehemaliger Lokalzeitungen, später die von erworbenen Blättern wie Wattenscheider Zeitung (früher Busch Verlag) oder Bochumer Anzeiger (früher Verlag Laupenmühlen & Dierichs) wieder aufleben oder behielten ihn bei. Ein frühes, äußerst erfolgreiches Beispiel für eine gelungene Leser-Blatt-Bindung.
viele andere Kollegen: Am 1. Mai 1948 wies ihm die Stadt eine Wohnung zu. In dem windschiefen Gebäude betrieb eine Witwe ein Kolonialwarengeschäft und eine Bäckerei. Jaegers Genauigkeit verdanken wir die Maße jener ersten Redaktion, zweieinhalb mal dreieinhalb Meter, er wohnte direkt über dieser „Redak- Gruppenbild mit Dame: die Lokalredaktionsstube“. tion in Herne. REPRO: JOACHIM HÄNISCH In den Großstädten des Ruhrgebiets sah es 1948 eher noch schlechter aus als in kleineren Gemeinden. Die Duisburger Ausgabe produzierte die zunächst einzige Redakteurin Waltraud Fest direkt aus ihrer Wohnung heraus. Erst etwa ein halbes Jahr später gab es dort eigene Redaktionsräume. Ursprünglich hatte man die Manuskripte durch Motorradfahrer transportieren wollen, das funktionierte aber nicht sonderlich gut. Also setzte die WAZ in ihren Anfängen auf die Eisenbahn. Eisenbahnboten transportierten Manuskripte und Fotos, offenbar zur allgemeinen Zufriedenheit. In Herne ging es in den ersten Wochen noch zünftiger zu. Die Ein-Mann-Redaktion wurde im Oktober 1949 plötzlich „obdachlos“. Doch Redakteur Jan Kondring ließ sich nicht unterkriegen. Nach langer Suche fand er Unterkunft in einer Gaststätte „gegenüber dem Bahnhof für zehn DM täglich und mit der Verpflichtung, Waltraud Fest war 1948 die erste Leite dass die Mittag- und Abendessen der Redakrin der Duisburger Redaktion. FOTO: WAZ tionsmitglieder dort eingenommen würden“. So ging das einige Wochen. Improvisationstalent war gefordert. Aus einem Badezimmer heraus, manche Zeitgenossen reduzierten das Räumchen gar auf einen schlichten Lokus, berichtete das junge WAZ-Team aus Witten. Der erste Lokalchef Dr. Arthur Venn (Foto) erinnerte sich: „In besagtem Die Lokalredaktion in Bottrop, mit Teetasse und SchreibmaBadezimmer, schine. REPRO: JOACHIM HÄNISCH das nach Aufwand von vielen guten Worten sogar einen Telefonanschluss bekam, entfaltete ich – nicht zuletzt vermittelst der Kurbel des ‘neuen’ Apparates – eine rege Tätigkeit.“ Dass zu Beginn der heute noch bekannte Markenspruch „Die WAZ ist eine Familienzeitung“ durchaus wörtlich zu nehmen Das Team der WAZ-Lokalredaktion in Gelsenkirchen. war, zeigt sich im Bericht REPRO: JOACHIM HÄNISCH des damaligen Gelsenkirchener Lokalchefs Leo Hamp: „Nachdem mir im März 1948 von den Herren Brost und Funke die redaktionelle Leitung der WAZ für den Bereich der Gesamtstadt (Gelsenkirchen) übertragen worden war, begannen meine Frau und ich unverzüglich mit lebhafter Mundpropaganda in allen uns bekannten Kreisen.“ Soziale Netzwerke der einfachen und wohl auch sehr wirkungsvollen Art, wie der langsam aber sicher sich einstellende Erfolg des jungen Blattes belegen sollte. Ganz So sah die Redaktion der WAZ 1957 in Bottrop an ohne Internet, Facebook und W-Lan, der Gladbecker Straße aus. REPRO: JOACHIM HÄNISCH versteht sich.
DAS PROJEKT BOCHUM – FÜR IHRE WAZ DER ZUKUNFT
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Zeitreise mit alten Filmen und Zeitungsseiten
Eine Offensive für unsere Leser
„70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“ ProBO. Das Jubiläum der WAZ nimmt die Lokalredaktion am Gründungsort zum Anlass für eine ProBO-Serie: Für „70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“ werden sich unserer Leserbefragung zufolge viele Abonnenten der Lokalausgabe interessieren, aber auch Bochumer aller Altersklassen, die vor allem online lesen. Das Thema: Stadtgeschichte von 1948 bis heute. Herzstück der „Geschichtswerkstatt“ ist der Zeitstrahl auf www.bochum70.waz.de.
Bochumer Stadtgeschichten gesucht Dort können sich Interessierte schon jetzt über 50 Webvideos mit historischen Aufnahmen des Stadtarchivs anschauen und in WAZ-Ausgaben von damals blättern – in aufwendig digitalisierten Zeitungsseiten zum Bau des Ruhrschnellwegs und der U-Bahn, mit Berichten über Opel und VfL, Schauspielhaus und Ruhr-Uni. Für jedes Jahr hat die Redaktion eine Nachricht ausgewählt, die für Bochum(er) wichtig war oder wurde. Die Online-Chronik erweitern wir bis Ende 2018: mit Artikeln über Zeitzeugen, Galerien, Videos – und Erinnerungen der Bochumer. Sie sind aus der Stadt? Hat Sie eines der 70 Themen bewegt? Schicken Sie uns Ihre Fotos und Ihre Stadtgeschichten: an ProBO@waz.de. pw
Das Positive im Blick Die Seite der guten Nachrichten Von Linda Heinrichkeit
Wie die WAZ beim „Projekt Bochum“ mit den Lesern an einer noch besseren Zeitung arbeitet Zum ProBO-Start unternahm die Redaktion mit dem WAZ-Mobil eine zweiwöchige „Tour der guten Nachrichten“ durch die Stadt, um gezielt Erfreuliches und Positives zu berichten und zu recherchieren. Leser gaben viele Etappen-Tipps. Ein weiteres Ziel: Wir Journalisten konnten in einer „gläsernen Redaktion“ Interessierten und Kritikern zeigen, wie wir arbeiten, und mit ihnen – auch darüber – ins Gespräch kommen. FOTO: INGO OTTO Von Philipp Wahl
Die WAZ hat in der Stadt, in der sie vor 70 Jahren gegründet wurde, ein journalistisches Zukunftsprojekt gestartet: Das zweijährige Projekt Bochum (ProBO) soll dazu beitragen, alle Lokalausgaben zu modernisieren und weiter zu verbessern. ProBO verstehen wir als eine Offensive für unsere Leser. Darum hat die Redaktion zum Auftakt im Sommer 2017 die Bochumer Abonnenten der gedruckten WAZ schriftlich befragt. Schließlich ist es eines der wichtigsten Projektziele, die Redaktionsarbeit und neue For-
Stadtteil-Berichterstattung Wie wichtig sind Ihnen Neuigkeiten und Berichte aus … Angaben in Prozent
81,6 ... Ihrem Stadtteil? ... anderen Stadtteilen?
40,3
mate noch stärker an den Bedürfnissen der Leser auszurichten: Was ist den meisten von ihnen wichtig? Welche Informationen nützen möglichst vielen Bürgern vor Ort, was interessiert, ärgert oder unterhält sie? 1157 Zeitungsleser – mehr als erhofft – nahmen sich die Zeit, unseren Fragebogen auszufüllen.
Zukunftslabor für alle Redaktionen Die Ergebnisse haben wir veröffentlicht und unseren Lesern dazu erklärt, wie wir darauf reagieren möchten. Alle Details und Einzelergebnisse finden Sie unter waz.de/leser. Einige wichtige Erkenntnisse: Sehr viele Teilnehmer wünschen sich mehr Artikel über „Natur und Umwelt“, Kommunalpolitik und „Probleme der Bürger“, außerdem häufiger stadtgeschichtlichen Lesestoff. Zurzeit erarbeitet die Projektredaktion Antworten, und zwei für die historisch Interessierten setzt sie bereits um: Eine multimediale Serie startet zum WAZ-Geburtstag (siehe Artikel
Projekt Bochum
Für Ihre WAZ der Zukun4ÿ
WBO_2
Donnerstag, 13. Juli 2017
Projekt Bochum
Von Miriam Fischer (Grafiken)
A 43
A 44
2
FUNKEGRAFIK NRW: MIRIAM FISCHER
3
2,2
0,4 4
5
0,1
1,7
überhaupt nicht wichtig
)
ch Bevölkerungsdichte im VergleiStand: 31.12.2016 Auf einem km² leben in ...
Von Bochumern wohnen ...
Fußballfeldern.
14 518
Linden hat Sportplätze.
Durchschnitts3 einkommen
Viertel1 in Linden
Südbad | Röderschacht Nevelstraße| Ostholz Lindener Straße | Donnerbecke Nordpol | Lewacker | Chursbusch
14 552
14 123
Euro
rungszahl
15 045
14 718
1996
2006
Durchschnittsalter
14 123
hen
31.12.2016
14 123
Wanderungsvolumen Migranten
über 60 Jahre
Ein- und Zweifamilien-Häuser Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
4460 (2469 Frauen/1991 Männer)
Migrationshintergund 20,7 %
11,1 %
Bochum
Linden
31.12.2016
Personen mit Migrationshintergrund: Bevölkerung mit erster oder zweiter Staatsbürgerschaft nichtdeutsch.
Wohnen in Linden Wohngebäude gesamt davon
Ein- und Zweifamilienhäuser
2820
Stand: 31.12.2015
= 100
24,4 %
- 31,5 %
Arbeitslose
1,1 %
Langzeitarbeitslose
Grundsicherung im Alter
5
QUELLE: „BOCHUMER ORTSTEILE
KOMPAKT 2016“, DEZERNAT
(je Wohnung)
3.| 30 davon
Mehrfamilienhäuser mit 10 und mehr Wohnungen
60
457 205 859
FÜR SOZIALES, JUGEND UND
GESUNDHEIT; STICHTAG: 31.12.2015
∙ QUELLE ARBEITSLOSE
BUNDESAGENTUR FÜR UND LANGZEITARBEITSLOSE:
er in Linden men Haushalte, Familien und Kind Familienersetzende Maßnah 31.12.2016
6 Haushalte mit Kindern
1280
n
120
25.| 30
7,5
1,0 % Linden 23 Kinder/ Jugendliche
Bochum 1055 Kinder/ Jugendliche
Impfschutz 9 gegen Masern
Geburten und Sterbefälle je 1000 Einwohner (2016)
Geburten
8
1,7 %
Bochum
7
ARBEIT
bis 2014, Anteil an der Durchschnittswerte 2012 Bevölkerung unter 21 Jahren
16,7 %
11.| 30
der
Familie Haushalte kinderreicher Durchschnittliche Wohnfläche
5031
72
- 46,8 %
In 18,2 % der Haushalte in Linden leben Kinder.
78,6 qm²
1960
- 46,0 %
ALG II/Sozialgeld
1960
860
5076
Die extremen Werte für 2015 ergeben sich aus Zuund Fortzügen von Flüchtlingen. Die Bezirksregierung Arnsberg betrieb in der ehemaligen Förderschule an der Lewacker Straße bis Ende März 2016 eine „Zentrale Unterbringungs-Einrichtung“.
9,2 %
270
Mehrfamilienhäuser
6579
564,7 % über dem städtischen Mittelwert
Haushalte Alleinerziehen davon
4 440
107,6 %
4
unter 18 Jahre
2028 (1008 Frauen/1020 Männer)
2015
12,7 %
60 Jahre und älter
Wanderungsvolumen
-Vergleich
Der Stadtteil im der Stadtteil bei ausgewählten Merkmalen Die gelben Kreise zeigen an, wie bei allen einzuordnen ist. 1./30 markiert Vergleich mit den 29 anderen Stadtteilen höchsten Wert. Kennzahlen den Stadtteil mit dem (11./30), im 31.12.2016 exakt 14 123 Einwohner Einwohner Zwei Beispiele: Linden hatte am Wert. Zehn Stadtteile haben mehr Stadtteil-Vergleich ist das der elfthöchste sind die Stadtteilen fünf in Nur (6./30): alter als Linden. Beispiel Durchschnitts als in Linden. Einwohner im Durchschnitt älter
Bochumer markiert den Mittelwert aller Die rote Achse in der Mitte bei diesen ken zeigen, wie sehr Linden Stadtteile. Die Prozent-Bal t abweicht. Daten vom städtischen Durchschnit Durchschnitt Stadt Bochum
2016
6829 Männer
Anteil der Menschen mit
en besser vergleichen können, veranDamit Sie die Bochumer Einwohnerdicht den Wert einer im Feld rechts unten in jeder Folge schaulichen wir an dieser Stelle eines anderen Landes. anderen Stadt beziehungsweise
30.| 30
Abweichung vom städtisc Mittelwert in Prozent
Jahre
Menschen
Menschen
7.| 30
2
... Singapur (Stadtstaat)
... ganz Deutschland
11.| 30
rung Zusammensetzung der Bevölke 7294 Frauen
105 m x 70 m
31 000
6.| 30
1986
1981
Menschen
Menschen
31.12.2016
Entwicklung der Bevölke
... Bochum
... Linden
Das entspricht etwa
1. LINDEN 2. GERTHE 3. GÜNNIGFELD
10,1 0,6
Für Ihre WAZ der Zukun
2
15.| 30
A 448
A 40
und Philipp Wahl (Recherche
Linden hat eine Fläche von
Eingemeindung: 1.8.1929
14,8
@
den Radiosendern der Funke MeSie haben Fragen, diengruppe sammeln die LokalKritik oder Ideen? redaktionen Erinnerungen an den Schreiben Sie der Bergbau, um diese Geschichten mitProjektredaktion an hilfe der Zeitzeugen auch in VideoProBO@waz.de. und Audiobeiträgen zu erzählen. Schon jetzt setzen andere Lokalredaktionen ProBO-Ideen BOCHUM um, die sich in Bochum beBÜRGERSEITE dwesten währt haben. Ein Beispiel: LeDas ist Linden, tief im Sü n und Fakten. Die amtliche Statistik verrät wählter Zahle zuletzt so viele Stadtteile anhand ausge ser in Essen, Herne und Obermer auch. In Linden gab es Bochu aber 30 alle ascht igt Vermutetes, überr Unsere Serie porträtiert r der Ortsteile. Sie bestät Leithe und Langendree viel über Besonderheiten und Wegzüge wie sonst nirgends zwischen Pro BO Zuhausen stoßen in ihren Lokalteilen inzwischen ebenfalls auf Sei371 097 ten, die mit Grafiken und Daten 4,55 km² 2552 statt mit Texten einzelne Stadt3105 619 teile porträtieren. In Bochum gaLIND EN 7799 226 ben viele Leser darauf positive 5 ... . Linden in Menschen Rückmeldungen. Im Laufe des Jahres werden alle Redaktionen n Linde Die Menschen in diese neue Darstellungsform auf46,9 greifen. ProBO soll in diesem Sinne kein Elfenbeinturm sein, sonSerienfolgen
2,6 Sehr wichtig
Pro BO
Stadtteil „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Für Neuigkeiten aus anderen Vierteln gaben dies immerhin 57,7 Prozent an. Kein anderes Thema wurde obendrein auf unsere offene Frage hin häufiger thematisiert: 89mal war Befragten die Stadtteil-Berichterstattung ein Anliegen. Wir arbeiten mit allen Abteilungen des Verlages daran, für Sie auch diese zu verbessern – nicht nur in Bochum.
dern eine Zukunftswerkstatt. „Probo“ bedeutet als eine Form des lateinischen Verbs probare: Ich prüfe, erprobe, untersuche. Wir wollen moderne Erzählformen und Arbeitsweisen erproben. Die Ergebnisse sollen allen Lokalredaktionen helfen, die inhaltlichen Erwartungen ihrer Leser zu erfüllen. Dazu wollen wir Lokaljournalismus auch mal in experimenteller Weise querdenken – behutsam, versteht sich: Schließlich lesen tausende Bochumer mit. Diese wollen mehrheitlich wissen, was vor ihrer Haustür los ist. Das ist das eindeutigste Ergebnis unserer Befragung: Über 96 Prozent der Teilnehmer sind Berichte aus ihrem
1
28,1 17,4
links), und am 10. April wird in allen Lokalausgaben des Ruhrgebietes ein Aufruf unter dem Titel „Mehr als Kohle“ erscheinen: Gemeinsam mit
94,4 %
11,5
Schuljahr 2015/16
Sterbefälle
n. 2004 führte der Bevölkerung in Flüchtlingsheime oder abgemeldet. Nebenwohnsitz in Bochum, einschließlich Bochum umin 2 Bevölkerung mit Haupt- oder uer ein. Danach haben sich zahlreiche Bürger mit Zweitwohnung in g der Stadtverwaltung. Diese Gliederung erhoben für ein inzwischen beendetes Bochum die Zweitwohnsitzste ist die statistische Gebietsgliederun haben der Hauptausschuss des Stadtrates 1 n je Steuerpflichtigem (Stand: 31.12.2007), 3 Vergleichseinheit unserer Serie Kommunalstatistikern. Durchschnittliches Jahreseinkomme Bezirke“ und 154„Statistische Viertel“ Bezirke“ (hier genannt: Stadtteile oder und Technik, Städtetag NRW und sechs Stadtbezirke, 30„Statistische Pilotprojekt von Landesbetrieb Information hinaus. 1.1.1981 beschlossen. Die 30„Statistischen sich nicht immer mit dem Zugehörig- 4 Alle Zu- und Fortzüge zwischen Ortsteilen und über Stadtgrenzen des notwendigen Lebensunterhaltes bei und die Bezirksvertretungen zum und gebauten Grenzen. Das deckt die Sicherstellung natürlichen zur an XII u.a. SGB Stadtforschung sich nach Statistik und 5 Ortsteile) orientieren Eine bedarfsorientierte Sozialleistung Viertel“ bilden für den Fachbereich keitsgefühl der Einwohner. Die„Statistischen Bezirke“. Raumebene unterhalb der„Statistischen
11.| 30 QUELLEN: STADT BOCHUM
FISCHER Jahre. FUNKEGRAFIK NRW: MIRIAM am Hauptwohnsitz im Alter ab 65 Hilfebedürftigkeit. Wert hier: BezieherInnen rfahren“). 6 Schätzverfahren der Kommunen („Generierungsve 7 Familien mit drei oder mehr Kindern. Jugendamt außerhalb ihrer Familien untergebracht werden (Vollzeitpflege, 8 . Kinder bzw. Jugendliche müssen vom intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung) Heimerziehung oder sonstige Wohnformen, 2015/16. tersuchung 9 Vollständiger Impfschutz bei der Schuleingangsun
ProBO. Häufiger über Positives berichten, das Gute in den Fokus nehmen: Diesen Wunsch unserer Leser wollen wir mit der monatlichen „Seite der guten Nachrichten“ erfüllen. Sie entstand als Folge einer zweiwöchigen „Tour der guten Nachrichten“ mit dem Redaktionsmobil durch Bochum im Sommer 2017, zu der uns viele Bochumer erfreuliche Thementipps gaben. Eine der Rubriken der Gute-Nachrichten-Seite ist der „Rückblick – Worüber wir uns gefreut haben“. Eine kleine Auswahl: Der 17-jährige Marvin spielt leidenschaftlich Hockey – im Rollstuhl. Um den Sport auszuüben, brauchte er aber ein neues Modell, eines, das bis zu 13 km/h fahren kann. Durch die WAZ-Berichterstattung kamen genügend Spenden für den Sportrolli zusammen. Ein ande-
Die guten Nachrichten
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Samstag, 31. März 2018
Mit der Bochumer WAZ-Familie mitten im Leben Vom Großeinkauf bis zum Elternabend: Warum wir zwei Jahre lang die Kuriewiczs durch den Alltag begleiten Von Gianna Schlosser
rer junger Mann, den wir lange Zeit begleitet haben, ist der 16 Jahre alte Emil. Nach seiner Leukämie-Erkrankung stand er kurz vor dem Tod, doch die Knochenmarkspende seiner Schwester hat ihm das Leben gerettet. Weitere gute Nachrichten der vergangenen Wochen in Bochum: die abgewendete Pleite des Tierheims und die Meldung der Polizei, dass mit der Fotofahndung 60 bis 70 Prozent aller Täter gefasst werden – auch weil wir darüber berichten.
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Zur Online-Stadtkarte mit guten Nachrichten: waz.de/gn
Die Familie Kuriewicz aus Bochum-Wiemelhausen (v.l.): Anthony, Oma Dagmar, Bryan, Susan, Johannes und Leo werden von der Lokalredaktion zwei Jahre lang begleitet. FOTO: INGO OTTO
ProBO. Oft ist ein Thema da, bevor es einen Protagonisten gibt: Die Müllgebühren steigen. Der Spielplatz ist ständig verdreckt. Es fällt zu viel Unterricht aus. Natürlich können wir als Redaktion den Sachverhalt schildern, können uns auf die Suche nach Betroffenen machen. Oder aber: Wir suchen uns passende Protagonisten, bevor die Themen auf uns zukommen. Das ist eine der Ideen hinter der WAZ-Familie, die wir im Sommer 2017 mit einem Aufruf gesucht und ausgewählt haben: Susan und Hannes Kuriewicz, ihr gemeinsamer Sohn Leo (4) und seine großen Brüder Bryan (11) und Anthony (13) – Susans Kinder aus erster Ehe. Mit ihnen nähern wir uns bei ProBO Familienthemen so, wie es uns mit Fremden nicht möglich wäre. Am Anfang stand das Kennenlernen. Uns, die Journalisten, interessierte vor allem: Wer hat
Die
-Familie
welche Hobbys? Wer hat welche Eigenheiten? Wem kommt im Familiengefüge welche Rolle zu? Und schließlich: Welche Anknüpfungspunkte für relevante Familienthemen ergeben sich daraus? Die Kuriewiczs sehen ihre neue Rolle als „Chance, als Familie unsere Erfahrungen und Meinungen einzubringen“. Die Kinder meinen: „Es macht Spaß, in die Zeitung zu kommen.“
Trauerarbeit mit Kindern So war der kleine Leo, ein großer Polizei- und Feuerwehr-Fan, begeistert, als zum Termin mit den Zeitungsleuten, an die er sich mittlerweile gewöhnt hat, die Polizei hinzukam. Thema: Wie kann man sich vor Einbruch schützen? Das interessierte Leo weniger, ihm war nur wichtig, dass der Kripo-Beamte seine SpielzeugPolizeistation bewunderte. Weil in einer Familie mit drei Kindern Kita und Schule eine entscheidende Rolle spielen, waren einige Themen von vornherein klar – etwa der teure Großeinkauf zum Schulstart. Wir haben unsere
WAZ-Familie begleitet, als sie, wie so viele andere Eltern mit Schulkindern, auf der Suche nach Bleistiften B2 und H1, roten und grünen Schnellheftern und Füllerpatronen durch Schreibwarenläden und Discounter irrte. Dem Dauer-Aufreger Unterrichtsausfall und der Wahl der weiterführenden Schule widmen wir mehrere Beiträge, einige davon erzählt am Beispiel der WAZ-Familie. Auch zu aktuellen Entwicklungen oder Geschehnissen binden wir die Kuriewiczs in unsere Berichterstattung ein. Als die Grippewelle ihren Höhepunkt erreichte und auch Mama Susan, die den gesamten Familienalltag organisiert, krank wurde, schauten wir uns an, wie berufstätige Eltern damit umgehen, wenn einer von ihnen ausfällt und die gewohnte Aufgabenverteilung nicht funktioniert. Als der Tod von Susans Vater die Familie schwer belastete, war das Vertrauen bereits so groß, dass wir miteinander für einen Artikel über Patientenverfügung und Trauerarbeit sprechen konnten. So bilden die von uns geplanten Themen immer nur das Gerüst der Berichterstattung mit der WAZ-Familie. Hinzu kommen solche, die Leser oder die WAZ-Familie selbst an uns herantragen. Und wer könnte ein besseres Gespür für Familienthemen haben als eine Familie?
Das bekommt die Familie
K Alle Artikel, Fotos und Videos
über die WAZ-Familie finden Sie im Netz auf waz.de/waz-familie.
K Die WAZ-Familie bekommt für
ihr Engagement ein WAZ-Abo und Familienfotos. Die Stadtwerke Bochum zahlen ihr 24 Monate die Stromrechnung, und Aida Cruises und Condor laden die Familie im Sommer zu einer Kreuzfahrt ab Mallorca ein.
UNSERE LESER
Andreas Baumann, Paketzusteller aus Bochum-Eppendorf, liest die WAZ seit 2007.
Die Schönheit der Stadt zeigt sich nicht sofort An Bochum liebe ich ... ... die Offenheit der Menschen, die einem schnell das Gefühl von Heimat geben. Was würden Sie in Bochum ändern, wenn Sie könnten? Ich würde die Stadt, losgelöst von finanziellen Zwängen, mit mehr Weitblick entwickeln. Und ein besseres Baustellenmanagement etablieren. In der WAZ lese ich am liebsten ... ... den Lokalteil und die Seiten Kultur & Freizeit. Darüber würde ich im Bochumer Lokalteil gerne mehr lesen: Mehr Stadtteil-bezogene Nachrichten aus Vereinen, Schulen, Kirchen. Auch eine Rubrik über Veranstaltungen mit kurzen Berichten wäre hilfreich. Ihr Tipp an alle Bochumer, die das hier lesen: Vor allem Zugezogenen und NichtBochumern zeigt sich die Schönheit der Stadt erst auf den zweiten Blick. Die Chance sollte man der Stadt aber geben. Dieser Kurzfragebogen ist eines
i der kleinen Formate, die von der
Redaktion bei ProBO ausprobiert werden. „Unsere Leser“ erscheint mehrmals wöchentlich auf der Bürgerseite. Die Rubrik gibt den Bochumern die Gelegenheit, ihre Sicht auf die Stärken und Schwächen ihrer Stadt zu veröffentlichen. Für diese Meinungen interessieren sich die Lokalredakteure ebenso wie für die Lesegewohnheiten und die „kleine Blattkritik“ der Einsender.
DIE CHRONIK
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1948
Das Gründungsjahr der WAZ. Am 3. April erscheint die erste Ausgabe mit einer Startauflage von 250 000 Exemplaren. Der Umfang beträgt vier Seiten, sie kommt dienstags, donnerstags und samstags heraus. Der Verlagssitz liegt in Bochum.
2014 2016
Die WAZ-Geschäftsführer Günther Grotkamp (l.) und Erich Schumann, hier im Buch „50 Jahre WAZ“, schufen in den 70er-Jahren das WAZModell der Zeitungsgruppe: redaktionell unabhängige Zeitungen unter einem Verlagsdach. Es wurde später von anderen Verlagen übernommen.
Ereignis Einzelpreis der WAZ 20 Pfennig Die WAZ zählt 150 Mitarbeiter Günther Grotkamp kommt zur WAZ Als erste Zeitung Büro in Ost-Berlin Die WAZ-Gruppe entsteht (mit NRZ) Letzte Anzeigenseite in Blei Zehn Prozent Anteil an RTL Einstieg in den Radiomarkt Übernahme TVZeitschrift „Gong“ Neuer Name: Funke Mediengruppe Kauf von SpringerZeitschriften und -Regionalzeitungen Spatenstich neue Zentrale, Essen
Glück auf also zu Deiner weiteren Tätigkeit! Gib uns weiter Gelegenheit, uns eine eigene Meinung über Geschehnisse und Entwicklungen zu bilden, fördere, was zu loben, und kritisiere, was zu bemängeln ist! Das wünscht Dir, liebe WAZ, zu Deinem 10. Geburtstag in aller Offenheit Ein getreuer Leser Witten, im März 1958“
„Ein Verriss von etwa 15 Zeilen hätte angesichts der Raumknappheit genügt.“ Jakob Funke, Verleger, eine Kulturkritik rügend. 1948 war das Papier knapp.
Dick
und fett wie Kohle im Flöz liegen die sieben engen Spalten der WAZ. Der Erfolg der Zeitung beruht darauf, dass für sie obenan der Mensch der Ruhr steht.“ Zitiert aus einem Bericht der Frankfurter Rundschau über die erfolgreiche Ruhrgebietszeitung. Der Artikel erschien im Oktober 1974.
FOTO: MICHAEL HERMES
Zukäufe, Zeitungsboten und Zitate Sieben Jahrzehnte aus dem Leben einer Tageszeitung, für die „obenan der Mensch der Ruhr steht“
Die WAZ war nie die Zeitung der großen Gesten. Es gibt den Satz, wir trügen den Nerz innen. Wie immer das gemeint sein mag – ganz falsch ist es nicht.“ Ralf Lehmann, ehemaliger Chefredakteur, im Jahre 1998.
Z Das erste Verlagshaus im Jahre 1948 am Rathausplatz 8 in Bochum. FOTO: HO
Samstag, 31. März 2018
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Wichtige Ereignisse Jahr 1948 1952 1961 1973 1976 1981 1986 1990 2000 2013
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1953
Seit 2015 arbeitet die Zentralredaktion Seit September 2015 arbeitet in Berlin die neue Zentralredaktion der Funke Mediengruppe. Sie beliefert aus der Hauptstadt alle Regionalmedien der Gruppe, darunter auch die WAZ, mit überregionalen Inhalten für die gedruckte Zeitung und die Online-Ausgabe. Gleichzeitig bekommt sie bundesweit wichtige Regionalthemen von den Titeln geliefert. Das rund 80 Mitarbeiter starke Team an der Friedrichstraße arbeitet sieben Tage die Woche, von 5 bis 24 Uhr, für die Leser der Funke-Titel.
Medienstandort Essen. Damals verlässt die WAZ-Zentrale Bochum und zieht in die Essener Innenstadt in die Sachsenstraße.1961 entsteht in der Nähe das neue Druckhaus an der Schederhofstraße, das per Rohrpost unterirdisch mit dem Verlagshaus verbunden ist. 2012 bekennt sich der Verlag erneut zum Ruhrgebiet. Der Bau der neuen Unternehmenszentrale am Berliner Platz in Essen wird beschlossen, im Frühsommer 2018 steht der Umzug an.
MEILENSTEINE
1
1949 erscheint die WAZ ab September täglich außer sonntags; ab Oktober mit Stellenmarkt.
2 3 Seit 1930 gibt es in den USA die Geschichten von Blondie Boopadoop und Dankwart Bumskopp. Die WAZ-Leser erfreuen sie seit 1953. FOTO: HOFFMANN
Anzeige darf nicht nachgezogen werden. Ehefrau ist wieder da.“ Interner Vermerk zur Bekanntschaftsanzeige eines Rentners in den 80er Jahren. Er hatte um Stornierung der Anzeige gebeten, weil seine Frau zurückgekehrt war.
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1953 kommen die ersten Comics: Rip Korby und Blondie.
1954 der erste „Kumpel Anton“ von Sportredakteur Herbert Wilhelm Koch.
4 5
1958 gibt es erstmals einen Jahreskalender als Beilage.
1972 Als erste deutsche Tageszeitung setzt die WAZ ein Computer-System in der Redaktion ein.
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1982 richtet die WAZ eine Zeitung für Blinde ein. 1993 Gründung der Journalistenschule Ruhr. 1996 geht die WAZ mit Cityweb erstmals online.
DIE CHRONIK
SEITE 63 Seit 1948 in Familienhand Die WAZ ist ein Familienunternehmen. Gegründet wurde sie 1948 von Erich Brost und Jakob Funke. Brost starb 1995 mit 92 Jahren, Funke bereits 1975 mit 73 Jahren. Bis 2012 behält jeder Familienzweig 50 Prozent der Verlagsanteile. In diesem Jahr kauft Petra Grotkamp, Tochter von Jakob Funke, die Anteile der BrostEnkel und wird Mehrheitsgesellschafterin. Die WAZ-Gruppe wird in Funke Mediengruppe umbenannt. 2018 übergibt Petra Grotkamp ihre Anteile an ihre drei Kinder.
6000
Mitarbeiter im Medienbereich hat die Funke Mediengruppe insgesamt, davon mehr als 1200 am Verlags-Hauptsitz in Essen. Etwa 1000 Zusteller tragen die WAZ aus.
Samstag, 31. März 2018 ZUKÄUFE DER WAZ
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1973 Kauf der Westfalenpost in Hagen
Die Funke-Gesellschafter bei der Grundsteinlegung der neuen Unternehmenszentrale in Essen (v.l.): Nora Marx, Petra Grotkamp, Renate Schubries, Klaus Schubries, Stephan Holthoff-Pförtner, Julia Becker und Georg Scheid gemeinsam mit dem Essener Bürgermeister Thomas Kufen (3.v.l.). Auf dem Foto fehlt Niklas Jakob Wilcke. FOTOS RALF ROTTMANN / SCHROEWIG
„Immer interessant und spritzig und immer leicht lesbar. Die menschliche Seite ist wesentlich. Keine langen Abhandlungen.“ Erich Brost, Gründungschefredakteur, in der Anweisung an die Korrespondenten der WAZ vom 8. April 1948
15
1975 Mehrheitsbeteiligung Westf. Rundschau, Dortmund 1976 Mehrheitsbeteiligung an der NRZ in Essen
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1990 Gründung der Zeitungsgruppe Thüringen. Titel: Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung, Thüringische Landeszeitung
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2014 Kauf von Springer-Zeitungen und -Zeitschriften, darunter Hörzu und Berliner Morgenpost
Die drei Kinder von Petra Grotkamp (v.l.): Julia Becker, Nora Marx und Niklas Jakob Wilcke sind Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder der Funke Mediengruppe, hier 2018 bei der Godenen Kamera, die die Funke Mediengruppe verleiht.
Lokalausgaben, dazu viele Stadtteilseiten: Die WAZ ist nah am Leser. Im redaktionellen und im Anzeigenteil ist zu lesen, was nebenan passiert. Wann kommt die Müllabfuhr, wie lange ist die Straße gesperrt und was bietet der Supermarkt an?
Wenn Ihre Zeitung so bleibt, wie sie ist, wird sie die Zeitung des kleinen Mannes sein und bleiben.“ Leserin aus dem Essener Stadtteil Bredeney Anfang der 50er-Jahre.
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Was noch passierte Jahr 1978
1981
Ich glaube, dass eine 90-Jährige auch für WanneEickel kein Ereignis ist, das mit Bild und Interview gewürdigt werden muss. Sie kommen in Verdacht, dass es sich um Ihre Tante handelt und Sie das Geschenk sparen wollten. Aber bitte nicht auf Kosten unseres Ansehens. Nichts für ungut ...“ 2. Juni 1949: Aus einem internen Schreiben des Bochumer WAZ-Bezirkschefs an den Redaktionsleiter in Wanne-Eickel.
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Herbert Wilhelm Koch, der Erfinder von Kumpel Anton. FOTO: HO
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2008
2016
Ereignis Eine Schneekatastrophe zum Jahreswechsel stellt den WAZVertrieb und die Boten vor große Herausforderungen. Das Attentat auf US-Präsident Reagan am 30. März um 19.27 Uhr MEZ zwingt die WAZ-Redaktion zu fast minütlicher Aktualisierung. Am 5. Januar legt eine nächtliche Bombendrohung für das Essener Druckhaus die WAZ nicht lahm. Eine Notausgabe erscheint. Am 12. Januar wird die Zentrale wegen eines Blindgängers in der Nachbarschaft evakuiert.
Und läuft und läuft: Sechs Mal in jeder Woche druckt die Rotation die aktuelle Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, hier im Essener Druckhaus. Redaktion und Anzeigenabteilung haben ihre Arbeit für diesen Tag beendet, schließlich übernehmen die Zeitungsboten. FOTO: LARS HEIDRICH
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
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DIE GESCHICHTEN VOR GERICHT
Das Ringen um Gerechtigkeit
Prozesse aus sieben Jahrzehnten
31. 7. 1948 Urteil im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen Alfried Krupp. Der Essener erhielt zwölf Jahre Haft. 1951 kam er frei.
Seit 28 Jahren berichtet WAZ-Redakteur Stefan Wette aus den Gerichtssälen. Angeklagte respektieren, Opfern Gehör schenken
4. 6. 1957 Das Landge-
richt Bochum verurteilt den früheren KZ-Kommandanten Paul-Werner Hoppe zu neun Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord.
4. 6. 1962 Vera Brühne wird am Münchener Landgericht wegen Doppelmordes zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Sie galt als Justizopfer. 1910 wurde sie als Tochter des Bürgermeisters von Essen-Kray-Leithe geboren. 5. 3. 1963 Sechs Vorstände von
Schalke 04 wegen Steuerhinterziehung („schwarze Kassen“) vor dem Landgericht Essen: Geld- oder Haftstrafen mit Bewährung.
Menschliche Schicksale verbergen sich in den Akten, ohne die vor Gericht kein Fall verhandelt wird. Von Stefan Wette
Bei der WAZ war ich ab 1983 als Jungredakteur in Dorsten für die Polizei zuständig, habe mir bei Gericht angeschaut, was aus den Ermittlungen geworden ist. So habe ich Spaß an der Justiz bekommen, weil dort die Beweise sachlich geprüft werden und es um menschliche Schicksale geht. Dem Leser die Prozesse erklären, spannend erzählen, das Juristendeutsch übersetzen und die Justiz kritisch begleiten – das ist all die Jahre mein Anspruch. Für die WAZ, eine der wenigen Zeitungen mit einem echten Gerichtsreporter, bin ich seit 1990 für das Land- und Amtsgericht Essen, seit mehreren Jahren auch für die
Was lässt den Menschen töten? Was ihn betrügen, überfallen, verletzen oder vergewaltigen? Ist der Mensch wirklich ein Tier, wenn er böse ist? Eine Bestie? Und damit der Verbrecher auch wirklich nichts mit uns gemein hat: ein Monster? Es ist so einfach, das Böse aus der Menschheit auszuschließen. Aber 28 Jahre bei Gericht lehren, dass diese Ausgrenzung nichts bringt. Straftäter sind natürlich auch Menschen. Sie sind nicht immer böse. Wenn sie mal nicht klauen, rauben, morden, quälen oder betrügen, sind sie der nette Nachbar, der brave Kollege oder der erfolgreiche Manager. Es stimmt, wenn Anwohner nach schlimmsten Serienmorden dem Journalisten diktieren: „Also, ich kann nichts Negatives sagen. Freundlich gegrüßt hat er immer.“
„Und, haben Sie Angst, Herr Wette?“
Verbrechen ist mein Beruf Das Verbrechen ist mein Beruf, das Ringen um Gerechtigkeit. „Wie halten Sie das bloß aus?“, höre ich oft. Aber vom Richter erwartet der Bürger ja auch Abgeklärtheit. Und einen Arzt, der angesichts eines Massenunfalls verzweifelt, den wollen wir nicht. Und so lebt auch der Gerichtsreporter mit dem Bösen.
Dortmunder Gerichte zuständig. Dazu kommen Prozesse bundesweit. Pro Arbeitstag im Schnitt drei Verhandlungen, bisher rund 20 000. Es ist der schönste Beruf vonne janzen Welt. Jeden Tag neue Menschen kennenlernen, in Bereiche blicken, die ein klassischer Beruf
FOTO: MARK HANS KEPPLER
nie ermöglicht hätte, Mächtige kontrollieren, engagiert seinen Standpunkt vertreten und den Menschen anschaulich und fair die Welt erklären – das ist Journalismus. Vor Gericht habe ich gelernt, auch die Angeklagten zu respektieren und den Opfern Gehör zu schenken. Lieschen Müller habe ich kennengelernt, als sie auf der Anklagebank saß. Üble Schläger, fiese Betrüger, perverse Sexualtäter. Der an-
Manuel Charr, Profiboxer, zum Gerichtsreporter der WAZ
Die Körperhaltung gleich, der Körperbau unterschiedlich: WAZ-Redakteur Stefan Wette (r.) neben Boxer Manuel Charr im Landgericht Essen. FOTO: VOLKER HARTMANN
geklagte Karstadt-Chef Thomas Middelhoff gab sich jovial: „Wie geht’s Ihrer Familie, Herr Wette?“ Fleisch-Fabrikant Clemens Tönnies ordnete ein: „Sind Sie eine Zecke, Herr Wette?“ „Nein, Rot-Weisser.“ Vor Gericht sind sie fast alle gleich – selbst Libanese Bilal „Pumpgun“ H. guckt nicht immer böse.
Rotlichtkönig zahlt fürs Gericht Oder Rotlichtkönig Hans-Günter B., „der Blinde“, wie er wegen seiner nächtlichen Zockerei genannt wurde. Er beschwerte sich mal bei mir, dass meine Berichte seine Geldbuße auf 100 000 DM – lange ist’s her – hochgetrieben hätten. Und der dann mit Blick auf die frisch renovierten Wände des Essener Landgerichtes versöhnlich nachschoss: „Aber ist ja für ‘nen guten Zweck.“ Boxer Manuel Charr, auf den geschossen wurde und der trotzdem ohne Schutz ins Landgericht kam. Meine Frage, ob er keine Angst habe, konterte er: „Angst – ist ein Gefühl.“ Und als ich kritisch über seine sparsame Aussage geschrieben hatte, fragte er: „Und, haben Sie Angst, Herr Wette?“ Angesichts seines Körpers und meiner Figur war die Antwort klar – aber das musste ich ihm ja nicht sagen. So sind sie. Sie alle leben in einem
anderen Milieu. Manche sind Verbrecher, aber eben nicht immer. Was in Erinnerung bleibt aus einem Journalistenleben? Da war auch Howard Carpendale, den ich 1979 nach einem Besuch der Essener Lokalredaktion zum Bahnhof fuhr. Er wuchtete seinen massigen Körper ins Auto und zerstörte die Konsole meines Polo. Ohne dass die WAZ oder Howie sie dem armen freien Mitarbeiter je ersetzt hätten.
Harald Juhnke mit Wasserflaschen Und Harald Juhnke (bitte googlen, junge Leser), der in einer seiner Trockenphasen an der Redaktionstür klingelte. Ich, 18 Jahre alt, öffnete, sah den Schauspieler mit zwei Flaschen Sprudel in der Hand. „Watt Krupp in Essen“, sagte der Alkoholiker, „bin ich im Trinken“. Was bei Gericht haften blieb? Solingen, Pfingsten 1993, später der Mordprozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Vier junge Deutsche zünden nachts ein von Türken bewohntes Haus an. Ein feiger Anschlag. Keine Chance für die Schlafenden. Fünf Menschen sterben. Nur weil sie Türken sind, Ausländer. Autor Stefan Wette (59) ist seit 1983 WAZ-Redakteur, davon seit 28 Jahren als Gerichtsreporter unterwegs.
23. 1. 1973 Die Entführer von Aldi-Gründer Theo Albrecht, der Düsseldorfer Anwalt Ollenburg und „Diamantenpaule“ Kron, werden vom Landgericht Essen zu je achteinhalb Jahren Haft verurteilt. 8. 4. 1982 Das Landgericht
Duisburg verurteilt Waschkauenwärter Joachim Kroll wegen achtfachen Mordes zu lebenslanger Haft. „Menschenfresser“ Kroll ermordete seit 1955 Kinder und Frauen.
3. April 1985 Das Landgericht
Bochum verurteilt Erhard Goldbach („Ölkönig von Wanne-Eickel“) zu zwölf Jahren. Mit seinen „Goldin“-Tankstellen hinterzog er 145 Millionen Mark Steuern.
9. 11. 1999 Für die Attacke auf
den französischen Gendarm Nivel (33) bei der Fußball-WM 1998 verurteilt das Landgericht Essen vier Hooligans. Der Gelsenkirchener Hauptangeklagte erhält wegen versuchten Mordes zehn Jahre Haft.
22. 6. 2001 Das Landgericht
Duisburg schickt den Pokemon-Mörder Oliver S. (23) wegen Mordes an Sedat (9) in die geschlossene Psychiatrie. Mit Pokemonkarten hatte der 23-Jährige den Jungen angelockt, dann zerstückelt.
14. 11. 2014 Ex-Karstadtchef
Thomas Middelhoff wird vom Landgericht Essen wegen Untreue zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht ordnet die sofortige U-Haft an.
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AUS DEM HISTORISCHEN GÄSTEBUCH
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Häufiger Gast: Johannes Rau, NRW-Ministerpräsident und späterer Bundespräsident am 25. Juni 1981 im Konferenzraum der WAZ. REPROS: LARS HEIDRICH
Ruhrbischof Dr. Franz Hengsbach am 26. August 1982.
Will Quadflieg, Schauspieler und Rezitator, war Gast am 15. Oktober 1976
Richard Freiherr von Weizsäcker am 17. März 1977, vier Jahre bevor der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bundespräsident wurde.
Bundeskanzler Willy Brandt sprach am 19. März 1976 in Essen mit WAZ-Redakteuren, hier im nun historischen Konferenzraum des alten Zeitungssitzes an der Friedrichstraße. REPRO: LARS HEIDRICH
Bundeskanzler Helmut Schmidt schaute am 22. April 1975 auch in der Produktion der WAZ vorbei.
Joschka Fischer, damals erster grüner Landesminister (für Umweltschutz in Hessen), am 3. September 1986.
Norbert Blüm, Chef der CDU-Sozialausschüsse und später Arbeitsminister, am 13. Februar 1976.
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AUS DEM HISTORISCHEN GÄSTEBUCH
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„Komm aus Deiner linken Ecke“: Der CDU-Vorsitzende und spätere Kanzler Helmut Kohl am 2. April 1975 vor dem CDU-Wahlplakat mit Chefredakteur Siegfried Maruhn.
Franz Josef Strauß in Essen am 12. März 1975. Damals war der spätere bayrische Ministerpräsident der CSU Oppositionspolitiker. Zuvor hatte er schon vier Bundesministerämter bekleidet: für besondere Aufgaben, Atomfragen, Verteidigung und Finanzen. FOTO: LARS HEIDRICH
Hans-Dietrich Genscher am 16. Februar 1983. Der FDP-Spitzenpolitiker war von 1974 bis 1992 fast ununterbrochen Bundesaußenminister.
Hanns Joachim Friedrichs (ZDF-Sportchef, später Tagesthemen-Moderator) am 16. Februar 1981.
Bundespräsident Karl Carstens am 7. Mai 1981 bei der WAZ zu Besuch, zuvor war er unter anderem Präsident des Deutschen Bundestages.
Hildegard Hamm-Brücher, die in Essen geborene große Dame der FDP, bei der WAZ am 7. Juni 1982.
Grünen-Mitgründerin Petra Kelly schrieb ins Gästebuch: „Für eine nicht-nukleare Zukunft“ (14.12.82).
VON BERUF JOURNALIST
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Die Journalistin als Tochter Über Menschen zu schreiben, das ist für mich das Faszinierendste t an meinem Beruf. Jemand komm bar, hein unsc ig völl t rein, wirk und öffnet dir dann sein Herz. Erzählt, was er Spannendes erlebt und getan hat. Ich lausche, stelle Fragen, versuche seine Zunge zu lockern. Wie einen Film sehe ich mir das fremde Leben an. Später setze ich die Puzzleteile in Text . mmen zusa neu form Einmal jedoch, da habe ich über mein eigenes Leben geschrieben. Na ja, fast: Es ging um die Einwanderungsgeschichte meines Vaters. Darum, wie er anno 1969 als aben schDeut nach Mann r tige rlus teue land kam. War das schwierig! Mit , Block und Stift den Papa befragen lich ieß schl mit ernster Miene, wollte ich ganz neutral sein. Ein unmögliches Unterfangen. Der Artikel war mehrere hundert Zeilen
zu lang, ohne einen lieben Freund hätte ich niemals einen roten Faden hineinbekommen. Und trotzdem: Das Ergebnis war wie das Sahnehäubchen auf meine bisherigen Menschen-Porträts. Vor allem wegen der Reaktionen vieler Leser. Sie waren gerührt. Und mein Vater, der war stolz. Auch Journalistin nen sind manchmal nur Töchter. Rusen Tayfur, Oberhausen Foto: Tanja Pickartz
Friedhof der Konzertflügel Mein schönstes Erlebnis als WAZ-Redakteur? Es muss der Besuch des letzten großen Karpfenzüchters gewesen sein in Dülmen, der seine Zigarre die ganzen zwei Stunden nicht einmal aus dem Mund nahm, aber doch so vieles über seine von der Banausenmehrheit verschmähten Fische erzählte, das ich noch nicht wusste. Aber nein, es war der sehr frühe Morgen in der Konditorei am Essener Stadtwald, die mich schon beim Blick durch die Schaufensterscheibe mit dem stillen Gemälde der unter dem einzigen Licht im hinteren Teil der Stube be-
dächtig Schokoladencreme anrührenden Zuckerbäckerin unter der violetten Haarhaube gefangen hatte. Aber eigentlich auch nur, weil das Gedächtnis faul ist und ihm die fernere Vergangenheit mehr abverlangt. Sonst würde an dieser Stelle ganz sicher etwas zur Tuchfühlung stehen, die anarchische Kunstausstellung, die das ländliche Langenberg im Sommer 2000 einnahm. Mit stählernen Körperumrissen an den unmöglichsten Orten und dem denkbar unmöglichsten Arrangement auf einem alten Friedhof: 113 ausrangierte Konzertflügel, frei zur weiteren Zerstörung. Als kulturferner Volontär mit einer Schwäche für rationale Zahlen war ich genau der Falsche, dies professionell zu begleiten. Nur war professionelle Begleitung auch das Letzte, was das bunte Künstlervolk wollte. Es war wunderbar. Stefan Schulte, Wirtschaft Foto: HO
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Samstag, 31. März 2018
Der Tag, an dem Möllemann starb
Es war ein Frühsommertag 2003 und wenig los im politischen Berlin. Im Hauptstadtbüro überlegten wir morgens, ob man nicht wenigstens Anzeichen für einen klitzekleine n rot-grünen Koalitionskrach entd ecken könne. Der Berliner Betr ieb hatte das Tempo gedrosselt, die Sonne schien. Ich war vormitta gs beim Blutspenden in der Charité gewesen und nun im Regierungsvierte l unterwegs, als mein Kollege anri ef: „Möllemann ist tot.“ Jeden Mome nt trete Parteichef Guido Westerwe lle im Reichstag vor die Presse, er selbst sei schon unterwegs dorthin. Da die FDP in mein Ressort fiel , schwang ich mich aufs Rad, raste zum Reichstag, erduldete die Sich erheitskontrolle, eilte auf die Frak tionsebene, wo fast die gesa mte Hauptstadtpresse vor den Büros der Liberalen stand. Dieses Warten im Pulk - das Vibrieren vor geschlos senen Türen, Gerüchte, Geraune, Angespanntheit - gehört zu den Kern kompetenzen eines Korresponden -
ten, es kann Stunden dauern oder ganze Nächte. Für mich dauerte es diesmal ganz kurz: Kaum hatte ich mich zwischen den Kollegen platziert, sank ich zu Boden. Publikumswirksamer kann man nicht ohnmächtig werden: Die jung e Kollegin nimmt der Tod von Jürg en Möllemann so mit! Tatsächlich fehl te der Kollegin ein halber Lite r Blut, Hitze und Hetze hatten ein übriges getan. Und die angeblich so rücksichtslose Berliner Meut e? Kollegen verließen ihre Pole-Pos ition, betteten mich auf eine Bank , holten Cola, kümmerten sich. Bis zu Westerwelles Statement zu Möll emanns tödlichem Fallschirmsprung war ich wieder fit. Breaking News , die mich eigentümlich berührte n. Nicht lange vorher hatte Mölleman n bei einem Termin gefragt: „Fr au Wandt, wollen wir mal einen Tand emsprung machen?“ Christina Wandt, Essen
Der eilige Heilige genheit gegeben, mit den Kollegen Der Dalai Lama hat einen harten Hän, eine Interviewlinie abzusprechen uns dedruck. Fast zackig weist er Dader und , räch Gesp das ngt so spri n vier Journalisten 2007 in Wiesbade älai Lama ist sehr höflich: Je unpr Geer sein z Trot zu. ze unsere Plät iührl ausf o ziser die Fragen, dest i schäftsmäßigkeit ruht der Dala s eine y Hand Das cher die Antworten. ich Lama in sich selbst, das spüre mal. zwei gelt Kollegen klin wohl. Nach der spirituellen Aura Ich versuche offen zu bleiben. Er keimir in e forsche ich, aber find bewill allen Menschen als Mensch die nen Widerhall, da ist vor allem Dann . Lama i Dala der sagt en, gegn mit Verwunderung und der Stolz, steht er abrupt auf. Die Dreivier zu te hich gesc Welt der r Figu dieser hied Absc Zum telstunde ist vorüber. nur reden. Vielleicht bin ich auch dem tauscht man einen Schal mit Gele e zu angespannt. Es hat kein sein er kein wohl der Gottkönig, zuwill, ein Adjutant hat uns einen en sein hat ege Koll Der . eckt gest umge Schal bereits dem Dalai Lama ich n, ange hängt und einen neuen empf fummle meinen noch aus der Plastikt hülle. Der Dalai Lama wartet. Nich t nimm Dann . nden Seku zwei länger als t führ und l Scha samt e Händ e er mein ich, sie sich zum Hals. Und tatsächl zu in dieser Eile ist wieder Ruhe spüren. Thomas Mader, Rhein-Ruhr Foto: Guido Frebel / Lichtblick
Mister X findet seine Familie „Mann ohne Gedächtnis hofft auf WAZ-Leser – Thorsten lebt als ,Mister X’ in Rotterdamer Klinik - die Überschrift meines Aufmachers auf der Seite „Aus dem Westen“ (heute Rhein-Ruhr), Mitte Dezember 1993. Tags zuvor hatte das „academisch Ziekenhuis“ in der Redaktion angerufen, sie hätten seit über einem Monat einen Patienten mit hessisch-pfälzischem Akzent, der seinen Nachnamen und seine Herkunft vergessen habe. Aber Dortmund, das habe die Hypnose ergeben, würde ihm etwas sagen. Kaum aufgelegt, brausten Fotoredakteur Hans Blossey und ich, der Volontär, gen Rotterdam, im Gepäck Bilder von Dortmund. Und in der Tat: Thorsten,
am Strand von Scheveningen gefunden, erkennt die Westfalenhalle und BVBStar Chapuisat, verliert seine Scheu und lächelt sogar beim Abschied: „Hoffentlich hilft’ s was, ich wäre Weihnachten gerne zu Hause.“ Der Leser-Aufruf hat Erfolg: An einer Berufsschule in Oberhausen nimmt sich ein Schüler in der Pause die auf dem Tisch liegende WAZ, erkennt Thorsten als Bruder eines Bekannten, der in Dortmund lebte. „Mister X“ erhält seinen Nachnamen zurück und weit weg vom Ruhrgebiet seine Familie. Michael Hermes, CvD-Redaktion Foto: he’ m
Die Königin, das ist übrigens die Linke Einmal Königin sein, das hab ich mir schon als kleines Mädchen gewünscht. Es hat (bislang) nicht geklappt. Aber wenigstens hab ich mit einer gesprochen. Und das war fast genauso schön. Beim Steiger Award 2012 in der Bochumer Jahrhunderthalle durfte ich Königin Silvia von Schweden interviewen. Nicht bei einer Pressekonferenz als eine von vielen, sondern ganz exklusiv, nur Silvia und ich. Die Nicht-Königstreuen unter Ihnen mögen jetzt denken: „Na und? Die ist doch auch nur ein Mensch - und außerdem eigentlich eine Bürgerliche.“ Aber ich kann Ihnen versichern: Es war etwas ganz Besonderes. Denn auch wenn unsere Silvia - immerhin die einzige deutsche Königin - keine Krone auf dem Kopf hat: Sie strahlt etwas außergewöhnlich Königliches aus, mit ihrer Haltung, ihrem Auftreten. Eigentlich wollte sie über ihre CharityAktivitäten reden, aber immerhin durfte
ich ihr vorab zur Geburt ihres ersten Enkels gratulieren. Und für ein paar Minuten waren wir uns so in der Freude über das Baby ganz nah. Königin Silvia wird sich daran vermutlich nicht erinnern. Ich werde es hingegen nicht so schnell vergessen. Und schließlich fiel dann sogar doch noch königlicher Glanz für mich ab, ein bisschen nur, festgehalten in zwei kleinen Buchstaben. Die Kollegen schrieben in die Bildzeile: WAZ-Redakteurin Britta Bingmann mit Königin Silvia (li.)...
Alles Geschichten Redakteure erinnern sich an ihre unvergesslichen Einsätze
Britta Bingmann,Witten Foto:Jakob Studnar
Redakteure erinnern sich an ihre tollsten Einsätze
VON BERUF JOURNALIST
SEITE 70
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Samstag, 31. März 2018
Die Freude der traurigen Kinder erdet
Das Licht der Industriekultur Die illuminierte Jahrhunderthalle aus dem Jahre 2012 ist mein Lieblingsbild. Das Foto ist zur Extraschicht weit nach Mitternacht in den frühen Morgenstunden entstanden. Man sieht noch den Mond über der Halle. Diese Veranstaltung hat mich über das berufliche Erfordernis hinaus gefesselt. Es war eine warme Sommernacht und
Der Kriegs-Gin aus Uganda
ich hatte die Halle so noch nie gesehen. Ich habe das mit meiner Frau und Freunden ausgekostet. Mit diesem Foto verbinde ich immer noch angenehme Emotionen. Die Industriekultur übt nach wie vor einen starken Reiz auf mich aus.
Diese kleine, magere, unendlic h schmutzige Hand in meiner: Nesa net ist erst elf, sie wohnt alle in im Dreck der äthiopischen Stadt Dire Dawa, ein Straßenkind. Körper und Seele sind voller Narben, aber ihre dunk len Augen voller Vertrauen. Oder Fadi , der syrische Flüchtlingsjunge im Liba non: wie glücklich er ist über diesen rost igen Nagel in der Wand, an dem sein blauer Schulkittel hängt. Fadi ist elf, er hat sich das Entsetzen über den Krieg von der Seele gemalt, und jetzt lernt er schreiben. Oder Marleni, das leise Mädchen in Guatemala, das nie spra ch und mir, der Fremden, nun von sein em Leben erzählt. Von 13 Jahren voll er Gewalt und Missbrauch, die sie hatt en verstummen lassen. Ich darf sie kennenlernen, Nesanet, Fadi, Marleni und so viele andere, und ihre Geschichten weitererzählen. Obwohl sie nicht verstehen, dass es in Deutschland Leser einer Zeitung gibt, die ihnen helfen, weil ihr Schi cksal
sie berührt hat. Indem sie Geld geben für die alljährliche Weihnachts-S pendenaktion von WAZ und Kindernothil fe. Die Freude dieser traurigen Kind er erdet. Und Ihre Spenden, das habe ich vor Ort gesehen, machen die Welt ein kleines bisschen besser. Annika Fischer, Reporterin Foto: Jakob Studnar
Ingo Otto, Fotograf
Der nette Herr Nolte
2004 Kein Erlebnis, nur eine Warnung. und das, Ugan en war Bürgerkrieg in Teil e, ucht vers veni dass Präsident Muse x-te e sein ng assu Verf entgegen der die Amtszeit einzufädeln, ich glaube, ffBewa h. reic hilf g weni war fünfte, im llen nete auf den Straßen, Rebe Mäde ührt Busch, Kindersoldaten, entf matichen, Flüchtlingslager, trau die ren, sper ßen Stra sierte Menschen, n iere pass en rett Ziga n man nur gege AbBeim . ramm Prog e voll das konnte: den flug aus Entebbe gab es dort Erauf man schlimmsten Alkohol, den bange gi, Wara den kaufen kann: Uganda gi Wara Wort das lich eine Art Gin, denn – Gin“ r „Wa es ornt ist ein verballh um nur, ihn k tran Ich “. „Kriegs-Gin unken sagen zu können, dass ich ihn getr dem aus hatte. Zuhause fiel er bald sen. Flie Schrank und zerronn auf den ist Präsident Yoweri Museveni (73) e woll er t, heiß Es noch immer im Amt. und n enze begr doch nun seine Amtszeit soll schon im Jahr 2035 aufhören. Da fen. grei gi Wara zum t man nich
an Nick Noltes heiseres Brummen klingt eeBark alle en diesem Morgen,als hätt zuvor per des Stadtteils am Abend te kann ch en.I müss en Überstunden mach acht vor ihn ich als e, Film alle seine Hotel Jahren in einem Düsseldorfer dass ich, traf. Vor allem aber wusste hFlac dem sein Frühstück früher aus Poli auf sich e mann kam, seine Haar vom eck Schr vor mal zeifotos schon it Kopf abwandten, seine Übellaunigke llt gefü kel arti ungs Zeit d in Hollywoo shatte. Und dass er Hundefutter gege sch enti sen hatte, um einen Penner auth pannt spielen zu können. Ganz ents w. rvie Inte ein gehst du nicht in so ndfreu der h zlic plöt t Und dann sitz vor Sofa dem auf nkel heno lichste Märc elDüss .Ein hast bt erle je du dir, den ig lmäß dorfer Arzt behandelt rege bar, dank ist seine kaputten Knie, er einer erzählt er und wünscht mir nach eine aufm ja e soll knappen Stunde, ich aber n, geta ich Hab’ en. Knochen acht eine n scho s kt’ zwic lter in der Schu en. frag Arzt es Nolt l ’ma Werd Weile.
Hubert Wolf, Reporter
Frank Preuß, Rhein-Ruhr
Wie die Großen . . . Nach der WM ist vor der WM. Also machten wir eine Geschichte über den Boom beim Nachwuchs in Sachen Fußball und besuchten unter anderem den SV Herbede in Witten. Lange saß ich am Spielfeldrand und beobachtete die Kinder beim Fußballspiel. Wie sie rannten und tricksten und ja, schon in die Zweikämpfe gingen. Wie die Großen eben. Kurz vor Ende des Spiels gab es auch einen Freistoß.
Und die Mauer aus Kindern tat es wieder den Großen gleich – in Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Verhalten . Sicher hatten sie viele Länderspiele im Fernsehen verfolgt.Die Kraft der Bilder. Das Foto hatte ich nun und die anderen Bilder waren plötzlich nur noch zweite Wahl. Besser man bleibt bis zum Schluss. Ralf Rottmann, Fotograf
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VON BERUF JOURNALIST
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Samstag, 31. März 2018
Wir tischlern einen Sarg für die Nachbarin
Die Sprengmeisterin und was ihr Angst macht Ein Tiger! Ein leibhaftiger, riesiger, sibirischer Tiger stürmte an jenem Novembermorgen 1991 auf einem menschenleeren Feld in Witten in gewaltigen Sätzen auf mich zu. Das Interview mit Nicolaj Pawlenko hatte ich gerade beendet, dem „Karajan im Raubtierkäfig“ des Moskauer Staatszirkus’, der damals in der Stadt gastierte. Doch der Tiger fraß die schockstarre Reporterin nicht, er legte sich nur auf ihre Füße; sein Dompteur erinnert sich sicher noch heute gern an den kleinen Spaß... Eines MEINER denkwürdigsten Erlebnisse fand in einem anderen Winter, auf einem anderen Feld statt, 22 Jahre später. An einem Dezembermorgen 2013 in Dortmund,den ich mit Tanya Beimel (Bild)verbrachte. Mit ihr und einer Fünf-Zentner-Weltkriegs-Bombe.
NRWs erste Sprengmeisterin entschärfte den Blindgänger, ich schaute zu. Und war fasziniert von der Ruhe, die die 44-Jährige ausstrahlte; von der Begeisterung, die sie für ihren lebensgefährlichen Job aufbrachte; dem unbändigen Willen, mit dem sie ihn sich erkämpft hatte. „Keine Standardsituation heute“, befand die Warendorferin fröhlich, als sie entdeckte, dass die Bombe echt vertrackt war. Die Frau muss Nerven wie Drahtseile haben, dachte ich. Bis Tanya Beimel gestand, dass sie gar nicht so furchtlos sei. Was ihr wahre Angst einflöße, seien (nein, nicht Tiger): Silversterböller! Ute Schwarzwald, Rhein-Ruhr Foto: Jakob Studnar
Das größte Geschenk in diesem Beruf ist für mich nicht die Begegnung mit großen Operndiven und berühmten Regisseuren. Es ist die Nähe zu Menschen, wie sie in ihrer Direktheit und zupackenden Hilfsbereitschaft vielleicht nur das Ruhrgebiet hervorbringt. Vor über 20 Jahren durfte ich zwei Studentinnen begegnen, die etwas Unglaubliches getan hatten. Sie waren mit ihrer WG zu Nachbarinnen einer alten, ziemlich kranken, ziemlich armen Frau geworden. Sie plauderten mit ihr, halfen ab und zu beim Einkauf. Eines aber hatte die Greisin ihnen immer wieder gesagt: „Wenn es mal aus ist, will ich keine Feuerbestattung!“ Als es aus war, pochte das Amt auf: Feuerbestattung bei Mittellosen. „Und wenn wir selbst einen Sarg tischlern?“ Tatsächlich hatte eine der beiden vor dem Architekturstudium ein Handwerk gelernt und Werkzeug hatte sie auch. Ich weiß nicht mehr, wie die beiden jungen Frauen das hingekriegt haben - den Blick des Sachbearbeiters hätte ich zu gern gesehen aber es ging. So entstand in einem studentischen Essener Wohnzimmer ein letzter Gruß für eine Frau, die man doch nur vom Plausch auf dem Flur gekannt hatte. Bis heute rührt mich dieser Akt der Menschlichkeit. Auf der Trauerfeier waren die beiden die einzigen Gäste. Als ich das damals aufschrieb, kämpfte ich tatsächlich mit den Tränen. Lars von der Gönna, Kultur
Machtwechsel, Momente des Umbruchs efen Näher an Höhen, Tiefen und Unti dran kaum kommunaler Politik kann man Chef sein, bei fast 25 Jahren als WAZDuis und n rche in Mülheim, Gelsenki adram mit s alle nn bega r burg. Und imme tischen Machtwechseln. bt So in Mülheim 1994. Die SPD erle ihr haft nach 40 Jahren Alleinherrsc wird Desaster, die erste Revierstadt e „Di h: slic rges schwarz-grün. Unve der et last , n“ Name n Niederlage hat eine er schwergewichtige SPD-Strippenzieh der “ dame ande „gr der ach Bodo Homb ko SPD, Eleonore Güllenstern, das Fias für Nur al: an. Mülheim kann nicht norm (SPD) eine Nacht ist Thomas Schröer t der komm ens Morg 1999 gewählter OB. CDU. ählt Verz n: ktio Anruf in der Reda t heiß nz Baga Jens iger Seiteneinste er Fing die 2002 t läss Der er. der Sieg ur wieder über die Redaktionstastat t, trit Fehl fliegen: Erst amouröser dann Rücktritt. t, Gelsenkirchen 2004, neue Stad SPD: hsel twec Mach er überraschend em Mann Frank Baranowski luchst sein OBDuz-Freund Oliver Wittke (CDU) das DuisAmt ab. Rathaus-Erdbeben auch in e geHaus nach burg 2012: „Du kannst teren Bürg im dem hen“, schallt es f Adol OB CDUten scheid abgewähl n Söre , neue Der . egen entg Sauerland m eine nach 2017 sich t läss ), Link (SPD erwied vorgezogenen Wahltermin-Coup ste wählen. Amtszeit bis 2025. Näch Wahl dann ohne mich. Oliver Schmeer, Lokalchef Duisburg
Tiefe Wasser, ganz still Journalisten sind im Grunde Stellvertreter, sind Abgesandte der Leser, sind selbst wenig mehr als Auge und Ohr, Block und Aufnahmegerät. Mag uns der Beruf auch zu Begegnungen treiben mit John Irving oder Margaret Atwood oder Martin Walser, so bedürfen solcherlei Höhenflüge doch stets dringender Erdung durch die Banalitäten des Redakteursalltags. Niemals mache dich größer, wichtiger, als du bist! Der tiefste Punkt, an dem ich mich im journalistischen Auftrag je befand? Er lag 300 Meter unter dem Meeresspiegel. Die Reise dorthin war wild und beschwerlich (jedenfalls, wenn man unter Flug-, Höhen-, und Platzangst leidet): Mit dem Hubschrauber landete unsere Gruppe auf der größten Bohr-
insel der Welt: „Troll A“ rund 100 Kilometer vor der norwegischen Küste. Es wehte, stürmte, tief unter dem Lochgitter tobte die See. Hatte ich die Fahrstuhlphobie erwähnt? Und so blieb der Magen oben, während der Rest maschinengeschwind in die Tiefe sackte. Am Grund des Meeres dann: riesige Röhren im gigantischen Betonrund und zu unseren Füßen - ja, Sand. Vollkommen banaler Boden. In der Mitte eine Pfütze. Da stand ich nun auf dem Meeresboden - auf dem Meeresboden! - und schaute eine Pfütze an. Und die Pfütze schaute zurück. Und sie sprach, leise und bescheiden: Niemals mache dich größer, wichtiger, als du bist! Britta Heidemann, Kultur Fotos: Getty, HO
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018
Samstag, 31. März 2018
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DIE EXTRAS Antonia und die sippzig Jahre
Wer ist Dr. Antonia Cervinski-Querenburg?
Mit seiner Kult-Kolumne gratuliert Rainer Bonhorst zum Geburtstag der WAZ, für die er 30 Jahre lang tätig war, unter anderem als Auslandskorrespondent und stellvertretender Chefredakteur Reporter: Frau Dr. Antonia Cervinski-Querenburg, finden Sie nicht auch, dass siebzig Jahre eine lange Zeit sind? Antonia: Wat wollen Se mich denn dammit sagen?
Schwattet anne Backe, wenn er bei Taumvatters Jupp en Bierken süppelt.
Reporter: Nun ja . . . Antonia: Aufe andere Seite: Son Prosecko is ja auch wat feinet. Is fast wie Bier, nut dat et nich so schmeckt.
Reporter: Ich meine nur . . . Antonia: Meinen Se etwa, dat ich sippzig wär?
Reporter: Mir schon. Antonia: Is auch okeh. Wär ja blöd, wenne den Fortschritt aufhalten wollz. Allein schon wegen den Zahnaazt.
Reporter: Aber Frau Doktor, ich bitte Sie. Niemals würde ich Sie für siebzig halten. Sie sind doch höchstens . . . Antonia: Ja, wat denn nu, Herr Reporter. Wat meinen Se denn, dat ich höchstens wär?
Reporter: Au Backe. Antonia: Sippzich Jahre willze ja nich aufe Stelle treten. Hauptsache eins bleibt wie et is.
Reporter: Also, in meinen Augen sind Sie nicht älter als . . . Antonia: Ach lassen Se ma, Herr Reporter. Egal wat Se sagen, is sowieso falsch. Weil wenn Se wat zu Altet übber mich sagen, dann denk ich mich: Wat is dat denn fürn Stoffel. Und wenn Se wat zu Junget sagen, dann sach ich für mich: Will der mich anne Wäsche oder wat is los? Also, sagen Se lieber gar nix.
Reporter: Ja, was denn? Antonia: Ja, wat wohl, Herr Reporter. Unser Ruhrdeutsch. Wennze weiter so reds wie wir dat tun, dann kannze nich meckern. Reporter: Frau Dr. Antonia, da muss ich Sie recht geben.
Der Autor
K Rainer Bonhorst
Reporter: Danke, Frau Doktor. Antonia: Gärne geschehn. Aber wat wollten Se eintlich mit Ihre sippzig Jahre?
Dr. Antonia Czervinski im Interview, gezeichnet vom langjährigen WAZ-Karikaturisten Klaus Pielert. Aus den WAZ-Glossen entstanden drei Standard-Werke in Buchform: „Daaf ich ma am Rotkohl?“, „Daaf ich Sie die Foote küssen?“, „Daaf ich Sie noch ma wat lernen?“. Ebenfalls erschien im Bottroper Verlag Henselowsky und Boschmann „Dat Ruhrgebiet seine Geschichte“.
Reporter: Etwas ganz anderes. Ich wollte Sie daran erinnern, dass das Ruhrgebiet 70 Jahre alt geworden ist. Antonia: Dat Ruhrgebiet? Ärs sippzig? Wolln Se mich om Aam nehm?
Reporter: Genau. Das hat damals die Ruhr-Uni herausgefunden. Antonia: Jau, die in Querenburg waan schon immer sonne Schlaubergers.
Reporter: Wie bitte? Antonia: Na, wegen die ganze Zechen und die Hochöfens und die ihrn Dreck. Konnze doch die Hand nich vorn Auge sehn.
Reporter: Stimmt, Frau Dr. Cervinski-Querenburg. Und diese Schlauberger haben herausgefunden, dass das Ruhrgebiet genau dem Verbreitungsgebiet der WAZ entspricht. Antonia: Dat ham die aber prima rausgefunden. Dabei waa dat gaa nich so eimfach.
Reporter: Sie sprechen vom alten Kohlenpott . . . Antonia: Toll gemärkt, Herr Reporter. Von dat alte Ruhrgebiet. Dat mitti echte Maloche. Und dann hat den Willy Brandt dat Ruhrgebiet ein blauen Himmel versprochen und dann is der gekomm.
Reporter: Warum denn nicht? Antonia: Wegen den ganzen Russ aufe Äppel im Gaaten und auf dat Neilonhemt.
Reporter: Der Willy Brandt? Antonia: Quatsch. Dem sein blauen Himmel is gekomm. Und dann konnze auf eima allet sehn. Wat da
Reporter: Also gut: Eigentlich meine ich nicht das Ruhrgebiet als solches. Sondern die Einrichtung, die das Ruhrgebiet am besten beschreibt. Antonia: Wat soll dat den für ne Einrichtung sein. So ne Aat Möbelhaus? Reporter: Natürlich nicht. Ich meine die WAZ. Die ist siebzig. Antonia: Ährlich? Und die WAZ soll so ne Aat Ässänz von dat Ruhrgebiet sein?
überall so los waa und wie dat aussah.
Reporter: Kein schöner Anblick. Antonia: Ging so. Hat auch sein Reiz gehapt. Nur dat der nich so sauber waa. Aber dann fing se so rum am strukterieren. Da wat weck, und da wat hin. Un getz is allet grün wo et früher schwatt waa. Sind se sogaa Preise für am verleihen. Dafür dat dat Ruhrgebiet gaa nich mehr wie son Ruhrgebiet aussieht. Reporter: Das ist doch eine schöne Geschichte. Antonia: Is et, is et. Nur wat so en richtigen Berchmann is, der hätt auch gärne noch’n bissken wat
(75) war 30 Jahre als Redakteur für die WAZ tätig. Nach den Stationen Lokalredaktion Essen und Politik-Redaktion berichtete er von 1975 bis ‘84 als WAZ-Korrespondent in London aus Großbritannien und Irland. Anschließend ging er bis Ende 1988 als Korrespondent nach Washington.
K Nach 14 Auslandsjahren kehr-
te Rainer Bonhorst als stellvertretender Chefredakteur in die WAZZentralredaktion zurück. Damals entstand die Kolumne mit Dr. Antonia Cervinski-Querenburg, als Nachfolgerin der klassischen Kumpel-Anton-Kolumne von Wilhelm Herbert Koch.
K 1994 wurde Rainer Bonhorst Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen (bis 2009).
K Antonia Cervinski ist die einzi-
ge Tochter des fiktiven Bergmanns Cervinski. Ihren Vornamen verdankt sie ihrem Taufpaten, einem Kollegen ihres Vaters, der als „Kumpel Anton“ in die Geschichte des Ruhrgebiets eingegangen ist.
K Kumpel Anton und sein The-
kenfreund Cervinski trafen sich einmal in der Woche bei „Taumvatters Jupp“, einer von Bergleuten frequentierten Gaststätte in Bochum. Augen- und Ohrenzeuge ihrer alltagsphilosophischen Thekengespräche war Wilhelm Herbert Koch (siehe Foto auf der Chronik-Seite 63), der damalige Leiter der WAZ-Sportredaktion. Koch hat die Betrachtungen der beiden Kumpel über Jahre hinweg jeden Samstag in der WAZ veröffentlicht. Sie wurden ein Markenzeichen der Zeitung.
K Nach Kochs Tod und infolge
des Zechensterbens wurde es still Cervinski und seinen Kumpel Anton. Von der Öffentlichkeit unbemerkt hat derweil, durchaus im Sinne der Neuorientierung des einstigen Kohlereviers, Cervinskis Tochter Antonia an der Ruhr-Universität studiert und promoviert. Seither ist sie als Sprachsoziologin tätig. Schwerpunkt: das RuhrIdiom und seine Pflege. Ihren Bindestrich-Namen Querenburg verdankt Antonia ihrem Ehemann, der mehr oder weniger zufällig den gleichen Namen trägt wie der Standort der Ruhr-Universität.
K Herr Querenburg tritt in der
Öffentlichkeit nicht auf. Anders Antonia Cervinski-Querenburg. Ihre in Interview-Form verfassten Betrachtungen zu Sprache und zur Alltagskultur des Ruhrgebiets sind – mit journalistischer Unterstützung des Redakteurs Rainer Bonhorst – regelmäßig in der WAZ erschienen.
K Drei Bücher
von und mit Antonia hat der Bottroper Verlag Henselowsky und Boschmann herausgebracht. Auch die Betrachtungen von Kumpel Anton und Cervinski gibt es, zuletzt erschienen bei Droste.
MIT SPITZER FEDER
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Mal ganz im Ernst: Die Karikatur
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Samstag, 31. März 2018
Die Freiheit ins Herz getroffen: So kommentierte Heiko Sakurai die Anschläge vom 11. September 2001. ZEICHNUNG: HEIKO SAKURAI
Heiko Sakurai über Blasentexte, instabile Nachrichtenlagen und die Augen der Kanzlerin Von Heiko Sakurai
„Schreiben Sie nichts in Ihre Karikaturen, ich zeichne ja auch nichts in meine Leitartikel“, lautete der Tipp meines Chefredakteurs Uwe Knüpfer, als ich im Herbst 2000 zum ersten Mal eine Karikatur mit Blasentext vorlegte. Das zeigte zweierlei: In der WAZ herrschte ein stilistisch eher konservatives Karikaturen-Konzept vor – und der Karikatur wurde eine Bedeutung zugemessen. Dementsprechend ihre Platzierung im Blatt: prominent auf Seite zwei, zusammen mit den Kommentaren – so ist es bis heute geblieben. Jahrzehntelang prägte Klaus Pielert die WAZ, einer der bekanntesten Zeichner der Bundesrepublik. Ich selbst bin als Recklinghäuser mit seinen Karikaturen groß geworden, schaute sie mir täglich an. Und so war es für mich, mit knapp 30 Jahren frisch im Zeichner-Geschäft, eine große Auszeichnung, als man mir im Herbst 2000 anbot, Pielerts Nachfolge anzutreten. Zusammen mit dem Erfurter Karikaturisten Nel, der seither ebenfalls regelmäßig in der WAZ erscheint. Dritter im Bunde war damals Waldemar Mandzel, inzwischen abgelöst von Berndt A. Skott.
Von der „Wahllokomotive“ zum „Blasentext“ Klaus Pielert, Jahrgang 1922 und 2015 verstorben, kam in seinen Zeichnungen tatsächlich meist ohne Text aus – in den deutschen Karikaturen der 50er-, 60er-, 70er-Jahre hatten sie ohnehin Seltenheit. Dominierend waren vor allem symbolische Bilder, beispielsweise Ludwig Erhard als Wahllokomotive.
Erst in den 80er- und 90er-Jahren zogen mit einer jüngeren Zeichnergeneration mit Klaus Stuttmann, Thomas Plaßmann oder Greser&Lenz auch Blasentexte in die Karikaturen ein und sind inzwischen ein allgemein akzeptiertes Stilmittel. Hier spielen die Einflüsse des Comics, aber auch der großartigen Karikaturisten des französischund englischsprachigen Raumes eine große Rolle. Für mich begann bei der WAZ ein Lernprozess, der nicht ganz einfach war, von dem ich aber als Berufsneuling profitierte. Mit dem für das Blattmachen verantwortlichen Redakteur sprach ich das Thema ab, zeichnete dann Skizzen und faxte sie (ja, so lang ist das her!) in die Redaktion. Dann telefonierten wir wieder, meist war der Redakteur zufrieden; war er es nicht, so zeichnete und faxte ich weiter, bis er es abnickte. Ich erinnere mich, wie ich das Gesicht des damaligen Stasiakten-Beauftragten Joachim Gauck sechs- oder siebenmal zeichnen musste: „Herr Kollege, es tut mir leid, so sieht er nicht aus, ich habe ihn überall herumgezeigt,
Ludwig Erhard als Wahllokomotive von Klaus Pielert. STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE
keiner erkennt ihn!“ Mein Arbeitsalltag hat sich seit damals in den wichtigen Punkten kaum geändert: Morgens lese ich mehrere Zeitungen, vor allem Kommentare und Hintergrundberichte. Danach informiere ich mich im Internet, höre Radio und schaue Phoenix, falls es Bundestagsdebatten, Pressekonferenzen oder Politikerauftritte gibt. Auf diese Weise verschaffe ich mir einen Überblick und konzentriere mich dann auf die zwei bis drei Themen, die mir am wichtigsten erscheinen – und die es bis zum Erscheinen der Zeitung am nächsten Morgen hoffentlich auch bleiben. Gegen 11 Uhr beginne ich mit der entscheidenden Arbeit des Tages: meine Meinung zu den Nachrichten in ein passendes Bild zu verwandeln, das möglichst eine Pointe enthält. Denn nichts anderes ist eine Karikatur – eine unbedingt subjektive Stellungnahme zum aktuellen Geschehen. Diese inhaltliche Seite ist für mich wesentlich mühevoller als der zeichnerische Aspekt: Kanzlerin Merkel (bei der ich stets mit der Nase und ihren ein bisschen träumend wirkenden halb geschlossenen Augen beginne) beherrscht man irgendwann (zu zeichnen, natürlich). Aber an jedem Tag eine originelle, sinnvolle und sogar lustige Idee zu finden, ist schon eine Herausforderung – die mal besser, mal schlechter gelingt. Habe ich eine Idee, so skizziere ich sie mit Bleistift auf Papier. Bis spätestens 14 Uhr schicke ich drei oder vier Skizzen per Mail an die Redaktion und erhalte dann Meldung,
„Herr Kollege, tut mir leid, so sieht er nicht aus, ich habe ihn überall herumgezeigt, keiner erkennt ihn!“
Die Redaktion akzeptiert nicht jede Karikatur
welcher Entwurf gewünscht ist. Parallel halte ich die aktuelle Nachrichtenentwicklung im Blick, denn die Rücktritte wichtiger Minister sind leider auch dann karikaturenrelevant, wenn sie nach 15 Uhr passieren. Ins Reine zeichne ich auf dem Computertablet, dort koloriere ich auch. Gegen 16 Uhr schicke ich das Bild an die Redaktion. Fertig. Dass die Gegenwart besonders durcheinander und instabil erscheint (Stichworte „Trump“ oder „GroKo-Bildung“), findet ihren Niederschlag auch in den Karikaturen. Unruhige Zeiten gab es freilich auch schon früher, denken wir nur an den CDU-Spendenskandal 1999/2000 oder die monatelangen Turbulenzen, nachdem Kanzler Schröder 2005 vorgezogene Neuwahlen aus-
gerufen hatte. Manche Tage und Ereignisse haften besonders im Gedächtnis, meist leider die traurigen und dramatischen. Für mich persönlich ist es der 11. September 2001, der den tiefsten Einschnitt bedeutete: Am Tag selbst, einem Dienstag, musste ich nicht zeichnen (es erschien eine vor dem Anschlag abgesprochene Karikatur des Kollegen Nel zur Haushaltsdebatte im Bundestag), wohl aber am Folgetag, als Ausmaß und Hintergründe immer klarer wurden.
Die Karikatur ist auch den tragischsten Themen angemessen Dass die WAZ-Redaktion selbstverständlich auch dieses so schwere Thema durch eine Karikatur kommentieren ließ, zeigt, wie ernst die Karikatur als eigenständiges Medium genommen wurde. Allerdings verpflichtete die Redaktion mich, eine angemessene Bildsprache zu finden, die fern sein musste von Pointe oder Witz. Ich zeichnete eine am Herzen getroffene Freiheitsstatue, realistisch, ohne comic-hafte Übertreibung. Im elften September bündelte sich erstmals in extremer Form, was uns Karikaturisten seit-
her vor die größten Schwierigkeiten stellt: Wie geht man angemessen mit Themen wie Terror oder Extremismus um, die im schlimmsten Fall die Zeichner selbst (wie die französischen Kollegen von Charlie Hebdo) treffen können? Diese dunklen Aspekte sollen aber nicht überlagern, was Karikaturen im Idealfall leisten können: Trockenen Nachrichtenstoff unterhaltsam aufbereiten, Missstände und Politikerversagen humorvoll und möglichst nicht moralinsauer beleuchten und Brioni tragende Kanzler oder Kanzlerinnen mit in Rautenform ruhenden Händen von ihren Sockeln holen. Dass Übergangszeiten wie jetzt, in denen man sich auch rein zeichnerisch an neues Spitzenpersonal gewöhnen muss, eine besondere Herausforderung darstellen und dass der Abschied von Birne oder Mutti beruflich schwer fallen kann: Das ist ein Thema für sich und sollte beim nächsten Zeitungsjubiläum der WAZ eingehender erörtert werden. Heiko Sakurai (46) ist vielfach ausgezeichneter Karikaturist. Seine Werke sind auch als Bücher erschienen.
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Die erste Karikatur in der ersten WAZ: „Marshall-Guß macht Kuchen schmackhafter“ stand 1948 oben der zweiten Seite – am gleichen Platz wie heute. Neben dem Ruhrgebiet (hübsch mit Zechenturm) kommen auch Griechenland und Italien in den Genuss der süßen Dollars. In der Rolle des Kochs ist tatsächlich der damalige US-Außenminister George C. Marshall porträtiert, auf den der Marschall-Plan zurückgeht, ein Milliarden schweres Wirtschaftsaufbau-programm der USA für Westeuropa.
„Konrad, der ,Bonn Juan’“, schrieb Klaus Pielert 1961 unter seine Karikatur zu Bundeskanzler Adenauer RECHTE: HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, BONN
Endlich mal wieder was los auf Schalke – Frank Cerny zum Besuch von Papst Johannes Paul II. im Mai 1987.
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Ein starkes Stück Ruhrgebiet titelte Klaus Pielert seine Karrikatur zur Menschenkette der Solidarität, als am 14. Februar 1997 220 000 Menschen Flagge für die Kohle zeigten. Unten rechts mit Stock hat er sich selbst gezeichnet. REPRO: MORRIS WILLNER
„Flickwerker“ – Waldemar Mandzels Karikatur von 1995 zeigt Arbeitsminister Norbert Blüm („Die Rente ist sicher) und Bundeskanzler Helmut Kohl.
„Wer traut sich?“ – Nels „Spahnplatte“ stammt von Ende 2017. Hinter dem Pseudonym Nel steckt der aus Rumänien stammende Karikaturist Ioan Cozacu.
WIR MACHEN EIN JUBILÄUMS-TITELBILD
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Eine Torte und ihre Geschichte Wie ein Titelbild entsteht? Mit Liebe zum Detail, aber auch viel Improvisationstalent. Denn um ein Haar hätte die Grippe die Geburtstagsfeier für die WAZ lahmgelegt
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Von Daniel Kamphaus Mülheim/Essen. 3, 2, 1 . . . und Konfetti schmeißen! Fotograf Fabian Strauch drückt aufs Knöpfchen. Die Blitze lösen automatisch aus, uns Konfetti-Werfer muss er analog steuern. Genau wie die sechs Kinder, die für die Sonderausgabe zum 70. Geburtstag der WAZ Modell standen. Lachen, Arme in die Luft, Kerzen auspusten und immer – wirklich immer – in die Kamera gucken! Ein Sack Flöhe – aber ein süßer Sack Flöhe. Und ein kurzentschlossener noch dazu . . . Rückblende – zwei Tage zuvor: Der Guss der WAZ-Geburtstagstorte ist schon fast ausgehärtet, und dann – Grippe. Der Kollege schlägt Alarm: Seine Tochter, die eigentlich zusammen mit Freunden den 70. der WAZ feiern wollte, liegt krank im Bett. An das Fotoshooting am Sonntag ist nicht zu denken. Was tun? Die Torte abbestellen und einen neuen Termin finden? Alles ist vorbereitet, also lieber schnell nach Alternativen suchen! Gesagt, getan. Wie das so ist: Einer kennt einen, der einen kennt, der einen kennt.
1. Ein großer (Kinder-)Geburtstag: Kinder, Eltern und WAZ-Redakteure am Ende des Shootings im Jugendraum des HTC Uhlenhorst mit dem Selbstauslöser festgehalten. 2. Torte für alle. Was nicht direkt gegessen wird, wird in Frischhaltefolie eingepackt und für den Sonntagnachmittags-Kaffee mitgenommen. 3. Spaß hat es gemacht: Fotograf Fabian Strauch(l.) und Art Director Oliver Schäfer schauen sich ein paar Aufnahmen während des Shootings an.
Beziehungsweise sechs: Pauli, Ida, Frieda, Moritz, Fritz und Niko vom HTC Uhlenhorst in Mülheim waren schnell überzeugt: Fotos machen und danach Kuchen essen? Klar sind wir dabei! 3, 2, 1 . . . und Konfetti schmeißen. Fritz näher ran. Pauli Arme hoch. Und alle Richtung Kamera – ist ja klar, immer. Klick, Klick, Klick: Nach zwei Stunden sind alle zufrieden. Und die Kinder erst. Endlich wird die Torte angeschnitten – Schoko-Füllung. Nicht verkehrt, so ein 70. Geburtstag.
4. Konfetti lag, hing und klebte am Ende überall. Redakteur Daniel Kamphaus saugt seinem Kollegen Oliver Schäfer die Reste aus dem Haar. Die Frisur saß danach besser als vorher. 5. Die Stars des Tages: Ida, Frieda, Pauli, Moritz, Fritz und Niko (v.l.) lassen sich die Torte schmecken. Der Hockey-Nachwuchs sprang kurzfristig ein und rettete so das Fotoshooting. 6. Moritz und Fritz sind heiß auf das erste Stück Torte.
1 FOTOS: FELIX HEYDER (4), FABIAN STRAUCH (2)
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sort „plaisir musical“ aus Duisburg spielt Werke von bekannten und weniger bekannten Komponisten der Renaissancezeit. Zu den bekannteren gehören Lechner, Dowland, Gibbons und Jenkins und auch ein Zyklus von Holborne. Es sind meist Tänze und Phantasien. Dazu gibt es heitere und nachdenkliche Texte aus dem 16. Jahrhundert von Liebe, Weisheit und Narreteien. Der Eintritt ist frei.
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Adventsbasar bei der Awo Kapellen Von Thomas Mader
Moers. Im Awo-Ortsverein Kapellen stehen im November unter ande„Wer kennt nicht, berühmte rem diesesie Termi ne auf die dem Pro: Freitavon g, 13. Novem Monagramm Lisa Vincent ber, 15 van Uhr, Tanztee mit dem „Duo MeloGogh?“ die“; Samstag, 21. November, 10 bis 17 können Heute wirar, Mittag drüber laUhr, Adventsbas essen, weihnachtliche Stände, chen.Tomb Wusste die junge Kollegin, ola; Sonntag, 22. November, die in10Mülheim über Ausstelbis 17 Uhr, Adven tsbasdie ar, MittagesFälschungen sen, weihnachtliche lung mit schrieb, Stände, etwa Tombola. Kontakt: Ehrenmalstraße nicht,2,dass die Mona Lisa von RemTelefon: 02841/ 6 19 23 oderist*? brandt nicht. 0171Offensichtlich / 63 13 458.
n Marktzins liegen.“
Zeitpunkt wichtig Darüber hinaus stehen in begrenztem Maße Landesmittel zur Verfü gung. Hier kommt es allerdings in einigen Fällen auf den Zeitpunkt des Antrags an, wie Zibell weiß: „Es gibt Landesmittel, das sind zinsbegünstigte Darlehen von bis zu 73 000
Notenbank gegen Erhöhungen entschieden. Wie lange das historische Tief anhalten wird, kann selbst Bernd Zibell nicht sagen: „Bei ganz realis tischer Betrachtung wird man sa-
gt. Es wird auf absehbare Zeit etwas passieren müssen. Entscheidend bleibt: Was tun die USA?“ WAZ-Schwerpunkt Energie: Teil 3 erscheint am 20. Oktober, Thema: Energetische Sanierung beim Altbau.
FEHLER PASSIEREN
Unsere Blackouts
Das eigene Haus muss gut geplant sein, besonders, wenn es um Energie geht. FOTO: MARTIN BÜDENBENDER
Fehler, die nur im Nachhinein zum Schmunzeln anregen. Sorry dafür
e Februar 2016 ist Siegerehrung. „In unserem Geschäftsgebiet liegen 26 weiterführende Schulen“, sagt Sparkassenchef Giovanni Malaponti. „Mit ‚Knete für die Fete’ bieten wir den Schülern der Abschlussjahrgänge die Möglichkeit, sich nennenswerte Zuschüsse für ihre Abschluss-Partys zu verdienen.“ Gefragt seien nicht technische Perfe ktion, sondern Aussagekraft und witzige Ideen. Auf dem YouTube-K anal der Sparkasse und auf ihrer Facebook-Seite ist ein kurzes Video veröffentlimeld Wir cht, dass en uns die Auszu mal an. bilden den ei Wob Lea Baumgärtner und Janine Frohl dies er Klopper natürlich in die dabei zeigt, wie sie „Knete für die Febelie te“ inbte gorieSchul der Kate Haarbeckfällt: „Unt e in Neu-erkirch en-Vlword uyn vorste llen. dann brochen en und
keiner gege Link und ngel Infos esen.“
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hat’s
im Netz auf www.sparkasse-am-niederrhein
Volkshochschule zeigt professionelles Moers/Kamp Lay out -Lintfo enFlyer, Plart. Wer
Der Redakteur, der die Seite gegenHerbstfest bei kate oder Broschüren erstel lt, gelesen hat (wir nennen keine Nakommt ohne das richtige Programm Sankt Josef in Asberg men), erinnert sich nach Jahren beim Layouten schnell an seine Moers. Auf Initiative der SchützenGrenzen. Mit der Volkshochschul nochbrude nurrscha unter Schmerzen an das e ft St. Bonif atius veranhat das ein Ende. Der Bildungsstaltet diemit Kirchedem Gespräch Personalchef. ngemeinde Sankt urlaub „Professionelles Layout mit Josef in Moers-Asberg am Sonntag, Adobe InDesign CS5“ zeigt die vielAber18. Ernst beiseite. Oktober, ihr Herbstfest. Nach fältigen typografischen und gestalteEbenfalls in se die Kategorie Wisder Morgenmes lädt die Gerischen Möglichkeiten. Der Refemeinde ab zirka fällt 11.30 Uhr zu Grill-historirent erklärt die Techniken zum Aufsensschwäche dieses würstchen, später auch Kaffee und bau einzelner Seiten bis hin zu umsierende ausatiusdem Jahr Kuchen Argument ins Pfarrheim, Bonif fangreiche n Dokumenten für den WSP_A_Mo | NR.177 straße 104, ein. Der Erlös 2011: „Schließlich begleiteten Alewird an Druck oder das Online-Publishin g. die Fazenda da Esperanca im KlosDer viertägige Kurs beginnt am xander den Großen bei seinem ter Niede rmörmter gespendet. Montag, 19. Oktober (jeweils 9 bis Marsch über die Alpen ja auch 16 Uhr). nicht nur Elefanten.“ Ein paar KarAPOTHEKEN Weitere Informationen und Anthager waren wohl auch dabei. Forum -Apotheke, meldungen unter 02841 / Cho r Voic email präsentierte Disney-Klassike Moers,es Homb Ach, gibt soStraße viele erger 201-565 oder www.vhs-moers.de 71, Fehlerquelr in der Dorfkirche Repelen 02841/ 2 87 73. Moers. Es blieb wieder kein Platz frei, len, eine Statistik über Statistikfehals am Sonntag der Chor Voicemail, Apothekenn kirche zu hören sein wird. Der Chor otdienste von ler wäre hilfreich: „Der wird 9-9 Zirkus Uhr. unter der musikalischen Leitung von Infos zu den diensthabenden Apozeigte sich in Höchstform und hat mittheken Spannung erwartet: 28 Artisten Dennis Kittner sein Disney Konzert Junge Liberale : 0800 00 22833, Mobilsich in der letzten Zeit von Auftr itt mit „Beauty and the Beast - Die ausfunk: 35 22833 Ländern.“ Was jae durchaus zu Auftritt deutlich gesteigert, perso , www.apoth wo eken.d llen Neuordnung Schöne und das Biest“ eröffnete. nell und stimmlich. Tenöre bei den sein kann: Die doppelte StaatsbürMoers. Die Moerser Jungen Liber Sogar von der Rathausallee hatte aChören oft Mangelware, bei Voice - len unterstützen den Wunsch sich eine Gruppe von Flüchtlinge gerschaft ist halt ein Drahtseilakt. manmail sind es gleich vier und allen n LESE
„Versuch’s mal mit Gemütlichkeit...“
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Bundespräsident Johann Neue Dopingvorwürfe es Rau kündigte am 4. Sep tember 2003 an, dass Bochum-Nord/Mitte mit Bergen, Ehrenfeld, G er nic ht me hr kandidieren gegen Leichtathleten werde. In der WAZ ist er auf dem Fot o sch
on fast weg – der Bildausschnitt bei Verdächtige Blutwerte war durch eine kleine Un achtsamkeit verrutscht. 800 Sportlern Sport 3
Die Probleme der Promi-Kinder
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ge- cher Baerler und Homberge auf den Weg gemacht, um dieses r, sich meinsam gelang eine starke Intervon Duisburg zu lösen und einem Konzert mitzuerleben. Ihnen hat pretation. es n Sie, liebe Le- wohl besonders Die Schere imHabe Kopf neuen Kreis Moers anzuschließen. die Seiten gefallen, dass die KOMMENTAR r anderen Abteilung verarbeitet und auf serinnen und Leser, Disney-Klassiker Die Bezirksvertretung der Stadtteile weitg Aufwie 90er-Jahre wurden Bilder noch von eine hohem ehend der ng Nivea auf „Der bleicheFrage König wird geköpft“ – Anfa u FußballEin e: Leute dies ig würd n oder denk Anrehatte 2014 einen Prüfauftrag beEnglisch gesungen wurden. Kein Verwechslungen. Keine war so an nzu Der Chor sang nicht nurnach Balu und ab und esMowg li spielte auf hohem schlossen, ob die Mögl gungenwie auch eine Rolle beim Konzert in der Dorfki ntiert“. So kam zu Ihrer eine Überschrift ein das d, Zei-Gedicht, pfer wirklicher Nachteil,„mo Renn das über ichke el rche. it alle wurden huder Artik im ers Niveau, er erzählte die Geschichten Klaus Wille zu tung? Haben Sie ein morvoll von Abspaltung besteht. Eine kommunaDeckhengst. So klebte der Kopf des Train – ein der er und Michtrain ael Kaufm man ahnt, esThem geht ums Spargelstechulendigu ann Ents len Schönling mit viel Muskeln und dieDisne yfigur er nahmder und ng zog das Publi- Völler Train und Deg Bruyne DerMezz a aus Moers, e.junge sollt le Neuo en allerd rdnun durch das Programm geführt. ings nehm die über habe den Vorteil, aben Aufg osopr che anisteris kum in war züch wenig seine nde dem wir Grips n gi“. ieree Bann , den „Lui nachg chen. Der lyrisch orientierte NachKarr n . Am Mob ehen sollen forta Schlu der Dorfb ss dass Moers eine Einwohnerzahl e ? Rufen e- tin Fredeinsh nam Spitz Da hatte man keine Schwierigkeisein rike und Schul – ten, eim die erschne Vere ll wandelten sich die Mitglieder im lang wohn jahre er, Sie uns an! Matthias Alfringhaus die hing sich el auf Artik den der Weg des reichen würde, die zur Ausgl in das zur Mary Poppins und zur Humor an, ten bei dem Medley aus WAZ wuchsjournalist hatte tatsächlich iedeAnastasia Chores und der Dirigent „Diemit Schöne verwunschene Schloss wartet heute von 15 bis 16 Uhr auf zur mach Percu en, um wurde. Die junge Sängerin s- rung aus dem Kreis Mittwoch, 4. 2015 | Nr.der 29Lokalteil | 6. Woche und das Biest“ alle Disneyfiguren heWese l und hat gera- sionband mit Bongotrom zurFebruar das Biest endlich zur Strecke zu brinEine ganz neue Rechnung machte Essen nur das Bild verarbeiten wollen, das Ihren Anruf unter meln und Erhebung zur kreisf der Rufnummer de ihr Studium an der Hochschul rauszuhören und wiederzuerkenreien Stadt fühe schufen Urwaldfeeling für Balu, gen. 0284 1/ 14 07 45. den ren würde. Beim rung beträgt immerhin 50 Prozent. ihm der Bauer anno dazumal in singenden Kerzenleuchter, für Musik in Rostock begonnen und nen: den Ortsk ongre ss der Bären – da wurde dann auch auf Schöne des Sonntags und ganz si„Julis“ wurde Constantin Borge man kann Kollegin zu Tisch tasche nur hoffen, dass bittet, Gasto noch nicht „Einmal Eine erinnert einer Rentnerin, die Überr auf aschuharmlos. Herten nahegelegt hatte. der„Der die be- Deuts s n, den eitcher eine große ch gesun gen: wahrhaben: „Versuch’s mal (20) ng war gabte Sängerin noch oft zum Vorsitzenden gewählt. in der Dorf- mit Gemütlichkeit...“ warerin ist Jenny Dang (21). sich mit tief empfundener Scham war ich im Hohlspiegel, dabei Spargel ist der König der Gemüse“. einem Friedhof an einem FahrradStellvertret
Whitney-Houston-Tochter ist kein Einzelfall
Von der Liebe zum Spiel
an ein Benefizkonzert in einer Musikschule: „Weil das Bild der Musiker noch nicht vorlag und ich los musste, wollte ich den Kollegen Hinweise für die Bildbeschriftung geben und schrieb in die leere Form die Namen mit eindeutigen Kennzeichen.“ „Der Dicke mit Glatze“ ist dann so erschienen. Der Herr nahm die Entschuldigung mit Humor an. Es gibt mittlerweile einige Institutionen, die fremde Fehler sammeln. Die „Perlen des Lokaljournalismus“ sind aus einer FacebookGruppe entstanden. Die letzte Instanz der Lächerlichkeit aber ist der Hohlspiegel, eine Rubrik im fast gleichnamigen Wochenmagazin. Dort heißt es dann zum Beispiel: „Aus der WAZ über Verkehrsdelikte: ,Die Rangfolge der Verstöße: 1. zu hohes Tempo, 2. zu schnell‘“ (2013). Oder: „Das WAZ-Medizinforum Gelsenkirchen lockt heute mit dem Thema ,Wenn die GalSport in Oberhausen, November 2011: Bei den Bogenschützen ist es immer gesellig, auch le hochkommt’“ (2011). wenn sie phasenweise unter Nachwuchssorgen leiden. Ein Kollege will es immer Doch unter der Überschrift erschien eben auch das Bild des Bauern, des größten der Stadt, auch er irgendwie ein König. Profis würden hier von einer „Text-BildSchere“ sprechen, wenn das in diesem Fall nicht wieder so blutige Assoziationen wecken würde. Falsche Bezüge entstehen meist durch Unachtsamkeit: „Volltreffer: 93 000 Euro steckten in der Hand-
lenker baumelte“ (2008). Gerade noch mal nicht erschienen ist dieser Satz: „Die vitale Millionärswitwe wurde erhängt im Keller gefunden.“ Die schlimmsten Fehler aber passieren mit Blindtext. Denn was nur der Belustigung der Kollegen oder ihrer Information dient, wird manchmal gedruckt werden. „Text kommt nach 19 Uhr“, ist noch
auf. Aber die Steige-
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der Witz Absicht, als ein TradiHEUTE ibt es einen Unterschied zwitionsunterhosenhersteller in Ihrer Zeitung schen Fußball und dem Geunterging: ‚Schiesser war wie Heuteman das Morgen schäft Profi-Fußball? Kann Volkswagen, quasi der Käfer eine lieben und das andere nicht unter den Schlüpfern‘“ (2009). mögen? Dazu muss man etwas ausZu guter Letzt kommt natürlich holen. Siegmund Freud eine tragende -3° 3° -5° 1° Rolle zu, was lahme EntschuldiNichts hat das Geschäftsmodell Tiefe Wolken, aber einer lässt uns Fußball-Bundesliga in diesem Somgungen doofer Fehler angeht: Da nicht allein: Dasverist der liebe Sonmer soAnin Angst und Schrecken wurde unter der „Überschrift nenschein, zumindest teilweise. setzt wie die Nachricht vom neuen schwitzen auf Schalke“ der damaTV-Vertrag lige Trainer André Breitenreiter zu für Englands Premier League. Die große Sorge war: Dank André Wellenreiter. In einer LokalBOCHUM neuer Milliarden können jetzt sogar redaktion hieß es mal: „Die Famimittelmäßige Vereine der Premier lie lebte am Rande des ExistenzmiLeague die Bundesliga leer kaufen. nisteriums.“ Und 2012 leistete sich ein Kollege in Herne in einem BeiZwei Wochen vor Saisonstart bleitrag über Müllsünder den Freudben zwei bemerkenswerte Fälle: 16 Mitarbeiter klagen schen Vertipper „Abführtermin“ Bastian Schweinsteiger, dessen Abvor dembedauArbeitsgericht gang nicht nur Bayern-Fans statt „Abfuhrtermin. Lokalseite 1 ern, und Wolfsburgs De BruyArmer Kevin Benedikt Höwedes ne. Am Fall des– Fußballers da wird des der JahSchalker res lassen sichFußball-Weltmeister die Mechanismen und *Ironie ist auch schwierig. Vielen einer überhitzten Fußball- und einer sorgt Edathy-Affäre Menschen erscheint es seltsam, dann wird sein Vorname in sich rasant ändernden MedienBenjamin vertauscht. dass es lustig sein soll, wenn man für Ärger derErst Koalition Branche verfolgen: Am Anfanginsteht Ein Autogramm vom Weltmeister: Nicht nur Gelände, d L das Gegenteil von dem sagt,das was auf der Titelseite, Monate Höwedes musste sich am Sonntag nung der Kö Gerücht einer 80-Millionen-OfBerlin. Die Edathy-Affäre sorgtBenjamin für später im Sportteil. Waman meint. Natürlich wissen wir, ferte aus Manchester, und dieses Finger wundschreiben. Rund um den Ka- ren ein regeln politischen Sprengstoff in derdie Grodass Die Mona Lisa von Dan rum? Das können sich die Gerücht ist nichtßen einmal dann aus pitän NeuzuganS Koalition. Wegen Zweifeln an und das Team des FC Schalke 04 beiden Verursacher selbst Brown** ist. der Welt zu schaffen, wenn die Verherrschte beim Schalke-Tag auf dem Arenagekommen, der Glaubwürdigkeit von Michael eine dementieren. Haften bleibt, nicht erklären. Hartmann in der Edathy-Affäre was die Spekulationen befeuert: **Ja ja, das sollte wieder witzig drängt der Koalitionspartner CSU/ gestreute Aussasein. Es war Luigi da Vinci.aus Eigeninteresse CSU den SPD-Politiker zur Aufgabe gen der Berater oder wachsweiche seines Bundestagsmandats. ZuAussagen des Spielers. Von Petra Koruhn dem stellt die Union generell die entwicke Rolle der SPD-Spitze in dem Fall in leben kö De Bruyne wird nun wohl bleiben, Frage. Bericht Politik Bochum. „Krebs ist eine Volkskrank- Krebs-Ex und das wäre mal eine gute Nach-
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Eickhoff setzt auf Vergleiche
Montag, 3. August 2015
Wiede
Lebenser Krebskr
„Kein Todesurteil mehr“.
Kleiner
Der erneut verpasste Supercup ze nehmenden Rivalen heranwächst
heit, aber man kann mit ihr alt werDie Za richt. Erstens ist der Belgier ein 80 000 Vorbestellungen den“, sagt Prof. Wolff Schmiegel an- erreichte überragender Fußballer. Zweitens: lässlich des heutigen Weltkrebsta- ker mit 7 Wer außer Bayern kann of Grey“ fürMünchen „Shades ges. Der Präsident der Deutschen messenen sich leisten, Spieler zu halten, wenn Ausgerechnet Krebsgesellschaft und Leiter dersagte Me- Jérôme das Statis nicht WolfsburgEssen. mit VW im Rücken? zu Weibersein“, Boa Von Maik Rosner fastnacht (12. dizinischen Universitätsklinik male Lee Drittens: Der Liga täte nach vielFebruar) Lan- startet in Bendtners Ausgleich den Kinos die Verfilmung des Sa- Am Knappschaftskrankenhaus Jahren. geweile im Titelkampf ein echter spät gekommen warV Ende wirkten Jubel zuBochum Wolfsburg. do-Maso-Romans „Fifty Shades of spricht alles von andere einer „hoffnungsvollen sogar Zweikampf um die Schale gut. Vierund Enttäuschung als derlage sei nicht nurlän „s Grey“ – einesnatürBestsellers, aufgesetzt. der vor Entwicklung“: Denn die Lebensstieg tens, und das ist heutzutage gerlich“, befand er, inn sie Von einem „Titelchen“ allemIdee: von Frauen verschlungen derSportvorKrebskranken so von acht lich eine verwegene De Bruyne „nichtsei passieren“. hatte Bayernerwartung Münchens deutschen Kinos ver- Matthias hoch Sammer wie nie. „Dank Zudem könnte bleiben,wurde. weil erDie einen VerEsTheraist zu diesem Ze stand gespro- neuer trag hat. Bis 2019 übrigens. s chen, in Aus- Saisonvorbereitung zeichnen schon jetzt 80 000 Vor-das beim pien Supercup und der Früherkennungs-Maßhandlung sicht stehe. Nach der ist 4:5-Niederlabestellungen, allein im Centro-Kinahmen Krebs kein Todesurteil zehntelan Ja, Vertragsbruch im Fußball waren es gemehr im Elfmeterschießen am Samsno inistOberhausen mehr.“ „Heilung Alltag, Spieler können Vereine fastBericht Rhein-Ruhr tagabend gegen den VfLwerde Wolfsburg als 3200. Bis 2030 sich die Zahl der habe sich nach Belieben erpressen. So funkhatte diese Krebsfälle Verniedlichung jedoch weltweit um 30 Prozent „Heute is tioniert das Geschäftsmodell, und kaum noch auf Bestand. DieMillionen Wolfsbur-neue Fälle pro heilbar, d etwa 20 Mindestlohn beflügelt die Branche hat es längst verinnerger feierten Jahr ihrenhäufen. Erfolg im Kon-Krebs sei nicht Doch Doch w die Schwarzarbeit licht. Rudi Völler, Volksheld und fettiregen durchaus so Geißel ausgelas-der Menschheit, zu einer mehr die Bayer Leverkusens Manager, an geltende sen wiesondern einen Essen. Der seithat Januar habe sich zu einer thera- auch Pro diesem Wochenende den unlängst nennenswerten Titel. Mindestlohn von 8,50 Euro pro pierbaren chronischen Erkrankung 800 000 M zurückgetretenen Marcell Jansen at- StudieUnd vor allem für Stunde erhöht einer zufolge tackiert. Jansen,die sagt Völler, habe den FC Bayern fühlSchattenwirtschaft in diesem den Fußball nie geliebt. Dessen freite sich der zum dritten Jahr um 1,5 auf 339 Milliarden williges Karriereende mit 29 Jahren Mal hintereinander verpassEuro. Jahrelang waren Schwarzsei „ein Schlag ins Gesicht für jeden te Supercup an wie eine echte arbeit und illegale Beschäftigung Jugendlichen, der Fußballprofi werNiederlage. Ohne Einschränkung. zurückgegangen. Damit seiDie es Münchner nun den will.“ Absurder geht’s nicht. waren sogar so vervorbei, ergab eine Prognose der Athen. Die griechische Regierung hat am Tunis.
Athen redet nicht mehr von Schuldenschnitt
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DIE HISTORISCHE SEITE
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Samstag, 31. März 2018