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Keine Rekorde, aber gut gewappnet
Die zurückliegenden Jahre verliefen für den Beteiligungskapitalmarkt gut. Mit der Inflation und der drastischen Zinswende gab es eine Zäsur. 2022 konnte nicht mehr an die Erfolgsmeldungen der Vorjahre anknüpfen. Mega-Deals sind kaum noch zu sehen, Börsengänge eine rare Ausnahme. Dennoch bleibt Private Equity für Investoren bei näherem Hinschauen weiter einen Blick wert.
Der Beteiligungskapitalmarkt konnte 2022 nicht an die Erfolgsmeldungen der Vorjahre anknüpfen, wie der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) jüngst darlegte. Demnach erreichten die Investitionen 2022 ein Volumen von knapp 14 Mrd. Euro. Das entsprach einem Rückgang um 29 % im Vorjahresvergleich.
Schwierigere Rahmenbedingungen
Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind vielfältig. Einerseits die Vielzahl an Krisen rund um den Globus, zum anderen sicherlich und wohl bedeutsam die auch in Europa eingeläutete Zins- wende. Es verwundert nicht, dass das Investitionsniveau in allen Marktsegmenten unter dem Vorjahr blieb, wie der BVK ausführte. Frederick Michna, Principal MIG Capital, konstatiert: „Die Herausforderungen im vergangenen Jahr trafen die VC-Fonds gleichermaßen wie den gesamten Private EquitySektor. Es bedurfte eines Umdenkens, um in diesem veränderten Umfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen. Resilienz beispielsweise ist inzwischen wichtiger als sehr hohes Wachstum. Gleichzeitig sichern die erfolgreichen Player im VC-Markt ihre Cash-Positionen, um aktionsfähig zu bleiben.“ Resilienz ist in diesem Zusammenhang ein gutes Stichwort, das auch der Vorstand der RWB PrivateCapital Emissionshaus AG, Norman Lemke, anbringt: „Private Equity ist eine resiliente Anlageklasse und hat sich im vergangenen Jahr mit einer guten Performance als stabilisierender Portfoliobaustein erwiesen, während öffentliche Märkte gleichzeitig eine deutliche Korrektur erlebten.“
Mit Blick auf die Volatilität an den Aktienmärkten und dem Crash bei den Anleihen hat sich perspektivisch an der
Attraktivität des Beteiligungssegments nichts geändert. Alternative Assets sind gerade bei institutionellen Investoren sehr stark im Kommen, allerdings gibt es dort Restriktionen, die ein Aufstocken des PE-Anteils unmöglich machen. 2022 war sicherlich ein außergewöhnliches Jahr. Aber mitnichten ein Abgesang. Speziell die Suche nach „sicheren“ und ertragreichen Anlagealternativen im volatilen Umfeld führt zu einem steigenden Interesse im Privatkundensegment, wie RWB-Vorstand Lemke sagt. Unterfüttert wird diese Aussage durch Befunde des Bain-Reports. Die Autoren kommen zum Fazit, dass sich gerade bei den Kapitalgebern eine sichtbare Veränderung zugunsten der privaten Anleger abzeichne. Stefan Echter, Leiter Alternative Investments bei Wealthcap, zieht die jüngere Historie bei der aktuellen Betrachtung zurate. „Unsicherheiten wirken sich auf alle Equity-Beteiligungen aus. In schwierigen Phasen in der Vergangenheit (z. B. dot.com-Bubble, Finanzkrise) war aber der maximale Verlust zum Quartalsende bei Private Equity-Buyout-Fonds geringer als z. B. beim MSCI-World-Aktienindex und die Erholungszeit kürzer. Ein ähnliches Bild hat sich auch beim Beginn der CoronaPandemie abgezeichnet.“ Die generelle Zuversicht speist sich mitunter ferner auch aus dem nichtinvestierten Kapital („Dry Powder“), über das die (globale) PE-Branche Ende 2022 verfügte.
Kleinere Deals im Vordergrund, IPO bleibt eher schwierig
Insbesondere die aufkommenden konjunkturellen Sorgen und die Zinswende haben dafür gesorgt, dass große Deals weniger bis kaum standfanden. Im aktuellen Bain-Report (https://www.bain. com/de/publikationen/topics/globalprivate-equity-report/) ist dazu zu lesen: „In der zweiten Jahreshälfte kam es insbesondere in Europa zu einem drastischen Einbruch. Angesichts der Zurückhaltung der Banken war es vor allem schwierig, kreditfinanzierte Mega-Deals zum Abschluss zu bringen. Die entsprechenden Kredite blieben in Summe in Europa und in den USA zuletzt 50 % unter Vorjahresniveau.“ MIG Capital-Experte Michna bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Wir achten stärker auf Einstiegsbewertungen und die Reichweite der Finanzierungen. Kleinere Deals sind aus Investorensicht besonders attraktiv, weil sie uns eine Diversifizierung des Portfolios ermöglichen. Gleichzeitig müssen VCInvestoren ihren Beteiligungen aber auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit diese eine längere Wegstrecke fokussiert arbeiten können.“ Diesen Grundtenor unterstreicht auch Vorstand Lemke und führt aus, dass im unteren und mittleren Marktsegment die Abhängigkeit von Fremdkapital deutlich geringer sei, weil weniger Leverage zum Einsatz käme. „Mit unserem Investitionsfokus auf das mittlere Buyout-Segment sehen wir uns daher in der aktuellen Phase gut positioniert und verzeichnen auch weiterhin Rückflüsse aus erfolgreichen Unternehmensverkäufen“, so Lemke.
Neben dem Fundraising und der Haltedauer an den Portfoliounternehmen spielt natürlich auch der Exit eine Rolle. Er erfolgt in der Regel durch Veräußerung der Beteiligung an einen strategischen Investor („Trade Sale“), einen anderen Finanzinvestor („Secondary Private Equity“), durch Börsengang („IPO“) oder durch ein Buyout. Während die Exit-Option durch Beteiligung eines strategischen Investors 2022 zwar auch sank, war insbesondere der Einbruch bei IPOs drastisch. Anders ausgedrückt – Börsengänge fanden kaum statt. In einem Jahr, in dem eine rekordhohe Inflation und Rezessionsängste die Märkte beherrschten, wagte sich kaum ein Unternehmen an die Börse. Dazu passt die Meldung, dass es im vergangenen Jahr hierzulande nur vier IPOs gab. Auch im ersten Halbjahr 2023 wird sich daran nach Einschätzung wenig ändern. „Das Exit-Volumen hängt in gewisser Weise von der Entwicklung der Aktienmärkte sowie von der Entwicklung der Wirtschaft ab. Insbesondere der Exit über IPOs hängt sehr stark von einer positiven Entwicklung der Aktienmärkte bzw. Sektorenindizes ab“, fügt Stefan Echter in diesem Zusammenhang an. Sektoren, in denen vergleichsweise viele Deals stattfinden, sind die TMT-Branche, aber auch industrielle Produktion, Konsumgüter und Life Science bzw. Digitalisierung. (ah)
Obwohl recht risikoreich, ist die hohe Renditeerwartung im Value Add-Segment ein ansprechender Faktor für die Profis im ImmobilienInvestment. Die Wertsteigerung von Immobilien, die nach Ende ihres ersten Lebenszyklus bereits einige Jahre leerstehend zugebracht haben und somit als trostloser Makel sofort ins Auge fallen, sind eine vielversprechende Option für die Stadtentwicklung. Aus diesem Grund gibt es auch die Spezialisten in der Branche. Mit der Corona-Pandemie hat sich allerdings auch dort einiges verändert, und auch das Value Add-Segment passt sich entsprechend an.
Bei einem Thema wie Value Add sind gegensätzliche Experten-Meinungen trotz ähnlicher Geschäftsfelder von besonderem Interesse. Prof. Dr. Thomas Beyerle, Head of Group Research der Catella Real Estate AG, bejaht grundsätzlich, dass diese Strategie auch für Privatanleger geeignet ist. Gesetzt den Fall, sie möchten eine höhere Rendite/Risiko in ihrem Anlageverhalten verfolgen und sind sich des hohen Ausfallrisikos bewusst. Matthias Pink, Director und Head of Research bei Savills Deutschland, verneint entschieden: „Der Value AddAnsatz ist was für Profis und für den typischen Privatanleger auch deshalb nicht geeignet, weil das Anlagerisiko und der erforderliche Kapitaleinsatz hoch sind“, so Pink, „indirekte Beteiligungsformen, um an Value Add-Strategien im Immobiliensegment zu partizipieren, z. B. Fonds, gibt es kaum.“
Senioren- und Pflegeheime sind aufgrund des demografischen Wandels (Demografie-Effekt) für das Value Add-Segment ansprechend. Die Bevölkerung wird immer älter, also muss die Versorgung dieser Generation gewährleistet werden. „Der Risikobegriff in Verbindung mit Healthcare erklärt sich aus einem hohen Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren und einem relativ wenig standardisierten Markt. Es gibt also nur sehr allgemeine Abgrenzungen und die Überschnei- dungen sind teilweise groß“, erklärt Dr. Beyerle die Sicht der Investoren und spricht dem Segment eine gute Prognose in Post-Corona-Zeiten zu. „Mit Blick auf die Wachstumsperspektiven ist sie positiv, wenngleich der Bestand teilweise nicht mehr zeitgemäß erscheint – es werden zu wenige ‚Betten‘ gebaut, obwohl die Nachfrage strukturell durch den demografischen Wandel weiter steigt. Diese Chance sehen Investoren.“
Eine Anlagestrategie mit Weitblick?
Der Gedankensprung ist mit Dr. Beyerles Argumentation nicht weit. Value Add entpuppt sich also als eine Anlagestrategie mit einem gewissen Weitblick, wenn man für einen Augenblick von dem hohen Ausfallrisiko absieht. Verschiedene Nutzungsarten zeigen die Vielseitigkeit. Matthias Pink erklärt den Fokus von Savills auf Gesundheitsimmobilien sowie Büros und Hotels: „Eine Wertsteigerung durch Aufwertung oder Repositionierung einer Immobilie lässt sich grundsätzlich bei allen Nutzungsarten erreichen, weil sich die Nutzerbedürfnisse in einem steten Wandel befinden“, erläutert der Head of Research, „und viele Gebäude diesen Bedürfnissen irgendwann nicht mehr (voll) entsprechen; Nutzungen, bei denen sich die Bedürfnisse schneller wandeln, bieten mehr Value Add-Potenzial als solche, wo das nur langsam passiert; so vollzieht sich derzeit beispielsweise im Einzelhandel ein rasanter Wandel und viele Einkaufzentren müssen repositioniert werden.“ Einen solchen Wandel hat mit der Corona-Pandemie auch die
Matthias Pink Director/Head of Research Savills Germany
Hotelbranche erleben müssen. Doch auch bei Hotel-Immobilien könnte Value Add ansetzen. Die Geschäftsreisen, die mit den langen Lockdowns weggefallen sind, zwangen viele Hotels dazu, den Betrieb einzustellen. Pink schlägt daher die Umwandlung der einstigen Business-Hotels in Wohnungen vor.
Auch die klassische Büroarbeit muss neuen Lösungen weichen. Seit der Einführung des Homeoffice ist das mehr als klar. Der Markt für Büroimmobilien muss sich also anpassen, aber dennoch stellt sich eine Generalisierung als schwierig dar. Etwa zeigen aktuelle Zahlen (PwC-Studie „Home bleibt Office“, 2021), dass sich 78 % der Arbeitnehmer mehr Homeoffice wünschen, während sich 78 % der Arbeitnehmer zwischen 18 bis 29 Jahren auf die Rückkehr ins Büro freuen. Der Experte bezieht sich ebenfalls auf diesen Arbeit-Mix und zieht daraus zwei Konsequenzen für den Büroimmobilien-Markt: „Erstens sinkt der Büroflächenbedarf, weil manche Unternehmen weniger Bürofläche benötigen als bisher, und zweitens verändern sich die qualitativen Anforderungen an die Büros, wenn nicht mehr alle jeden Tag im Büro sind“, erklärt Pink. „Wie sich die Anforderungen konkret verändern, ist von vielen Parametern abhängig, etwa den Arbeitsprozessen oder der Kultur des Unternehmens. Daher ist es im Moment schwierig, generelle Ableitungen zu machen. Der zentrale Punkt ist vielleicht, dass Büroarbeit vielfältiger wird und sich deshalb auch der Markt für Büroflächen ausdifferenzieren muss.“
Die Nutzungsmärkte
Die Umwälzung, die Corona in Gang gebracht hat, spiegelt sich in jeder nur möglichen Branche wider, hat sie zwangsmäßig beschleunigt oder die eine oder andere Lücke in den altbekannten, vertrauten Strukturen hervorgebracht. Die Entwicklungen in den Nutzungsmärkten „verändern die Anforderungen an Lagen, Objekte und Flächen“, formuliert Pink abschließend seine Prognose für Value Add. „Dadurch werden die Erträge vieler Objekte und teilweise ganzer Nutzungsarten unsicherer und lassen das Core-Segment schrumpfen. Umgekehrt ergibt sich aus den veränderten und sich verändernden Nutzeranforderungen erhebliches Value Add-Potenzial und so könnte diese Strategie massiv an Bedeutung gewinnen.“ (ml)