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Gewerbeimmobilien – Eine Zäsur
Eine Zäsur
Bekanntermaßen ist nichts so beständig wie der Wandel. Spätestens im vergangenen Jahr mussten Akteure im Gewerbeimmobilienmarkt die Erfahrung machen, dass auch hier Flexibilität gefragt ist – in mehrfacher Hinsicht.
Für Büroimmobilien war das Jahr 2019 historisch: Wie aus einer Untersuchung des Immobiliendienstleisters CBRE hervorgeht, wurde in dieser Assetklasse mit knapp 40 Mrd. Euro ein Rekordtransaktionsvolumen erreicht. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts – wenn denn nicht die Corona-Pandemie und der damit verbundene Boom des Home-Office gewesen wäre. Gerade in den A-Städten musste der Markt für Büroimmobilien deutliche Rückschläge verkraften: Wie aus einer Untersuchung von Colliers International Deutschland hervorgeht, wurde in den sieben größten deutschen Bürostandorten im Jahr 2020 mit 2,55 Millionen Quadratmetern 35 % weniger Bürofläche umgesetzt als im Vorjahr, der zehnjährige Durchschnitt wurde um 25 % unterschritten. Bedeutet das, dass die Büroimmobilie keine Zukunft mehr hat? Nein, meint Thomas Olek. „Büroimmobilien in TopLagen sind tatsächlich weiter gefragt, auch wenn durch die verschiedenen Lockdowns die Dynamik der Entwicklung vorübergehend gedrosselt wurde“, so der CEO der publity AG, der besonders bei einer bestimmten Art von Nutzern hohes Nachfragepotenzial sieht. „Gerade Großunternehmen benötigen weiterhin großflächige Büros,
Christian Löhr
CIO KRE-Group
Thomas Olek
CEO publity AG
Rauno Gierig
Chief Sales Officer Verifort Capital Group GmbH
z. B. für wichtige Meetings.“ In Zukunft könnte sogar mehr Bürofläche gefragt sein – was auch eine Folge von Corona ist. „Wir erkennen zudem einen eindeutigen Trend zu mehr großvolumigen Büroflächen, um Abstandsregeln adäquat umsetzen zu können“, berichtet Thomas Olek. Dass das Jahr 2020 zu einer Veränderung der Nachfrage nach Büroimmobilien geführt hat, bestätigt auch Rauno Gierig. „Hier gilt es, noch stärker den Fokus auf Flexibilität in der Raumgestaltung zu legen, um jegliche Bedürfnisse der Nutzer bedienen zu können“, erläutert der CSO von Verifort Capital, warum sein Unternehmen das Einkaufsprofil in dieser Assetklasse mit Blick auf die Corona-Pandemie neu justiert hat. Büroimmobilien dürften also, entgegen mancher Unkenrufe, eine Zukunft haben – auch wenn es innen drin bald anders als früher aussehen könnte. „Künftig sind gut durchdachte Bürokonzepte nötig, die sich mit den verstärkten Homeoffice-Tätigkeiten kombinieren lassen“, so Thomas Olek. Nicht nur bezüglich der Nutzung, auch mit Hinblick auf die Nutzer könnten sich die Ankaufsprofile von Büroinvestoren in Zukunft verschieben. So erklärt Rauno Gierig, dass in den vergangenen Monaten ein verstärktes Augenmerk auf die Auswahl und Prüfung der Mieter gerichtet worden sei: „Wie die kürzliche Vergangenheit gezeigt hat, können auch namhafte große Mieter aufgrund von Schließungen kurzfristig in Schieflage geraten.“
Des einen Freud, des anderen Leid
Als Menetekel der Corona-Krise können die Hamsterkäufe gesehen werden, die im Februar und März in Supermärkten und Drogerien wochenlang zu Regallücken führten. Profitiert haben davon die Nahversorger, die somit ihren Umsatz deutlich steigern konnten. „In der Corona-Krise hat die Nachfrage gerade in diesem Bereich weiter angezogen, während non-food-lastige Objekte und Center nachgegeben haben“, erläutert Christian Löhr, CIO der KRE-Group, dass die Corona-Zeit nicht für alle Einzelhändler positive Folgen hatte. Das spiegelt sich auch in Zahlen von BNP Paribas Real Estate wider: Demnach gab es in den ersten drei Quartalen 2020 in den Citylagen 40 % weniger Vermietungen und Flächenumsatz – also genau dort, wo sich hauptsächlich Geschäfte befinden, die den nichttäglichen Bedarf abdecken. Laut Christian Löhr wurde durch die Umwälzungen des vergangenen Jahres einmal mehr deutlich, welche Rolle für Handelsimmobilien das Thema Flexibilität spielt. „Die Krise hat, sei es durch die neuen Gesetze oder die betreiberseitige Notwendigkeit Flächen und Konzepte anzupassen, erneut bestätigt, wie wichtig neben Mietermix und Mieterbonität die Nach- und Umnutzbarkeit der Assets ist.“ Das hat bei KRE auch Folgen für das Einkaufsprofil. „Wir haben unsere Risikoanalysen entsprechend erweitert, um die krisenbedingten Aspekte präventiv in Vermietungs- und Finanzierungsszenarien zu bewerten. So können wir uns optimal auf die Chancen konzentrieren, die mit einer jeden Krise einhergehen“, erläutert Löhr.
Die Nachfrage nach Produkten des nichttäglichen Bedarfs ist in Zeiten der Geschäftsschließung nicht verschwunden, sondern hat sich stattdessen vor allem ins Internet verlagert – was wiederum für die Assetklasse Logistikimmobilien von Vorteil ist. So wurde diese laut einer Untersuchung von BNP Paribas Real Estate vom zweiten bis zum vierten Quartal der langjährige Durchschnitt beim Transaktionsvolumen um jeweils mehr als 50 % übertroffen. Bereits im ersten Quartal erzielten Logistikimmobilien einen neuen Rekordwert für diesen Zeitraum, die Quartale zwei bis vier waren historisch jeweils die zweitbesten Zeiträume. Auch Verifort Capital erwägt laut Rauno Gierig, aufgrund der positiven Folgen der CoronaKrise für Logistikimmobilien verstärkt in dieser Assetklasse aktiv zu sein. Dabei wolle man jedoch nicht allein auf Logistikobjekte setzen. Vielmehr sei eine Mischnutzung von Büro/Logistik denkbar. (ahu)