SCHWERPUNKT
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Ein offener Blick für Schönheit
Zur Person KEIKO OKADA Seit 1978 ist Keiko Okada Lehrerin der Mami Flower Design School in Tokio. Inzwischen ist sie Chefdesignerin und Lehrerin an der Stammschule. Sie unterrichtet nicht nur in Japan, sondern auch in Taiwan, sie steht auf der Bühne und beteiligt sich an Ausstellungen. 2008 erschien ihr erstes Buch „Hana o tsumugu“, auf Englisch „Spinning Flowers“, „Versponnene Blumen“ also, im Hachiette Fujingaho Verlag, 2009 dann schon in zweiter Auflage.
POETISCHE BLUMENKUNST – INSPIRATIONEN AUS JAPAN Gabriele Kubo stellt Keiko Okada vor, die Chefdesignerin der Mami Flower Design School in Tokio. Sie arbeitet ausschließlich mit natürlichen Materialien und alternativen Stecktechniken – das ist ihre große Stärke. Ihre Werkstücke beeindrucken durch Schlichtheit, Akkuratesse, Poesie und eine unverkennbare Note. Gabriele Kubo, Chigasaki City/Japan
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Foto: Mami Flower Design School
enn ich an Keiko Okada denke, dann sehe ich ein offenes Gesicht, ein interessiertes, freundliches Lächeln. Ich kenne Keiko schon viele Jahre, unsere erste gemeinsame Unternehmung war eine Demonstration 1999 auf der IPM in Essen. Im Gespräch mit ihr wird schnell eine Kernaussage deutlich: Mit natürlichem Interesse zeigt Keiko Okada immer wieder auf Blumen und weist auf ihre Schönheit hin. Und genau das ist auch ihr Grundprinzip beim Lehren: das Finden von Schönheit und damit das Finden zu sich selbst. Dazu benötigt man, sagt sie, nur einen offenen Blick, Vorstellungskraft und Emotionen, sich selbst gegenüber und für die einzelnen Blumen. Keiko zitiert Mami Kawasaki, die zu ihren Vorbildern gehört: „Je mehr wir erfahren, was uns bewegt, desto mehr bewegende Dinge begegnen uns.“ Ein weiterer großer Einfluss kommt von Antoni Gau-
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dí, der sagt: „Alles in der Natur hält Schönheit und Logik in sich.“ Begegnungen mit der Natur oder mit Menschen bewusst zu erleben und sich davon inspirieren zu lassen, das ist ihr Gestaltungskonzept und auch ihr Weg zum persönlichen Glück. Keiko Okada arbeitet ausschließlich mit natürlichen Materialien und alternativen Stecktechniken. Ihre Arbeiten beeindrucken durch ihre absolute Schlichtheit und ihre Akkuratesse, sie vermag es, eindrückliche Bilder mit sehr wenigen Materialien zu gestalten. Ihren Stil kann man nicht genau beschreiben, es ist ein Retro-Aspekt dabei, man spürt ihren Blick für die Schönheit eines fast zerfallenen Blattes, von antiken Gefäßen, von Gebrauchsgegenständen. Im Buch ist zu sehen, welche Gegenstände sie bei sich zu Hause bevorzugt: Da ist viel Gefundenes, Mitgebrachtes, Gesammeltes dabei. Bei Ausstellungen kann man sehen, welche Arbeiten von ihr sind, die Werk-
stücke haben einen unverkennbaren Zug, eine sehr persönliche Note, die nicht nachzuahmen ist. Ihre Arbeiten sind japanisch geprägt, man fühlt die Heimat in ihren Bildern, und man fühlt die Verbundenheit zur Kawasaki-Schule – die Klemmtechniken, die natürlichen Steckweisen, darin liegen ihre großen Stärken. Zum aktuellen Geschehen in Japan sagt Keiko Okada, sie hoffe, dass Blumen etwas Trost für die Menschen in den TsunamiKatastrophengebieten bringen können. Sie denkt überhaupt, dass dies eine grundsätzliche Aufgabe ihrer Gestaltungen ist: Trost und positive Inspirationen zu den Menschen zu tragen. ■
DAS BUCH
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Die Fotos stammen aus dem Buch „Hana o tsumugu“ (japanisch und englisch). Das Buch kann bei der Mami Flower Design School per E-Mail bestellt werden – bitte auf englisch (school@mamifds.co.jp ). Alternativ dazu hilft Gabriele Kubo bei der Bestellung weiter: hanaami@cb3.so-net.ne.jp. Bei Gabriele Kubo kann auch das berühmte Holzpapier Kyogi bestellt werden.
1 1 Tulpen – gebogen und gebunden zu einem Ornament.
2 „Weiß ist eine Glücksfarbe. Je mehr man davon auftürmt, umso glücklicher!“, sagt Keiko Okada. Viele Tazetten in verschiedenen Stadien sind zwischen weiße Teller geschichtet, ein Muscari-Blatt kommt als grüne Linie dazu.
3 Die Hüllblätter der Lunaria-Samen wurden ausgelöst, sodass nur noch die feinen Ränder stehenbleiben. Diese werden dann zu einem Hauch von Schale zusammengefügt. florieren! 3-2012
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1 Ein Stiefmütterchen als Mittelpunkt einer Equisetum-Spirale. Gebildet und gehalten wird die Spirale von kleinen Bambusnadeln. Eine Zitrusfrucht bildet die Basis dieser feinen leichten und sonnigen Arbeit.
Welt fasziniert durch ihr Anderssein, Sehgewohnheiten werden verändert. Im Regal in der großen Vase stehen wiederum kleine Vasen! Die Blüten bilden frühlingshafte Farbtupfer in dieser auffallend ungewohnten Darstellungsweise.
2 Eine Mohnblüte ist neben eine organisch gewickelte und ornamentreiche Form aus Bambushüllblättern gestellt. Diese Arbeit lebt von allen erdenklichen Gegensätzen: frisch – trocken, gerade – bewegt, farbig – unfarbig, dunkel – hell, glatt – rau, waagrecht – senkrecht, lagernd – aufstrebend.
3 „Regal in Vase statt Vase in Regal“, so der Titel dieses Werkstücks. Die umgekehrte
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4 Mit einer schlanken Girlande aus vielen Frühlingsblumen greift Keiko Okada das Muster der Vase auf.
5 Das berühmte Holzpapier Kyogi wird von einer typischen Mami-Kawasaki-Bambus-Klammer gebündelt. In dieser Bündelung finden Tazetten halt. Schlicht und ergreifend. florieren! 3-2012
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