Christian Rickert – Paradise Lost

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CHRISTIAN RICKERT


Christian Rickert, 2014 in seinem Atelier, Foto: Peter Drimal / Galerie Villa Köppe

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CHRISTIAN RICKERT

GALERIE VILLA KÖPPE 16.10. – 20.11.2014

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Als großartiger Zeichner ist Christian Rickert bereits in den späten 1960er Jahren berühmt geworden. Sein zeichnerisches Œuvre hing neben Werken von Künstlern, die allesamt im Who‘s Who der modernen Kunst vermerkt sind: Baselitz, Beckmann, Beuys, Chagall, Janssen, Picasso, Pollock, Richter, Wols – um nur einige wenige zu nennen. Mit seinem Zyklus „Paradise Lost“ präsentiert sich Christian Rickert nun als Maler: ebenso großartig. Der so betitelte Zyklus ist eine gemalte Hommage an das gleichnamige epische Gedicht des englischen Dichters John Milton, das 1667 veröffentlicht worden ist und bis heute eine Inspirationsquelle für diverse Künste darstellt. Es erzählt, in 12 Bücher gegliedert, die Geschichte des Höllensturzes der gefallenen Engel, der Versuchung von Adam und Eva durch Satan, des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Garten Eden. Christian Rickerts „Paradise Lost“ besteht aus vier imposanten Bildern. Allesamt sind es keine wortgetreuen Illustrationen der dichterischen Vorlage, bei denen der Text vollständig und bis ins Detail nachweisbar ist. Darum geht es auch gar nicht. Vielmehr gelingt es dem Künstler, das Essentielle von Miltons Text assoziativ zu erfassen und mit den Mitteln der Malerei kongenial umzusetzen. Den eigentlich visuellen Ausgangspunkt seines Zyklus bildet daher auch ein anderes kleines Meisterwerk: das wunderschöne „Paradiesgärtlein“ eines unbekannten oberrheinischen Künstlers (um 1420). Dieses zeigt in einer für das frühe 15. Jahrhundert bemerkenswerten Verbindung aus Naturnähe und Idealität das damals häufig rezipierte Thema der Madonna im „hortus conclusus“: in einem durch eine Mauer verschlossenen Gartenidyll, hier noch ergänzt durch das Jesuskind samt himmlischem Hofstaat. Doch dieses paradiesische Idyll ist für den souveränen und passionierten Zeichner Christian Rickert nur ein inspirierender Vorwand. Durch die Übersetzung in seine eigene Handschrift wird es einer radikalen Verfremdung unterzogen. Es entsteht ein linearer Entwurf auf der Leinwand, der durch Stilisierung, Reduktion auf Wesentliches, bewusste Platzierung von Akzenten und gekonntes Einräumen von Freiräumen besticht. Wie Miltons Satan mit hinterlistiger Absicht den Garten Eden aufsucht, um aus Rache an Gott dessen Lieblings-geschöpf Mensch zu verführen, so dringt in Rickerts neu geschaffene Bildwelt, z. B. auch in seinen weiteren Zyklus zum „Balkankrieg“, ein mutwilliger Zerstörer ein. Hier wie dort erkämpft sich der destruktive Eindringling in unterschiedlichen Situationen und Rollen, u. a. als Brudermörder Kain, als Spion, als Verstoßener, als Soldateska, einen gewaltigen Raum, mutiert zur zentralen Bildfigur und entpuppt sich als Auslöser für eine grauenvolle Phantasmagorie des Verfalls. Dr. Heike Welzel-Philipp – Kunsthistorikerin (Textauszug)

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Paradise Lost – Der Spion (Hommage John Milton) | Öl / Lw, 140 x 100 cm, 2005

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As a brilliant drawer, Christian Rickert became famous already in the late 1960s.His graphic oeuvre was hanging beside artists‘ works who are all mentioned in Who is Who of Modern Art: Baselitz, Beckmann, Chagall, Janssen, Picasso, Pollock, Richter, Wols – to name but a few. With his cycle „Paradise Lost“, Christian Rickert now presents himself as a painter: equally brilliant. His cycle with this title is a painted homage to the epic poem of the English poet John Milton of the same name which was published in 1667 and has been a source of inspiration for various artists ever since. Divided into 12 books, it tells the story of the fall of the rebel angels, the temptation of Adam and Eve by Satan, the Fall of Man and the expulsion from the Garden of Eden. Christian Rickert’s „Paradise Lost“ consists of four imposing pictures. All of them are no literal illustrations of the poetic model where the text is complete and verifiable down to the last detail. But this is not the point at all. Rather, the artist succeeds in expressing the essential of Milton’s text in an associative way and in congenially implementing it by means of painting. Thus, the actual usual starting point of his cycle is another small masterpiece: the marvellous“little garden of paradise“ by an unknown Upper-Rhine artist (around 1420). It is remarkable for the early 15th century that it shows the Madonna theme in „hortus conclusus“ in a combination of orientation by nature and ideality: in a closed garden idyll supplemented by the Infant Jesus together with the celestial court. But this paradisiac idyll is only an inspiring pretext for the superior and passionate drawer Christian Rickert. Through the translation into his handwriting, it is subject to a radical alienation. Thus a linear draft on canvas comes into being which distinguishes itself through stylization, reduction to the essential, willful setting of priorities and skillful leaving of free spaces. Like Milton’s Satan who visits the Garden of Eden with a deceitful intention in order to seduce God’s favourite creation in an act of revenge, a wanton intruder breaks into Rickert’s newly created world of pictures, e.g. in his other cycle about the „Balkan War“. Here and there, the destructive intruder is struggling for a giant room in different situations and roles, among others as patricide Cain, as a spy, a castaway, as soldateska. He mutates into the central figure of the picture and turns out to be the trigger for a horrible phantasmaorgia of decay.

Dr. Heike Welzel-Philipp – art historian (text excerpt)

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Paradise Lost – Die Verstoßenen (Hommage John Milton) |Öl / Lw, 140 x 100 cm, 2005

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Paradise Lost – Die Horde überzieht den Erdkreis (Hommage John Milton) Öl / Lw, 125 x 180 cm, 2006 - 2007


Exotische Landschaft |Öl und Styropor auf Holz, Bildobjekt, 71 x 51 cm, 1999 / 2002

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Die Horde greift an |Öl und Styropor auf Holz, Bildobjekt, 71 x 51 cm, 2001 / 2002

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Drei Freunde |Öl und Styropor auf Holz, Bildobjekt, 51 x 71 cm, 1999 / 2002

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Beladen schreitend |Öl und Styropor auf Holz, Bildobjekt, 51 x 71 cm, 1999 / 2002

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Interieur mit Figur und Teetasse |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 42 x 29,5 cm, 2000

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Figur in wohnlichem Ambiente |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 29 x 40,5 cm, 2001

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Zwilllingspaar |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 40,5 x 29,5 cm, 2002

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Landschaft Wellenförmig |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 29,5 x 39 cm, 2002

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Prototyp-Extrem |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 42 x 29,5 cm, 2000

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Für Edward und Francis |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 42 x 29,5 cm, 2000

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Schneller Läufer III B |Graphit-Prägezeichnung, 29,5 x 42 cm, 2000

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Schneller Läufer (Fassung B) |Graphit-Prägezeichnung, Acryl, 29,5 x 41,5 cm, 1999

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CHRISTIAN RICKERT VITA 1940 1960–1966 1966

Geboren in Breslau Studium an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin Meisterschüler bei Prof. Fietz

Lebt und arbeitet in Berlin

EINZELAUSSTELLUNGEN (AUSWAHL) 1968 Galerie W. Ketterer, München 1970 Kunstverein Kassel Städtisches Museum Mülheim an der Ruhr 1972 Galerie W. Ketterer, München 1973 Augsburger Kunstverein 1978 „Christian Rickert: Handzeichnungen, 1959 - 1978“, Spendhaus Reutlingen 1978 Galerie Niepel, Düsseldorf 2013 „Enigma“, Kommunale Galerie Berlin 2014 „Paradise Lost“, Galerie Villa Köppe, Berlin AUSSTELLUNGSBETEILIGUNGEN (AUSWAHL) 1965 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1974 1975 1977

„Kunstpreis Junger Westen“, Recklinghausen, Kassel, Berlin „Meister der Zeichnung – aus der Deutschen Kunst des 20. Jh.“, Kunstverein Hamburg und Kunstverein Frankfurt „Akt 68“, Kunsthalle Recklinghausen „Menschenbilder“, Kunsthalle Darmstadt Fernsehfilm „Christian Rickert“ von Hannes Keil im ZDF „Kunstpreis Junger Westen“, Recklinghausen Deutscher Künstlerverbund, Hannover „aktiva 71“, Haus der Kunst, München, Landesmuseum Münster „Hommage à Senefelder“, Aargauer Kunsthaus, Aarau, Stuckvilla München, Internationale Kunstmesse Art 2‘71 Basel „Liebespaare in der deutschen Grafik des 20. Jahrhunderts“, Farbwerke Hoechst, Frankfurt, Kunstverein Ludwigshafen, Staatliche Grafische Sammlung, München III. Internationale Biennale der Grafik, Florenz „18 deutsche Zeichner“, Kunsthalle Baden-Baden „Der Einzelne und die Masse“, 29. Ruhrfestspiele, Recklinghausen „Fliegen - ein Traum“, 30. Ruhrfestspiele Recklinghausen


1978 1983 1984

„12 norddeutsche Zeichner“, Städt. Galerie Nordhorn, Kunsthalle Wilhelmshaven, Kunstverein Wolfsburg Deutscher Künstlerbund, Berlin „Nationale der Zeichnung“, Augsburg

ARBEITEN IN ÖFFENTLICHEM BESITZ (AUSWAHL) Bibliothéque Royale, Brüssel Kunsthalle Mannheim Kupferstichkabinett Berlin Berlinische Galerie, Berlin FILME „Umfallen“ (Produzent Werner Wollek) „Erinnerungen“ (Produzent Jürgen Kieslich) „Spiele“ (Produzent Jürgen Kieslich) PREISE 1969 1970 1980

„Kunstpreis Junger Westen“, Recklinghausen „Ruhrpreis Kunst und Wissenschaft“ der Stadt Mülheim an der Ruhr „Kunstpreis Schlesien“ des Landes Niedersachsen (Förderpreis)

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung „Christian Rickert – Paradise Lost“ Galerie Villa Köppe, Berlin. 16.10. - 20.11.2014 Text: Dr. Heike Welzel-Philipp | Fotos: Peter Drimal, Galerie Villa Köppe

Rückseite: Sonnenblumen, Öl und Styropor auf Holz, Bildobjekt 51 x 71 cm, 1997 / 1998

Galerie Villa Köppe

Zeitgenössische Kunst Knausstraße 19 14193 Berlin-Grunewald Tel.: +49 (0) 30 / 825 54 43 Mobil: +49 (0) 176 / 23 37 9278 galerie@villa-koeppe.de www.villa-koeppe.de © Galerie Villa Köppe 2014


GALERIE VILLA KÖPPE BERLIN


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