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Fuhrmanns Früchtekorb

Dieter und Marcus Fuhrmann.

Wenn in Berlin oder Brandenburg die weißen 7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche Hotels, Krankenhäuser, Kantinen oder Restaurants ansteuern, heißt es bei den Küchenchefs dort meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt. Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen Fruchtgroßhandels und der Grand Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obst- und Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle.

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Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 30 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Obst-, Gemüse- und Kräutersorten ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras.

Für unser Magazin Garcon stellen die beiden Großhändler Dieter und Marcus Fuhrmann im Wechsel ihre Produkte vor. Heute: Der Rettich

WÜRZIGES WURZELGEMÜSE

VON MARCUS FUHRMANN

Auch Dieter und Marcus Fuhrmann arbeiten im Home Office, zum größten Teil jedenfalls. Die Frage nach der aktuellen Situation beantworten die beiden Obst- und Gemüsegroßhändler mit unüberhörbarer Emotionalität in der Stimme: „Ganz, ganz schlimm.“

Bei fast 90 Prozent ihrer Kunden – vor allem Restaurants und Hotels in Berlin und Brandenburg – bleiben die Herde auf unabsehbare Zeit kalt. „Lediglich einige Krankenhäuser und Reha-Kliniken bestellen noch Obst und Gemüse.“ Die Großhändler haben dem Gros ihrer Belegschaft noch das Märzgehalt überwiesen, seit 1. April ist Kurzarbeit geboten. Trotz des Coronaschocks hat uns Marcus Fuhrmann den folgenden Text geschickt. „Der Rettich – gesund, vielfach unterschätzt, in diesen surrealen Zeiten aber so wunderbar normal“, schrieb er über sein Manuskript.

Keine Frage, der Rettich ist ein Methusalem unter den heute bekannten Gemüsesorten. So ist beispielsweise überliefert, dass er bereits vor mehr als 4.700 Jahren zur Nahrung der Arbeiter an den großen Pyramiden gehörte.

Von Ägypten aus gelangte die Wurzel nach Griechenland und Italien und erlebte dort ihren zweiten Frühling. Der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrastos (371 bis 287 v. Chr.) etwa kannte bereits vier verschiedene Rettichformen und schrieb: „Je glatter die Blätter, desto lieblicher ist der Geschmack, je rauer sie sind, desto schärfer schmeckt er.“ Und der griechische Arzt Galenos (129 bis 199 n. Chr.) tat kund: „Den Rettich verzehrt man am besten roh, arme Leute kochen auch die Blätter.“

Ab dem 16. Jahrhundert mit dem Aufkommen des Buchdrucks fehlte der Rettich in keinem der vielen Kräuterbücher, die damals erschienen. Der Botaniker Hieronymus Bock beispielsweise vermerkte in seinem berühmten, 1543 erschienenen New Kreüterbuch: „Rhetich werden zur speiß und artznei genommen.“ (s. Abbildung oben). Am verbreitetsten waren zu Bocks Zeiten schwarze Rettiche; lange weiße Exemplare traten in Europa im 17. Jahrhundert stärker in Erscheinung; rot- und gelbhäutige werden seit dem 18. Jahrhundert beschrieben.

Das von Ernst Benary zwischen 1876 und 1893 herausgegebene Album Benary – übrigens meine Lieblingsliteratur, wenn es um alte Gemüsesorten geht – listet die sechs zu dieser Zeit beliebtesten Rettichsorten auf, erstaunlicherweise fehlen hier die schwarzen Sorten völlig (s. Bild unten).

Inzwischen hat der Rettich trotz seiner vielen ernährungsphysiologischen Vorteile zumindest in Europa viel von seiner früheren Reputation eingebüßt. Der jährliche Pro-Kopf-Verzehr ist Beleg dafür. In Deutschland etwa liegt er bei 250 Gramm, in anderen europäischen Ländern in ähnlicher Größenordnung – in Japan dagegen beträgt er rund 13 und in Korea sogar fast 30 Kilogramm.

Entsprechend gering ist auch der einheimische Anbau. Hierzulande wachsen Rettiche lediglich auf 800 Hektar. Spitzenreiter ist Rheinland-Pfalz mit 393, gefolgt von Bayern mit 154 Hektar.

Dass die scharfe Wurzel hierzulande so wenige Freunde hat und nur als Biergarten-Knabberrohkost einigermaßen Anerkennung findet, ist schon deshalb verwunderlich, weil bereits ein Rettich den Vitamin-C-Tagesbedarf eines Erwachsenen deckt. Dazu liefert er reichlich Kalium, Natrium, Magnesium, Kalzium und Eisen und die enthaltenen Senföle sind in der Lage, Bakterien und Pilzen Paroli zu bieten. Besonders bei bakteriellen Atemwegserkrankungen ist der Rettich deshalb eine effektive Alternative zu diversen Antibiotika aus der Apotheke.

Mein Plädoyer für das gesunde Kreuzblütengewächs richtet sich deshalb vor allem an die Köche, mehr aus dem Rettich zu machen. Siehe Flamingo Fresh Food Bar, Seiten 100 bis 101.

www.dieter-fuhrmann.de

Roger und David Thiel, v. li.

Bilder aus der Flamingo Fresh Food Bar aus der Zeit vor der großen Krise. Der 47-jährige Hotelfachmann Roger Thiel, geboren im südafrikanischen Johannesburg, Ausbildung im Fürstenhof Celle in Niedersachsen und sein Partner David Thiel, 41, gebürtiger Thüringer und ebenfalls Hotelfachmann, gründeten Anfang Dezember 2010 nahe des Bahnhofs Friedrichstraße einen kulinarischen Ort, dessen Konzept in die Zeit und an diesen Platz passte.

Roger und David Thiel wagten den Spagat zwischen schnell und gut und meisterten ihn mit Bravour. Marktfrische Produkte in erstklassiger Qualität sind Grundvoraussetzung ihrer hochwertigen und geschmacksintensiven Bistroküche – hinzu kommen Spaß, Fantasie und handwerkliches Können. Das Ergebnis sind originelle Salatkreationen, schweineleckere Sandwiches, Omeletts, Pancakes, Joghurts, Müslis und Quarkzubereitungen. Außerdem gibt es täglich zwei Hauptgerichte und – die Spezialität von Küchenchef David Thiel und seiner Mannschaft – mindestens drei Suppen.

Küchenchef David Thiel.

„Das Geheimnis bei all unseren Offerten ist der Wechsel“, so Gastgeber Roger Thiel und nennt Blumenkohl-Kokossuppe mit Blattspinat, Grüne Erbsen-Minzsuppe mit gebratenem Haloumi, Steckrüben-Möhreneintopf mit Chorizo und Schmand sowie – womit wir wieder bei unserem Thema wären – Zucchini-Rettichsuppe mit Laugencroûtons. „Wir sind beide Rettichfans“, so David Thiel, „zum einen, weil die Wurzel so angenehm erfrischend schmeckt und zum anderen, weil sie sehr vitaminreich ist, reichlich Mineralstoffe enthält und antibakteriell wirkt.“ Auf die ernährungsphysiologische Theorie folgt die kulinarische Praxis, Teil zwei: ein frisch gepresster Saft aus Apfel, Orange, Gurke, Karotte, Minze und – Rettich!

Bei unserem Besuch im Februar drängten sich noch Büromenschen und Berlintouristen in der Bar, deren Namensgeber übrigens der berühmte rote Flamingo aus der Feder des amerikanischen Ornithologen und Zeichners John James Audubon (1785 – 1851) ist.

Heute, sechs Wochen später, sind auch hier die Herde kalt. „Auf Grund der Umstände haben wir unser Restaurant am 18. März vorsorglich geschlossen“, hört man vom Anrufbeantworter. Wie allen Berliner Gastronomen bleibt auch Roger und David Thiel nur die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise.

FLAMINGO FRESH FOOD BAR

Neustädtische Kirchstraße 8 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 – 83 21 88 65 www.flamingo-freshfood.de

Alles für Jeden: Profi- oder Hobbykoch.

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