Grafik: Alessandro Holler/Quaint
J AHRGANG 10 | AUSGABE 1, 2017
SCHWERPUNKT | SEITE 5
ÜBER DEN TELLERRAND | SEITE 28
BACKGROUND | SEITE 32
Komplikationen.
Herzregeneration.
Membranen.
Schwierige Situationen aus dem Praxisalltag und wie man sie bewältigt.
Ein im Molch entdeckter Reparaturmechanismus und was er für den Menschen bedeutet.
Das Wundermolekül Kollagen und wie es dem Körper dabei hilft, sich selbst zu helfen.
2
Geistlich News 01 | 2017
INHALT
Ausgabe 1 | 2017 EDITORIAL
4
We Care SCHWERPUNKT
5
Risiken und Komplikationen.
6
Bisphosphonate – eine Kontraindikation für Augmentationen? Prof. Bilal Al-Nawas | Deutschland
10
Risikomanagement beim Sinuslift Adj. Prof. Dr. Michael R. Norton | England
13
Behandlung von Periimplantitis: «Ausbildung ist alles!» Prof. Stuart J. Froum | USA
17
Augmentationsverfahren für ältere Patienten Prof. Zhuofan Chen, Dr. Zhipeng Li | China
20
Weniger Komplikationen bei großen Augmentationen Prof. Jaime Lozada | USA
22
Transplantatverlust durch Alveolitis – Fallbeispiel PD Dr. Michael Stimmelmayr | Deutschland
JOURNAL CLUB
24
Meilensteinstudien.
24
Zähne extrahieren oder erhalten? Prof. Giovanni E. Salvi | Schweiz
ÜBER DEN TELLERRAND
28
Ein neues Molchherz. GEISTLICH PHARMA | OSTEOLOGY STIFTUNG
31
Background.
32
«Unser Körper braucht geschützten Raum»
35
Geistlich Bio-Gide® Compressed: Ein spürbarer Unterschied
36
Kleinere Knochenaugmentationen – neue Broschüre da
37
Geistlich setzt Webinarserie fort
38
Geistlich-Blog «The Regeneration Expert»
40
Ein weltumspannendes Netzwerk in der oralen Regeneration
42
In Mailand mit Giulio Rasperini
21
Impressum
INTERVIEW
Geistlich News 01 | 2017
3
EDITORIAL
We care
Sichtbar wird unser Engagement auch durch ein ausgebautes Geistlich-Team für Training & Education. Unsere Fachleute hinterfragen bestehende und erarbeiten neue Tools und Methoden, um unser Wissen in adäquaten Trainingsund Bildungsmodulen anzubieten. In der passenden Form, richtig portioniert und zum gewünschten Zeitpunkt. Wir bauen unsere Kompetenzen in einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern und Anwendern laufend aus. Ihr Engagement, unser gemeinsames Engagement, mündet letztlich in das Streben nach dem Patientenwohl. Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich wünsche Ihnen ein paar interessante und lesenswerte Einblicke in unseren Themenschwerpunkt «Risiken und Komplikationen» – mit positiven Nebeneffekten.
Dietrich Bonhoeffer weist mit seinem Zitat in die richtige Richtung: «Den grössten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.» Ich stimme dem zu. Wir bei Geistlich machen uns stark dafür, Risiken zu minimieren und Ihnen unsere Erfahrung weiter zu geben. Konkret bedeutet dies: Wir nehmen unsere Verantwortung als Aus- und Weiterbildner ernst. In Form von Vorträgen, Workshops und Webinars vermitteln wir unser Wissen aus erster Hand. Denn ist nicht genau dies das beste Rezept zur Reduktion von Komplikationen? Wir sind überzeugt, dass wir damit einen sinnvollen und praxisrelevanten Beitrag leisten können.
4
Geistlich News 01 | 2017
Mario Mucha Chief Operating Officer
SCHWERPUNKT
RISIKEN UND KOMPLIKATIONEN.
Geistlich News 01 | 2017
5
Grafik: Alessandro Holler/Quaint
Schwierige Situationen kommen in jedem Praxisalltag vor – etwa Nahtdehiszenzen oder Rezessionen an Implantaten. Wie lassen sich Risiken früh erkennen, wie Komplikationen verhindern?
SCHWERPUNKT
Bisphosphonate – eine Kontraindikation für Augmentationen? Prof. Bilal Al-Nawas | Deutschland Universitätsmedizin der Universität Mainz Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Mainz
Nicht alle Patienten unter antiresorptiver Therapie haben ein hohes Risiko für Kiefernekrosen. Bei wem eine Implantation möglich ist und worauf der behandelnde Zahnarzt unbedingt achten sollte.
benwirkungen nimmt mit verlängerter Wirkdauer zu. Dies trifft ebenso auf einige neuere Wirkstoffe zu, die derzeit auf dem Markt respektive in der Erprobung sind. Eine Auswahl ist in Abbildung 1 dargestellt. Diese Effekte gilt es bei der Therapieplanung unbedingt zu beachten.
Kiefernekrosen sind anfangs schmerzfrei Bishosphonate erlangten eine relevante Bedeutung in der Zahnmedizin, als vor ca. 15 Jahren die ersten Berichte auftauchten, die diese Medikamente mit Knochennekrosen in Verbindung
Abb. 1: Wirkweisen der Stoffe, die derzeit auf dem Markt oder in Erprobung sind
Bisphosphonate und andere Antiresorptiva werden seit vielen Jahren bei unterschiedlichen Knochenerkrankungen eingesetzt. Allen Bisphosphonaten ist gemein, dass sie das Knochenremodelling deutlich verlangsamen, bzw. vermindern. Auf diese Weise tragen sie zur Stabilisierung der Knochenstruktur und damit Verhinderung von Frakturen beispielsweise bei Osteoporose bei. Außerdem werden sie eingesetzt, um bei Tumorerkrankungen die Symptomatik skelettaler Metastasen zu beherrschen, sowie neuerdings bei Mammakarzinom, Prostatakarzinom und multiplem Myelom präventiv schon vor dem Auftreten von Metastasen. Wer Patienten mit diesen Erkrankungen behandelt, muss vor chirurgischen Maßnahmen gezielt nach Antiresorptiva fragen. Bisphosphonate kumulieren im Knochen, und die Zahl der Ne-
6
Geistlich News 01 | 2017
Bisphosphonate (z.B. Alendronat, Zoledronat) > positive Knochenbilanz durch verkürzte Lebensdauer von Osteoklasten und Einfluss auf Osteoblasten, Fibroblasten und Zellen der Angiogenese.16 Kumulation der Wirkung über die Zeit.
RANK-Ligand Antagonisten (z.B. Denosumab)17 > positive Knochenbilanz durch Hemmung der Rückkopplung zwischen Osteoblast und Osteoklast. Keine Kumulation der Wirkung über die Zeit.
Cathepsin-K-Hemmer (z.B. Odanacatib) > positive Knochenbilanz durch Hemmung von Proteasen, die in Osteoklasten für den Abbau der kollagenhaltigen Knochenmatrix verantwortlich sind (Cathepsine). Bislang keine Osteonekrosen bekannt.
Angiogenesehemmer (Bevacizumab, Sunitinib) > Bindung an Wachstumfaktor VEGF und dadurch Unterdrückung der Gefäßneubildung. Vergleichbar hohe Rate an Osteonekrosen wie bei Bisphosphonaten.
SCHWERPUNKT
Abb. 2: Niedrige vs. hohe Nekroseprävalenz
0.1 %
5–20 %
Patienten mit Tumorerkrankung Prävalenz für eine Knochennekrose: 5–20 %14,15
Patienten mit primärer Osteoporose Prävalenz für eine Knochennekrose: 0.1 % (unabhängig davon, ob mit oralem oder intravenösem Bisphosphonat oder Denosumab therapiert wurde12,13)
brachten. Da es sich häufig um multimorbide Patienten, zum Beispiel Tumorpatienten, handelte, war anfangs nicht klar, ob das Bisphosphonat oder die Chemotherapie die Knochennekrose auslöst. Mittlerweile besteht Konsens darüber, dass Bisphosphonate, insbesondere nach längerer Gabe, bei disponierten Patienten Knochennekrosen hervorrufen können. Typisch und diagnostisch kritisch ist, dass diese Nekrosen anfangs schmerzfrei auftreten und sich nur durch freiliegenden Knochen bemerkbar machen. Erst sekundäre Komplikationen, wie beispielsweise eine Infektion, führen dann zur Schmerz-Symptomatik. Dies hat initial dazu geführt, dass im Rahmen pharmakologischer Studien wegen der fehlenden enoralen Untersuchung die Rate der Knochennekrosen unterschätzt wurde. Die zugrundeliegende Symptomatik hat zur
weltweit anerkannten Definition der drei Stadien der Kiefernekrose durch die American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons (AAOMS) geführt.19 Die unterschiedliche Prävalenz von Kiefernekrosen bei Osteoporosepatienten und onkologischen Patienten ist in Abbildung 2 illustriert.
Mehr Infektionen bei marginaler Parodontitis In den letzten Jahren ist eine hochkomplexe Diskussion um die Entstehung dieser Nekrosen entstanden. Galt zunächst die Zahnextraktion als Auslöser, so geht man heute davon aus, dass bereits vor der Extraktion knöcherne Veränderungen zu finden sind und die Zahnextraktion nur zur klinischen Symptomatik beiträgt (Abb. 3 und 4).
In diesem Zusammenhang ist es höchst interessant, dass insbesondere die marginale Parodontitis mit einer erhöhten Infektions- bzw. Nekroserate einherzugehen scheint.1 Bestätigt wird diese Beobachtung durch eine Reihe epidemiologischer Studien. Vereinfach gesagt könnte es so sein, dass das fehlende marginale Remodelling bei parodontologischen Infektionen zur Nekrose und Sequestrierung führt.2,3 Es ist allerdings überraschend, dass apikale Entzündungen relativ selten eine endodontisch bedingte Nekrose auszulösen scheinen. Einige Autoren vermuten eine Veränderung des pH-Wertes mit Freisetzen der Bisphosphonate aus dem Knochen als Ursache der Nekrosen.4 Auch spezifische Infektionen, wie Aktinomyceten, wurden verantwortlich gemacht.5 Letztlich ist die Ursache der Nekrosen jedoch ungeklärt – insbesondere die Tatsache,
Geistlich News 01 | 2017
7
SCHWERPUNKT
FALL 3
6
7
Fotos: Bilal Al-Nawas
5
4
dass sie praktisch ausschließlich am Kieferknochen auftreten.
Implantation und Augmentation Es ist wichtig, bei der Behandlungsplanung zwischen Patienten mit hohem und mit niedrigem Risiko für eine Kiefernekrose zu unterscheiden, wie in Abbildung 2 dargestellt. In einer Reihe von Fall-Kontrollstudien und Kohortenstudien konnte schon früh gezeigt werden, dass die Implantateinheilung bei Patienten unter Bisphosphonattherapie und niedrigem Risikoprofil problemlos abzulaufen scheint.6 Auch Augmentationsverfahren sollten bei niedrigem Risiko komplikationslos durchführbar sein. Bei Hochrisiko-Patienten ist die Indikation für eine implantologische Versorgung hingegen wegen des Nekroserisikos extrem zurückhaltend zu stellen. In der Literatur sind Fälle beschrieben, in denen eine Implantation eine Knochennekrose auslöste.7 Abbildung 5 und 6 zeigen die Situation nach
8
Geistlich News 01 | 2017
Implantatverlust mit Knochennekrose eindrucksvoll. Diese Fallberichte betreffen im wesentlichen Patienten mit hohem Risiko. Interessant ist aber auch die Frage, wie Implantate langfristig bezüglich des Nekroserisikos zu bewerten sind. Auch dazu gibt es nur relativ wenig Studiendaten. Geht man jedoch davon aus, dass eine marginale Parodontitis am Zahn zu Knochennekrosen führen kann, so ist könnte dies auch von einer periimplantären Entzündung zu erwarten sein.
3 Patientin mit Brustkrebs und Knochenmetastasen. Zoledronat intravenös seit drei Jahren. Zustand nach Extraktion von Zahn 45 vor 14 Tagen. Klinisch zeigt sich die fistelnde Entzündung. 4 Intraoperative Situation derselben Patientin, die das Ausmaß der Nekrose sowie die Tatsache zeigt, dass die Nekrose auf den marginalen Knochen beschränkt bleibt und wohl schon vor der Extraktion bestand. 5 Patientin mit primärer Osteoporose, Ibandronsäure seit sieben Jahren. Es zeigt sich eine antibiotisch nicht beherrschbare Knochenentzündung (BPONJ) in regio 43 ca. sechs Monate nach Implantation in regio 33 und 43. 6 OPG-Aufnahme derselben Patientin mit Zeichen der Knochenentzündung. 7 Patientin mit Mammakarzinom unter Zoledronat; Osteonekrose durch Tragen einer tegumental gelagerten Prothese.
Abschätzung des Risikos
lung nach einer Zahnextraktion Aufschluss über die Knochenphysiologie geben. Radiologisch persistierende Alveolen mit erhaltener Lamina dura gelten als Zeichen herabgesetzten Knochenremodellings und damit als Zeichen für ein hohes Nekroserisiko.
Lange Zeit stand die Suche nach einem einfachen Laborparameter zur Abschätzung des Nekroserisikos im Vordergrund. Das Kollagen Typ I Telopeptid CTX wurde von einigen Autoren als Kandidat gehandelt.8 Die prognostische Aussagekraft bezüglich des Entstehens einer Knochennekrose gilt jedoch als beschränkt und die Messung wird in der Praxis kaum mehr durchgeführt.9 Letztlich kann natürlich die klinische und radiologische Hei-
«Drug holiday» – ja oder nein? Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema stellt die Frage der Bisphospho-
SCHWERPUNKT
natpause («drug holiday») dar. Bedenkt man die oben genannten direkt hemmenden Effekte des Bisphosphonates auf Fibroblasten und Gefäßbildung und korreliert man dies mit der individuellen Erholung der CrossLaps-Spiegel (CTX-Spiegel)8, so spricht bei Osteoporose-Patienten vieles für eine befristete Bisphosphonatpause. In der Onkologie verbietet sich dieses Vorgehen meist. Was die zeitliche Dauer der Pause betrifft, so gehen die meisten Autoren von drei Monaten vor der chirurgischen Maßnahme aus. Bisher liegt jedoch keine Evidenz vor, die den Erfolg einer Bisphosphonat-Pause belegen würde. Hier steht also «klinisches Gefühl» gegen fehlende «wissenschaftliche Evidenz».10
Zukünftige Entwicklungen: Implantate statt Prothese? Geht man davon aus, dass auch die Verletzungen der Schleimhaut durch tegumental getragenen Zahnersatz zu Nekrosen und freiliegendem Knochen führen können, so wäre es durchaus denkbar, Implantate auch im Sinne der Prävention einer Knochennekrose einzusetzen (Abb. 7). Ähnlich wie bei Pa-
tienten mit Strahlentherapie erscheint es sinnvoll, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten.
Bisphosphonate auf Implantaten? Bisphosphonate, meist als lokale Beschichtung der Oberflächen, werden seit vielen Jahren in der Weiterentwicklung von Knochenersatzmaterialien eingesetzt. Aufgrund des verlangsamten Remodellings kommt es durch die Beschichtung zu einer höheren Knochenanlagerung an das Knochenersatzmaterial.11 Ob Bisphosphonate schädlich oder nützlich sind, scheint also über die Dosis bestimmt zu werden. Nachdem in den letzten Jahren Bisphosphonate eher negativ gesehen wurden, könnte sich nun wieder eine objektive Annäherung an die Problematik ergeben.
antiresorptiver Therapie geplant, müssen der chirurgische Erfolg (Implantateinheilung) und das Vermeiden von Nekrosen gegeneinander abgewogen werden. Eingriffe sollten unter antibiotischer Abschirmung und riskoadaptiert durchgeführt werden. Auf der Basis systematischer Reviews6 gibt es keinen Grund, eine Kontraindikation für Implantate bei Bisphosphonattherapie und niedrigerem Risikoprofil zu sehen. Patienten mit hohem Risiko sollten relativ zurückhaltend therapiert werden.
Referenzen 1
Pabst AM, et al.: Clin Oral Investig 2014; 18(3): 1015–22.
2
Thumbigere-Math V, et al.: J Periodontol 2014; 85(2): 226–33.
3
Ristow O, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2014; 72(5): 903–10.
4 Ristow O, et al.: Br J Oral Maxillofac Surg 2014; 52(4): 308–13. 5
Otto S, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2010; 68(5): 1158–61.
6 Rugani P, et al.: Clin Oral Investig 2014; 18(2): 401–07. 7
Walter C, et al.: International Journal of Implant Dentistry 2016; 2(1): 1–15.
8
Groetz KA, Al-Nawas B: 2013 [Available from: https://www.dginet.de/web/dgi/laufzettel-bisphosphonate].
Schlussfolgerungen Eine aktive zahnärztliche Prophylaxe vor einer Behandlung mit Antiresorptiva ist sinnvoll, um späteren Osteonekrosen vorzubeugen. Sind chirurgische Massnahmen bei Patienten unter
Leitlinien zum Thema «Implantologie und anti-resorptive Therapie»
Die S3-Leitline «Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva» (inkl. Bisphosphonate), AWMF-Registernummer 083-026, findet sich unter dem QR-Code links.18
Ein nützlicher «Laufzettel zur Risikoabschätzung» für die implantologische Behandlung von Patienten unter antiresorptiver Therapie findet sich unter dem QR-Code links.8
Unter dem QR-Code links lässt sich das Positionspapier der American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons lesen und herunterladen.19
9 Hutcheson A, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2014; 72(8): 1456–62. 10 Flichy-Fernandez AJ, et al.: Med Oral Patol Oral Cir Bucal 2012; 17(3): e367–70. 11 Hasegawa T, et al.: J Craniomaxillofac Surg 2013; 41(7): 558–63. 12 Boff RC, et al.: Arch Oral Biol 2014; 59(8): 790–99. 13 Lo JC, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2010; 68(2): 243–53. 14 Qi WX, et al.: International Journal of Clinical Oncology 2014; 19(2): 403–10. 15 Walter C, et al.: Eur Urol 2008; 54(5): 1066–72. 16 Stopeck AT, et al.: J Clin Oncol 2010; 28(35): 5132–39. 17 Wang Z, et al.: Osteoporos Int 2014; 25(8): 2109–16. 18 Grötz KA, et al.: 2016, AWMF Registernummer: 083-026, 2016 [Available from: http://www. awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/083-026l_S3_ Zahnimplantate_Knochenantiresorptive_Bisphosphonate_2016-11.pdf] 19 Ruggiero SL, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2014; 72(10): 1938–56. [Available from: http://media. onj.nu/2013/08/AAOMS-Position-paper-ONJ_2014.pdf]
Geistlich News 01 | 2017
9
SCHWERPUNKT
Risikomanagement beim Sinuslift Adjunct Prof. Dr. Michael R. Norton | England University of Pennsylvania, USA School of Dental Medicine Private Praxis in London
Bei einem Sinuslift kann es Komplikationen durch Membranperforation durch eine Perforation der Schneiderschen Membran In einem kürzlich im Journal of Craniozu einer Reihe von Komplifacial Surgery2 veröffentlichten Artikationen kommen. Wie kann kel wurde das Risiko von Komplikationen als «recht niedrig» bezeichnet. man sie vermeiden? Was tun Dennoch war eines der häufigeren bei einer perforierten Mem- Probleme der Zahnheilkunde neben anderen Folgeerkrankungen nach eibran? Seit der Sinus Consensus Conference der Academy of Osseointegration vor zwanzig Jahren gilt der Sinuslift als sehr gut vorhersagbares Verfahren.1 In dem Ergebnisbericht der Konferenz wurde festgestellt, dass bei fast 3000 Implantaten mit Sinuslift der Implantaterfolg nach zehn Jahren bei 90 % lag. Grundsätzlich besteht jedoch das Problem, dass es zwar viele Studien zur Beurteilung des Erfolgs von Implantaten mit Sinuslift gibt, jedoch nur wenige Studien, die sich speziell mit dem Erfolg des Sinuslifts selbst beschäftigen. Unter anderem aufgrund der Empfindlichkeit der Schneiderschen Membran sowie des Risikos einer Perforation, einer postoperativen Infektion und des Verlustes des Augmentats ist die Sinusbodenaugmentation nach wie vor eines der technisch anspruchsvolleren Verfahren.
10
Geistlich News 01 | 2017
nem Sinuslift das Versagen von Implantaten aufgrund eines unbeabsichtigten teilweisen oder vollständigen Eindringens der Implantate in die Kieferhöhle. Um derartige Komplikationen zu vermeiden, wurden in der Literatur sowohl zu parodontologischen3 als auch zu oralen-maxillofazialen4 Themen klinische Empfehlungen veröffentlicht. Die in der Literatur bei weitem am häufigsten genannte Komplikation ist die Perforation der Schneiderschen Membran, über die in ungefähr 7–40 % der Fälle berichtet wurde.4-7 Von größerem Interesse sind jedoch die Komplikationen durch Membranperforationen sowie die Inzidenz derartiger Komplikationen. In einer aktuellen Studie von 200 aufeinanderfolgenden Sinuslifteingriffen kam es bei 25,7 % dieser Eingriffe zu einer Perforation und bei 14,9 % dieser Gruppe kam es zu weiteren postoperative Komplikationen, darunter neun
Mal (4,5 %) zu Wundinfektionen, Abszessbildung oder Dehiszenz mit Ausfluss, sechs Mal (3 %) zu einer Sinusitis, sechs Mal (3 %) zu einem Aufbrechen der Wunde mit Augmentatfreilegung und zwei Mal (1 %) zu einem Totalverlust des Augmentats.4 In einer anderen Studie mit 359 Eingriffen zur Sinusaugmentation wurde in 41.8 % der Fälle von einer Perforation berichtet.6 11,3 % dieser Perforationen führten zu einem vollständigen Versagen des Augmentats. Blieb die Membran hingegen intakt, versagte das Augmentat nur 3.4% der Fälle. Von den Kieferhöhlen, bei denen sich eine Sinusitis oder Sekundärinfektion entwickelte, die antibiotisch behandelt werden musste, wiesen 85 % eine Membranperforation auf. Eine Membranperforation gilt nicht unbedingt als eine besonders schwerwiegende Komplikation, sie ist jedoch eine potenzielle Eintrittspforte für schwerwiegendere Folgeerkrankungen, die zu einem Augmentatversagen führen können. Daher sollte eine Membranperforation immer ernst genommen werden und Zahnärzte sollten vor einem Eingriff beurteilen können, wie hoch das Risiko einer Perforation ist, um geeignete Vorsichtsmaßnahmen ergreifen zu können. Intraoperative risikosenken-
SCHWERPUNKT
DICKE DES BUKKALEN KORTEX
Dünne Wand (weniger als 1,0 mm) ➝ verringertes Risiko
SINUSVERSCHATTUNG
Lund-Mackay-Klassifizierung (Score)9 0 = keine Auffälligkeiten 1 = partielle Verschattung 2 = totale Verschattung
MEMBRANDICKE
Von 1,0 mm bis 1,5 mm ➝ niedrigstes Risiko einer Perforation <10 %5,15,16 Dünner als 1,0 mm oder dicker als 2,0 mm ➝ höheres Risiko einer Perforation 20 %–40 %5,15,16
KNOCHENHÖHE USW.
Je größer die Restknochenhöhe, desto höher der Sinusboden und desto schwieriger die Instrumentierung und höher das Risiko.
SINUSMORPHOLOGIE
Eine vs. mehrere Kammern, glatter vs. welliger Boden, vorhandene vs. fehlende Wurzeln, breites vs. schmales Antrum. ➝ Je höher die Komplexität, desto höher die Komplikationsrate.
JOCHBEINPFEILER SEPTEN
Höhe, Breite, Anzahl, Lage und Winkel der Septae beeinflussen die Komplikationsrate17–19
Je anteriorer die Jochbeinpfeiler liegen und je stärker sie gebogen sind, desto schwieriger ist die posteriore Instrumentierung. Ein sehr weit vorstehender Pfeiler liegt jedoch häufig der bukkalen Wand fazial gegenüber und ermöglicht so einen leichteren Zugang.
Abb. 1: Faktoren, die das Komplikationsrisiko für eine Sinusbodenelevation erhöhen
de Verfahren können ebenfalls hilfreich sein, um die Größe von Membranperforationen auf <5 mm zu begrenzen oder, noch wichtiger, ein vollständiges Abstoßen der Membran zu verhindern.
Risiken vermeiden Vor allem sollte die präoperative Planung CT-basiert erfolgen,8 und nicht nur eine dreidimensionale Darstellung der Sinusmorphologie liefern, sondern auch Aufschluss über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von zusätzlichen Risikofaktoren geben. Septen, die Dicke der Sinusmembran, der Grad der Verschat-
tung des Sinus, die Dicke des bukkalen Kortex, die Restknochenhöhe und die Lage der Jochbeinpfeiler können das Risiko für eine Sinusperforation beeinflussen – für weitere Einzelheiten siehe Abbildung 1. Die Kieferhöhlen können maxillar, frontal sowie in Bezug auf die Siebbeinzellen und Keilbeinhöhlen mit Hilfe der Lund-Mackay-Klassifizierung nach einen Punktesystem bewertet werden, um einen Gesamtwert für die Diagnose eines Patienten zu ergeben9; außerdem kann dem ostiomeatalen Komplex, der eine große Bedeutung für die Belüftung und den Sekretabfluss aus den Höhlen des Schädels hat, ein Wert von 0 oder 2 zugeordnet werden. Eine 3D-Beurtei-
lung ist die einzige Möglichkeit, um zu einer gründlichen Risikobewertung zu gelangen. Außerdem kann die 3D-Bildgebung dazu dienen, das Risiko des Reißens oder Hängenbleibens des bukkal durch den Kieferkanal verlaufenden Arterienasts zu beurteilen, das zu erheblichen Blutungen führen kann.10 Blutungen können ebenfalls die Sicht beeinträchtigen und auf diese Weise das Risiko für eine Membranperforation weiter erhöhen. Die Patienten sollten immer über diese Komplikationsrisiken aufgeklärt werden, insbesondere über die Epistaxis (Nasenbluten), da in diesem Fall in der Regel Blut durch das Osteum und aus der Nase heraus läuft.
Geistlich News 01 | 2017
11
SCHWERPUNKT
Begrenzung der Perforationsgröße
Foto: Michael Norton
Auch bei bester Planung und Vorbereitung kann es zu Perforationen kommen. Eine einfache, aber wirkungsvolle Methode zur Begrenzung der Größe von Sinusperforationen besteht in der Anwendung eines so genannten «Isolationsprotokolls» beim ersten Auftreten einer Perforation. In der Regel tritt eine Perforation in der Nähe des Randes eines Knochenfensters auf und die erste wichtige Aufgabe besteht daher darin, ein zweites Fenster in einiger Entfernung vom ersten Fenster zu präparieren, so dass die Perforation in der Mitte des erweiterten zweiten Fensters liegt. Dabei ist darauf zu achten, direkt um die Perforation herum keinen Knochen zu entfernen, da dies in der Regel zu einer Vergrößerung der Perforation führt. Vor dem Anheben der Membran sollte die Perforation partiell mit Geistlich Bio-Gide® Membran abgedeckt werden. Es wird diskutiert, ob die Schneidersche Membran für die Neubildung von Knochen notwendig ist, daher empfiehlt es sich, eine voll-
Perforation der Schneiderschen Membran
12
Geistlich News 01 | 2017
ständige Abdeckung der Schneiderschen Membran mit Geistlich Bio-Gide® zu vermeiden, damit das endostale Gewebe das anschließend applizierte Augmentat Geistlich Bio-Oss ® berühren und die native Knochenbildung fördern kann. Die Membran sollte in einiger Entfernung von der Perforation und um diese herum angehoben und nach und nach gelöst werden, um sicherzustellen, dass die Perforation von gesunder Membran umgeben ist, wobei die Perforation wiederum durch eine Geistlich Bio-Gide® Membran abgedeckt werden sollte.
Postoperative Verdickung der Membran Eine angehobene Schneidersche Membran wird sich postoperativ erheblich verdicken. In einer aktuellen Studie betrug die Dicke der Membran vor der Operation 0,73 mm, sieben Tage nach dem Eingriff hatte sich die Membran auf 7,0 mm verdickt.11 Die Verdickung war signifikant und es dauerte mehrere Monate, bis die Membrandicke wieder den Ausgangswert erreicht hatte. Die Verdickung korrelierte direkt mit dem Ausmaß der Sinuselevation. Eine Verdickung kann potenziell zwei Auswirkungen haben: günstigenfalls kann sie den Verschluss von kleineren Perforationen fördern, schlimmstenfalls kann sie das Augmentationsmaterial aus dem Zugangsfenster herausdrücken und so dessen Volumen verringern. Daher sollte das Zugangsfenster unbedingt mit einer zweiten Kollagenmembran abgedeckt werden und es könnte auch sinnvoll sein, die Membran mit Pins zu sichern, um ein Herausdrücken des Augmentationsmaterials zu verhindern.
Einsatz von Antibiotika Ein abschließender Tipp ist die Rehydrierung von Geistlich Bio-Gide® und Geistlich Bio-Oss® in einer Tetracyclin-Lösung aus 1 g Tetracyclin in 20 ml steriler Kochsalzlösung. Tetracyclin bildet sehr starke Chelatkomplexe mit Hydroxylapatit, und Geistlich Bio-Oss® kann bei diesem Breitbandantibiotikum als Träger für eine langsame Freigabe dienen.12 Es gibt Nachweise, dass Tetracyclin zudem den Abbau von Geistlich Bio-Gide® verlangsamen und auf diese Weise die Dauer der Barrierefunktion verlängern kann.13,14
Referenzen 1
Jensen OT, et al.: Int J Oral Maxillofac Implants 1998; 13 Suppl: 11–45.
2
Boffano P, Forouzanfar T: J Craniofac Surg 2014; 25: e210–12.
3
Greenstein G, et al.: J Periodontol 2008; 79: 1317–29.
4 Moreno Vazquez JC, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2014; 72: 892–901. 5
Lin YH, et al.: Clin Oral Implants Res 2016; 27: 612–17.
6 Nolan PJ, et al.: J Oral Maxillofac Surg 2014; 72: 47–52. 7
Becker ST, et al.: Clin Oral Implants Res 2008; 19: 1285–89.
8
Torretta S, et al.: Clin Oral Implants Res 2013; 24: Suppl A100: 57–62.
9 Rosano G, et al.: Clin Oral Implants Res 2011; 22: 711–15. 10 Hopkins C, et al.: Otolaryngol Head Neck Surg 2007; 137: 555–61. 11 Makary C, et al.: Int J Oral Maxillofac Implants 2016; 31: 331–17. 12 Dashti A, et al.: J Biomed Mater Res & Appl Biomater 2010; 93: 394–400. 13 Moses O, et al.: J Periodontol 2001; 72: 1588–93. 14 Zohar R, et al.: J Periodontol 2004; 75(8): 1096–101. 15 Wen SC, et al.: Clin Oral Implants Res 2015; 26: 1158–64. 16 Insua A, et al.: Clin Oral Implants Res 2016. [Epub ahead of print]. 17 Lee WJ, et al.: J Periodontal Implant Sci 2010; 40: 56–60. 18 Kim MJ, et al.: J Periodontol 2006; 77: 903–08. 19 Bornstein MM, et al.: Int J Oral Maxillofac Implants 2016; 31: 280–87.
SCHWERPUNKT
Behandlung von Periimplantitis: «Ausbildung ist alles!» Prof. Stuart J. Froum | Vereinigte Staaten Direktor Klinische Forschung New York University, Department of Periodontology Private Praxis in New York Das Interview führte Todd Scantlebury
Prof. Stuart Froum behandelt seit zwanzig Jahren Periimplantitis-Patienten. Die Ergebnisse seiner langjährigen Erfahrung mit dieser Infektion wurden kürzlich veröffentlicht. Prof. Froum, wann haben Sie begonnen, sich für Periimplantitis zu interessieren? Prof. Froum: In den 1990er und frühen 2000er Jahren waren die Erfolgsraten der Implantate hoch – dank intelligenter Forschung, wissenschaftlicher Nachweise und vorhersagbarer Behandlungsprotokolle von Prof. Branemark und anderen. Die Anwendung wuchs im zweistelligen Bereich, sowohl in Bezug auf die Anzahl der eingesetzten Implantate, als auch in Bezug auf die Zahnärzte, die diese Verfahren durchführten. In dieser Zeit begannen auch die Überweisungen problematischer Fälle an unsere Praxis. Weil eine periimplantäre Erkrankung wie eine parodontale Erkrankung aussah, befassten sich bei uns die Fachleute für die Behandlung von Parodontitis mit diesen Fällen. Als Parodontologe und Ausbilder interessierte mich dieser Bereich, mir war aber auch
klar, dass es einige Zeit und sehr viel Arbeit kosten würde, vorhersagbare Lösungen zu finden. Bei der Periimplantitis bestand die Schwierigkeit zunächst jedoch darin, das Problem, das niemand als solches wahrnahm, überhaupt zu erkennen, bevor man beginnen konnte, Lösungen zu entwickeln. Sie haben die American Academy of Periodontology (AAP), die US-amerikanische Gesellschaft für Parodontologie, darin bestärkt, Leitlinien zu verabschieden und ein Positionspapier zu veröffentlichen. Prof. Froum: Ja, das war ein erster Schritt. Die EFP (European Federation of Periodontology) und die EAO (European Association for Ossointegration) haben ähnliche Schritte unternommen, um zu einem Konsens in Bezug auf die Definition, Ätiologie und Therapie der Erkrankung zu gelangen. Es war nicht leicht, die Verbände und Vereinigungen und dann wiederum die Zahnärzte und die Branche dazu zu bewegen, das Problem anzuerkennen und klar zu definieren. Tatsächlich zweifelte erst kürzlich in einem Leitartikel eine Reihe von bekannten Forschern an, dass es sich bei der Periimplantitis überhaupt um eine Erkrankung handelt.4 Wir wissen, dass in der allgemeinen Patientenpopulation bei rund 10 % der
Implantate und rund 20 % der Patienten eine Periimplantitis auftritt – allerdings wohl nicht in allen Zentren mit der gleichen Prävalenz – und das ist ein wichtiger Unterschied.5 Doch seien wir ehrlich: Implantate waren die Gans, die goldene Eier gelegt hat – und niemand wollte den Korb umstoßen, in dem diese Eier gesammelt wurden! Daher haben wir und andere begonnen, Texte zu veröffentlichen, in denen das Problem beschrieben, Inzidenz und Prävalenz behandelt und über Tests von potenziellen Behandlungslösungen berichtet wurden. Mittlerweile gibt es Definitionen für periimplantäre Mukositis und Periimplantitis und – noch nützlicher! – es wurde eine Vorschlag für eine gestaffelte Klassifikation der Erkrankung veröffentlicht (Tabelle 1).6 Ihre erste Konferenz zum Thema Implantatkomplikationen fand im Jahr 2012 in New York statt. Danach haben Sie noch drei weitere Konferenzen zu diesem Thema abgehalten. Wie war die Resonanz? Prof. Froum: Die Anmeldungsliste unserer ersten Konferenz war nach nicht einmal sechs Wochen voll. Da wussten wir, dass wir etwas anboten, was Zahnärzte brauchten. Zur zweiten und dritten Konferenz kamen über 400 bis 500 Zahnärzte.
Geistlich News 01 | 2017
13
SCHWERPUNKT
Seitdem bewegen wir uns auf den Wendepunkt zu, ab dem wir lehren und uns auf einen Konsens zu den Themen Definition, Diagnose, geeignete Therapien und Erhaltung zubewegen. Ihre Praxis in Manhattan ist bekannt für ihre Periimplantitis-Therapie. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Arbeit und auf Ihre Beziehung zu den Zahnärzten, die ihre Patienten an Sie überweisen? Prof. Froum: Wir sind sehr stolz auf unsere Behandlung der Periimplantitis. Doch auch wenn die Patienten sehr zufrieden sind – Periimplantitis ist kein «schönes» Ereignis, weder für die Patienten, noch für die überweisenden Zahnärzte. Im Durchschnitt kann eine Periimplantitis-Therapie in unserer Praxis bis zu 7.500 Dollar und am Dental College der New York University fast 5.000 Dollar kosten. Für Patienten, die unrealistischerweise erwartet haben, dass ihre Implantate eine dauerhafte Lösung für problematische Zähne sind, bedeutet das nicht nur eine Enttäuschung, sondern ihnen stellt sich auch die Frage, wie die Probleme gelöst werden sollen und wer dafür verantwortlich ist. Die Rettung von Implantaten, auch bei fortgeschrittener Periimplantitis, ist drei bis vier Mal günstiger als ihre Entfernung, die Rekonstruktion des aufgrund der Erkrankung untergegangenen Hart- und Weichgewebes und das Wiedereinsetzen des Implantats mit anschließender Restaurierung. Dazu kommen noch die Schmerzen und die Zeit, die bis zur Restauration vergeht – das sind wichtige Punkte, die über die Frage entscheiden können, ob man einen Patienten behält oder verliert. Wie arbeiten Sie mit den überweisenden Zahnärzten zusammen, was sagen Sie deren Patienten?
14
Geistlich News 01 | 2017
Prof. Froum: Als ich ein Kind in Brook-
lyn war, eröffnete auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber des alten Frisörsalons, ein neuer Frisörsalon, der für einen Haarschnitt nur 25 Cent nahm und damit den üblichen Preis unterbot. Ein Haarschnitt kostete zu dieser Zeit etwa 75 Cent. Schon bald hängte der alte Frisör ein Schild auf, auf dem stand: «Wir retten Ihre 25-Cent-Frisur für 2 Dollar.» Der alte Frisörsalon war sehr viel erfolgreicher als der neue. Was kann man daraus lernen? Qualität hat ihren Preis – und bei der Lösung von Problemen ist das nicht anders! Wir sind ehrlich zu den Zahnärzten, die ihre Patienten an uns überweisen, und sagen ihnen, was im besten und was im schlimmsten Fall passieren kann. Ein befreundeter Zahnarzt hat mir Diagramme und Röntgenaufnahmen einer seiner Periimplantitis-Patientinnen geschickt, die zufälligerweise seine Frau war. Er fragte: «Stu, kannst Du sie behandeln?» «Nein», sagte ich, «aber ich werde dir erklären, wie du sie behandeln kannst.» Jedes Jahr zum Hochzeitstag der beiden bekomme ich eine Röntgenaufnahme des erhaltenen Implantats zusammen mit einem Dankesschreiben. Die Antwort lautet: Ausbildung ist alles! Alle Zahnärzte sollten in der Lage sein, eine Periimplantitis
zu diagnostizieren und zu behandeln. In praxisorientierten Schulungskursen (wie die, die Paul Rosen und ich geben) lernen Zahnärzte die Techniken, die wir so wirkungsvoll nutzen. In meiner Einverständniserklärung für Patienten führe ich das Periimplantitis-Risiko als mögliche Komplikation auf. Ich sage meinen Patienten auch, dass Implantate – wie Zähne – von ihnen gepflegt und von Fachleuten erhalten und überwacht werden müssen. Kommt es zu einer Erkrankung, die früh erkannt und wirkungsvoll behandelt wird, sind die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung und den Erhalt des Implantats hervorragend. Wartet man, bis die Krankheit zu weit fortgeschritten ist, und der Patient bereits Schmerzen hat, sich ein Abzess gebildet hat oder es aufgrund der Periimplantitis zu einem fortgeschrittenen Knochenverlust gekommen ist, sind die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung sehr viel geringer. Wie haben Sie Ihre Protokolle für die Periimplantitis-Therapie entwickelt? Prof. Froum: Niemand kommt ganz allein auf klinische Lösungen. Ich bin allen sehr dankbar, die mich gelehrt haben, was parodontale Erkrankungen sind, und wie man wissenschaftlich an Problemlösungen herangeht – zum
Tabelle 1: Klassifikation der Periimplantitis6
Früh
Taschentiefe ≥ 4 mm (Blutung und/oder Eiterung bei Sondierung*) Knochenverlust < 25 % der Implantatlänge†
Mäßig
Taschentiefe ≥ 6 mm (Blutung und/oder Eiterung bei Sondierung*) Knochenverlust 25 % bis 50 % der Implantatlänge†
Fortgeschritten
Taschentiefe ≥ 8 mm (Blutung und/oder Vereiterung bei Sondierung*) Knochenverlust > 50 % der Implantatlänge†
* An einer oder mehreren Seiten des Implantats. † Gemessen auf Röntgenaufnahmen vom Zeitpunkt des Implantatversorgung bis zur aktuellen Röntgenaufnahme. Falls nicht verfügbar, sollte die früheste verfügbare Röntgenaufnahme nach der Implantatversorgung verwendet werden.
SCHWERPUNKT
FALL 1
2
4
5
6
8
Fotos: Stuart Froum
7
3
1
42-jährige Patientin mit entzündeter periimplantärer Mukosa, Schmerzen und Suppuration um das vor drei Jahren gesetzte Implantat am zweiten Prämolar im linken Unterkiefer herum.
2
Die Sondierung ergab Taschentiefen von 8–9 mm mit Blutungen.
3
Eine Röntgenaufnahme der periapikalen Region zeigte eine «moderate» Periimplantitis mit einem Knochenverlust von 25–50 % der Implantatlänge.
Beispiel Prof. Sigmund Stahl, der mich zu meinen klinischen Forschungen inspiriert hat. Meine Forschungskollegen der New York University und ich haben mit Dr. Paul Rosen und meinem Sohn Scott zusammengearbeitet. So haben wir in
4
5
Zirkumferenzieller Defekt. Die Dekontamination der Oberfläche erfolgte mittels Air-abrasiv-Technik und Glycin, dann Spülung mit Kochsalzlösung und anschließend getrennte Applikation von Zitronensäure und Minocyclin, dann Besprühen mit Kochsalzlösung und Applikation von Schmelz-Matrix-Derivat auf die Implantatoberfläche. Füllen des Defekts mit mineralisiertem gefriergetrocknetem Knochen und Geistlich Bio-Oss® plus biologisches Präparat (Platelet-Derived Growth Factor).
mehr als zwanzig Jahren Erfahrung gemeinsam die Lösungen gefunden, über die wir in unserer jüngsten Publikation berichten.7 Ihr Reinigungs- und Regenerationsprotokoll wurde im Jahr 2012 veröf-
6
Das Augmentat und der Defekt wurden mit einer bukkal und interproximal konturierten Geistlich Bio-Gide® Membran abgedeckt. Eine zweite Geistlich Bio-Gide® Membran wurde lingual konturiert und der Lappen koronal positioniert.
7
Röntgenaufnahme vier Jahre nach der Operation. In diesem Zeitraum Kontrolle alle zwei oder drei Monate.
8
Vier Jahre nach der Operation betrug die größte Sondierungstiefe 3 mm.
fentlicht, 2015 folgte dann Ihre Publikation über 170 Implantate bei 100 Patienten. Was haben Sie durch diese Arbeit über die Behandlung der Periimplantitis gelernt? Prof. Froum (lacht): Das ist eine Frage, deren Antwort ein ganzes Buch füllen
Geistlich News 01 | 2017
15
SCHWERPUNKT
würde – was sie übrigens auch tut!8 Wenn ich es zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass es sieben wesentliche Faktoren für den Erfolg gibt: (1) Auswahl geeigneter Fälle; (2) ein Lappenzugang, der eine ausreichende Blutversorgung sicherstellt; (3) Kürettage von Defekten mit großflächiger Dekontamination der Implantatoberfläche, anschließend Applikation von Schmelz-Matrix-Derivat auf die Implantatoberfläche; (4) Füllen des Defekts mit einem geeigneten Knochenersatzmaterial und einem biologischen Präparat; (5) Abdeckung mit einer resorbierbaren Membran oder, bei einem Mangel an keratinisiertem Gewebe, einem Bindegewebetransplantat; (6) Präparation eines koronalen Lappens zur vollständigen Abdeckung der Membran/des Augmentats/Transplantats sowie (7) professionelle Erhaltung mit hervorragender Pflege zuhause. Der Schlüssel ist die Auswahl der richtigen Therapie für die jeweilige Diagnose. In unserer Publikation aus dem Jahr 2015 schildern wir, wie diese Ar-
beitsweise bei 170 nacheinander behandelten Periimplantitisfällen zu 168 Erfolgen geführt hat – in keinem Fall kam es zu einer Rezession des Mukosarands (durchschnittliche Zunahme 0,5 mm), der Knochengewinn lag durchschnittlich bei 1,77 mm und die Ergebnisse wurden zwei bis zehn Jahre lang nachverfolgt.8 Das zeigt mir, dass bei einer guten Fallauswahl vorhersagbare Ergebnisse erzielt und erhalten werden können.
ehrliche Diskussion darüber geben, was wir bereits wissen, und was wir noch herausfinden müssen. Die Betonung liegt auf einem multidisziplinären Ansatz – Chirurgen und restaurative Zahnärzte müssen lernen, dass durch Zusammenarbeit bei Diagnose und Therapie mehr erfolgreiche Ergebnisse erzielt werden können.
(Abb. 1 bis 8)
1
Peri-implant mucositis and peri-implantitis: a current understanding of their diagnoses and clinical implications. J Periodontol 2013; 84: 436–43 (AAP Academy Report).
2
Lang NP, et al.: J Clin Periodontol 2011; 38(Suppl 11): 178–81.
3
Klinge B, et al.: Clin Oral Implants Res 2012; 23(Suppl 6): 108–10.
Erzählen Sie uns mehr über die anstehende Konferenz zum Stand der Entwicklung bei der Periimplantitis (9.–11. Juni 2017 in Chicago). Prof. Froum: Die Konferenz wird von Geistlich Pharma gesponsert. Besonders freut mich, dass Dr. Ron Nevins Mitorganisator der Konferenz ist. Die Konferenz ist eine echte globale Veranstaltung. Periimplantitis ist kein regionales Problem, sondern ein weltweites, daher wird es um praxisnahe Schulungen gehen und es wird eine
Referenzen
4 Albrektsson T, et al.: Clin Implant Dent Relat Res 2016; 18(4): 840-49. 5
Mombelli A, et al.: Clin Oral Implants Res 2012; 23 Suppl 6: 67–76.
6 Froum SJ, Rosen PS: Int J Periodontics Restorative Dent 2012; 32: 533–40. 7
Froum SJ, et al.: Int J Periodontics Restorative Dent 2015; 35(6): 857–63.
8
Froum, Stuart J. ed. Dental Implant Complications: Etiology, Prevention, and Treatment, 2nd Edition. Hoboken, New Jersey: Wiley Blackwell, 2016.
June 9 – 11, 2017 Chicago, Illinois The Westin Michigan Avenue Chicago PRESENTERS Dr. Stuart Froum Dr. Myron Nevins
MULTIDISCIPLINARY TREATMENT SOLUTIONS FOR PERI-IMPLANTITIS Advancing Awareness, Collaboration Join us for an interactive and didactic event featuring international speakers with expertise in the prevention, diagnosis and treatment associated with Peri-Implantitis. This multidisciplinary approach engages all dental professionals who are interested and are responsible for the placement, maintenance, restoration and preservation of dental implants. For more information or to register, please visit: Symposium.Geistlich-na.com or call Customer Care Toll-free: 855-799-5500
and Achievable Outcomes
Dr. Chandur Wadhwani Dr. Joseph Fiorellini Dr. Paul Rosen Prof. Dr. Frank Schwarz Dr. Marisa Roncati Prof. Massimo Simion Dr. Stephen Chu
JUNE 9 JUNE 10-11
HANDS-ON WORKSHOPS GENERAL SESSIONS
Dr. Marco Ronda
CE CREDITS:
15 Credits for Hands-On and General Sessions 11 Credits for General Session Only
Moderator: Dr. Robert Schallhorn
Dr. Sam Low
Approved PACE Program Provider FAGD/MAGD credit. Approval does not imply acceptance by a state or provincial board of dentistry or AGD endorsement. The current term of approval extends from 9/1/2016-8/31/2018 Provider ID # 360253 G-326-17P
16
Geistlich News 01 | 2017
SCHWERPUNKT
Augmentationsverfahren für ältere Patienten Prof. Zhuofan Chen, Dr. Zhipeng Li | China Fachbereich Implantologie, Universität Yat-sen, Guangzhou, China
Ein höheres Alter ist zwar keine Kontraindikation für eine Knochenaugmentation und das Einsetzen von Implantaten. Es sollten jedoch einige Faktoren bedacht werden. Eine neuere systematische Übersichtsarbeit hat den Nachweis erbracht, dass ältere Patienten, die Zahnimplantate erhielten, hervorragende Implantatüberlebensraten, klinisch akzeptable Veränderungen des marginalen Knochenverlustes und minimale Komplikationen aufwiesen.1 Daher scheint es so zu sein, dass fortgeschrittenes Alter allein keine Kontraindikation für eine Zahnimplantattherapie sein sollte.2 Ältere Patienten leiden jedoch häufig unter systemischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen – insbesondere Diabetes – und Knochenerkrankungen, von denen die meisten nicht nur die Art der möglichen chirurgischen Eingriffe einschränken, sondern auch den Erfolg einer Implantation beeinträchtigen können. Vor der Auswahl einer geeigneten Therapie ist es sehr wichtig, eine gründliche Anamnese durchzuführen, um ei-
nen detaillierten Überblick über alle systemischen Erkrankungen zu erhalten. Außerdem sollte für jeden Patienten eine umfassende Risikobewertung durchgeführt werden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein gut eingestellter Diabetes oder eine gut eingestellte andere Stoffwechselerkrankung sind kein Hindernis für das Einsetzen von Implantaten bei älteren Patienten.3 Solange der Körper in der Lage ist, sich von kleineren Operationstraumata zu erholen und einigermaßen normal zu heilen, kann eine Implantatoperation erfolgreich durchgeführt werden.
Knochenersatzmaterial: weniger Operationstrauma Wenn eine Knochenaugmentation unvermeidlich ist, können anstelle von autologem Knochen xenogene oder alloplastische Knochenersatzmaterialien mit vergleichbaren klinischen Ergebnissen empfohlen werden, beispielsweise Geistlich Bio-Oss®. Auf diese Weise wird die Morbidität der Entnahmestelle vermieden und die Operationszeit verkürzt.4 Kollagenmembranen wie Geistlich Bio-Gide® sind durch ihre Biokompatibilität und leichte Anwendbarkeit sehr wirkungsvoll bei der Behandlung von chirurgi-
schen Komplikationen wie Perforationen der Schneiderschen Membran (Abb. 1 bis 6).
Risikobewertung von osteoporotischen Patienten Es wurde eine Korrelation zwischen einer verringerten Knochenmineraldichte, die bei älteren Personen recht häufig ist, und höheren Risiken bei der Zahnimplantattherapie festgestellt. Eine verringerte Knochenmineraldichte und mit dieser zusammenhängende zelluläre Mängel führen zu einer erhöhten Inzidenz von Knochenfrakturen 1 und einer problematischeren Heilung von Frakturen. Über die klinischen Auswirkungen einer verringerten Knochenmineraldichte auf Zahnimplantate und die alveoläre Knochenaugmentation ist jedoch nur wenig bekannt. Es wird angenommen, dass an Knochenaugmentationsstellen zelluläre Prozesse stattfinden, die 2 denen bei der Heilung von Frakturen ähneln. Das ungleiche Verhältnis von Osteoblasten und Osteoklasten, die Apoptose von Osteoklasten und die Lebensdauer der Knochenremodellierungseinheit beeinflussen den Knochenumsatz, der mit der Biodegradation von Knochenaugmentaten und der Osseointegration von Zahnimplan-
Geistlich News 01 | 2017
17
SCHWERPUNKT
taten im Empfängerknochen zusammenhängt.5 Daher muss älteren osteoporotischen Patienten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Bei Frauen nach den Wechseljahren ist die Hormonersatztherapie eine herkömmliche Methode zur Vermeidung und Behandlung von Osteoporose und hat nur sehr wenige Auswirkungen auf den Erfolg von Zahnimplantaten. Bei einigen Fällen wurde um Titanimplantate herum eine Verringerung des Knochenverlustes und eine Förderung der Knochenheilung festgestellt. Daher scheinen Implantattherapie und Knochenaugmentation bei osteoporotischen Patientinnen unter Hormontherapie sicher zu sein.
Kontrolle des Osteonekroserisikos Von besonderer Bedeutung ist die durch Bisphosphonate (BPs) verursachte Kiefernekrose im Anschluss an eine Implantatoperation. Bei älteren Patienten mit einer unbehandelten Osteopenie oder Osteoporose besteht ein vergleichsweise niedriges Risiko einer Osteonekrose nach einer Zahnimplantattherapie. Die Patienten sollten jedoch über die Risiken aufgeklärt werden, falls sie planen, sich in Zukunft einer Bisphosphonattherapie zu unterziehen, da weiterhin diskutiert wird, ob Zahnimplantate einen Risikofaktor für eine Osteonekrose darstellen.6 Für ältere Patienten unter Bisphosphonattherapie besteht ein erhöhtes Risiko einer Bisphos phonatassoziierten Kiefernekrose (BP-ONJ) . Die meisten retrospektiven Studien mit moderater Beweiskraft zeigen, dass eine Vorgeschichte einer oralen oder intravenösen Bisphosphonatthe-
18
Geistlich News 01 | 2017
rapie keine absolute Kontraindikation für das Einsetzen von Zahnimplantaten war. In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Berichte über Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen bei Zahnimplantatpatienten jedoch angestiegen. In diesen Fällen konnten die Kiefernekrosen dem systemischen Gesundheitszustand, der Art der Medikation, dem Verabreichungsweg (mit intravenösen Injektionen scheint ein höheres Risiko verbunden zu sein) und der Dauer der Bisphosphonattherapie (je länger, desto höher das Risiko) zugeschrieben werden. Die American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons (AAOMS) empfiehlt bei Patienten, die weniger als drei Jahre orale Bisphosphonate einnehmen, und bei denen keine anderen klinischen Risikofaktoren (wie eine Behandlung mit Steroiden oder eine Chemotherapie) bestehen, eine Implantattherapie zu beginnen, ohne die herkömmliche Implantatoperation zu verändern oder zu verzögern.7 Die Patienten sollten jedoch über ihr erhöhtes Risiko eines Implantatversagens und einer Osteonekrose aufgeklärt werden. Außerdem sollten aufgrund des Infektionsrisikos der langfristigen Mundhygiene und professionellen Erhaltung erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden, um das Risiko von Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen zu senken. Im Gegensatz dazu könnte es bei Patienten, die länger als drei Jahre Bisphosphonate einnehmen, zu Störungen des osteoblastischen und osteoklastischen Gleichgewichts verbunden mit einem erhöhten Risiko für ein Implantatversagen kommen. Daher wird in diesen Fällen empfohlen, mindestens drei Monate vor dem Beginn einer Implantattherapie die Einnahme von Bisphosphonaten zu unterbrechen und auch erst nach einer
erfolgreichen Osseointegration der Implantate fortzusetzen. Diese Patienten sollten ebenfalls über ihr erhöhtes Risiko eines Implantatversagens und von Bisphosphonat-assoziierten Kiefernekrosen aufgeklärt werden. Außerdem gilt eine Knochenaugmentation oder Implantattherapie bei Patienten, die aufgrund einer schweren Osteoporose, eines multiplen Myeloms, eines in die Knochen metastasierenden Brust- oder Prostatakrebses oder Morbus Paget monatlich intravenös Bisphosphonate erhalten, als kontraindiziert.8
Risikomanagement bei älteren Patienten Zusammenfassend und basierend auf der Literatur sowie unserer klinischen Erfahrung sollten für die Implantattherapie und Augmentationsverfahren bei älteren Patienten die folgenden Empfehlungen berücksichtigt werden9: Planungsphase: Vor dem Einsetzen eines Implantats sollten mit einer Osteoporose assoziierte Erkrankungen medikamentös oder chirurgisch behandelt werden. Berücksichtigt werden sollten zum Beispiel Diabetes, Morbus Cushing, Hyperparathyreoidismus, Anorexia nervosa, multiples Myelom und chronische Niereninsuffizienz. Patienten unter Bisphosphonat-Therapie sollten vor Beginn einer Implantattherapie über die Risiken von Bisphosphonat-assoziierten Kiefernekrosen aufgeklärt werden. Die Patienten sollten nicht rauchen und ihren Alkohol- und Koffeinkonsum einschränken. Operative Phase: Vereinfachte Behandlungsverfahren (z.B. computerunterstützte Chirurgie und Flapless-Tech-
SCHWERPUNKT
niken) und kürzere Operationszeiten sollten bevorzugt werden. Da die Primärstabilität wichtig für die Osseointegration ist, sollte bei älteren Patienten mit beeinträchtigter Gesundheit eine Knochenextrusion in Erwägung gezogen werden. Xenogene Knochenersatzmaterialien wie Geistlich Bio-Oss®, deren klinische Ergebnisse mit den Ergebnissen von autologem Knochen vergleichbar sind, können verwendet werden um die Morbidität der Entnahmestelle zu vermeiden und die Operationszeit zu verkürzen.
beeinträchtigter Heilung sollten oberflächenmodifizierte Implantate wie Straumann SLActive bevorzugt werden.
Implantatauswahl: Kurze Implantate machen in manchen Fällen Knochenaufbauten unnötig. Bei Patienten mit
Referenzen
2
Liu JY, et al.: J Oral Rehabil 2012; 39(8): 591–99.
3
Gómez-de DR, et al.: Med Oral Patol Oral Cir Bucal 2014; 19(5): e483–e89.
4 Chen ZF, et al.: Chinese J Oral Maxill Surg 2016, 26(1): 1–12. 5
Postoperative Phase: Aufgrund des verminderten Knochenremodellings sollten längere Heilungsphasen eingeplant werden. In der Heilungsphase können physiologische Dosen von Vitamin D (400 bis 800 IE/Tag) und Kalzium (1500 mg/Tag) empfohlen werden.10,11
Erdoğan O, et al.: Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 2007; 104(6): 738. e1–13.
6 Giovannacci I, et al.: J Craniofac Surg 2016; 27(3): 697–701. 7
AAOMS J Oral Maxillofac Surg 2007; 65(3): 369–76.
8
Otomo-Corgel J: Periodontol 2000 2012; 59(1): 111–39.
9 Chen ZF: Research and clinical application of dental implant therapy.[Book], 2010, Beijing, China. 10 NIH Consensus Development Panel on Osteoporosis Prevention, Diagnosis, and Therapy: JAMA 2001; 285(6): 785–95.
1
Srinivasan M, et al.: Clin Oral Implants Res 2016. [Epub ahead of print]
11 Erdoğan O, et al.: Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 2007; 104(6): 738. e1–13.
FALL 1
2
3
4
5
6
1
Perforation der Schneiderschen Membran während eines Eingriffs zur Sinusbodenelevation (lateraler Ansatz).
2
Anwendung von Geistlich Bio-Gide® zur Abdeckung der Perforation; die Sinusbodenaugmentation erfolgte mit Geistlich Bio-Oss®.
3
Unzureichende Knochenhöhe im oberen rechten Seitenzahnbereich vor der Sinusbodenelevation.
4
Ausreichende Knochenhöhe im oberen rechten Seitenzahnbereich nach der Sinusbodenelevation.
5
Abgeschlossene Implantatprothetik im oberen rechten Seitenzahnbereich zwölf Monate nach der Sinusbodenelevation.
6
Zehn Jahre nach der Sinusbodenelevation und neun Jahre nach der Implantatbelastung ist der regenerierte Knochen stabil.
Geistlich News 01 | 2017
19
SCHWERPUNKT
Weniger Komplikationen bei großen Augmentationen Prof. Jaime Lozada | USA Loma Linda University, School of Dentistry Kalifornien, USA Das Interview führte Dr. Maria Scheuermann
Durch die Verfeinerung seiner Technik ist es Prof. Jaime Lozada gelungen, die Komplikationsrate bei größeren horizontalen und vertikalen Augmentationen signifikant zu reduzieren. In diesem Interview spricht er über sein Erfolgsrezept. Prof. Lozada, welche Faktoren haben den stärksten Einfluss auf Komplikationen bei größeren horizontalen und vertikalen Augmentationen? Prof. Lozada: Die wichtigsten Faktoren sind eine falsche Technik, fehlende Ausbildung, Traumata der Operationswunden und des Augmentats nach der Operation sowie eine mangelhafte postoperative Versorgung. Dehiszenzen und Membranfreilegungen gefährden das Ergebnis der Knochenaugmentation. Wie häufig sind diese Komplikationen? Prof. Lozada: In der Literatur gibt es Berichte über Dehiszenzen und Membranfreilegungen in der Größenordnung von sieben bis acht Prozent. Durch unser chirurgisches Protokoll konnten wir die Komplikationsrate signifikant reduzieren.
20
Geistlich News 01 | 2017
Wie würden Sie Ihr Erfolgskonzept beschreiben? Prof. Lozada: Bei der GBR hängt der Erfolg hauptsächlich vom primären Wundverschluss nach dem chirurgischen Eingriff ab. Ursprünglich, in der Anfangszeit der Verfahren für größere Knochenaugmentationen, wurde die nicht resorbierbare Membran zu dicht an den Zähnen platziert. Das führte zum iatrogenen Problem einer schlechten Wundheilung an den Zähnen. Nun versuchen wir, zwischen Membran und Zahn mindestens 2 mm Platz zu lassen. Wenn eine Membran direkt an den Zähnen platziert werden muss, verwenden wir resorbierbare Membranen. Wie bereiten Sie die Empfängerstelle vor? Prof. Lozada: Unabhängig von der Größe der Eingriffsstelle muss eine zu dicke bukkale Kortikalis entfernt werden; ebenfalls sehr wichtig ist das Vorhandensein von Kortikalisperforationen zur Förderung der Blutung. Mithilfe der Computertomographie (CT) können wir die Dicke der bukkalen Kortikalis sichtbar machen. Ist sie zu dick, entfernen wir Knochenmaterial – was zudem die Blutung fördert – und applizieren das Material dann gemischt mit Geistlich Bio-Oss® wieder auf die Empfängerstelle.
Welches Knochenmaterial und welche Membran verwenden Sie für horizontale Augmentationen? Prof. Lozada: Wir verwenden für horizontale Augmentationen keine Knochenblöcke, weil diese mit dem Geistlich Bio-Oss®, das wir zur Reduzierung der Knochenblockresorption verwenden, nur schwer abzudecken und bedeckt zu halten sind. Stattdessen mischen wir partikulären autogenen Knochen und Geistlich Bio-Oss®. Zunächst platzieren wir immer die Membran unter dem lingualen Lappen, fixieren sie mit Pins am Knochen und applizieren dann den partikulären autogenen Knochen und das größere Granulat von Geistlich Bio-Oss® auf den Kamm. Oben drauf geben wir das kleinere Granulat von Geistlich Bio-Oss®. Abschließend wird die Membran über das Augmentat gelegt und mit Pins am bukkalen Knochen befestigt. Wir spülen immer lokal mit Antibiotika und führen eine vorbeugende systemische Antibiose der Patienten durch. Dann warten wir neun Monate, bevor wir Implantate einsetzen. Wenden Sie für große Augmentationen spezielle Techniken für das Weichgewebemanagement an? Prof. Lozada: Wir wenden immer eine Technik an, die wir «Sicherheitslappen» oder «Ferninzision» nennen. Das
bedeutet, dass wir die krestale Inzision erweitern und mindestens zwei Zähne entfernt von dem Bereich, den wir augmentieren, vertikale Inzisionen durchführen. Zunächst ermitteln wir, wie weit augmentiert werden sollte, dann müssen wir den Lappen so groß präparieren, dass ausreichend Platz für das erforderliche Augmentationsmaterial ist. Wir ziehen das Periost ab und lösen die elastischen Fasern, damit der Lappen leichter gedehnt werden kann. Wenn wir eine Titanmesh-Membran oder eine PTFE-Membran verwenden, beispielsweise für größere vertikale Augmentationen, geben wir bei einer sehr dünnen Gingiva häufig Bindegewebetransplantate auf die Membran, um eine Dehiszenz zu vermeiden. In anderen Fällen setzen wir Geistlich Mucograft® ein. Für die Nähte verwenden wir eine Zweischicht-Nahttechnik mit einer horizontalen Matratzennaht und einer starken Gore-Tex® 3-0-Naht, die im Mittelpunkt des augmentierten Bereichs beginnt. Zum Verschließen der vertikalen Entlastungsinzisionen verwenden wir resorbierbares Chromic Gut, weil dies weniger schmerzhaft für den Patienten ist. Welches ist die schwerwiegendste Komplikation, die Sie bei dieser Art von großen Defekten sehen?
Prof. Lozada: Ich hatte einige Patienten,
bei denen achtzig Prozent der Membran freilagen und das Augmentat kontaminiert war, was zu größeren Knochendefekten als den ursprünglich behandelten führte. Wenn die Membran oder das Knochenaugmentationsmaterial infiziert ist: Wann kann der Zahnarzt oder Chirurg abwarten – und wann sollte er sofort handeln? Prof. Lozada: Wenn man eine Verbindung zwischen dem Augmentat oder der Membran und der Mundhöhle feststellt, sollte man sofort handeln. Wie sollte Ihrer Erfahrung nach eine Infektion am besten behandelt werden? Prof. Lozada: Bei Verwendung von partikelförmigen Augmentaten, bei denen die Membran aufgrund einer Infektion des Weichgewebes freiliegt, öffnen wir den Lappen und entfernen die Membran. Anschließend spülen wir lokal mit Antibiotika und führen eine systemische Antibiose der Patienten durch. Wir versuchen, den restlichen Knochen intakt zu lassen, und setzen eine neue Membran ein. Den Lappen passen wir so an, dass er die Eingriffsstelle gut verschließt. Dann hoffen wir, dass der Lappen gut einheilt und sich der Knochen regene-
riert. Ist dies nicht der Fall, müssen wir den Eingriff wiederholen. Kleine Dehiszenzen und Infektionen mit einer Größe von maximal 3 mm können behandelt werden, indem man das Granulationsgewebe vorsichtig entfernt und ein neues Blutungsnetz schafft. Bei größeren Dehiszenzen ist es besser, das Augmentat zu entfernen. Hat das Verhalten des Patienten, also zum Beispiel seine Therapietreue, Mundhygiene und medizinische Vorgeschichte, einen großen Einfluss auf die Komplikationsrate? Prof. Lozada: Der Patient sollte möglichst nicht rauchen und sich nach dem Eingriff auf jeden Fall schonen und mechanische Traumata des Augmentats vermeiden. Paradoxerweise ist das Ergebnis nach der Augmentation umso besser, je schlechter die anfängliche Qualität des Knochens war, da weniger bukkale Kortikalis vorhanden und die Blutung stärker ist. Was sind, kurz gesagt, die wichtigsten Aspekte in Bezug auf das Weichgewebemanagement, um Komplikationen zu vermeiden? Prof. Lozada: Eine gute Technik und eine ausreichende Ausbildung.
IMPRESSUM Zeitschrift für Kunden und Freunde von Geistlich Biomaterials Ausgabe 1/2017, 9. Jahrgang Herausgeber © 2017 Geistlich Pharma AG Business Unit Biomaterials Bahnhofstr. 40 6110 Wolhusen, Schweiz Tel. +41 41 492 55 55 Fax +41 41 492 56 39 biomaterials@geistlich.ch
Redaktion Verena Vermeulen Layout Irène Fischer Erscheinungsweise 2 × jährlich Auflage 25 000 Exemplare in verschiedenen Sprachen weltweit
Die Inhalte von GEISTLICH NEWS werden mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Die von Dritten erstellten Inhalte entsprechen jedoch nicht zwingend der Meinung von Geistlich Pharma AG. Geistlich Pharma AG übernimmt daher weder Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Inhalte durch Dritte noch eine Haftung für Schäden materieller oder ideeller Art, die durch die Nutzung von Informationen Dritter bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen Dritter verursacht wurden, sofern seitens Geistlich Pharma AG kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt.
Geistlich News 01 | 2017
21
SCHWERPUNKT
Transplantatverlust durch Alveolitis – Fallbeispiel PD Dr. Michael Stimmelmayr | Deutschland Praxis für Oralchirurgie, Cham Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik Ludwig-Maximilians-Universität München
Erst tritt eine Periimplantitis auf, nach Explantation dann eine Alveolitis. Wie behandeln? Der 28-jährige Patient stellte sich mit einer Periimplantitis in regio 12 mit einer bukkalen Sondierungstiefe von 10 mm und somit Verlust der bukkalen Knochenlamelle in unserer Sprechstunde vor (Abb. 1, 2). Nach multiplen antiseptischen Spülungen und Überführung der akuten in eine chronische Entzündung wurden das Implantat und das Entzündungsgewebe unter Antibiotikaschutz (3000 mg Amoxicillin eine Stunde prae-operativ) entfernt. Um einem Kollaps der Weichgewebe entgegenzuwirken, wurde die Alveole mit Kollagenfleece (Lyostypt ®, B. Braun) aufgefüllt und mit einem einstieligen Kombitransplantat im Sinne einer Socketseal-Surgery abgedeckt (Abb. 3,4). Die Wundheilung zeigte sich nach drei Tagen reizlos mit einer oberflächlichen Epithelabschilferung
verlust des Transplantates dar. Die Folge der Periimplantitis, der Alveolitis und des Transplantatverlustes war ein massiver dreidimensionaler Kollaps der Alveole (Abb. 7). Die folgende Rekonstruktion dieses Hart- und Weichgewebedefizits erfolgte mittels autologer Schalentechnik drei Monate später (Abb. 8). Fünf Monate post-augmentationem wurde das Implantat (Camlog Screwline Promote Plus; Ø 3,8 mm / Länge 11 mm) inseriert und zur Volumenvermehrung ein subepitheliales Bindegewebstransplantat eingebracht (Abb. 9, 10). Die Implantatfreilegung erfolgte nach fünfmonatiger Einheilung mittels Rolllappentechnik. Mithilfe der autologen Schalentechnik und Bindegewebetransplantation konnte das dreidimensionale Hart- und Weichgewebedefizit erfolgreich rekonstruiert werden. Der Patient ist momentan mit einem therapeutischen Zahnersatz zur Ausformung der Weichgewebe versorgt (Abb. 11, 12).
(Abb. 5).
Nach einer Woche kam es jedoch zur Nekrose und zu einem Totalverlust des Transplantates (Abb. 6). Zusätzlich kam es zu einer Alveolitis, die mit Streifeneinlagen über vier Wochen behandelt wurde. Diese Entzündung stellte wahrscheinlich die Ursache für den Total-
22
Geistlich News 01 | 2017
Warum wurde gerade so behandelt? Zwingend wichtig im Falle einer derartigen Komplikation ist es, ausreichend lange zuzuwarten, bis das Gewebe ausgeheilt ist. In diesem Fall
betrug die Wartezeit vor der erneuten Augmentation drei Monate. Die von Prof. Khoury beschriebene Schalentechnik führt im Falle großer knöcherner Defizite zu sehr vorhersagbaren Ergebnissen bei der 3D-Alveolarkammregeneration und, im Vergleich zur kortikalen Blockaugmentation, zu einem vitalen Regenerat.
Bildlegenden zum Fall Seite 23
1
Ausgangssituation bukkale Ansicht
2
Röntgenbild der Implantatversorgung in regio 12 mit sichtbarem Knocheneinbruch
3
Vom harten Gaumen entnommenes einstieliges Kombitransplantat
4
Socket Seal-Surgery mit einstieligem Kombitransplantat
5
Wundheilung drei Tage post-operativ
6
Zustand acht Tage post-operativ mit Transplantattotalnekrose
7
Dreidimensionaler Alveolendefekt nach Transplantatverlust und Alveolitis
8
Rekonstruktion des Alveolarkamms mit autologer Schalentechnik
9
Implantatsetzung in regio 12 fünf Monate post-augmentationem
10 Bindegewebstransplantation zur Stabilisierung der Weichgewebe 11
Therapeutischer Zahnersatz zur Weichgewebeausformung
12
Röntgenkontrolle nach Eingliederung des therapeutischen Zahnersatzes
SCHWERPUNKT
FALL 2
4
5
7a
3
6
8
7b
9
10a
11a
11b
10b
12
Fotos: Michael Stimmelmayr
1
Geistlich News 01 | 2017
23
JOURNAL CLUB
MEILENSTEINSTUDIEN.
Foto: ©iStock.com/dtimiraos
Prof. Giovanni E. Salvi | Schweiz Stv. Direktor Klinik fur Parodontologie Zahnmedizinische Kliniken der Universitat Bern
24
Geistlich News 01 | 2017
JOURNAL CLUB
EINFÜHRUNG
In einem Interview mit Geistlich News brachte Prof. Jan Lindhe im vergangenen Jahr die kritische Frage auf, wann Zähne wirklich als «hoffnungslos» zu bezeichnen seien. Dem einen erscheinen sie hoffnungslos, dem anderen erhaltungswürdig – so wie eben ein 100 Meter-Lauf in elf Sekunden dem einen undenkbar erscheint, dem anderen machbar. Wer sich mit der Frage «Extrahieren oder erhalten?» bei Parodontitis-Patienten befasst, weiss, dass es nicht nur darum geht, einen Zahn durch Scaling und Wurzelglättung oder einen chirurgischen Eingriff zu behandeln oder ihn durch ein Implantat zu ersetzen. Es geht auch um Langzeit-Nachsorge, um das Abwägen von Risiken im Fall einer Implantation oder einer Brückenrekonstruktion, um den Einfluss der gewählten Option auf das Knochenniveau und und und. Dieser Journal Club versammelt und kommentiert einige der vielen Studien, die sich mit dem Thema Zahnerhalt versus Zahnersatz befassen.
Regelmäßige Betreuung zeigt Wirkung über 30 Jahre! Sind Patienten in regelmäßiger Betreuung durch Zahnarzt und Dentalhygienikerin, gehen wenig Zähne durch eine Parodontitis verloren. Dies wird durch eine Langzeitbeobachtung von Axelsson et al. an über 550 rekrutierten Patienten gezeigt. Die Patienten wurden regelmäßig über Mundhygiene und Plaquekontrolle durch Zahnbürsten, Interdentalbürsten, Zahnseide etc. aufgeklärt. Außerdem fand immer wieder eine professionelle Zahnreinigung durch einen
Dentalhygienikerin statt. Über den Beobachtungszeitraum von 30 Jahren wurden in den verschiedenen Alterskohorten (20–35 Jahre, 36–50 Jahre, 51–60 Jahre) durchschnittlich nur 0.4–1.8 Zähne pro Patient verloren. } Axelsson P, et al.: J Clin Periodontol 2004; 31(9): 749–57.
Ohne Zahnfleischbluten kein Zahnverlust Ist regelmäßiges Zahnfleischbluten ein Risikofaktor für späteren Zahnverlust? Eine Longitudinalstudie aus Norwegen von Schätzle et al. hat über 26 Jahre (565 Patienten und 15383 Zähne initial) den Zusammenhang untersucht. Für die statistische Auswertung wurden die Zähne basierend auf ihrem Gingiva-Index in drei Gruppen eingeteilt. In der ersten Gruppe (GI-Gruppe I) lag an maximal einer Stelle eine leichte Zahnfleischunregelmäßigkeit vor, in der dritten Gruppe (GI-Gruppe III) hingegen trat an allen den Zahn umgebenden Zahnfleischaspekten Sondierungsblutung auf. Von den gesunden Zähnen der GI-Gruppe I waren hochgerechnet auf 50 Zahnalter-Jahre noch 99.5 % erhalten, von den Zähnen der GI-Gruppe II immerhin noch 93.8 % und in der Gruppe der Zähne mit dauerhafter Zahnfleischblutung (GI-Gruppe III) nur noch 63.4 %. Fazit: Ohne jegliches Zahnfleischbluten sind nach hochgerechnet 50 Zahnalter-Jahren noch mehr als 99 % der Zähne im Mund der Patienten, mit Zahnfleischbluten higegen nur 63.4 %. Das heisst, ohne Zahnfleischbluten kein Zahnverlust. } Schätzle M, et al.: J Clin Periodontol 2004; 31(12): 1122–27.
Geistlich News 01 | 2017
25
JOURNAL CLUB
Resttaschen eliminieren! Wie effektiv ist die Parodontaltherapie mit Blick auf den langfristigen Zahnerhalt? Dieser Frage ist eine retrospektive Kohortenstudie von Matuliene et al. mit 172 Patienten nachgegangen. Nach abgeschlossener parodontaler Therapie wurden die Patienten über drei bis 27 Jahre nachverfolgt (im Mittel 11.3 Jahre). Die Autoren berechneten auf Basis der erhobenen Daten, welche Faktoren einen Zahnverlust wahrscheinlicher machen. Eine verbleibende Zahnfleischtasche von 5 mm nach Abschluss der Behandlung bedeutete ein 7.7-fach erhöhtes Risiko für den Verlust des Zahns, bei 6 mm Taschentiefe war das Risiko um den Faktor 11.0 erhöht und bei 7 mm sogar um den Faktor 64.2. Fazit der Studie: Die aktive parodontale Therapie muss ohne tiefe Resttaschen und mit minimaler Zahnfleischentzündung abgeschlossen werden, sonst droht der Zahnverlust. } Matuliene G, et al.: J Clin Periodontol 2008; 35(8): 685–95.
Rauchen plus unregelmäßige Betreuung schlecht für Molaren Nichtraucher mit regelmäßiger Betreuung durch Zahnarzt und Dentalhygienikerin behalten mehr Molaren mit Furkationsbeteiligung als Raucher, die nicht regelmäßig zum Zahnarzt gehen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Salvi et al., in der 172 Patienten vor- und nach Parodontalbehandlung mit einem Follow-up von über zehn Jahren untersucht wurden. Die Studie fokussierte auf die Ursachen für den Verlust mehrwurzeliger Zähne. Die Ergebnisse: Furkationen der Klasse 1 waren kein Risikofaktor für Zahnverlust. Furkationen der Klasse 2 und 3 waren mit einem höheren Risiko für Zahnverlust verbunden. Raucher verloren im Beobachtungszeitraum mehr mehrwurzelige Zähne als Nichtraucher. Die Odds Ratio für den Verlust eines mehrwurzeligen Zahns betrug bei Personen, die rauchten, eine schlechte Mundhygiene sowie eine Klasse-2-Furkation hatten, 11.1, im Fall einer Klasse 3-Furkation sogar 17.18. } Salvi GE, et al.: J Clin Periodontol 2014; 41(7): 701–07.
Furkationen sind behandelbar! Mehrwurzelige Zähne mit Furkationsbeteiligung stellen eine Herausforderung dar. Wann sind sie «hoffnungslos», wann behandelbar? 72 Patienten mit parodontal kompromittiertem Gebiss und Molaren mit Furkationsbeteiligung verschiedener Schweregrade wurden in eine Studie von Carnevale et al. eingeschlossen. Neben Scaling und Wurzelglättung wurden einzelne Wurzeln reseziert und die knöcherne Umgebung konturiert. Dieses Vorgehen – mit Ausnahme der Wurzelresektion – wurde nicht nur an den Molaren mit Furkationsbeteiligung, sondern auch an anderen parodontal geschädigten Zähnen (Kontrollzähnen) durchgeführt. So standen 175 Test- und 175 Kontrollzähne für die Auswertung zur Verfügung. Über zehn Jahre überlebten 99 % der Kontroll- und immerhin 93 % der Testzähne. Die Autoren führen das positive Ergebnis unter anderem darauf zurück, dass die Gewebemorphologie nach der Behandlung wieder eine gute Mundhygiene und Plaquekontrolle zuließen. Fazit: Mehrwurzelige Zähne mit Furkationsbeteiligung können erfolgreich über Jahre erhalten werden. } Carnevale G, et al.: J Clin Periodontol 1998; 25(3): 209–14.
26
Geistlich News 01 | 2017
Rekonstruktionen auf reduziertem, aber gesundem Parodont Im parodontal reduzierten Gebiss stellt sich manchmal die Frage, inwiefern zahngetragene Rekonstruktionen auf kompromittierten Zähnen Halt finden können – oder ob Implantate die stabileren Stützpfeiler wären. Eine systematische Übersichtsarbeit von Lulic et al. kommt zu dem Schluss, dass zahngetragene Rekonstruktionen auch unter extrem reduzierten, aber gesunden parodontalen Verhältnissen erfolgreich sind. In die Übersicht wurden sechs Publikationen, die sich auf 579 festsitzende Rekonstruktionen beziehen, eingeschlossen. Die berechnete Überlebensrate der Brücken betrug nach fünf Jahren 96.4 % und nach zehn Jahren 92.9 %. Die Autoren schließen daraus, dass auch auf reduziertem, aber gesundem Parodont Rekonstruktionen erfolgreich eingegliedert werden können. } Lulic M, et al. : Clin Oral Implants Res 2007; 18 Suppl 3: 63–72.
JOURNAL CLUB
Implantate nicht besser als Zähne Was schneidet auf lange Sicht besser ab: Zähne oder Implantate? Eine systematische Übersichtsarbeit von Tomasi et al. aus dem Jahr 2008 hat sich mit Zahn- versus Implantatverlust befasst. Einbezogen wurden nur Studien mit einer Dauer von mindestens zehn Jahren. Zum Thema Zahnverlust wurden insgesamt elf Studien (3015 Patienten) eingeschlossen, zum Thema Implantatverlust neun Studien (476 Patienten). Fazit dieser Literaturübersicht: Implantate schneiden über einen Zeitraum von zehn Jahren keinesfalls besser ab als Zähne. Über zehn Jahre wurden 1.3–5 % der Zähne und 1–18 % der Implantate verloren. Die Autoren folgern, dass bei gut betreuten Patienten die Zahnverlustrate geringer ist als die Implantatverlustrate. } Tomasi C, et al.: J Oral Rehabil 2008; 35 Suppl 1: 23–32.
Resttaschen sind ein Risikofaktor für Periimplantitis Für Parodontitispatienten sind eine Behandlung der Infektion und eine langfristige Nachsorge zwingend notwendig, wenn ein Implantat geplant ist. Sonst droht innerhalb von acht Jahren eine Periimplantitis. In eine Studie von Pjetursson et al. wurden 70 Patienten eingeschlossen, die vor einer Implantation parodontal behandelt wurden. Über die folgenden Jahre wurden sie regelmäßig nachbetreut. Bei 22.2 % der Implantate und 38.6 % der Patienten entwickelte sich eine Periimplantitis, definiert als Sondierungstiefe von über 5 mm und Sondierungsblutung. Ändert man die Definition der Periimplantitis auf eine Sondierungstiefe von über 6 mm plus Sondierungsblutung, waren es noch 8.8 % der Implantate und 17.1 % der Patienten. Diejenigen Patienten, bei denen mindestens ein Implantat Periimplantitis aufwies, hatten generell mehr Resttaschen, die 5 mm tief oder tiefer waren am Ende der Parodontalvorbehandlung. Bei ihnen nahm zudem die Anzahl tiefer Zahnfleischtaschen über den Untersuchungszeitraum zu. Fazit: Zahnfleischtaschen von 5 mm oder tiefer am Ende der Parodontaltherapie sind ein Reservoir von Bakterien für eine spätere Periimplantitis. } Pjetursson B, et al.: Clin Oral Implants Res 2012; 23(7): 888–94.
«Auch eine behandelte Parodontitis erhöht noch das Risiko für einen späteren Implantatverlust.»
Parodontitisvorgeschichte und Implantatverlust Gemäß einer aktuellen Meta-Analyse von Sgolastra et al. (in die 16 Studien eingeschlossen wurden) gibt es eine starke Evidenz dafür, dass auch eine behandelte chronische oder aggressive Parodontitis noch das Risiko für einen späteren Implantatverlust erhöht. Fazit: Implantate werden häufiger in Patienten nach behandelter Parodontitis verloren als in parodontal gesunden Patienten. } Sgolastra F, et al.: Clin Oral Implants Res 2015; 26(4): e8-16.
Weniger Knochenverlust an Zähnen über zehn Jahre Ist der Ersatz eines Zahns durch ein Implantat mit Blick auf den Erhalt des Alveolarkamms vorteilhaft? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine vergleichende Fall-Serie von Rasperini et al., die über zehn Jahren ging und in die Patienten mit behandelter Parodontitis sowie parodontal gesunde Patienten eingeschlossen wurden. In der Fallserie wurden die Knochenniveaus rund um neugesetzte Implantate mit denen rund um die benachbarten Zähne verglichen. Die Knochenniveaus wurden im Röntgenbild direkt nach Implantation sowie nach zehn Jahren gemessen. Es zeigte sich, dass die Knochenniveaus rund um die Zähne deutlich weniger abnahmen als die Knochenniveaus rund um Implantate – sogar dann, wenn das Knochenniveau bereits durch eine vorangegangene Parodontitis kompromittiert war. } Rasperini G, et al.: J Periodontol 2014; 85(6): e152–59.
Geistlich News 01 | 2017
27
ÜBER DEN TELLERRAND
EIN NEUES MOLCHHERZ.
Foto: ©iStock.com/khorner
Wie ersetzen Amphibien selbst komplexe Organe im Fall eines Defekts?
28
Geistlich News 01 | 2017
ÜBER DEN TELLERRAND
Dr. Klaus Duffner
Verlieren Molche ein Bein, wächst es wieder nach. Auch zerstörtes Herzgewebe wird in kürzester Zeit durch gesundes ersetzt. Welcher Mechanismus steckt dahinter?
Molche und Salamander besitzen eine Eigenschaft, die unter den Landwirbeltieren einmalig ist: Sie können verloren gegangene Gliedmaßen vollständig regenerieren. Aber nicht nur abhanden gekommene Beine, sondern auch Augenlinsen, Kiefer, Teile des Zentralnervensystems und sogar Herzgewebe werden vollständig wiederhergestellt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, Deutschland, beschäftigen sich schon seit Jahren intensiv mit den Mechanismen dieser phänomenalen Regenerationsfähigkeit. Vielleicht findet sich hier ein Schlüssel für vollkommen neue Therapieansätze.
Zellbewegungen nach dem Herzinfarkt Für ihre Experimente beschäftigten sich die Forscher hauptsächlich mit dem rund zehn Zentimeter langen Grünlichen Wassermolch, eine der häufigsten Molcharten in Nordamerika. Ihm wurde in einer Operation das Herz zunächst mechanisch geschädigt. Die Folgen sind vergleichbar mit der Situation nach einem Myokardinfarkt beim Menschen: Die Struktur des Muskelzellverbandes wird zerstört, ein
Großteil der Muskelzellen stirbt ab und die Pumpleistung des Herzens verschlechtert sich deutlich. Doch schon nach wenigen Tagen ist unter dem Mikroskop zu beobachten, wie unzählige Entzündungszellen (v.a. Leukozyten) in das geschädigte Areal einwandern und die Zelltrümmer beseitigen. Im Anschluss daran bilden sich fadenartige Strukturen aus einzelnen Herzmuskelzellen. Innerhalb weniger Monate siedeln sich dann immer mehr Zellen an diese so genannte Trabekeln an, bis schließlich – gestützt durch ein kollagenes Proteingerüst – der Herzmuskel vollständig regeneriert ist.
Neue Zellen durch Rückentwicklung Die spannende Frage ist jedoch: Woher kommen die neuen Herzmuskelzellen? Interessanterweise regenerieren die Tiere das defekte Gewebe weniger aus Stammzellen, sondern vielmehr aus ursprünglich spezialisierten Zellen, die sich eigens zum Zwecke der Regeneration wieder zurück entwickeln. Vorteil dieser «de-differenzierten» Zellen: Sie benötigen deutlich weniger Sauerstoff als reife Herzzellen und können dadurch länger überleben. Tatsächlich fahren Molche in dieser
Phase ihren gesamten Stoffwechsel und Blutdruck herunter, um Zeit für den notwendigen Herzumbau zu gewinnen. Die zurückgebildeten Zellen beginnen sich erneut zu teilen, so dass vollkommen funktionsfähige frische Herzmuskelzellen entstehen.
Dynamische Narben Anders funktioniert es beim Säugetier. Nach einem Herzinfarkt entsteht Narbengewebe, das zwar eine Stütz-, aber keine Muskelfunktion mehr wahrnimmt. «Wenn sich beim Mensch erst einmal eine Narbe im Herzmuskel ausgebildet hat, ist das eine sehr statische Situation, da ändert sich nichts mehr», so der Leiter des Forschungsprojektes Prof. Thomas Braun vom Max-PlanckInstitut in Bad Nauheim, kürzlich in einem Interview für «SciViews». «Der Molch ist da viel dynamischer. Er repariert diese Defekte und löst die Narben wieder auf. Dadurch kommt es zu einer vollen funktionellen Wiederherstellung.» Tatsächlich können auch neugeborene Mäuse innerhalb der allerersten Lebenswoche ihr Herzgewebe erstaunlich gut regenerieren. Auch im menschlichen Herzen findet bei verschiedenen Herzerkrankungen eine Regeneration statt, allerdings in
Geistlich News 01 | 2017
29
ÜBER DEN TELLERRAND
wesentlich geringerem Umfang als bei den Molchen.
Kleiner Molch mit großem Genom
Eine zentrale Rolle bei der De-differenzierung von Herzmuskelzellen scheint ein Protein namens Oncostatin M zu spielen. Es wird bereits kurz nach dem Infarkt von den eingewanderten Entzündungszellen im geschädigten Gewebe ausgeschüttet und kurbelt die De-differenzierung der Herzmuskelzellen an. So verläuft bei genetisch veränderten Mäusen ohne Oncostatin M die Rückentwicklung der Herzmuskelzellen deutlich stockender. Gleichzeitig sterben mehr dieser Nagetiere an den Folgen des Infarkts. Allerdings hat der Botenstoff auch eine Kehrseite: Indem sich Oncostatin M auch an andere Rezeptoren anlagert, verstärkt es die Gerinnungsneigung des Blutes, was wiederum die Gefahr eines neuerlichen Herzinfarkts erhöht. Zudem scheint es bei Maus und Mensch, zumindest in der Spätphase eines Herz-
Das Molch-Herz wird nach einer Schädigung weniger aus Stammzellen, sondern aus ursprünglich spezialisierten Zellen regeneriert, die sich dafür wieder zurück entwickeln.
30
Geistlich News 01 | 2017
Nord und Süd… Die Verbreitung der Salamander und Molche konzentriert sich – mit wenigen Ausnahmen in Südamerika – auf die Nordhalbkugel. Gegenwärtig sind rund 670 Arten bekannt, das sind etwa neun Prozent aller Amphibien.
Oncostatin M: Protein mit zwei Seiten
Foto: MPI für Herz- und Lungenforschung
Für diese Regenerationsprozesse werden im Erbgut der Molche bestimmte Genabschnitte aktiviert. Allerdings ist das Genom der Molche, im Gegensatz zum Erbgut von Drosophila, Zebrafischen oder Mensch bislang noch nicht entschlüsselt – und wird es in absehbarere Zeit auch nicht werden. Denn einerseits ist das Genom des Grünlichen Wassermolchs rund zehnmal so groß wie das des Menschen, andererseits beschäftigen sich weltweit nur eine Handvoll Arbeitsgruppen mit diesem Amphibium. Dieses Hindernis wird von den hessischen Forschern jedoch umgangen, indem sie sich, anstatt das komplette Genom zu entschlüsseln, zunächst auf solche Genabschnitte beschränken, die während der Entwicklung der Larvenstadien bzw. der Geweberegeneration tatsächlich aktiv sind. Diese so genannte messenger-RNA (oder mRNA) ist die Vorlage für die Produktion von Protei-
nen. Von den untersuchten über 15 000 mRNA-Molekülen konnten rund 800 Proteine identifiziert werden, die nur bei Molchen zu finden sind.
Wer was?… Ist das Herz des Molches verletzt, dedifferenzieren sich die Zellen. Dabei werden typische Proteine von Herzmuskelzellen, etwa die schweren Myosinketten und verschiedene Troponine, dramatisch herunterreguliert. Gleichzeitig beginnen die Zellen, sich massiv zu teilen und so neue Herzmuskelmasse aufzubauen. Nach rund zwei Wochen schlägt das Molchherz als wäre nichts gewesen.
infarktes, vor allem die Narbenbildung zu fördern und nicht, wie beim Molch, die Zellregeneration. Vielleicht, so Prof. Braun in einer Veröffentlichung des MPI, sei alles nur eine Frage der richtigen Balance zwischen akuter Notfallreparatur und dem fortschreitenden Verlust der Pumpfunktion des Herzens. Möglicherweise seien noch weitere bislang unbekannte Botenstoffe an diesen Prozessen beteiligt. So oder so: Von der enormen Regenerationsfähigkeit des Grünlichen Wassermolchs können die Menschen noch viel lernen.
Quellen 1
Kubin T, et al.: Cell Stem Cell 2011; 9 (5): 420–32.
2
Szibor M, et al.: Cell Mol Life Sci 2014; 71: 1907–16.
3
Reinberger S: Max Plank Forschung 2014; 2: 52–57.
4 Heil M, Braun T: Forschung Frankfurt 2013; 1: 53–57. 5
Neubauer U: Hessen-Biotech; 2013; 3: 10–11.
6 Reinberger S: MPI-Video. 2016. (http://www. sciviews.de/video/vom-molch-lernen)
GEISTLICH PHARMA | OSTEOLOGY STIFTUNG
BACKGROUND. Geistlich Pharma & Osteology Stiftung
GEISTLICH PHARMA
«Unser Körper braucht geschützten Raum» Das Interview führte Dr. Klaus Duffner
Kollagen ist ein uralter Baustoff des Lebens, der an der Bildung verschiedenster Gewebe beteiligt ist. Gespräch mit dem Kollagenexperten Dr. Lothar Schlösser, Direktor Geistlich Material Discovery Research, über den erfolgreichen Einsatz von Kollagen bei der Regeneration von Knochen, Knorpel und Haut. Herr Dr. Schlösser, was wäre unser Körper ohne Kollagen? Dr. Schlösser: Knapp ein Drittel der körpereigenen Proteine bestehen aus Kollagen, ohne diesen Baustoff wären wir nichts. Erstens wären wir komplett durchlässig und ein strukturloser Zellhaufen, denn überall, wo es um Abgrenzung geht oder wo geschützte Räume geschaffen werden sollen, wird im Körper Kollagen gebraucht. Zweitens würde ohne Kollagen kein Knochen halten. Unser Skelett wäre viel zu spröde und wir würden sofort zusammenbrechen. Erst durch die Kollagenverstärkung haben Knochen Festigkeit und eine gewisse Flexibilität. Und drittens besitzt Kollagen eine sehr wichti-
32
Geistlich News 01 | 2017
Haut Die Haut besteht vor allem aus Kollagen I und III.
Knorpel Knorpel in den Gelenken wie z.B im Ellbogen, in der Hüfte und im Knie enthalten große Mengen von Kollagen II.
ge Funktion als Strukturgeber. Im Zellzwischenbereich ist Kollagen das vorherrschende Protein, das lenkend in den Gewebeaufbau eingreift. Es liefert eine Art Bauanleitung. Kollagen scheint auch entwicklungsgeschichtlich ein Erfolgsmodell zu sein… Dr. Schlösser: Ja, Kollagen ist sehr viel älter als Knochen. Schon in sehr frühen und primitiven Lebewesen wie Süßwasserpolypen, Quallen oder Schwämmen finden wir Kollagen. Aber Sehnen Warum sind Sehnen so reißfest? Wegen ihres hohen Anteils an Kollagen I.
GEISTLICH PHARMA
ten, aber keine völlige Dichtigkeit. Nach rund zwei Wochen ist die Gefahr gebannt, da ist der Bereich so stabil, dass keine Weichgewebszellen mehr einwandern können. Ab diesem Zeitpunkt löst sich die Membran auf.
auch mit dem Fortschreiten der Evolution und der Erfindung der Knochen blieb Kollagen ein essentieller Baustoff. Die Natur spielte im Laufe der Entwicklungsgeschichte mit diesem Material und probierte es in sehr verschiedenen Bereichen und Funktionen aus. Herausgekommen sind viele extrem nützliche Anwendungsbereiche in unserem Körper, vielfach in Verbindung mit anderen Materialien, wie in der genialen Kombination von Kollagen und Knochen.
Inwieweit lässt sich denn der Rohstoff Kollagen beeinflussen, um ihn in eine gewünschte Form zu bringen? Dr. Schlösser: Sehr stark. Wir wollen dem Körper einen prozessierten Rohstoff anbieten, der sich durch eine ganz bestimmte Organisation und Architektur auszeichnet. Um das zu erreichen, zerlegen wir teilweise die Kollagen-Faserbündel in ihre einzelnen Bestandteile und bauen sie sozusagen mit Hilfe der Gefriertrocknung wieder zusammen. Je nachdem, wie dieser Einfrierungsprozess gesteuert wird, bekommen wir größere oder kleinere Eiskristalle. Größere Eiskristalle machen größere und kleinere Kristalle kleinere Poren. Für Membranen mit Barrierefunktion wird das Kollagen nicht zerlegt, sondern in seiner natürlichen Organisation und Architektur belassen.
Diese Verbindung machen Sie sich bei der Knochenregeneration zu Nutze. Dr. Schlösser: Genau. Wenn ich für die Befestigung von Zahnimplantaten Knochen aufbauen will, muss ich diesen Bereich eine Weile schützen. Also brauche ich eine Kollagenmembran, die so dicht ist, dass Weichgewebszellen nicht in die Alveole des Kieferknochens einwachsen können. Dort, wo Weichgewebe vorliegt, kann kein Knochen entstehen. Trotz dieser Barriere ist die Membran durchlässig. Dadurch sind beispielsweise ein Nährstoffaustausch und eine gewisse Kommunikation zwischen den Räumen möglich. Wir haben also eine verlässliche Barriere gegen Weichgewebszellen wie die Fibroblas-
Die Hautregeneration ist weltweit ein Riesenthema. Inwieweit spielen Ihre Kollagenmembranen da eine Rolle? Dr. Schlösser: Wir haben keine zugelassenen Produkte für diese Indikationen. Allerdings ist für den Bereich Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie eine klinische Studie zum Einsatz einer Kollagenmatrix gestartet worden. Es geht um die Hautregeneration im Gesichtsbereich, etwa nach chirurgischer Entfernung sogenannter Basaliome. Das sind Tumore, die sich vor allem in Sonne exponierten Gesichtsregionen entwickeln, also beispielsweise Stirn, Nase oder Ohren. In den vergangenen Jahren hat deren Häufigkeit stark zugenommen. Viele von ihnen müssen herausoperiert werden. Wenn man ei-
Parodontales Ligament Das die Zahnwurzel umgebende Ligament besteht unter anderem aus Kollagenfasern.
Knochen Hauptsächlich Kollagen I gibt dem Knochen die notwendige Festigkeit und Flexibilität.
Bänder Bänder bestehen ebenso wie Sehnen großteils aus Kollagen I.
Geistlich News 01 | 2017
33
GEISTLICH PHARMA
Foto: Alfons Gut
ruft es keine immunologischen Reaktionen hervor. Separat zu betrachten sind die sehr seltenen Fälle einer Kollagenallergie.
Dr. Lothar Schlösser: «Kollagenmembranen leisten dem Körper Hilfe zur Selbsthilfe.»
ne solche Wunde sich selbst überlässt, entsteht narbiges und eingedelltes Gewebe, das natürlich insbesondere im Gesichtsbereich entstellend sein kann. Bis heute gibt es nichts wirklich Brauchbares, mit dem man das Gewebe ohne Narbe oder Delle gut wiederherstellen kann. Ein ausgeklügeltes Kollagenmatrix-System kann die Defektlöcher ausfüllen und sorgt so gemäß erster Daten dafür, dass sich das Hautgewebe sehr gut regeneriert. Auch andere Körperbereiche bedürfen manchmal einer «Reparatur»… Dr. Schlösser: Ja, das Knie zum Beispiel. Viele Menschen ziehen sich beim Sport schmerzhafte Knorpelverletzungen zu. Mit der AMIC®-Technik wird der lädierte Knorpel teilweise entfernt, der Knochen darunter angebohrt, so dass es dort einblutet und neues Gewebe entstehen kann. Eine geeignete Kollagenmembran wird auf dem Defekt befestigt. Dadurch entsteht ein geschützter Raum für die Regeneration des Gewebes. Und das funktioniert? Dr. Schlösser: Das funktioniert! Zwar ist diese Operationstechnik relativ auf-
34
Geistlich News 01 | 2017
wändig – wenn auch nicht im Vergleich beispielsweise zur ACI-Technik, wo Chondrozyten zuerst herangezüchtet werden müssen –, aber es funktioniert. Aber eigentlich repariert sich der Körper ja selbst... Dr. Schlösser: Das ist der Punkt. Letztlich helfen wir der Natur ein bisschen auf die Sprünge. Der Körper will sich wieder herstellen. Die Natur braucht dafür geschützte Räume und eine Bauanleitung. Das hat sie aber nicht immer. Wenn wir eine Matrix und eine sichere «Ruhezone» anbieten, wird es für den Körper deutlich einfacher bestimmte Strukturen zu regenerieren. Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Kommt es vor, dass unser Körper sagt, «ich will Deine Hilfe nicht» und das Material verschmäht? Dr. Schlösser: Kollagen ist sehr alt und genetisch zwischen verschiedenen Spezies konserviert. Das heißt, es ist, mit wenigen minimalen Ausnahmen, in allen Säugetieren der gleiche Baustoff. Wenn Kollagen gut bearbeitet ist – und hier kann Geistlich natürlich auf eine riesige Expertise zurückgreifen –
Was ist dabei zu beachten? Dr. Schlösser: Die Aufarbeitung des Ausgangsmaterials muss sehr gewissenhaft und sauber erfolgen. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Stabilisierung des Materials. Kollagen kann grundsätzlich sehr viel Wasser speichern. Diese Eigenschaft birgt aber auch die Gefahr, dass die Struktur instabil wird. Die Natur hilft sich, indem sie die Moleküle über Kreuzvernetzung mit einander verbindet und damit das Material stabilisiert. Wenn man die Prozesse nun so gestaltet, dass dieses Kollagengerüst geschwächt wird, dann muss es, um wieder stabil zu werden, auf künstlichem Wege vernetzt werden. Hat man diese künstliche Vernetzung nicht im Griff, gibt es Probleme mit der Gewebeintegration, und es kann zu Entzündungen kommen. Geistlich verfolgt hier die Strategie, die Fasern so zu reinigen, dass ihre natürliche Organisation und Stabilisierung belassen wird. Dadurch sind sie flexibel und gleichzeitig stabil genug und brauchen keine künstliche Vernetzung. Das ist unser Geheimnis. Die Firma Geistlich forscht und arbeitet schon seit vielen Jahrzehnten mit Kollagen. Glauben Sie eigentlich, dass dieses Material noch viel Unbekanntes bereit hält? Dr. Schlösser: Kollagen ist extrem wandlungsfähig, da wissen wir noch lange nicht alles. Obwohl ich mich schon sehr, sehr lange mit Kollagen beschäftige, erlebe ich immer wieder faszinierende Überraschungen mit diesem Material.
GEISTLICH PHARMA
Geistlich Bio-Gide® Compressed: Ein spürbarer Unterschied Evelyn Meiforth
Auf dem EAO-Kongress 2016 in Paris stellte Geistlich Biomaterials das jüngste Mitglied der Geistlich Bio-Gide® Produktfamilie vor.
Auf einen Blick: Geistlich Bio-Gide® Compressed › Native Bilayer-Kollagenmembran › Alternatives Handling
Während der EAO 2016 in Paris feierte Geistlich Pharma das 20. Jubiläum von Geistlich Bio-Gide®, der ersten nativen Kollagenmembran für die gesteuerte Geweberegeneration (GTR)1. Im Zuge dieser Feier stellte das Unternehmen mit Geistlich Bio-Gide® Compressed eine neue Geistlich Kollagenmembran vor. Für den Chirurgen bedeutet dies noch mehr Auswahl.
› Komprimierte Membran › Geglättete Oberfläche › Fester im Griff den › Einfacher zu schneiden
Mit Kollagen-Fachwissen kreiert Ziel der Kollagenexperten von Geistlich Biomaterials ist die ständige Erweiterung der Produktlinie. Geistlich Bio-Gide® Compressed ist eine native Bilayer-Kollagenmembran, die speziell für Zahnärzte entwickelt wurde, die Membranen mit alternativen Handling-Eigenschaften im Vergleich zu Geistlich Bio-Gide® bevorzugen. Als Produktalternative zu Geistlich Bio-Gide® bietet Geistlich Bio-Gide® Compressed einen festeren Griff sowie eine geglättete Oberfläche.
30 mm
Neues Produkt, lange Tradition Als Zwilling zu Geistlich Bio-Gide® verfügt Geistlich Bio-Gide®Compressed über die bekannten und unveränderten Vorteile von Geistlich Bio-Gide® mit seiner einzigartigen Biofunktionalität2,3 und hervorragenden Qualität. In mehr als 280 Publikationen4 ist die intensive Forschung zu Geistlich Bio-Gide® dokumentiert – der beste Beweis dafür, dass Geistlich Bio-Gide® auch nach 20 Jahren auf dem Markt nach wie vor die führende Referenzmembran für die regenerative Zahnheilkunde ist.5,6
25 mm
Geistlich Bio-Gide® Compressed: Die beiden Seiten der nativen Bilayer-Membran unterstützen die Defektheilung.
13 mm 20 mm Geistlich Bio-Gide® Compressed ist in zwei Größen erhältlich.
Referenzen 1
Daten in Akten.
2
Schwarz F, et al. : Clin Oral Implants Res 2014, 25(9): 1010–15.
3
Becker J, et al.: Clin Oral Implants Res 2009, 20(7): 742–93.
4 Pubmed 2016; Suchwort «Bio-Gide» 5 ERFOLG BEI GROSSEN AUGMENTATIONEN: Prof. Istvan Urbans Sausage Technique™ mit Geistlich Bio-Gide® Compressed: www.geistlich-pharma.com/de/dental/ membranen/geistlich-bio-gide-compressed
iData Research Inc., US Dental Bone Graft Substitutes and other Biomaterials Market, 2015.
6 iData Research Inc., European Dental Bone Graft Substitutes and other Biomaterials Market, 2015.
Geistlich News 01 | 2017
35
GEISTLICH PHARMA
Kleinere Knochenaugmentationen – neue Broschüre erschienen Turgut Gülay
Die neue Broschüre zeigt Konzepte und klinische Fälle für kleinere Knochenaufbauten.
THERAPIEKONZEPTE FÜR
KLEINERE KNOCHENAUGMENTATIONEN
In der neuen Broschüre über kleinere Knochenaugmentationen werden 14 klinische Fälle vorgestellt, in denen Geistlich Bio-Oss® und Geistlich Bio-Gide® verwendet wurden. Einer dieser Fälle stammt von Dr. Ueli Grunder, Schweiz (siehe unten). Aufgrund einer fortgeschrittenen parodontalen Erkrankung und eines schweren Knochenverlustes mit intraalveolärem Knochendefekt ohne Dehiszenz oder Fenestration musste der obere Prämolar extrahiert werden. Das Auffüllen des Defekts mit Geistlich Bio-Oss® Collagen nach dem Einsetzen des Implantats zeigte gute Langzeitergebnisse – die Hart- und Weichgewebekonturen blieben nach der Implantatinsertion über 25 Jahre lang stabil.
2 5J ah Nac reskon ht ro lle KONTURAUGMENTATION MIT GEISTLICH BIO-OSS ® COLLAGEN
25-Ja hr Na eskont chrolle
Dr. Ueli Grunder | Schweiz
KONTURAUGMENTATION EINES INTRAOSSÄREN DEFEKTS Dr. Su Yu Cheng | China
ZIEL / ANSATZ
KLINISCHE HERAUSFORDERUNG
ZIEL / ANSATZ
Es wurde eine Frühimplantationsansatz mit einer Heilungsphase von sechs Wochen vor der Implantatinsertion gewählt. Die Knochenaugmentation mit Geistlich Bio-Oss® Collagen wurde zur gleichen Zeit wie die Implantatinsertion durchgeführt. Da dieser Patient im Jahr 1991 behandelt wurde, zeigt dieser Fall eine der ersten klinischen Anwendungen von Geistlich Bio-Oss® Collagen.
Der obere mittlere Schneidezahn musste extrahiert werden und wurde unmittelbar nach der Extraktion durch ein Implantat ersetzt. Die klinische Herausforderung in dieser Situation bestand in der Aufrechterhaltung des Kieferkammvolumens – nicht nur aus funktionalen, sondern auch aus ästhetischen Gründen.
Das Implantat wurde unmittelbar nach der Extraktion von Zahn 11 eingesetzt. Um Knochenresorption und Volumenverlust zu minimieren, wurde der Raum zwischen dem Implantat und den Alveolarknochenwänden mit Geistlich Bio-Oss® gefüllt und der Bereich mit Geistlich Bio-Gide® abgedeckt.
DEFEKT Klasse 0
REGION Klasse II
Klasse I 1
BEHANDLUNG
anterior
Oberkiefer
posterior
Unterkiefer
2
ZUSÄTZLICHE HILFSMITTEL
Geistlich Bio-Oss® Collagen
DEFEKT Klasse 0
Kollagenvlies
Geistlich Bio-Gide® 3
REGION Klasse II
Klasse I
BEHANDLUNG
anterior
Oberkiefer
posterior
Unterkiefer
Klinische Fälle Klasse I
KLINISCHE HERAUSFORDERUNG Aufgrund einer fortgeschrittenen parodontalen Erkrankung und eines schweren Knochenverlustes rund um den infizierten Zahn musste der obere Prämolar extrahiert werden. Der Knochendefekt war ein intraalveolärer Defekt ohne Dehiszenz oder Fenestration.
ZUSÄTZLICHE HILFSMITTEL
Geistlich Bio-Oss®
Keine
Geistlich Bio-Gide®
4
1
2
3
4
8
5
6
7
8
1
5
6
7
BILDUNTERSCHRIFTEN 1. Präoperative Röntgenaufnahme, die den schweren Knochendefekt rund um den Zahn zeigt. 2. Sechs Wochen nach der Zahnextraktion ist in der postoperativen Phase eine unauffällige Weichgewebeheilung sichtbar. 3. Nach der Lappenpräparation wurde an einer Stelle mit einem schweren Knochendefekt ein Implantat eingesetzt. 4. Zum Auffüllen des Defekts und für eine gute Volumenstabilität wurde Geistlich Bio-Oss® Collagen appliziert.
BILDUNTERSCHRIFTEN 5. Nach der Augmentation mit Geistlich Bio-Oss® Collagen wurde die Eingriffsstelle mit einem Kollagenvlies abgedeckt. 6. Endgültige Kronenrestauration 6 Monate nach dem Eingriff. 7. Die Röntgenaufnahme nach 25 Jahren zeigt eine stabile Knochensituation. 8. Das klinische Bild der Nachkontrolle nach 25 Jahren zeigt eine sehr schöne und stabile Knochen- und Weichgewebesituation.
1. Präoperative Situation des oberen rechten mittleren Schneidezahns, die die Weichgewebesituation zeigt. 2. Zustand nach der Implantatinsertion. Sondierung an der bukkalen Alveolenwand. Zu beachten ist der lokale Knochendefekt zwischen dem Implantat und der bukkalen Wand. 3. Anwendung von Geistlich Bio-Oss® Granulat im lokalen Knochendefekt. Gleichzeitig wurde die Knochenanatomie verbessert. 4. Abdeckung des Geistlich Bio-Oss® Granulats mit einer Geistlich Bio-Gide® Membran nach dem GBR-Prinzip.
5. Okklusale Ansicht; die augmentierte Stelle ist durch die Membran geschützt, die sich bis zum nativen Knochen erstreckt. Präparation von Lappen für einen primären Verschluss der regenerierten Stelle. 6. Klinische Situation nach 6 Monaten und vor der Restauration. 7. Nach 12 Monaten: laterale Ansicht der Restauration. Es wurde eine optimale Kammkontur erzielt. 8. Frontalansicht, erfolgreiches ästhetisches Ergebnis an der Stelle des rechten oberen mittleren Schneidezahns, Status bei der 12-MonatsNachkontrolle.
SCHLUSSFOLGERUNG
SCHLUSSFOLGERUNG
Nach 25 Jahren zeigte ein während der Implantatinsertion mit Geistlich Bio-Oss® Collagen augmentierter Prämolar ein gutes Langzeitergebnis.
Durch Anwendung regenerativer Chirurgie wurden bei der Sofortimplantation im ästhetischen Bereich vorhersagbare ästhetische Ergebnisse erzielt.
25 Jahre nach der Implantation sind zufriedenstellende Hart- und Weichgewebekonturen vorhanden.
10 – THERAPIEKONZEPTE FÜR KLEINERE KNOCHENAUGMENTATIONEN
Bestellen Sie die neue Broschüre bei Ihrem lokalen Partner.
DEFEKT Klasse 0
REGION Klasse II
Klasse I
36
11
BEHANDLUNG
ZUSÄTZLICHE HILFSMITTEL ®
anterior
Oberkiefer
Geistlich Bio-Oss Collagen
posterior
Unterkiefer
Geistlich Bio-Gide®
Kollagenvlies
1
2
3
4
5
6
7
8
1
Präoperative Röntgenaufnahme, die den schweren Knochendefekt rund um den Zahn zeigt.
5
Nach der Augmentation mit Geistlich Bio-Oss® Collagen wurde die Eingriffsstelle mit einem Kollagenvlies abgedeckt.
2
Sechs Wochen nach der Zahnextraktion ist in der postoperativen Phase eine unauffällige Weichgewebeheilung sichtbar.
6
Endgültige Kronenrestauration sechs Monate nach dem Eingriff.
7
3
Nach der Lappenpräparation wurde ein Implantat eingesetzt.
Die Röntgenaufnahme nach 25 Jahren zeigt eine stabile Knochensituation.
4
Zum Auffüllen des Defekts und für eine gute Volumenstabilität wurde Geistlich Bio-Oss® Collagen appliziert.
8
Das klinische Bild der Nachkontrolle nach 25 Jahren zeigt eine sehr schöne und stabile Knochen- und Weichgewebesituation.
Geistlich News 01 | 2017
GEISTLICH KEY TO SUCCESS
Geistlich setzt Webinarserie fort
WEBINAR WORLD TOUR 2017
GEISTLICH PHARMA
Dr. Maria Scheuermann
Auch 2017 wird Geistlich eine Webinar World Tour veranstalten und Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern weltweit Online-Weiterbildungen anbieten – live, interaktiv und gratis. Die Webinar World Tour startete 2016 als Teil der Produktejubiläen 20 Jahre Geistlich Bio-Gide® und 30 Jahre Geistlich Bio-Oss®. Aufgrund der großen Nachfrage wird die Serie 2017 fortgeführt.
Der Schlüssel zum Erfolg Das Motto der diesjährigen Webinarserie lautet «Key to Success». Die Vortragenden werden deshalb darauf fokussieren, welche Faktoren entscheidend für den Behandlungserfolg sind, ihre besonderen Tricks verraten und anhand von Literaturdaten aufzeigen, für welche Methoden es die beste Evidenzbasis gibt. Jetzt registrieren: https://geistlich.dental-campus.com
Die folgenden Webinare sind geplant, alle Vorträge werden auf Englisch gehalten: Prof. Lisa Heitz-Mayfield I Australien PERI-IMPLANTITIS: DECISION-MAKING IN CLINICAL PRACTICE 28. März 2017 – 19:00 Uhr AWST UTC +8 Stunden Adj. Prof. Michael Norton I Vereinigtes Königreich ASSESSMENT AND PLANNING BEFORE SINUS LIFT 3. Mai 2017 – 19:00 Uhr GMT/UTC Prof. Daniel Buser I Schweiz LONG TERM RESULTS FOR GBR 28. Juni 2017 – 19:00 Uhr CET UTC +1 Stunde
Dr. Isabella Rocchietta I Vereinigtes Königreich MANAGEMENT OF SEVERE ALVEOLAR DEFECTS 21. September 2017 – 19:00 Uhr GMT/UTC Prof. Pascal Valentini I Frankreich SINUS FLOOR ELEVATION: PREVENTION AND THERAPY OF POSTOPERATIVE COMPLICATIONS 24. Oktober 2017 – 19:00 Uhr CET UTC +1 Stunde Ass. Prof. Diego Velasquez I Vereinigte Staaten TREATMENT OF SINGLE TOOTH EXTRACTION SOCKETS 29. November 2017 – 19:00 Uhr EST UTC –5 Stunden
Geistlich News 01 | 2017
37
GEISTLICH PHARMA
Geistlich-Blog «The Regeneration Expert» Verena Vermeulen
Seit Februar stehen alle Schwerpunkt-Beiträge aus den Geistlich News im Blog «The Regeneration Expert» zur Verfügung. Kennen Sie die wichtigsten Planungsschritte vor einer Sofortimplantation? In welchen Fällen würden Sie eine Sandwich-Osteoplastik einsetzen? Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wie es nach der Zahnextraktion weitergeht? Der Blog «The Regeneration Expert» gibt Ihnen Einblicke in die aktuellen Themen, Fragen und Kontroversen der regenerativen Zahnmedizin.
Expertise zugänglich gemacht In den Blog eingeflossen sind alle Schwerpunktthemen, die in den Geistlich News seit 2014 behandelt wurden. So standen schon Peri-implantitis, kleinere Knochenaufbauten,
38
Geistlich News 01 | 2017
große Knochenaufbauten, Planung & Diagnostik im Zusammenhang mit regenerativen Therapien, Kieferkammerhalt nach Zahnextraktion und – in dieser Ausgabe – Risiken & Komplikationen auf dem Programm.
Ein Blog als Wissensschatz Mehr als 40 Beiträge von weltweit anerkannten Experten gehören zum Startinhalt. Über Suchfunktion und Suchkategorien können Leser Beiträge finden, die sie interessieren – oder einfach auf der Startseite stöbern und sich von den Bildern, Titeln oder Autoren inspirieren lassen. Alle Beiträge können natürlich kommentiert, geteilt und weitergeleitet werden. Also, einfach reinschauen: www.regeneration-expert.com
NEU! ®
GEISTLICH BIO-GIDE COMPRESSED
SPÜREN SIE DEN UNTERSCHIED
www.geistlich-biomaterials.com ww geistlich biomateeerials.com rials Abbildung nicht in Originalgrösse sse
Geistlich News 01 | 2017
39
Ein weltumspannendes Netzwerk in der oralen Regeneration Dr. Heike Fania
Das Motto der unabhängigen, 2003 von Dr. Peter Geistlich und der Geistlich Pharma AG gegründeten Osteology Stiftung ist «Linking Science and Practice in Oral Regeneration» – also die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis in der oralen Regeneration. Die Stiftung fördert zum einen Forschung und die Ausbildung der Wissenschaftler in diesem Feld, zum anderen sorgt sie auch dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse den Weg zu den Klinikern und damit in die Praxis finden.
61 Symposien in 18 Ländern Ein Hauptanliegen der Osteology Stiftung ist es auch, Wissenschaftler und Praktiker in einem weltumspannenden Netzwerk der oralen Regene-
40
Geistlich News 01 | 2017
Fotos: Osteology
Die Osteology Stiftung bringt alle Wissenschaftler und Praktiker zusammen, die an regenerativen Therapien in der Zahnmedizin interessiert sind. Sie organisiert Symposien, Kongresse, Kurse und ab 2017 auch verstärkt Online-Aktivitäten.
Bringt Wissenschaftler & Kliniker aus aller Welt zusammen: das Internationale Osteology Symposium 2016 in Monaco.
ration zusammenzubringen und ihnen so den Austausch zu ermöglichen sowie Gelegenheit zu geben voneinander und miteinander zu lernen. Vieles ist in Hinblick auf dieses Anliegen in den vergangenen Jahren bereits ge-
schehen, und viele weitere Aktivitäten sind geplant, wie der Präsident der Stiftung, Prof. Mariano Sanz, an einer Pressekonferenz im Rahmen des Internationalen Osteology Symposiums 2016 in Monaco erklärte.
Weltweit finden eigene Symposien der Stiftung statt, bisher insgesamt bereits 61, in 18 Ländern. Ausserdem gibt es immer wieder Veranstaltungen in Kollaboration mit nationalen Fachgesellschaften weltweit – siehe dazu auch die Tabelle mit den bisher feststehenden Terminen für 2017. Zum ersten Mal wird es in diesem Jahr ein Osteology Symposium Australasia in Melbourne geben.
Auch im Bereich von Onlinekursen sowie in der Kombination von On- und Offlinekursen ist die Osteology Stiftung aktuell in der Planung. Die ersten Aktivitäten werden 2017 auf THE BOX zur Verfügung stehen, und weitere Programme sind geplant. Man darf gespannt sein!
Aktuelle Informationen zu allen Aktivitäten sowie der Link zu THE BOX finden sich im Internet auf: www.osteology.org.
OSTEOLOGY TERMINE 2017 Research Academy in Asien und Südamerika Junge Wissenschaftler profitieren ebenfalls von den Kursen der Stiftung, nicht nur an den Symposien. Sie kommen aus allen Ecken der Welt zu den Kursen der Osteology Research Academy, in denen das wissenschaftliche Arbeiten in der oralen Regeneration vermittelt wird. 2017 werden diese Kurse zum ersten Mal auch in Asien (Hongkong) und Südamerika (Rio de Janeiro) stattfinden.
THE BOX Damit ein Austausch weltweit auch über diese Veranstaltungen und Programme hinaus möglich ist, hat die Stiftung die Onlineplattform THE BOX entwickelt, die nicht nur Informationen wie beispielsweise die Osteology Research Guidelines zur Verfügung stellt, sondern es der Osteology Community bestehend aus Wissenschaftlern und Klinikern ermöglicht, sich auszutauschen und in Kontakt miteinander zu bleiben. So können eigene und fremde klinische Fälle privat oder öffentlich diskutiert werden, Forschungsprojekte können gemeinschaftlich erarbeitet und diskutiert oder neue Kontakte geknüpft werden.
OSTEOLOGY SYMPOSIEN 17–18 Februar
Osteology Symposium Spain
Barcelona/Spanien
2–3 Juni
Osteology Symposium Australasia
Melbourne/Australien
3–4 Juni
Osteology Symposium Japan
Tokio/Japan
20–21 September
Osteology Symposium China
Shanghai/China
21–22 Oktober
Osteology Symposium Russia
Moskau/Russland
COLLABORATIONS 20–22 April
Osteology Session @ CONBRAPE
São Paulo/Brasilien
25–27 Mai
Osteology Session @ SEPA Kongress
Málaga/Spanien
9–12 September
Osteology Session @ AAP Kongress
Boston/USA
10–11 November
Osteology Session @ ÖGI Kongress
Graz/Austria
15–18 November
Osteology Session @ FIPP Kongress
Santiago/Chile
OSTEOLOGY RESEARCH ACADEMY 3–7 Juli
Core Module Hong Kong
Hongkong
11–15 September
Core Module Lucerne
Luzern/Schweiz
19–22 September
Core Module Rio de Janeiro
Rio de Janeiro/Brasilien
6–8 November
Expert Module Bern
Bern/Schweiz
21 April
National Osteology Group Brasil
Online/Brasilien
4–6 Mai
ITI World Kongress – Ausstellung
Basel/Schweiz
5–7 Oktober
EAO Kongress – Ausstellung
Madrid/Spanien
23 November
National Osteology Group Brasil – Annual Meeting
São Paulo/Brasilien
OTHER
Geistlich News 01 | 2017
41
INTERVIEW
In Mailand mit Giulio Rasperini Das Interview führte Reto Falk
Worin liegt für dich der größte Vorteil einer guten beruflichen Vernetzung? Prof. Rasperini: Im Teilen von Gedanken, Ideen, Philosophien, Techniken und Konzepten – ich denke, das wahre
Geheimnis besteht darin, andere nicht belehren zu wollen, sondern Wissen zu teilen. Das heißt auch, offen für Kritik und Feedback zu sein. Ich freue mich immer über Anregungen von jungen Leuten, die neu in diesem Bereich sind. Jüngere Leute kommunizieren häufig ganz anders, als wir es gewohnt sind. In dieser Ausgabe der Geistlich News geht es um Risiken und Komplikationen. Bist du auch der Meinung, dass es gut ist, über Fehler zu sprechen? Prof. Rasperini: Auf jeden Fall. Aus Fehlern lernt man. Darum mag ich es auch nicht, wenn Leute nur ihre Erfolge auf einer Bühne präsentieren. Es gibt natürlich gute Techniken, aber keine ist zu hundert Prozent erfolgreich. Wir müssen auch über die Verfahren sprechen, die nicht erfolgreich sind, weil
Prof. Giulio Rasperini (rechts) hat eine private Praxis für Parodontologie und Implantologie im italienischen Piacenza und ist Professor für Parodontologie in Mailand. Er ist Mitglied des redaktionellen Beirats des International Journal of Periodontics & Restorative Dentistry sowie des Journal of Implant & Advanced Clinical Dentistry und Autor mehrerer Publikationen zu Parodontologie und Implantologie.
42
Geistlich News 01 | 2017
wir nur so lernen können, was wir nicht tun dürfen. Eines der Themen, mit denen du dich zudem beschäftigst, ist Innovation... Prof. Rasperini: Ich finde, unsere Techniken müssen einfacher, vorhersagbarer und für die Patienten preiswerter werden – zum Beispiel durch den Einsatz von digitalen Geräten oder neuen Operationstechniken, mit denen sogar größere horizontale oder vertikale Augmentationen leichter durchgeführt werden können. Letzte Frage: Welchen Beruf hättest du ergriffen, wenn du nicht Zahnarzt geworden wärst? Prof. Rasperini: Dann wäre ich wahrscheinlich Architekt geworden, weil ich es liebe, kreativ zu sein.
Foto: Giuliano Susca
Giulio, ich kenne kaum jemanden, der über so viele Kontakte und «Endorsements» im professionellen sozialen Netzwerk LinkedIn verfügt wie du. Ist es wichtig für dich, gut vernetzt zu sein? Prof. Rasperini: Freundschaft ist das Wichtigste für mich. Ich liebe es, Zeit mit meinen Freunden zu verbringen, die mittlerweile meist aus der Zahnheilkunde stammen. Außerdem besuche ich viele private Feiern von anderen Zahnärzten, bei denen wir aber nicht über die Arbeit sprechen, sondern über andere Themen.
Ausgabe 2 | 17 erscheint im August / September 2017.
SCHWERPUNKT
Weichgewebemanagement – Rezessionsdeckung – Weichgewebemanagement rund um Implantate – Weichgewebemanagement bei großen Augmentationen – Autologe Transplantate vs. Biomaterialien
Herausgeber Š Geistlich Pharma AG Business Unit Biomaterials Bahnhofstrasse 40 CH-6110 Wolhusen Tel. +41 41 492 56 30 Fax +41 41 492 56 39 www.geistlich-biomaterials.com
601643/1704/de
Mehr Infos Ăźber unsere Vertriebspartner: www.geistlich-pharma.com