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Die neue
Grundlagen des Marketingmanagements – eine Synthese aus bewährtem und modernem Marketingverständnis
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Marketing
Healthcare Marketing – Eine kritische Reflexion ■ Was ist Health 2.0? ■ Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung ■ Learnings from “healthymagination” ■ Erlössicherung durch Marktintelligenz und Zuweisermanagement ■ Ärztenetze – Wie die Pharmabranche reagieren sollte ■ Leistungen von Apotheken im Urteil der Kunden ■ Social Media im Kundenservice – Das Avanex-Kundenforum
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Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung Konzepte - Instrumente - Praxisbeispiele 11., überarb. u. erw. Aufl. 2012. XX, 939 S. mit 376 Abb. Geb. EUR 39,95 ISBN 978-3-8349-2760-6 Dieses bewährte Standardwerk liefert Studierenden im Bachelor- und Masterprogramm sowie Praktikern umfassende Grundlagen des Marketingmanagements aus einer entscheidungsorientierten Sicht. In der 11. Auflage des Marketing-Klassikers wurden alle Kapitel überarbeitet, neue Entwicklungen wurden integriert, wie z.B. das gesamte Feld Social Media. Im Weiteren widmet sich das Buch verstärkt der Out-of-Home-Kommunikation. Die strategische Komponente der Kommunikation wurde durch ein zusätzliches Kapitel zur Mediastrategie/-planung erweitert, welche den Erfordernissen nach einer systematischen Planung, Koordination und Kontrolle aller Mediaaktivitäten Rechnung trägt. „Die Bibel des Marketings.“ w & v - werben und verkaufen
KOMPETENZ IN SACHEN WIRTSCHAFT
6 | 2011
Marketing Review St. Gallen
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Healthcare Marketing
Der Inhalt ■ Konzeptionelle Grundlagen des Marketing ■ Käuferverhaltens- und Marketingforschung ■ Marketingziele ■ Marketingstrategien ■ Marketing-Mix ■ Marketingorganisation und -implementierung ■ Marketing-Controlling Die Autoren Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert ist Professor der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, und emeritierter Direktor des Instituts für Marketing am Marketing Centrum Münster (MCM) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Prof. Dr. Christoph Burmann ist Inhaber des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement (LiM) an der Universität Bremen. Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketingmanagement an der HHL - Leipzig Graduate School of Management.
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Eine Zeitschrift aus dem Gabler Verlag 70610 – ISSN 1865-6544
Meffert, Heribert / Burmann, Christoph / Kirchgeorg, Manfred
6 | 2011
– Marketingfachzeitschrift für Theorie und Praxis | www.marketingreview.ch
Healthcare Marketing
INHALT
04 | Interview mit Dr. Ole Wiesinger
MARKTORIENTIERUNG 08 | Healthcare Marketing – Eine kritische Reflexion Mit der zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitsbereichs finden auch Konzepte des Healthcare Marketing vermehrt Anwendung. Der Beitrag erörtert die Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung medizinischer Versorgungseinrichtungen aus der Perspektive von Krankenhäusern und Arztpraxen. MEFFERT | ROHN
16 | Was ist Health 2.0? Der Einfluss digitaler Innovationen auf dem Gesundheitsmarkt Die digitale Vernetzung von Gesundheitsinteressierten, Patienten und Fachgruppen führt nicht nur zu Marktemanzipation und gegenseitiger Kollaboration. Die Verschmelzung mit der klassischen Struktur des Versorgungs- und Healthcare-Markts bringt auch innovative Veränderungen und Mehrwerte mit sich. SCHACHINGER
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08 | Healthcare Marketing
EFFIZIENZSTEIGERUNG 21 | Herausforderungen durch neue Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung Mit leeren Pipelines und generischen Blockbustern suchen Pharmaunternehmen nach neuen Methoden, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Herausforderungen in der biopharmazeutischen Marktforschung und zeigt Lösungsansätze für mehr Effizienz, mit denen sich die Pharmabranche derzeit beschäftigt. SCHÖFFSKI | SUSSMAN | PINES
26 | Learnings from “healthymagination” – How GE Provides Better Care to More People at Lower Cost Healthcare is at a crossroads. Current healthcare models are in many ways not up to the current challenges. GE’s “healthymagination” strategy is designed to meet the growing demands of the market. Customer-driven innovation, stakeholder orientation and multiple communication channels help to significantly reduce costs, improve quality and increase patient access. HERHAUSEN | TRUMANN | SCHÖGEL
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Health Care Marketing
26 | Healthymagination
34 | Marktintelligenz
ÄRZTE ALS KUNDEN
ENDKUNDE IM FOKUS
34 | Erlössicherung durch Marktintelligenz und Zuweisermanagement
48 | Leistungen von Apotheken im Urteil der Kunden – Fallbeispiel zur lokalen Marktforschung
Fallkostenpauschalen (DRG) sollen Kostensenkungen bei stationären Leistungen bewirken. Für Krankenhäuser ist jedoch eine Ergebnisverbesserung durch DRG nur durch Erlössteigerungen möglich. Der Beitrag beschreibt Ansätze dazu durch Marktintelligenz, Zuweisermanagement und Marketing am Beispiel des Schweizer Markts. ELMHORST | FITTERER | LEWERENZ
42 | Ärztenetze – Wie die Pharmabranche reagieren sollte Die Entwicklung von Ärztenetzen in Deutschland verläuft rasant. Bereits 25 % der niedergelassenen Ärzte waren im Jahr 2010 in einem Netzwerk organisiert. Welche Herausforderungen, Effekte und Erfolge für Pharmahersteller mit dem Aufbau guter Beziehungen zu Ärztenetzen entstehen können. HUBER | VOGEL | FALKE
Der Druck auf Apotheken in Deutschland wächst. Je einschneidender die gesetzlichen Regelungen und je stärker andere Handelsbetriebsformen und Versandapotheken sind, desto wichtiger ist es, Apotheken klar im lokalen Marktumfeld zu positionieren. Fundierte Marktforschung liefert dazu hilfreiche Kenntnisse über Kunden, Wettbewerber und Standortbedingungen. SCHRÖDER | LEYKE-HESS | ERZMONEIT
54 | Social Media im Kundenservice – Das Avanex-Kundenforum Der Krankenversicherer Avanex nutzt verschiedene Social-Media-Kanäle, um seinen Kundenservice effizienter zu gestalten. Der Beitrag zeigt, wie das Unternehmen klassische One-to-One- und One-to-ManyKanäle erfolgreich um neue Kanäle ergänzt, um seinen Kunden noch besseren Service zu liefern. NIERLICH
INTERVIEW 04 | Marketing im Spannungsfeld der Healthcare-Branche Dr. med. Ole Wiesinger, CEO der Privatklinikgruppe Hirslanden, über die Möglichkeiten, Grenzen und Herausforderungen des Krankenhausmarketing in der Healthcare-Branche. Marketing Review St. Gallen
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RUBRIKEN 01 60 61 63 64
Editorial Literaturhinweise Marketingquellen Beirat Vorschau | Impressum 3
Foto: © David Gray/istock.com
Herausforderungen durch neue Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung
Herausforderungen durch neue Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung Mit leeren Pipelines und generischen Blockbustern suchen Pharmaunternehmen zunehmend nach neuen Methoden, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Marktforschung wird hier primär von externen Anbietern erbracht und reagiert damit besonders stark auf ökonomische Veränderungen. Dieser Beitrag basiert auf qualitativen Interviews mit weltweiten Entscheidungsträgern internationaler Unternehmen und gibt einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen in der biopharmazeutischen Marktforschung. OLIVER SCHÖFFSKI | JANA WOLF SUSSMAN | NOAH M. PINES
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harmaunternehmen stehen vor großen Herausforderungen, wobei das abnehmende Branchenwachstum vor allem begründet ist mit mangelnder F&E-Produktivität und anstehenden Patentausläufen, die einen generischen Wettbewerb für umsatzstarke Produkte mit sich bringen. Aufgrund dessen haben globale Pharmafirmen ihre Vertriebs- und Forschungsabteilungen stark beschnitten und suchen weiterhin nach neuen Wettbewerbsmodellen (Fischer 2009). Die Marktforschung (MaFo) hilft Unternehmen, bessere Marktentscheidungen zu treffen, indem sie direkte Einblicke in die aktuellen Kundenbedürfnisse, Markttrends und neue Chancen liefert.
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Sie ist essenziell in der Unterstützung der klinischen Forschung und der Produkt(neu)einführung. Da es sich um einen zeit- und kostenintensiven Budgetposten handelt, der üblicherweise von externen Anbietern dominiert wird, haben diese Ausgaben ein besonders hohes Risiko, Budgeteinschränkungen anheim zu fallen – und können sogar als Lead-Indikator für andere, weniger flexible Teile der Pharmaorganisation gesehen werden (Schweitzer 2007). Nach einem Überblick über aktuelle Herausforderungen aus Sicht der befragten Experten beschäftigt sich dieser Beitrag mit den Ansätzen, die die Marktforschungsabteilungen in Pharmaunternehmen momentan anwenden, um effizienter und kosteneffekti21
EFFIZIENZSTEIGERUNG
Tab. 1 Aktuelle Herausforderungen im Pharmamarkt Aktuelle Marktherausforderungen
Besondere Herausforderungen für Neuprodukte
Blockbuster-Patente laufen aus
Suche nach „Nischen-Bustern; geringere F&E-Produktivität
Zunehmender „Konservatismus“ der Zulassungsbehörden (EMA/FDA)
Zulassungen sind schwieriger und dauern länger
Kostendruck von Kassen und Wirtschaftlichkeitsbehörden
Kassen fordern vergleichende Effektivitäts- und Effizienzdaten
Herkömmliche Formen des Marketing werden in Frage gestellt, Suche nach neuen Optionen, Kunden zu erreichen (eDetailing etc.) Datenschutzbestimmungen erschweren die individualisierte Erfolgsmessung Quelle: Interviews mit Marktforschungsleitern und Anbietern
ver zu arbeiten, sowie mit den damit verbundenen Risiken. Außerdem werden die Reaktionen der wichtigsten Industrieanbieter auf diese Veränderungen dargestellt. Um diese Fragen realitäts- und zeitnah zu beantworten, haben die Autoren ein Dutzend Interviews geführt: 8 davon mit firmeninternen Marktforschungsleitern in Biotech-, sowie Mittelstandsund Großunternehmen, sowie 4 weitere mit Geschäftsführern internationaler Marktforschungsunternehmen. Die Interviews dauerten jeweils ca. 1 Stunde und wurden in den Monaten April bis Mai 2011 durchgeführt. Ausschlaggebend für die Auswahl der Experten war ihre Rolle im Unternehmen sowie die aktuellen Veränderungen, über die die Autoren aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit informiert waren.
Aktuelle Herausforderungen in der Industrie Zunächst einmal wurden die Interviewpartner gebeten, die für sie relevanten Veränderungen zu beschreiben. Die folgenden 3 Faktoren sind für sie bestimmend für die aktuellen Effizienzbemühungen: 1. Viele Blockbuster-Patente laufen gerade aus (z.B. Lipitor/Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin), Viagra (Wirkstoff: Sildenafil) und Plavix (Wirkstoff: Clopidogrel) 2. Aufgrund des neuen Konservatismus von EMA und FDA nach dem Vioxx-Skandal werden weniger Produkte zugelassen 3. Der Kostendruck auf Produktpreise wird größer In den USA greift die Regierung zunehmend in die Gesundheitspolitik und deren Kostenstruktur ein; in den sozialer strukturierten Gesundheitssystemen Europas gewinnen Wirtschaftlichkeitsinstitutionen (wie NICE und IQWiG) an Einfluss. Aufgrund des Kostendrucks in der ersten Welt suchen international agierende Firmen zunehmend nach Wachstumsmöglichkeiten in den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China). Und mit dem Ende der Blockbuster-Ära spezialisieren sich viele nun mit sogenannten „Nischen-Bustern“ auf kleinere Patientensegmente. Neue Marketingrestriktionen stellen herkömmliche und kostspielige Ansätze (wie bspw. Werbung durch Pharmareferenten) zunehmend in Frage und schaffen Raum für – oder bedingen – neue Ansätze. Zudem erschweren zunehmende Datenschutzbestimmungen die Erfolgsmessung. 22
Aufgrund dieses Zusammenspiels von Faktoren suchen Biotechund Pharmaunternehmen nach neuen Geschäftsmodellen, um ihre Produkte zu finanzieren, zu bewerben und zu unterstützen.
Personelle und studienspezifische Herausforderungen in der Marktforschung Vor dem Hintergrund dieser industriespezifischen Probleme haben die Entscheidungsträger der Marktforschung folgende bereichsspezifischen Herausforderungen aufgezählt: Auf Weisung der Geschäftsführung müssen die Mitarbeiter in Marktforschungsabteilungen nach eigenen Aussagen immer mehr Verantwortung und neue Projekte übernehmen, ohne dass neue Mitarbeiter angestellt werden. Dies fordert neue Formen der Effizienz, um ohne Wachstum zusätzliche Aufgaben und größere Budgets zu bewältigen. Rechtliche und behördliche Compliance wird sowohl in den USA als auch in Europa zunehmend zu einer Herausforderung für die Sammlung von Primär- und Sekundärdaten. In den letzten Jahren haben so gut wie alle Pharma- und Biotech-Unternehmen Mechanismen zur Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAWs) eingeführt, die in der Primärforschung von Ärzten dokumentiert werden. Normalerweise muss hier der Moderator, der Analyst oder der Firmenbeauftragte innerhalb von 24 Stunden die Information an die interne medizinische Sicherheitsabteilung weitergeben. Zudem prüfen die Rechtsabteilungen zunehmend die in den Primärstudien verwendeten Materialien, vom Diskussionsleitfaden über Fragebögen bis zu Produktprofilen und Werbekonzepten. Erhöhte Corporate-Compliance-Anforderungen haben zu erhöhten Infrastrukturkosten und Zeitaufwand geführt, da hierfür Trainings-Module erstellt und deren Inhalt sowohl den Angestellten als auch den Anbietern nähergebracht werden müssen. Inhaltlich müssen nun auch die Interviewpartner informiert und gewisse Ereignisse wie UAWs extern den Behörden gemeldet werden. Einige MaFo-Abteilungen sehen sich nun mit – oft von der Firma selbst auferlegten – Honorarlimits konfrontiert. Das macht es teilweise schwierig, in einem bestimmten Fachbereich die richtigen Ärzte erfolgreich zu rekrutieren. In einigen Situationen wurden sie zudem von der Rechtsabteilung darum gebeten, die Namen der Teilnehmer an einer offen dargelegten markenspezifischen Marketing Review St. Gallen
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Herausforderungen durch neue Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung
Tab. 2 Zitate zu den Herausforderungen in der Marktforschung MaFo-spezifische Herausforderungen
Zitate der befragten Experten
Mehr mit weniger erreichen (Geld sparen)
„Wir müssen mit denselben Ressourcen mehr erreichen.” „Wir sind für die Täler ausgerüstet, nicht für die Gipfel.”
Primärdatenerhebung
„Wir haben neue Honorarlimits für all unsere Ärzte (z.B. 100 Euro), was bedeutet, dass es schwierig ist, genug Fachärzte in einem Spezialgebiet zu finden, die überhaupt mitmachen wollen.“
Sekundärdatenerhebung
„Die Ärztedaten sind momentan sehr transparent und es besteht die Befürchtung, dass dies die Beziehung zwischen Arzt und Patient stören kann.“
Geringer Stichprobenumfang
„Wir teilen uns dieselben Typen, die (auch örtlich) leicht erreichbar sind.“ Quelle: Interviews mit Marktforschungsleitern und Anbietern
Marktforschung weiterzugeben. Dieses sind Punkte, die vor allem von externen MaFo-Dienstleistern bemängelt wurden. Diese Form der Anfragen kann auch von außen kommen: Die FDA-Abteilung für pharmazeutisches Marketing und Werbung (DDMAC) bat unlängst darum, die Mitschriften der markenspezifischen Marktforschung der Einreichung zur Produktzulassung hinzuzufügen. Dass Daten nun auch außerhalb der Firma transparenter gehandhabt werden müssen, führt zu ganz neuen Überlegungen in der Marktforschung.
Abnehmende Probandenzahl Nicht alle Ärzte stellen sich für die pharmazeutische MaFo zur Verfügung, sodass dieselben Individuen wiederholt befragt werden, weil keine „jungfräulichen“ Probanden verfügbar sind. Während die Zusammenarbeit mit erfahrenen Interviewpartnern den MaFo-Prozess angenehm gestaltet, kann die begrenzte Zahl an Befragten auch dazu führen, dass weniger spontane Ideen und neues Denken mit eingebracht werden. Einige MaFo-Direktoren gehen davon aus, dass es aufgrund neuer Datenschutzbestimmungen in Zukunft auch in den USA schwieriger werden wird, individuelle Arztdaten zu erhalten. Daher wird die Sekundärdatensammlung (für die Messung der sogenannten „Sales Effectiveness“ und allgemeiner Trends) voraussichtlich eklatant kostspieliger. Unter Umständen müssen Firmen derartige Daten dann selbst erfassen, statt auf kosteneffektive Sekundärdatensätze von Firmenanbietern zurückgreifen zu können.
Neue fachliche Fähigkeiten werden benötigt Der Trend vom Blockbuster zum Nischen-Buster erfordert fachspezifischere Fähigkeiten von den Anbietern, sowohl was die Methoden angeht als auch inhaltlich bzgl. des Therapiegebiets. In Fachgebieten wie Hepatitis C, Mukoviszidose und verschiedenen Krebsarten benötigen Firmen unabhängig von ihrer Größe Anbieter, die sofort „durchstarten“ können, also kein Training im Fachgebiet benötigen. Die Herausforderungen werden unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem in welcher Lage sich die jeweilige Firma befindet. Firmen mit robusten Pipelines in wachsenden Fachgebieten (Stoffwechselstörungen, Neurowissenschaften, Marketing Review St. Gallen
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Onkologie) haben sich in den Interviews dahingehend geäußert, dass sie in Zukunft MaFo-Ressourcen aufbauen werden, wenn auch nicht unbedingt durch mehr Mitarbeiter. Firmen mit Pipeline-Problemen und mit Verzögerungen in der Produktzulassung werden sowohl aktuelle als auch neue Projekte einschränken.
Neue Effizienzansätze in der pharmazeutischen Marktforschung Die Entscheidungsträger aus der Marktforschung haben in den Interviews folgende Formen der operationalen sowie projektbezogenen Rationalisierung in ihren Firmen und Abteilungen identifiziert:
Operationale Ebene Die Beschränkung der Mitarbeiterzahl auf den Status quo – zuweilen sogar die Reduktion des internen Personals – bedeutet, dass man sich noch mehr auf Berater und Anbieter verlässt. Beinahe alle befragten Firmen gaben an, dass Anbieter sich stärker zu „Partnern“ entwickeln, vor allem im Fall von Neuproduktentwicklungen. Größere Firmen experimentieren mit dem „Agency of Record (AOR)“-Modell. Dies bedeutet, dass mit einer limitierten Anzahl an MaFo-Unternehmen Rabatte ausgehandelt werden. Der Prozess beinhaltet meist umfangreiche Tabellenkalkulationen, die die Kostenstruktur im Detail darlegen (z.B. konkrete Kosten pro Interview). Alle interviewten Firmen haben Einkaufsinitiativen eingeführt, die sowohl die Anbieterstrukturen als auch die individuellen Projekte beleuchten. Hierbei geht es darum, Rabatte zu generieren und durch Projektbündelung ggf. kosteneffizienter zu arbeiten. In einigen Fällen haben die Einkaufsabteilungen sogar direkte Einsparungen bei Anbietern, die weiter unten in der Wertschöpfungskette eingebunden sind (wie z.B. Interview Recruiter), durchsetzen können. Die meisten größeren Firmen haben abteilungsübergreifende Teams gebildet, die sich mit der Vermeidung von Redundanzen in der sekundären Datenbeschaffung beschäftigen, da die Budgets auch hier knapper werden.
Projekt- und Produktebene Industrieweit treffen MaFo-Teams ihre Entscheidungen mit einem kritischen Auge dafür, welche Studien unternehmens- und ent23
EFFIZIENZSTEIGERUNG
Tab. 3 Zitate zu operationalen und projektbezogenen Effizienzansätzen in der Marktforschung Effizienzfindung
Zitate der befragten Experten
Operational
„Man verlässt sich auf die Anbieter als Partner, nicht einfach nur als Serviceanbieter.” „Der Einkauf fragt uns häufiger: Mit wem arbeitet ihr zusammen? Wie verhandelt ihr die Bedingungen?” „Wenn wir statt 100.000 Dollar nur 80.000 Dollar für ein Projekt ausgeben, müssen wir die Differenz zurückgeben. Wir dürfen das ersparte Geld nicht für ein anderes Projekt verwenden, sondern müssen es woanders finden. Es ist schwieriger.”
Projektbezogen
„Du musst sicherstellen, dass die Marktforschung direkt eine Entscheidung als Ziel hat.” „Was ist der Sinn dieser Marktforschung?” „Wir haben sonst viel mehr gemacht ... brauchen wir wirklich vier Runden, reichen nicht vielleicht zwei?” Quelle: Interviews mit Marktforschungsleitern und Anbietern
scheidungskritisch sind. Allgemein gibt es hier weniger Raum für Fehler und keinen Platz für Projekte ohne klaren Verwendungszweck. Grundsätzlich werden mehr qualitative Projekte statt großer quantitativer Studien durchgeführt, wobei der Stichprobenumfang für das Projekt reduziert und die Stichprobe pro Ort auf eine bestimmte Zahl festgelegt wird. Bereits durchgeführte Studien und Datensätze werden auf Wiederholungen und weitere Einsichten durchkämmt, um Lücken zu füllen. Die Zahl der Marktforschungsrunden regelmäßiger TrackingStudien wird oft um die Hälfte gekürzt (z.B. 2-mal pro Jahr statt 4-mal pro Jahr). Dies liegt nach Aussagen der internen MaFoExperten daran, dass die gewonnene Zusatzinformation unter dem gegebenen Kostendruck die zusätzlichen Ausgaben nicht mehr rechtfertigt. Der Schwerpunkt auf dem Test von gedruckten Anschauungsmaterialien wird weniger relevant, da Pharmareferenten diese selten einsetzen, sie oft eine behördliche Zulassung benötigen und der Konkurrenz Angriffsfläche zur Kritik bieten. Andererseits werden neue interaktive Plattformen, wie der Apple iPad, gerade in den USA zunehmend genutzt. Diese benötigen den gleichen MaFo-Prozess wie ihre gedruckten Pendants.
Sinkende Reisetätigkeit von Pharmareferenten Um Zeit und Geld zu sparen, reisen die Pharmaangestellten zunehmend weniger. Audiovisuelle Kommunikations- und NetworkingTechnologien wie „Focus Vision“ und „ActiveGroup“ ermöglichen es dem internen Team, die MaFo zu verfolgen ohne Reisekosten zu verursachen. Befragte aus der Industrie und von Anbieterseite teilen mit, dass Pharmafirmen die persönliche Teilnahme an der MaFo drastisch zurückgefahren haben – außer in Fällen, wo sie geschäftskritisch ist und/oder wenn iterative Materialveränderungen vonnöten sind. Das Outsourcen von Funktionen wie der quantitativen Analyse wurde als weitere Maßnahme von Abteilungsleitern großer Pharmaunternehmen genannt. Zugleich berichten die Firmen, dass sie neue Techniken für authentischere Kundeninformationen einsetzen, wie z.B. Ansätze der Ethnografie, Patientenkarteikarten-Audits (in denen zur Diskussion spezifische Patientenfälle herangezogen werden) und Social Media Monitoring (der Nutzung vom Web 2.0 zum Erlangen von Kundendaten und -verständnis). 24
Herausforderungen und Fallen der neuen Effizienzansätze Die Interviewpartner haben den neuesten Bestrebungen zur Effizienzsteigerung ihrer Unternehmen (und der Industrie) teilweise wenig Begeisterung entgegengebracht, da sie Einbußen in der Qualität und im strategischen Wert der gelieferten Informationen befürchten. Einige Abteilungsleiter merkten an, dass einfach Kostendruck auf die Anbieter auszuüben kein effektiver Ansatz ist, da dies meist zu schlechterer Arbeitsqualität führt. Anbieter besetzen das Projekt dann mit günstigeren, weniger erfahrenen Marktforschern, da die Kostenstruktur der MaFo-Anbieter nicht sehr flexibel ist. Dies beeinträchtigt letztendlich die Qualität der Ergebnisse. Einige von ihnen merkten zudem an, dass sie versucht haben, dem Einsatz des AOR-Modells Widerstand zu leisten, da es ihre Möglichkeiten beschränkt, den besten Anbieter für einen bestimmten Job auszuwählen. AOR-Beziehungen können am besten von größeren MaFo-Organisationen angenommen werden, deren Mitarbeiterstruktur derartige Projekte adäquat besetzen kann. Gleichzeitig haben gerade diese Unternehmen aber meist andere Kostenstrukturen, wobei auch die Geschäftsführung und der größere Administrationsapparat finanziert werden müssen. Obwohl viele Firmen Reiserestriktionen zur Marktforschung auferlegt haben, gaben die Interviewpartner an, dass gerade die „Unterhaltungen im Hinterzimmer“ des Produktteams äußerst produktiv sind. Die Herausforderung des Outsourcings, das aktuell vor allem durch US-amerikanische Firmen zunehmend getätigt wird, besteht darin, dass die Qualität schwer zu managen ist, vor allem bei der großen Fluktuationsrate der Anbieter in China und Indien. Damit werden die Kosteneinsparungen des ausgelagerten Projekts durch die Extraausgaben, „es richtig zu machen“, wieder wettgemacht.
Abteilungsübergreifende Teams für den Sekundärdatenkauf Die Verhandlung von Rabatten scheint am effektivsten beim Ankauf von Sekundärdaten. Die meisten befragten Firmen haben hier abteilungsübergreifende Teams einberufen, die verschiedene Kaufoptionen gegeneinander abwägen und dabei Redundanzen Marketing Review St. Gallen
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Herausforderungen durch neue Effizienzbestrebungen in der pharmazeutischen Marktforschung
vermeiden. Schwieriger ist es dagegen, die Kosten der Primärmarktforschung zu reduzieren.
Kritische Erfolgsfaktoren In den Interviews mit den MaFo-Experten wurden eine Reihe gemeinsamer Erfolgsfaktoren dafür genannt, anhaltend hochwertige Arbeit an den internen Kunden liefern zu können:
Die Management-Philosophie zählt Am wichtigsten ist die Einsicht des Managements, dass Marktforschung wichtig für das Unternehmen ist. Einerseits ist es Grund zur Sorge für MaFo-Manager, wenn die Marktforschung als eine „Sackgasse“ in der Karriere gesehen wird oder lediglich eine Trainee-Stelle für Außendienstmitarbeiter darstellt, da dies die Tiefe des Fachwissens beeinträchtigt, die für die erfolgreiche Ausführung zunehmend komplexer Projekte notwendig ist. Andererseits können die Abteilungen wertvollere Arbeit leisten, wenn das Management sieht, dass mit den zunehmenden Ressourcen für F&E auch entsprechende Ausgaben für die Marktforschung nötig sind, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu begreifen.
„Know Our Business“ Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist das tiefgründige Verständnis des Anbieters vom Kundengeschäft und ein gutes Arbeitsverhältnis mit dem Brand Team, das es dem Anbieter ermöglicht, auf einem höheren Niveau zur Strategie und Wertschöpfung beizutragen. In einem Fall hat der Abteilungsleiter der Marktforschung gesagt, dass er einige wichtige Anbieter beinahe als Teammitglieder betrachtet. Der Geschäftsführer einer großen internationalen Marktforschungsfirma stellte fest, dass durch interne Gespräche zwischen dem Produktteam und den Fachexperten der MaFoFirma der Bedarf an gewissen MaFo-Projekten ggf. sogar ausgeschlossen werden kann.
Starke abteilungsübergreifende Teams Alle Industrieexperten gaben starke abteilungsübergreifende Teams, in denen Marketingteams und die MaFo-Manager gemeinsam Projektziele besprechen, als Grund für effiziente und fokussierte Projektarbeit und -beendigung an. Die MaFo-Kollegen „früh an Bord zu holen“ ist ein Schlüsselfaktor dafür, die Forschungsziele kritisch zu beleuchten und sicherzustellen, dass angemessene Methoden zur Datenerhebung angewandt werden.
Die Zukunft In der Zukunft hoffen sowohl Abteilungsleiter als auch Anbieter von MaFo-Dienstleistungen, neue technische Möglichkeiten für eine effizientere, intelligente und breit gestreute Datenerhebung nutzen zu können. Dabei sind die Datenerhebung über Social Networking Websites sowie technische Möglichkeiten, um authentische professionelle und patientenbasierte Interaktionen im Web Marketing Review St. Gallen
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2.0 aufzuzeichnen, Ideen, die weiterentwickelt werden müssen. Die Webcam-Technologie ermöglicht es, Interviewpartner zu erreichen, die sich nicht vor Ort befinden und damit ggf. das Universum der Befragten zu erweitern. Dies gilt sowohl für diejenigen, die geografisch oder aus Gesundheitsgründen persönlich schwer erreichbar sind (z.B. Mukoviszidose-Patienten). In den direkten Interaktionen mit den Entscheidungsträgern werden Touch Screen Computer zunehmend relevant. Gleichzeitig ist Technologie allein nicht die Antwort. Interne und externe Marktforschungsexperten sehen einen hohen Bedarf an erfahrenen Marktforschern, die wertvolle Einblicke erarbeiten können. Biotech- und Pharmafirmen benötigen Marktforscher, die Studien zu emotionalen Drivern und Insight Studies durchführen können, um Marktphänomene und Social-Media-Trends effektiv erklären zu können.
Fazit Insgesamt haben die qualitativen Interviews mit Marktforschungsexperten aus der Pharmabranche gezeigt, dass dieses Gebiet sich einem wichtigen Wandel unterzieht, um sich an ökonomische sowie marktspezifische Veränderungen anzupassen. Für den zukünftigen Unternehmenserfolg spielen hier sowohl organisatorische als auch technologische Verbesserungen eine bedeutende Rolle.
Literaturverzeichnis
Fischer, D./ Breitenbach, J. (2009): Quo vadis? Versuch eines Ausblicks, in: Fischer, D./ Breitenbach, J.: Die Pharmaindustrie. Einblick – Durchblick – Perspektiven, München, S.282-314. Schweitzer, A./Siewert, M. (2007): Der Pharmamarkt – Forschen im Extremen, in: Naderer, G./Balzer, E. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis, Wiesbaden, S. 625-632.
Die Autoren Prof. Dr. Oliver Schöffski, MPH Leiter des Lehrstuhls für Gesundheitsmanagement der Universität Erlangen-Nürnberg E-Mail: oliver.schoeffski@wiso.uni-erlangen.de
Jana Wolf Sussman Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Universität ErlangenNürnberg E-Mail: jana.sussman@wiso.uni-erlangen.de
Noah M. Pines Ehemaliger Executive Vice President bei GfK V2, USA, heute Geschäftsführer bei Gen LLC E-Mail: noah@think-gen.com
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