Neubrandenburger Geologische Beiträge - Sanierung der Altlast am ehemaligen Gaswerk Neubrandenb...

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Neubrandenburger Geologische Beiträge Band 12 / 2013 / Seiten 19–30 / DOI 10.3285/ngb.12.02 www.geologische-beitraege.de

GEOZON SCIENCE MEDIA ISSN 1616-959X

Sanierung der Altlast am ehemaligen Gaswerk Neubrandenburg Angelika Hädrich (Neubrandenburg)

Abb. 1: Luftbild mit Zentrum von Neubrandenburg und Gaswerksstandort ‚Am Güterbahnhof‘

Historie Das ehemalige Gaswerk liegt innerhalb der Stadt Neubrandenburg „Am Güterbahnhof“ (Abb. 1), umgeben von Altbausubstanz mit gewerblicher Nutzung und Wohnbebauung. Die Produktion von Stadtgas aus Steinkohle begann hier 1867. Eine Erweiterung erfolgte im Ersten Weltkrieg durch die Inbetriebnahme einer Wassergasanlage zur Streckung des Steinkohlengases, einer Benzolgewinnungsanlage und einer Sulfatfabrik. Im Zweiten Weltkrieg kam es zur Zerstörung der drei Gasbehälter und von Teilen der Bebauung. Nach 1945 wurde das Gaswerk mit einem Gasbehälter wieder aufgebaut. In den letzten Nutzungsjahren traten zahlreiche Havarien durch übergelaufene Teer- und Ammoniakgruben sowie durch verstopfte Leitungen auf. 1971 erfolgten die Stilllegung des Gaswerkes und ein teilweiser Rückbau der oberirdischen Anlagen. Neubrandenburger Geol. Beitr. / Band 12 / 2013 / 19–30 / DOI 10.3285/ngb.12.02 / © Autoren / Creative Commons Attribution License

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Angelika Hädrich

Die Gasproduktion hatte auf einer Fläche von ca. 2.000 m2 starke Boden- und Grundwasserkontaminationen hinterlassen, die eine gewerbliche Nachnutzung des Standortes nicht zuließen und eine Sanierung erforderlich machten. Geologie Der Gaswerksstandort Neubrandenburg liegt geologisch gesehen im Bereich des Zusammenstroms der subglazialen Tunneltäler von Tollense und Datze mit anschließender Tollenseseerinne. Die geologischen Bildungen im Untergrund bestehen bis zu einer Tiefe von ca. 80 m unter Gelände aus Sanden unterschiedlicher Körnung mit einer zwischengelagerten Schluffschicht von ca. 4 m Mächtigkeit (Abb. 2). Im Liegenden der quartären Sande folgt tertiärer Rupelton. In den einzelnen Phasen der Saale- und Weichselkaltzeit diente das Tollensetal als Abflussbahn subglaziär und unter Druck stehender Gletscherschmelzwässer mit tiefgreifenden Erosionen. Die in großen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns verbreitete Gliederung quartärer Grundwasserstockwerke durch zwischengelagerte Geschiebemergelschichten fehlt komplett, da ursprünglich zwischengelagerte Geschiebemergelschichten durch Schmelzwässer wieder abgetragen wurden. Zum Ende der Weichsel-

Abb. 2: Geologisches Profil (entnommen aus Gutachten der Hydrogeologie GmbH NB) 20

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Altlast Gaswerk Neubrandenburg

kaltzeit kam es dann mit Nachlassen der Transportkraft der Gletscherschmelz- und Niederschlagswässer zur Akkumulation von Sanden und einer weitgehenden Verfüllung der ursprünglichen Erosionsbahn. Diese geologische Besonderheit führt dazu, dass das Grundwasser vor eindringenden Schadstoffen nicht geschützt ist. Die Grundwasseroberfläche befindet sich ca. 3 m unter Gelände. Die Feinsande an der Oberfläche haben einen Durchlässigkeitsbeiwert (kf-Wert) von kf 3,3 x 10-5 m/s und sind somit gem. DIN 18130 durchlässig. Das Grundwasser fließt mit sehr geringem Gefälle von Südost nach Nordwest mit einer Abstandsgeschwindigkeit von ca. 6 m/a. Untersuchung von Boden und Grundwasser Die ersten Erkundungen wurden in den Jahren 1993 und 1994 innerhalb des ehemaligen Betriebsgeländes vorgenommen. Im Bereich der Teer- und Ammoniakgruben und am Gasometer waren die Belastungen des Bodens und des Grundwassers mit gaswerkstypischen Schadstoffen sehr hoch. Der Schadensherd konnte mit diesen Erkundungen aber noch nicht abgegrenzt werden, so dass weitere Detailuntersuchungen notwendig waren. Als erste Maßnahme zur Gefahrenabwehr erfolgte 1997 die Entleerung der Teer- und Ammoniakgruben. Außerdem wurde die auf dem Grundwasser aufschwimmende Teerölphase zusammen mit den Sedimenten ausgekoffert und die hochgradig kontaminierten oberirdischen Gebäude zurückgebaut. Von 1999 bis 2004 wurden weitere Altlastenuntersuchungen durchgeführt. Das Netz der Grundwassermessstellen (GWMS) wurde mehrfach erweitert und verdichtet. Zwischenzeitliche Grund-

Abb. 3: kontaminierte Bodenproben (Bohrkerne)

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Angelika Hädrich

wasseruntersuchungen verzeichneten eine kontinuierliche Erhöhung der Belastung. Es wurde festgestellt, dass die Schadstofffahne im Grundwasser das ehemalige Betriebsgelände bereits in nordwestliche Richtung verlassen hatte. Somit waren auch das Bahnhofsgelände und die Heidenstraße in die weiteren Erkundungen einzubeziehen. Diese Untersuchungen wurden 2008 durch eine Sanierungsplanung abgeschlossen. 2009 erfolgten dann Maßnahmen zur Baufeldräumung, wie das Umlegen einer Gasleitung und Baumfällarbeiten sowie die Klärung von Liegenschaftsverhältnissen. Auch während der Sanierung waren zur Bestimmung der Aushubtiefen noch Bohrungen erforderlich. In den Kernproben (Abb. 3) ist die Bodenkontamination (graue Verfärbung) deutlich sichtbar. Aufgrund zu erwartender Geruchsbelästigungen während einer Sanierung im Sommer wurden die Bauarbeiten für den Winter 2010/2011 geplant und realisiert. Untersuchungsergebnisse und Bewertung der Kontamination Boden Zusammenfassend aus allen Erkundungsetappen ließen sich folgende gaswerkstypischen Kontaminanten z. T. in sehr hohen Konzentrationen nachweisen: • Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) • Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole (BTEX-Aromaten) • Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) • Phenole und Cyanide. So wurden im Boden im Bereich des ehemaligen Maschinen- und Apparatehauses bis zu 66.672 mg/kg Trockensubstanz (TS) PAK festgestellt (der Maßnahmeschwellenwert beträgt 100 mg/kg TS). PAK´s bestehen aus sehr vielen Einzelsubstanzen, von denen 16 Repräsentative untersucht wurden. Die meisten PAK weisen nur eine mäßige bis geringe Wasserlöslichkeit auf (hochmolekulare, höherkernige Verbindungen), mit Ausnahme der 2- und 3 kernigen Verbindungen, wie z. B. Naphthalin (2-kernig). Am Standort des Gaswerkes bestanden aber 80–90 % der gesamten PAK aus Naphthalin. Als zusätzliches Problem erwiesen sich die BTEX-Aromaten. Als Lösungsvermittler erhöhen diese die Löslichkeit der PAK im Grundwasser. Aus diesem Grund konzentrierte sich die detaillierte Erkundung auf die wasserlöslichen PAK- und BTEX-Aromaten als Leitparameter. Zur Bewertung der räumlichen Schadstoffverteilung wurde der Boden in vier Teufenklassen unter Gelände eingeteilt: 0–3 m 3–6 m 6–9 m 9–12 m

oberhalb des Grundwassers Kapillarsaum, Grundwasserschwankungsbereich und obere wassergesättigte Bodenzone vollständig in der gesättigten Bodenzone vollständig in der tieferen, gesättigten Bodenzone.

In der Teufenklasse 0–3 m traten neben natürlichem unbelastetem Boden hochbelastete schlackereiche Aufschüttungen sowie Teer- und Cyanidanreicherungen auf. Hochbelastete Böden befanden sich unmittelbar im Bereich der Eintragsherde, wie der Teer- und Ammoniakgruben. Die Teufenklasse 3–6 m im Grundwasserschwankungsbereich zeigte flächenhaft ausgedehnte Bodenkontaminationen. Starker Teergeruch, schwarze/graue Bodenverfärbungen und PAK-Gehalte von > 500 mg/kg TS (max. 6.518 mg/kg TS) grenzten sie deutlich zu schwach kontaminierten Bereichen ab. 22

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Altlast Gaswerk Neubrandenburg

Summe PAK-16 Teufe 0 ... 3 m

Summe PAK-16 Teufe 3 ... 6 m

Summe PAK-16 Teufe 6 ... 9 m

Summe PAK-16 Teufe 9 ... 12 m

Projekt: Lageplan:

Neubrandenburg, ehem. Gaswerk Zusammenfassende Darstellung der PAK-Kontamination des Bodens mit Grundwasser-Gefährdungspotential in den einzelnen Teufenklassen [mg/kg TS]

Auftraggeber: Neubrandenburger Stadtwerke GmbH Bearbeiter:

Dipl.-Geol. E. Keding

Anlage 2.11

Datum:

02.11.2007

Maßstab:

1 : 500

Abb. 4: Tiefenzonierte Bodenkontaminationen (entnommen aus Gutachten der URST GmbH Greifswald)

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Angelika Hädrich

In der Teufenklasse 6–9 m war der Boden ebenfalls stark mit PAK kontaminiert, flächenhaft etwa gleich groß wie in der Teufenklasse 3–6 m, aber in differenzierter Verteilung. Unterhalb von 9 m unter Gelände nahm die Bodenbelastung deutlich ab (Abb.4). Für die Sanierungsplanung waren die Flächen für den Bodenaustausch, Bodenmenge und Aushubtiefe sowie die Menge der wasserlöslichen PAK zu berechnen. Dies erfolgte getrennt nach den Teufenklassen: Teufenklasse in [m]

Flächengröße in [m2]

PAKlöslich im Boden in [kg]

GW-gefährdende PAK in [kg]

0–3

255

5.523

5.520

3–6

960

1.238

1.240

6–9

800

1.646

1.650

9–12

350

489

490

Auf der Sanierungsfläche von ca. 1.030 m2 war der Boden mit rund 9 t grundwassergefährdenden PAK kontaminiert, davon 5,5 t in der ungesättigten Bodenzone. Grundwasser In Folge der Bodenverunreinigungen wurde auch das Grundwasser im Sanierungsgebiet kontaminiert. Die maximalen Konzentrationen betrugen in den Jahren 2005–2007: BTEX Benzol PAK16 Naphthalin Benzo(a)pyren Phenole

12.210 µg/l 4.500 µg/l 28.735 µg/l (16 repräsentative PAK-Verbindungen) 28.000 µg/l (mobilster PAK-Bestandteil) 0,17 µg/l (Leitparameter für PAK) 74.999 µg/l (nur im Bereich der Teergrube).

Die Schadstofffahne hatte sich ca. 250 m in nordwestliche Richtung ausgebreitet. Der Untergrund des Gaswerksgeländes, der angrenzende Güterbahnhof und die Gleisanlagen bis zur Heidenstraße waren betroffen. An Hand der Analysenergebnisse der GWMS Heidenstraße konnte der Beleg für den Rand der Schadstofffahne erbracht werden. Der Naphthalingehalt mit 1,9 µg/l überschritt in der GWMS den Geringfügigkeitsschwellenwert der LAWA Richtlinie (1,0 µg/l) nur noch gering. Die maximalen Schadstoffgehalte im Grundwasser lagen jedoch noch auf dem ehemaligen Gaswerksgelände und hier in Tiefen von 6 m bis 9 m unter Gelände. Mit zunehmender Tiefe nahm die Schadstoffkonzentration deutlich ab. Die Lage der höchsten Grundwasserbelastungen korrelierte nur teilweise mit den stärksten Bodenbelastungen – ein Beleg für die bereits eingetretene Verlagerung der gelösten Schadstoffe mit dem Grundwasserstrom. Sanierungserfordernis Das Sanierungserfordernis ergab sich nach der Bewertung des Gefährdungspfades Boden-Grundwasser gemäß Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV). 24

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Altlast Gaswerk Neubrandenburg

terbahn hof

17.36

17.52

17.51

P XXo/07

5937360

Ldr.

P XIX/07 Rampe

Rampe

23.46

F

17.52 17.9

5937350

18.2

17.54

397

23.39

23.57

17.54 396

P XVII/05

23.60

23.45

23.40

P II/92

17.6

17.91 23.47 17.8 17.7

5937340

17.9

P XVI/05

17.5

18.0

17.29

2

17.74

P XIo/93 5937330

18.5 F

23.1

17.8

P III/99(92)

Co nta ine r

17.6

17.44

17.7

23.05

17.73

22.91 22.92

17.86

17.44

17.9

17.75

P XVIII/05

22.98

P VII/99(92) 17.89

17.9

23.11

P IXo/99(93)

17.8

17.86

Rad weg

5937320

17.5

P Xo/99(93)

23.04 17.69

2

17.35

17.93

17.63

17.49

P XV/05

18.0

17.9

Pa rkp latz

2

5937300

22.87

18.2

17.89

3

Geh weg

5937310

17.49

22.36

5937290

22.17

17.71

Rad

17.91

P XIII/99

17.33

weg

F

17.83

17.5 Parkplatz

22.19

17.80

17.9

18.21

22.24 17.74 167

17.70

17.7 17.48

2

20.54

17.67

22.34 22.08

16.99 21.9

22.29

18.0

5937280

20.5

2

17.8 2

P XIV/99

20.08 3

17.9

2

O

17.14

5937270

21.50

17.74

21.34 17.58

2

17.8

21.36 2

2

17.68

19.60

18.2

21.55

4583930

4583940

4583950

4583960

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P XV/05

4583990

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GWMS im oberen Teil des GWL

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Projekt: Lageplan:

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Neubrandenburg, ehem. Gaswerk PAK16-Gehalte im oberen Teil des GWL [µg/l], Probenahmen vom 19.10.2005 und 31.01.2007

Auftraggeber: Neubrandenburger Stadtwerke GmbH Bearbeiter:

Dipl.-Geol. E. Keding

Anlage 2.7

Datum:

07.02.2007

Maßstab:

1 : 500

Abb. 5: PAK 16-Gehalte im oberen Teil des Grundwasserleiters (entnommen aus Gutachten der URST GmbH Greifswald)

In Folge der Bodenkontaminationen waren erhebliche Grundwasserkontaminationen mit zunehmender Tendenz eingetreten. Eine Vielzahl der Schadstoffe wirkt toxisch, mutagen (erbgutverändernd) und karzinogen (krebserzeugend). Die oberen 20 m des Grundwasserleiters waren kontaminiert; die Schadstofffahne bewegte sich mit dem Grundwasserstrom in nordwestliche Richtung. Eine geologische Barriere in Form von bindigen Sedimenten, die den Schadstoffstrom behindern könnte, ist im Tollensetal weder horizontal noch vertikal vorhanden. Somit war eine Sanierung unerlässlich. Sanierungsziel Durch die umfangreichen Erkundungen konnten die Bodenkontaminationen räumlich gut abgegrenzt werden, so dass im Sanierungsplan genaue Sanierungsbereiche festgelegt werden konnten. Das Sanierungsziel wurde nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgelegt. Die Ursache der Grundwasserkontamination war die Bodenkontamination. Durch die Beseitigung der Schadstoffquellen im Boden ist eine mittelfristige Reduzierung der Schadstoffbelastung auch im Grundwasser zu erwarten. Per Sanierungsanordnung vom 02.12.2008 des ehemaligen Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur Neubrandenburg (StAUN NB) wurde der Grundstückseigentümer (sog. Zustandsstörer) aufgefordert, mittels Kernzonensanierung durch einen Bodenaustausch das Kontaminationsquellpotential nachhaltig zu verringern, so dass eine mittelfristige Schadstofftrendumkehr im Grundwasserabstrom erreicht werden kann. Als Kernzone auszubauen und zu entsorgen war der kontaminierte Boden ab einem PAK-Gehalt von > 100 mg/kg TS (oberer Maßnahmeschwellenwert der LAWA Richtlinie). Neubrandenburger Geol. Beitr. / Band 12 / 2013 / 19–30 / DOI 10.3285/ngb.12.02 / © Autoren / Creative Commons Attribution License

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Angelika Hädrich

Die Frage nach einer eventuell noch notwendigen Grundwassersanierung wird erst beantwortet, wenn der Sanierungserfolg in den nächsten Jahren näher konkretisiert wird. Eine signifikante Reduzierung des Gehalts bereits im Grundwasser gelöster Schadstoffe wird in ca. 5 Jahren erwartet. Die regelmäßige Grundwasserüberwachung (Grundwassermonitoring) ist derzeit bis 2020 vorgesehen. Sanierung Das Sanierungsverfahren musste den gegebenen Standortbedingungen angepasst werden. Ausschlaggebend waren: • die Lage innerhalb der Stadt und die angrenzende Bebauung • der Grundwasserspiegel von ca. 3 m unter Gelände und • ein Bodenschaden, der teilweise bis 12 m unter Gelände reichte. Eine offene Baugrube hätte statische Probleme im eng bebauten Umfeld verursacht und wäre mit großen Aufwendungen für Wasserhaltung und Wassereinigung des kontaminierten Grundwassers verbunden gewesen. Aus diesen Gründen waren Sanierungsvarianten mit möglichst geringen Auswirkungen auf das Umfeld zu prüfen. Der Eingriff in den Boden war auf möglichst kleinen Flächen vorzunehmen, auch um Geruchsbelästigungen für die Anwohner während der Sanierung gering zu halten. Die Quellensanierung begann mit dem Abbruch der noch vorhandenen unterirdischen Bausubstanz, der Entleerung einer noch gefüllten Teergrube und dem Aushub der kontaminierten Böden bis 2,7 m unter Gelände (Abb. 6). Mit dem abgeschlossenen Bodenaushub oberhalb des Grundwasserspiegels stand eine Baugrube zur Verfügung, auf deren Sohle dann Großbohrungen für den Bodenaustausch angesetzt wurden. Zur angrenzenden Bebauung hin musste die Baugrube mit einer Spundwand gesichert werden. Für die Großbohrungen kam ein Großbohrgerät (Abb. 7) mit einem Bohrdurchmesser von 1,5 m zum Einsatz. Die jeweilige Bohrtiefe richtete sich nach der maximalen vertikalen Ausbreitung der Schadstoffe. Aus dem verrohrten Bohrloch hat ein Spezialbagger den kontaminierten Boden ausgehoben und anschließend Sand wieder eingebaut. Daneben wurde die nächste Bohrung abgeteuft (insgesamt 99). Das Großbohrverfahren kam als erschütterungsarme Variante im Grenzbereich zur Bebauung zum Einsatz. Es hatte aber folgenden Nachteil: Um den gesamten kontaminierten Boden zu erfassen, waren Überschneidungen (der Bohrkreise) notwendig. Zwangsläufig wurden Teile einer Bohrung mit schon erfolgtem Bodenaustausch bei der nächsten Bohrung wieder angeschnitten und so sauberer Sand mit kontaminiertem Boden vermischt. Zur Optimierung der Entsorgungskosten konnte in der 3. Sanierungsphase das Wabenverfahren (wie Bienenwaben sechseckig) eingesetzt werden. Ein Hexagonalsenkkasten, aufgehängt an einem großen Kran, wurde in den Boden eingerüttelt (Abb. 8). Durch die Vibrationen „verflüssigte“ sich der Boden (wie Schwemmsand) und die Wabe versank in den Untergrund. Ein spezieller und an die Form angepasster Baggergreifer entnahm den Boden aus der Wabe (Abb. 9). Wabe an Wabe, insgesamt 507, wurden mit einem Querschnitt von jeweils 2 m2 abgeteuft. Durch die beim Einrütteln entstehenden Vibrationen durfte das Wabenverfahren nur in ausreichendem Abstand zur Bebauung eingesetzt werden. Dafür war zuvor ein Baugrundgutachten zu erstellen. Die Entsorgungsmassen konnten durch Anwendung des Wabenverfahrens in den statisch möglichen Bereichen um ca. 30 % reduziert werden.

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Altlast Gaswerk Neubrandenburg

Abb.6: Baugrube mit Resten der Teergrube

Abb. 7: Einsatz des Großbohrgerätes zum Bodenaustausch

Durch die Kombination beider Verfahren wurden Wasseransammlungen, wie sie in einer großen offenen Baugrube aufgetreten wären, vermieden. Außerdem reduzierte sich die Ausgasung leichtflüchtiger PAK‘s aus dem Boden – im Vergleich zu anderen Gaswerkssanierungen – deutlich. Das mit dem Boden zugleich ausgehobene Grundwasser wurde auf den mit Bitumen befestigten Lagerflächen gesammelt und einer am Standort betriebenen Reinigungsanlage zugeführt. Mit dem Einsatz einer Vor-Ort-Analytik erfolgte parallel zu den Aushubarbeiten eine Deklaration des Bodens zur Bestimmung der Entsorgungswege. Je nach Belastungsgrad war die Reinigung des Aushubs in einer Bodenwaschanlage möglich oder eine Deponierung erforderlich.

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Angelika Hädrich

Abb. 8: Einrütteln einer Wabe zum Bodenaustausch

Abb. 9: Bodenaushub aus einer Wabe mittels Greifer

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Altlast Gaswerk Neubrandenburg

Die Aufteilung der gesamten Sanierungsarbeiten in die vier Lose • Bodenaustausch • Transport und Entsorgung • baubegleitende Laboranalytik • baubegleitende Vor-Ort-Untersuchung war zweckmäßig und kostengünstig. Für den Bodenaustausch war eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Die Anwendung des Wabenverfahrens im Rahmen einer Altlastensanierung war in Mecklenburg-Vorpommern zuvor noch nicht praktiziert worden. Die mittlere Aushubtiefe betrug 6,6 m, die maximale 9,2 m unterhalb der Baugrubensohle. Insgesamt waren 31.879 t gefährliche Abfälle zu reinigen oder zu deponieren und 211,7 m3 kontaminiertes Grundwasser zu reinigen. Arbeits- und Immissionsschutz Für die Arbeiten in den kontaminierten Bereichen war ein Arbeits-und Sicherheitsplan nach BGR 128 zu erstellen (Berufsgenossenschaftliche Regeln). In der Baugrube und zu Beginn des Bodenaustausches im Großbohrverfahren wurden Messungen mit einem Photoionisationsdetektor (PID) durchgeführt. Das Gerät zeigt luftgetragene PAK, BETX und andere organische Verbindungen innerhalb weniger Sekunden an. PID Messungen erfolgten während der gesamten Baumaßnahme auch im Bereich der benachbarten Gebäude, wie einer Gaststätte und einer Kanzlei. Die Notwendigkeit für das Anlegen von Atemschutzmasken ergab sich für die am Sanierungsstandort Beschäftigten nicht. Trotz geruchlicher Wahrnehmung der Schadstoffe wurden die Grenzwerte in der Luft immer deutlich unterschritten. Fazit Die abschließenden Kosten für die Sanierungsmaßnahme betrugen rund 2,8 Mio. € netto und lagen damit im Rahmen der Planung. Die Maßnahme wurde zu 90 % aus dem Sondervermögen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Sanierung ökologischer Altlasten gefördert. 10 % der Kosten waren durch den derzeitigen Grundstückseigentümer (Stadtwerke Neubrandenburg GmbH) zu tragen. Die sanierte Fläche wird nun wieder einer gewerblichen Nutzung zugeführt (Abb. 10). Die Sanierung erforderte eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern, der Stadt Neubrandenburg, der Stadtwerke Neubrandenburg GmbH, den Planungsbüros URST GmbH Greifswald und Baugrund Stralsund Ingenieurgesellschaft mbH, dem Projektcontroller IMprojekt GmbH, den Sanierungsfirmen Eggers Umwelttechnik GmbH und Umweltschutz Ost GmbH, dem Labor Analysenservice Penzlin u. a. Die Anordnung zur Sanierung und die Koordinierung der Maßnahmen erfolgten durch das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte (StALU MS, vormals StAUN NB). Allen Beteiligten sei an dieser Stelle für die konstruktive Zusammenarbeit gedankt. Literatur Analysenservice GmbH Penzlin: Boden- und Grundwasseruntersuchungen mehrjähriger Messreihen. – unveröff. Baugrund Stralsund GmbH: Abschlussbericht zur fachtechnischen Begleitung der Sanierung vom 10.08.2011. – unveröff. Hydrogeologie GmbH Niederlassung Neubrandenburg: Bericht zur Kontaminationsuntersuchung des ehemaligen Gaswerksstandortes in Neubrandenburg vom 17.08.1993. – unveröff.

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Angelika Hädrich

Abb. 10: Saniertes Baufeld

Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG): Projektmanagement für die Umsetzung der Altlastenfinanzierungsregelung für Unternehmen im Bereich der Treuhandanstalt, Gaswerksstandort Neubrandenburg Arbeitsschritte 1 und 2 vom 26.05.1997 und Arbeitsschritt 3 vom 20.10.1997. – unveröff. LAWA: Richtlinie „Empfehlung für die Erkundung, Bewertung und Behandlung von Grundwasserschäden“. – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser, 1994 NORDUM GmbH Institut für Umweltanalytik: Zwischenbericht „Weiterführende Altlastenuntersuchungen – ehemaliger Gaswerksstandort Neubrandenburg“ vom 31.03.1999. – unveröff. Umwelt- und Rohstoff-Technologie GmbH Greifswald (URST): Ergebnisse der Sanierungsuntersuchungen für das Sanierungsprojekt ehemaliges Gaswerk Neubrandenburg „Am Güterbahnhof“ vom 21.04.2006. – unveröff. Umwelt- und Rohstoff-Technologie GmbH Greifswald (URST): Sanierungsplan nach § 13 BBodSchG für das Sanierungsprojekt ehemaliges Gaswerk Neubrandenburg „Am Güterbahnhof“ vom 28.04.2008. – unveröff. Anschrift der Autorin Angelika Hädrich, Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte (StALU MS), 17036 Neubrandenburg, Helmut-Just-Str. 4, angelika.haedrich@stalums. mv-regierung.de

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