Die Eisbilanzkurve und die Gliederung der Eiszeit
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Die Eisbilanzkurve und die Gliederung der Eiszeit Vortragsauszug v o n W . W u n d t, Freiburg i. Br. Die E i s b i l a n z k u r v e ist eine Fortbildung der Strahlungskurve ( M I L A N K O V I T C H ) und der V e r e i s u n g s k u r v e (SOERGEL). W ä h r e n d die Vereisungskurve i m wesentlichen ein empirisches G e b i l d e darstellt, das sich auf der L a g e der Endmoränen in Norddeutschland aufbaut, kehrt die Eisbilanz k u r v e zur Rechnung zurück, w o b e i sie sich auf die Strahlungskurve stützt. In manchen Ländern ist es üblich, die Niederschläge v o m l . T a g e des Jahres an lau fend zu summieren, u m festzustellen, o b man hinter der normalen S u m m e z u rückbleibt oder sie überschreitet; ebenso kann man für Jahrzehnte und viel längere Perioden verfahren. Bei gleichbleibendem K l i m a müßte die S u m m e gleichmäßig w i e eine Gerade ansteigen. Bleibt die tatsächliche S u m m e unter dieser Geraden, so kennzeichnet sie eine Reihe v o n Trockenjahren, ebenso eine Serie v o n Naßjahren, w e n n sie sich über die Gerade erhebt. Genau so kann man mit der Strahlungskurve verfahren, die bekanntlich für die letzten 600 000 Jahre berechnet vorliegt. Nimmt man an — was genähert zutrifft — daß die Strah lung zu Beginn und am Ende dieses Zeitraums gleich war, so kann man auch hier eine Wellenlinie berechnen, die hinter d e m gleichmäßigen Anstieg teils zurückbleibt, teils ihn übertrifft. Diese Linie ist geeignet, die Verspätungs effekte, die bei klimatischen Erscheinungen auftreten, auch rechnerisch z u m Ausdruck zu bringen; denn die L a g e des einzelnen Punktes hängt nicht nur v o n der augenblicklichen Strahlung, sondern zugleich auch v o n allen vorausgehen den ab. Dabei werden kleinere Strahlungsanstiege, die in größere Perioden des A b m a n g e l s eingebettet sind, überbrückt w e r d e n (Interstadiale!), während sonst schwächere Hebungen z u s a m m e n einen starken Anstieg abgeben können (Interglaziale!). Man könnte annehmen, daß auf diese Weise die bekannten empirischen Ein teilungen der Eiszeit, z. B. die PENCK'sche Gliederung, besser zum Ausdruck kämen als bei der Strahlungskurve selbst; denn letztere enthält ja über ein
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W . Wundt
Dutzend Vorstöße und es liegt nahe, daß sich diese durch die Summierung a b schleifen und nur w e n i g e starke davon übrig bleiben. A b e r diese Erwartung erfüllt sich zunächst nicht. Die Wellenlinie erhebt sich in der ersten Hälfte und in der Mitte sehr lange über den normalen Anstieg — dies könnte d e m großen Interglazial entsprechen — aber in der zweiten Hälfte sinkt sie unter diesen herab und läßt eine Scheidung zwischen R i ß - und W ü r m k o m p l e x k a u m erken nen; ferner tritt das A l t d i l u v i u m ( G ü n z - M i n d e l k o m p l e x ) zu schwach in Erschei nung. — A b e r das Bild ändert sich, w e n n w i r uns überlegen, daß w i r ja hier durch der Natur die Fähigkeit zuschreiben, dauernd g l e i c h m ä ß i g zu summieren. Dies trifft für die Eiszeiten i m allgemeinen zu, nicht aber für die zwischenliegenden Warmzeiten. G r o ß e Eis- und Schneeflächen haben die oft b e schriebene Tendenz zur V e r g r ö ß e r u n g und Selbststeigerung, die mit der v e r stärkten Reflexion zusammenhängt u n d eine Summierung nach der negativen Seite zur F o l g e hat. A b e r in den übrigen Zeiten und auch sonst in den nicht vereisten Teilen der Erde besteht nur eine schwache Möglichkeit der Speicherung in F o r m v o n M e e r w ä r m e und sie bleibt, physikalisch betrachtet, weit hinter der ,Kältespeicherung' der Eiszeiten zurück. M I L A N K O V I T C H hat eine Reihe v o n Zeitpunkten berechnet, für die w e g e n starker Wärmezufuhr eine v ö l l i g e E n t e i s u n g der Erde anzunehmen ist. Greift man v o n diesen w i e d e r die a m meisten begünstigten heraus oder faßt sie als höchste Punkte der Summenlinie ins A u g e , dann darf man annehmen, daß hier die vorausgehende S u m m a t i o n der K l i m a e f f e k t e v o r ü b e r g e h e n d z u m S t i l l s t a n d ge k o m m e n ist, d. h. daß sie bei der nächsten Strahlungssenkung neu b e g o n n e n und weitergeführt werden muß, bis ein neuer besonders starker Strahlungs anstieg auch diese Summationsperiode beendigt. Führt man die Rechnung mit 600 000 v. Chr. (nach einer langen Periode erhöhter Strahlung) beginnend durch, so stößt man erst um 490 000 und dann w i e d e r um 360 000 auf starke Hebungen der S u m m e , die in mehrmaliger W i e derholung die Zeit bis 230 000 einnehmen. U m 130 000 folgt dann nochmals ein starker Anstieg der S u m m e , w o r a u f sie v o n dort aus neu gebildet für die Jetztzeit nur eine mäßige H ö h e erreicht. W i r k o m m e n damit v o n selbst auf die PENCK'sche Einteilung zurück: zwei alte Eiszeiten und zwei neue, voneinander geschieden durch das große Interglazial und in die beiden K o m p l e x e j e ein kürzeres Interglazial eingebettet. Die zweiten Vorstöße innerhalb der Einzel eiszeit (z. B. Mindel II und Riß II) erscheinen in der neuen K u r v e , die ich , E i s b i 1 a n z k u r vte' nenne, stärker ausgebildet als die ersten; daß die Jetztzeit k e i n e v o l l e W a r m z e i t darstellt, stimmt mit der Erfahrung überein. Allerdings müssen wir, u m zu diesen Ergebnissen zu gelangen, gewisse A n nahmen über die Entwicklung und den W i e d e r a b b a u des Reflexionsvermögens machen, die nicht rein rechnerisch, sondern teilweise empirisch sind, aber doch das Schwergewicht bei der Rechnung lassen. Daß die E i s z e i t e n i m g r o ß e n g e s e h e n — z. B. im Gegensatz z u m Tertiär — durch Reliefänderungen (Häufung v o n Festland u m die Pole, A b sperrung der Warmwasserheizung v o m Ä q u a t o r her) b e s t i m m t sind, w i r d durch die Aufstellung der Eisbilanzkurve nicht geändert. Erst w e n n v o n dieser Seite die Voraussetzungen erfüllt sind, k ö n n e n die Erdbahnelemente in F o r m der Strahlungskurve merklich in Erscheinung treten und die W i r k u n g e n sich in der Eisbilanzkurve summieren. Im zweiten Teil des Vortrags zeigte der Vortragende an einem großen Diagramm, wie sich die fossilen Befunde aus allen Teilen der Erde in die Gliederung nach der Eisbilanzkurve einreihen. In der Diskussion ergriffen die Herren L o u i s - Köln, S c h w a r z b a c h - Köln und W e i d e n b a c h - Stuttgart das Wort.