Quaternary Science Journal - Ein Lößprofil bei Lisieux (Normandie) und seine stratigraphische P...

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Eiszeitalter

u.

Gegenwart

59 — 6 1

45

2

Abb.

Hannover

1995

Ein Lößprofil bei Lisieux (Normandie) und seine stratigraphische Parallelisierung mit Würmlössen in Hessen ARNO

SEMMEL*)

P l e i s t o c e n e , l o e s s , s e q u e n c e o f fossil s o i l s , stratigraphie c o r r e l a t i o n , Lisieux, N o r m a n d i e , F r a n c e

K u r z f a s s u n g : I m Lößprofil d e r Z i e g e l e i G l o s b e i L i s i e u x ist e i n e A b f o l g e fossiler B ö d e n a u f g e s c h l o s s e n , d i e s i c h gut mit d e r h e s s i s c h e n Lößstratigraphie verbinden läßt. Ü b e r d e m letztinterglazialen B o d e n l i e g e n n a c h e i n e r D i s k o r ­ danz der Lohner Boden, der E l - , d e r E2- und der E4-Naßb o d e n . Letzterer wird häufig als Äquivalent d e s „Sol d e Kesselt" a n g e s e h e n . Somit zeigt s i c h auch für d i e s e s G e ­ biet, d a ß d i e s e r B o d e n stratigraphisch nicht d e m L o h n e r B o d e n e n t s p r e c h e n kann. [A L o e s s P r o f i l e n e a r L i s i e u x ( N o r m a n d y ) a n d i t s Stratigraphie Correlationwith Hessian W u e r m loess Profiles] A b s t r a c t : T h e W u e r m loess o f t h e brickyard G l o s n e a r Li­ s i e u x s h o w s a s e q u e n c e o f fossil soils, which c a n b e well correlated t o t h e Hessian l o e s s stratigraphy. A b o v e t h e soil from the last interglacial f o l l o w , after a d i s c o r d a n c e , t h e Lohner soil, t h e E l - , the E 2 - a n d t h e E 4 - N a ß b o d e n . E s p e c i ­ ally the E 4 - N a ß b o d e n is frequently regarded to b e a n e q u i ­ valent o f t h e „Sol d e Kesselt". T h e r e f o r e , also in this area, the S o l d e K e s s e l t c a n n o t b e c o r r e l a t e d stratigraphically with the L o h n e r soil, but m u s t b e a y o u n g e r soil.

zingen im Maindreieck (SEMMEL & STÄBLEIN 1 9 7 1 ) . Ei­

ne weitere Ausdehnung nach Osten bis in die Um­ gebung von Nürnberg - wie sie bei MEIJS et al. ( 1 9 8 3 :

6 3 ) dargestellt ist - läßt sich m. E. derzeit nicht bele­ gen. Größere räumliche Verbreitung hat dagegen der Lohner Boden. Er wurde sowohl bei Möns in Belgien (BlBUS & SEMMEL 1 9 7 7 : 142; MEIJS et al. 1 9 8 3 :

7 5 ) als auch noch in Feilendorf westlich Wien (BlBUS & SEMMEL 1 9 7 7 : 1 4 2 ) gefunden. Allerdings ist die Zahl der Aufschlüsse gering, in denen der Lohner Boden vorkommt, weil er häufig während jüngerer Erosionsphasen abgetragen wurde. Nunmehr zeigte sich, daß dieser Boden, der dem „Braunen Verwitterungshorizont" BRUNNACKERS ( 1 9 5 4 ) entspricht, auch noch in der Normandie vor­ kommt. Sein Auffinden ermöglicht eine bessere stra­ tigraphische Verknüpfung des in letzter Zeit vor al­ lem von LAUTRIDOU bearbeiteten nordfranzösischen Würmlösses mit den mitteleuropäischen Profilen. Deswegen wird das Würmlößprofil von Glos bei Li­ sieux (Abb. 1 ) hier kurz beschrieben und mit hessi­ schen Profilen verglichen.

Die von SCHÖNHALS et al. ( 1 9 6 4 ) und SEMMEL ( 1 9 6 9 )

publizierte Würmlößglieclerung für Hessen hat sich in den letzten Jahrzehnten als im westlichen Mittel­ europa in vielen Fällen anwendbar erwiesen. Als Be­ leg seien beispielhaft SABELESERG &

Das Profil ist gegenwärtig (August 1 9 9 4 ) an der Ost­ wand der Briqueterie Lagrive über eine Länge von ca. 3 0 Metern freigelegt. Es liegt südlich der Natio-

LÖSCHER ( 1 9 7 8 ) , B I B U S Ü 9 8 0 ) , MEIJS et

al.

(1988),

(1983),

JUVIGNE &

RÖSNER ( 1 9 9 0 )

WINTLE

und

FRE­

CHEN ( 1 9 9 1 ) angeführt. Besonders

markante Leithorizonte sind der „Eltviller Tuff" (SEMMEL 1 9 6 7 ) und der „Lohner Boden" (SCHÖNHALS et al. 1 9 6 4 ) . Die räumliche Verbrei­ tung des Eltviller Tuffes ist indes­ sen eingeschränkt. Seine westlich­ sten Vorkommen liegen in SEHolland und in E-Belgien (MEIJS et al. 1 9 8 3 ) , seine östlichsten bei Kit­ *) Anschrift d e s Verfassers: Prof. Dr. A. SEMMEL, T h e o d o r - K ö r n e r Str. 6, 65719 H o f h e i m a. T s .

Abb.

1: Lage v o n Lisieux


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ARNO SEMMEL

nalstraße N 13, die von Paris nach Caen führt und weitgehend einem Hochplateau folgt, das von quar­ tären Tälern stark zerschnitten wird. Würmlößprofile aus dieser Ziegeleigrube - natürlich bei anderem Abbaustand - sind bereits früher publiziert worden, zuletzt von LAUTRIDOU (1985: 136 ff.). Von der üblicherweise hier auf Löfs) ausgebildeten Parabraunerde ist im Grubenbereich nur noch ein Teil des tongebänderten Btv-Horizontes erhalten ge­ blieben. Der größte Teil des Bodens wurde abge­ schoben. Unter gut einem Meter mächtigen gelblich­ grauen und roststreifigen Lößlehm mit weißlichen feinsandigen Grobschluffnestern folgt ein zungenförmig aufgelöster, bis 15 cm starker grauer humoser Lößlehm. Eine entsprechende Bildung ist in vielen Lößprofilen Nordhessens, des Niederrheins, der Niederlande und Belgiens zu finden. Aus N-Frankreich wird sie wiederholt beschrieben, so beispiels­ weise von LAUTRIDOU (1968; 1985) und LAUTRIDOU &

SOMME (1974). Die Bezeichnung „horizon ä langues / ä franges" (GULLENTOPS 1954: 136 f.) ist sehr tref­ fend für diese Erscheinung („tongued horizon" im Sinne von WINTLE et al. 1984: 492). Stratigraphisch entspricht dieser Horizont dem E4-Naßboden der hessischen Lößgliederung (Abb. 2). Manche Auto­ ren parallelisieren diesen Boden mit dem „Sol de Kesselt" (vgl. dazu JUVIGNE & WINTLE 1988: 96).

Unter dem „tongued horizon" schließt sich ca. ein Meter mächtiger Lößlehm an, der oben und unten roststreifig ist und nur in seinem mittleren Teil eine gleichmäßige hellbraune Farbe aufweist, die eine klare Bestimmung (10 YR 6/6) mit Hilfe der MunsellTafel zuläßt. In dem hellbraunen Lehm sind verein­ zelt kleine Lößkindl erhalten. Im Liegenden folgt abermals ein grauer humoser Horizont von ca. 10 cm Mächtigkeit Lind zungenförmiger Auflösung. In Hessen wird dieser Horizont als E2-Naßboden be­ zeichnet. Zwischen ihm und dem E4-Naßboden liegt bekanntlich in Nordhessen der Eltviller Tuff. In Süclhessen ist dagegen des öfteren zwischen E2-Naßboden und dem Tuff noch der schwache E3-Naßboclen anzutreffen. Im Profil von Glos setzt nach einer ca. 30 cm starken Zwischenlage kryoturbat gestauchten und roststrei­ figen Lößlehms ein kräftig rostgesprenkelter Löß­ lehm ein, der bis 30 cm mächtig wird und große Ähnlichkeit mit dem El-Naßboden nordhessischer Profile aufweist. Nach einer Zwischenlage von ca. 20 cm fahlhellbraunen Lößlehms schließt sich der Loh­ ner Boden in typischer Ausbildung an: ein brauner Lößlehm mit ausgeprägtem feinplattigem Gefüge, auf dessen Aggregatflächen dtinkle Fe-Mn-Flecken zu finden sind. Der Lohner Boden ist hier 40 cm mächtig. Er schließt das Mittelwürm im Sinne von SCHÖNHALS et al. (1964) ab.

Glos

Vollmarshausen

Schierstein llllllllllllll

Bt

Bvt

( ZÖLLER & WAGNER

1 -

E2

E4

LB

rrrrrr rrrrrrA

E2

NdZ

El

OMHZ LB

E1

rrrrrr rrrrrri rrrrrrr fSBt

8-

MMHZ UMHZ

LB

O

o

Ndz

1990:

123).

E4 ET

2i

Sein Alter wird auf ca. 30 ka geschätzt, wofür auch man­ che ThermolumineszenzDatierungen sprechen

fBt

o fSBt

Abb. 2: Lößrofile von Glos (bei Lisieux). Vollmarshausen (bei Kassel) und Wiesbaden-Schierstein.El-F4: J u n g w ü m i - N a ß b ö d e n ; ET: Eltviller Tuff; LB: Lohner B o d e n ; Gl$: Gräselberger B o ­ den; NdZ: Niedereschbacher Z o n e . O M H Z . MMHZ und UMHZ: O b e r e , Mittlere L i n d Untere Mosbacher Humuszone. Bodenhorizonte nach Bodenkundliche Kaitieranleitung ( 1 9 8 2 ) .

Der untere Teil des Lohner Bodens enthält zahlreiche Flint-Bruchstücke, die aus der Kreide stammen und mit hellgrauem Lößlehm solifluidal verlagert wur­ den. A L i ß e r d e m kommen bis ein Zentimeter große Fe-Mn-Konkretionen vor, die aus einem fossilen SWHorizont stammen. Die hellgraue Fließerde kappt einen fossilen braunen (7,5 YR 7,7), marmorierten SBtHorizont aus Lößlehm, der wohl dem letzten Intergla­ zial zuzuordnen ist, eine Einstufung, die der ähnli­ cher Böden durch LAUTRI­ DOU (u. a. 1968) entspre­ chen würde. TL-Datierungen

durch

WINTLE et al.

(1984) und BALESCU (1985)


Ein Lößprofil b e i Lisieux ( N o r m a n d i e ) u n d seine s t r a t i g r a p h i s c h e Parallelisierung mit W ü r m l ö s s e n in H e s s e n

bestätigen diese Einschätzung. Zwischen dem Loh­ ner Boden und dem letztinterglazialen Boden liegt demnach im Profil von Glos eine beträchtliche Dis­ kordanz, das Alt- und Mittelwürm fehlen zum größ­ ten Teil. Solche Abtragungsdiskordanzen sind je­ doch in vielen Profilen zu finden ( S E M M E L 1 9 6 8 ) . Sehr oft treten Abtragungsphasen auch im frühen Jung­ würm auf, so daß es nicht verwunderlich ist, wenn der Lohner Boden relativ selten, die Naßböden im mittleren und späten Jungwürmlöß hingegen viel öf­ ter erhalten blieben. Das trifft auch für das hier be­ schriebene Profil zu. Sowohl nördlich als auch süd­ lich des angeführten Abschnittes der Abbauwand fehlt der Lohner Boden und der Jungwürmlöß liegt unmittelbar auf dem letztinterglazialen Bodenrest. Ähnlichen Aufbau beobachteten W I N T L E et al. ( 1 9 8 4 ) auch im Löß der ehemaligen Ziegelei in Saint-Romain östlich Le Havre.

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-

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Manuskript eingegangen am 2 2 . 0 9 . 1 9 9 4


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