Quaternary Science Journal - Eine Karte des quartären und tertiären Vulkanismus in Europa

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Eiszeitalter

und

Gegenwart

Band 1 2

Seite 5 - 8

Öhringen/Würlt.

15. Januar

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Eine Karte d e s quartären u n d tertiären Vulkanismus J

in Europa ) Von M A R T I N SCHWARZBACH, K ö l n

Mit 1 Kartenbeilage Z u s a m m e n f a s s u n g . Die jungen (quartären und tertiären) Vulkangebiete Europas wer­ den auf einer Karte dargestellt und dazu einige allgemeine Bemerkungen über zeitliche Verteilung, petrographische und tektonische Beziehungen des jungen Vulkanismus gemacht. A b s t r a c t . There is given a map of the young (Quaternaty and Tertiary) volcanoes in Europe. Some remarks on the chronological, petrographical and tectonic relations of the young volcanism. 1 D e r Vulkanismus ist ein Stiefkind der Quartärgeologen. In den großen einschlägigen Lehrbüchern der Eiszeitforschung werden V u l k a n e allenfalls g a n z nebenbei behandelt und meist nur im Zusammenhang mit anderen geologischen Erscheinungen erwähnt. Immerhin besteht jedoch eine ganze Reihe v o n Verbindungen: D e r junge V u l k a n i s ­ mus ist nicht nur g a n z allgemein ein integrierender Bestandteil der Gesamt-Geologie des Eiszeitalters; er hilft darüber hinaus der Quartärstratigraphie und -Chronologie (so durch die „Tephrochronologie" in Patagonien, Island, der Eifel), lieferte M a t e r i a l für den Stein­ zeitmenschen ( O b s i d i a n ) , gibt K l i m a z e u g e n (Windrichtungen bei Aschen-Eruptionen) und ist vielfach als Eiszeit-Ursache diskutiert w o r d e n . Schließlich haben auch die jungen vulkanischen Gesteine eine große Rolle in den modernen Untersuchungen über P a l ä o magnetismus übernommen, nicht nur bei der Bestimmung der P o l - L a g e n in quartärer Zeit, sondern auch dadurch, daß die mehrfachen Umkehrungen des magnetischen Feldes um 180° offenbar chronologisch verwertet werden können; man k a n n sich vorstellen, daß solche Beobachtungen sogar bei der F r a g e nach der Abgrenzung des Quartärs gegen das T e r t i ä r Bedeutung gewinnen. In der beiliegenden K a r t e ist versucht w o r d e n , die räumliche Verbreitung des effusiven jungen Vulkanismus darzustellen. D a b e i wurde außer dem Quartär auch das T e r t i ä r mit behandelt, denn beide hängen eng zusammen; in vielen Fällen ist außerdem eine ganz genaue stratigraphische Einordnung der vulkanischen V o r g ä n g e gar nicht m ö g ­ lich. Allerdings besteht im allgemeinen ein scharfer morphologischer Schnitt zwischen beiden Zeitabschnitten, denn K r a t e r und ähnliche morphologische Einzelheiten sind nur an quartären V u l k a n e n überliefert; die tertiären sind viel stärker abgetragen. Zu der K a r t e sollen nur wenige allgemeine Bemerkungen gemacht werden. 1.

Zeitliche

Verteilung

des

jungen

Vulkanismus

Nach dem zeitlichen Auftreten lassen sich drei H a u p t g r u p p e n

unterscheiden:

a)

Gebiete mit rein t e r t i ä r e m tären Ausbrüchen,

b)

Gebiete mit rein q u a r t ä r e m oder g a n z überwiegend quartärem (darin als U n t e r g r u p p e die Gebiete mit „ t ä t i g e n " Vulkanen),

c)

Gebiete, in denen tertiärer u n d Zur

Gruppe

a)

Vulkanismus u n d höchstens g a n z vereinzelten q u a r ­ Vulkanismus

quartärer Vulkanismus eine bedeutende Rolle spielen.

gehören die südöstliche Balkanhalbinsel (mit nördlicher

Ägäis),

das innerkarpathische Vulkangebiet, das ost- u n d südalpine Vulkangebiet, die meisten !) Die Karte wurde erstmalig in einem öffentlichen Vortrag über „Vulkane des Eiszeitalters in Europa" anläßlich der Hauptversammlung der Deutschen Quartärvereinigung in Karlsruhe am 9. Juni 1 9 6 0 gezeigt.


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Vulkangebirge Mittel-Europas (mit Ausnahme der Eifel), Schonen und die südliche T h u l e P r o v i n z (Schottland-Irland-Färöer). Zur G r u p p e b) sind vor allem zu rechnen: südliche Ägäis, die Apennin-Halbinsel mit Nordost-Sizilien und den zirkumsizilischen Vulkaninseln, Olot. Auch C i u d a d Real könnte man noch dazu rechnen. In die G r u p p e c) muß man vor allem stellen: Sardinien, Auvergne, Eifel und Island. Es zeigt sich somit, daß nur im Mittelmeerraum noch im L a u f e des Quartärs (z. T . im jüngsten Tertiär) neue Vulkangebiete entstehen; alle anderen sind älter. Der Schwerpunkt vulkanischer Tätigkeit liegt während des Tertiärs im mittleren und südöstlichen E u r o p a , ferner in der U m r a n d u n g des westlichen Mittelmeeres und schließlich in der T h u l e - P r o vinz. N u r in kleinem U m f a n g e setzt sich in diesem R a u m die T ä t i g k e i t in festländischen Einzelgebieten (Auvergne, Eifel, Sardinien) ins Quartär hinein fort, dagegen in großem U m f a n g e in Island. Im übrigen verschiebt sich im Quartär der Schwerpunkt nach dem mittleren und östlichen Mittelmeerraum. 2.

Petrographische

Zusammenhänge

D e r junge Vulkanismus hat vorwiegend basische Gesteine geliefert. Doch gibt es auch in ausgesprochenen Basaltgebieten, z. B . in Island oder der West-Eifel, gelegentlich saure Ergüsse, und außerdem auch größere Gebiete mit reichlicher Förderung von liparitischer oder trachytischer L a v a . Die Art der vulkanischen T ä t i g k e i t hängt weitgehend da­ von a b ; die trachytischen Staukuppen v o m T y p des Puy de D o m e sind Beispiele für saure, sehr zähflüssige L a v e n , die isländischen Schildvulkane für dünnflüssiges, basaltisches Magma. V o n größerem Interesse ist aber die Zugehörigkeit der M a g m e n zu bestimmten vul­ kanischen P r o v i n z e n , wenn auch die L a v e n keineswegs immer scharf der pazifischen, atlantischen oder mediterranen Sippe im Sinne F . B E C K E ' S und P. N I G G L I ' S zuzuordnen sind. Für die Hauptgebiete ergibt sich (vgl. zuletzt A . RITTMANN 1 9 6 0 ) : I s l a n d . Pazifisch-atlantisch. I b e r i s c h e H a l b i n s e l . I m Meseta-Gebiet atlantisch, im betischen Gebiet pazifisch mit mediterranem Einschlag. A u v e r g n e . Atlandisch bis pazifisch. E i f e l ( u n d ü b r i g e s M i t t e l e u r o p a ) . G a n z überwiegend atlantisch. I n n e n r a n d d e r K a r p a t h e n . Pazifisch. ö s t l i c h e s u n d s ü d l i c h e s A l p e n v o r l a n d . Pazifisch-mediterran. T o s k a n a . Pazifisch-mediterran. M i t t e l - I t a l i e n . Mediterran. L i p a r i s c h e I n s e l n . Pazifisch-mediterran. Ä t n a . Atlantisch. Ä g ä i s . Pazifisch, z. T . atlantisch oder mediterran. 3. T e k t o n i s c h e

Beziehungen

Die engen Beziehungen zwischen Vulkanismus und T e k t o n i k , die man in vielen Teilen der E r d e erkannt hat, treten auch in E u r o p a heraus. Zunächst fällt auf, daß von den großen tektonischen Einheiten unseres Kontinents U r - u n d P a l ä o - E u r o p a ( d . h . Russische Tafel, Skandinavien, der größte Teil der Britischen Inseln) völlig frei von quartären Eruptiven sind, und auch tertiäre V u l k a n e treten dort nur vereinzelt auf (Schonen, Nord-Trland, Innere Hebriden). Aber die V o r ­ kommen in Schottland und Irland gehören auch gar nicht mehr z u m eigentlichen fest­ ländisch-europäischen Vulkanismus, sondern bereits zu der im wesentlichen außereuro-


Karte des quartären und tertiären Vulkanismus

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päischen Thule-Provinz. E s besteht also tatsächlich ein fast vollständiger scharfer Schnitt zwischen U r - und P a l ä o - E u r o p a einerseits, N e o - und M e s o - E u r o p a andererseits. D a b e i ist N e o - E u r o p a , d. h. d a s Gebiet der alpidischen Faltungen, das H a u p t ­ gebiet des jungen Vulkanismus, aber die tektonischen Kräfte, die hier den Magmenauf­ stieg aktivierten, entfalteten sich auch im angrenzenden M e s o - E u r o p a , teilweise sogar sehr kräftig, und in einem Fall, nämlich in Schonen, sogar in dem weiter entfernten Ur-Europa. W i r können also unterscheiden: a)

Vulkanismus in Verbindung mit den alpidischen Faltungen (der gesamte festländische junge Vulkanismus einschließlich des Mittelmeerraums),

b)

Vulkanismus der Thule-Provinz ( I s l a n d , Färöer, Britische Inseln).

4.

Der

junge

Vulkanismus

im

Bereich

der

alpinen

Faltungen

Innerhalb von N e o - E u r o p a sind freilich die eigentlichen Faltengebirge und vor allem deren z e n t r a l e T e i l e (d. h. die tektonisch am stärksten betroffenen Teile) vielfach überhaupt frei von Vulkanen. D a s gilt besonders für die Alpen selbst, aber auch für Schweizer Jura, Pyrenäen, Dinariden, K a r p a t h e n und B a l k a n . N u r vereinzelt finden sich Eruptivzentren in zentraler Lage. Offenbar ist der Zusammenschub der Schichten meist so stark gewesen, daß d e m M a g m a der W e g nach oben versperrt war. Wohl aber konnten sich Plutone bilden, die inzwischen z. T . v o n der Abtragung freigelegt worden sind ( G r a ­ nite v o n Adamello usw.). Vorwiegend liegen die Gebiete mit jungem Vulkanismus vielmehr a m R a n d e d e r F a l t e n g e b i r g e , j a , z. T . ziemlich w e i t entfernt. D a b e i kommen sowohl die zwischen den Faltenschlingen gelegenen „Zwischengebirge" als auch das nach außen hin folgende V o r l a n d der Geosynklinalen in Frage. S o begleiten den Innenrand des Karpathenbogens die Vulkangebirge der nördlichen und östlichen Pannonischen Masse von Kremnitz bis nach K r o n s t a d t ; der südostbalkanische, ägäische und kleinasiatische Vulkanismus ist an die R ä n d e r von R h o d o p e n - und K y k l a d e n - M a s s e geknüpft. D a s z. T . versunkene T y r rhenische Massiv wird v o n den apenninischen Vulkanen umgürtet; Ä t n a und Liparisdie Inseln erheben sich am R a n d der peloritanisch-calabrischen Masse. Sardinien gehört gänz­ lich z u einem alten M a s s i v . Die V u l k a n e der spanischen Südost-Küste bezeichnen wie die der algerisch-tunesischen K ü s t e die G r e n z e zwischen jungen Faltenzügen und dem west­ lichen Mittelmeerbecken, das wohl einer versunkenen „algero-betischen M a s s e " entspricht. Dem „mesoeuropäischen", außerhalb der jungen Falten gelegenen V o r l a n d gehören als wichtigste die V u l k a n e Zentral-Frankreichs und Mittel-Europas an. I n all diesen randlichen Gebieten h a t sich das tektonische Geschehen im Tertiär und Q u a r t ä r weitgehend in einer tiefgründigen Zerspaltimg und Scholl entektonik geäußert. Die starren Blöcke der Zwischengebirge sind z. T . tief versenkt, vielfach bis unter den Meeresspiegel. Zerrungsvorgänge öffneten dem M a g m a den Weg nach oben. H i e r größere Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, ist schwierig. Für den mitteleuropäischen R a u m hat es H . C L O O S versucht, der v o n der großräumigen Aufbeulung eines „Rheini­ schen Schildes" und dessen Zerspaltung ausging. Ebenso ist sicher, daß Vulkankegel reihenförmig angeordnet sein können, d. h. auf lang durchlaufenden Spalten aufsitzen (z. B . Chaine des P u y s ) , oder Vulkangebiete wenigstens ausgeprägte Längserstreckung zeigen. Doch meist lassen sich auch solche kleinregionalen Beziehungen nicht eindeutig er­ kennen. K N E T S C H hat vermutet, daß der Vulkanismus deswegen nicht immer „gesetz­ mäßig zur erdoberflächlich sichtbaren T e k t o n i k angeordnet erscheint", weil er tektonische Verhältnisse tieferer Krustenstockwerke widerspiegelt. Betrachten wir die Zugehörigkeit der vulkanischen Gesteine zu den Provinzen,

Magmen-

so lassen sich in diesem tektonischen R a h m e n immerhin einige Überein-


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Stimmungen finden. Pazifische Magmen sind auf die eigentlichen Faltengürtel (im weiteren Sinne, d. h. einschließlich der z . T . kräftig mit „verarbeiteten" Zwischengebirge) be­ schränkt (Karpathen, Ä g ä i s ) . Aber es gibt auch da vielfach Übergänge zu mediterranen und atlantischen Sippen. D e r A p e n n i n - R a u m ist das klassische Gebiet der kalireichen mediterranen Sippe (in abgeschwächtem Maße zeigt auch der Kaiserstuhl im OberrheintalG r a b e n mediterranen C h a r a k t e r ) . D a s nördliche V o r l a n d gehört im wesentlichen der at­ lantischen Provinz an. Z e i t l i c h gesehen, beginnt der mit der alpidischen Orogenese verknüpfte junge Vul­ kanismus im V o r l a n d , aber auch in manchen Zwischengebirgen. In einigen von diesen Gebieten setzt er sich bis ins Quartär hin fort. Im apenninischen und östlichen Mittelmeer­ r a u m setzt er erst im Q u a r t ä r richtig ein, j a , nur hier besteht er bis zur Jetztzeit fort. Man w i r d das als Zeichen dafür werten können, daß das östliche Mittelmeer jünger als das westliche ist, und dem würde auch die größere Seismizität im Osten entsprechen. 5.

Der

junge

Vulkanismus

des

n o r d a 11 a n t i s c h e n

Raumes

Völlig anders ist die tektonische Stellung der Vulkangebiete im nordatlantischen R a u m , d . h . im Rahmen unserer Betrachtungen in der europäischen „ T h u l e - P r o v i n z " . Diese zeigt überhaupt eine Reihe von Eigentümlichkeiten gegenüber den eben behandel­ ten Vulkangebieten des alpidischen E u r o p a s : 1. 2. 3.

4. 5.

Basalte herrschen weitaus vor. Plateau-Basalte spielen eine große Rolle. D e r Vulkanismus beginnt sehr zeitig im Tertiär (vielleicht z. T . in der Oberkreide) und setzt sich, wenn auch möglicherweise mit längeren Ruhepausen, bis in die Jetzt­ zeit kräftig fort. Die Vulkane sind ohne Beziehung zu jungen Faltengebirgen. Die Eruptionen sind besonders ausgeprägt an Spalten gebunden.

Wir müssen annehmen, daß hier sehr tiefe Spalten bis in das Substrat der Kruste reichen und basaltischen Magmen immer wieder den Aufstieg ermöglichen. D i e Spalten stehen nicht zu orogenetischen Vorgängen in Beziehung, wie im kontinentalen Europa, sondern vielleicht unmittelbar zu gewaltigen langsamen Strömungsbewegungen im tiefe­ ren Untergrund der E r d e ; diese führen zu Zerrungsvorgängen und Magmenaufstieg, denen möglicherweise auch die Mittelaltlantische Schwelle ihr Dasein verdankt.

Wichtiges

Schrifttum

BURRI, C. & NIGGLI, P.: Die jungen Eruptivgesteine des mediterranen Orogens. 2 Bde. - Publ. Vulkaninst. I. Friedländer, 3, 654 + 206 S., Zürich 1945 u. 1949. CLOOS, H.: Hebung - Spaltung - Vulkanismus. - Geo!. Rdsch. 3 0 , S. 405-525, Bonn 1939. GLANGEAUD, L . : Les eruptions tertiaires nord-africaines, leurs relations avec la tectonique mediterraneenne. - Congr. Geol. Int. 1952 Alger, C. R., X V I I , S. 71-101, Alger 1954. KNETSCH, G : Die tektonische Stellung des jungen Vulkanismus in Mitteleuropa. - Abh. Braunschw. Wiss. Ges., 2 , S. 92-103, Braunschweig 1950. KRAUS, E . : Die Entwicklungsgeschichte der Kontinente und Ozeane. - 285 S., Berlin 1959. RITTMANN, A.: Vulkane und ihre Tätigkeit. 2. Aufl. - 336 S., Stuttgart 1960. SAPPER, K . : Vulkankunde. - 424 S., Stuttgart 1927. SEIDLITZ, W. V.: Diskordanz und Orogenese der Gebirge am Mittelmeer. - 651 S., Berlin 1931. STILLE, H . : Der geotektonische Werdegang der Karpathen. - Beih. Geol. J b . 8, 239 S., Hannover 1953. TERMIER, H. & G : L'evolution de la lithosphere. II. Orogenese. 2 Bde. - 940 S., Paris 1956 u. 1957. WOLFF, F. v.: Der Vulkanismus. I u. II. - 711 + 1111 S., Stuttgart 1914-1931. Manuskr. eingeg. 9. 6. 1961. Anschrift des Verf.: Prof. Dr. M. Schwarzbach, Geologisches Institut der Universität, Köln, Zülpicher Straße 47.


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