Im Kölner Verlies - Die Kaminski-Kids - 9783765516146 - Brunnen

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Carlo Meier Die Kaminski-Kids: Im Kรงlner Verlies


Simon

Debora („Debbie“)

Raffaela („Raffi“)

Ellen


Manuel

Borat

Antje

Zwockel


Liebe Leserinnen und Leser Wie bei allen Fällen der Kaminski-Kids haben auch bei diesem neuen Band meine drei Kinder Sidi, Anuschka und Saskia tatkräftig mitgeholfen. Vielen Dank dafür! Bedanken mçchte ich mich auch bei Simon und Sarah Hoehn (16 + 18 Jahre), Jaron (10), Nadine (12), Petra (16) sowie Sheona und Bigna Meier für ihre wertvollen Anregungen. Und natürlich bei meiner Frau Andi, ohne die dieses Buch nie mçglich geworden wäre. Mein Dank geht ebenfalls an Manuela Griffel und AndrØ Widmer (Kriminalpolizei) sowie Simon Carrel, Claudia Bucheli und Titus Bürgisser (Pädagogen), die es mir durch ihre sachkundige Beratung ermçglichten, die Story der Wirklichkeit entsprechend zu gestalten. Nicht zuletzt mçchte ich mich auch bei meiner Lektorin Vera Hahn und bei meinem Lektor und Freund Christian Meyer bedanken, der seit Beginn der Kaminski-Kids in sämtlichen Bänden entscheidende Impulse eingebracht hat. Viel Spaß wünscht Euch allen

Carlo Meier fanclub@kaminski-kids.com

Mitmachen und gewinnen: Besuche die Kaminski-Kids auf www.kaminski-kids.com, fordere den kostenlosen E-Mail-Infobrief mit spannenden News und Gewinnspielen an und schau nach, was die Kids über sich selbst erzählen! Viel Wissenswertes kann man da auch finden für die Gestaltung von Vorträgen und natürlich über die Bücher, Hçrspiele, Lesungen und den Autor.


Carlo Meier

Die Kaminski-Kids: Im Kรงlner Verlies Mit Illustrationen von Matthias Leutwyler

Verlag Basel . Giessen


Der Autor dankt dem ARD-Sender Westdeutscher Rundfunk (WDR) ganz herzlich: Teile der vorliegenden Story wurden stark von der großzügigen Führung durch die Fernseh-Studios in Kçln inspiriert. Der Fall als solcher ist aber vollumfänglich frei erfunden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

2013 by Brunnen Verlag Basel Umschlag und Illustrationen: Matthias Leutwyler, Luzern Typographie Umschlag: David Grau, Brunnen Verlag Basel Satz: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel Druck: Freiburger Graphische Betriebe Printed in Germany ISBN 978-3-7655-1614-6


Inhalt Kapitel 1 Streit mit dem Star

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Kapitel 2 Zwischenfall am Filmset Kapitel 3 Schrecken beim Dreh

18 26

Kapitel 4 Hochgiftig! 36 Kapitel 5 Schatten im Verlies

44

Kapitel 6 Kçlner Mordkommission vor Ort Kapitel 7 Die Polizei-Liste

55

62

Kapitel 8 «Der Mçrder ist noch unter uns» Kapitel 9 Der verdächtige Besucher Kapitel 10 Mit angehaltenem Atem

75 83

68


Kapitel 11 Das Giftfläschchen

89

Kapitel 12 Gestalt im Dunkeln

98

Kapitel 13 «Nicht springen, Raffi!» Kapitel 14 Eine leise Spur

107

117

Kapitel 15 Ruhe bewahren …

124

Kapitel 16 Viel zu gefährlich!

130

Kapitel 17 Atem in der Finsternis

138

Kapitel 18 Die Falle 144 Kapitel 19 Schock für alle Kapitel 20 Tückische Tropfen

8

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Streit mit dem Star 1 «Achtung!» Die Leiterin der Studioführung hielt vor einer Tür ihre Schlüssel-Karte hoch. «Bleiben Sie während des Rundgangs immer zusammen, und halten Sie der Person hinter Ihnen die Türen auf, damit wir niemanden verlieren. Alle Durchgänge çffnen sich nur mit solchen Chip-Karten.» Die Tür glitt auf, und die Kids traten mit rund zwanzig weiteren Besuchern in einen schmalen Flur. Neben ihrem Opa und Collie Zwockel waren auch ältere Paare und ein Mädchen mit modischem Kurzhaarschnitt dabei. Die Leiterin wartete nach einigen Schritten. «Mein Name ist Isabell, ich begrüße Sie ganz herzlich zur Studioführung hier beim NRW-Rundfunk in Kçln.» Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. «Als besonderen Hçhepunkt gibt es heute als Erstes die Mçglichkeit, bei den Dreharbeiten zu einem Kriminalfilm zuzuschauen.» «Au ja!», flüsterte Raffi begeistert. Simon zwinkerte der Kleinen zu, und Debora grinste verschmitzt. «Cool, dass wir bei einem echten Krimi dabei sein dürfen!» Leiterin Isabell wandte sich lächelnd um und führte die Teilnehmer weiter den Flur entlang. «Ich muss Sie bitten, am Drehort ganz still zu sein und sich ansonsten im Hintergrund zu halten, um die Filmarbeiten nicht zu stçren.» 9


Simon und Debora betrachteten die Lampen über den Türen links und rechts: Bei gelbem Blinklicht ist der Zutritt verboten. Da Opa fast blind war, berührte er Simon am Oberarm und ging nah neben ihm her. Debora beschrieb auf seiner anderen Seite leise, was es zu sehen gab. Plçtzlich hielt Raffi an und bestaunte an der Wand die riesige aufgemalte Maus. Sie sah täuschend echt aus und war mit ihren langen Schnurrhaaren und dem schelmischen Grinsen praktisch genauso groß wie Raffi. Die Kleine berührte die Maus, um sich zu versichern, dass es sich wirklich nur um ein Bild handelte. Dabei bemerkte Raffi gar nicht, wie die Besuchergruppe hinter dem nächsten Durchgang verschwand. Die Tür schloss sich automatisch. Niemand merkte, dass die Kleine fehlte. Ahnungslos begann Raffi zu summen und wollte weiter. Doch da blieb sie wie angewurzelt stehen. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Es war niemand mehr da. Kein einziger Mensch. «Oh-oh …» Verzweifelt schaute sie sich um. Sämtliche Türen waren zu. Vor ihr und am anderen Ende des schmalen Korridors hatten sich die Durchgänge geschlossen. Raffi ging ein paar Schritte voran zur Tür und drückte mit ihrem Gewicht dagegen. Doch es war aussichtslos. Das Teil bewegte sich keinen Millimeter. Und eine Klinke gab es nicht, da sich die Durchgänge elektronisch çffneten. Raffis Herz pochte wild. Sie konnte in dem engen Flur weder vor noch zurück. Sie war eingesperrt. Ganz allein. Was sollte sie jetzt bloß tun?

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Hinter der Tür im angrenzenden Korridor begann Collie Zwockel auf einmal zu bellen. Die Kids wandten sich um. «Was ist denn, Zwockel?» Schlagartig fiel es Debora auf: «Raffi ist weg!» Opa blieb stehen und runzelte die Stirn. «Vielleicht ist sie irgendwo vor uns?» Suchend ließen die Kids den Blick über die Gästegruppe schweifen. Doch da war weit und breit keine Spur von Raffi zu entdecken. «Nein, hier ist sie nicht», stellte Simon fest. «Entschuldigung.» Leiterin Isabell kam an den Leuten vorbei zurück. «Das haben wir gleich.» Sie trat zum Durchgang und hielt ihre Chip-Karte ans Lesegerät. Die Tür çffnete sich. Dahinter stand Raffi und guckte mit riesigen Augen hoch. «Ich …» «Schon gut», schmunzelte Isabell. «Aber ab jetzt gilt wirklich: Immer schçn zusammenbleiben!» Simon fasste die Kleine an der Hand und drückte sie erleichtert. In diesem Moment zeigte ein älterer, beleibter Besucher auf Zwockel. «Was hat der Hund überhaupt hier zu suchen? Hunde sind im Studio doch verboten!» «Oh-oh», murmelte Raffi leise. Auch Simon und Debora stockten. Musste Zwockel nun raus? Wo sollte der Collie denn so lange bleiben? Bestimmt nicht alleine vor 12


der Tür! Jetzt kçnnten sie die Führung vielleicht doch nicht mitmachen, dabei hatten sie sich so darauf gefreut … Opa nahm den Collie straff an die Leine, so dass sie aussah wie ein Lederbügel. «Was meinen Sie?», fragte er in unschuldigem Ton. «Gilt das Verbot auch für Blindenhunde?» Alle schauten von ihm zu Isabell. «Na dann …» Der beleibte Besucher räusperte sich. «Wenn das so ist – tut mir leid.» Mit gesenktem Blick wechselte er seine Herrenhandtasche in die andere Hand. «Also dann», sagte Isabell. «Darf ich Sie nun bitten? Hier entlang.» Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Am Ende der Reihe herzten die Kids Opa stürmisch. «Prima Trick!», flüsterte Debora in sein Ohr und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. «Das hast du toll gemacht, Opa!» «Oh, keine Ursache», lächelte der alte Mann schalkhaft. «Schon gar nicht, wenn’s dafür noch einen Kuss von so einer netten jungen Dame gibt!»

Während die Führung weiterging, ließ sich das Mädchen mit dem Kurzhaarschnitt ein wenig zurückfallen und schlenderte dann neben Raffi her. «Da hast du aber Glück gehabt, dass der kluge Hund dich gerettet hat! Ich hätte ungeheuer Angst gehabt, ganz alleine in dem Flur da drüben eingeschlossen zu sein!» 13


«Und ich erst!» Raffi beugte sich zu dem Mädchen vor und flüsterte verschwiegen: «Ich hätte vor Angst fast Pipi gemacht!» Am Ende des Gangs hielt die Gruppe bei den Fahrstühlen an. Als alle in der Nähe waren, erklärte Leiterin Isabell: «Jetzt geht’s mehrere Stockwerke in die Tiefe. Da die Studios sehr hoch sind, mussten sie unter die Erde gebaut werden.» «Ellen!» Neben dem Lift winkte die Begleiterin des kurzhaarigen Mädchens. «Kommst du bitte hier rüber?» Ellen neigte sich zu Raffi. «Meine Patin. Sie hat mir die Studioführung geschenkt, weil ich heute Geburtstag hab.» «Echt?» Raffi streckte dem Mädchen die Hand hin. «Glückwunsch!» «Danke. Und wieso seid ihr hier?» «Wir sind zu Besuch in Kçln. Unsere Eltern gucken sich ein Museum an, bis wir hier fertig sind. Danach besichtigen wir gemeinsam den berühmten Dom und machen eine Schifffahrt auf dem Rhein. Heute ist ein richtig klasse Tag!» «Hoffentlich bleibt das auch so», murmelte Ellen verhalten. «Wenn’s da unten in den Gängen bloß nicht zu dunkel wird. Wir haben nicht gewusst, dass der Rundgang auch unterirdisch verläuft …»

Als die Kids in der Tiefe aus dem Fahrstuhl stiegen, traten sie in einen schmalen, matt erleuchteten Flur. 14


Die Luft war so weit unter der Erde ziemlich stickig. Opa zog die Hundeleine straff und ließ sich von seinem «Blindenhund» Zwockel führen. «So, jetzt wird’s ernst.» Leiterin Isabell fingerte an ihrer Chip-Karte herum, die an einer Schnur um ihren Hals baumelte. «Bitte bleiben Sie in den Gängen immer rechts, damit das Personal des Senders vorbei kann – die haben es oft eilig.» Beim Weitergehen kam die Gruppe am leeren Studio 1 vorbei, wo an bestimmten Tagen eine landesweit ausgestrahlte Sportsendung gedreht wurde. Danach folgte Studio 2 mit den Kulissen einer Publikums-Sendung und vielen gähnend leeren Stuhlreihen. «Richtig spannend wird es in Studio drei», verkündete Isabell. «Da ist der Drehort des neuen Krimis. Davor müssen wir aber noch hier durch. Achten Sie bitte darauf, wo Sie hintreten.» Die Besucher mussten sich an Absperrungen und Baumaterial vorbeischlängeln. «Entschuldigen Sie bitte das Durcheinander. Trakt drei ist in sich abgeschlossen und befindet sich derzeit im Umbau. Es wird vielleicht die eine oder andere Unannehmlichkeit geben. Aber keine Angst – gebaut wird wegen der Dreharbeiten heute nicht. Außer uns und den Filmleuten ist keiner im Gebäude.» Am Übergang zwischen Trakt zwei und drei befand sich eine gewaltige Betontür mit Metallverstärkungen. «Woa!», staunte Raffi. «Die ist aber dick!» «Das ist die Brandschutztür», erklärte Isabell. «Wenn die zu ist, dann ist wirklich zu. Das muss so sein, damit im Brandfall das Feuer nicht von einem Trakt auf den anderen übergreifen kann.» 15


«Mega-Teil», murmelte Simon beeindruckt. «Sieht fast aus wie eine Panzertür.» Die Leiterin nickte, ging an den Leuten vorbei nach vorne und blieb im Korridor bei einer Seitentür stehen. Darauf stand REQUISITEN-RAUM. «Hier drin sind die Kulissen verschiedener Filme.» Die Teilnehmer streckten die Kçpfe hinein und bestaunten einen Schiffsrumpf und Kanonenkugeln aus Pappe. An der Wand hing eine Piraten-Flagge mit Totenkopf. Ein hohlwangiger, hagerer Besucher mittleren Alters trat in den Raum hinein. «Halt, Vorsicht!» Isabell deutete auf ein Fischernetz am Boden. «Wenn Sie da drauftreten, wird der Schnapp-Mechanismus ausgelçst, und das Netz schnellt hoch und wickelt Sie ein! Das stammt aus einem Piratenfilm mit coolen Tricks. Die Crew muss das unbedingt noch entschärfen, sonst ist es ein Sicherheitsrisiko.» Der magere Besucher brummte etwas Unverständliches und kam wieder heraus. Er trug einen abgenutzten Anzug und hatte dünne Strähnen auf seiner Glatze. Bisschen schmierig, dachte Simon – ein ziemlich kauziger Typ … Nun kam die Führung an den Künstlergarderoben vorbei. Die Namen verschiedener Stars waren auf die Türen geschrieben. Aus einem Schminkraum drangen Wortfetzen heraus. Es klang wie ein Streit. Die Kids hielten an und linsten durch den Türspalt. Drinnen sahen sie den Maskenbildner – ein junger Mann mit einem riesigen Lockenbusch auf dem Kopf. Er war in eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Schauspieler verwickelt, den er gerade schminkte. 16


«Bist du verrückt, Didi?», schrie er den Mann auf dem Frisçrstuhl an. «Viel zu gefährlich!» Der Star verzog den Mund. «Nun krieg dich wieder ein, Alessandro!» Auf dem Flur erschienen Künstler aus angrenzenden Garderoben, um nachzuschauen, was los war. In diesem Moment trat der dunkelhaarige Maskenbildner zur Tür und knallte sie vor den Kids zu. Darüber ging ein gelbes Blinklicht an: Zutritt verboten. Die Kids schauten sich an und schlenderten weiter. Die Schaulustigen verschwanden wieder in ihren Kabinen. «Was war denn das?», murmelte Debora. «Wüsste ich auch gern.» Simon schüttelte den Kopf. «Das klang ja nach einem richtig handfesten Streit …»

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Zwischenfall am Filmset 2 In der Mitte des Künstlerkorridors kamen die Kids mit Opa und Zwockel an einer leeren Garderobe vorbei. Auf der geçffneten Tür stand der Name Didi Holm. «Didi», murmelte Debora. «Das wird wohl der Schauspieler sein, der grade beim Schminken in den Streit verwickelt war.» Simon nickte. «Ganz bestimmt.» Da bemerkte Raffi, dass weiter vorne in der Besuchergruppe das kurzhaarige Mädchen stehengeblieben war. Ellen wischte sich mit einem Taschentuch Schweiß von der Stirn, und ihre Patin redete beruhigend auf sie ein. «Ich geh mal nachsehen, was das Mädchen hat.» Raffi schlängelte sich zwischen den Leuten hindurch. Als sie bei Ellen ankam, legte sie ihr die Hand auf die Schulter. «Ist alles in Ordnung?» «Danke», sagte die Patin. «Es geht schon.» Ellen nahm Raffi ein wenig beiseite. «Weißt du, ich hab mal was ganz Schlimmes erlebt …» Das Mädchen schaute sich kurz um. Als niemand hersah, erzählte Ellen leise weiter. «Ich war in einer Tiefgarage eingeschlossen. Ganz alleine … Das automatische Licht ging aus. Ich konnte den Schalter nicht finden. Es war grauenhaft … Und die unterirdischen Gänge hier erinnern mich an damals. Dadurch kommen diese beklemmenden Gefühle wieder hoch.» 18


«Ach so», murmelte Raffi mitfühlend. «Das muss ganz schçn schlimm gewesen sein.» Ellen nickte. «Hier ist es wenigstens nicht so dunkel wie dort …» «Ja, zum Glück! Geht’s dir jetzt wieder etwas besser?» «Mhm.» Ellen lächelte, obwohl sie immer noch blass war. «Mach dir keine Sorgen um mich.» «Hallo!», rief Führerin Isabell plçtzlich vom Ende des Gangs her. «Sind alle hier? Fehlt da nicht jemand?» Wortlos tauchte aus einem Seitenraum der kauzige Besucher mit den schmierigen Glatzensträhnen auf. «Also wirklich!» Isabell seufzte. «Das geht jetzt aber echt nicht. Ich muss endgültig alle bitten, immer beisammen zu bleiben – zum letzten Mal!» Der hagere Typ verzog die Lippen. «Ja, ja, ja», brummte er mit einer tiefen Bass-Stimme, die man ihm bei seiner drahtigen Statur gar nicht zugetraut hätte. Debora und Simon warfen sich einen Blick zu. «Echt schräger Typ …» Während die Kids nun nach vorne zu Raffi aufschlossen, kamen sie an einer Garderobe vorbei, die mit Felix + Miro beschriftet war. Durch die halboffene Tür konnten sie sehen, wie drinnen jemand eine Zigarette anzündete. Und dies, obwohl überall große RAUCHEN-VERBOTEN-Schilder hingen. Ein etwa 15-jähriger Junge lümmelte sich neben den beiden Schauspielern in einem Sessel. Er war von oben bis unten in Schwarz gekleidet und hatte schwarz lackierte Fingernägel und ein Lippen-Piercing. Sein pechschwarz gefärbtes langes Haar hing ihm tief ins Gesicht. «Borat!» Der kleinere der beiden Schauspieler schaute den Jungen ernst an. «Hier drin ist Rauchen verboten!» Borat blies seufzend Rauch aus. «Darf ich raus?» «Nein.» Der kleine Mann schüttelte den Kopf und 19


verdrehte die dunklen Kulleraugen. «Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Wenn ich dich allein zu Hause lasse, verwandelst du wieder die ganze Bude in Kleinholz. Und jetzt mach die Kippe aus!» «Ach, Mann!» Borat stçhnte unwillig, doch immerhin warf er die Zigarette weg. «Na also», grinste der grçßere Schauspieler mit dem Kinnbärtchen. «Geht doch!» Mit einem Seitenblick zu seinem Kollegen fügte er hinzu: «Kindererziehung ist halt keine leichte Sache, was, Felix?» «Achtung!» Draußen hallte eine Durchsage aus den Lautsprechern. «Bitte die Schauspieler ans Set!» «Auf geht’s!» Felix ging zur Tür und klopfte seinem langen Kollegen auf den Rücken. «Packen wir’s, Miro.» Die beiden traten hinaus, und Borat folgte ihnen missmutig den Flur entlang. Die Kids schlenderten ebenfalls hinterher. In der Garderobe war die brennende Zigarette in einem Kabelschacht gelandet, der vom Umbau her offen lag – dort glomm die Kippe nun, auf Plastikkabeln qualmend, vor sich hin …

Voller Spannung erreichten die Kids mit der Besuchergruppe das Filmset. Der Drehort war in ein Verlies umgebaut und in düsteres Licht getaucht. Mitten in dem unheimlichen, gruftartigen Raum stand ein Stuhl, auf dem Fesseln lagen. An der Decke des mindestens zehn Meter hohen 20


Studios hing ein ganzer Wald von Scheinwerfern, die sengende Hitze abstrahlten. Darunter geriet man ganz schçn schnell ins Schwitzen. «Poa!» Raffi kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. «Das Studio ist ja so groß wie eine Turnhalle!» Leiterin Isabell zeigte auf die schweren schwarzen Vorhänge am Rand. «Die sind dazu da, um einen Schauplatz abzutrennen und um ihn kleiner oder grçßer zu machen.» Sie führte die Gäste zu einer Absperrung. Hier hatte man links den Blick auf den Drehort und rechts auf das Regiepult – die Leitzentrale des Sets. «Da drüben sehen Sie Petar Patischek.» Isabell deutete auf einen Mann mit aufgebauschter grauer Fçhnfrisur und seidenem Halstuch. Er stand in etwa zwanzig Metern Entfernung neben einem Klappstuhl mit der Aufschrift REGIE. «Das ist der Regisseur, der Boss am Set», erklärte die Leiterin. «Er sagt, wie eine Szene gespielt werden muss. Wie schnell oder langsam gesprochen wird, ob sie flüstern oder schreien müssen, wie dunkel oder hell es aussehen soll …» Die Kids verfolgten gespannt, wie Petar Patischek einem Schauspieler in brauner Lederjacke die nächste Szene erklärte. Dabei ging er in die Hocke, umfasste mit beiden Händen eine Pistole und schnellte mit ausgestreckten Armen in alle Richtungen herum. Der Schauspieler hçrte ihm aufmerksam zu. Gleich daneben machte der Kameramann die Handkamera bereit. «Licht, bitte!», rief er. Sogleich erstrahlte der Schauplatz in tagheller Beleuchtung. Der Kameramann prüfte durch den Sucher die Einstellungen und legte die Handkamera dann vorsichtig bereit. 21


Am Rand des Publikumsbereichs gesellte sich der schwarzgekleidete Junge zu den Besuchern. Debora fiel gleich auf, dass Borat sie musterte. Als sie ihn ansah, wandte er den Blick jedoch sofort ab. Sie fragte sich, was wohl mit ihm los war. Weshalb die traurigen Augen und all die schwarzen Kleider? Wenig später beobachtete er sie erneut. Doch sobald sie ihn anschaute, senkte er den Kopf wieder. Debora waren die Blicke unangenehm. Deshalb trat sie einen Schritt zurück und stellte sich so hinter Simon, dass Borat sie nicht mehr anstarren konnte. Vorne ging nun der Schauspieler in der braunen Lederjacke mit der Pistole hinter die Kulissen. Der Regisseur mit dem hochgefçhnten Haarbausch kam auf den Zuschauerbereich zu. «Das war Frank Thomsen», erklärte er den Besuchern und warf einen argwçhnischen Blick auf Zwockel. «Frank spielt den TV-Kommissar. Ich werde Ihnen nun kurz die Szene erläutern, die nachher gedreht wird.» Regisseur Patischek richtete sein seidenes Halstuch und deutete zum Set hinüber. «Der Krimi läuft so: In dem Verlies da wird ein Bankdirektor festgehalten – er wurde von zwei Entführern hierher verschleppt. Sie verlangen von seiner Familie eine Million Lçsegeld. Da die beiden Entführer aber keine Profis sind, ist ihnen ein folgenschwerer Fehler unterlaufen: Das Opfer stirbt aus Versehen. Es erstickt in ihrer Abwesenheit, weil es falsch geknebelt wurde.» «Häh?», flüsterte Raffi. «Was soll denn das sein, ‹geknebelt›?» «Man stopft ihm ein Tuch oder so was in den Mund», antwortete Simon leise. «Damit er nicht mehr schreien kann.» 22


Während Regisseur Patischek weiter die Film-Handlung beschrieb, betrachteten die Kids die Einrichtung des Studios. Das Verlies sah täuschend echt aus. Am Rand brçckelnde, modrige Backsteinmauern, in den Ecken Spinnweben. Durch hochgelegene, vergitterte Fenster strçmte mattes Licht herein. Es gab ein rostiges Metallgestell mit Lebensmitteln: Milchtüten, Knäckebrot, Wasserflaschen, dazu Kerzen und Fackeln. In der Mitte stand ein schiefer Holztisch mit zwei klapprigen Hockern neben dem Stuhl mit den Fesseln drauf. Ein Wasserhahn tropfte stetig in ein zerkratztes Becken an der Wand. «Das wirkt ja wirklich echt!», frçstelte Debora. Simon beugte sich vor und klopfte an eine KulissenWand. Es klang hohl. «Alles aus Pappe!»

Nun kam der Schauspieler ans Set, der das Opfer spielte. Es war Didi Holm – der Star, der im Schminkraum den Streit mit dem Maskenbildner Alessandro hatte. Jetzt wurde Holm auf dem Stuhl gefesselt und dann seitlich auf den Boden gelegt. Der Maskenbildner beugte sich mit seinem dunklen Lockenbusch über den Star, schob ihm etwas in den Mund und ließ es so aussehen, als wäre der Knebel viel zu groß. Anschließend tupfte er ihm noch ein wenig Puder 23


auf die Wange und richtete Holms Krawattenknoten etwas schiefer aus. Der Kameramann betrachtete das Ganze durch die fast mannsgroße, fest aufgebaute Filmkamera. «Gib mir noch etwas mehr Scheinwerfer drei, und nimm die Eins ein bisschen zurück!» Am Regiepult veränderte jemand die Lichteinstellung. Isabell wandte sich nun wieder an die Besucher. «Didi Holm wird für die Szene bereit gemacht. Jetzt wird es dann gleich so weit sein: Sie dürfen beim Dreh zuschauen!» Erwartungsvolles Gemurmel verbreitete sich. «Also noch mal», sagte Regisseur Patischek ernst in Richtung Zuschauer. «Sie müssen wirklich mucksmäuschenstill sein.» Bevor er sich abwandte, streifte er Zwockel erneut mit einem Blick. «Wenn mir der Hund in den Dreh reinbellt, flippe ich aus!» «Keine Bange», murmelte Opa. «Der Hund bellt für einen Film nur gegen Bezahlung.» Die Teilnehmer schmunzelten. Opa beugte sich zu den Kids. «Ich genieße es in vollen Zügen, hier zu sein. Zwar sehe ich fast nichts mehr, aber als Krimi-Fan interessiert mich das trotzdem brennend. Und da ich umso aufmerksamer zuhçre, habe ich auf diese Weise eine Art ‹Kino im Kopf›!» Drüben nahm Petar Patischek auf seinem Regie-Sessel Platz. Er schob sich Kopfhçrer über die Ohren und achtete vorsichtig darauf, dass dabei seine graue Fçhnfrisur nicht zerdrückt wurde. Dann beugte er sich vor einen fahrbaren Bildschirm, auf den die Kamerabilder übertragen wurden. «Bereit», sagte er. Der Kameramann warf dem Assistenten einen Blick zu. «Lutz, Klappe!» Sofort trat der rothaarige Assistent mit dem langen 24


Pferdeschwanz vor die Kamera und knallte eine Klappe zu. «Szene 33, die Erste!» Der Regisseur richtete sich auf. «Action!», rief er laut. Und dann ging es los.

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