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Persönlich. Echt. Lebensnah. D 12013 ISSN 0939-138X
4/2014 sfr 5,60 3,20 (A)
3,10
EHE
Starke Liebe kann streiten MITEINANDER
Nächstenliebe praktisch KINDER
„Mama, ich will ein Handy!“ Gaby Wentland
Kämpfen für die
Freiheit
Gesund durch den Advent
Unsere eigenen Probleme werden ganz klein,
wenn Gott uns die Augen
für unsere Nächsten öffnet.
Es ist ein großes Vorrecht,
wenn er uns so an seinem Wirken teilhaben lässt. DOROTHEA KLAUE
Ganz persönlich Ellen Nieswiodek-Martin
Was mir Mut gab, war der Gedanke, wie Jesus sich verhalten hätte.
Vor die Tür gehen Vor etlichen Jahren wohnten wir an der Hauptstraße eines kleinen Dorfes direkt gegenüber der Bushaltestelle. Dort war immer etwas los. Das führte dazu, dass es bei uns gelegentlich an der Tür klingelte: Ein Mädchen war in den falschen Bus gestiegen. Sie wohnte zehn Kilometer entfernt und wusste nicht, wie sie nach Hause kommen sollte. Eine Frau war mit dem Auto liegen geblieben und telefonierte bei uns, um abgeholt zu werden. Kurz vor Weihnachten klingelte ein Obdachloser, der etwas brauchte. Wir konnten immer irgendwie helfen und mussten uns dafür nicht besonders anstrengen. Inzwischen sind wir umgezogen, jetzt klingeln höchstens die Nachbarn, die Mehl oder Eier zum Kuchenbacken brauchen. In unserer ruhigen Wohngegend bekommen wir wenig mit von den Nöten der Menschen. Und wir merken, wie viel schwerer es ist, wenn wir unsere warme Wohnung verlassen müssen, um anderen etwas Gutes zu tun oder um überhaupt in Kontakt zu kommen. Gerade wenn es draußen kalt und ungemütlich wird, möchten wir es uns zu Hause gemütlich machen. Nach draußen zu gehen kostet Überwindung. Und es kostet auch Überwindung, auf fremde Menschen zuzugehen. Einmal habe ich drei Tage lang mit meinen inneren Widerständen gekämpft, bis ich es schaffte, einen Bettler anzusprechen, den ich täglich neben dem Eingang eines Kaufhauses gesehen hatte. Diese Geschichte zu erzählen, dafür reicht der Platz an dieser Stelle nicht. Ich erzähle sie in den „Montagsgedanken“ auf unserer Internetseite www.lydia.net am 17. November. Wussten Sie, dass es in der Bibel 2000 Verse gibt zum Thema „Armut und Gerechtigkeit“? Gott steht dabei immer auf der Seite der Armen, der Unterdrückten, der Witwen, der
Verfolgten und der Flüchtlinge. Wir kennen die Bibelstellen, aber nehmen wir sie wirklich ernst? Die Verse sind ja auch unbequem. Und wir haben sowieso schon so viel Stress. Aber Texte wie Jesaja 58 sprechen eine klare Sprache: Sie fordern uns auf, nicht wegzusehen. Andere wahrzunehmen und ihnen in Liebe zu begegnen. Unsere gemütliche Wohnung zu verlassen oder anderen unsere Tür zu öffnen. In dieser Ausgabe berichten Frauen, was passierte, als sie beschlossen, nicht wegzuschauen, sondern aktiv zu werden. Sie erzählen, welche Erfahrungen sie gemacht haben und wie sie selbst dadurch verändert wurden. Ich habe den Bettler schließlich doch angesprochen. Was mir den Mut dazu gab, war der Gedanke, wie Jesus sich verhalten hätte. Jesus hat die Bedürftigen, die Einsamen und Kranken wahrgenommen. Er hat sich ihnen zugewandt. Jesus schaut nicht weg – er schaut hin. Und obwohl er besser als jeder Mensch um das gewaltige Elend und die Not wusste, die er auf der Erde vorfinden würde, kam er trotzdem in unsere Welt. Weil er sich uns zuerst in Liebe zugewandt hat, dürfen auch wir uns in Liebe anderen zuwenden – jede von uns mit ihren ganz unterschiedlichen Möglichkeiten und Herausforderungen in ihrem persönlichen Umfeld. Ich wünsche Ihnen eine segensreiche Zeit. Ihre Ellen Nieswiodek-Martin Ermutigung für jede Woche : Montagsgedanken auf
www.lydia.ne
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{persönlich} 3 Ganz persönlich Vor die Tür gehen Ellen Nieswiodek-Martin 14 Meine Platzdeckchen-Probleme Wie ein Hilfseinsatz mir den Weg zur Veränderung zeigte – Lysa Terkeurst 44 Das Gottes-Experiment Als Su's türkischer Mann sie tyrannisierte, betete sie zu einem Gott, den sie nicht kannte … – Su mit Sonja Kilian 58 Mein erstes Enkelkind: Eine späte Liebe Silvia Konstantinou 64 Keine Kraft für den Alltag – Christine Dalinger 68 Meine Geschichte Mein Gott-ist-da-Erinnerer Sabine Langenbach 72 Heilige heute Frauen wie wir • Ein tierischer Beschützer Lieselotte Oswald • Engel – gibt es sie heute noch? Miriam Peters • Drei Engel in Skianzügen Ingrid Hirsch • Psalm 23 im Krankenwagen Christliebe Steinke • Heilsame Begegnungen Edeltraud Bürger • Charakterschule auf den Philippinen Tabea Lesch
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Keine Kraft für den Alltag Die Sache mit der Nächstenliebe
Kämpfen für die Freiheit Interview mit Gaby Wentland Titelfoto: Jenny Giesbrecht
{echt} 20 Girl Talk Mein Eigenes entdecken – Jennifer Pepper 24 Meine Meinung Haben Sie an Weihnachten schon mal Menschen außerhalb Ihrer Familie eingeladen? 30 Der Mann ohne Hose Augen und Hände öffnen für Bedürftige – Mascha Blumenthal 34 Die Sache mit der Nächstenliebe Helfen? Aber gern! Wie ich vom Glauben zum Tun kam. – Andrea Wegener 47 Das Gleichnis vom Frottee-Pyjama – Constanze Nolting 60 Zwischen den Jahren Die „zwölf heiligen Nächte“ Christiane Rösel 81 Sag mal, ... Fragen an Lydia 82 Nachgedacht Wer ist der Beschenkte? – Sabine Wenz
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Der Mann ohne Hose 4
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{inhalt}
Lydia
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Die 24-TageVerschenk-Aktion
{lebensnah} 18 Nachgefragt Ich kann doch nicht überall helfen! Annemarie Pfeifer 22 Die 24-Tage-Verschenk-Aktion Ein Experiment der guten Taten – Beate Nordstrand & Heike Malisic 23 Weihnachtsgrüße an Fremde Handgeschriebene Briefe sind etwas Besonderes – Mandy
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Meine PlatzdeckchenProbleme
26 Ein Licht in die Welt bringen – Nächstenliebe in Aktion – Damaris Schmitt 39 Der Einkaufsbummel – Vera Klaunzer 40 Durchkreuzte Pläne – geschenkte Zeit – Roswitha Wurm 48 Starke Liebe kann streiten Ohne Konflikte geht es nicht. Aber wie gehen wir mit ihnen um? – Martina Kessler 52 LYDIA-Familientipp: „Mama, ich will ein Handy!“ Ellen Nieswiodek-Martin 56 Gesund durch den Advent – Heike Malisic 62 Zwischendurchgedanken Träume in XXL Saskia Barthelmeß
{service} Starke Liebe kann streiten
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12 Für Sie gelesen 19 Adventskalender 45 Liebe Leser 52 Schmunzeln mit LYDIA 54 LYDIA kreativ – Imke Johannson 76 Gut informiert, Neu inspiriert 80 Leserbriefe 81 Impressum Lydia 04/2014
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LYDIA
Interview
Freiheit mit Gaby Wentland
Kämpfen für die Freiheit
„Du kannst alles erreichen, du musst es nur versuchen“ – dieser Satz ihres Vaters hat Gaby Wentland geprägt. Mit ihrem Verein „MISSION FREEDOM“ gibt die 57-Jährige jungen Frauen, die der Zwangsprostitution entkommen wollen, ein neues Zuhause und
unterstützt sie auf dem Weg in eine Zukunft. Für ihr Engagement hat die vierfache Mutter auch kräftigen Gegenwind und Kritik erlebt. Im Kreuzfeuer der Medien musste sie
durch harte Zeiten gehen und lernte ganz neu, Gott zu vertrauen. Seit April 2014 ist sie
Ich hörte einen Vortrag von Christine Caine über Menschenhandel in Europa. Ich war so entsetzt! Was sie erzählte, hatte ich noch nie gehört. Sie nannte Zahlen und Fakten: 800 000 Menschen in der Europäischen Union sind Opfer von Menschenhandel, die meisten arbeiten in der Zwangsprostitution. Etwa 80 Prozent davon sind junge Mädchen, geschätzte 20 Prozent junge Männer. 20 Prozent von ihnen sind unter 18 Jahren. Deutschland entwickelt sich zur Metropole der Prostitution. Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe mich bei der Polizei erkundigt, ob es in Hamburg Menschenhandel gibt.
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Die Beamten bestätigten das und sagten: „Ja, und das, was man weiß, ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Ich habe alle möglichen Organisationen kontaktiert, die gegen Menschenhandel kämpfen. 130 europäische Organisationen versammeln sich unter dem Dachverband „European Freedom Network“. Ich traf Schwester Lea Ackermann, die sich seit fast 30 Jahren gegen Menschenhandel einsetzt. Ich fand heraus, dass sich die Straßen in Hamburg zu einem der schlimmsten Orte in Europa entwickelt haben. Männer aus ganz Europa fliegen übers Wochenende hierher, um sich sexuell zu vergnügen – mit jungen Mädchen, die dazu gezwungen werden und teilweise nicht mal volljährig sind. Über den Verteiler der Evangelischen Allianz in Hamburg habe ich alle Mitarbeiter eingeladen, die etwas mit dem Rotlichtmilieu
Fotos: Jenny
Frau Wentland, Sie setzen sich seit Jahren engagiert gegen Menschenhandel ein. Wie kam es eigentlich dazu?
giesbrecht
Mitglied im Hauptvorstand der Evangelischen Allianz in Deutschland.
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GirlTalk
Jennifer Pepper
Mein Eigenes entdecken Jennifer Pepper (29) lebt als Musikerin und Gesangslehrerin in Berlin. Im Interview erzählt sie, was ihr geholfen hat, im Dschungel von Erwartungen und inneren Sehnsüchten ihren eigenen Weg zu finden.
Nur wenn wir uns und unsere Entscheidungen auch mal infrage stellen, können wir uns als Menschen weiterentwickeln.
Um unsere Identität zu finden, müssen wir uns zum einen mit unseren Wurzeln versöhnen. Zum anderen braucht es Mut, sich auf Neues einzulassen. Eins der wichtigsten Dinge in diesem Prozess ist es, dass man lernt, ehrlich mit sich selbst zu sein. Nur wenn wir uns und unsere Entscheidungen auch mal infrage stellen, können wir uns als Menschen weiterentwickeln. Letztendlich liegt das Geheimnis darin, immer wieder vor Gott zu kommen und ihn um Wegweisung zu bitten. Du sagst, dir ist es wichtig, „dein Eigenes“ zu entdecken. Was meinst du damit?
Ich stehe oft in der Versuchung, mich anzupassen und so zu funktionieren, wie andere es erwarten. Ich möchte aber gerne selber verstehen, spüren und aus meinem Erleben heraus kreativ sein. Das erfordert manchmal Mut zur Abgrenzung.
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Welchen Zusammenhang siehst du zwischen unserer Prägung durch die Eltern und dem individuellen Weg, den Gott mit uns geht?
Das geht hin und her und pendelt sich irgendwann ein. Aufbegehren und Abgrenzung muss sein. Aber ich glaube, dass wir erst dann richtig aufblühen, wenn wir Frieden mit unserer Prägung und Vergangenheit schließen. Ich habe früher gedacht, dass ich mich von dem Erbe meiner Eltern distanzieren muss, um meinen individuellen Weg zu finden. Mittlerweile möchte ich dieses Erbe integrieren und es als Baustein in meinem eigenen Lebenshaus nicht mehr missen. Was sind die größten Schätze, die deine Eltern dir mitgegeben haben?
Ein großer Schatz, den ich mitbekommen habe, ist die innere Ausrichtung auf Gott. In der Bibel steht: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch auch alles andere zufallen.“ Dieser Vers in Matthäus 6,33 ist der Trauvers meiner Eltern. Er prägt mich bis heute.
F o t o s : P r i vat
Jennifer Pepper
Jennifer, viele junge Frauen sind durch die verschiedenen Meinungen und Trends um sie herum sehr verunsichert. Sie wissen gar nicht mehr, wer sie eigentlich selber sind. Wie können sie das herausfinden?
Dranzubleiben und Disziplin aufzubringen ist sicher eine der Eigenschaften, die mir meine Mutter besonders mitgegeben hat. Sie ermutigt mich immer wieder, auch hinter kleinen Entscheidungen das große Bild zu sehen. Von meinem Vater habe ich das Menschen-Zugewandte und die Liebe zur Musik in Verbindung mit der Leidenschaft, Gott in seiner ganzen Wirklichkeit kennenzulernen. Dein Vater, Martin Pepper, ist ein bekannter Musiker. Welche Rolle spielt die Musik in eurer Familie?
Musik war für uns immer sehr wichtig. Ich erinnere mich, dass ich als Kind viel dem Klavierspiel meines Vaters zugehört habe. Wir haben als Familie oft zusammen gesungen, zum Beispiel beim Autofahren. Mittlerweile ist Musik ein Teil unserer Arbeit. Mit meinem Vater treffe ich mich regelmäßig, um gemeinsam Lieder zu schreiben und für Konzerte zu arrangieren. Du hast zusammen mit deinem Vater eine CD herausgebracht: „Generationen“. Wie war diese Zusammenarbeit für dich?
Facettenreich! Ich empfand es als ein großes Privileg, direkt nach meinem Studium mit so vielen professionellen Musikern zusammenarbeiten zu dürfen. Ab und zu beschlich mich das Gefühl, dass dieser Schuh zu groß für mich sei. In solchen Momenten war ich sehr dankbar, dass mein Vater mich immer wieder ermutigt hat. Unsere Zusammenarbeit war tatsächlich sehr harmonisch. Wir haben uns gut ergänzt. Er brachte die langjährige Erfahrung mit und ich die Dynamik einer neuen Generation. Hattest du schon als Kind den Wunsch, Musikerin zu werden, oder hattest du das Gefühl, dass deine Eltern das erwarten?
Die Musik – besonders das Singen – hat mich schon damals fasziniert. Ich denke,
meine Eltern haben sich bemüht, keinen Erwartungsdruck auf uns Kinder auszuüben. Trotzdem habe ich einen solchen gespürt und wollte mich früh davon lösen. Mit etwa zwölf Jahren habe ich eine Zeit lang der Musik und auch dem Glauben den Rücken gekehrt. Ich wollte meinen ganz eigenen Weg finden. Meine Eltern waren darüber sehr traurig, aber sie haben mich „ziehen“ lassen und für mich gebetet. Ich glaube, dass ihre Gebete mitunter der Grund waren, warum ich sowohl zum Glauben als auch zur Musik zurückgefunden habe. Diesmal aus ganz eigenen Stücken.
Bist du auch schon mal ein größeres Risiko eingegangen?
Gibt es eine Person in der Bibel, die dich bei der Suche nach deiner Identität besonders inspiriert hat?
Eins meiner größten Anliegen ist es, dass Menschen Gott begegnen. Eine solche Begegnung hat vor zehn Jahren mein eigenes Leben auf den Kopf gestellt. Ich möchte Räume schaffen, in denen Menschen diese lebendige Beziehung mit Jesus beginnen und vertiefen können. Ich sehe auch, dass eine neue Generation heranwächst, die leidenschaftlich für Gott lebt. Für diese Generation Wege zu ergründen und zu bahnen, um sich Gott zu nähern, dazu möchte ich beitragen.
Ja, Ester. Sie hat als Jüdin einen persischen König geheiratet. Sie ergriff ihr neues Leben als Königin, war sich aber ihrer Herkunft sehr bewusst. Das hat ihr den Mut gegeben, den König in einer brenzligen Situation um Hilfe zu bitten. Sie ist aus ihrer Komfortzone herausgegangen, um für eine Sache einzustehen, die nicht nur sie, sondern ihr ganzes Volk betraf. Ich glaube, es braucht auch in unserer Zeit Frauen, die für Anliegen aufstehen und mutig sind, dafür einzutreten.
Für mich war es ein großes Wagnis, den Beruf als Musikerin in Freikirchen zu wählen und mich im Alter von 26 Jahren mit dieser Arbeit und als Gesangslehrerin selbstständig zu machen. Gerade in Deutschland ist die Sicherheit ein hohes Gut. Ich habe erlebt, dass die Angst vor Unsicherheit manchen Menschen dabei im Weg steht, das zu ergreifen, was Gott in sie hineingelegt hat. Es kostet Mut, aus dem, was sicher scheint, auszubrechen. Was möchtest du mit deinem Leben bewirken?
Mehr über Jennifer Pepper: www.jenniferpepper.de
Delia Holtus
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Tiefer graben
Andrea Wegener
Die Sache mit der
N채chstenliebe Helfen? Aber gern!
Wie ich vom Glauben zum Tun kam.
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Lange Zeit dachte ich, beim Christsein ginge es vor allem um den Glauben. Bis ich entdeckte, wie wichtig Gott mein tatkräftiger Einsatz für andere ist. Und dass mein Leben dadurch reicher und heiler wird, obwohl ich nicht der „soziale Typ“ bin ...
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ein, selbstverständlich ist das überhaupt nicht!“ Sephora sieht mich verwundert an. „Klar kümmern wir uns um unsere Freunde, die Familie und die Nachbarn. Aber dass reiche Leute Arme, Kranke und Kinder mit Liebe und Respekt behandeln – nein, das ist bei uns nicht üblich. Die nützen ihnen doch nichts!“ Sephora ist eine junge Lehrerin, die ich bei meinen Projekten in Haiti kennengelernt habe. In den letzten Jahren habe ich dort verschiedene Bauteams geleitet und beim Wiederaufbau eines Kinderheims geholfen, das beim verheerenden Erdbeben 2010 zerstört worden war. Die Einsätze haben meine Sicht der Welt sehr verändert – nicht zuletzt, weil ich immer wieder mit Menschen wie Sephora ins Gespräch gekommen bin. Leute, die nach ihren Maßstäben außerordentlich reich sind, reisen extra aus Europa an, um ihr und ihren Landsleuten zu helfen? Das beeindruckt die junge Christin sehr. Warum sollte man sich um die Armen und Notleidenden kümmern, wenn man selbst nichts davon hat? Wer gehört zu Gott? Ja, warum eigentlich? Warum setzen sich Christen für andere ein? Ich möchte die Frage andersherum stellen: Woran erkennt man, dass jemand zu Gott gehört? Bis vor Kurzem hätte ich gesagt: daran, dass sie bestimmte Glaubensgrundsätze vertreten, etwa, dass Gott die Welt geschaffen hat, dass Jesus Gott und Mensch zugleich ist, für die Sünde der Menschen gestorben und auferstanden ist. Oder man erkennt sie daran, dass sie nach bestimmten moralischen Grundsätzen leben und zum Beispiel nicht bei der Steuererklärung schummeln. Oder daran, dass sie bestimmte „fromme“ Dinge tun: beten, in der Bibel lesen und in den Gottesdienst gehen.
Die Bibel gibt im Buch Jesaja eine andere Antwort: Ob wir zu Gott gehören, zeigt sich daran, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Scheinheilig Der Prophet Jesaja beschreibt eine Gesellschaft, die auf den ersten Blick sehr geistlich wirkt. Hier sind Menschen, die fasten und beten, Gott um Wegweisung bitten und mit seinem Wort vertraut sind. Doch sie wundern sich: Denn Gott erhört ihre Gebete nicht und ist ihnen nicht nahe. Gottes Diagnose fällt hart aus: „Wie verbringt ihr denn eure Fastentage?“, fragt er durch den Propheten Jesaja. „Ihr ... treibt eure Arbeiter noch mehr an als sonst. Ihr fastet zwar, aber gleichzeitig zankt und streitet ihr … Wenn das ein Fasten sein soll, dann höre ich eure Gebete nicht! … Ein Fasten, das mir gefällt, sieht anders aus: Löst die Fesseln der Menschen, die ihr zu Unrecht gefangen haltet, befreit sie vom drückenden Joch der Sklaverei, und gebt ihnen ihre Freiheit wieder! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Gebt den Hungrigen zu essen, nehmt Obdachlose bei euch auf, und wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, gebt ihm Kleider! Helft, wo ihr könnt, und verschließt eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!“ ( Jesaja 58,3-7). Mit anderen Worten: Gott hört die Gebete der Israeliten nicht, weil sie ihre Mitmenschen ausnutzen und sich nicht um Arme und Notleidende kümmern. Glauben und Tun Mancher denkt nun vielleicht: ‚Aber das ist doch Altes Testament!‘ Stimmt. Doch Jesus sagt etwas ganz Ähnliches: Im Gleichnis von den Böcken und den Schafen (Matthäus 25,31-46) beschreibt er das große Weltgericht am Ende der Zeit. Die Menschen, die zu Gott gehören, erkennt man in diesem Gleichnis daran, wie sie sich den Armen, Verfolgten und Hungrigen zugewendet haben. Zur Zeit der ersten Christen bringt Jesu Bruder Jakobus es noch einmal auf den Punkt: „Welchen Wert hat es, wenn jemand behauptet, an Christus zu glauben, aber an seinen Taten ist das nicht zu erkennen! Kann ihn ein solcher Glaube vor Gottes Urteil retten? Stellt euch vor, in eurer Gemeinde sind einige in Not. Sie haben weder etwas anzuziehen noch genug zu essen. Wenn nun einer von euch zu ihnen sagt: ‚Ich wünsche euch alles Gute!
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Krankheit
Christine Dalinger
Keine Kraft für den
Alltag Ständig war ich erschöpft, doch die Ärzte konnten keine Ursache
finden. Musste ich mich damit abfinden? Als ich endlich eine klare Diagnose hatte, lernte ich, mit meinen Grenzen zu leben.
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ch bin noch ganz benommen, als ich vom Arzt komme – von der Erschöpfung und von der Diagnose. Alles deutet darauf hin, dass ich CFS habe, eine neuro-immunologische Multisystem-Erkrankung. Seit zwölf Jahren suchte ich immer wieder Ärzte auf, erzählte von meinen Symptomen. Und ging meistens mit der Diagnose „psychisch“ oder „psychosomatisch“ nach Hause. Ich habe drei Psychotherapien gemacht, intensiv nach Störenfrieden in meiner Seele gesucht. Natürlich habe ich Dinge gefunden, habe diese bearbeitet und Heilung erfahren. Und das war gut und hilfreich. Aber meine Symptome blieben. Immer wieder hatte ich körperliche Zusam-
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menbrüche. Das hat es mir schwergemacht zu glauben, dass alles „psychisch“ sei. Über meine Grenzen Die Probleme begannen während meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Ich hatte einen längeren Infekt. Davon habe ich mich nicht mehr erholt. Ich litt unter ständigen Kopf- und Muskelschmerzen, war erschöpft, fühlte mich oft wie gelähmt. Nach einer starken Belastung hatte ich häufig Symptome wie bei einer Grippe. Außerdem schlief ich sehr schlecht, fühlte mich morgens wie gerädert und konnte mich nicht konzentrieren. Immer wieder ging ich zum Arzt. Und erhielt Antworten wie:
kam, aber ich konnte nur noch halbtags arbeiten. Schwanger mit Zwillingen Inzwischen waren wir vier Jahre verheiratet und wünschten uns Kinder. Als wir es schließlich wagten, wurde ich sofort schwanger mit Zwillingen. Die Schwangerschaft war sehr anstrengend. Die altbekannten Symptome kamen mit voller Wucht zurück. Dann verlor ich beide Babys. Es war ein unbeschreiblicher Schmerz. Ein Vierteljahr später war ich wieder schwanger. Wieder Zwillinge. Wir waren sehr angespannt und hatten Angst, dass wir auch dieses Mal beide Babys wieder hergeben müssten. Diesmal verlor ich ein Baby. Die widersprüchlichen Gefühle, Trauer und Freude gleichzeitig, überforderten mich total. Dazu kam die Übelkeit, die mich die kompletten neun Monate quälte. An manchen Tagen waren Erschöpfung und Schmerzen unerträglich. Irgendwie überstand ich die Schwangerschaft und die Geburt. Unsere Tochter im Arm zu halten war fantastisch. Aber ich war so ausgezehrt, dass ich die ersten drei Tage nicht allein aufstehen konnte. Zum Glück hatte mein Mann Elternzeit. So konnte ich mich die ersten drei Monate etwas erholen. „Sie sind eben verspannt. Der Beruf ist zu belastend …“ Mit viel Mühe und körperlichen Schmerzen beendete ich meine Ausbildung. Ich habe dann nicht weiter in meinem Beruf gearbeitet. Gerne hätte ich noch studiert, aber dazu fehlte mir die Kraft. So entschied ich mich, eine halbjährige Bibelschulausbildung bei „Jugend mit einer Mission“ zu machen. Dort konnte ich mir mehr Ruhepausen nehmen. In dieser Zeit lernte ich meinen Mann kennen. Nach der Bibelschule arbeiteten wir zwei Jahre lang bei dem Missionswerk. Ich wollte nicht als faul gelten und ging immer wieder über meine Grenzen. Dann ging gar nichts mehr. Mein Körper war am Ende. Die Schmerzen unerträglich. Die Erschöpfung lähmend. Die Ärzte meinten: „Burn-out.“ Einige Symptome wurden einfach ignoriert. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich wieder einigermaßen zu Kräften
Endlich Klarheit Weil mein Körper nun noch schwächer war als vor der Schwangerschaft, beschlossen wir, in die Nähe meiner Eltern zu ziehen. Nach dem Umzug kam der totale Zusammenbruch. Zusätzlich zu den starken körperlichen Symptomen kamen noch Panikattacken. Ich denke, meine Seele hat es einfach nicht mehr in meinem Körper ausgehalten. Ich war dann ein Vierteljahr in einer psychosomatischen Klinik. Die Zeit dort war sehr anstrengend. Immer wieder beschrieb ich meine Symptome, aber fühlte mich nicht ernst genommen. Die Angst und Panikattacken waren nach der Entlassung besser. Mein körperlicher Zustand nicht. Ein halbes Jahr später kam die Erlösung. Durch eine Freundin erfuhr ich von einer guten Ärztin. Nach ein paar Tests war klar: Da stimmen einige Dinge in meinem Körper nicht. Eine der Diagnosen lautete CFS. Außerdem hatte ich eine Borreliose, und
meine Hormone spielten verrückt. Dazu kamen diverse Lebensmittelunverträglichkeiten. Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Ich war krank. Körperlich sehr krank. Die Wut kommt raus Außer der Tatsache, dass ich jetzt mit diesen ganzen Krankheiten klarkommen musste, war da noch die Wut. Wut auf die Ärzte, auf das Leben und auf Gott. Warum musste ich mich all die Jahre durchs Leben quälen? Wie oft wurde ich als Simulant behandelt! Wie oft hörte ich den Satz: „Stell dich nicht so an!“ Wie oft hatte ich mich geschämt, hatte mich faul gefühlt! Ich weiß, dass CFS in Deutschland eine noch relativ unbekannte Krankheit ist. Ich weiß auch, dass es für Ärzte nicht immer einfach ist, allen Symptomen auf den Grund zu gehen. Trotzdem war es für mich sehr schlimm, dass ich nicht ernst genommen wurde. Mir wäre es lieber gewesen, wenn die Ärzte gesagt hätten, dass sie nicht weiterwissen. Oder dass sie vermuten, dass es psychisch ist. Aber das habe ich nie gehört. Wahrscheinlich hätte man mir zu Beginn der Erkrankung besser helfen können. Außerdem wären mir viele Überforderungen erspart geblieben. Es fühlte sich an, als hätte man mir zwölf Jahre meines Lebens gestohlen. Das machte mich sehr wütend. Ich fragte mich auch, wo Gott in all den Jahren gewesen war. Warum hatte er mich all das aushalten lassen? Nach vorne blicken Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich die Entscheidung traf, das Alte loszulassen. Und ich fing an zu vergeben. Ich ließ all meine verpassten Chancen los. Vergab jedem einzelnen Arzt. Legte all die schmerzhaften Erinnerungen in Gottes Hand. Und überließ ihm mein Verlangen nach Rache. Das ist mir nicht leichtgefallen, aber es hat mir geholfen, nach vorne zu blicken. Zu vergeben hat mich befreit aus dem Gefängnis der Anklage und der Rachsucht. Und wenn die Wut mich mal wieder niederdrücken will, dann vergebe ich aufs Neue. Jetzt muss ich lernen, mit CFS zu leben. Das ist gar nicht so einfach, aber ich übe mich darin. Ich habe ungefähr vier bis fünf Stunden Kraft am Tag. Das ist nicht viel, aber irgendwie schaffe ich es, damit
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Sabine Langenbach
Mein Gott-ist-daErinnerer
Durch unsere „besondere“ Tochter hat unser Leben Tiefgang bekommen
Kreißsaal St. Vinzenz-Krankenhaus, Altena. 14. April 1998, gegen 00.50 Uhr. Gerade ist unser zweites Kind auf die Welt gekommen. Ganz schnell. Unkompliziert. „Ein Mädchen!“, ruft die Hebamme, „ein wunderschönes Mädchen!“ Dann liegt die Kleine auf meinem Bauch. Wir haben es geschafft! Birte ist da! Ein herrliches Gefühl! Aber eins kommt mir merkwürdig vor: Sie schaut mich nicht an! Die Augenlider liegen eng aufeinander. Kein Blinzeln. Nichts. Meinem Mann scheint nichts aufzufallen – oder er sagt nur nichts. ‚Hoffentlich hat sie überhaupt Augen!‘, schießt es mir durch den Kopf. Sofort schäme ich mich für diesen Gedanken. Was soll schon sein? Ihr Bruder Niklas, nur 16 Monate älter, ist doch auch kerngesund.
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achdem der Arzt in allen Tests 100 Prozent gegeben hat, ist die Hebamme auf einmal sehr zurückhaltend, sagt aber nichts. Das übernimmt die Kinderärztin. Um 7.30 Uhr, also nur ein paar Stunden nach der Geburt, müssen wir bei ihr schon auf der Matte stehen. Wie ein General tritt sie auf. Lieblos und fast schon brutal zieht und zerrt sie an den Augenlidern unserer Tochter. Offensichtlich ist sie ratlos. Sie schickt uns zur Augenklinik. Damit beginnt ein Krankenhaus-und-Ärzte-Marathon, der uns noch eine ganze Weile in Atem halten wird.
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Dass etwas mit Birte „nicht stimmt“, geht natürlich herum wie ein Lauffeuer. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Manch einer traut sich nicht zu gratulieren! Das macht mich traurig. Birte ist doch unser geliebtes Kind! Daran kann keine Behinderung etwas ändern. Andere versuchen, uns Mut zu machen: „Wird schon wieder!“ – „Sicher öffnen sich die Augen noch!“ – „Gott wird ein Wunder tun!“ Mein Mann und ich sind verwirrt. Warum hat Gott das zugelassen? Haben wir etwas falsch gemacht? Wir beten – auch für ein Wunder. Nach vielen Untersuchungen ist klar: Birte hat
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Meine Geschichte
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D 1 2 0 1 3 / Post ver triebsstück/Gebühr bezahlt/Lydia Verlag/Ger th Medien GmbH/Dillerberg 1/D -35614 Asslar-Berghausen
Man nennt es Weihnachten Ein König verlässt die Liebe, um für dich Liebe zu sein. Ein König wählt die Hilflosigkeit und wird zur Antwort auf deinen Schrei nach Rettung. Der König trägt den Mantel der Scham, damit Würde dich kleidet. Der König lässt sich töten, denn nur dann kannst du leben. Dieser König kehrt zurück zum Vater und sie warten – auf dich! Barbara Schreiter