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Zu den Füßen Jesu

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1. Eines ist notwendig Wir alle kennen sicherlich die Geschichte aus Lukas 10,3842, wo Jesus bei Maria, Martha und Lazarus zu Gast ist. Das Haus dieser Geschwister war womöglich das einzige Zuhause, das Jesus auf Erden gehabt hat. Hier kehrte er ein und ruhte sich aus, wenn er bei seinen häufigen Reisen nach Jerusalem in Bethanien vorbeikam. Bei jenem Besuch, der in diesen Versen beschrieben wird, ließ Maria sich sogleich zu den Füßen Jesu nieder, während ihre Schwester Martha sich geschäftig den Haushaltsaufgaben widmete. Wir denken oft, dass es in dieser Geschichte primär um die Frage geht, ob wir eher vor Jesus ruhen oder für ihn arbeiten sollten. Maria ruhte zu den Füßen Jesu, während Martha alle Hände voll zu tun hatte. Ich denke nicht, dass diese Geschichte uns vor die Wahl zwischen Ruhe vor dem Herrn und Arbeit für den Herrn, zwischen Andacht und Dienst stellen will. Wir alle 15


wissen nur zu gut, dass beides seine Zeit hat. Ich bin davon überzeugt, dass Jesus nicht das Mindeste dagegen einzuwenden hatte, wenn Martha das Essen zubereitete und ihr Möglichstes tat, um den Aufenthalt für Jesus so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich glaube, dass wir Martha nicht gerecht werden, wenn wir sie als missgünstig und negativ abstempeln. Nach meinem Verständnis geht es hier vielmehr um die Tatsache, dass wir eine Wahl zwischen zwei Grundhaltungen zu treffen haben: innerer Friede auf der einen Seite, innere Anspannung und Angst auf der anderen. Es geht Jesus nicht darum, Maria herauszuheben und Martha zu verdammen, er will uns vielmehr vor Augen führen, wie wichtig es ist, unsere Prioritäten angemessen zu setzen. Es ist sehr lehrreich, diese beiden Charaktere einmal einander gegenüberzustellen. Martha war offensichtlich die dominierendere Persönlichkeit. In Lukas 10 lesen wir, dass sie diejenige war, die Jesus aufnahm. Mit ihr im Haus wohnten Maria und Lazarus, doch sie war offenbar der Haushaltsvorstand. Sie war es, die die Initiative ergriff, wenn es darauf ankam, und bei ihr liefen die Fäden zusammen. Man könnte also sagen, dass Martha gewissermaßen der Prototyp einer willensstarken und selbstbestimmten Persönlichkeit ist, die ihr Leben in die eigene Hand nimmt und nicht zögert, Verantwortung für die Belange anderer zu übernehmen. Maria dagegen, die sofort zu Jesu Füßen Platz nahm, um ihrem Herrn zuzuhören, war offenbar von einer sanfteren Natur. Sie war zerbrechlicher und nicht so eigenwillig, vielleicht auch ein wenig unsicher und mehr darauf be16


dacht, sich an anderen zu orientieren. Der Herr fasste die Wesensmerkmale dieser beiden Frauen sinngemäß so zusammen: Martha, so meinte er, mühe sich um alles Mögliche. All dies lenke sie aber davon ab, die Suche nach einer innigen Vertrautheit mit dem Herrn zur ersten Priorität ihres Lebens zu machen. Ihr Aktivismus war von einer sorgenvollen Grundhaltung durchdrungen, die sich immer wieder in Ängsten und hier in dieser konkreten Situation sogar in Ärger und Wutausbrüchen niederschlug. In unserer Schriftstelle macht sie ihrer Schwester heftige Vorwürfe, weil diese ihr nicht im Haushalt zur Hand ging. Woran Jesus hier Anstoß nahm, war keineswegs die Tatsache, dass es im Haushalt so viel zu tun gab, an sich, sondern die Haltung, die er in Martha erkannte – die Unruhe ihres Herzens, die daher rührte, dass sie selbst in der Anwesenheit ihres Herrn ihre Prioritäten nicht zu ändern vermochte. Sie war deshalb so sorgenvoll und angespannt, weil sie sich nicht die Zeit nahm, zuerst zu den Füßen Jesu zu sitzen, bevor sie sich an die Arbeit machte. Maria dagegen schenkte Jesus sofort nach seiner Ankunft ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Es wäre jedoch falsch, daraus abzuleiten, dass sie im Alltag generell nicht bereit gewesen sei, ihren Teil der Hausarbeit zu übernehmen. Es geht hier nicht um die Wahl zwischen praktischer Arbeit für den Herrn und einem Leben der Hingabe im Hören auf ihn. Die Zeit, in der Maria zu Jesu Füßen saß und seinen Worten lauschte, gab ihr tief im Herzen den Frieden und die Sicherheit, die geistliche Kraft und Ausrichtung, die sie für den Tag brauchte. Jesus machte unmissverständlich deutlich, dass Maria das Bessere gewählt 17


hatte, und das sollte ihr nicht weggenommen werden. Weiterhin stellte er heraus, dass Maria das einzig Notwendige getan hatte, als sie sich zu seinen Füßen gesetzt hatte. Demnach gibt es also nur eines, was wirklich notwendig ist, nämlich, sich Zeit zu nehmen, um zu den Füßen Jesu zu sitzen. Es gibt viele wichtige Dinge im Leben eines Christen. Vieles wäre wünschenswert, aber Jesus sagt, dass nur eines wirklich notwendig ist: Wir müssen zu seinen Füßen sitzen und auf ihn hören – dies ist unsere allererste und wichtigste Aufgabe. Bevor wir irgendjemand anderem unsere Aufmerksamkeit schenken, sollten wir immer erst einmal auf Gott hören! Wir sollten auch beachten, dass es hier, wie Jesus ganz klar sagt, um eine Wahl geht, die wir zu treffen haben. Nach der Aussage Jesu hat Maria das Bessere gewählt. Wir meinen oft, dass Gott uns schon den inneren Frieden und die Kraft geben wird, die wir jeden Tag aufs Neue brauchen, wenn wir nur nach seinem Willen leben. Das stimmt jedoch so nicht. Wir müssen uns entscheiden, ob wir unsere Aktivitäten für eine Weile zurückstellen wollen, um Raum für die Zeit zu den Füßen Jesu zu schaffen. Nur wenn wir lernen, dieser Zeit der Gemeinschaft einen festen Platz in unserem Leben einzuräumen, werden wir auch die Erfahrung machen, dass die Sorgen und Ängste, die normalerweise unser Leben bestimmen, von uns abfallen.

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