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Einleitung 1

Kolosser 2,8; Luther 1984

„Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.“

Haben Sie mal versucht, die Begriffe „Emerging Church“ und „postmodern“ in eine Internet-Suchmaschine einzugeben? Ich schon. Und ich hätte problemlos Stunden damit zubringen können, mir die Artikel auf kirchlichen Websites, Online-Magazinen, Diskussionsforen und Blogs durchzulesen. Sie alle zeigen, dass Gott auf der ganzen Welt unter den Leitern der jungen Gemeinden am Werk ist. Auf meinem Schreibtisch lag der Katalog eines großen Verlages und allein darin fanden sich ein Dutzend oder mehr Bücher zu diesem Thema. Immer mehr Menschen interessieren sich für die Frage, wie die Kirche eine neue Generation in dem erreichen kann, was einige die „Postmoderne“ oder einen „nachchristlichen Kontext“ nennen. Ich bin total begeistert! Gemeindeleiter in aller Welt beginnen zu verstehen, dass man die Veränderungen in unserer Gesellschaft nicht mehr länger ignorieren kann. Vielleicht hat die schwindende Zahl von Jugendlichen in unseren Gemeinden uns wachgerüttelt. Vielleicht ist es der Heilige Geist, der uns mit dem nagenden Gefühl segnet, dass die Kirche, wie wir sie kennen, sich ändern muss.

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e-merg-ing

(Adjektiv) neu geschaffen oder im Entstehen begriffen, (Verb) ins Licht treten, entdeckt werden, auftauchen1

Wir müssen uns mit dem Wandel in unserer Gesellschaft auseinander setzen, weil zu viel auf dem Spiel steht Ich glaube fest daran, dass wir uns über den schnellen Wandel in unserer Gesellschaft und über neue Formen von Gemeinde Gedanken machen müssen. Während viele von uns damit beschäftigt waren, ihre Predigten zu schreiben und die gemeindeinternen Angelegenheiten zu regeln, hat sich draußen etwas Beunruhigendes abgespielt. Die westliche Welt, die einst eine christliche Welt mit einem jüdisch-christlichen Weltbild war, hat sich in eine postchristliche Welt verwandelt, in der nur noch wenige Menschen mit der Kirche zu tun haben, in der nur noch wenige Menschen etwas von der Guten

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Nachricht wissen. Tom Clegg und Warren Bird haben in ihrem Buch Lost in America die Behauptung aufgestellt, dass die nichtchristliche Bevölkerung der USA mittlerweile das größte Missionsgebiet im englischsprachigen Raum darstellt und das fünftgrößte weltweit!2 Überall um uns herum tauchen neue Generationen auf, die keinen Bezug mehr zum Christentum haben. Deshalb müssen wir buchstäblich alles, was wir in unseren Gemeinden tun, neu überdenken.

Die ständige Gefahr beim Lesen dieses Buches Ich erlebe es oft, dass mir jemand in Gesprächen die Frage stellt: „Mit welcher Musik kriegt ihr die Jugendlichen in die Gemeinde?“, oder: „Was muss ich tun, um einen neuen Gottesdienst ins Leben zu rufen, mit dem ich junge Leute erreichen kann?“ Viele dieser Fragen konzentrieren sich auf die Methoden der Gemeindearbeit. Aber wenn wir uns nur auf diese Dinge konzentrieren, laufen wir Gefahr, uns ausschließlich auf die Methoden zu verlassen, ohne uns mit grundlegenden, weit wichtigeren Themen auseinander zu setzen. Meinem Buch liegen drei Annahmen zugrunde, die ich an dieser Stelle vorausschicken möchte.

1. Es gibt kein bestimmtes Vorbild für eine Emerging Church, an dem man sich orientieren kann Es gibt keine Mustergemeinde für Emerging Church, sondern Hunderte und Tausende von Gemeinden, in denen die Emerging Church lebt. In der Moderne haben wir gelernt, nach einem Ideal zu suchen, das wir bei uns verwirklichen und umsetzen können. In der Postmoderne, in deren ersten Tagen wir uns befinden, ist das nicht mehr so einfach. In der ganzen westlichen Welt entwickeln sich Modelle aus einem postmodernen Kontext heraus. Ich werde im Laufe des Buches auf verschiedene Beispiele eingehen. Aber denken Sie bitte immer daran: Es gibt keine Musterlösung, die für alle gleich ist. Die Emerging Church lässt sich nicht auf eine einzige Formel reduzieren. Es wird große Gemeinden geben, kleine Gemeinden und solche, die sich in Wohnhäusern treffen. Es wird Gemeinden geben, in denen verschiedene Kulturen zusammenfinden und Menschen verschiedener Hautfarben, Gemeinden in Innenstädten oder auf dem Land. Ich hoffe, Sie betrachten dieses Buch nicht als Betriebs- oder Bauanleitung für die perfekte Gemeinde, sondern als Anregung, mit deren Hilfe Sie darüber nachdenken können, was Gott von Ihnen in Ihrem speziellen Kontext als Nächstes erwartet.

2. Die Emerging Church ist eine innere Haltung, keine äußere Form Ich habe festgestellt, dass die Herzen von Leitern in der Emerging Church im gleichen Takt schlagen. Sie haben erkannt, dass sich in unseren Gemeinden etwas ändern muss, wenn wir die postmoderne Generation erreichen und begeistern wollen. Sie begreifen, dass wir nicht nur die Formen unserer Gemeindearbeit verändern müssen, sondern auch die Art und Weise, wie wir über Kirche und Gemeinde denken. Sie haben keine Angst davor, die Brille der

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Moderne abzusetzen, durch die wir die Kirche betrachtet haben, und eine neue Brille aufzusetzen, um alles, was wir tun, kritisch zu prüfen. Die Emerging Church darf nicht nur die alten äußeren Formen durch neue ersetzen. Es geht um den innersten Kern, ein neues Denken und eine neue innere Haltung.

3. Erfolg ist für die Emerging Church missionarischer Erfolg Die Kirche der Moderne wurde dafür kritisiert, dass sie mit Besucherzahlen, großen Gebäuden und hohen Budgets geprahlt (oder sich dafür geschämt) hat, als könne man Erfolg direkt oder indirekt an diesen Kriterien ablesen. Die Emerging Church muss sich vor dieser Falle hüten. Man wird Erfolg nicht einfach dadurch erreichen, dass man Kerzen aufstellt, Gemälde aufhängt, die lectio divina praktiziert und Gebetsgärten baut. Zum Erfolg gehört mehr als eine alternative Gottesdienstform, auch wenn dieser Gottesdienst der heißeste Event der ganzen Stadt ist und regelmäßig Hunderte von jungen Menschen anzieht.

0 Die Emerging Church muss den Maßstab für Erfolg neu definieren: nicht anhand der Methoden, Zahlen, Strategien oder wie cool und innovativ wir sind, sondern anhand der Jünger Jesu, die unsere Gemeinden hervorbringen, anhand der Menschen, die für das Reich Gottes leben – etwas, das allein der Heilige Geist hervorbringen kann.

Wie können wir in der Emerging Church Erfolg messen? Indem wir uns ansehen, welche Art von Menschen wir hervorbringen – Kinder Gottes, die dazu aufgerufen sind, als das Licht und das Salz der Welt in ihrer jeweiligen Umgebung zu leben (Matthäus 5,13–16). Indem wir uns beispielsweise ansehen, ob die Menschen in unserer Gemeinde soziale Gerechtigkeit und Hilfe für die Armen ernst nehmen, weil das ein Teil des Auftrags ist, den Jesus hatte. Wir müssen Erfolg anhand dessen messen, was der Heilige Geist im 1. Jahrhundert in der jungen und missionarischen Gemeinde in Thessaloniki bewirkt hat: „So seid ihr ein Vorbild für alle Glaubenden in Mazedonien und Achaia geworden. Und nicht nur dorthin ist die Botschaft des Herrn von euch aus gelangt; es hat sich auch überall sonst herumgesprochen, dass ihr euch Gott zugewandt habt. Wir brauchen niemand etwas davon zu erzählen. Wo wir auch hinkommen, sprechen sie davon, was für ein segensreiches Wirken wir unter euch entfalten konnten. Überall erzählen sie, wie ihr euch von den Götzen abgewandt habt, um dem wahren und lebendigen Gott zu dienen – und wie ihr nun vom Himmel her seinen Sohn erwartet, den er vom Tod auferweckt hat: Jesus, der uns vor dem bevorstehenden Gericht rettet“ (1. Thessalonicher 1,7–10). Die Emerging Church in Thessaloniki wurde gelobt, weil die Botschaft Gottes von dort aus verbreitet wurde und sich „überall sonst herumgesprochen

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[hat], dass [die Menschen sich] Gott zugewandt“ haben (1,8). Paulus hatte ihnen aufgetragen: „Lebt so, dass ihr denen, die nicht zur Gemeinde gehören, keinen Anstoß gebt und niemand zur Last fallt“ (4,12) und ihren Respekt zu gewinnen. Weil sie in diesem Ruf standen und sich auf die Mission konzentrierten, kamen viele zum Glauben an Jesus und wandten sich „von den Götzen ab“ (1,9). Die Thessalonicher erfuhren Mission und Liebe in ihrer Gemeinde besonders intensiv (4,9–10). Sie führten einen untadeligen Lebenswandel (4,1–7). Das ist der Maßstab, an dem wir Erfolg messen sollten. Diese Dinge sind mir persönlich sehr wichtig. Ich habe mich oft mit anderen Gemeindeleitern unterhalten, und jeder von uns ist immer eifrig bei der Sache und von all den neuen Dingen begeistert, die wir in unseren Gemeinden ausprobieren wollen. In diesen Diskussionen reden wir über Philosophen und neue theologische Einsichten, tauschen uns über die jüngsten RaveWorship-Events in England aus, debattieren über experimentelle Gottesdienste, und manchmal ärgern wir uns darüber, was in der Moderne aus der Kirche geworden ist. Aber leider unterhalten wir uns nicht über das, was in Thessaloniki passiert war. Also, wenn Sie dieses Buch lesen, dann bitten Sie den Heiligen Geist um sein Wirken, darum, dass er bei Ihnen das Wirklichkeit werden lässt, was wir über die Gemeinde in Thessaloniki lesen können. Ich habe dieses Buch in zwei Hälften aufgeteilt. Ich hoffe, Sie widerstehen der Versuchung, gleich zum zweiten Teil zu springen, in dem es um die praktische Seite der Gemeindearbeit geht, weil der erste Teil dafür die entscheidenden Grundlagen legt. Wenn wir nicht verstehen, worauf die Symptome zurückzuführen sind, sind unsere Aktivitäten nichts als Kosmetik ohne jede Tiefenwirkung. Im zweiten Teil konzentrieren wir uns darauf, neue Ansätze zu Leiterschaft, geistlichem Wachstum, dem Auftrag der Kirche und Evangelisation zu finden. Außerdem sehen wir uns an, in welch unterschiedlicher Weise in einzelnen Gemeinden Gottesdienste gefeiert werden, um der neuen Generation gerecht zu werden. Erster Teil des Buches

Zweiter Teil des Buches

Konkrete Ideen, die in Ihrer Legt die Grundlagen, wenn Gemeinde umgesetzt werSie verstehen wollen, den können. warum Veränderung nötig ist. Wenn Sie den ersten Grundlage Teil nicht verstehen, für wird Ihnen der zweite nicht weiterhelfen.

Dekonstruktion

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Konstruktion


Ich wünsche mir, dass jeder von uns Herzklopfen bekommt, wenn wir darüber nachdenken, dass auch unsere Gemeinden für ihre Liebe, für ihre Art zu beten, für Jesus in ihrer Mitte bekannt sein können, anstatt nur für gute Predigten, Musik, Kunst oder Kerzen. In der Emerging Church geht es darum, dass der Heilige Geist Jünger Jesu hervorbringt, die für das Reich Gottes leben, und zwar unabhängig davon, welche Methoden wir gebrauchen. In der Emerging Church geht es um Liebe und Glauben in einer postchristlichen Welt. In der Emerging Church geht es um Jesus. Ich möchte Ihnen meinen Freund Sky vorstellen, der ein typischer Vertreter der postmodernen Generation ist. Wenn Sie das erste Kapitel aufschlagen, können Sie seine Geschichte lesen.

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Chip I n g r a m

Was ich an Dans Buch schätze, ist, dass es von einem Praktiker geschrieben wurde. Ich hatte das Privileg, viele Jahre lang mit ihm zusammenzuarbeiten, und ich habe miterlebt, wie er das, worüber er hier schreibt, gelernt und in die Praxis umgesetzt hat. Er ist nicht nur ein Mann der Theorie.

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