Norris Burkes
Kleine Wunder Wahre Geschichten.
Die Jahre, in denen Pastor Norris Burkes Menschen in Krankenhäusern und in Kriegsgebieten betreut hat, haben ihn drei Dinge gelehrt: § Wunder geschehen jeden Tag § Kein Wunder ist klein – es kommt nur manchmal überraschend anders als gedacht § Gott heilt stets – wenn auch nicht immer den Körper Diese Auswahl von wahren Geschichten greift viele Fragen über den Glauben, die Liebe, die Familie, die Menschlichkeit und die Hoffnung auf. Es sind die Fragen, die sich uns allen stellen, wenn unser Leben aus den Fugen zu geraten droht. Falls Sie sich manchmal fragen, ob Glaube etwas bewirken kann und ob Gott real und persönlich ist, dann wird Ihnen dieses Buch garantiert jede Menge Denkstoff liefern. Denn die authentischen Geschichten zeigen, dass jeder Tag, jeder Lebensumstand, jeder Augenblick tatsächlich immer auch Hoffnung, Heilung und Wunder enthält – wenn wir wissen, wo wir danach Ausschau halten müssen …
Wie damals, als wir Eltern unseren Kinder mühsam gebückt hinterherrannten und ihnen das Fahrradfahren beibrachten … als wir tapfer neben ihnen auf dem Beifahrersitz unseres Autos gesessen haben, während sie Anfahren am Berg übten … als wir sie zu ihrem ersten richtigen Date entschweben sahen und bis tief in die Nacht wach lagen, bis sie sich wieder ins Haus schlichen … als wir stundenlang
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bei glühender Hitze auf harten Bänken in irgendwelchen Stadien und Sportplätzen ausgeharrt haben, bis der Name unseres Kindes beim Einzug seiner Mannschaft ausgerufen wurde … So haben wir bei jedem kleinen Schritt im Leben unserer Kinder gehofft und gebetet, dass sie ans Ziel ihrer Träume gelangen. Unzählige solcher vertrauensvollen Bitten, mit denen wir Väter und Mütter Gott in den Ohren liegen, werden jeden Tag gen Himmel gesandt. In Krankenhäusern beten Eltern anders. In jeder Kinderklinik, in jeder Kinderstation hallen die Gebete der Eltern förmlich von den Wänden der langen Flure wider. Normalerweise sind es keine Gebete um kleine Wunder, sondern es geht um Leben und Tod, um unwahrscheinliche Chancen und unrealistische Hoffnungen. Als Krankenhauspfarrer der Kinderklinik und der Entbindungsstation höre ich sehr viele Gebete, vor allem die Gebete von jungen Eltern. Und ich habe gelernt, hinzuhören und hinzusehen, wie Gott darauf antwortet.
80 Minuten lang Eltern Normalerweise sind die Entbindungsstationen in Krankenhäusern glückliche Orte, an denen wundervolle Dinge passieren. Normalerweise. An dem Morgen, an dem ich Sue Reed und ihrem Mann Mike begegnete, war mir schon klar, dass dies kein normaler Tag werden würde. Sue und Mike waren bereits Anfang 40, als sie heirateten. Und weil ihre Ehe mit einem gesunden Kind, Samantha, gesegnet wurde, hatten sie den Mut zu einem zweiten Kind. Anfangs gab es einige Schwierigkeiten, doch dann wurde Sue im Mai 2003 schwanger. Sie war gerade 44 Jahre alt geworden. Dem ungeborenen Kind gaben sie den Namen Gabriella Grace, kurz Gigi. Weil Frauen, die mit über 40 schwanger werden, ein höheres Risiko tragen, drängten Sues Ärzte sofort auf diverse Tests. Eine Woche später wachte Sue mit dem Gefühl auf: Irgendetwas stimmt nicht. Nachmittags bestätigte der Anruf eines Arztes ihre Vermutung. Der Arzt informierte sie darüber, dass bei Gigi die sogenannte Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) vorlag, ein Gendefekt, bei dem das 18. Chromosom nicht nur doppelt, sondern gleich dreifach vorhanden ist. Als Sue sich später an diesen Anruf erinnerte, sagte sie: „Ich wehrte mich innerlich dagegen, von meinem Arzt mehr über dieses Edwards-Syndrom zu erfahren. Ich machte einfach dicht.“ Das „Mehr“, das sie nicht mehr hören wollte, war der Rat des Arztes, nach dieser Diagnose die Schwangerschaft abbrechen zu lassen, da Kinder mit Trisomie 18 eine sehr geringe Lebenserwartung und mit vielen Missbildungen und Komplikationen zu kämpfen haben – sozusagen „hoffnungslose Fälle“ sind.
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Leseproben
Mike und Sue beschäftigten sich am folgenden Wochenende mit der Frage: „Was hat Gott mit dieser Schwangerschaft beabsichtigt?“ Dabei konnte Sue nicht verhindern, dass die Erinnerung an einen Schwangerschaftsabbruch in ihr wieder aufflammte, den sie in jungen Jahren hatte vornehmen lassen. „Es war eine üble Prozedur, die mich bis heute beschäftigt“, sagte sie. „Ich wusste, dass ich nicht noch einmal eine Abtreibung machen lassen konnte. Und ganz tief in meinem Herzen war mir klar, dass Gott Gigi genau so erschaffen hatte, wie sie nach seinem Willen sein sollte. Ich weiß, dass es in der Bibel heißt: ,Noch bevor ich dich im Leib deiner Mutter entstehen ließ, hatte ich schon meinen Plan mit dir. Noch ehe du aus dem Mutterschoß kamst, hatte ich bereits die Hand auf dich gelegt‘ (Jeremia 1,5; GNB). Gott bat mich, dieses Leben zu achten. Gigi war unsere Tochter, auch wenn die Zukunftsaussichten schlecht waren. Aber das war zweitrangig. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als sei meine Schwangerschaft schon abgebrochen worden. Bei jedem Arztbesuch war ich mir wieder sicher, dass Gigis Herz aufgehört hatte zu schlagen.“ Aber Gigis Herz schlug weiter und die Ärzte stellten sich auf eine Lebendgeburt ein. Sie fragten Sue: „Wie wollen Sie sich um ein schwerstbehindertes Kind kümmern?“ Sue erinnert sich an die Ärztin, die sie mit Tränen in den Augen fragte: „Was meinen Sie, wie das gehen soll?“ Sue und Mike teilten der Ärztin mit, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen für Gigi wünschten, dass sie dem Kind aber die beste nur mögliche Versorgung und Pflege bieten wollten. „Wir wollen sie nur sehen und im Arm halten und lieb haben. Wir wollen einfach bei ihr sein. Wir möchten unsere Tochter kennen und lieben lernen, solange sie bei uns ist“, erklärte Sue. Am Abend vor der Geburt schrieb Sue einen Brief an Gigi: „Einige Menschen können nur von Engeln träumen. Ich aber darf tatsächlich einem Engel das Leben schenken und ihn in meinen Armen halten. Ich fühle mich gesegnet. Wir sehen uns morgen, meine süße Tochter.“ Am 5. Februar 2004 begegnete ich auf der Entbindungsstation einem Paar, das auf den ersten Blick genauso aussah wie alle Eltern, die ein Kind erwarten. Sie hatten eine Videokamera dabei. Allerdings hatten sie sich bereits darauf eingestellt, dass sie damit die beiden heiligsten Momente eines Lebens – die Geburt und den Tod – auf einem Film vereinen würden. 20 Minuten nachdem Mike und ich die vorgeschriebene OP-Kleidung angelegt hatten, kam Gigi zur Welt und sah ganz normal aus. „Ich hatte ein entstelltes Baby erwartet“, gestand Sue, „aber sie war wunderschön. Sie war wirklich wie eine Botin des Himmels. Es ist, als ob Gott uns zeigen wollte, dass das, was wir getan haben, richtig war. Dass es gut war, dieses kleine Leben von Anfang an zu achten, trotz seiner drohenden Lebensunfähigkeit. Jedes Leben ist wertvoll, wie kurz es auch sein mag. Es sollte Gott überlassen bleiben,
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wann er uns heimholt. Es darf nicht meine Entscheidung oder die eines Arztes oder gar die Entscheidung der Gesellschaft sein. Gottes Timing ist immer vollkommen. Ich erinnere mich noch daran, wie mein Herz vor Freude zerspringen wollte, dass ich wahrhaftig erfahren durfte: Ich habe nach Gottes Willen gehandelt. Ich habe seinen Willen geachtet und Gigi hat nicht gelitten. Wir haben sie gehalten und gestreichelt und geküsst, bis sie in Michaels Armen gestorben ist. Wir wissen, dass sie sich unserer Liebe bewusst war, dass wir sie gewollt haben und dass wir für sie da waren, bis sie wieder heimgekehrt ist.“ Gigi hat nur etwas mehr als eine Stunde gelebt – 80 Minuten auf dieser Welt. „Ich habe daraus gelernt, dass Gott Gebete hört, sieht und beantwortet“, sagte Sue. „Obwohl ich mir einen anderen Ausgang gewünscht hatte, bin ich Gott dankbar, dass er uns auserwählt hat, Gigis Eltern zu sein. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich so etwas durchstehen würde. Ich habe dadurch erkannt, dass jeder Augenblick im Leben wichtig ist – und wenn es nur 80 Minuten sind. Und ich habe massenweise Liebe in diese 80 Minuten hineingepackt.“ Und später fügte Sue noch hinzu: „Seit dieser Zeit denke ich über die Bedeutung von Augenblicken nach. Gigis Leben war so ein Augenblick. Manchmal reicht die Liebe für einen Augenblick. Manchmal reicht sie für ein ganzes Leben. Und manchmal dauert das Leben nur einen Augenblick.“
Norris Burkes: Kleine Wunder Gebunden, 256 Seiten Bestell-Nr. 816 299 • ISBN 978-3-86591-299-2 Lieferbar: September 2008 • € [D] 12,95 (€ [A] 13,40/sFr 23,40*) * unverbindliche Preisempfehlung