Christian A. Schwarz
Die3Farben Deiner Spiritualität 9 geistliche Stile: Wie drückt sich Ihr Glaube am natürlichsten aus? GE ME I NDE NAT Ü R LI CH ENTWICKELN
C&P
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Inhalt
Was bedeutet es, verliebt zu sein? Was bedeutet es, in Gott verliebt zu sein? Was bedeutet es, ein Philosoph, ein Praktiker oder ein Künstler zu sein, der es liebt, Philosoph, Praktiker oder Künstler zu sein? Was bedeutet es, ein Philosoph, ein Praktiker oder ein Künstler zu sein, der in Gott verliebt ist? Was bedeutet es, allmählich die Person zu werden, als die wir ursprünglich geschaffen wurden? Ich widme dieses Buch meinen neun geistlichen Mentoren Thomas, Gene und Ian; Victor, Henrik und Olli; Ole, Jonathan und Jack. Jeder einzelne von Euch hat mir auf seine Art das Leben schwer gemacht. Durch Euch zusammen jedoch konnte ich Gottes Licht wahrnehmen – ohne mir die Augen zu verbrennen. C.A.S.
Die 3 Farben Deiner Spiritualität Einführung 5 Box: Warum sind einige Aspekte ausgeblendet?
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Teil 1: Gottes Wahrheit, Güte und Schönheit: Das Herz geistlicher Leidenschaft 11 Leben Sie Ihrem geistlichen Stil gemäß? 12 Box: Ein Buch für Gott oder für Menschen? 14 Was ist radikale Balance? 16 Box: Die Gefahr des Nominalismus
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Geistliche Leidenschaft und der Trinitarische Kompass Box: Männliche, weibliche und sächliche Bilder 24 Neun Wege der Gottesbegegnung 26 Box: Können wir unseren Stil wechseln?
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Was ist Ihre geistliche Sprache? 33 Box: Geistliche Stile und Sprachenlernen
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Die Jesus-Regel 36 Box: Was müssen wir tun, was Gott?
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Geistliche Stile und geistliche Traditionen Box: Wie sind die Stile verteilt? 42
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Level A- und Level B-Wachstum 44 Box: Drei Möglichkeiten, sich dem gegenüberliegenden Pol zu nähern Die Gefahren jedes geistlichen Stils 49 Box: Die Macht lilafarbener Krokodile 54 Drei geistliche Wertesysteme 55 Box: Die drei Wertesysteme in NCD
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Meine neun geistlichen Mentoren 60 Box: Mein Stil und die Botschaft dieses Buches Der Geistliche-Stile-Test 64 Box: Gemeindeweite Auswertungen
© 2009 by Christian A. Schwarz, NCD Media © der deutschen Ausgabe: C & P Verlagsgesellschaft m.b.H. www.cundp.de • bestellung@cundp.de Tel. 0180 / 576 00 15 • Fax 0180 / 576 00 16 Layout und Grafiken: Christian A. Schwarz Druck: Mohndruck GmbH, Gütersloh, Germany • Printed in Germany Fotokopieren nicht gestattet ISBN 978-3-86770-160-0 (C & P Verlag, Best.-Nr. 770 160) ISBN 978-3-86591-482-8 (Gerth Medien, Best.-Nr. 816 482)
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Teil 2: Level A-Wachstum: Den eigenen geistlichen Stil entdecken Was ist Level A-Wachstum? 76 Box: Missbrauch der Stile-Typologie
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Was alle Stile gemeinsam haben 79 Box: Der „Werdet wie wir“-Ansatz 82 Der sinnliche Stil: Gottes Werke genießen Box: Spiritualität von unten 90
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Der rationale Stil: Gottes Wesen verstehen 91 Box: Denken und Glauben sind keine Gegensätze
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Inhalt
Die 3 Farben Deiner Spiritualität
Einführung
Der rechtgläubige Stil: Richtig über Gott denken 98 Box: Glaubensinhalt und Glaubensvollzug 104 Der bibelzentrierte Stil: Gottes Wort anwenden Box: Bibelzentrierter versus rechtgläubiger Stil
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Der missionarische Stil: Gottes Gnade weitergeben 112 Box: Der missionarische Stil und Evangelisation 118 Der asketische Stil: Disziplin für Gott entwickeln Box: Verschiedene Zugänge zu grün 124
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Der enthusiastische Stil: Gottes Kraft feiern 126 Box: Der enthusiastische Stil und Leidenschaft 132 Der mystische Stil: In Gottes Gegenwart ruhen 133 Box: Der mystische Flügel aller Religionen 138 Der sakramentale Stil: Gottes Inkarnation ausdrücken Box: Meine Drei-Farben-Ikone 146
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Was ist Level B-Wachstum? 154 Box: Von Einzelnen oder von Gemeinden lernen?
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Wenn der Stil zum Götzen wird 158 Box: Theoretischer und praktischer Polytheismus
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Ihr eigener Stil und Ihr gegenüberliegender Stil Box: Die Wohlfühlzone verlassen 162
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Level B und die „dunkle Nacht der Seele“ 164 Box: Meine eigenen „Dunkle-Nacht-Erfahrungen“
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Wie Training funktioniert 167 Box: Körperliches, geistiges und geistliches Training
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28 Tage geistlicher Übungen 171 Box: Sich geistlich fühlen oder geistlich sein?
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Das Wesen geistlicher Reife 173 Box: Nicht alles von der Gemeinde erwarten
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Geistliche Stile in einer Drei-Farben-Gemeinde Box: Die Kraft roter Schuhe 178
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Wie Sie Ihren gegenüberliegenden Stil erkunden Box: Meine eigene geistliche Reise 180 Wie geistliches Mentoring Ihnen helfen kann Box: Verantwortung übernehmen 184 Die Frucht von Level B-Wachstum Box: Prozess versus Durchbruch
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Dieses „Nein“ kann natürlich unterschiedliche Ursachen haben; aber die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Ursache hat, die in diesem Buch beschrieben und dann auch „behandelt“ wird, ist relativ groß. Bei der Arbeit an Die 3 Farben Deiner Spiritualität hatte ich sehr stark Menschen vor Augen, die im Blick auf ihr eigenes Glaubensleben nicht wirklich zufrieden sind, aber gleichwohl nicht so recht wissen, woran das wohl liegen mag. Wenn Sie einer von ihnen sein sollten, dann freue ich mich darauf, nun mit Ihnen gemeinsam einen Prozess zu beginnen, in dessen Verlauf Sie – so viel lässt sich schon jetzt ohne jede Übertreibung sagen – neue und herausfordernde Erfahrungen im Glauben machen werden. Wenn Ihre Antwort auf meine eingangs gestellte Frage indessen ein „Ja“ ist, kann dies einen von zwei Gründen haben: • Vielleicht betrachten Sie die Zeiten, in denen Sie Neues lernten, in denen Sie sich in Bereiche jenseits der eigenen Wohlfühlzone vorwagten, als ein mehr oder weniger abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit. Sie verspüren keinerlei Neigung, an Ihrer derzeitigen Situation etwas zu verändern oder zu verbessern, geschweige denn zu neuen Ufern aufzubrechen. Eigentlich soll alles so bleiben, wie es Schlüsselbegriffe: ist. Wenn diese Beschreibung auf Sie zutreffen sollte, dann vermute ich, dass Sie dieses Buch – zumindest in Ihrer derzeitigen Die natürliche GemeindeentwickLebensphase – nicht wirklich ansprechen wird. Sie können ja ein lung hat einige Begriffe geprägt, wenig darin blättern, vielleicht sogar den einen oder anderen die in vielen Kreisen schon Teil hilfreichen Impuls aus ihm ziehen, aber vermutlich wird Sie man- der christlichen Umgangssprache ches, was Sie lesen, auch ganz empfindlich stören. geworden sind, in anderen Krei• Vielleicht sind Sie aber auch aus einem ganz anderen Grunde mit sen dagegen noch nicht. In diesen Ihrem geistlichen Leben „zufrieden“: Sie haben in der Vergan- Randspalten unter einem orangegenheit so viel Neues, so viel Aufregendes im Glauben entdeckt farbenen Balken, die Sie das ganze und sind voller Neugierde zu erfahren, welche Überraschungen Buch hindurch finden, werden Gott wohl als Nächstes für Sie bereit hält. Wenn das der Fall einige der zentralen Begriffe – sein sollte, dann werden Sie auf den nächsten 188 Seiten vieles soweit sie in unserem Kontext wichtig sind – erklärt. finden, was Sie berühren, bewegen und auch verändern wird. Dieses Buch redet zwar auf nahezu jeder Seite von Gott, hat aber dennoch nicht wirklich Gott selbst zum Thema; vielmehr geht es um unterschiedliche Weisen, wie Menschen diesen Gott erfahren. Sie werden im Laufe des Buches lernen, was Ihr persönlicher geistlicher Stil – Ihre geistliche Muttersprache gewissermaßen – ist. Sie werden herausfinden, inwieweit Sie bereits heute im Einklang mit diesem geistlichen Stil leben. Sie werden lernen, wie Sie in diesem Stil kontinuierlich Wachstum erleben können. Und schließlich werden Sie erfahren, wie Ihnen die Begegnung mit anderen – Ihnen derzeit noch fremden – Stilen helfen kann, Ihr volles geistliches Potenzial zu entfalten.
Mein eigener Hintergrund
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Veränderung ist möglich 189 Box: Zwei Stunden, die Ihre Gemeinde verändern
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ind Sie zufrieden mit Ihrem geistlichen Leben, mit der Art, wie sich Ihre Beziehung zu Gott momentan ausdrückt? Wenn es Ihnen so geht wie den meisten Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren intensiveren Kontakt hatte, dann ist Ihre Antwort: „Nein, ich bin nicht wirklich zufrieden.“
Wenn Sie nicht zufrieden sind...
Wer hat Recht, wer Unrecht? 147 Box: Ist der Papst Ihr Sprecher? 152 Teil 3: Level B-Wachstum: Den gegenüberliegenden Pol erkunden
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Unser Institut hat in den letzten Jahren mit mehr als 60.000 Gemeinden in rund 70 Ländern zusammengearbeitet, um ihnen dabei zu helfen, qualitativ und quantitativ Wachstum zu erleben. Diese Arbeit hat mich – wie sollte es anders sein? – auch persönlich geprägt. Ich bin ja nicht nur der Autor, der Natürliche Gemeindeentwicklung geschrieben hat, sondern zunächst einmal der Christ, der den ganzen Tag über kaum etwas Anderes macht als daran mitzuarbeiten, dass die Dinge, von denen das Buch Natürliche Gemeindeentwicklung spricht, auch praktisch umgesetzt werden.
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Einführung
Während meiner Reisen in alle fünf Kontinente habe ich nicht abstrakte Wissenschaft getrieben, sondern ich habe immer mit realen Menschen in realen Gemeinden an real existierenden Problemen gearbeitet, wir haben reale Lösungen gefunden, reale Niederlagen erlebt, haben real gefeiert, real geweint, real zu Gott gebetet – und auch reale Fortschritte erzielt. Diese Arbeit hat natürlich starken Einfluss auf mein theologisches Denken gehabt.
Einführung
“Theologie ist immer... Theorie
Theorie „zwischen Praxis und Praxis“ Der Theologe Helmut Gollwitzer hat Theologie einmal als „Theorie zwischen Praxis und Praxis“ definiert (siehe Abbildung). Mit anderen Worten: Theologie beginnt nicht in der Stille der Studierstube. Sie beginnt immer mit ganz konkreten Fragen, die in der Praxis gestellt werden und die auf eine sorgfältig reflektierte Antwort warten. Die Theologen haben sich diese Fragen nicht ausgedacht, sondern sie haben sie durch aufmerksames Zuhören und Beobachten vernommen. Um NCD: Abkürzung des englischen Begriffs diese Fragen zu lösen, entwickeln sie eine – hoffentlich hilfreiche – „Natural Church Development“ Theorie. Aufgabe dieser Theorie ist es dann, ihrerseits wiederum auf (natürliche Gemeindeentwick- die Praxis einzuwirken, um so zu einer besseren Praxis zu gelangen. lung). Mit diesem Begriff bezeich- So funktioniert Theologie – so sollte sie zumindest funktionieren. nen wir den Arbeitsansatz, den Genau so verstehe ich jedenfalls unsere Arbeit in der natürlichen wir aus unseren Forschungen auf Gemeindeentwicklung. Es geht nicht darum, die theoretische allen fünf Kontinenten abgeleitet Seite nun zugunsten der Praxis abzuwerten oder außer Kraft zu haben. NCD vertritt kein bestimm- setzen. Im Gegenteil: Was wir brauchen, ist eine Theorie, die von tes Gemeindemodell, sondern praktischen Fragen ausgeht – und die ihrerseits die Praxis von uns beruht auf universellen Prinzipien, Christen zum Besseren verändern will. Das ist der Ansatz von Die die für jede Art von Gemeinde 3 Farben Deiner Spiritualität. gelten, unabhängig von Kultur, Leidenschaft, Balance und Reife geistlicher Tradition oder Gemein- In unserer Arbeit für natürliche Gemeindeentwicklung sind wir imdegröße. mer stärker dazu gekommen, uns auf die qualitativen Ursachen des Gemeindewachstums zu konzentrieren. Gemeinden wachsen nicht dann, wenn sie ihren eigenen Unterhaltungswert steigern, eine Marketingstrategie einführen oder sich das zahlenmäßige Wachstum zum Ziel setzen. Gemeinden wachsen – das ist die unzweideutige Quintessenz unserer Untersuchungen in mehr als 60.000 Gemeinden –, wenn ihre Qualität stimmt. Was aber ist die Qualität einer Gemeinde? Salopp gesagt: Wenn wir Forschungen durchführen, um die Qualität einer Gemeinde zu messen, dann fragen wir weder nach der Qualität der Show auf der Bühne noch nach der Qualität der Kirchenbänke. Vielmehr fragen wir nach der Qualität in den Köpfen und Herzen derer, die auf diesen Bänken sitzen. Gemeinde besteht aus Menschen, und was diese Menschen in ihren Köpfen und Herzen tragen, ist der eigentliche Qualitätsfaktor. Diese Qualität ist zwar nicht ausschließlich, aber doch sehr zentral von der geistlichen Leidenschaft, Balance und Reife der jeweiligen Christen bestimmt. Und dies sind die drei zentralen Stichworte dieses Buches: Leidenschaft, Balance und Reife. Wie gelangen Sie dahin? Wie gelangen andere Christen dahin? Wie gelangt eine ganze Gemeinde dahin? Davon handelt Die 3 Farben Deiner Spiritualität.
Rückzug aus der Welt? Das Buch erscheint mitten in einer Zeit, in der dieser Globus wie selten zuvor von wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Krisen geschüttelt wird. Die Welt steht buchstäblich vor dem Kollaps – und ich investiere just in dieser Zeit mehrere Jahre meines Lebens, um an einem Projekt über Spiritualität zu arbeiten. Wie passt das zusammen? Religion – einmal mehr – als Ausblenden der unerträglichen Wirklichkeit, als Rückzug von den Problemen der Welt, als Flucht in die eigene Innerlichkeit? Die Sorge ist nicht unbegründet, denn genau so hat sich das Christentum im Laufe der Kirchengeschichte – zumindest auch – immer wieder dargestellt: als „Opium des Volkes“ (Karl Marx), als „Platonismus fürs Volk“ (Friedrich Nietzsche), sogar als „kollektive
zwischen Praxis
und
Praxis”
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Der Theologe Helmut Gollwitzer definiert in seinem Buch „Befreiung zur Solidarität“ Theologie als „Theorie zwischen Praxis und Praxis“: Sie wird durch Fragen aus der Praxis ausgelöst (linker Pfeil) und hat die Aufgabe, auf eine positive Veränderung der Praxis einzuwirken (rechter Pfeil). Dieser doppelte Praxisbezug ist kennzeichnend für den theologischen Ansatz, der hinter der natürlichen Gemeindeentwicklung und insbesondere hinter „Die 3 Farben Deiner Spiritualität“ steht.
Helmut Gollwitzer in „Befreiung zur Solidarität“
Neurose“ (Sigmund Freud). Die Christentumskritik der drei Genannten mag im Ganzen unfair sein, übertrieben, undifferenziert und auch von zum Teil fragwürdigen Motiven geleitet; aber wer wollte ernsthaft bestreiten, dass jeder von ihnen seinen Finger in eine offene Wunde des empirischen Christentums gelegt hat? Ich möchte dieses „wunde Christentum“ nicht gegen seine Kritiker verteidigen, sondern dabei mithelfen, dass die Wunden als solche erkannt und geheilt werden. Und dann lasst uns die Epigonen der genannten Kritiker erneut befragen, was sie von diesem – einem lernbereiten, einem selbstkritischen, einem geheilten oder doch zumindest in Heilung befindlichen – Christentum halten. Ihr Urteil wird gewiss ein anderes sein.
Die Sucht nach dem ständigen „Mehr“ Ich verstehe die Botschaft dieses Buches zwar nicht ausschließlich, aber doch auch als Antwort auf die Krisen unserer Zeit. Jahrzehntelang galt, lediglich von belächelten Minderheiten kritisch hinterfragt, die Sucht nach dem materiellen Mehr geradezu als Dogma, insbesondere in der westlichen Welt. Geld ist gut, mehr Geld ist besser. Ein Auto ist gut, mehr Autos sind besser. Zwei Stunden Fernsehen pro Tag sind gut, vier Stunden Fernsehen sind besser. 1000 Euro Sozialleistungen sind gut, 2000 Euro sind besser. Aber dann ja auch: 2000 Kalorien pro Tag sind gut, 4000 Kalorien sind besser. Eine Stunde Sport pro Tag ist gut, zwei Stunden sind besser. So begründete das dogmatisch gehandelte Mehr seinen eigenen Teufelskreis. Es gibt kein unendliches Wachstum in einer vom Schöpfer als endlich geschaffenen Welt. Wachstum ist immer nur bis zu einem gewissen Grade möglich, wenn es nicht – wie wir beim Krebswachstum schmerzlich studieren können – tödlich enden soll. In Gottes Schöpfung scheint dies eine Regel ohne Ausnahme zu sein.
Gemeindeprofil: Mit Hilfe des Gemeindeprofils kann jede Gemeinde herausfinden, wie stark jedes einzelne Qualitätsmerkmal wachsender Gemeinden derzeit entwickelt ist und insbesondere, was ihr derzeitiger Minimumfaktor ist. Das wissenschaftliche Verfahren hinter dem Gemeindeprofil beruht auf Forschung in über 60.000 Gemeinden. Indem eine Gemeinde das Gemeindeprofil regelmäßig durchführt, lässt sich die Entwicklung der gemeindlichen Qualität sehr genau verfolgen.
Wirklich ohne Ausnahme? Nicht ganz, denn es gibt tatsächlich eine Art des Wachstums, das vom Schöpfer selbst auf ein unbegrenztes Mehr hin angelegt ist, das sich nach Gottes Plan kontinuierlich fortsetzen kann, ohne jemals an natürliche Grenzen zu gelangen. Es ist das geistliche Wachstum, die fortschreitende Intensivierung unserer Liebesbeziehung zu Gott, einhergehend mit einer ebenso kontinuierlichen Transformation unseres Selbst.
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Teil 1: Gottes Wahrheit, Güte und Schönheit
Leben Sie Ihrem geistlichen Stil gemäß?
Leben Sie Ihrem geistlichen Stil gemäß?
Wofür stehen die drei Farben grün, rot und blau in diesem und anderen Büchern zur natürlichen Gemeindeentwicklung? Im Zentrum geht es um unterschiedliche Weisen, wie sich Gott den Menschen gegenüber offenbart: in der Schöpfung und ihren Gesetzmäßigkeiten (grün mit dem Symbol des Regenbogens); in dem Opfer, das Jesus Christus für uns vollbracht hat (rot mit dem Symbol des Kreuzes); und schließlich in unserem eigenen Herzen (blau mit dem Symbol der Taube). Jeder geistliche Stil, von dem dieses Buch handelt, lässt sich durch die Intensität beschreiben, in der jede der drei Farben den eigenen Zugang zu Gott prägt.
H
at Sie jemals ein Mensch danach gefragt, was Ihr eigener, ganz persönlicher geistlicher Stil sei? Hat sich jemals jemand dafür interessiert, Sie in genau diesem Bereich – nämlich dem Ihrer größten Ansprechbarkeit für Gott – zu unterstützen? Oder ist es nicht auch Ihre Erfahrung, dass die meisten Ihrer christlichen Gesprächspartner so sehr in der Welt ihres eigenen Zugangs zu Gott leben, dass sie ihn auch für jeden anderen für den richtigen oder doch zumindest wichtigsten halten? In den letzten Jahren hatte ich im Kontext meiner Arbeit mit Tausenden Christen zum Teil sehr persönliche Kommunikation über den Glauben. Aber bis vor gut zwei Jahren hat mich nicht ein einziges Mal jemand gefragt: „Christian, was ist eigentlich dein persönlicher geistlicher Stil? Wie könnte ich dir helfen, in diesem Bereich Wachstum zu erleben?“ Dass dies seit zwei Jahren anders geworden ist, hat einen recht banalen Grund: In letzter Zeit rede ich fortwährend über dieses Thema, was natürlich Menschen neugierig macht zu erfahren, was denn nun mein Stil sei. Geistlicher Stil: Der Begriff beschreibt die Art, wie ein Christ auf die für ihn natürlichste Weise Gott begegnet. In der natürlichen Gemeindeentwicklung unterscheiden wir neun geistliche Stile, die sich aus der Zuordnung zu den drei Farben des Trinitarischen Kompasses ergeben. Geistliche Stile sind nicht zu verwechseln mit der geistlichen Tradition, Denomination oder Bewegung, der wir uns zurechnen. Jede dieser Bewegungen mag zwar einen oder auch mehrere geistliche Stile besonders in den Vordergrund stellen, umfasst aber prinzipiell immer Vertreter aller neun Stile.
Warum so viele ihre Gemeinden verlassen
Bereits in den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Gemeindewachstumsbewegung bei der Erforschung evangelistischer Aktionen auf eine Tatsache gestoßen, die so spektakulär war, dass sie eigentlich eine Revolution in unseren Gemeinden hätte lostreten müssen: Von denjenigen Menschen, die einen bewussten Anfang im Glauben machen und auch eine christliche Gemeinschaft suchen, sind bereits nach einem Jahr nur noch zwischen 15 Prozent und 0,3 Prozent in einer Gemeinde zu finden. Umgekehrt ausgedrückt: Von all denen, die sich ursprünglich auf das Abenteuer des Glaubens eingelassen haben, hatten bereits nach einem Jahr zwischen 85 Prozent (im günstigsten Fall) und 99,7 Prozent (im schlimmsten Fall) der christlichen Gemeinde den Rücken gekehrt.
Manche von ihnen sind zu der Überzeugung gelangt, sie seien „schlechte Christen“. Andere sehen es sogar so, dass der Glaube nicht wirklich „ihre Sache“ sei. Wiederum andere bleiben zwar – eher nominell – ihrer Gemeinde treu, haben sich aber gewissermaßen in die innere Emigration zurückgezogen. Sie ertragen mehr die Gemeinde, als dass sie sich von ihr getragen oder gar beflügelt fühlten. Oder sie suchen sich eine andere Gemeinde, von der sie glauben, dass diese besser zu ihnen passt. Nun gibt es ohne Zweifel mannigfache Gründe, warum Menschen sich aus einer Gemeinde zurückziehen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hätten alle derartigen Probleme nun ausschließlich mit einer fehlenden Sensibilität gegenüber geistlichen Stilen zu tun. Vielleicht haben Sie die Gemeinde ja verlassen, weil Sie sie als lieblos erlebten. Oder es gab theologische Differenzen. Oder die Gemeinde sprach Sie selbst zwar durchaus an, passte aber irgendwie nicht zu Ihrer familiären Situation. Oder ...
Aber auch in diesen Fällen könnte es hilfreich sein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Könnte das Gefühl von Lieblosigkeit nicht – zumindest auch – mit einer Unsensibilität gegenüber unterschiedlichen Zugängen zu Gott zu tun haben? Könnte hinter dem theologischen Konflikt nicht letztlich ein Konflikt zwischen gegensätzlichen geistlichen Stilen stecken, der lediglich auf theologischer Ebene ausgetragen wurde? Und könnte das, was Sie aus familiärer Sicht als unpassend erlebt haben, nicht auch etwas damit zu tun haben, dass jedes einzelne Familiemitglied seinen ganz eigenen geistlichen Stil hat und es deshalb völlig unrealistisch wäre zu erwarten, dass das, was den einen anspricht, auch die anderen Familienmitglieder in gleicher Weise berührte?
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Was ist ein geistlicher Mensch? Die meisten von uns haben, wenn sie an einen „geistlichen Menschen“ denken, ein ganz bestimmtes Bild im Inneren abgespeichert. Diese Bilder unterscheiden sich natürlich je nach Frömmigkeitsstil nicht unerheblich. Schauen Sie sich einmal die Abbildung an: Je nachdem, welche der drei „Farben“ in einer Gemeinde besonders in den Vordergrund gestellt wird, ist auch die Frömmigkeit, die als Leitbild ausgegeben wird, entsprechend eingefärbt: bisweilen ist sie stärker „grün“ (dann wird die Schöpfungsspiritualität betont), in anderen Fällen ist sie primär „rot“ (und folglich in starker Weise wortorientiert), und in wiederum anderen Fällen ist sie vor allem „blau“ gefärbt (mit einem Fokus auf persönlichen Erfahrungen). Aber trotz dieser Unterschiede ist es doch fast immer ein ganz bestimmtes Standardbild, das uns als Inbegriff eines „geistlichen Menschen“ vor Augen steht. Wenn dieses Standardbild zufällig zu uns passt – Glück gehabt. Sollte es nicht passen, dann empfinden wir uns vielleicht als „schlechte Christen“ oder kommen sogar zu dem Schluss, dass der christliche Glaube irgendwie nicht zu uns passt.
Ein Standard-Modell für Spiritualität In den letzten Jahren habe ich rund 400 Bücher zum Thema Spiritualität gelesen. Dabei merkte ich, dass es ganz offensichtlich bestimmte Typen von Menschen sind, die mit größerer Wahrscheinlichkeit das Label „geistlich“ zugesprochen bekommen als andere Menschen: • Wahrscheinlich sind diese Menschen nicht sehr auffällig, sie sind so gut wie nie „extrem“ (geistlich sein bedeutet offensichtlich, immer die goldene Mitte einzunehmen); • sie fallen kaum durch ausgeprägte Konfliktfähigkeit auf (kämpferische Reformer wird man in dieser Rubrik eher selten finden); • sie sind fast immer in mittlerem Alter oder sogar richtig alt, meistens sogar schon seit vielen Jahrzehnten tot (offensichtlich hat Alter einen positiven Zusammenhang zu Spiritualität, und tot zu sein hat zumindest den Vorteil, dass die so Beschriebenen sich gegen diese Vereinnahmung nicht mehr wehren können);
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Teil 1: Gottes Wahrheit, Güte und Schönheit
Leben Sie Ihrem geistlichen Stil gemäß?
Ein Buch für Gott oder für Menschen? Vor etlichen Jahren – ich war damals Redaktionsleiter einer christlichen Zeitschrift – traf ich mich in einer Gruppe christlicher Redakteure zum Erfahrungsaustausch. In einer Gesprächsrunde sollte jeder sagen, was eigentlich Sinn und Zweck der jeweiligen Zeitschrift sei. Die häufigste Antwort meiner christlichen Kolleginnen und Kollegen lautete sinngemäß: „Unsere Zeitschrift soll Gott die Ehre geben!“ Meine eigene Antwort war indessen eine andere: „Unsere Zeitschrift soll keineswegs Gott die Ehre geben. Sie soll vielmehr ein Instrument sein, das dazu beiträgt, dass möglichst viele Menschen Gott die Ehre geben.“ Warum war mir diese Unterscheidung so wichtig? Aus zwei Gründen. Erstens: Eine Druckerzeugnis (wie eine Zeitschrift oder ein Buch) kann gar nicht Gott die Ehre geben. Wie sollte das auch praktisch geschehen? Druckerzeugnisse sind doch keine personalen Wesen, die in der Lage wären, mit Gott in eine persönliche Beziehung zu treten. Sie bestehen aus Papier und Tinte. Wann immer wir von materiellen Objekten etwas erwarten, was Aufgabe von Menschen ist, ist ein magisches Verständnis des christlichen Glaubens nicht mehr fern: Dann werden Gebäude gebaut, die Gott verherrlichen, anstatt dafür dienlich zu sein, dass Menschen Gott verherrlichen. Dann werden Institutionen zur Ehre Gottes geschaffen, anstatt dafür nützlich zu sein, dass Menschen Gott die Ehre geben. Dann werden „Bekenntnisse“ formuliert, die Gott preisen sollen, anstatt Menschen dabei zu helfen, Gott zu preisen. Diese auf den ersten Blick vielleicht erst einmal unbedeutend erscheinende Akzentverschiebung hat dramatische Auswirkungen. Zweitens: Der Text eines Zeitschriftenartikels oder eines Buches, der Gott die Ehre geben will, müsste sich in letzter Konsequenz an Gott wenden, nicht an Menschen. Das aber ist ein großer Unterschied. Ein Text, der sich an Gott
wendet, wäre ein gänzlich anderer Text als einer, der sich an Menschen wendet. Wenn ich bete, rede ich mit Gott. Wenn ich ein Buch schreibe, rede ich nicht mit Gott, sondern mit Menschen. Mit Gott rede ich anders als mit Menschen, und ich rede vor allem über andere Dinge als ich es mit Menschen tue. Gott braucht meine Belehrung nicht, für Menschen kann sie indessen ausgesprochen nützlich sein. Gott muss ich nicht aufwecken, Menschen bedürfen dieses Weckrufs aber bisweilen sehr wohl. Wenn ein Buch „direkt“ Gott die Ehre geben will (statt sich als Instrument zu verstehen, das dazu beiträgt, dass möglichst viele Menschen Gott die Ehre geben), dann hat das Auswirkungen bis in den Schreibstil hinein. Dann ist das Ganze geprägt von einer – je nach Frömmigkeitsstil – sakralistischen oder spiritualistischen oder biblizistischen Sprache, man drückt sich eher indirekt aus, meist etwas weltenthoben, verzichtet auf jede Art von Provokation, Ironie und Humor – alles Kommunikationsmittel, die gegenüber Gott möglicherweise unangemessen wären, gegenüber Menschen dagegen wunderbare und höchst wirksame Mittel der Kommunikation sein können. Am Ende klingen solche Bücher dann ein bisschen so wie die Weihnachtsansprachen des Bundespräsidenten. Und viele Leser meinen, ein „geistliches“ Buch müsse genau so klingen. Um es überdeutlich zu sagen: „Die 3 Farben Deiner Spiritualität“ ist ein Buch für Menschen, nicht für Gott. Wenn mich Mitchristen fragen, welches „Bekenntnis“ eigentlich hinter diesem Buch oder der natürlichen Gemeindeentwicklung insgesamt stehe, dann ist meine Antwort: Die natürliche Gemeindeentwicklung „bekennt“ gar nichts. Vielmehr möchte sie möglichst vielen Menschen helfen, ein persönliches Bekenntnis zu finden, zu dem sie aus ganzem Herzen Ja sagen können, um auf diese Weise Gott die Ehre zu geben.
Dieses Buch will nicht Gott die Ehre geben, sondern dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen Gott die Ehre geben.
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sie stehen vermutlich morgens früher als andere auf (frühes Aufstehen hat offensichtlich von Haus aus eine größere Nähe zu geistlicher Reife);
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sie bewegen sich eher langsam, vielleicht sogar etwas behäbig (in unzähligen Büchern habe ich gelesen – ganz im Ernst! –, dass schnelle körperliche Bewegungen Ausdruck einer „spirituellen Unreife“ seien, offensichtlich gilt die Gleichung „behäbig“ = „geistlich“);
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sie können beruflich zwar vieles sein, bevorzugt Pfarrer oder Mönche, aber ganz sicher nicht Profi-Fußballspieler, professionelle Komödianten, Bodybuilder oder Models (in diesen Berufsgruppen ist geistliches Leben offenbar nicht wirklich möglich).
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Wenn das Modell nicht zu Ihnen passt Ich selber habe natürlich nichts dagegen, wenn ein Mensch allen diesen Kriterien entspricht. Problematisch wird es jedoch in dem Moment, wo dieser Persönlichkeitstyp unter der Hand zum Leitbild für Spiritualität gemacht wird. Dann empfinden sich diejenigen, die von ihrer Mentalität her diesem Bild nicht entsprechen (und auch aus tiefstem Herzen niemals entsprechen wollen!), entweder permanent als „ungeistlich“ und stehen auch relativ trotzig dazu, oder aber sie sehen sich dem Druck ausgesetzt, sich zunehmend an das ihnen aufgezwungene Standardmodell anzupassen. Über viele Jahre meines Lebens hinweg habe ich selber ernstlich geglaubt, ich müsste mich dem eben beschriebenen Standardmodell anpassen. Es wollte mir aber einfach nicht gelingen – heute würde ich sagen, Gott sei Dank! Es gibt die unterschiedlichsten Wege, seiner Spiritualität Ausdruck zu verleihen, und die eben genannten Kriterien sind zwar nichts Negatives, haben aber mit geistlichem Leben zunächst einmal rein gar nichts zu tun.
Spiritualitäten: Ich stimme dem großen Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar zu, der zwischen „Spiritualität“ und „Spiritualitäten“ unterscheidet. Nach von Balthasar gibt es eigentlich nur eine einzige Spiritualität, deren „eine konkrete Norm Jesus Christus ist, der jede dieser Formen mit ihrer eigenen, speziellen Bedeutung ausstattet, die in der Einheit von Gottes dreieiniger Liebe gründet“. Folglich ist eine authentische „christliche“ Spiritualität dadurch gekennzeichnet, dass sie uns an Christus bindet und uns durch die Kraft des Heiligen Geistes zum Vater führt. Auf dieser Grundlage gibt es jedoch unzählige Wege der Christusbegegnung, die von Balthasar „Spiritualitäten“ nennt. Ich bezeichne sie als „geistliche Stile“.
Ein geistlicher Mensch kann durchaus extrem sein, kämpferisch auftreten, jung sein, morgens spät aufstehen, sich dynamisch bewegen und Bodybuilder sein. Er kann den eben genannten Kriterien entsprechen, kann das genaue Gegenteil leben oder auch alles dazwischen. Dass in unzähligen Büchern über Spiritualität ein ganz bestimmter Persönlichkeitstypus eindeutig favorisiert wird, hat nach meiner Überzeugung ungeheuer viel Schaden angerichtet. Der Versuch, die eigene Spiritualität auf eine Weise auszudrücken, die dem eigenen Stil nicht entspricht, muss geradewegs in geistliche Frustration führen. Dallas Willard hat es scharf beobachtet: „Falsch verstandene oder praktizierte ,Spiritualität‘ ist eine der Hauptursachen für menschliche Qualen und Rebellion gegen Gott.“
Kennen Sie Ihren Stil? Jeder Christ hat einen ganz bestimmten, unverwechselbaren geistlichen Stil, aber nur sehr wenige von uns kennen ihren Stil bereits. Manche von uns leben ja durchaus im Einklang mit ihrem Stil, sind sich aber dessen nicht bewusst. Andere dagegen leben im krassen Widerspruch zu ihrem eigentlichen Stil, ohne das überhaupt zu merken. Auf den nächsten Seiten habe ich die Vielfalt von geistlichen Stilen auf neun Haupttypen und 18 Untertypen reduziert. Diese Unterschiede zwischen Christen sind normal. Da geht es nicht um „schlechten Glauben“ versus „guten Glauben“ und schon gar nicht um die Frage nach Glaube und Unglaube. Vielmehr geht es um verschiedene – jeweils positive, aber ergänzungsbedürftige – Weisen der Begegnung mit Gott. Während der erste Teil dieses Buches beschreibt, was ein Verständnis der geistlichen Stile praktisch bedeutet, wird im zweiten Teil jeder Stil ausführlich beschrieben. Ein Test wird Ihnen dabei helfen, Ihren eigenen Zugang zu Gott ausfindig zu machen (Seite 64). Im dritten Teil des Buches geht es schließlich darum, wie diejenigen, die ihren Stil bereits kennen, weiter im Glauben wachsen können.