Robin Jones Gunn Ein Traum von Finnland Penny saß im Bett und las in ihrer Bibel. Als sie merkte, dass ich sie ansah, schob sie ihre Lesebrille auf den Kopf und lachte. „Rate, wo wir sind, Sharon? Wir sind in Helsinki!“ Ich lächelte. Dann erinnerte ich mich an mein verlorenes Gepäck und runzelte die Stirn. „Denkst du, es ist noch zu früh, um am Flughafen anzurufen und nach meinem Gepäck zu fragen? Penny blickte mich mitfühlend an. „Ich habe bereits vor einer Stunde telefoniert. Ich dachte, du hättest nichts dagegen; du hast so tief geschlafen.“ „Was haben sie gesagt?“ Penny schüttelte den Kopf. „Sie sagten, bisher sei dein Koffer noch nicht aufgetaucht. Wir sollen uns heute Abend noch einmal melden.“ Ich zog mir die Decke über den Kopf. „Schlaf jetzt nicht wieder ein. Du weißt, was das bedeutet? Wir müssen jetzt ein paar Kleider für dich einkaufen gehen!“ „Willst du denn nicht erst mal herumtelefonieren und versuchen, deine Tante ausfindig zu machen?“ Ich schlug die Decke zurück und stützte mich auf meinem Ellbogen auf. „Telefonieren können wir, wenn wir zurückkommen.“ Penny sprang aus dem Bett. „In Zeiten wie diesen muss man Prioritäten setzen! Ganz oben auf unserer Liste stehen im Augenblick neue Kleider.“ Und so zogen wir los. Ein schweigsamer Taxifahrer fuhr uns unter dunklen, grauen Wolken durch die Straßen der Innenstadt von Helsinki. Ich starrte die soliden Steingebäude an. Einige waren alt, mit Kuppeln und architektonischen Einzelheiten einer lang vergangenen Ära. Moderne Gebäude ragten in unvorhersehbaren Lücken in die Höhe, gerade, kompromisslos und glatt und glänzend wie Silber. Stille hing über der Stadt und über uns. Der Taxifahrer setzte uns vor einem hohen Ziegelgebäude ab und Penny bezahlte ihn mit den finnischen Mark, die sie vor unserem Aufbruch im Hotel getauscht hatte. Wir flitzten in ein Kaufhaus, bevor der kalte Wind Gelegenheit hatte, uns aufzustöbern. Rechts neben der Tür entdeckten Penny und ich eine Ecke mit Back- und Schokoladenwaren. Grinsend wandten wir uns um und sagten wie mit einer Stimme: „Ja, bitte!“ Über unseren alten Witz lachend marschierten wir zu den Süßigkeiten, bevor wir das Kaufhaus erkundeten.
Ich kaufte zwei kleine Kekse mit Schokoladenüberzug und einen Mokkatrüffel. [...] Wir suchten den Aufzug und fuhren hinauf in den vierten Stock. Unterwegs bissen wir von unseren Leckereien ab. Wir fanden die Damenabteilung und sahen die Ständer mit den Hosen durch. Die Größenangaben auf den Etiketten unterschied sich von denen in den USA. Und wir hatten keine Ahnung, wie der Umtauschkurs war, darum bedeutete uns auch der Preis nichts. Penny zeigte mir eine schwarze Hose. „Was meinst du? Gut zu kombinieren. Und sie scheint warm zu sein.“ „Wo kann ich sie nur anprobieren?“ Eine Frau mit einer schmalen Nickelbrille trat zu Penny und mir und fragte etwas auf Finnisch. „Tut mir Leid“, erklärte Penny. „Wir sprechen nur Englisch.“ „Kann ich Ihnen helfen?“ Die Frau wechselte problemlos in unsere Sprache über. Es erstaunte mich, dass jeder, den wir bisher getroffen hatten, Englisch sprach. „Haben Sie irgendwo Kabinen, wo meine Freundin diese Hose anprobieren kann?“ „Ja. Hier entlang, bitte.“ „Einen Augenblick“, wandte ich ein. „Ich denke, ich sehe mich noch etwas um.“ Die junge Frau nickte, nahm mir die Hose ab, um sie für mich zu halten, und folgte mir höflich in angemessenem Abstand. Ich suchte noch zwei andere Hosen aus, einen langen braun-roten Rock mit Blumenmuster und fünf oder sechs Oberteile, darunter auch einen hübschen roten Pullover, der hervorragend zu dem Rock passen würde. Das einzige Teil, das mir passte, war jedoch die „praktische“ schwarze Hose, die Penny aufgestöbert hatte. Und wieder einmal erinnerte ich mich daran, warum ich das Einkaufen so verabscheute. Wie geht dieser Vers noch einmal über die verzögerte Hoffnung, die das Herz krank macht? So fühlte ich mich, wenn ich einkaufen ging. Ich fand immer hübsche Sachen, die gut zusammenpassten und ein nettes Outfit ergeben würden. Ich suchte alles gut aus. Dann probierte ich die Sachen an und alle meine Hoffnungen zerplatzten. Nie passte etwas so, wie ich es mir vorstellte. [...] Die Verkäuferin, die uns in angemessener Entfernung folgte, fragte, ob mein Gepäck bei einem Flug verloren gegangen sei. Ich bejahte und sie erklärte mir, die Fluggesellschaften würden die Kosten für den Ersatz verlorener Kleidung erstatten.
„Mein Mann saß gestern in einer Maschine“, erzählte die Verkäuferin. „Sie wurde wegen des schlechten Wetters umgeleitet.“ „Unser Flug wurde auch umgeleitet“, bemerkte Penny. Die Verkäuferin beugte sich zu uns vor und vertraute uns an: „Ich war sehr ärgerlich, weil ich am Donnerstag Namenstag hatte und mein Mann sagte, wir würden am Freitag feiern, wenn er nach Hause käme. Aber er kam zu meiner Party zu spät.“ „Gestern war Ihr Geburtstag?“, fragte Penny. „Nein, mein Namenstag. In Finnland ist jeder Tag Namenstag für einen unterschiedlichen Namen. Ich heiße zum Beispiel Tuija. Das bedeutet grüner Busch.“ „Grüner Busch?“, fragte Penny. „Ja, ein Busch, der aus Schönheitszwecken vor ein Haus gepflanzt wird. Am Donnerstag haben alle Frauen in Finnland, die Tuija heißen, ihren Namenstag gefeiert. Hier, ich zeige es Ihnen.“ Tuija holte einen Kalender unter der Theke hervor. Sie zeigte uns den Monat Februar und deutete auf den fünfundzwanzigsten. „Tuija-Tag. Sehen Sie?“ „Nun, alles Gute zum Namenstag, wenn auch ein paar Tage zu spät.“ Penny öffnete ihre Tüte mit den Leckereien aus der Bäckerei im Erdgeschoss. „Hier, feiern Sie mit einem Stück Schokolade.“ Tuija lachte. „Danke, aber während der Arbeitszeit darf ich nicht essen.“ „Dann nehmen Sie es für später“, forderte Penny sie auf. Wieder einmal reagierte Penny auf jemanden mit ihrer unerschütterlichen Freundlichkeit, die keine Fremden kannte. Vielleicht war ich zu kritisch in Bezug auf ihr Talent im Umgang mit Menschen gewesen. Tuija gab nach und nahm einen Trüffel, den sie für später aufheben wollte. Sie rechnete die Beträge für meine neue Hose und das Twinset zusammen und fragte: „Bleiben Sie lange?“ „Nur eineinhalb Wochen.“ Penny holte ihre Kreditkarte hervor. „Das ist lange. Die meisten Touristen bleiben nur einen Tag oder zwei.“ „Ich hoffe, einige Verwandte besuchen zu können“, erklärte Penny. „Leben sie in Helsinki?“ Penny und ich sahen sie an. Ich versuchte, auch den leisesten Anflug von Missbilligung aus meinem Gesichtsausdruck zu verbannen. „Ich weiß nicht genau.“ Penny erzählte ihre Geschichte und fügte sogar hinzu, dass wir bei diesem Abenteuer auf die Gnade Gottes angewiesen seien. Tuija hielt beim Eingeben der Beträge in die Kasse inne und lächelte Penny an. „Ich denke, Gott hat Ihnen heute Gnade geschenkt.“
„Ganz bestimmt“, stimmte Penny zu. „Nicht jeden Tag können Sharon und ich einkaufen gehen und Kekse und Trüffel zum Frühstück essen.“ „Nein, nein. Da ist noch etwas anderes. Mein Mann arbeitet für die Regierung.“ Tuija fuchtelte aufgeregt mit den Händen. „Ich kenne das englische Wort nicht, aber er macht Aufnahmen für alle Menschen in Finnland.“ „Er ist Musikproduzent?“, fragte Penny. „Nein, nein!“ Tuijas Wangen röteten sich. „Ich habe nicht das richtige englische Wort. Er hat alle Informationen über den Aufenthaltsort der Menschen. Er verwaltet die Informationen über die Telefone und die Häuser in ganz Finnland.“ Penny und ich sahen uns an und versuchten unsere aufgeregte finnische Verkäuferin zu verstehen. „Was ich meine ist, dass mein Mann Ihre Tante finden kann.“ ...