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Einwand Nr. 4

Es ist intolerant zu behaupten, Jesus wäre der einzige Weg zu Gott Der Reporter eines Nachrichtensenders rief mich an und führte mit mir ein Interview über das steigende Interesse an Religiosität. Wir unterhielten uns eine Zeit lang ganz nett – bis ich sagte, ich hätte die Hoffnung, dass alle, die mit verschiedenen Glaubensrichtungen herumexperimentieren, irgendwann Jesus kennen lernen. Mit einem Schlag war das Gespräch unterkühlt. „Wollen Sie damit sagen, dass zwei Drittel der Weltbevölkerung in die Hölle kommen, weil sie nicht an Jesus glauben?“, wollte er verärgert wissen. Der Tonfall seiner Stimme machte unmissverständlich klar, dass er mich für engstirnig und intolerant hielt. Letzten Endes hatte er aber kein Problem mit mir. Er hat eins mit Jesus. Weil einer der höchsten Ansprüche Jesu tatsächlich der ist: „Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht“ (Johannes 14,6). Als ich begann, mich näher mit dem Christentum zu befassen, hielt ich diesen Ausspruch für eine ziemliche Beleidigung der Nichtchristen. Es ist eine Sache zu behaupten, man sei ein Weg zu Gott – aber der Weg? Das klingt verdammt intolerant! 65


Sind nicht alle intolerant? Andere Religionen – zumindest einige von ihnen – scheinen auf den ersten Blick viel toleranter zu sein. Als ich einmal in Indien war, erzählte ich einigen Hindus, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Sie antworteten: „Kein Problem!“ Ich war überrascht. „Ihr akzeptiert die Tatsache, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist?“, fragte ich. „Natürlich“, sagten sie. „Wir haben Millionen von Göttern. Warum sollte Jesus nicht einer von ihnen sein?“ Aber als ich meinte: „Nein, ihr versteht nicht, was ich meine. Jesus sagte, er sei der einzige Sohn Gottes und der einzige Weg, der zum ewigen Leben führt“, da wurden sie wütend. Es war eine Behauptung, die sie nicht tolerieren konnten. Ich fragte Ravi Zacharias, der zusammen mit Hindus, Muslimen, Buddhisten und Sikhs in Indien aufgewachsen war, ob er die Ansprüche des Christentums für intolerant hält. „Wenn das Christentum intolerant ist“, entgegnete er, „dann sind es alle anderen Religionen auch. Jede Religion hat Dinge, die sie bei anderen nicht akzeptieren kann.“ Er nannte mir einige Beispiele: ● Muslime können nicht akzeptieren, wenn jemand den Koran ablehnt. ● Buddhisten akzeptieren nicht die hinduistischen Schriften und ihr Kastensystem. ● Hinduisten akzeptieren keine Sicht des Lebens, die weder das Karma noch die Wiedergeburt mit einschließt. ● Atheisten können gar keinen Glauben an irgendeinen Gott akzeptieren.

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Denk an den Elefanten! Aber selbst wenn andere Religionen nicht unbedingt toleranter sind als das Christentum – wer hat das Recht zu behaupten, eine von ihnen wäre unwahr? Oder sogar alle? Manche Leute sagen, wenn man das Unwesentliche wegließe, seien alle Religionen auf der Welt im Grunde gleich. Das würde bedeuten, dass alle Glaubenswege auf der Erde gleichermaßen zum Ziel führen würden. Aber Ravis kurze Zusammenfassung verschiedener Glaubensrichtungen in der oben stehenden Liste zeigt, dass nicht alle Religionen gleich sind. Einige von ihnen lehren sogar sehr unterschiedliche Dinge über die Existenz Gottes selbst. (Siehe dazu die Tabelle „Gott, Götter, Gott-los?“)

Gott, Götter, Gott-los?

Es gibt einen Gott Christentum Judentum Islam

● ● ●

Es gibt mehrere Götter Es gibt keinen Gott ● Hinduismus ● Buddhismus ● Atheismus

Auch wenn die verschiedenen Religionen nicht alle das Gleiche lehren, ist es trotzdem ein beliebter Gedanke, dass alle Religionen ein Stück der Wahrheit in sich tragen. Für einen Buddhisten ist der Buddhismus wahr, so wie er oder sie ihn wahrnimmt. Und Hinduismus ist wahr für Hindus. Vielleicht kennst du die Geschichte von den drei blinden Männern, die einen Elefanten abtasten. Einer von ihnen hat das Bein des Elefanten in der Hand und sagt: „Aha! Es ist 67


ein Baum!“ Der zweite erwischt sein Ohr und sagt: „Auf keinen Fall! Es ist ein großer Fächer.“ Der dritte Mann, der den Schwanz des Elefanten hält, sagt: „Ihr habt beide Unrecht! Es ist ganz eindeutig ein Seil!“ Ich fragte Ravi: „Ist es nicht möglich, dass die Religionen der Welt wie die blinden Männer und der Elefant sind? Dass alle eine unterschiedliche, aber jede eine wahre Vorstellung davon hat, wer Gott ist?“ Ravi schüttelte den Kopf. „Der blinde Mann kann dir zwar erzählen, es sei ein Baum, aber damit liegt er falsch. Es ist weder ein Baum noch ein Seil, noch ein Fächer. Der Sehende weiß, dass es ein Elefant ist“, sagte er. „Er kennt die Wahrheit; seine Augen haben sie ihm offenbart.“

Gibt es mehrere Wahrheiten? Wäre es intolerant, den blinden Männern von ihrem Irrtum zu erzählen? Was, wenn sie sagen: „Für dich ist es vielleicht ein Elefant, aber für mich ist es eben ein Seil. Für dich ist das eine wahr, für mich das andere“? Zu behaupten, man hätte die Wahrheit vollständig erkannt, ist heutzutage fast etwas Anstößiges. Aber rein logisch betrachtet muss das Christentum – das behauptet, es gäbe einen Gott – falsch liegen, wenn Atheismus oder Buddhismus – die sagen, es gäbe keinen Gott – Recht haben (mehr zu diesem Thema in dem Kasten „Eine gespaltene Persönlichkeit“). Aber um nicht engstirnig zu erscheinen und den anderen vor den Kopf zu stoßen, sagen viele Menschen lieber: „Der christliche Weg mag für dich die Wahrheit sein, aber für mich ist es der Weg der Hindus [oder Buddhisten oder was auch immer].“ „Ich denke, manchmal neigen Christen dazu, vorschnell zu urteilen“, stimmte Ravi mir zu. „Sobald die Wahrheit 68


nicht mit Liebe vertreten wird, macht das ihren Vertreter unsympathisch und die Wahrheit abstoßend. Mahatma Gandhi sagte einmal: ,Ich mag diesen Christus, aber diese Christen mag ich nicht.‘ In der Geschichte des Christentums sind ein paar sehr unschöne Dinge passiert.“ (siehe dazu den Zeitstrahl „Als die Religion versagte“) „Auf der anderen Seite“, fuhr Ravi fort, „kann man aber die erkannte Wahrheit mit Liebe als die einzige Wahrheit vertreten – so wie ein Naturwissenschaftler begeistert sagen kann: ,Dies ist das zweite Gesetz der Thermodynamik‘, ohne gleich fragen zu müssen, wie viele seiner Kollegen damit einverstanden sind. Jesus Christus hat eindeutig klar gemacht, dass man die ewigen Wahrheiten Gottes erfahren kann. Er hat durch seine Auferstehung bewiesen, dass er der Sohn Gottes ist. Er ist das Herzstück des Evangeliums – in ihm fließt alle Wahrheit zusammen. Es kann also überall ein Stückchen Wahrheit zu finden sein, aber die ganze Summe der Wahrheit ist letztlich in Christus.“

Eine gespaltene Persönlichkeit Die Frage, warum man die Gültigkeit anderer Religionen ausschließen sollte, war eine Herausforderung für mich. Sie wurmte mich, bis es mir schließlich jemand so erklärte: „Die meisten Religionen auf der Welt basieren auf der Art von Heiligen Schriften, von denen man sagt, es seien Gottes Offenbarungen an den Menschen. Aber damit gibt es ein Problem: Zuerst hätte Gott in den einen Teil der Erde gehen müssen, um den Leuten zu sagen: ,Okay, passt auf, ich verrate euch, wer ich bin: Ich bin dreieinig – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, und

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Jesus ist für die Sünden der Menschheit gestorben, damit ihr wieder mit mir zusammen sein könnt und wir gemeinsam die Ewigkeit im Himmel verbringen können. Die Vergebung eurer Sünden gebe ich euch gratis, ihr könnt sie euch nicht verdienen.‘ Dann wäre er in einen anderen Teil der Erde gegangen und hätte den Leuten zugeflüstert: ,Hey, habt ihr das mit der Dreieinigkeit gehört? Vergesst das Zeug. In Wirklichkeit bin ich Allah, und Mohammed ist mein Prophet, und Vergebung der Sünden ist kein Geschenk, sondern ihr müsst versuchen, euch den Weg in den Himmel zu verdienen. Indem ihr den Armen Almosen gebt, nach Mekka pilgert, jeden Tag so und so oft betet, und so weiter, und so fort.‘ Dann wäre er an einen anderen Ort der Erde gegangen und hätte gesagt: ,Lasst euch doch nichts einreden. In Wirklichkeit bin ich Millionen Götter. Ich bin gute Götter und schlechte Götter, aber im Grunde sind wir alle unpersönliche Gottheiten, die du nie richtig kennen lernen wirst. Und du musst dich durch eine Reihe von Wiedergeburten arbeiten, um dein schlechtes Karma loszuwerden – aber selbst dann kommst du nicht in den Himmel, sondern du wirst höchstens irgendwann irgendwie vom Kosmos aufgesaugt werden.‘ Schließlich wäre er noch woandershin gegangen und hätte den Menschen dort wieder etwas völlig anderes erzählt. Wenn Gott all das getan hätte, dann hätte er eine gespaltene Persönlichkeit! Dann hätten wir wirklich ein Problem!“ Irgendwie habe ich es nach dieser Erklärung begriffen. Es würde tatsächlich keinen Sinn machen, wenn alle diese gegensätzlichen Sichtweisen zur gleichen Zeit wahr wären. Eine einzelne könnte vollständig wahr sein. Oder alle falsch. Aber sie können nicht alle gleich Recht haben.

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Warum nicht Jesus? „Wenn Jesus die Wahrheit ist, warum lehnen ihn dann so viele Menschen ab?“, fragte ich Ravi. „Wenn das Christentum wahr ist, dann sollte man davon ausgehen, dass die Menschen es merken. Aber die Statistiken zeigen, dass das Christentum nicht gerade viele Gläubige aus den anderen Religionen anzieht.“ „Das ist eine schwierige Frage“, nickte Ravi. „Um die Frage aus einer anderen Perspektive zu beleuchten: Warum ist der Buddhismus in den westlichen Ländern heutzutage so beliebt?“, fragte er. „Ich habe eine einfache Antwort: weil man im Buddhismus gut sein kann, ohne Gott zu brauchen. Warum ist der Islam für manche Menschen so attraktiv? Die Antwort darauf hängt mit der Politik der Länder zusammen, in denen der Islam gedeiht. Was ist mit den Hindus? Sein Glaubensgrundsatz, dass wir Menschen die Erde mit Respekt behandeln sollen, kommt zurzeit einfach gut an.“ „Warum ist das mit Christus anders?“, fragte ich. „Weil er die Menschen auffordert, ,sich selbst zu sterben‘“, antwortete er. „Immer wenn die Wahrheit eine völlige Hingabe, ein absolutes sich Einlassen erfordert, bei dem man sich selbst völlig unterordnet und den eigenen Willen ausliefert, gibt es Widerstand.“ Als er mir klar machte, dass man sich für Jesus selbst aufgeben muss, wunderte ich mich, warum Ravi sich dann für ihn entschieden hatte. „Erzähle mir deine Geschichte“, bat ich ihn.

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