Aus dem Englischen 端bersetzt von Bettina Hahne-Waldscheck
Verlagsgruppe Random House FSC® N001967 Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier: Enso Classic 95 liefert Stora Enso, Finnland.
Die amerikanische Originalausgabe erschien im Verlag Ideals Publications, A Guideposts Company, Nashville, Tennessee, unter dem Titel „The Best Of Guideposts Christmas“. All rights reserved. © 2005 by Ideals Publications © der deutschen Ausgabe 2013 by Gerth Medien GmbH, Asslar, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Bestell-Nr. 816908 ISBN 978-3-86591-908-3 Lektorat: Verena Keil Umschlaggestaltung: Hanni Plato Umschlagfoto: Getty Images/Sue Bishop Satz: DTP Verlagservice Apel, Wietze Druck und Verarbeitung: CPI Moravia
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Segen zur Weihnachtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Nacht, in der die Sterne sangen . . . . . . . . . . . . . . . 13 Dorothy Canfield Fisher Wie Gold, Weihrauch und Myrrhe . . . . . . . . . . . . . . . 20 Norman Vincent Peale Weihnachten – rätselhaft wie eh und je . . . . . . . . . . . 28 Doris Swehla Gottes wundersame Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Teresa Atkins Der Mann, der nach Hause wollte . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Jimmy Gupton Weihnachten in Dixieland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Lyda Jean Bennett Der alte Mann und der Hund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Starla „Misty“ Spray
Traditionen der Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Ich liebe meine Weihnachtstraditionen . . . . . . . . . . . . . 61 Dorothy Walworth
Das Jahr, in dem wir Weihnachten „vernünftig“ feierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Henry Appers An Weihnachten zieht es alle nach Hause . . . . . . . . . 76 Marjorie Holmes Gottes kleine Überraschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Cheryl Morrison Der hausgemachte Heiligabend . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Ella Ruth Rettig Es ist schön, das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 James Stewart Tiersegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Patricia Sullivan Unser Weihnachtsbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Christopher Radko
Von der Freude des Gebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Ein neuer Blick auf mich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Dorothy Hopkins Ich war ein Helfer des Weihnachtsmannes . . . . . . . . 119 Richard A. Myers Ein besonderer Gefallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Sara Watson Liebesknoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Patricia E. Carr
Kittys Krone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Kathryn Slattery Das ungeöffnete Geschenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Anne Sternad Ein Geschenk des Herzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Norman Vincent Peale Gebt, so wird euch gegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Jean Padgett „Weihnachten kommt niemals hierher“ . . . . . . . . . . 148 Bill Flannagan Der Traummantel aus Schaffell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Joe Garagiola Vom Wesen des Schenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Brenda Lee
Anhang Themenverzeichnis und Angaben zu den Vorlesezeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Vorwort An Weihnachten dreht sich alles um eine Geschichte: die Geschichte eines Babys, das von bescheidenen Eltern in einem Stall in Bethlehem unter einem strahlend hellen Stern geboren wurde – eine Geschichte, die die Welt für immer verändert hat. Deshalb ist es keine Überraschung, dass sich einige der schönsten Geschichten in diesem Buch um Weihnachten drehen und davon erzählen, wie Menschen in dieser segensreichen Jahreszeit inspiriert wurden und sich ihr Leben verändert hat. Der Widerhall dieser besonderen Geburt klingt durch die Zeiten und in unseren Herzen. Jede Geschichte zeugt von der Kraft, die diesem ersten Weihnachtsfest innewohnt. Es sind wahre, persönliche Erzählungen von Veränderungen. Sie berichten von ganz gewöhnlichen und auch nicht so gewöhnlichen Menschen. Es geht um Segen, Traditionen, Liebe, Glauben, Schenken und Wunder – Themen, die diese Jahreszeit heilig machen. Lesen Sie von dem einsamen Witwer, der eines Tages ein armes, junges Ehepaar bei sich aufnahm, das ein Baby erwartete. Der alte Mann hatte begriffen, dass es immer Raum in der Herberge gibt, und einen Grund, um weiterzuleben. Lassen Sie sich hineinnehmen in die Geschichte, die davon erzählt, wie ein ziemlich vorlautes Mädchen einer Kirchengemeinde die wahre Botschaft von Weihnachten
vermittelt. Oder erfahren Sie, wie Menschen das Geheimnis des Schenkens entdecken. In diesem Band tauchen auch bekannte Namen auf. Hollywood-Legende James Stewart wird Ihnen erzählen, warum das Leben schön ist und welche tiefe persönliche Bedeutung der Film „Ist das Leben nicht schön?“ für ihn hat. Dieses Buch ist randvoll mit Geschichten, die Sie nicht vergessen werden. Viel Freude beim Lesen! Im Anhang finden Sie ein Themenverzeichnis und Angaben zu den Vorlesezeiten. Edward Grinnan, Chefredakteur von Guidepost
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Die Nacht, in der die Sterne sangen Dorothy Canfield Fisher Dezember 1959 Es gibt in jedem Leben einer Mutter diese sonderbaren, stillen Stunden, in denen sie sich Gedanken über die unsterbliche Seele ihres Kindes macht. Wird sie in dem kleinen Rabauken, der gerade seinen nassen Lolli auf das Sofa gelegt hat, bald sichtbar werden? Wann wird die wahre Person in ihm zum Vorschein kommen? Und wird dann jemand dabei sein und staunen? Ich kenne eine Mutter, die dabei war; die es gesehen hat und in der Tat staunte. Sie hat es mir erzählt, und ich glaube, sie hat nichts dagegen, wenn ich es Ihnen weitererzähle. Es begann einige Wochen vor Weihnachten. „Wie sieht’s aus?“, fragte sie eines Nachmittags ihren acht Jahre alten David und seine beiden Freunde. „Welche Weihnachtslieder lernt ihr dieses Jahr in der Schule?“ David senkte traurig den Blick und antwortete: „Die Lehrerin sagt, wir singen nicht gut genug. Sie lässt nur die Kinder bei der Aufführung mitmachen, die die Töne treffen können.“ Die Mutter bekam innerlich einen mütterlichen Wutanfall auf die Lehrerin. So, das hat sie also gesagt? Wofür ist sie denn da, wenn sie den Kindern nicht das beibringt, was sie nicht können? 13
Sie holte tief Luft und sagte dann ruhig: „Wie wäre es, wenn ihr euer Lied mit mir zusammen übt?“ Die vier gingen zusammen ins Wohnzimmer zum Klavier. „Welches Lied soll eure Klasse denn singen?“ „‚Es geschah um Mitternacht‘ “, platzte es gleichzeitig aus den Jungen heraus. „Das ist ein schönes Lied“, sagte die Mutter und griff nach dem abgegriffenen Notenbuch. „Hört zu, es geht so.“ Und sie spielte die Melodie und sang die ersten beiden Zeilen. Die Jungen öffneten ihre Münder und stimmten inbrünstig ein: „Es geschah um Mitternacht, da erschallte der glorreiche Gesang …“ Am Ende des Halbsatzes unterbrach Davids Mutter jäh und beugte ihren Kopf für einen Moment über die Tasten. Ihre Wut auf die Lehrerin löste sich in Luft auf. Sie hob schließlich ihren Kopf und wandte sich mit einem lächelnden Gesicht an die Kinder. „Ich sag euch was: Um eine Melodie wirklich richtig zu lernen, muss man eine Note nach der anderen üben. Ich werde die ersten beiden Töne auf dem Klavier anschlagen: ‚Es geschah …‘“. Eifrig sangen die Jungen mit. Sie unterbrach und atmete schwer. „Stimmt nicht ganz“, sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln. „Gut, ich glaube, wir nehmen uns lieber jede Note einzeln vor. Bill, versuch du es.“ Nach einer Pause sagte sie: „Jetzt du, Peter.“ * „It came upon the midnight“ ist ein altes amerikanisches Weihnachtslied aus dem Jahr 1849.
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Als die Kinder an dem Abend im Bett lagen, sagte sie zu ihrem Mann: „Du hast so etwas noch nie in deinem Leben gehört, Harry. Noch nie. Du kannst dir nicht vorstellen, wie das war!“ „Oh doch, das kann ich“, antwortete er und nahm die Zeitung etwas runter. „Ich habe genug unmusikalische Kinder herumbrüllen gehört. Ich weiß, wie sich das anhört. Weißt du, es gibt einfach Menschen, die können keinen Ton treffen.“ Und weil er in ihrem Gesicht die störrische Dickköpfigkeit einer Mutter sah, fügte er etwas ungeduldig hinzu: „Was nützt es, versuchen zu wollen, was du eh nicht ändern kannst?“ Das klingt vernünftig, dachte sie. Aber als sie am nächsten Morgen in der Innenstadt war, ging sie in eine Bücherei und lieh sich zwei Bücher aus, in denen erklärt wurde, wie man Kindern Musik beibringt. Während der darauffolgenden Wochen vor der Weihnachtsaufführung wusste die Mutter nicht, wie sie das durchhalten sollte. Sie entdeckte zu ihrer Bestürzung, dass die Jungen keine Ahnung davon hatten, ob ein Ton höher oder tiefer als der vorangegangene war. Deshalb erfand sie kleine musikalische Spiele, um ihr Gehör zu schulen. So forderte sie die Kinder beispielsweise auf, sich mit dem Rücken zum Klavier zu stellen und zu entscheiden, ob ein bestimmter Ton höher oder tiefer als der zuvor angeschlagene war. Die Jungs lachten ausgelassen über ihre Fehler und wetteiferten darum, wer beim „Töneraten“ der Beste war. Es gab Tage, an denen die Mutter der Mut verließ – 15
mehrmals sogar. Wenn sie sah, wie sich die Bügelwäsche türmte, sagte sie zu sich selbst: Heute werde ich den Jungen sagen, dass ich nicht mehr weitermachen kann. Wir machen eh keine Fortschritte. Dann aber dachte sie daran, dass an Weihnachten ja die Geburt des Erlösers gefeiert wird – und dass eine der Eigenschaften Jesu die Geduld war. Wenn also die Jungen hereingestürmt kamen, legte sie alles beiseite und ging zum Klavier. Inzwischen machten sie nämlich doch Fortschritte. Auch wenn sie den Rücken zum Klavier gewandt hatten, konnten die Jungen jetzt fehlerlos sagen, ob die zweite Note tiefer oder höher als die erste war. In der zweiten Dezemberwoche konnten sie allesamt jeden Ton, den sie auf dem Klavier anspielte, innerhalb ihres Stimmumfangs treffen – sie mussten nur daran denken, leise zu singen und sich selbst zuzuhören. Danach ging alles sehr schnell – das Üben des Liedes, das Vorsingen vor der zunächst skeptischen und dann völlig erstaunten Lehrerin, und dann der Triumph, als sie zu Hause erzählten: „Die Lehrerin sagt, wir können es gut genug singen. Sie sagt, wir können mit den anderen singen! Diesen Nachmittag haben wir geübt, wie wir die Bühne betreten.“ Dann kam der Tag der Aufführung. Die Jungen trotteten den Gang zwischen den Zuschauerreihen entlang, die Mädchen raschelten stolz mit ihren kurzen Röcken. Davids Mutter umklammerte nervös ihre Handtasche. Der Auftakt auf dem Klavier gab den Kindern den richtigen Ton an. Alle Münder öffneten sich und die ersten 16
Klänge ertönten: „Es geschah um Mitternacht, da erschallte der glorreiche Gesang …“ Die verkrampften Hände der Mutter entspannten sich. Die vielen Übungsstunden der Lehrerin und ihre eigene harte Arbeit hatten sich also gelohnt. Es war kein Johlen. Es war Gesang. Es gab ansteigende Crescendi; und bei den Zeilen „… die Welt in feierlicher Stille lag, um die Engel singen zu hören“ wurden die Stimmen in einem gekonnten Diminuendo immer leiser. Da stand er also, ihr kleiner David, inmitten der anderen. Die Gefahr, dass er sich minderwertig fühlte, war für diesmal gebannt. Zuerst war ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Aber sie hatte sie wieder aufgestoßen – und er war hindurchgegangen. Die letzten Töne des Liedes verhallten und die Eltern brachen in tosenden Applaus aus. Die Drittklässler schritten einer nach dem anderen von der Bühne. Jetzt würde David sicher seinen Kopf in ihre Richtung drehen und ihr mit einem Blick danken. Nur dies eine Mal. Er drehte tatsächlich seinen Kopf, als er an ihr vor überging. Er sah seine ganze Familie an – seinen Vater, seine Mutter, seine kleine Schwester, seinen großen Bruder und seine Schwester, die schon auf die Highschool ging. Er nickte ihnen leicht und höflich zu, ein öffentliches Zeichen, dass sie seine Familie waren. Seine Mutter wusste, dass dieser Blick nicht ihr alleine galt. Er galt denjenigen in der Familie, die gelangweilt und ungeduldig ihren Kampf mit ihm beobachtet hatten, genauso wie ihr, die einen Teil ihrer Zeit geopfert hatte, um dieses Wunder möglich zu machen. 17