Zeitschrift Lydia - 3/2010

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persönlich

Alligator verschluckt Haben Sie schon mal Krokodilfleisch probiert? Ich habe diese Delikatesse gekostet. Meinen Geschmack trifft es nicht. Als ich gestern eine Natursendung anschaute, erinnerte ich mich an ein ungewöhnliches Foto: Aus einer vier Meter langen Pythonschlange ragte ein Alligator heraus. Die Schlange verspeiste regelmäßig Alligatoren in den Sümpfen Floridas. Diesmal hatte sie einen 1,80 Meter langen Alligator angegriffen und lebendig verschluckt. Doch der wehrte sich: Er biss oder riss sich einen Weg ins Freie. Dabei tötete er die Schlange buchstäblich von innen nach außen. ‚Dumme Schlange‘, dachte ich, ‚das hätte sie sich denken können!‘ Doch geht es uns nicht allen so, dass wir manchmal „Alligatoren“ verschlucken – im übertragenen Sinne? Wut, Groll und Bitterkeit können uns genauso von innen zerfressen! Mir ging es 1984 so. Auch Ärzte machen Fehler und können irreparablen Schaden anrichten. So litt ich nach einer Fehlbehandlung unter schrecklichen Schmerzen. Ich bat Gott um Hilfe und ließ mich von den besten Medizinern beraten. Doch immer wieder hörte ich die Antwort: „Es tut uns leid, wir können nichts für Sie tun.“ Die Nächte waren am schlimmsten. Außer den körperlichen Schmerzen hielten mich quälende Fragen wach: ‚Warum bin ich dort hingegangen? Wie konnte das passieren?‘ Es fühlte sich an, als hätte ich einen Alligator verschluckt! Eines Morgens las ich in der Bibel, wie Jesus am Kreuz sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Aber wie? Dann kam der Tag der Begegnung. Ich traf die Frau des Arztes, die ihm assistiert hatte, im Supermarkt. Meine Füße waren wie gelähmt. Völlig erstarrt stand ich da. „Vergib ihr!“, hörte ich eine leise Stimme in meinem Herzen. „Gib ihr das Geschenk der Vergebung, das ich dir auch gegeben habe.“ Alles in mir sträubte sich. „Ich habe im Gebet schon oft Worte der Vergebung ausgesprochen!“, warf ich ein. „Warum soll ich ihr das jetzt auch noch persönlich sagen?“ Mein Herz schrie nach Gerechtigkeit und Rache. Wegen dieser beiden Menschen litt ich an

unglaublichen Schmerzen. Würde Vergebung meinen Schmerz nicht noch vergrößern? „Gott, ich kann das nicht aus eigener Kraft. Bitte schenk mir deine. Vergib du ihnen durch mich.“ Auf einmal merkte ich, wie meine Hand sich der Frau entgegenstreckte. „Ich vergebe Ihnen“, platzte es aus mir heraus. Sie sah mich überrascht an. Ihr Gesichtsausdruck blieb kühl, als würde sie sagen: „Jetzt machen Sie mal nicht so eine große Sache um diese Vergebung.“ Aber für mich war es eine große Sache! Als ich aus dem Supermarkt ging, liefen mir Tränen über die Wangen. Der innere Damm war gebrochen. Ich hatte den Alligator ausgespuckt. Der körperliche Schmerz änderte sich dadurch nicht, aber Stück für Stück heilten meine Gefühle. Immer wieder erinnerte ich mich selbst: „Die Rache ist nicht mein.“ Vielleicht denken Sie: ‚Huch, Elisabeth, das war aber eine Heldentat!‘ Nein, das glaube ich nicht. Ehrlich gesagt, war es sogar ein bisschen egoistisch. Indem ich vergab, habe ich selbst gewonnen. Ich bin den Monster-Alligator losgeworden, der mich von innen zerfressen wollte. Heute – 26 Jahre später – spüre ich keinen Groll. Keine Spur. Nur die Erinnerung bleibt, wie eine Narbe. Leider sind die körperlichen Schmerzen nicht weg, aber ich hoffe, dass auch davon eines Tages nur eine Narbe zurückbleibt. Ich wünschte, das wäre der letzte Alligator gewesen, den ich lebendig verspeist habe. Leider war es das nicht. Erst gestern passierte es mir wieder. „Warum hast du nicht aus der Vergangenheit gelernt?“, warf ich mir vor. Aber Warum-Fragen bringen mich nicht weiter. Viel wichtiger ist es, dass ich es merke und ihn schnell wieder loswerde. Am besten noch am selben Tag, bevor die Sonne untergeht. In dieser Ausgabe lesen Sie viele bewegende Geschichten, wie Frauen mit ihren persönlichen „Alligatoren“ umgegangen sind. Ich hoffe, es wird Sie ermutigen, Ihr Monster auszuspucken, falls Sie zufällig auch eins lebendig verschluckt haben! Ihre Elisabeth Mittelstädt

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www.lydia.net Maike Kraft Titelfoto: Jayne Jewell

Ein Herz für Haiti Interview – Seite

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ARTIKEL

6 Ein Herz für Haiti Interview mit Maike Kraft – Elisabeth Mittelstädt

12 Ehrlich gesagt Wie die Wahrheit ans Licht kommt, aber die Freundschaft nicht baden geht Annette Schmidt 15 Kritik? Ja bitte! Wie wir lernen können, mit Kritik umzugehen und daran zu wachsen Anne-Maria Kreye 20 Gegen die Vergesslichkeit – Silvia Konstantinou 22 Im Käfig des Dünnseins – Constance Rhodes 28 Königin Silvias Gebetbuch 30 Der Naomi-Faktor Lieben Sie die Ruth in Ihrem Leben? – Kimberly Ruth 33 Der Schwiegermutter-Test – Karin Becker

Kritik? Ja bitte! Seite

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38 Stress im Klassenzimmer So reagieren Sie auf die Stärken und Schwächen Ihres Kindes! 44 Diagnose Diabetes Glaubensmut, der meine Tochter „ganz normal“ weiterleben lässt Krista Gerloff 46 Das Geschenk der Zugehörigkeit – John Ortberg 48 Geben Sie‘s weiter! Ihre irdische Geschichte hat ewigen Wert – Robert C. Crosby 52 Schnörkel der Rhetorik Wie Sie effektiv vom Glauben reden und unvergessliche Eindrücke hinterlassen – Elena Schulte 56 Tal des Todes Im bosnischen Krieg fand ich die Tür der Hoffnung – Emina Koprivnjak 62 Ich liebe dich ... so wie du bist! Von verbummelten Socken und der Kunst, den anderen mit seinen Fehlern zu lieben – Sabine Müller 64 Stürmische Zeiten in unserer Ehe John und Stacy Eldredge

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Stürmische Zeiten in unserer Ehe Seite

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ALT Der Schwiegermutter-Test Seite

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RUBRIKEN

3 Ganz persönlich Alligator verschluckt Elisabeth Mittelstädt

10 Im Blickpunkt Bücher und CDs

Geben Sie‘s weiter! Seite 48

16 Meine Meinung Wie hat Kritik Ihnen geholfen zu wachsen? 18 Nachgefragt Ich bin so vergesslich! Annemarie Pfeifer 26 Girl Talk Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner! – Debbie Marti 36 Unter uns Müttern Das Geheimnis der Seepferdchen – Saskia Barthelmeß 46 Schmunzeln mit LYDIA 59 Liebe Leser 61 LYDIA Kreativ – Imke Johannson 68 Meine Geschichte Bedingungslos geliebt Vom Perfektionismus in die Freiheit Anette Hopf 72 Heilige heute Frauen wie wir • LYDIA und der Weg zum Himmel Esther Kis • Gottes Schreibtisch Carmen Pohl • Meinen Rhythmus finden Christiane Huß • Sieben Jahre Gnade Irene Unruh 76 Für Sie notiert Infos und Trends – wer und was 80 Briefe an LYDIA 81 Impressum

Stress im Klassenzimmer Seite 38

81 Sag mal, ... Fragen an Naomi 82 Nachgedacht Mitten im Leben Mirjana Angelina 84 Zu guter Letzt Große Dinge – Mutter Teresa L y

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Leiterschaft

E l e n a

S c h u l t e

Schnörkel der Rhetorik

Wie S ie e ffektiv vom Gl aube n red e n und unve rg essliche Eindr ücke hinte rl a sse n Schnörkel, Verzierungen und verrückte Hingucker sind aus meinem Leben nicht wegzudenken! In unserem Esszimmer haben wir zum Beispiel eine Lampe, die komplett mit funkelnden Kristallen behängt ist. Eine grüne Rankentapete ziert unser Schlafzimmer. In unserem Büro hängt ein türkisfarbener Druck einer Afrofrau, deren Haare aus Sternen und Eiskristallen bestehen. Und so gibt es in jedem Raum etwas, das für manche nur ein Staubfänger sein mag, für mich aber die Einmaligkeit und besondere Note unserer Wohnung ausmacht. Wenn ich mit Menschen über Jesus und den Glauben rede oder Vorträge halte, habe ich einen ähnlichen Anspruch: Ich möchte, dass meine Sprache durch „Schnörkel“, „Verzierungen“ und „Hingucker“ (bzw. „Hinhörer“) einlädt, einen Moment zu verweilen, interessiert aufzuhorchen und eine Vorstellung von dem zu bekommen, was mir wichtig ist.

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as habe ich von Jesus gelernt. Wenn er mit Menschen zusammen war und über Gott und die Welt lehrte, benutzte er Bilder aus ihrem Umfeld, Gleichnisse aus ihrem Alltag und Geschichten, die es seinen Zuhörern erleichterten, ihm zu folgen und sich seine Worte einzuprägen. In Matthäus 13,34 lesen wir: „Jesus benutzte stets Gleichnisse und Bilder, wenn er zu den Menschen sprach, er sprach nie zu ihnen, ohne solche Vergleiche zu verwenden.“ Darum sprach er über verlorene Schafe, wenn ihm Hirten gegenüberstanden; über das Menschenfischen, wenn er es mit Fischern zu tun hatte; über verlorene und wiedergefundene Münzen, wenn Hausfrauen seinen Worten lauschten. Er ließ sich auf sein Gegenüber ein, kannte ihre Welt und nahm sich die nötige Zeit, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der seine Worte auf fruchtbaren Boden fallen konnten. Wie schade, dass wir heute allzu oft denken, Anekdoten und Bilder hätten nur etwas in der Kinderstunde verloren! Dabei gilt das Gegenteil: Wir besitzen zwei

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Gehirnhälften. Die linke ist verantwortlich für die Sprache, für rationales Denken, für logisches und analytisches Vorgehen. Die rechte hingegen ist das Zentrum für alles Bildliche, für unser Vorstellungsvermögen, unsere Fantasie, Intuition und Kreativität. Je älter wir werden, desto mehr zielt alles nur noch auf unsere linke, logische Hirnhälfte ab. Gelingt es mir aber als Redner, beide Hirnhälften zu aktivieren und somit das ganze Gehirn anzusprechen – nämlich durch Informationen verbunden mit Geschichten, Zitaten, Körpersprache und bildhaftem Reden, eben mit „Schnörkeln“ –, wird sich meine Botschaft viel besser festsetzen, und die Zuhörer können sich besser daran erinnern. Welche „Schnörkel“ können unsere Sprache bereichern und unser Reden einmalig und eindrucksvoll machen? Dekoration Bevor unsere Tochter geboren wurde, haben wir unser Büro renoviert, weil dies nun auch ihr Zimmer werden sollte. Zwei Wände strichen wir cremefarben, zwei


Wände schokoladenbraun. Es hatte Stil, wirkte für ein Kinderzimmer aber nicht sehr passend. Dann malte ich mit einem hellen Rosa eine große Ranke mit kleinen Blüten und Schmetterlingen auf eine der braunen Wände, und sogleich wurde das ganze Zimmer gemütlich, wohnlich und einladend. Was ist nun in einem Vortrag die „Dekoration“, die dem Hörer hilft, sich eingeladen, wohl und verstanden zu fühlen, sodass er gerne ein wenig „verweilt“? Wenn ich vor Menschen rede, bin ich in erster Linie Brückenbauer: Ich möchte eine Verbindung zwischen den Hörern und dem Gesagten schaffen, Gedanken und Wahrheiten in ihr Leben transportieren. Halte ich einen christlichen Vortrag, geht es noch ein Stück tiefer: Ich möchte, dass die Menschen neue Einsichten über Gott bekommen, vielleicht Dinge in ihrem Leben ändern, ermutigt werden oder einen Schritt weiter im Glauben geführt werden. Das ist eine sehr verantwortungsvolle und ehrenvolle Aufgabe. Will ich eine Wohnung einrichten, frage ich mich: Wem soll sie gefallen? Wer wird hier wohnen? Will ich

einen Vortrag „einrichten“, muss ich mich gleichermaßen fragen: Wer wird ihn hören? Was braucht diese Person, um einen Zugang zu bekommen? Der erste Schritt ist also, sich bewusst zu machen, wen man vor sich hat. Hier gilt zum einen: Die Zuhörer sind wie ich: Ich will nicht gelangweilt, verletzt oder blamiert werden. Sie wollen es auch nicht. Zum anderen gilt aber auch: Sie sind anders als ich. Konkret muss ich mir die Frage stellen, was sie von mir unterscheidet. Was ist ihre Erlebenswelt? Mit welchen Erwartungen kommen sie? Was könnte sie abschrecken, verärgern, überfordern, enttäuschen? Es gibt verschiedene inhaltliche Mittel, um es den Zuhörern zu erleichtern, dem Redner zuzuhören und einen Zugang zum Thema zu bekommen: - Kopfkino. Mit Geschichten, Vergleichen und Beispielen kann ich bewirken, dass sich in der Fantasie des Zuhörers ein Film abspielt, der ihm eine Vorstellung von dem gibt, um das es geht.

Wenn Jesus mit Menschen zusammen war und über Gott und die Welt lehrte, benutzte er Bilder, Gleichnisse und Geschichten, die es seinen Zuhörern erleichterten, sich seine Worte einzuprägen.

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- Bezugnahmen auf das Umfeld. Ich kann auf bestimmte Personen, Ereignisse oder Feste eingehen, die im Leben meiner Zuhörer eine Rolle spielen. Dies signalisiert echtes Interesse und öffnet Ohren und Herzen ungemein. - Transparenz. Ich kann in mein eigenes Leben hineinschauen lassen und so eine Verbindung zwischen meinen Zuhörern und mir schaffen und mich gewissermaßen „entthronen“. Denn als Redner kann es leicht passieren, dass ich den Eindruck vermittle, vieles bereits verstanden zu haben und umzusetzen, was mich ein Stück weit unnahbar und übermenschlich werden lässt. Stehe ich aber ehrlich dazu, dass ich auch noch Fragen, Sorgen und Probleme habe, bin ich wieder auf Augenhöhe mit meinen Zuhörern. - Humor. Mit humorvollen Anmerkungen kann ich auflockern und überraschen, sodass das gemeinsame Lachen eine Atmosphäre schafft, in der man auch über ernste Dinge nachdenken kann. Achtung: Humor sollte gut vorbereitet sein, denn sonst besteht die Gefahr, plump zu sein oder in ein Fettnäpfchen zu treten. Hingucker In unserem Wohnzimmer gibt es eine besondere Lampe. Es handelt sich dabei um eine große runde Reispapierlampe, die an einer Art überdimensionalen Angel befestigt ist und mitten in den Raum hineinragt. Ich glaube, es hat noch nie jemand unser Wohnzimmer betreten, der nicht ein Wort über diese Lampe verloren hat. Sie ist einfach ein Hingucker und weckt Interesse. Auch diese Möglichkeit des Interesseweckens haben wir in Vorträgen. Sehr wichtig ist es an dieser Stelle, Identifikationsflächen zu schaffen. Wenn ich eine biblische Geschichte erzähle und dem Zuhörer dabei vermitteln kann, dass er und eine Person in der Geschichte gar nicht so verschieden sind, ist viel gewonnen. Je größer die Nähe zum Leben des Zuhörers ist, umso leichter fällt es ihm, interessiert zu sein und sich verstanden zu fühlen. Es ist eine Art Klettverschlussprinzip: Die eine Hälfte habe ich, indem ich die Geschichte lebensnah und bildhaft erzähle. Die andere Hälfte hat der Zuhörer, indem er Gedanken denkt wie ‚Der ist ja genau wie ich‘ oder ‚So soll es mir auch mal gehen‘ oder ‚So soll es mir nie gehen‘. Ein gutes Prüfkriterium für die Qualität meiner Rede ist, ob ich als Redner selbst

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betroffen, emotional berührt und hineingenommen bin. Merke ich, dass mir das Thema oder die Geschichte selbst nahegeht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch meine Zuhörer so empfinden werden. Wagnisse Manchmal muss man etwas wagen, um ungewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Wir hatten vor, das Weiß in unserem Flur mit einem Farbstreifen aufzulockern. Eines Nachmittags kam mir die Idee, keine gewöhnliche Farbe zu nehmen, sondern Hochglanzlack in Pink. Ich konnte meinen Mann tatsächlich von dieser Idee überzeugen, und jetzt ziert ein pinkfarbener Lackstreifen unseren Flur und gibt ihm die besondere Note! Auch in einem Vortrag kann man ungewöhnliche Wege gehen. Zum Beispiel: - Die Perspektive wechseln. Wir können die Geschichte des reichen Jünglings aus der

chen? Wir sind das Salz der Erde. Wer das hört und sich gleichzeitig ein paar Salzkörner auf der Zunge zergehen lässt, bekommt einen ganz anderen Bezug zum Gesagten. - Erlebnisse einbauen. Gibt es ein anschaulicheres Beispiel, als eine Person auf der Bühne zu fesseln, wenn es um das Thema Freiheit geht? Was wird diese über Jesus lernen, wenn sie hört, dass Jesus gekommen ist, um sie zu befreien, und gleichzeitig spürt, wie ihre ganz realen Fesseln abgenommen werden? Es gibt noch viele weitere „Schnörkel“, die dazu beitragen, dass Menschen gerne zuhören, einen Bezug zum Gesagten bekommen, es verinnerlichen und ihr Leben dahingehend verändern. Vorsicht: Nicht überladen! Manchmal betrete ich eine Wohnung und jedes einzelne Detail für sich ist vielleicht nett, aber die Fülle der Dekorations-

Wir reden, damit andere hören

glauben, annehmen und handeln. Sicht des reichen Jünglings erzählen. Oder die Geschichte von der Speisung der Fünftausend aus der Sicht des kleinen Jungen, der sein Lunchpaket spendet. Bekannte Geschichten bekommen auf diese Weise einen neuen Reiz und laden ein, ihnen noch einmal ganz anders Aufmerksamkeit zu schenken. - Spekulieren. Was wäre wohl passiert, wenn Maria sich nicht zur Verfügung gestellt hätte, Jesus zu empfangen? Oder wenn Jesus am Teich Betesda alle Kranken geheilt hätte? Sicher darf man auf solchen Spekulationen keine geistlichen Wahrheiten aufbauen, aber es kann uns helfen, Dinge besser zu verstehen, wenn wir uns das Gegenteil ausmalen. - Sinne nutzen. Wir sind ein Wohlgeruch Gottes. Warum nicht diese Wahrheit anhand eines verschwitzten T-Shirts und eines gut riechenden Parfüms verdeutli-

gegenstände überfordert und erschlägt den Betrachter. Der Effekt: Man fühlt sich nicht wohl und kann sich schlecht konzentrieren. Das Gleiche kann in einem Vortrag passieren. Ich habe Vorträge gehört, die von tollen Beispielen nur so glänzten, aber am Ende wusste ich nur noch die Beispiele – nicht mehr, was sie verdeutlichen sollten. Darum ist eine ganz wichtige Regel: Jedes Beispiel sollten wir anhand des Zielgedankens prüfen. Wenn es uns dem Ziel einen Schritt näher bringt, ist es gut. Wenn es nicht wirklich passt: Weglassen! Außerdem gilt: Lieber ein oder zwei gute Beispiele, die sich wie ein roter Faden durch die Rede ziehen, als fünfzehn, die nichts miteinander zu tun haben und am Ende nur verwirren. Ich habe auch Vorträge gehört, bei denen ich den Eindruck hatte, dass ich am Ende wirklich viel über den Redner gelernt habe


– aber wenig über Jesus. Ein Redner darf sich zum Beispiel machen, nicht aber zum Thema! Umwege Vielleicht habe ich auch Angst, auf den Punkt zu kommen, und rede lieber noch ein bisschen um den heißen Brei herum? Manches Thema ist sicher etwas heikel und es ist nicht immer leicht, den Bezug zu Gott herzustellen oder Antworten zu liefern. Hierzu zwei Hilfestellungen: - Gott hat uns dazu berufen, über ihn zu sprechen. Wir sind seine Zeugen, aber nicht seine Anwälte. Darum dürfen wir Fragen offenlassen, wo wir selbst noch keine Antworten gefunden haben. Das ist viel glaubhafter als hohle Worte, die mit der Realität wenig zu tun haben. Manchmal sind wir auch um unsere Ehre besorgt. Um die geht es allerdings nicht – sondern um Gottes Ehre. Darum brauchen wir uns für seine Wahrheit nicht zu schämen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. - Wenn wir merken, dass ein Thema nicht zu uns passt, dürfen wir auch Nein sagen. Es gibt auch noch andere Redner! Ich habe in meinem Leben zum Beispiel noch kein großes Leid erfahren. Darum lasse ich mich zu diesem Thema nicht einladen, denn ich könnte allenfalls aus der Theorie sprechen. Dies wäre unfair gegenüber den Menschen, die Schlimmes erlitten haben und sich wahres Verständnis und Hilfestellung aus der Praxis wünschen. Ziellosigkeit Bei manchen Rednern habe ich das Gefühl, sie reden um des Redens willen. Das ist ganz und gar nicht im Sinne der Rhetorik, die per Definition die Lehre vom richtigen und wirkungsvollen Reden ist. Gute Rhetorik legt den Schwerpunkt nicht darauf, dass etwas gesagt wird, sondern darauf, was das Gesagte beim Hörer erreichen soll. Es geht um mehr als nur um unseren Vortrag. Wir reden, damit andere hören, glauben, annehmen und handeln. Im besten Fall heißt das, dass Menschen mit Gott in Verbindung kommen, ihr Leben in seine Hand legen und ihr Handeln nach ihm ausrichten. Diesem Ziel möchte ich jedes Wort meines Sprechens unterordnen. Elena Schulte ist Evangelistin beim Missionswerk Neues Leben.

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