DIE GUTE ALTE ZEIT Wie gut war sie wirklich?
Dokumentation und Text zur Schaufenster – Ausstellung ≥
Sommer 2008 | neues Layout, Winter 2011
≥
Apoteca & Drogaria Engiadinaisa
7550 Scuol
≥
Kathrin & Jachen Mischol
www.apoteca–scuol.ch
Inhalt 5
Geschichte 19.|20. Jahrhundert in Europa
7
Entwicklung des Tourismus in den Bergen
8
Touristische Entwicklung im Unterengadin
9
Das Kurhaus in Nairs
11
Bauliste der Hotels & Pensionen
12
Entwicklung der Verkehrsmittel und - wege
15
Das erste Auto im Unterengadin
15
Stradun Scuol
16
Beschreibung der Hotels und deren Geschichte
33
Besondere Ereignisse und Bauten in Scuol
34
Die Familie
36
Kleider, Hygiene, Komfort
36
Schule
37
Die tägliche Arbeit
42
Bräuche, Feste & Freizeit
45
Vereine
48
Touristische Attraktionen
50
Wintersport
53
Überschwemmungen, Dörfbrände, Lawinen
56
Industrialisierung
57
Industrieentwicklung im Unterengadin
58
Danke
60
Literatur
6
Die gute alte Zeit– wie gut war sie wirklich? Das Unterengadin in alten Bildern Wie oft hört man den Ausspruch:
zentralistische Helvetische Republik. Doch das
«Früher war halt alles anders, besser, ja die
Ganze scheiterte an zu hohen Erwartungen
gute alte Zeit»… Aber war dies wirklich so?
und der befreiten Landbevölkerung, gefördert
Blenden wir gut 200 Jahre zurück:
Geschichte 19.|20. Jahrhundert in Europa Politisch war die Zeit in Europa geprägt von einer grossen Umbruchstimmung: Die Französische Revolution 1789 war eine Reaktion breitester Bevölkerungskreise auf eine völlig unfähige Regierung, die Bürger selbst aber waren nicht darauf vorbereitet und völlig chaotisch organisiert. Die vorangehenden Glaubenskriege zwischen reformierten Hugenotten und katholischen Adligen endeten im Absolutismus (alle Gewalt dem König). Dieser wurde vehement bekämpft durch alle Stände und endete im Sturm auf die Bastille (Frankreich) am 14.Juli 1789. Noch im gleichen Monat wurden durch Kardinal Richelieu die Privilegien des Adels abgeschafft, eine zentrale Verwaltung durch königliche Beamte eingeführt, die Bauern wurden freie Grundeigentümer, Menschenrechte und Bürgerrechte eingeführt, die Kirche verstaatlicht. Durch diese Umstrukturierung aber fehlten die flüssigen Mittel–es kam zur Inflation. Auch in der Schweiz kam es zur Revolution, nachdem die Grundherren sich nicht zu Reformen bewegen liessen: Revolutionäre stürzten, nach französischen Vorbild, die alte Ordnung und errichteten die
7
wurden jedoch die Volksschulen (Pestalozzi). 1802 war jedoch klar, dass die zentralistische Republik bei der Bevölkerung keinen Rückhalt fand. Der französische Kaiser Napoleon diktierte der Schweiz 1803 unter dem Titel Mediation (Vermittlung) eine föderalistische Verfassung, in der die Kantone Aargau, St. Gallen, Thurgau, Tessin Waadt und Graubünden zu gleichberechtigten Mitgliedern der Eidgenossenschaft wurden. Die im Jahr 1815 eingeführte Verfassung blieb in Bünden mehr als 30 Jahre unverändert. Infolge des Separatbündnisses, das 7 konservative, katholische Kantone unter sich gegen die liberalen Kantone abgeschlossen hatten, machte die Schweiz im Jahr 1847 einen Bürgerkrieg durch (Sonderbundskrieg), welcher aber Dank des umsichtigen Oberbefehlshabers General Dufour nur wenig Blut forderte und mit der Vetreibung der Jesuiten endete. Der Preis für das Überleben der Schweiz als Kleinstaat war die Verpflichtung zur Neutralität: Auf dem Wiener Kongress von 1815 vesammelten sich die europäischen Fürsten und Staatsmänner, um die Verhältnisse in Europa nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo neu zu ordnen. Die Schweiz wurde zur immerwährenden Neutralität verpflichtet, dh. die Schweiz durfte nicht angegriffen werden, selbst aber auch keine militärischen Bündnisse mit fremden Mächten eingehen sowie deren Truppendurchzug nicht erlauben.
Dieser Rolle ist die Schweiz seither mehr oder
der Kantone unterstellt wurde, d.h. Privat statt
weniger gewissenhaft nachgekommen–die
Staatsbahn! So mass das Schienennetz 1864
Neutralität ist zu einem tief verinnerlichten
bereits 1200 km.
Prinzip geworden. Inwieweit diese Neutralität in einer völlig
Das wirtschaftliche Klima in der neuen
veränderten Welt heute noch sinnvoll ist, sei
Schweiz war optimistisch, die Industrie
dahingestellt.
boomte. Dominierend waren die Textil–sowie Maschinenindustrie.
Nach dem Wiener Kongress wurden für die
Einen rasanten Aufschwung zeigten die
Schweiz die bis heute gültigen Grenzen gezo-
Dienstleistungsbetriebe: Handel, Transport,
gen: Es gab nun 22 Kantone in einem geschlos-
Banken, Versicherungen und Tourismus. Die
senen Staatsgebiet.
Landwirtschaft zeigte aber bereits damals
Graubünden musste–leider–die früheren Un-
einen Rückgang von gut 10 %.
tertanengebiete Veltlin, Bormio und Chiavenna an Italien abtreten.
Das 20. Jahrhundert begann hoffnugsvoll, aber schon bald zerstörte der Erste Weltkrieg
Die neuen Ideen setzten sich nur schrittweise
(1914–1918) die friedliche Entwicklung. Die
durch. Nach dem Sonderbundskrieg 1847 war
Entbehrungen des Krieges führten in Russ-
der Weg aber frei für den modernen Bundes-
land, Deutschland und Österreich zu politi-
staat: Die Schweizerische Bundesverfassung
schen Umwälzungen. In der Schweiz forderten
von 1848 brachte nun ein Zweikammersystem:
die Arbeiter im Generalstreik 1918 soziale
National–& Ständerat sowie den Bundesrat.
Verbesserungen.
Die neue Verfassung gab der Eidgnossenschaft
Die Weltwirtschaftskrise 1929–1932 begüns-
eine zentralistische Struktur, die viele Rechte
tigte die Machtergreifung der Nationalsozia-
und Pflichten, die bisher in der Kompetenz der
listen in Deutschland und führte zum Zweiten
Kantone lagen, an den Staat übertrug.
Weltkrieg mit seinen unvorstellbaren Gräuel-
Der Bürger erhielt nun verschiedene Rechte
taten.
und Freiheiten, wie Presse–& Religionsfreiheit sowie freie Wahl des Wohnortes.
Die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt
Im Kulturkampf zwischen Liberalen und Kon-
von einem fast unbegrenzten Wirtschafts-
servativen wurden die Elemente der Direkten
wachstum, das die Grundlage zu unserer heu-
Demokratie entwickelt: 1874 wurde das Geset-
tigen Wohlstandsgesellschaft legte.
zesreferendum eingeführt, 1891 die Volksinitiative.
Heute leben wir alle in einer gut organisierten,
Die Abschaffung der Schranken, die früher
sicheren Gesellschaftssituation. Den meisten
den Personen–, Waren–und Geldverkehr er-
von uns geht es sehr gut–das Einkommen, die
schwerte, ermöglichte nun ein wirtschaftliches
Arbeit, das soziale Umfeld, die Konsum–und
Wachstum.
Wohnsituation stimmen für uns. Ob wir aber glücklicher und zufriedener sind
In der ersten Session des neuen Parlamentes wurden ein neues, für die ganze Schweiz gültiges Währungssystem eingeführt–der Schweizer Franken zu hundert Rappen. Vorher hatte praktisch jeder Kanton seine eigenen Münzen… Im Postwesen galt es, alle kantonalen Verwaltungen zu einem einheitlichen System mit gleichen Taxen zusammenzufassen. Die wichtigste Entscheidung fiel im Sommer 1852, indem der Eisenbahnbau der Oberhoheit
8
als früher–diese Frage lassen wir offen…
Entwicklung des Tourismus in den Bergen
der Kur entfernt! Der Badealltag verlief fröhlich bis frivol, die langen Badezeiten vertrieb man sich mannigfaltig: «Man schwatzt, liest, und spielt (Domino, Dame oder Schach)…» Natür-
Hatte der Mensch bis ins 17. Jahrhundert noch
lich besassen die Quellen aber auch heilende
wenig Sinn für die Naturschönheiten des Alpen-
Wirkung!
landes, da er die wilde Bergwelt mit all ihren Gefahren und Ungetümern fürchtete, begann er sie im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss von Wissenschaft, Kunst und Literatur zu bewundern und verehren:
Touristische Entwicklung im Unterengadin Auch im Unterengadin wurde der unerhörte
Es folgte ein erster Entwicklungsschub, die Welt
Wert unseres Wassers erkannt: Bereits 1838
wurde auch in ihren hintersten Winkeln erkun-
schrieb P.C.von Tscharner in seinem Buch über
det und wissenschaftlich erforscht.
die Heilquellen der Schweiz:
Reisende aus allen Herrenländern erkundeten die Schweiz (und andere Alpenländer). Es han-
«…In der Umgebung von Schuls, einem Ort mit
delte sich vorerst v.a. um Engländer oder Deut-
angenehmen und gesunden Klima, entspringen
sche, denn die Industrialisierung Ende des19.
ca. 20 Mineralquellen. Diese werden kaum ge-
Jahrhunderts trug wesentlich zum wirtschaftli-
nutzt, obwohl sie zweifelsohne zu den stärksten
chen Aufschwung in diesen Ländern bei.
mineralisierten Quellen der Schweiz gehören,
Die Schönheit der Berge, die Ruhe und Einsam-
einerseits Eisensäuerlinge, andererseits die
keit wurden entdeckt. Die Ferien–und Kurgäste
Glaubersalz–und Schwefelquellen.»
reisten vorerst ausnahmslos in den Sommer-
Zu den ersten Besuchern der Quellen gehörte
monaten an, um das einmalige Höhenklima und
übrigens der bekannte Zürcher Arzt Conrad
die atemberaubende Landschaft zu geniessen,
Gessner, der bereits im Sommer 1561 in diesen
um die Jahrhundertwende entdeckte man aber
Quellen sein Ischiasleiden kurte!
auch die Schönheiten des Winters. 1841 konnte die Gemeinde Tarasp ihre Quellen Reisen war aber nicht immer ein Vergnügen–
an Olgiatti & Concet für 20 Jahre vermieten,
schon gar nicht in der gebirgigen Schweiz und erst recht nicht für den einfachen Mann. Kutschen waren sehr teuer und so blieb nichts anderes übrig, als zu Fuss zu gehen, mit «starken, dauerhaften, gut eingetretenen doppelsohligen Schuhen»!(Bädeckers «Fuss–Reisen» waren ein Bestseller um 1880…). Dass man in einfachen Gasthöfen mit wildfremden Gästen sein Zimmer teilen musste, war ganz normal–Wanzen und Flöhe oft mitinbegriffen! Kurz–die Geburtsstunde für den SchweizerTourismus hatte geschlagen, wobei die Badekur die wohl älteste Form des Tourismus darstellte! Badekuren wurden gegen jedes und alles angewendet–Hysterie, Bleichsucht, Knochengeschwüre, Hautleiden, Unfruchtbarkeit und Geschlechtskrankheiten… Oftmals war die «Kur» aber nur ein Vorwand, das 1 Pferdepost | Hotel Belvedere und Post
Luxusleben in den Bädern war weit vom Zweck 1
9
1
in Scuol wurde die «Società da bogns SA», eine Aktiengesellschaft gegründet mit dem Zweck, ein »Bäderinstitut» zu bilden. In Vulpera entwickelte sich, dank dem Bau des Hotels «Zu den Salzwasserquellen» bereits ein gut florierender Kurort, obwohl die Mineralquellen unten am Inn lagen und nur über einen schmalen, steilen Weg erreicht werden konnten. Die Quellen wurden neu gefasst, ein einfaches Haus und eine Promenade entlang des Inns errichtet. Leider behinderten Missgunst und Böswilligkeit jahrelang die Entwicklung: Scuol und Tarasp lagen sich jahrlang in den Haaren bezüglich Eigentum, Nutzungsrechten, Wald und Wegen… Ein Prozess wegen Waldrechten dauerte sage und schreibe 500 Jahre und konnte erst 1906 beigelegt werden! Scuol machte sich sogar schweizweit einen schlechten Namen, da man böswillig Institutionen der Tarasper zerstörte und die Quellen zum Versiegen bringen wollte–und diese Episoden wurden in in–und ausländischen Zeitungen ausgeschlachtet und verspottet! 1857 analysierte der Chemiker Adolf v.Planta– Reichenau unsere Quellen. Verschiedene Grossräte kamen daraufhin zum Entschluss–um nicht beide Gemeinden vor den Kopf zu stossen–in Tarasp (Chaposch) und in Scuol (Brentsch) je ein Kurhaus zu errichten und gaben den
1 Waldhaus
Architekten Kubli & Gugelberg den Auftrag, ein
2 Kurhaus & Trinkhalle 3 Trinkhalle
Projekt auszuarbeiten. Die Kosten wären auf gut
4 Bau Freibad Vulpera
1‘400‘000.–belaufen…
5 Kurgäste bei Trinkhalle
Realisiert wurde keines der beiden Projekte. 10
3
2
4
Das Kurhaus in Nairs Die Geschichte lehrt uns: Es wurde anstatt der
gut, aber die Einnahmen waren kleiner als die
zwei geplanten Hotels nur eines gebaut–und
Ausgaben…
zwar das Kurhaus in Nairs, denn dies war der
Man begnügte sich nicht nur mit dem Hotel-
ideale Standort:
bau, es wurde auch ein Economiegebäude, ein Elektrizitätswerk, Maschinenhaus, Heizung,
Nahe der Quellen am Inn, von den beiden Ge-
Wasserreservoir, Brücken über den Inn, ein
meinden Scuol & Tarasp und vom Oberengadin
grosser Spaziergarten gebaut! Das Kurhaus
(durch die neu erstellte Strasse) gut zugäng-
selbst war ein Palazzo mit grossem Vestibül,
lich: So konnte am 26. Juni 1864 das «Grand
verziert mit Malereien, grandiosem Essaal,
Hôtel Kurhaus Tarasp» nach nur 3 Jahren Bau-
konzipiert für ca 300 Gäste!
zeit feierlich eröffnet werden. Es galt zu jener
In der Anfangseuphorie schätzte man die
Zeit als eines der schönsten, modernsten und
Kosten falsch ein und investierte viel zu viel,
grössten Kurhotels der Schweiz.
Fehlkalkulationen–jeder wollte sein Haus noch schöner und grösser haben!
Die grandiose Trinkhalle, alles in Arve, mit einer
Trotz aller Misserfolge–der Kurort gedieh
überdeckten Kuppel und einer Promenade
immer besser–1866 wurde die Verbindung
zum Flanieren und Wassertrinken wurde 1876
über den Flüela eröffnet. Dies gab sicher viele
eröffnet.(Und heute droht ihr der Untergang…)
Impulse zur Neueröffnung von Geschäften,
Im Vulpera wurde 1897 das Waldhaus eröff-
1869 wurde in Scuol sogar ein Erholungs-
net, drei Jahre später der ältere Teil des Hotel
garten gebaut…
Schweizerhofs, der 1913|14 erweitert wurde. Durch Publikationen bekannter deutscher Ärz-
Innerhalb weniger Jahrzehnten entwickelte
te wurde das Bad Schuls–Tarasp–Vulpera im
sich Scuol–Tarasp–Vulpera zu einem der be-
ganzen deutschsprachigen Raum bekannt und
deutensten Heilbäder der Schweiz.
erlebte einen raschen Aufstieg. Es wurde auch
Einen mächtigen Auftrieb erwartete man von
das «Karlsbad der Alpen» genannt.
der Eröffnung der Bahnverbindung 1913 ins
Leider war die anfängliche Baueuphorie zu
Unterengadin.
gross, man engagierte sich zu fest (gab zu viel
Nach den schweren Kriegs–und Krisenjahren,
Geld aus für Luxusausführungen…), so dass
die der Hotelerie arg zusetzten, war es v.a.
nach kurzer Zeit einige Hotels Konkurs anmel-
Vulpera, das zukunftsorientiert an den Ausbau
den mussten, u.a. auch das berühmte Kurhaus
seiner Anlagen ging. So konnte schon 1925 der
(und zwar nur 5 Jahre nach der Eröffnung)!
Golfplatz eröffnet werden–die Tennisplätze
Zwar kamen die Gäste und der Betrieb lief
und das Schwimmbad folgten wenig später.
11
5
1
Der Hotelboom rund um die Jahrhundertwende führte zum erbitterten Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Etablissements, aber auch zwischen den einzelnen touristischen Regionen. Wichtigste Waffe war dabei die Werbung per Plakat, Prospekt, Postkarte oder Inserat. Diese Werbeträger führten klimatische oder landschaftliche Reize an, operierten mit einer günstigen Verkehrslage und spekulierten mit dem neu erwachten Bedürfnis nach Komfort: Zentralheizung, elektrisches Licht, Personallift usw. Die Kehrseite dieser Entwicklung–die geplante Überbauung ganzer Landstriche–gab schon dazumals zu schweren Bedenken Anlass.
1 Vulpera
Seite: 14–15
1 Flüelahospiz Pferdepost
2 Einweihung der Gurlainabrücke 17.12.1905
3 Stradun Scuol Café Rauch "Post | GKB"
4 Erste Autos im Unterengadin (Scuol–Samaden)
5 Ankunft des 1. Zuges der Rhb in Zuoz
6 Bahnhof Scuol
12
Bauliste der Hotels & Pensionen 1860
Hotel Quellenhof Scuol (bereits 1834 in Vi)
1862
Hotel Belvedère Scuol, Hermann Arquint–Rosler, später Hotel Du Parc
1862
Villa Lorenz Scuol, abgerissen
1864
Pension Alpenrose Vulpera, Fräulein Carl
1864
Pension Tell Vulpera, Dr. Giamara
1864
Hotel Könz zum Piz Champatsch Schuls, Präsident J.P.Könz
1865
Hotel Denoth Martinsbrück, Simon Denoth
1865
Kurhaus Tarasp, Quellen–& Maschinenhaus, Ökonomiegebäude
1865
Cafe Rauch Scuol
1866
Hotel Rätia Sent, Aktiengesellschaft
1871
Hotel Belvedère Scuol
1871
Hotel de la Posta Scuol
1870
Hotel Hotel Rätia Susch, Bonorand
1873
Hotel zum Bären Zernez, Bösch, später Aktiengesellschaft
1873
Hotel Krone Schuls, Patscheider,später C.Biert
1874
Gasthaus Filli Zernez, B.Filli
1874
Post & Zollgebäude Martinsbrück
1876
Trinkhalle und Wandelbahn,Kurhaus Tarasp
1877
Hotel Schweizerhof Susch, Sprecher
1877
Villa Kurhaus Tarasp–Schuls
1878
Ivafarbik Samedan,Apotheker S.Bernhard
1879
Bade–& Trinkhalle Schuls, Tarasper–Schulser Gesellschaft
1880
Hotel Waldhaus Vulpera, Fr. v.Moos
1883
Englische Kirche Kurhaus Tarasp
1885
Hotel Bären Scuol
1885
Pension Alpina Ardez, Fräulein Pinösch
1885
Hotel Victoria Ftan, Denoth
1890
Villa Lischana Scuol
1892
Posthaus Zernez, Rudolf Bezzola
1893
Pension Meisser, Guarda, Andrea Meisser
1893
Dependance z.Hotel du Parc, Schuls, Conradin Arquint
1894
Postgebäude Scuol
1895
Hotel Valentin Scuol
1895
Restaurant Pradella,Scuol, Monsch
1895
Restaurant Conradin auf St.Jon bei Scuol
1895
Villa Jacob Rauch,Scuol
1903
Hotel Engadinerhof Scuol
1904
Villa à Porta Scuol
1905
Villa Hartenfels Scuol
1906
Hotel Helvetia|Lischana Scuol
1907
Chasa Planta Scuol
1916
Villa Belvair Scuol
13
Entwicklung der Verkehrsmittel und–wege Graubünden darf wohl seit altersher als klassisches Transitland bezeichnet werden–die Nord–Südachse der Alpen schlechthin. Daher scheint es fast unwahrscheinlich, dass die erste befahrbare Pass–Strasse erst 1821 über 1
den San Bernadino gebaut wurde, 1823 Splügen, 1826 Julier. 1828 wurde die Engadinerstrasse von Silvaplana nach Casaccia eröffnet. Im Unterengadiner–Strassennetz wurden folgende Strecken gebaut: 1867
Flüelapass–Strasse Davos–Susch
1846|65 Engadiner Strasse Silvaplana Martina 1871|72 Ofenpass–Strasse Zernez Müstair 1869
Guarda–Strasse Giarsun–Guarda
1862
Vulpera–Strasse Kurhaus–Vulpera
1873
Tarasper–Strasse Vulpera–Fontana
1865
Ftaner–Strasse Ardez–Ftan
1866|82 Ftaner Strasse Ftan–Scuol 2
1865
Sentner–Strasse Scuol–Sent
1865
Sentner–Strasse Sent–Crusch
1865
Tschliner–Strasse Strada–Tschlin
1866
Ramoscher–Strasse Landstrasse–Dorf
Zu Beginnn des 20.Jahrhunderts betrug die Streckenlänge des ganzen Strassennetzes in Graubünden 977 km, die Erstellungskosten beliefen sich bis dahin auf rund 17 Millionen Franken, der jährliche Unterhalt belief sich auf ca. 450‘000.–. Der langsam aufkommende Tourismus bot damit den Kurgästen eine willkommene Abwechslung: Während der Sommersaison wurden die Strassen intensiv genutzt durch Zwei–& Vierspänner, die die Gäste durch die 3
14
schöne Gegend chauffierten.
Als besondere Attraktion galt ein Fahrt über 4
den höchsten Alpenpass Europas, über das Stilfserjoch nach Bormio. Die wirtschaftliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts, d.h. vor allem die Verbesserung der Verkehrswege und der Verkehrsmittel, sowie das Aufkommen des Bergsports in seinen verschiedensten Formen verliehen dem Fremdenverkehr einen gewaltigen Auftrieb. Dies hatte den Bau vieler moderner, grosser Hotelanlagen zur Folge, die an Stelle der einfachen Privat– und Gasthäusern traten. Beinahe schizophren mutet es an, dass das Auto im Kanton Graubünden erst 1925 offiziell zugelassen wurde…Auf eigenen Privatstrassen
5
durften die neuen Vehikel aber verkehren–wie z.B. vom alten Hotel Belvedère zum neuen… Die Strassen erhielten aber schon bald Konkurrenz durch eine neue, technische Errungenschaft–der Eisenbahn.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurden in den Alpen gigantische Bahnprojekte geplant, von denen aber nur die wenigsten realisiert wurden: Das wohl ehrgeizigste Projekt war eine durch gehende Nord–Süd Verbindung von der Ostsee zum Mittelmeer und West–Ost bis in den Orient. 6
15
1
2
Verschiedene Varianten wurden geprüft:
Eine ganz andere Erwerbsquelle bot sicher der Bau der Eisenbahn selbst, wobei schon damals
· Gotthard, Splügen, Lukmanier, Simplon
sehr viele Gastarbeiter–v.a. aus dem nahen
· Ostalpenbahn
Norditalien–hier Arbeit fanden. Viele sind
· Brenner
geblieben und die Nachkommen leben heute
· Schweizerische Ostalpenbahn
noch hier.
· Rhätische Bahn (der Vereina–Tunnel war
Sicher ist–am 24. Juni 1913 wurde die Strecke
bereits 1912 im Gespräch.)
Bevers–Scuol (bereits elektrisch betrieben!)
· Tödibahn
feierlich eröffnet: Die gesamte lokale Promi-
· Greinabahn
nenz, die ganze Bevölkerung und sogar ein
· Vintschgaubahn inkl. Verbindung Landeck–
Bundesrat waren anwesend!
Mals
Gesamthaft waren im ganzen Kanton 375 km
· Verbindung Landeck–Engadin–Comersee
Streckennetz (Schmalspur 1m) entstanden, ca
· Fern–Ortler–Bahn, inkl. Südlicher Anschluss
120 Tunnels und ca 500 Brücken…
an Bormio–Tirano
Das erste Flugzeug im Engadin mag wohl man-
· Karwendelbahn usw.
cher mit Skepsis betrachtet haben!
Einige Projekte wurden in die Tat umgesetzt,
schliesslich der oberen Bevölkerungsschicht
die meisten aber scheiterten an den Finanzen
vorbehalten. Erst die Erweiterung des Ei-
oder anderweitigen Schwierigkeiten.
senbahnnetzes ermöglichte fortan breiteren
Als Graubünden bei der Nord–Südachse leer
Bevölkerungskreisen das Reisen: Der Massen-
ausging, denn der Gotthard erhielt den Zu-
tourismus nahm seinen Anfang.
Der Fremdenverkehr war anfänglich aus-
schlag–dachte man in Chur an eine Orientbahn, d.h. über den Albula–Ofenpass nach Meran oder eine Septimerbahn nach Chiavenna, eine San–Bernadinoroute ins Misox, von St.Moritz über den Maloja nach Chiavenna oder von Scuol nach Landeck–heute wissen wir: Keines der Projekte wurde wahr… Was dem Kanton Gaubünden aber arg zusetzte, war die Tatsache, dass mit der Eröffnung des Gotthards der ertragbringende Tran1 Umzug Eröffnung Rhb bis Scuol 1913
2 Projektübersicht
sitverkehr ausblieb–man musste nach neuen Einnahmequellen suchen! Der aufkommende
3 Postauto nach Sent
Tourismus war da prädestiniert, in touristische
4 Stradun Scuol
Attraktivitäten zu investieren. 16
3
4
Das erste Auto im Unterengadin
Stradun Scuol
Noch vor dem Ausbau der Eisenbahnstrecke
Bis 1860 war die Verbindungsstrasse durch
ins Unterengadin entspannte sich ein erbit-
das Engadin bis Ardez fertig. 1862|63 folgte
terter Kampf um die Zulassung eines andern,
die Verbindung nach Scuol (somit der An-
modernen Verkehrsmittels:
schluss ans Kurhaus) und weiter nach Martina. Der Stradun in Scuol existierte vorher
Das Auto. Um die Jahrhundertwende fuhren
nicht, da waren die Gärten der Häuser…Die
die vorerst primitiven Vehikel erstmals herum.
Verbindungsstrassen waren:
1900 verfügte die Bündner Regierung ein rigo-
·
Nach Sent über Chauennas und
roses Automobilverbot da die Fussgänger und
·
Nach Ftan über Munt Clü.
das Vieh gefärdet seien, die Strassen unter der Belastung litten, Lärm und Staub die Men-
Scuol ist eines der zahlreichen Beispiele eines
schen belästige–alle Ausreden waren recht…
Dorfes, in welchem durch den aufkommen-
Auf Privatstrassen war das Fahren notabene
den Tourismus ein krasser Bruch stattfand
erlaubt–so in Scuol auf der Via dals Bogns
zwischen organisch gewachsenen Siedlungs-
oder vom Kurhaus nach Vulpera…
formen (Dorf) und geplanter Architektur im
Grosse Angst um ihre Existenz hatten die
ausgehenden 19. Jahrhundert (Stradun).
Fuhrhalter, die sich vehement wehrten. So
Scuol selbst war unterteilt in vier Terzals
wurden zwischen 1907 und 1925 nicht weniger
(Dorfteile), nämlich Bügl grond, Plaz, Clozza
als zehn Volksabstimmungen durchgeführt, bei
und Vih, wobei jeder Terzal einen eigenen Capo
denen neun vom Souverän abgelehnt wurden!
hatte und wie eine kleine Gemeinde funktio-
Endlich, am 21. Juni 1925, hiess man eine teil-
nierte.
weise Zulassung des Autos gut. 1933 gab es im Unterengadin 44 Autobesitzer
Bädertourismus und bessere Verkehrsverbin-
und 26 Motorradinhaber.
dungen führten zu einer richtigen Baueuphorie: Häuser, Hotels und Läden entstanden sowie unzählige Jugendstil–Häuser Chalets. Von diesen haben aber die wenigsten überlebt.
17
Beschreibung der Hotels und deren Geschichte: Hotel Bären|197*
Villa Lorenz|322
Ursprünglich Bauernhaus mit Wirtschaft und
Erbaut 1862 durch Pola Hermann. Zuerst be-
viel Boden rundherum, bis ca 1885|90. Später
fand sich hier das Postbüro. 1900 kaufte Emil
verkauft an S.Könz, der das Hotel Bären sowie
Lorenz das Haus und baute es als Chalet um.
Colonialwarenhandlung mit grossen Stallun-
Nach seinem Tod kauften Jachen Andry(*1885
gen und Remisse erbaute, um die vielen Pferde
von Ramosch) und seine Frau, Boscha, gebür-
der Post unterzubringen.
tige Luzzi (*1901 von Ramosch) das Chalet. Die
Ca. 1912 übernahm sein Neffe, Jon Könz, das
Erben waren Jachen Andry. 1950 wohnten der
Hotel und erbaute die Villa Könz, er verstarb
Hotelangestellte Bezzola Giovanni, verheiratet
1917. Übernahme durch J.Caduff. Sep Parolini er-
mit Anna Mengiardi von Ardez, sowie der Ge-
öffnete in der Remisse eine Garage, die er 1932
meindeangestellte Valentin Hartmann, verhei-
an Hügin verkaufte. Dieser nannte sie Grand-
ratet mit Nonina Denoth von Ramosch in der
garage und führte auch Reparaturen durch.
Villa Lorenz. 1962 riss Chasper (Paper) Andry,
Das Hotel Bären verkaufte Caduff später an
der Sohn von Jachen Andry, die Villa Lorenz ab
Maria Gottardi. Später Lebensmittel Augustin,
und erbaute die heutige Chasa Pisoc.
dann Lechthaler. Heute: Center Augustin Caduff errichtete 1927, 2 Jahre nach der Zulassung des Autos in GR, ebenfalls eine Garage, die er 1932 zusammen mit Oscar Denoth vergrösserte. Dieser übernahm 1933 das ganze Gebäude und eröffnete die Central–Garage.
Villa Belvair|169 Haus erbaut 1916 durch Jon Könz: 3 Wohnungen& 2 Ladenlokale. Spätere Eigentümer Henrietta Könz–Rosler und Friedrich Vital–Könz. Im einen Laden (Filiale) verkaute Th.Conrad Brot und Patisserie (Hauptgeschäft im Hotel Gabriel|Conrad), im andern verkaufte Frieda * Die Nummer beziehen sich jeweils auf die Kataster–Nummern der Gemeinde
Egen Schuhe; später Schneideratelier Tinet Peer von Sent. Tochter von Friedrich Vital, Gianna Breuleux–Vital verkaufte 1987 das Haus an die
1 Villa Lorenz
FA Bezzola, welche das heutige Hotel Belvair er-
2 Hotel Bären
stellte. Heutiger Eigentümer: Kurt Baumgartner.
18
1
19 2
1
2
3
Badehaus Quadras|323
Café Rauch|325
1876 wurde ein Gebäude für Mineralbäder er-
1865 als Kolonialwaren–und Eisenhandlung
baut, dazu ein Heizhaus sowie eine Wäscherei
sowie Wirtschaft erbaut durch Jon Not Roner.
durch die Bädergesellschaft Tarasp–Schuls.
Durch Erbteilung erhielten Jachen Jon Rauch
Bis 1902 existierten ein Warteraum sowie 10
und seine Frau Chatrina, geborene Roner, das
Badewannen. Im gleichen Jahr wurden noch 10
Haus zugesprochen. Nach erneuter Erbteilung
Kabinen erbaut sowie eine grosse Dampfhei-
ging das Haus an Jon Rauch (*1871) und seine
zung.
Frau, Emma Schlatter(*1879, geb. Monsch).
Bis zur Renovation 1947|48 durch die Firmen
Diese führten neben der Wirtschaft auch das
Bezzola und Simon Denoth & Figls nach den
berühmte Café Rauch mit Konditorei.
Plänen des Architekten A.Verdieri von St.Moritz
Nach dem Tod von Emma Schlatter–Rauch
blieb das Bogn so bestehen. Es enthielt eine
führten ihre Töchter Erna, Barbla (Bäbeli) und
besonders reizvolle Halle sowie Wandmale-
Lilly das Geschäft weiter. Die im Gebäude
reien. Die Dampfheizung (mit Holz betrieben)
integrierte Kurzwaren–Handlung (Werkzeuge
wurde durch eine Ölheizung ersetzt.
und Haushaltwaren) wurde durch den Bruder
1956 wurde das Bad wintertauglich umgerüs-
Jachen Rauch "Jachen da las guottas" wei-
tet.
tergeführt bis 1950, als er sie an Hr. Bischof–
Die Gesellschaft in Nairs hat das Gebäude un-
Salis verkaufte. Später übernahm die Firma
terdessen der Gemeinde Scuol abgetreten.
Lüthy–Eichholzer von Samedan das Geschäft;
In einer umstrittenen Gemeindeabstimmung
es wurde vorerst durch Not Taisch (bis 1960)
1989 stimmte das Volk einem Neubau zu, der
und danach durch Reto Lys–Tscharner geführt.
1993 vollendet werden konnte–das heutige
Dieser baute später ein neues Haus (Grond),
Bogn Engiadina.
welches im Herbst 2007 abgebrochen und das @Center errichtet wurde. 1964 kaufte Joannes Campell–Schmidt von Ardez das Café Rauch und führte es als Hotel weiter. 1973 mit Haus Rauch|326 verbunden zum heutigen Hotel Astras. (1982 Helmut Weller, 2001 Christian Rainer).
1 Badehaus Quadras ca. 1929
2 Badehaus Quadras ca. 1950
3 Café Rauch & Postbüro
4 Hotel Quellenhof
20
4
Haus Rauch|Quadras 326 Wurde 1895 durch Jachen Jon Rauch erbaut;
Das benachbarte Haus Nr. 319, Elternhaus von
unterhalb v. Café Rauch auf geerbtem Grund
Baua & Andrea Vital wurde dem Quellenhof als
vom Fotografen Clà Rauch (*1875) und des-
Dependence verkauft.
sen Frau Ana Mischol (*1879). Der Sohn von
Nach 1950 folgten viele Pächter, u.a. Frl. Gretta
Jachen Jon–Wilhelm Rauch *1904–übernahm
Klaas aus Scuol.
das Fotoatelier und führte es weiter bis 1972,
1964|65 kaufte Züger das Hotel und baute es
als Joannes Campell das Hotel Astras erbaute
wintertauglich um.
(siehe oben).
Danach wechselte das Hotel mehrere Male die Hand, u.a. SSR–Reisen etc.
Quellenhof|335 Haus Marchi, sicher seit 1834; später erwarb Hr. Wieland die Liegenschaft und taufte sie «Wieland’sches Gasthaus», mit Möglichkeit zu Mineralwasserbädern. 1860 kaufte Dr. Otto à Porta das Haus und nannte es nun «Pensiun à Porta», baute es später um und nun hiess es «Hotel Schuls». Leider machte das Hotel kurz danach (1883) Konkurs, und es blieb mehrere Jahre geschlossen. 1883|84 kauften die Frauen Branger & Roffler von Davos das Objekt und nannten es «Quellenhof». Sie führten es bis zum Tod von Hr. Buol– Branger. 1932 wurde die Aktiengesellschaft «Quellenhof SA» ins Leben gerufen. Als Direktor wurde Hr. Michel aus Igis gewählt. Frau Roffler lebte noch bis am 17.11.1937 und Frau Michel führte das Hotel bis 1946, danch übernahm die Familie Hitz aus Klosters das Direktorium. 1949|50 wurden das Restaurant modernisiert und ein Lift eingebaut (1.Stock bis unters Dach). 21
Heute gehört es der Gesellschaft Quellenhof AG. Am Stradun wurde ein Laden vermietet: Schuhgeschäft Ludwig Schiller, danach «Früchte & Gemüse Venzi & Co», Rossi, Ambühl, Bio–Vitalini, Bio–Betschla.
1
Haus 327 Postbüro|Kantonalbank
Haus Stöckenius|324
Post–, Telefon–und Telegraphen–büro, 1892
1898 erbaute Adolf Stöckenius (*1865) ein
erbaut; Eigentümer Könz, Töndury und Pinösch.
Geschäftshaus. Nach seinem Tod 1937 erb-
Vorher befand sich das Postbüro in Vih (Haus
te sein Bruder Ludwig (*1870) das Haus, der
Pfister).
aber auch nur noch 5 Jahre lebte. Die Erben
1901 durch die Gesellschaft Belvedère–Posta
führten das Geschäft weiter bis 1943, danach
e du Parc SA übernommen.
«Adolf Stöckenius AG». Als Direktor wurde der
Bis 1962 Postbüro, im 1. Stock Telefon–&
Sohn Adolf Stöckenius (eingebürgert in Guarda
Telegrafenamt. 1962 Umzug an den heutigen
1905) eingesetzt.
Standort. Die Gesellschaft musste das Ge-
Er war mit Olga Müller (von Hundwil) verhei-
bäude der Kantonalbank überlassen, welche
ratet. Sie hatten eine Tochter und drei Söhne
es für den eigenen Gebrauch und als Büro
und führten das Geschäft bis 1980. Danach
des Kurvereins ausbaute (1964–1980). Obere
folgten die heutigen Besitzer, Heini und Ursula
Stockwerke Mietwohnungen.
Stöckenius
1980 kündigte die Bank infolge Platzmangel den Vertrag mit dem Kurverein und richtet das ganze Erdgeschoss als Bank ein. 1997 wurde das ganze Gebäude abgerissen und der heutige Bau erstellt (Kantonalbank). Die Remisse (Haus 333) auf der anderen Strassenseite gehörte ebenfalls der Kantonalbank, welche die ehemalige Stallungen an Domenic Cantieni in Ftan (Bäcker) verkaufte.
1 Haus Stöckenius 2 Villa Hartenfels 3 Tram 4 Hotel Belvedère
22
2
3
4
Hotel Belvedère|330 Erbaut 1871–75 durch Mastralessa A.M.
de, was schlussendlich zur Schliessung führte.
Arquint–Rosler (Wittwe von Herman Arquint)
1999 übernahm Kurt Baumgartner mit seiner
und deren Sohn Conradin, als «Neues Hotel
Frau Julia das Hotel Belvedère.
Belvedère», Architekt unbekannt. 1901 Aktiengesellschaft Belvedère–Posta e du Parc SA. Das alte Hotel Belvedère = späteres Hotel du Parc. Die Stallungen waren in Craista, Haus 143. 1905 wurde L.Smith als Direktor gewählt. Die Erben von Hermann Arquint verkauften die Hotels Belvedère und Du Parc an Chasper Pinösch & Co. Das damals noch kleine Hotel Central war auch in der Erbschaft und wurde durch die Familie Lyss (Verwandte der Arquints) geführt (Chatrina Roner–Lyss). Das Neue Belvedère war ein Luxusbau ohnegleichen–es wurde sogar eine Tramverbindung ins Kurhaus eingerichtet (alle 15 Minuten!). Das benachbarte Haus 145 (ursprünglich Haus Mengia Peer), ebenfalls in Besitz der Gesellschaft, wurde 1951 wegen Einsturzgefahr abgerissen. Im Hotelinventar wird das Hotel wie folgt qualifiziert: « Plastisch durchgestalteter, kompakter und einheitlicher Bau aus einem Guss und wirkt bis heute als markantestes Zeugnis des Hotelbaus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er ist besonders wirkungsvoll im Ortsbild.» 1950 führten Michel Lys (*1885) und seine Frau Nina geborene Kaiser (*1886 von Samedan) das Hotel. Danach folgten verschiedene Hoteldirektoren: Nicolo Gaudenz, Peter Riva, Bonjour etc. Das Hotel geriet in schlechte Hän-
23
Villa Hartenfels|334 Erbaut 1870 als Remisse, 1905 abgerissen. Jon Not Roner und seine Frau Nesa, geb. Hermann erbauten das heutige Haus. Nach dem Tod von Jon Not wurde durch Erbschaft das Haus an Jachen Jon Rauch und später an seinem Sohn Hermann Rauch (*1870) vermacht. Dieser war mit Christina Roner (*1881) verheiratet. Sie hatten zwei Söhne: Advokat Johann Otto & Uhrmacher Roman. Im einen Laden betrieb Herman Rauch seinen Uhrenladen. Die andern Läden wurden an verschiedene Pächter vermietet: Büro des Kurvereins, Schuhgeschäft Morell–Allemann, Coiffeur Parolini (später Müller), Fotoatelier Wilhelm Rauch. Heute Schuhgeschäft Populara, Boutique La Trapla, Ferienwohnungen.
1
2
3
Hotel Valentin|400
Hotel Engadinerhof|414
1895 erbaut durch Josef Jachen Rauch («Sep
1903|4 vergab der Fensterbauer Johann Frei
Rauch») als Villa Rauch. Er war Uhrmacher und
von Davos die Planung dieses Jugendstil–Ho-
erster Fotograph in Scuol. Das Haus besass
tels an den Architekten Bisaz–Clavuot von
vorerst nur 2 Stockwerke und ein Flachdach.
Zernez. Der Westteil wurde 1905 erbaut. Frei
Da der Untergrund sumpfig war, wurde das
leitete das Hotel bis in seine alten Tage. Sein
Haus auf Pfählen erbaut.
Sohn Hermann war am Ruder bis zu seinem Tod
Sep Rauch war verheiratet mit Angiolina Valen-
1963. Seine Geschwister Carl und Clärli bauten
tin (Anna Bella) aus Sur En|Sent. Sie heiratete
im Garten nebenan das Chalet Frei (als Stöck-
nach Rauchs Tod den Pfarrer Schimun Von-
li für die alten Tage). 1964 wurde das Hotel
moos von Ramosch. Ihr Bruder, Jon Valentin
verkauft an Hr.Camenzind von Luzern, der eine
mietete das Haus, erhöhte es um 2 Stockwerke
grosse Renovationen durchführte, wobei die
und führte es als Hotel mit Restaurant "Valen-
Mittel knapp wurden: Hr. Züger, der das Ho-
tin" weiter. Einer der beiden Söhne, Jon, führte
tel Quellenhof besass, half mitzufinanzieren.
das Hotel nach dem Tod des Vaters für kurze
(1965 engagierte sich Züger zudem entschei-
Zeit weiter, danach die betagte Mutter alleine.
dend bei der Belvedère–Posta–AG.)
Das Restaurant wurde an verschiedene Päch-
Der Engadinerhof wurde in der Folge durch
ter vermietet wie Emil Bigler oder Dora Demar-
verschiedene Hoteliers geführt, am längsten
mels.1904 richtete der Arzt Dr. Peider Steiner
war Familie De Gennaro, welche 1977 das Hotel
seine Praxis im Hotel ein, 1962 der Zahnarzt
Filli übernahm.
Notaporta Gaudenz.
Nach mehreren Jahren Leerstehens verlotterte
Der letzte Pächter, Milo Bilger, kaufte das Hotel
das Hotel leider zusehends.
und führte es unter dem Namen Hotel Bigler.
1989 kauften die Bergbahnen Motta Naluns
1985 kaufte die Firma Allod|Mathis von Chur
das ganze Areal, um ein neues Hotel zu errich-
das Hotel, riss es ab und baute das heutige
ten–leider wurde nur abgebrochen, seither
Gebäude Gallaria Milo mit Läden, Disco und
ist hier ein Parkplatz…Vielleicht investiert ein
Wohnungen.
Italienischer Unternehmer hier bald sein Geld ? 2010 ist eine riesige Anlage mit Hotel, Läden und Wohnungen geplant.
1 Hotel Engadinerhof 2 Hotel Valentin | Bigler
3 Hotel Valentin später Bigler
24
Chasa Planta|401
Villa Engiadina|402
1907 baute Baltisar Planta–Vital dieses Haus
1873 kaufte Georg Baretta von Men Andri
auf sumpfigem Untergrund (auf alten Karten
Sarott den Boden in Sachs, an den Stradun
ist auf der Westseite des Hauses noch ein
angrenzend. Er erbaute ein Haus mit Backofen.
Bach eingezeichnet!).
1888 kaufte Sidonia Biveroni von Samedan das
Nach seinem Tod übernahm Sohn Roman
Gebäude. Ein Ladenlokal war an den Apotheker
Planta–Demarmels das Haus. Er eröffnete
Vintschger vermietet, welcher aber das Enga-
eine Milchhandlung. Später wurde das Haus
din bald wieder verliess. Sein Nachfolger, Bois-
vermietet, danach verkauft an A. Kempler, der
seau, machte 1889 Konkurs. Für 2 Jahre folgte
eine Pension für orthodoxe Juden eröffnete.
Neumann. Danach übernahm Joseph Monreal
Der Westteil mit verglaster Veranda (Essaal)
aus Würzburg die Apotheke und führte sie hier
wurde angebaut. Da die Pension aber nur
bis zum Neubau in Chaschiners|Tulai.
wenige Betten besass, schaute man sich schon
Verschiedene Mieter folgten: Baltisar Planta
bald nach etwas grösserem um: Kempler kauf-
(welcher das Haus vis–a–vis 1907 erbaute),
te von Frau Fulia das Hotel Victoria. Das Haus
Lorenz–Töndury (1900 Neubau Chalet Lorenz),
Planta wurde 1932 an Trany Heber verkauft,
Otto Töndury–Pedotti, der Bruder von Lorenz‘s
der mit seiner Frau den Laden «Billige Quelle»
Frau, Direktor und Grossaktionär des Kurhaus
(Kleider, Zeitungen, Zigaretten etc) eröffnete. In
Tarasp, kaufte danach das Haus, erhöhte es
der Veranda hatte Schneider Mall sein Atelier.
um 2 Stockwerke, errichtete die Terrassen
1948 übersiedelten Hebers nach Lugano und
und liess es mit historischen Motiven aus
vermieteten das Haus an das Ehepaar Um-
der Bündner Geschichte bemalen (durch Otto
bricht–Wasmer. Nach der Scheidung führte
Haberer.) Im Erdgeschoss war eine Filiale der
Maria Wasmer den Laden alleine weiter und
Kantonalbank eingemietet.
kaufte 1962 das Objekt. Sie vermietete den
Infolge des 1. Weltkrieges verlor Otto Töndury
andern Laden an den Barbier Brückner, danach
alles und machte Konkurs.
Meixger. Später kam die chemische Reinigung
Dr. Steiner hatte 1908 seine Praxis hierhin ver-
von Otto Janett, das Büro der Winterthur, die
legt, bis zu seinem Unfall–Tod 1926. Die Wittwe
Wollstube Filli und Dora Schlittler.
konnte das Haus übernehmen und verkaufte
Als Maria Wasmer 1989 starb, vermietete der
es später dem Masseur Müller. 1931 mietete
Bruder Karl den Laden weiter an Heinrich–
sich Dr. Men Gaudenz, aus London kommend,
Sport, Schneider Peer und Uhrmacher Buchholz.
hier ein und konnte nach Müllers Konkurs das
2000 kaufte Petra Schlatter die Liegenschaft
Haus kaufen und umbauen.
und baute sie suczessive um, wie sie heute
Diverse Laden–Mieter: Lamm, Stöckenius,
dasteht (Bäckerei Schlatter|Mundart).
Parolini, Dannenberger u.a. Die Praxis von Dr. Gaudenz übernahm Dr.Paper Denoth, der vis–a–vis ein neues Haus mit Praxis erstellte. Heute Ausstellung Curdin Müller. Fotos auf Seite 26
25
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3
4
5
Villa Fulia|403 Hotel Victoria|404 Die Villa wurde 1890 durch Hr. Fulia–Schmidt
eingemietet.
von Tschlin nach Plänen des Architekten Faller
Es folgten die Ärzte Dr.Steiner, Dr.Berger,
von Sent erbaut (es wurde erzählt, Faller habe
Dr.Enderlin (Neubau Miramunt 1934, Abriss
vergessen, Kamine einzubauen…). Fulia besass
2008), danach kurze Zeit der Zahnarzt Droz.
in Caracas eine renommierte Schokoladenfa-
1959 wurde das Gebäude an die Dirketion
brik.
der Schweizer Post verkauft, welche es 1961
1888 kehrte er gelähmt aus Amerika zurück,
abriss und durch den Architekten Bruno Gia-
lebte vorerst in Nizza, danach in Scuol. Er
cometti das heutige Gebäude erstellen liess.
kaufte hier das kleine Hotel Monsch–French,
Heute Postgebäude.
welches 1885 erbaut wurde. Monsch war der Bruder von Emma Schlatter Rauch|Café Rauch. 1890–97 wurde das Hotel Victoria erbaut–ein grosses Luxushotel mit 120 Betten. Die Stallungen für die Pferde wurden vorerst im Garten eingerichtet, später am heutigen Standort der Villa à Porta. Ludwig Stöckenius war der 1. Hoteldirektor (vorher ebenfalls in Caracas), der 2. war Bartels (nachher Castel Zuoz), der 3. Giorgo Kalinguti von Samedan. Frau Fulia (Madame Fulié) überlebte ihren Mann um viele Jahre. Es wurde gemunkelt, dass die Frau von Direktor Ludwig Stöckenius, eine unehliche Tochter von Madame Fulié gewesen sein… Verwandte des Ehemanns waren die S–charplaz von Strada. 1918 kaufte Kempler (vorher Villa Planta) das 1 Apotheke Monreal 2 Villa Engiadina 3 Hotel Victoria
Hotel für jüdische Gäste und führte es bis ca. 1959. Kurarzt Dr. med. Vogelsang führte ab 1891 hier seine Praxis (nur im Sommer, Winter in Mon-
4 Hotel Victoria
treux), bis er 1926 seine «Villa Sonneck|Sül
5 Hotel de la Poste
Mot» erbaute. Vorher war er im Hotel Du Parc 27
Hotel de la Posta|328 Erbaut 1871 durch Dr. Felice Vital, mitfinanziert durch die Gebrüder Vital sowie den Ständerat Könz. Vital starb 1883 unerwartet und das Hotel wurde durch eine neue Gesellschaft, J.U.Könz, Pinösch & Co übernommen. Im gleichen Jahr ging der Quellenhof Konkurs. Flurin Bisatsch («Schombel»), der in Triest lebte, verkaufte sein Haus 370 an das Hotel (Datum unbekannt). Das Hotel wurde 1901 mit den Hotels Belvedère und du Parc in einer Aktiengesellschaft zusammengeschlossen und die Verbindungsbrücke zwischen den beiden Hotels Belvedère und Posta im Jugendstil erbaut. 1950 führten Michel Lys (*1885) und seine Frau Nina Kaiser (*1886 von Samedan) das Hotel. 1978 Verkauf an COOP, Abriss und Neubau des heutigen COOP (1981.)
1
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3
Hotel Helvetia| Lischana|413
Hotel da la Curuna
1906 erbaute Hr. Bischoff–Morandi von Scuol
Erbaut durch Hr. Patscheider, 1881 erweitert mit
(Cousin des damaligen Capo Jon Pischen
Metzgerei, Restaurant und 20 Betten, Inhaber Fl.
Bischoff, wohnhaft in Polen) dieses Hotel. Das
Telser. Später kaufte Chasper Biert die Metz-
Gelände war sehr feucht (von der Moräne wur-
gerei und zügelte auf die andere Strassenseite,
de gesagt…) und beim Bau gab es zwei Todes-
gleich neben dem Schulserhof.
fälle zu beklagen.
Das Hotel wurde durch die Familie Rauch er-
Die Erben des Hotels, Familie Morandi, vermie-
worben, in deren Besitz es noch heute ist.
tete und verkaufte das Hotel an Emil Bigler– Feldmann aus dem Kt. Bern. Emil Bigler war Bäcker von Beruf und führte vorher das Hotel Curuna, danach das Hotel Valentin. Nach dem Tod von Emil Bigler, führte sein Sohn Paul das Hotel weiter. 1881 führte Frau B.Caduff das
1881 erbaut auf den Mauern der alte Papier-
Hotel. 1914 wurde der Balkon angebaut.
mühle (1679). Hier befand sich u.a. eine Woll-
Pauls Schwester, Mila Flor–Bigler, führte das
kartetscherei, der Laden von Daniel Stöckeni-
Hotel Hohenfels, welches auch der Familie
us, sowie die Schneiderin Maria Fritz und die
Bigler gehörte.
Bau–&Möbelfabrik von Johann Faller
Leider war man nicht so erfolgreich, Bigler machte 1953 Konkurs, das Hotel Hohenfels 1954. Die Firma Stucker & Zesiger von Bern, Verwandte der Biglers, kauften darauf von den Banken beide Hotels ab und Milo und Mila führten die beiden Hotels weiter. Später wurde 1 Hotel Krone| da la Curuna
2 Hotel Krone| da la Curuna
3 Apotheke | Hotel Helvetia Lischana|
4 Industriehalle |
Industriehalle| Schulserhof
das Hotel Hohenfels verkauft und Frau Mila mit Sohn Hans kehrten 1962 ins Lischana zurück, bis 1981. Milo hatte inzwischen das Hotel Valentin gekauft.1981 verkaufte Stucker & Zesiger das Hotel an Niculin Clavuot–Zerzer
Schulserhof
von Zernez, Wirt im Staila Scuol. Seit dem Tod
5 Hotel Traube neu
seiner Frau Johanna steht das Hotel leer und
6 Hotel Traube alt
verlottert immer mehr… schade! 2010 Verkauf. 28
4
5
6
Hotel Traube Ursprünglich Mühle|Drescherei von Peider
nahm den Gemüseladen. Später mietete sich
Rauch.
der Schuhladen Wergles ein.
Kauf durch Familie Franco Bernetta und Er-
1976 kaufte Clà Conradin–Mösle (Bischoff) das
richtung 1912 des Hotels Concorida, 1925|27
Haus und richtete ein Sportgeschäft ein, das
Verkauf an Familie Ghilotti. Frau Uorschla
der Sohn Hanin heute noch führt.
Ghilotti–Pedretti führte vorher das Restaurant
Heute: Sportgeschäft Hanin Conradin
Alpina in Zernez. Sohn Bruno übernahm 1941, zusammen mit seiner Frau, Olga Knapp das Haus und baute es sukzessive um und taufte es Hotel Traube|Üja. 1978 kamen Sohn Giacumin mit Frau Sofia Schwegler ans Ruder und führten es bis zum Verkauf an die Familie Savoldelli. Heute Hotel Üja. 1930 wurde im Erdgeschoss die Milchhalle|Lateria eingerichtet, welche bis vor wenigen Jahren dort war. Später Radio|TV Cantieni|Engadin Sport|Souvenirs etc. Heute Sport Engiadina.
Villa Lischana|317
Haus 314|Stradun Ursprünglich Holzchalet erbaut durch Jachen König (auf dem Terrain von Haus 313), als Sattler–Werkstatt, verkaufte er das Haus an einen Italiener, der einen Früchte & Gemüseladen mit Magazin einrichtete. 1917 kaufte Ludwig Roner jun. das Gebäude und vererbte es 1947 an Otto (*1906, verheiratet mit Caty Tall) und Claudio Roner (*1911, verheiratet mit Lucia Faoro von Lamon|IT). Josef (Pepi) Thomas betrieb hier seine Tapeziererwerkstatt, Theodor Hügin–Purtscheller hatte hier das Büro für seine Tankstelle. Später wurde das Gebäude abgebrochen.
1896 erbaut als Bauernhaus durch Andrea Perner, verkauft an Tumasch Ruben, der daraus die Villa Lischana erbaute. 1900 kauften Lehrer Martin Schlatter und Dr. Otto Töndury die Villa und verkauften sie 1912 an Ludwig Roner jun (*1877, verheiratet mit Margerita Crastan *1876), die im Erdgeschoss eine Früchte– &Gemüsehandlung betrieben. Nach seinem Tod führten die Söhne Otto und Claudio zusammen mit dem Onkel Chasper Roner das Geschäft weiter. 1951 machten sie Konkurs. Die Firma Vital SA kaufte das ganze Gebäude und über29
1
3
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Übrige Hotels & Bauten in Scuol
Villa à Porta|411
Hotel Du Parc|161
1897 baute Hr. Fulia hier Stall und Scheune für
Hotel Du Parc wurde ca. 1890 erbaut und war
sein oberhalb gelegenes Hotel Victoria.
ursprünglich das ganze Jahr geöffnet. Nach
1905 kaufte Peder à Porta die Gebäude, um
dem 1. Weltkrieg 1914|18 blieb das Hotel ge-
ein Wohnhaus mit Werkstatt zu errichten. Sein
schlossen, ab 1948 im Sommer wieder teilwei-
Arbeitgeber war Hr.Ortweins von Mals, der
se geöffnet. 1950 kaufte die Belvedère–Posta–
eine Werkstatt am Stradun besass (heute Café
Du Parc AG die Liegenschaft.
Erni). Er war verheiratet mit Julia Vital (Bagne-
Heute Scoulina|Polizei. Daneben stand die De-
ra) und hatte 5 Kinder. Der Sohn Peder über-
pendence (Haus 162), die mit einer Passerelle
nahm das Geschäft seines Vaters und heiratete
mit dem Hotel verbunden war. Die Dependence
Olga Tall (Bügl grond). Die Mutter führte in der
gehörte 1834 Jachen B.Carl und wurde 1945 in
Villa à Porta eine kleine Fremdenpension.
ein Wohnhaus umfunktioniert, wobei die Wä-
Später war hier auch ein Polizeiposten, danach
scherei & Lingerie des Hotels hier blieben.
ein kleiner Laden, wo Hr. Fiebiger Zigaretten,
Heute Wohnhaus Chasa Anna.
Zigarren, Zeitungen und Souveniers verkaufte. 1981 kaufte Marco De Gennaro das Haus für seine Angestellten (Hotel Filli). 2011 voraussichtlicher Umbau.
Pfarrhaus|353 Ursprünglich im Besitz der Familie à Porta, später an Familie Arquint verkauft, welche hier das 1. Hotel von Scuol errichtete, nämlich die 1 Hotel du Parc
Herberge «Zum schwarzen Adler».
2 Villa Lischana
1875 kaufte die Gemeinde das Haus, um es als
3 Hotel du Parc &
Pfarrhaus zu benutzen.
Dependence
4 Passerelle 5 Hotel Könz
1871 war der Tierarzt Dr. Wollemann hier eingemietet.
6 Metzgerei Knapp 7 Hotel Hohenfels 8 Hotel Filli
30
4
5
7
6
8
Champatsch|Könz Guardaval|383
Villa Lorelei|103
Jonpitschen Hermann verkaufte sein Bauern-
Erbaut 1899 durch den Ingenieur Faller von
haus um 1850 an J.Kessler, welcher das Haus
Tschappina und seiner Frau Aita Stupan von
zum Hotel Piz Champatsch umbaute. Verkauf
Sent.
des Objekts 1861 an J.P.Könz inkl. Obstgarten
1903 verkaufte Faller seine Villa an Emil Bigler
und zwei angrenzende Felder. Der Sohn Simon
von Worb und seine Frau Ursula Feldmann von
führte später das Haus, das er «Hotel Könz»
Davos. 1904 wurde ein grosser Ostflügel ange-
nannte. Er war mit Frau Hermann verheiratet.
baut, am 15. Juni 1914 brannte das Haus völlig
1946 kaufte Theodor Regi das Hotel, renovierte
nieder. Bereits im gleichen Jahr baute Bigler
es total und nannte es nun Hotel Guardaval.
gleich nebenan das Hotel Hohenfels. Er kaufte
Das Haus daneben in Döss, ursprünglich Haus
auch sämtliches Land rundherum.
Gaudenz, erbaut 1693, kaufte Simon Könz 1906 und eröffnete hier eine Dependence. 2008 Kauf durch Kurt Baumgartner, Umbau zu Boutique–Hotel.
Haus 294|5 Metzgerei Knapp Gehörte einst dem Ritter Marnia, der in unserer Geschichte eine grosse Rolle spielte. Das Haus wechselte aber oft den Eigentümer. Um 1900 Sattlerei Hattecke, danach Restaurant «Felsenkeller» (gleicher Patron), wurde danach durch den Metzger Rudolph Knapp gekauft. Sohn Wilhelm mit Frau Flurinda Denoth führten die Metzgerei weiter. Verkauf an Familie Hatecke, welche später mit dem Laden ins Center Augustin wechselte. Hier wurde später eine Chemische Wäscherei betrieben, die heute noch hier existiert.
31
Haus 107|Hotel Filli Haus Filli wurde 1906 erbaut, allerdings nur ein Hausteil und als Privathaus durch Josef Filli von Tuor|Degersheim und seiner Frau Katerina Kasper von Schmitten. 1912|13 wurde angebaut gegen Norden und als Hotel Filli eröffnet. Geführt wurde das Hotel durch Käthy Roner–Filli bis zu ihrem Tod. Ihr Mann war schon kurz nach der Heirat verstorben. Die Familie Claudio De Gennaro (früherer Direktor des Hotels Engadinerhof) kaufte das Haus 1977, sein Sohn Marco führt es heute. Renovation.
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Hotel Central
Haus 147|Käserei
Erbaut um 1900 durch die Erben Herman
Ursprünglich Käserei, vor Einrichtung in Scuol
Arquints.
sura|Punt clozza.
1903 wurde das Hotel renoviert und das Dach
Hier wurde die gesamte Milch der Bauern von
angehoben.
Scuol sot verarbeitet, später existierte hier nur
Es war ein beliebtes Familienhotel.
noch die Sammelstelle für den Winter.
Später ging das Hotel an die Gemeinde über,
1895 wurden zwei Käsereien errichtet: eine bei
das Hotel wurde aufgegeben, Wohnungen
der Clozza–Brücke, die andere in Davoparaid:
ausgebaut und Impraisa Electrica eingemietet.
Das Haus 290|Clozza diente der Corporation
Heute Spitex Canorta
Clozza als Käserei. Wurde 1929 von Hr. Louis Baillard (von Genf) erworben, welcher hier eine
Hotel Helvetia| Bügl grond 124
Velowerkstatt sowie eine Limonadenfabrik be-
Um 1600 war dies das Haus der Familie Se-
Usteria Engiadinaisa
chia, 1670 Petter Rauch & Staschie Carl von Hohenbalken.Durch Heirat gelangte es in den Besitz des Mastral M.C. Peer und dessen Frau A.A.Bischoff. Später Kauf durch Michel Caviezel und seiner Frau Nesa Dorta. Sohn Constant heiratet Nesa Carl vom Haus 121. Ihre Tochter Gretta heirate1 Hotel Central
te Enrico Gritti (Haus 95) und lebte dort bis zu
2 Hotel Helvetia |
ihrem Tod. Ihre Tochter Annina Baumann–Gritti
Bügl grond
3 Ustaria Engiadinaisa 4 Lataria, Käserei |
mit Ehemann renovierten das Haus, so wie es heute dasteht.
Hotel Traube
Das Haus war früher das Hotel Helvetia, später
Seite: 34
wurde im Parterre die Veltlinerhalle betrieben,
1 Flöna 2 Hotel Gabriel |
dann die Weinhandlung Gagetti, Kleiderladen Rodolpho, Schneideratelier, heute Wohnung.
Haus Conrad
3 Pradella 4 Hotel Terminus 5 Avrona
32
trieb… 1950 wohnten seine Frau Maria Baillard und Amalia Kofler noch im Haus 290.
1834 erbaut durch Josch J.Rauch, ausgestattet mit zwei Erkern. Der spätere Besitzer, Sarott verkaufte es an den Lehrer Clà Biert und seine Frau St.Vital. Das Ehepaar richtete die «Usteria Biert» ein, welche Tochter Mica Rauch–Biert und Sohn Gisep Biert–Taisch um 1950 weiterführten bis in die 80–iger Jahre. Verkauf an Jachen & Mengia Giston. Umbau zum Hotel und Restaurant
Haus 374
Haus 158|Haus Conrad
Ursprünglich Remisse von Haus 373, aufge-
Als Bauernhaus erbaut durch Familie Jon Baz-
baut auf den Mauern eines abgebrannten
zell, später Sohn Nuot Bazzell.
Hauses. In den Kellern wurde hier die erste
1933 kaufte der Bäcker Carl Löffler das Haus,
Metzgerei von Scuol eingerichtet. Metzger
1941 Theodor Conrad, welcher das Gebäude
waren die Gebrüder Stecher von Tarasp. 1921
1951 einer Totalrenovation unterzog, indem er
wurde hier eine elektrische Mühle eingerichtet.
u.a. ein Kino einrichtete. Er betrieb das Kino
Besitzer waren zuerst die Familie Hermann,
bis in die 70–iger Jahre, doch das Fernsehen
danach Ludwig Rauch (*1877).
zu Hause machte ihm so grosse Konkurrenz,
Im Keller war eine Quelle, die früher den Brun-
dass er das Kino eingehen liess.
nen von Vi mit Wasser versorgte.
Heute Haus Conrad
Restaurants Pradella| Flöna|San Jon| Sur En| Avrona:
Haus 159|Hotel Gabriel
1895 wurden folgende Restaurants eröffnet:
Dieses Haus gehörte ursprünglich der Familie Duri Vital–Tall, die hier eine Bäckerei mit Laden betrieb. Der Bäcker Anton Hermann kaufte um 1900 das Haus, vergrösserte es und baute es als
· Familie Monsch|French in Pradella,
Restaurant um. Hermann musste das Haus
· Clà Nodèr in Flöna,
weiterverkaufen an Carl Löffler, welcher 1924
· Conradin in St.Jon
wiederum umbaute. 1941 kaufte Theodor Con-
· Avrona
rad, welcher die Bäckerei & Konditorei, Laden und das Kaffee|Restaurant umbaute und ein
Diese Einrichtungen waren wichtig für die Kur-
modernes Hotel und Restaurant mit anbot
gäste, damit sich diese auf ihren Spaziergän-
(Arvenstube!)
gen unterwegs erfrischen konnten . Es wurden
Heute Hotel Gabriel
kleine Speisen und Getränke angeboten.Heute wird das Restaurant in Flöna im gleichen Stil wie vor 100 Jahren wieder betrieben!
Hotel zum Bahnhof|da la Staziun|Bellaval Erbaut 1913|14 wahrscheinlich durch den berühmten Architekten Nic. Hartmann von St.Moritz (Kirche Sent) im Auftrag der Familie J.Demarmels. Die neu erbaute Eisenbahn gab wohl den Anstoss zum Standort: Man erhoffte sich vom neuen Verkehrsmittel einen enormen Aufschwung–der 1. Weltkrieg machte leider viele Pläne und Hoffnungen zunichte! Später Familie Baltisar Willi|Sohn Arno, Vekauf an Familie Schoch, heute Familie Rainer.
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Hotel Terminus Erbaut 1914 durch die Gebrüder Winkler. Auch hier war die Nähe zum Bahnhof ausschlagend gewesen sein–und auch hier hat wohl der Krieg einen grossen Strich durch die Rechnung gemacht! Abriss und Neubau des Hotel Altana durch die Familie Lehmann.
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Besondere Ereignisse, Pläne & Bauten in Scuol 1877
Grossbrand im Dorfteil Clozza, wobei 23 Häuser zerstört wurden
1890–95
Fassung der Quellen in Val Lischana und Bau der Wasserversorgung
1896
Katholische Kirche
1905
Gurlaina–Brücke
1905
Verkaufte Romedi sein Land in Brentsch an Töndury, um dort das Grosse Hotel National zu errichten. In Gurlaina waren auch drei Hotels geplant sowie eine dirkete Brücke Cuttüraplana–Vulpera (!), aber der 1. Weltkrieg machte alle Pläne zunichte!
1906
Lehrer M.Schlatter schlug eine Verbindung ins Münstertal über S–charl vor, Scuol lehnte ab, da man zu viel Unruhe befürchtet (ohne Autos!!!)
1906
Pläne für eine Tramverbindung von Scuol nach Nairs (Ing. Rauch)
1908
Ospidal d’Engiadina Bassa eingeweiht. Dr.Peider Steiner erster Arzt
1911
Einweihung des neuen Schulhauses (Initiative MartinSchlatter: 2 Jahre Planung und Bauzeit)
1911
Naturreservat Val Mingèr|Foraz, später Nationalpark
1912
Hr.Bischoff, Ingenieur der Eisenbahn, hatte das erste Radio in Scuol
1913
Bahnstrecke Bevers–Scuol
1914
Ausbruch des 1.Weltkrieges.Wäre dieser furchtbare Krieg nicht gewesen würde Scuol vielleicht so verbaut wie St.Moritz–so viele ehrgeizige Pläne waren vorhanden!
1925
Nach 10 negativen Abstimmungen wurde das Auto in Graubünden offziell zugelassen. Grund zur Ablehnung waren sicher die engen, schlechten Strassen und die Angst der Pferdeindustrie (Arbeitsplätze) Das 1.Auto im Kanton besass Oscar Denoth von Ramosch!
1950|5
1. Wintersaison mit Skischule, Eisplatz und Trinkkuren in Scuol
1956
Seilbbahn Motta Naluns
1956
Museum d’Engiadiana Bassa
1956
Altersheim Chasa Puntota
1962–70
Bau der Engadiner Kraftwerke: Stausee Livigno|Zentrale Pradella
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Die Familie Für das Kind, das um 1900 aufwuchs, steckten
dius sehr klein!
die eigenen vier Wände die Welt ab:
Die Familie war eine Religions–und Erziehungsgemeinschaft. Strenge christliche Tra-
Zusammenhalt und Geborgenheit in der Fa-
ditionen bildeten die Weltanschauung. Noch
milie wurden gross geschrieben. Die Welt war
empfand man in weiten Kreisen die tägliche
klein, der Bewegungsradius gering.
Bibellektüre, das Tischgebet und den Kirch-
Ferien war zu jener Zeit für die unteren
gang im Sonntagsgewand als etwas Selbstver-
Schichten ein Fremdwort. Die Arbeit war hart,
ständliches.
der Verdienst klein, reichte oft nicht, alle
Das wöchentliche Highlight jeder Familie war
Familienmitglieder zu ernähren: Viele Kinder
der Sonntagsspaziergang–schön gekleidet, die
mussten als Verdingkinder eine armselige
ganze Familie in Harmonie…
Kindheit erleben, einige wurden bei reicheren
Zur Geselligkeit vieler Familien gehörten die
Verwandten platziert.
Hausmusik oder das Singen im Familienkreis.
Der bäuerliche Arbeitsalltag war hart–alle
Gerne wurde das familiäre Glück beim Foto-
mussten mit anpacken–auch die Kinder! Frei-
grafen festgehalten–kunstvolle Hintergründe
zeit im heutigen Sinn kannte man kaum.
schmückten die Fotos. Einen eigenen Fotoap-
Für viele Familien stellte der eigene Gross-
parat besassen höchstens die ganz Reichen,
haushalt eine Produktionsgemeinschaft dar–
nach dem 2. Weltkrieg gehörte eine einfache
die Heimarbeit war ein wichtiger Wirtschafts-
Kamera dann zur Familienausrüstung und vie-
zweig.
le Familienszenen wurden abgelichtet (Inter-
Die Familie war aber auch eine Versorgungsge-
essanterweise finden sich in fast allen Fami-
meinschaft: Oft lebten 3–4 Generationen unter
lienalben die gleichen Fotos mit den gleichen
einem Dach, das ganze Leben spielte sich hier
Sujets…)
ab: Geburt, Familienleben und Sterben. Der Tod war damals etwas ganz normales und gehörte dazu wie eine Geburt, welche zu Hause erfolgte, meist im Beisein der Dorfhebamme. Das erstrebte Ziel der Familie war die Ehe mit vielen Kindern: 6–10 Kinder waren durchaus normal. Es herrschte das Patriarchat: Der Familienvater war das Oberhaupt, welcher das Sagen hatte. Er verlangte Arbeitswillen, Pünktlichkeit und Gehorsam ohne Widerrede. Die Frau besorgte den Haushalt, diente dem Ehemann und betreute die Kinder. Einer bezahlten 1 Familie auf der Motta
Tätigkeit ausserhalb des Hauses nachzugehen
2 Kinder in S-charl
war unvorstellbar. Auch hier war der Aktionsra-
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Kleider, Hygiene, Komfort Natürlich war die Kleiderauswahl nicht zu ver-
keit gaben Petrollampen.
gleichen mit heute: Hosen, Hemd, Strümpfe–
Wie viel einfacher haben wir es doch heute:
alles musste reichen für mindestens 1 Woche!
Schalter andrehen und alles funktioniert–ohne
Dass man früher nicht gerade nach Parfum
Aufwand, ohne Arbeit, einfach so!
duftete, war ganz normal–Sonntagsgwand
Das Alltagsleben der bäuerlichen Familie war
inbegriffen! War etwas kaputt, wurde es von
geprägt von harter körperlicher Arbeit, Armut,
Hand geflickt. Schuhe gab’s, wenn’s gut ging,
oft auch Hunger, Krankheit und Entbehrung.
zwei Paare:
Badeferien, Freizeitvergnügen, Sport, Fernseher, schnelles Auto, Leasing, Disco, schöne
Eins für die Woche, eins für den Sonntag…Auch
Kleider, Hightech–Medizin–darunter konnten
hier wurde geflickt, der Schuhmacher war ein
sich unsere Vorfahren nichts vorstellen.Schöne
angesehener Mann.
Kleider, Bedienstete, exquisites Essen, Ferien–
Körperhygiene war ein Fremdwort: Einige mö-
all dies war sehr wohl bekannt–aber nur bei
gen sich noch erinnern, wie sie 1 x pro Woche,
einer kleinen, gesellschaftlich höheren Schicht
in eine Blechgelte gesteckt wurden–, aufgestellt in der Stube–, das Bad nehmen mussten, gut geschruppt, ein Kind nach dem andern… Badezimmer im heutigen Sinn gab’s natürlich nicht, auch ein WC war nicht selbstverständlich–viele verrichteten ihr Geschäft unten im Stall… Zentralheizung? Elektrisches Licht? Warm–& Kalt Wasser im Haus? Diesen Luxus 1 Lehrer Wieland, Schüler Clà Biert. Jahrgang 1920
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1 Ochse mit Wagen 2 Schafmarkt in Ardez 3 Heutransport mit Esel (Tarasp)
4 Weintransport FA Gagetti
5–8 Arbeiter: Das Leben im Hotel
kannte man vorerst noch nicht. Geheizt wurde mit Holz und zwar nur mit einem Ofen im Haus: Von der Küche aus wurde die Stube beheizt, von da ging eine Falle in den oberen Stock, wodurch das Schlafzimmer etwas temperiert wurde. Wasser wurde am Brunnen geholt und auf der Platte gewärmt. Gekocht wurde am Holzherd auf grossen Platten. Und dieses Holz musste auch noch zuerst gespalten und aufgeschichtet werden. Hellig38
Schule Zwar war ein Schulartikel in der Bundesverfassung verankert («Die Kantone sorgen für genügenden Privatunterricht…») doch blieben viele Fragen offen, das Alter des Schuleintritts, die Länge der Primarschule, der zu vermittelnde Stoff oder die Ferien. Zudem mussten viele Kinder im elterlichen Betrieb mithelfen, v.a. im Sommer. Früher gab es keine speziellen Schulklassen, ein Lehrer betreute alle Kinder–meist von der 1. bis zur 6. Klasse, alle im gleichen Schulzimmer… Die Klassen waren viel grösser als heute, der Unterrichtsstoff war mehr oder weniger dem Lehrer überlassen, allgemeine Lehrmittel waren meist nicht vorhanden.
Die tägliche Arbeit Arbeit des Bauern Schwierig und körperlich schwer war aber auch die alltägliche Arbeit: Früh aufstehen, Arbeiten im Stall und auf dem Feld. Maschinen, wie wir sie heute kennen, gab’s natürlich nicht, alles musste von Hand verrichtet
Tourismusbranche als Arbeitgeber Während der Hotelbesitzer seine Gäste empfing und für deren Wohl besorgt war, hatten die
werden:
Concierges, Kellner, Zimmermädchen, Küchen-
Felder bereiten, säen, mähen, Heu einbringen,
Mühe, alles zu organisieren und herzurichten.
Getreide ernten, Kühe melken, dreschen, mahlen, Tiere schlachten usw. Zu essen gab’s, was selbst produziert wurde. Arbeiten auf dem Feld wurden oft durch den Ochsen ausgeführt, Traktoren kannte man nicht. Viele Wiesen waren oft weit oben in den Bergen, der Weg hinauf war lang und steil. Das Gras wurde mit der Sense geschnitten, von Hand gezettelt und in Ballen verpackt. Diese wurden auf den Wagen verfrachtet, welcher auch vom Ochsen gezogen wurde. Kartoffeln wurden von Hand gesetzt und ebenso wieder geerntet. Waren die Kühe mal auf der Alp, musste die Milch auf dem offenen Feuer der Alphütte zu Käse verarbeitet werden. Körperlich schwer und sehr gefährlich war der Holzschlag: Gesägt wurde mit langen Sägen, von Hand, die Stämme anschliessend teilweise auf dem Wasser geflösst. Geholzt wurde meist im Winter. Lange Winterabende wurden mit Spinnen und Weben in der Stube, oft in Gemeinschaft ausgefüllt. Für die Bauern war der Viehmarkt ein wichtiges Ereignis: Da wurde gekauft, verkauft, gefeilscht, verhandelt, gefestet, Neuigkeiten ausgetauscht–denn Radio oder gar Fernseher existierten ja noch nicht dazumal!
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gehilfen und Portiers im Hintergrund ihre liebe Die Faustregel besagte, pro 100 Betten mindestens 50 Angestellte, die man grösstenteils aus der einheimischen Bevölkerung rekrutierten. Die Arbeit war hart, meist aber gut bezahlt, die Arbeitgeber nicht immer einfach… Grosszügig fiel oft das Trinkgeld durch die reiche Kundschaft aus, welche manchmal den ganzen Sommer über logierte. Eine Beschäftigung war aber meist nur in den 4–5 Sommermonaten möglich, für den Rest des Jahres musste man auswärts Arbeit suchen (oftmals in ausländischen Hotelbetrieben).
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Frauenarbeit Aber auch die Arbeit der Frauen war nicht zu
aufpäppeln, Heuen, Schafe scheren, Kleintiere
vergleichen mit heute:
auf die Weide treiben und holen. Oft mussten auch die Kinder mit anpacken.
Was hätten die Frauen wohl damals gesagt,
Abends Fernseh schauen? Oft wurde abends
wenn sie unsere Waschmaschinen gesehen
die gewonnene Schafwolle verarbeitet und
hätten? Damals war ein Waschtag ein strenger
versponnen.
Tag: Die gesamte verschmutzte Wäsche wurde
Dass die Frauen daneben auch noch Kinder zu
zum Dorfbrunnen gebracht, zuerst ausgewa-
erziehen hatten, dem Mann zu dienen und das
schen, dann auf dem Waschbrett mit Kern-
Haus sauber und aufgeräumt zu halten hatten,
seife gerieben. Später wurde diese Wäsche im
war ja selbstverständlich…
Kupferkessel ausgesotten, mit dem Wäschestecken herausgefischt, in einem Holzzuber
Heute hat sich das Rollenbild der Frau völlig
mit heissem Wasser übergossen, mit etwas
geändert: Der Haushalt ist sicher dank dem
Wäschebläue versehen und mit kaltem Was-
Einsatz vieler Maschinen und anderer Raffi-
ser gespült. Schliesslich wurde die Wäsche
nessen viel einfacher geworden, die Beschaf-
aufgehängt und getrocknet. Natürlich war man
fung der vielfältigen Lebensmittel im Super-
nicht alleine am Brunnen: Der Waschtag war
markt ein Genuss (?). Die Familien sind viel
die «Zeitung» von heute: Der neueste Klatsch
kleiner mit 1–3 Kindern. Heute aber müssen
wurde ausgetauscht, Probleme diskutiert oder
viele Frauen mitverdienen, einer bezahlten
einfach ein Schwatz abgehalten–der Ausdruck
Tätigkeit nachgehen, um die gestiegenen Le-
«Waschweib» hat wohl hier seinen Ursprung.
benskosten mitfinanzieren zu können. Haus-
Und heute? Wäsche in die Maschine werfen,
halt, Familie und Arbeit müssen unter einen
Waschpulver einfüllen, Knopf drücken, her-
Hut gebracht werden, was oft nicht einfach ist
ausnehmen, tumbleren, fertig… viel Zeit für
und viele Frauen ans Limit bringt.
anderes…
Ob es unsere Frauen heute einfacher haben?
Dass kaputte Wäsche nicht einfach entsorgt
Anders vielleicht, sicher aber stressiger und
wurde, ist ja klar: Jedes Löchlein wurde sorg-
hektischer.
fältig geflickt, den Kleidungsstück lange Sorge getragen. Gekocht wurde früher auf dem Holzherd, die Gerichte waren einfach, nahrhaft und nicht sehr abwechslungsreich: Man kochte, was man selber produzieren konnte–im Garten und im Stall. Brot wurde selbstverständlich selber gebacken, im Holzofen natürlich!!–denn früher hatte jedes Haus auch einen eigenen grossen Backofen, der aus der Hauswand nach aussen ragte. (Engadin) Gebacken wurde aber meist nur 1 x pro Woche, dafür eine grosse Ladung. Und wir heute? Wer macht sein Brot noch regelmässig selber und dies noch im Holzofen? Wie viel einfacher ist es doch heute, beim Bä1 Dorfleben in Guarda
cker täglich ein frisches Spezialbrot zu kaufen!
2|3 Familien
Auch andere Arbeiten im Bauernbetrieb waren
4 Waschtag in Tschlin
oft Frauensache: Melken, Misten, Jungtiere
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Bräuche, Feste & Freizeit Babania
1 Eröffnung der Gurlainabrücke
2|3 Neue Glocke in Scuol 4 Festumzug Rhb Eröffnung 1913
5 Eröffnung der Lischanahütte 1926
6|7 Homstrom
Eine willkommene Abwechslung zum stren-
Babania wird in Ardez seit Jahrhunderten
gen Alltagsleben, v.a. für die Kinder, waren
am 6. Januar (3 Königstag) gefeiert: Früher
sicher traditionelle Anlässe wie z.B. Babania,
wurde heisser Talg oder Zinn in kaltes Wasser
Hom strom, Schüschaiver, Chalandamarz
geworfen und die entstanden Formen durch
oder Schlitrada: Wochenlang freuten sich die
eine Wahrsagerin gedeutet. Danach wurde
Kinder, man plante, präparierte und festete bis
am Abend getanzt, wobei während den ersten
tief in die Nacht.
Runden Damenwahl herrschte. Frauen trugen
Glücklicherweise hat sich daran bis heute
die Engadinertracht und mussten ihren Tanz-
nicht viel geändert, die Bräuche werden fast
partner nach dem Losentscheid wählen.
alle noch heute in ihrer urtümlichen Form
Die Babania ist das grösste Fest des Dorfes
abgehalten.
und wird heute am Samstag vor oder nach dem
Besondere Anlässe wurden ausgiebig gefeiert:
6. Januar abgehalten. Auch heute noch wird am
Im Januar 1905 wurde die neue Gurlaina–Brü-
Nachmittag den Mädchen durch Losentscheid
cke in Scuol festlich eingeweiht, 1930 wurde
ihr Liebhaber zugeteilt–fast ein Heiratsmarkt.
die grosse Glocke ausgewechselt. Die Inschrift
Gegen Abend stattet jede ihrem Auserwähl-
lautet:» laudate Dominum in cymbalis bene
ten einen Besuch ab, um ihm das Los bekannt
sonantibus, laudate eum in cymbalis jubilatio-
zu geben und ein rotes Band als Zeichen der
nis, Ps. 150».
unabdingbaren Gefangenschaft um den Hals
Ein Jahrhundertereignis war sicher die Eröff-
zu binden. Die jungen Frauen tragen zu diesem
nung der RhB–Linie Bevers–Scuol am 28. Juni
Anlass heute noch die Engadinertracht, die
1913. Sogar ein Bundesrat war eingeladen,
Burschen den schwarzen Frack und abends
viele Vereine marschierten mit ihren Fahnen
wird der «Bal da la schocca cotschna»gefeiert.
durch das Dorf und zeigten ihr Können mit Vorführungen. Für die Berggänger im Jahr 1926 war die Eröffnung der Lischana–Hütte sicher etwas ganz besonderes · Pfarrer Vonmoos hielt sogar eine Bergpredigt!
8 Schlitrada
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Chalandamarz Am 1.März, Jahresanfang des Römischen Reichs
langen Telefonstange, die mit ungebrochenem
wird der Chalandamarz gefeiert und ist wohl der
Roggenstroh in armdicken Bündeln umwickelt
berühmteste Engadinerbrauch: Peitschengeknal-
wird, bis er etwa 1 ½ m dick ist.
le und Kuhglockengeläute erfüllen frühmorgens
Dieser Strohriese wird auf einem Wagen mit viel
die Dorfgassen–der Winter wird ausgetrieben!
Begeisterung und Gesang durchs Dorf zu seiner
Die Knaben tragen (wie die Sennen) blaue Kutten,
letzten Ruhestätte auf Gurlaina gefahren und von
rote Halstücher und einen Hut, meist mit kunst-
einigen Knaben gut bewacht, damit nicht Kinder
vollen Papierblumen geschmückt. Man zieht von
aus den Nachbardörfern vorher das Stroh an-
Haus zu Haus, um Geld für die Schulklasse zu
zünden. Punkt 8 Uhr abends wird der Hom Strom
sammeln.
mit petrolgetränkten, drahtbefestigten Lumpen-
Später singen alle Kinder auf den Dorfplätzen
kugeln angezündet. Diese Feuerkugeln werden
Frühlingslieder–natürlich tragen alle Kinder
nach dem Anzünden im Kreis geschwungen. Alle
blaue Sennenkitteli ein rotes Tuch und ge-
singen das Hom Strom Lied von Men Rauch.
schmückte Kappen (die Papierblumen stellen jeweils die Mütter Wochen im Voraus her!) Am Abend wird mit dem gesammelten Geld der Chalandamarz–Ball gefeiert, die «Grossen» meist bis spät in die Nacht…
Hom Strom
Schlitrada Heute im Unterengadin kaum mehr bekannter Brauch der Engadiner Jugend, dessen Ursprung unbekannt ist, ein Vergnügungsfest ohne historischen Hintergrund: Die Burschen spannten an einem Januarsonntag die Pferde vor den Schlit-
Der Hom Strom («Strohmann») wird in Scuol seit
ten, um dann mit seinem Mädchen von Dorf zu
urdenklicher Zeit am ersten Februar–Samstag
Dorf zu ziehen, zu irgendeiner Gaststätte, wo
gefeiert. Es werden aber nicht die bösen Winter-
man es sich bei Speise, Trank und Gesang ein
geister ausgetrieben, sondern er symbolisiert
paar Stunden wohl sein liess. Heute nehmen
eine Opfergabe an den Sonnengott für eine gute
auch verheiratete Paare an der Schlitrada teil, die
Roggenernte.
v. a im Oberengadin zur touristischen Attraktion
Der ca. 10 m hohe Hom Strom besteht aus einer
geworden ist.
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Cumedgia da Sent
mit dem von Hand geschlagenen Holz ins
Wenn ein Landwirt eine Kuh für den Eigenge-
Dorf zurück. Am Nachmittag versammelt sich
brauch metzget, versucht die Jungmannschaft
die Dorfjugend in Ftan Pitschen in festlicher
diese Kuh zu stehlen. Der betreffende Landwirt
Engadinertracht. Das Los entscheidet, wer als
muss seine eigene Kuh mit einem «Zvieri»
Pärchen hinter der Dorfmusik zum Schulhaus
loskaufen.
marschiert und den Nachmittag und Abend als Tanzpaar zusammen verbringt. Zwischen den
Maestranza da la Quadra Zweites Novemberwochenende. In Sent sind verschiedene Kartenspiele von der Auswanderung nach Italien geprägt: «Terzin» (3 Spieler), «Quadra» (4 Spieler) und «Tschinquina» (5 Spieler). In der Quadra–Meisterschaft
Darbietungen der verschiedenen Dorfvereine und der Schüler wird die neugewählte Gemeindebehörde aufgefordert, ihren Eid abzulegen. Nach dieser politischen Zeremonie spielt eine Live Musik zum Schüschaiverball auf.
Mastralia
wird um den Titel «Rai da la quadra» (Quadra– König) gespielt.
Landsgemeinde am 1. Maisonntag. Wahl des Kreispräsidenten (Mastral) und der
Cuvits da Sent Alle 3 Jahre am zweiten Januarsonntag. Vereidigung der neugewählten Volksvertreter.
Schüschaiver in Ftan Am Samstag vor dem ersten Montag des Feb1 Cumedgia da Sent
ruars wird in Ftan Schüschaiver gefeiert, das
2 Mastralia in Lavin
Fest der Vereidigung der Gemeindebehörde.
Seite: 48
1 Musikfest | Musik Landquart–Scuol
2 Turnfest 3 Skiclub Scuol
Der Samstagmorgen beginnt für die Jugendlichen des Dorfes mit dem üblichen Holzschlagen. Nach verrichteter Arbeit kehren die Jugendlichen mit Pferd und Wagen und
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Gerichtsvertreter in den Unterengadiner Kreisen Sur–Tasna und Suot Tasna. Zum Kreis Suot Tasna gehörten bis 1992 die Gemeinden Ftan, Scuol und Sent, Grenze waren die Bäche Tasnan und Brancla; abgehalten wurde die Mastralia |Landsgemeinde in Scuol. Zum Kreis Sur Tasna gehörten Zernez, Susch, Lavin, Guarda, Ardez und seit 1803 Tarasp; Grenze waren Puntota (Breil) und der Tasnan, abgehalten wurde sie in Lavin.
Die Vereine Sänger - Schützen - Schwinger
Nicht dass man das Leben nicht
Patrioten wiederum entdeckten den Turnverein
genoss–einfach anders.
als Hort vaterländischer Gesinnung, dem das
Es wurde 1887 behauptet, von allen Völkern
Vereinsleben wichtiger war als sportliches Tun.
Europas würden die Schweizer die meisten
Obligatorisches Schulturnen wurde deshalb
Feste feiern! Es fanden auch früher rauschen-
1874 eingeführt.
de Feste statt, meist aber im Familienkreis
Es formierten sich in allen Landesteilen
oder ein grosses gesellschaftliches oder
Turnvereine, mit z.T. autoritären und natio-
politisches Ereignis. Festpredigt, Festrede,
nalistischen Tendenzen. Der eidgenössische
Festspiel, Festzug und Festakt hiessen die 5
Turnverein war ein wichtiger Machtfaktor und
Programmpunkte einer Vaterländischen Feier–
trug wesentlich zur «Leibesertüchtigung» der
und fast jedes Jahr wurde ein Anlass zu einem
Schweizer bei. Seine Turnfeste waren wahre
Fest gefunden!
Grossanlässe, gehörten zu den Höhepunkten
Grund für die sprunghafte Entwicklung war die
des gesellschaftlichen Lebens (dass Frauen da
Freizeitregelung durch die neue Gesetzgebung
nicht dabei waren, ist ja klar…) und dauerten
um die Jahrhundertwende. Jede Interessen-
oftmals bis zu 4 Tagen. Festumzüge, gemein-
gruppe formierte ihren Verein:
same Ausflüge, Gesang, Essen und Trinken
Sänger, Schützen, Schwinger, Trachten, Jodler
gehörten natürlich auch dazu. Es gab auch
und und und.
Ehefrauen, die ihre Ehemännern vor die Alter-
Und wer nicht mitmachte, galt als menschen-
native stellten: Turnverein oder ich…
scheu–kein Wunder, dass durch die vermehrte Teilnahme in den Vereinen das Familienleben erheblich litt! Und natürlich präsentierte jeder Verein alljährlich sein Können, man trainierte verbissen daraufhin, um möglichst zu brillieren! Ein besonderes Highlight war der eidgenössische Wettkampf, bei dem sich die ganze Schweizer Elite traf–natürlich gehörte auch ein Riesenfest dazu!!! Körperliche Betätigung in der Freizeit– «Sport»–war ein Fremdwort, dummes Zeug! Nur–Turnen und Sport wurden als zwei verschiedene Dinge angesehen: Geturnt wurde nicht als Freizeitvergnügen, sondern als Mittel zum Zweck: Das Militär begrüsste Turnen als ausgezeichnete Vorbereitung auf den Wehrdienst. Für entspannende Gymnastik blieb da keine Zeit!
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Daneben formierten sich auch Musikvereine, wie z.B. in Ardez:
Musikgesellschaft «Musica Concordia Ardez» Von 1870 bis 1890 gab es gemäss mündlichen Überlieferungen bereits eine erste Musikformation in Ardez. Die acht Musikanten spielten unter der Leitung von Instruktor Majer, eines auswärtigen Dirigenten. Die Formation löste sich aber wieder auf. Die ersten Wurzeln der Existenz der «Società da musica Concordia» gehen auf das Jahr 1905 zurück. Unter der Leitung des Initianten und Leiters, Giacumin Morell, trafen sich neun Musikanten. Sie spielten am Chalandamarz (1. März) und an der Mastralia (Landsgemeinde des Kreis Sot Tasna) auf und gaben einige Produktionen in der Gemeinde. Als Folge verschiedener Absenzen ging aber diese Formation bald wieder auseinander. Als eigentliches Gründungsdatum gilt der 2. November 1908. Giacumin Morell hatte von neuem verschiedene Freunde der Musik zu einer Gründungsversammlung zusammen gerufen. Die «Statuts della sozietad da musica Concordia Ardez» (Statuten der Musikgesellschaft), die am 10. November 1908 in Kraft traten, sind in einem Buchhaltungsheft eingetragen, das dann als Kassabuch benutzt wurde. An der Gründungsversammlung waren 14 Musikanten anwesend. Das erste kantonale Musikfest, an dem die Musikgesellschaft teilnahm, fand 1920 in Filisur statt. Der erste Kranz, der an diesem Fest mit dem Musikstück «Capricio» errungen wurde, gab Mut, weiterhin Musik zu machen. Am kantonalen Musikfest von 1926 in Pontresina kam die erste Uniform der Musikgesell schaft zum Einsatz. Sie war eine Spende von Herrn Otto Schucan, der in Münster ein Geschäft hatte. 1953 kaufte die Musikgesellschaft von der Stadtmusik Zürich 30 Uniformen aus zweiter Hand und bezahlte dafür 2‘000 Franken.
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Touristische Attraktionen Zu den touristischen Höhepunkten gehörten gesellschaftliche und sportliche Unterhaltung: Während des Sommers standen Wanderungen und Bergtouren auf dem Programm. Mangels einer Bergbahn musste man halt unter Anstrengung hinaufkraxeln. Umso grösser die Freude, wenn man’s geschafft hatte. Doch nicht alle hatten Kraft genug und liessen sich deshalb mit Sesselträgern und Bergführer hinauftragen. Allgemein war aber die Kondition der Gäste sicher nicht schlechter als heute, die Touren sicher ebenso lang und anstrengend wie heute! Was aber sicher fehlte, war die perfekte Ausrüstung, wie wir sie heute kennen–von Schuhen, Klimawäsche, Gore–Tex über Stöcke, Seile, Helme, etc. ! Viele Kurgäste waren aber nicht so sportlich, sie unternahmen in der näheren Umgebung ausgedehnte Spaziergänge: Entlang des Inns oder in die nahen Ausflugsrestaurants: Avrona, Flöna, Pradella, Chauennas, ect. . Viele Bänke sorgten für Möglichkeiten zum Ausruhen. Gekleidet war man nobel, lange Röcke, schöne Jacken–der Sonnenschirm durfte nicht fehlen! Später gehörten Tennis–und Golfspielen zum Statussymbol, in den 40–iger Jahren wurden durch den Waldhausdirektor Pinösch sogar Autorennen organisiert! In Vulpera entstand eines der ersten Freiluftbäder der Schweiz–so wie wir es heute noch kennen! Welch ein Vergnügen zu jener Zeit! Abends wurden oft gediegene Soirées ver1 Freibad Vulpera
anstaltet mit Musik und Tanz–gutes Essen
2 Freibad Vulpera
natürlich inbegriffen!
3 Gäste in S-charl
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Wintersport Die ersten Wintergäste in unseren Kurorten,
Das Unterengadin bot für den neuen Sport
(man fuhr ja eigentlich aus gesundheitlichen
ideale Voraussetzungen: Schneesichere Hänge,
Gründen in die Berge) entdeckten zuerst das
die bis weit hinauf reichten, wenig Lawinen
Schlittschuhlaufen auf den zugefrorenen Seen,
und Geröll. Skilifte kannte man natürlich zu
dann das Schlittenfahren als vergnüglichen
Beginn noch nicht, hinaufstampfen gehörte
Spass, Hoteliers organisierten Schlittenpar-
ebenso dazu wie hinunterflitzen.
tien, Bahnen wurden errichtet. Der Davoser–
Auch hier wurden Skiclubs gegründet, Ren-
Schlitten wurde bald zum beliebtesten Gerät.
nen veranstaltet und den vereinzelten Gästen
In St.Moritz wurden spezielle Pisten gegen den
Unterricht erteilt. Selbst auf der Gurlaina–
See hinunter präpariert. Der Andrang war so
Brücke wurde Skiturnen veranstaltet durch die
gross, dass man die erste Schlittenbahn mit
im nahen Hotel Hohenfels untergebrachten
eigener Linienführung erstellte: 1884 entstand
Touristen.
so der Cresta–Run. Später entwickelte sich
Von Skibindungen und Hightech–Schuhen
der Skeleton–Sport, bei dem man bäuchlings
wusste man natürlich noch nichts. Gegen
herunter raste. 1889|90 wurde der erste Bob
einen Ausbau des Wintertourismus gab es von
entwickelt, 1886|87 der St.Moritzer Bob-
verschiedenen Seiten heftige Proteste, viele
sleigh–Club gegründet,
Hoteliers waren dagegen (da ihre Hotels gar
Auch das Eislaufen war schon lange bekannt.
nicht gerüstet waren für den kalten Winter!),
Aus den zwei verwandten Eisspielen Ban-
das Kapital war knapp, die Finanzierung unsi-
dy und Hokkey entwickelte sich das heutige
cher.
Eishockey. Unter allen winterlichen Fortbewe-
Trotzdem wurde 1950|51 die erste Winter-
gungsarten hatte das Skifahren erstaunlicher-
saison offiziell eröffnet–mit Skischule und
weise am meisten Mühe, sich durchzusetzen.
Eisplatz !
Das Misstrauen unserer Ahnen war gross ge-
Als 1956 die ersten Gondeln nach Motta Na-
genüber dem neuen Sport aus Norwegen, man
luns schwebten, war man noch nicht so sicher
glaubte kaum, dass man sich in den Bergen auf
über den Erfolg. Und wo wären wir heute ohne
so dünnen Latten bewegen könne. 1860 fer-
Wintersport?
tigte ein Schreiner aus Sils–Maria die ersten Original Schweizer Skier. Kurz vor der Jahrhundertwende um 1900 reisten die ersten Skifahrer ins Berner Oberland und nach Zermatt–es entstanden überall Skiclubs, 1902 fand in 1–3 Skirennfahren 4 Curling
Seite: 54
1 Schlitrada 2–3 Skiturnen auf der Gurlainabrücke
Glarus das erste Skirennen der Schweiz statt. Bequeme und zweckmässige Skikleider kannte man vorerst nicht–Frauen trugen anfangs lange, weite Röcke… Seit 1920 kann man Skifahren als Breitensport in der Schweiz betrachten.
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Überschwemmungen, Dorfbrände, Lawinen Grossen Schaden und viel Leid brachten in praktisch allen Unterengadiner Dörfern die wiederholten, verheerenden Dorfbrände. Damit nicht ganze Dorfteile den Flammen zum Opfer fielen, wurden sehr oft bauliche Vorschriften erlassen (Flachdächer, weniger Holz), zur Feuerbekämpfung organisierte Feuerwehren gebildet. 11.4.1822
Ramosch 99 Häuser und Dachstock der Kirche abgebrannt
31.10.1823
Sent Bedeutender Dorfbrand dem 1 Mensch und 73 Häuser samt
1853|54
Susch
6.3.1856
Tschlin Innerhalb 3 Stunden brannte die Kirche, das neue Schul–&
Spielende Kinder waren ev. die Verursacher Scheune zum Opfer fielen Brand von 3 oder 5 Häusern. Pfarrhaus, sowie 103 Häuser& Scheunen nieder. 95 Familien wurden obdachlos. 27.9.1866
Vulpera
6 Wohnhäuser
5.9.1872
Zernez Dorfbrand, 117 von 157 Wohnhäusern und 108 Ställe brannten grossflächig ab. Für das Unglück machte man den «Steinbock»Wirt verantwortlich, konnte seine Schuld aber nie nachweisen.
5.11.1877
Scuol Das Clozza–Quartier, 23 Häuser und 18 Scheunen völlig abgebrannt, 2 Männer wurden getötet.
16.7.1880
Ramosch 97 Häuser mit Ställen und Scheunen, Schulhaus Postgebäude und Teile der Kirche wurden zerstört. 43 Familien, d.h. 140 Personen wurden obdachlos.
16.7.1881
Ramosch genau 1 Jahr später, zur gleichen Stunde, brach während des Gottesdienstes im alten Dorfteil «Cuoira» erneut Feuer aus. 9 der 13 noch erhaltenen Häuser brannten nieder.
23.9.1885
Ftan 46 Häuser & 43 Ställe brannten nieder, 63 Familien obdachlos. Der Färber aus Lavin kam in Flammen ums Leben.
16.10.1891
Sclamischot
3 Häuser & 3 Ställen brannten nieder
3.11.1900
Susch
Kirche, 15 Häuser und Ställe,offenbar Brandstiftung
8.6.1921
Sent 45 Häuser eingeäschert, 29 davon wieder aufgebaut. Gut dokumentierter Dorfbrand als kulturhistorisches Ereignis, da als Engadinerdorf wieder aufgebaut. Die Solidarität in der ganzen Schweiz war gross: Viele Schulklassen sammelten Geld für die Opfer der Feuersbrunst.
19.4.1925
55
Susch
40 Wohnhäuser und 39 Ställe, vermutlich Brand–Stiftung.
1
3
56 2
4
Heute brennt es zum Glück (fast) nicht mehr–
Die Natur lässt sich nicht bezwingen–gegen
einerseits sind unsere Häuser ganz anders
solche Naturgewalten sind wir heute genauso
gebaut, die Dächer sind nicht mehr aus Schin-
machtlos wie früher. Wohl haben wir gewisse
deln, mit Holz heizt praktisch niemand mehr,
Schutzmassnahmen getroffen wie Lawinen-
andererseits verfügen wir heute über äusserst
verbauungen oder Bachbettkorrekturen–aber
leistungsfähige und sofort einsatzbereite
wenn Petrus richtig die Schleusen öffnet, kön-
Feuerwehren.
nen wir nichts mehr unternehmen.
Überschwemmungen geschehen auch heute
Lawinen gibt es heute wie früher–je nach
noch wie sie früher vorkamen–vielleicht sind
Schneemenge.
gewisse bauliche Massnahmen getroffen
Januar|Februar 1951 ist als «Lawinenwinter»
worden–aber nach einem starken Gewitter mit
in die Geschichte eingegangen. Es wurden die
massiven Regenfällen sind wir auch heute ge-
höchsten jemals gemessenen Niederschlags-
nauso machtlos wie früher, Millionenschäden
mengen seit Messbeginn 1864 festgestellt.
entstehen sehr schnell!
Unzählige Lawinen forderten im Kanton
Als jüngstes Beispiel sei nur August 2005
Graubünden insgesamt 98 Menschenleben.
erwähnt. Aber solche Überschwemmungen und
Die Aufräumungsarbeiten zogen sich bis in den
Erdrutsche gab’s immer wieder:
Sommer herein, der Schnee richtete an Gebäu-
25 August 1834 gab’s katastrophale Über-
de und Strassen grosse Schäden an.
schwemmungen in weiten Teilen der Alpen. Schreckliche Bilder der Zerstörung boten sich
1999 wird uns allen als Lawinenwinter gut in
auch überall im Kanton Graubünden. Aber
Erinnerung bleiben , als ganze Dorfteile eva-
auch der September 1868 brachte europa-
kuiert werden mussten, Strassen–und Schie-
weit katastrophale Wasserverheerungen, 50
nennetz gesperrt waren und keine Verbindung
Menschen starben, 18‘000 wurden geschädigt.
mehr nach aussen bestand–und die Angst,
Sommer 1876 und 1890 waren wieder sehr re-
dass irgendwo etwas schlimmes geschehen
genreich, Überschwemmungen und Rutschun-
könnte.
gen waren die Folge, v.a. im Prättigau. 14. Juni 1910 Hochwasserkatastrophe auf der Alpennordseite durch Regenfluten und Wolkenbrüche mit total 16 mio Franken Schaden. Besonders betroffen wieder das Prättigau und die Landschaft Davos. Im August 1951 folgen auf den Lawinenwinter starke Überschwemmungen nach heftigen Gewittern.
57
Industrialisierung Unsere Generation erlebt eine rasende techni-
eine Textilfarbenfabrik, aus der 25 Jahre später
sche Entwicklung (Fernseher, Computer, Mond-
die Firma Ciba hervor ging. Der Farb–& Drogerie-
landung etc)–aber dies ist nichts im Vergleich
warenhändler Geigy–Merian, die Firmen Kern&
zum Erfindergeist um die Jahrhundertwende:
Sandoz, Hoffman&Traub entwickelten sich aus den anfänglich kleinen Fabriken zu führenden
Seite: 56–57
Unsere Vorfahren haben vor gut 150 Jahren die
Weltkonzernen der Pharma–Industrie.
Schweiz, einem rohstoffarmen, landwirtschaft-
Weitere, für die Schweiz wichtige Industriezweige
lich ausgerichtet Land durch Forscher–und
entwickelten sich an verschiedenen Standorten:
Unternehmergeist mittels genialen Ideen an die
Die Uhrenindustrie siedelte sich v.a. im Raum
Weltspitze gebracht.
Genf und Jura an.
Um die Jahrhundertwende zeichnete sich ein
Heute fast verschwunden sind Papiermühlen, die
gewaltiger Wandel ab in unserem Land: In-
Glashütten, Gerbereien und Schuhfabriken.
nert kürzester Zeit war das Agrarland Schweiz
Eine eigentliche Schlüsselstellung im Wirt-
zum gut florierenden Industriestaat avanciert:
schaftsleben hat seit jeher das Baugewerbe
Erfindergeist, unternehmerische Kühnheit und
eingenommen, findet hier doch ein bedeutender
Einsatz der Arbeiterschaft verschafften den
Teil der Erwerbstätigen ihr Auskommen:
Schweizer Produkten Spitzenplätze auf der
Im Engadin setzte ein erster Bauboom mit dem
ganzen Welt. Spitzenreiter war die Textilindus-
Bau der Strassen und der Rhätischen Bahn ein.
trie, deren Betriebe wie Pilze aus dem Boden
Da aber viel zu wenig Arbeitskräfte da waren,
schossen: bekannte Standorte waren der Kanton
setzte eine erste grosse Ausländer–Immigration
Glarus (heute gibt es noch einen Textilbetrieb…),
ein: Tausende Italiener und Österreicher liessen
St.Gallen und Zürich. Leider waren aber später
sich mit der ganzen Familie hier nieder, um innert
viele Betriebe nicht konkurrenzfähig gegenüber
kürzester Zeit das gigantische Schienennetz der
dem immer billiger produzierenden Ausland. Aus
RhB zu erstellen. Durch die vielen Täler mussten
diesem Industriezweig entwickelte sich die Ma-
unzählige Brücken und Tunnels gebaut werden,
schinen–, Eisen–, Apparate–und Metallindustrie,
die starke Steigung mittels Kehrtunnels über-
deren bekannte Vertreter Kasper Escher (Ma-
wunden werden.
schinenfabrik Escher Wyss) und Johann Jacob
Viele diese Einwanderer sind geblieben und die
Rieter waren. Um 1910 wurden die ersten Diesel-
Nachkommen leben heute noch hier.
2 Brand in Lavin
motoren gebaut–die Schweiz war führend im Bau
Die Strecke Bevers–Scuol konnte am 28. Juni
3 Sent von Scuol aus
von Schiffsdieselmotoren (obwohl wir kein Meer
1913 feierlich eröffnet werden–geplant war dies
4 Lawine in Gonda
haben…). Der wohl gigantischste Industriezweig
nur als Durchgang bis nach Landeck als Teilstück
war wohl die chemische Industrie–d.h. v.a. die
einer Linie Nordsee–Venedig. Die Streckenfüh-
Pharmaindustrie. Der Export war zu Beginn noch
rung war schon festgelegt, als der 1. Weltkrieg
klein, wohl auch infolge Mangel an wichtigen
1914 ausbrach. Nach 1918 lag die Weltwirtschaft
Rohstoffen und Konkurrenz: Nachdem sich die
am Boden, die Pläne konnten nicht verwirklicht
IG Farben unweit der Schweizer Grenze bei Basel
werden–und so endet auch heute noch die Bahn-
niedergelassen hatte, baute man in Basel 1859
linie der RhB in Scuol.
1 Brand in Sent
(Künstlich ausgelöst)
Seite: 59
1|2 Ankunft Rhb in Scuol 1913
3
Sternmotor
4|5 Kraftwerk Clemgia (Wasserfassung)
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1
2
4
3
Industrieentwicklung im Unterengadin Im Unterengadin förderte der aufkommende
Das erste Elektrizitätswerk in Scuol wurde
Bädertourismus eine schnelle technische Ent-
in Clemgia eröffnet–das Werk für Kurhaus
wicklung:
und Waldhaus waren bereits 1879 in Betrieb genommen worden und kann heute noch als
Strassen wurden gebaut, um die neuen Hotels
Museumsstück in Vulpera bewundert werden!
besser zu erreichen. Dampf betriebene Maschi-
Die Trinkwasserversorgung für die Hotels
nen wurden verwendet, später Strom erzeugt–
folgte, Telefonie war schon selbstverständ-
vorerst nur für Licht!–, die RhB eröffnete 1913
lich, viele Maschinen, die das tägliche Leben
die Linie bis nach Scuol.
erleichterten folgten. Autos zogen hier ein, sobald der Kanton es
Die Idee vom eigenen Elektrizitätswerk wurde1895 erstmals an der Gemeindeversammlung in Scuol vorgeschlagen (im gleichen Jahr wurde die Telefonleitung von St.Moritz nach Scuol gelegt) und1898 wurde eine Petition eingereicht für ein eigenes EW. Im folgenden Jahr machte die Firma Alioth eine Machbarkeitsstudie und einen Kostenvoranschlag. Aber man kam mit den Finanzen nicht klar und setzte der Firma am 19.3.1900 ein Ultimatum. 1901 wurden die Arbeiten der Firma Item übergeben, 1903 konnte das Werk in Clemgia seinen Betrieb aufnehmen, vorerst aber nur eine Turbine. Nach und nach beteiligten sich auch die andern Gemeinden und es konnten zwei weitere Generatoren sowie ein Dieselgenerator (für Engpässe) installiert werden. Somit konnten alle elf Gemeinden des Unterengadins mit Strom versorgt werden. Wurde Strom vorerst nur für das Licht verwendet, kamen bald Maschinen dazu, so dass der Strombedarf stark anstieg.
59
zuliess (1928).
5
Wenn Häuser sprechen könnten
Danke!
Das Unterengadin in alten Ansichten–
Als wir im Herbst 2007 unseren Aufruf nach
viele Häuser sehen heute noch fast gleich aus,
alten Fotos starteten, wurden wir überhäuft
einige gibt es nicht mehr und viele wurden
mit vielen Hundert Fotos, Zeitschriften,
renoviert, der heutigen Zeit zweckmässig
Alben usw. Wir waren überwältigt, von der Mit-
angepasst. Wenn all diese alten Häuser spre-
hilfe sovieler Menschen! Die Einblicke in die
chen könnten und uns erzählen könnten, was
privaten Momente vieler Familien haben uns
sie alles erlebt haben, wie viele Besitzer den
sehr bewegt. Leider ist es uns aus
Schlüssel gewechselt haben, welche Szene
Platzgründen nicht möglich, alle Foto zu zei-
sich darin abgespielt haben–Freud und
gen–wir mussten eine straffe Auswahl treffen.
Leid–wir werden es wohl nie erfahren! Erfreuen wir uns daran, dass so viel alte Bausubstanz die Jahrhunderte überlebt hat und nicht modernen Bauten weichen musste!!! Heute leben wir in einer schnellen, modernen Welt–Hektik, Leistungsdruck, gesellschaftliche Zwänge prägen unser Leben, aber auch Vergnügen, moderne Technik, Reisen… Dies alles kannte man bei uns früher nicht, es herrschte viel mehr Ruhe, man war mit weniger zufrieden–man kannte ja auch nichts anderes! Welche Zeit nun «besser» war–das überlassen wir jedem einzelnen, für sich selber zu entscheiden.
Ganz herzlichen Dank an: Chasper Andry, Cristoffel à Porta, Jachen Arquint, Ottilia Augustin Andri, Peder Bisaz, Claudio Cantieni, Jon Padruot Cantieni, Caty Carl, Mengia Caviezel, Cumün da Scuol, Günther Dinhobel ÖBB, Linard Filli, Madlaina Gisep–Schaniel, Fam Gredig–Bischoff, Fam Gritti–Baumann, Armon Hartmann, Ladina Heinrich, Jehli–Pua, Notta Kohler, Kulturarchiv Samedan, Fam. Leuthold–Knapp, Richard Marugg, Fam. Martinelli, Tina Mendury, Tumasch Mischol, Jon Domenic Parolini, Constant Pazeller, Domenica Raisun, Roman Rauch, Archiv RhB, Annamaira Schur, Marianne Sempert, Sepp Suter,Reto Vitalini, Uorschla Vonmoos.
Ausstellung: Luis Deco Grafik: Gianna Mischol
60
Literatur: ≥
Siedlungsinventar Scuol, kantonale Denkmalpflege 1988
≥
Men Gudench, Nos cumün da Scuol, 1982
≥
Die Schweiz um die Jahrhundertwende, Verlag das Beste, 1985
≥
Josef Thomas Stecher, Die Mineralquellen von Tarasp, Vitasana-verlag,1990
≥
Paul Eugen Grimm, Ftan, Verlag Desertina, 2005
≥
Robert R.v. Reckenschuss, Die ausgeführten und geplanten grossen Alpenbahnen, Wien 1912
≥
Adolphe Braun, Graubünden in historischen Photographien, Birkhäuser 1988
≥
Toni Hiebeler, Allegra Unterengadin, Bergverlag 1976
≥
Walter Kern, Graubünden I, Urs Graf Verlag 1944
≥
Archiv der Gemeinde Scuol
Das Unterengadin in alten Ansichten– viele Häuser sehen heute noch fast gleich aus, einige gibt es nicht mehr und viele wurden renoviert, der heutigen Zeit zweckmässig angepasst. Wenn all diese alten Häuser sprechen könnten und uns erzählen könnten, was sie alles erlebt haben, wie viele Besitzer den Schlüssel gewechselt haben, welche Szene sich darin abgespielt haben–Freud und Leid–wir werden es wohl nie erfahren! Erfreuen wir uns daran, dass so viel alte Bausubstanz die Jahrhunderte überlebt hat und nicht modernen Bauten weichen musste!!!
Heute leben wir in einer schnellen, modernen Welt–Hektik, Leistungsdruck, gesellschaftliche Zwänge prägen unser Leben, aber auch Vergnügen, moderne Technik, Reisen… Dies alles kannte man bei uns früher nicht, es herrschte viel mehr Ruhe, man war mit weniger zufrieden–man kannte ja auch nichts anderes! Welche Zeit nun «besser» war–das überlassen wir jedem einzelnen, für sich selber zu entscheiden.