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GLOBUS ZEITGEIST

EIN PERSÖNLICHES GESPRÄCH ÜBER FARBEN – ZWISCHEN ZWEI DER KREATIVSTEN MENSCHEN DER SCHWEIZ:

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CONNIE HÜSSER ist eine der prägendsten Persönlichkeiten des Schweizer Designs, bekannt für ihre dreidimensionalen Collagen und ihr Gespür für ästhetische Trends. Seit 2004 ist sie für das Styling und die Szenografie von Vitra verantwortlich, seit 2018 kuratiert sie ihre eigene Ausstellung, «Objects with Love», 2019 hat sie den Schweizer Grand Prix Design gewonnen – als erste Interiorstylistin überhaupt. Angefangen hat Hüsser mit dem Gestalten der Schaufenster des Globus Zürich.

JÖRG BONER hat sich in seinem 2001 gegründeten Zürcher Designstudio als einer der führenden Schweizer Produktdesigner etabliert. Seine ikonischen Leuchten, Möbel und Gebrauchsgegenstände stehen für Eleganz, Funktionalität und Innovation. Boner arbeitet für nationale und internationale Kollektionen und war 2011 ebenfalls Gewinner des Schweizer Grand Prix Design des Bundesamts für Kultur.

«Wenn schon, dann sehe ich die Farbe als eine gute Verführerin.»

CONNIE HÜSSER Bevor wir unsere ersten Fragen stellen, beginnt Jörg mit einer Anekdote aus seinem Arbeitsalltag, über die Farbenwahl für ein Bett, einen Kundenauftrag. Während er erzählt, wie er sich mithilfe von Goethes Farbenlehre für Korallenrot und Dunkelblau entschied – eine warme Farbe, die zur Entspannung am Ende des Tages passt wie ein Apéro, und eine Farbe wie die Nacht, die dich einzieht und in den Schlaf tauchen lässt, wird offensichtlich, wie viel an Konzeption, Überlegung und Erfahrung hinter einer guten Farbwahl steht. Connie wiederum kommt gerade vom Salone del Mobile in Mailand. Sie hat all die Eindrücke der grossen Möbelmesse noch klar vor sich, als wir über die Wärme von Farben und ihre Rechercheprozesse sprechen, ihre «Hero Pieces», spezifische Stücke, von denen sie in ihrer Arbeit oftmals ausgeht. Wir lernen schnell: Farbe geht über Intuition, Wissen und vor allem Gefühl.

WELCHE FARBE GEHT GAR NICHT, ALSO EIGENTLICH NIE? J: Ich bin da total offen, eine solche Farbe gibt es bei mir gar nicht. Es kommt eben wirklich auf das Objekt an. C: Ich gehe immer von der Sache und von der Situation aus. Wenn ich einen Innenraum konzipiere, geht vieles über Intuition. Ich versuche, Brüche und Spannung zu erzeugen – eine Welt zu kreieren, eine Stimmung zu erschaffen. Farben brauche ich in Kombination mit den Objekten, um Schwerpunkte zu setzen und um meine Geschichte erzählen zu können. Besonders mag ich Farbverläufe. Sie laden dich auf und machen einfach glücklich. J: Das ist der Unterschied zwischen unseren Rollen im Design: Ich gehe immer vom Produkt aus und stelle mir nur selten vor, wie der Raum aussieht, wo es stehen wird. C. Du bist der Designer, ich die Szenografin. Du gibst Materialität und Farbe vor, ich kreiere die Welt dazu.

VIELE OBJEKTE WIE HAUSHALTSGERÄTE HABEN MEISTENS DIESELBEN FARBEN: ROT, WEISS, SCHWARZ, METALLISCH. WIESO SIND WIR BEI GEWISSEN DINGEN WENIGER MUTIG? J: Das hängt stark mit Gesellschaft und Kultur zusammen. Heute muss ja alles einen Grund haben oder auf wissenschaftlichen Fakten basieren; aber Farben funktionieren anders, die haben nichts mit Fakten zu tun, und sie sind gleichzeitig eben auch nicht einfach Geschmacksache. Nicht weit von hier, zum Beispiel in Dänemark, ist alles kunterbunt. Da öffnen sich also kulturelle Unterschiede, die tiefer wurzeln. C: Das heisst, wir Schweizerinnen und Schweizer mögen es lieber klassisch und unaufgeregt? Ich würde mir auch viel lieber eine farbige Kaffeemaschine kaufen – wenn wir das Angebot hätten. J: Ich glaube, viele Leute haben eine gewisse Angst vor Kombinationen, gar nicht vor der einzelnen Farbe. Ein Objekt in Rosa ist ja kein Problem, aber was stellt man dann noch dazu?

HABT IHR DENN AUCH LIEBLINGSFARBORTE ODER -KULTUREN? J: Mir kommen ganz viele Orte in den Sinn: Spanien, Italien … Ich mag gern Farben, die von der Sonne leicht ausgebleicht wurden und nicht mehr im Originalzustand sind. Also wenn Farbe und Zeit zusammenkommen. C: Ah, so ein schöner Satz. Das mag ich auch, Farben, die gelebt, eine Patina bekommen haben, eine Farbe, die es im Farbfächer nicht gibt. Meine Faszination richtet sich allgemein eher nach Norden. Kürzlich war ich beruflich in Finnland. Die Stimmung war unglaublich: das Meer, der Wind, die wilde Natur so nah an der Stadt. Die Farben waren müde und zurückhaltend, nachmittags kräftig grell und so unerwartet in der Kombination.

GIBT ES EINEN MOMENT ODER EIN OBJEKT IN EUREM LEBEN, DER ODER DAS EUREN UMGANG MIT FARBE BESONDERS GEPRÄGT HAT? C: Ja, bei mir ist das ganz klar der Volvo P1800, in Senfgelb. Seit ich ihn als Kind zum ersten Mal gesehen habe, lässt mich diese Farbe nicht mehr los – auch wenn oder gerade weil sie nicht überall passt. Senfgelb ist für mich wie die Herbstsonne, ich fahre das Auto daher auch nur dann. Mein Volvo beinhaltet die Energie und die Erinnerung meiner Kindheit – und so riecht er auch. J: Ich habe grade lange an einem Objekt rumstudiert und irgendwie keins gefunden. Aber als du das mit dem Herbstlicht gesagt hast, hats Klick gemacht: Herbstlicht ist mein Lieblingslicht. Dieses Goldige hat etwas wahnsinnig Sehnsüchtiges. Alles vergeht, es kommt nur noch die letzte Kraft der Sonne. So melancholisch. Eine Schönheit, die man mit nichts anderem nachbilden kann.

WIE BEEINFLUSSEN FARBEN EURE GEFÜHLE – UND UMGEKEHRT? J: Das ist total wechselseitig. Leute sagen ja gern, sie ziehen sich für die anderen schön an und nicht für sich selbst. Aber eigentlich ziehen wir uns doch genauso auch für uns selbst so an, wie wir uns fühlen. Ertragen wir die Aufmerksamkeit eines bunten Kleidungsstücks, können wir es aushalten? Fröhliche Farben führen zu fröhlichen

Gesten, aber wenn du dich nicht danach fühlst, bringen dir die Farben auch nichts, das lässt sich dann nicht aufzwingen. Deshalb habe ich auch keine Lieblingsfarbe. Das würde ja sonst heissen, dass ich immer im selben Mood bin. C: Nun, jede und jeder empfindet Farbe anders, das ist ja genau das Spannende. Eine Lieblingsfarbe habe ich auch keine. Gerade mein Senfgelb ist eine schöne Farbe, aber ich kann sie ja unmöglich immer um mich haben. Es kommt auf die Stimmung an. Also auf die Tagesform. Manchmal will ich ganz dunkel rausgehen, um in der Masse zu verschwinden, um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deshalb trage ich übrigens auch immer meine Mütze. Sie gibt mir einen Rahmen und Schutz, um mich zu fokussieren oder zu verstecken.

HAT FARBE EINE MACHT, WENN ES ZUM BEISPIEL UM GEFÜHLE GEHT? J: Ich habe mir noch nie überlegt, ob ich mit der Farbwahl Macht über jemanden habe. Ich glaube schon, dass Farbe etwas auslösen und verändern kann, auch wenn es vielschichtiger und subtiler funktioniert, als manche meinen. Ein rotes Objekt macht nicht per se aggressiv. C: Ich hätte auch nie absichtlich eine Farbe gewählt, um jemanden zu beeinflussen oder zu manipulieren. Wenn schon, dann sehe ich die Farbe als eine gute Verführerin.

GIBT ES SO ETWAS WIE FARBGENERATIONEN? GENIESSEN MILLENNIALS ANDERE FARBEN ALS KINDER DER NACHKRIEGSZEIT? C: Die gibt es bestimmt, ja. Art déco, Bauhaus – all diese Schulen sind natürlich geprägt von der Geschichte und der Popkultur ihrer Zeit, und da spielen auch Farben ihre Rolle. J: Bei den Bauhaus-Farben ist die Wirkung extrem, finde ich. Gewisse Kombinationen sind wie eine Zeitmaschine. Ein Bauhaus-Blau an sich fällt ja nicht auf, aber die Kombination von Blau, Rot und Grau transportiert uns sofort in diese Zeit und ihren Stil zurück. Das zeigt für mich am besten, dass Farben nur beim Kombinieren stilbildend werden. Darum finde ich auch die Vorstellung von Trendfarben so komisch. Wenn schon, müssten es Trendkombinationen sein.

WAS WÄRE EINE TYPISCHE TRENDKOMBINATION 2022? J: Puh, das müssen wir noch rausfinden. Das wäre jetzt knapp berechnet, so Mitte Jahr (lacht).

UND AUS WELCHEM FARBJAHRZEHNT KOMMEN WIR? C: Wir haben farblich eine Softwelt hinter uns, alles war Puder und Pastell. In einigen Kombinationen ist das auch immer noch aktuell, aber ich selbst wünsche mir wieder intensivere Farben, starke und laute Farbkombinationen. Das kommt zum Glück langsam wieder: warmes Flaschengrün, natürlich Senfgelb (lacht) und kräftiges Rot sind hip. Solche Farben brauchen natürlich auch mehr Mut, und ich weiss nicht, ob unsere Gesellschaft bereit ist, mutig zu sein.

WERDEN WIR MIT EINER GEWISSEN INTUITION UND EINEM FLAIR FÜR FARBEN GEBOREN? J: Ich bin mir nicht sicher, aber du kannst dieses Flair bestimmt schulen. Es braucht Interesse und Mut, damit nicht immer alles so eindeutig ist. Sich in diesem Unklaren zu bewegen, finde ich auch immer interessanter. Niemand sagt mir, wann etwas perfekt ist – ich werde da auch nie ankommen – , aber bei jedem neuen Projekt werde ich es aufs Neue wieder versuchen. C: Ich denke schon. Wenn du es zulässt und es dich interessiert. Du musst aber auch den Mut haben, die Widerstände auszuhalten, nicht darauf zu achten, wenn dir Leute sagen, dass es gut oder schlecht ist. Vertraue deiner Intuition und deinem Bauchgefühl. Bleib dran und mache weiter.

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