Die Wirtschaft Oktober 2018

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NANCY PLAßMANN IM PORTRÄT SEITE 9

STANDORTFAKTOR STEUER SEITE 22

DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

Geht der Windkraft die Puste aus? Ausbaudelle, Stellenabbau und eine zunehmende Konkurrenz aus China − die Windkraftbranche steht vor Herausforderungen. Warum der Heimatmarkt dennoch stark ist und wie Windparks revitalisiert werden sollen, lesen Sie auf den Seiten 4 und 5.

AUSGABE 05/18

EINZELPREIS 1,90 €

In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄTS STADT LINGEN UND STADT NORDHORN MACHER & MÄRKTE Bernard Krone hat das UnternehmerGen geerbt. Seite 3

SPEZIAL FRAUEN & FÜHRUNG

Wirtschaftstalk: Wie stark sind Frauen aufgestellt? Seiten 12 und 13

Foto: David Ebener

GELD & GESCHÄFT Warum Deutsche lieber bar als smart bezahlen. Seite 17

LEBEN & LEIDENSCHAFT Digitalisierung: Auf den Spuren eines Smarthomes. Seiten 28 und 29

Layout: Matthias Michel · Illustrationen: Colourbox.de

Auf dem Sprung in Richtung Norden Timo Kaiser wechselt in den Vorstand der Kieler Volksbank VON NINA KALLMEIER GEORGSMARIENHÜTTE. Nach drei Jahren im Vorstand der Volksbank GMHütte-Hagen-Bissendorf zieht es Timo Kaiser weiter in den Norden. Zum 1. Januar wird er Vorstand der Kieler Volksbank.

Drei intensive und schöne Jahre hat er als Vorstand der Volksbank GMHütte-Hagen-Bissendorf in der Region verbracht, resümiert Timo Kaiser kurz vor seinem beruflichen Wechsel zur Kieler Volksbank. Intensiv deshalb, da es gerade in der Neuausrichtung des Geldinstituts viel zu tun gab, um den Herausforderungen des Bankwesens der Zu-

kunft gerecht zu werden. Doch an viele seiner Projekte könne er nach dieser Zeit einen Haken setzen. Dazu zählt unter anderem die Neustrukturierung der Eigenanlagen, die im Sommer abgeschlossen wurde, aber auch die turnusmäßige Prüfung der Bundesbank und die Umstellung der IT-Systeme im vergangenen Jahr. „Ich wechsele mit ruhigem Gewissen in den Norden“, sagt der gebürtige Nordrhein-Westfale. Ein bisschen Wehmut klingt dennoch mit. Denn die drei Jahre und drei Monate waren auch eine schöne Zeit für den 44-Jährigen. Durch die intensive Arbeit seien enge Kontakte entstanden. „Da fällt es natürlich auch schwer, GMHütte

Nach drei Jahren in GMHütte wird Timo Kaiser Vorstand der Volksbank Kiel. Foto: VB

den Rücken zu kehren. Auch wenn ich mich natürlich auf meine neuen Aufgaben sehr freue.“ Mit dem Wechsel nach Kiel geht es für Timo Kaiser zu einem deutlich größeren Mitglied der Volksbankfamilie. Mit 1,1 Milliarden Euro liegt die Bilanzsumme rund dop-

pelt so hoch. 265 Mitarbeiter und 59 800 Kunden zählt die Kieler Volksbank. Doch nicht nur die berufliche Weiterentwicklung zählt für Kaiser. „Kiel ist auch eine attraktive Stadt, und ich bin als Hobbysegler ein Kind des Wassers.“ Gleiches gelte für die Familie. Und so passe ein Wechsel beruflich wie privat sehr gut. Seine Aufgaben werden sich nicht groß von denen in Georgsmarienhütte unterscheiden. In Kiel ist Timo Kaiser als Vorstand unter anderem für die Aufgabenbereiche Steuerung, Organisation und Revision zuständig. „Eine Aufgabe wird es sein, das Immobiliengeschäft noch besser zu positionieren und dort noch mehr zu machen.“

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

MACHER & MÄRKTE

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SPEZIAL

MACHER & MÄRKTE

GELD & GESCHÄFT

FRAUEN & FÜHRUNG

2 | Editorial

9 | Erste Frau

25 | Per Hand verziert

17 | Smartes Zahlen?

Ein Blick in die Borgholzhausener Lebkuchen-Fabrik Schulze.

Nancy Plaßmann ist jetzt Vorstand der Sparkasse Osnabrück

Warum Deutsche immer noch ihr Bargeld lieben.

3 | Unternehmer-Gen

10 | Durchwachsene Quote Mehr Frauen in Führungspositionen – aber langsame Entwicklung.

19 | dm wächst

Gebietsverantwortliche Jana Windhöwel sieht weiter Potenzial.

4/5 | Schicksal Windkraft?

11 | Stiftung Beruf und Familie

26 | Ofen nach Maß

Ursula Günster-Schöning zertifiziert familienfreundliche Betriebe.

20/21 | Glücksspiel

Eine Branche zwischen Prävention und Wachstum.

Spartherm fertigt Kaminöfen und -einsätze in Melle und Polen.

6 | Jetzt amerikanisch

12/13 | Wirtschaftstalk

22 | Gewerbesteuer

28/29 | Smarthome

Bernard Krone ist eine UnternehmerPersönlichkeit.

Eine Branche ist im Umbruch und sieht auch die Politik am Zug.

Quote, Struktur, Gesellschaft – Frauen in der Wirtschaft im Fokus.

Verspielt die Region ihren Standortvorteil?

So schlägt sich das intelligente Haus im Test.

7 | Rollendes Angebot

14 | Frauen und Industrie

30 | 70 Jahre

Birgit Glasmacher steht an der Spitze des Vereins deutscher Ingenieure.

23 | Rente mit 63

Das bedeutet sie für Unternehmen in der Region.

Die „Ente“ hat sich zum Weltstar gemausert

8 | Für die Forschung

15 | Frauen und Politk

24 | Investieren

31 | Kein Mauerblümchen

Wie sich EMP als Teil der Warner Music Group aufstellt. Hohlt beliefert täglich 900 Firmen, Praxen und Schulen.

Bissendorfer Ionovation GmbH entwickelt optische Pinzetten.

Bärbel Rosensträter ist die mächstigste Frau im Landkreis Osnabrück.

Wie sich der Beruf der Hauswirtschaft verändert hat.

Kunst, Autos und Schuhe sind die etwas andere Geldanlage.

Unternehmens- und Personenindex UNTERNEHMEN Adidas............................................................24, 29 Agentur für Arbeit Nürnberg......................... 23 Agrowea .................................................................5 Aktionshaus Abromeit..................................... 24 AllBright Stiftung ..............................................10 Allianz...................................................................10 Amarylis-Hausgemeinschaft Bersenbrück ........................................................31 Amazon ...........................................................6, 28 Ambulantes Soziales Dienstleistungszentrum (ASD).......................31 Andreas Stiftung Vechta...................................12 Apple..................................................................... 17 Arbeitskreis Spielsucht e.V............................. 20 Asics ..................................................................... 24 Assmann Büromöbel.........................................18 Bäckerei Ganseforth.......................................... 11 BASF .....................................................................18 BBE Automobile................................................ 24 Bistum Trier ........................................................18 BMW .................................................................... 28 Braun ................................................................... 29 Bundesarbeitsministerium ............................. 23 Bundesbank..................................................... 1, 17 Bundeskartellamt ..............................................18 Bundesministerium für Familie .....................13 Bundesnetzagentur............................................. 4 Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) ............................. 25 Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ................................... 17 Bundesverband WindEnergie (BWE)..........4/5 Bundeswirtschaftsministerium .................5, 20 Bundesverfassungsgericht .............................. 22 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ............................21 Bünting................................................................ 32 Bürgerstiftung Damme.....................................12 Bürgerwindpark Fehndorf/Lindloh.................5 BVB Dortmund.................................................... 6 Caritas ..................................................................12 Cashpoint.............................................................21 CDU.................................................................. 4, 15 Citroën................................................................. 30 Continental..........................................................18 CSU......................................................................... 4 Daimler ................................................................10 Dax ........................................................................10 Dehoga Bundesverband .............................20/21 Deutsche Bank.............................................. 17, 18 Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM)..................................... 32 Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV)......................................... 17 Deutsches Aktieninstitut (DAI) ......................18

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)............................ 9 DGB Niedersachsen.......................................... 23 Die Deutsche Automatenindustrie ............... 20 Disney.................................................................... 6 dm .........................................................................19 Dolgensee-Center...............................................18 Duckservice NL ................................................. 30 DWS ......................................................................18 EAF Berlin ...........................................................13 EHI Retail Institute Köln................................. 17 EHI-Institut.......................................................... 6 Ems-Achse .......................................................... 32 Emsländische Stiftung Beruf und Familie.............................................. 11 Enercon ................................................................. 4 Ernst & Young (EY) ....................................10, 22 Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Osnabrück..................................................................9 Europäischer Gerichtshof (EuGH)................ 20 Evotec .................................................................... 8 EWE ...............................................................28/29 Exclusive Merchandise Products (EMP)........ 6 Expo Real............................................................ 32 Exyte .....................................................................18 Facebook ............................................................... 6 Felix-Nussbaum-Gesellschaft........................... 9 FH Hannover ....................................................... 9 Focus Money ........................................................ 6 Ford........................................................................ 3 FU Wien ................................................................ 8 Fuchs-Gruppe .....................................................18 Gauselmann AG ...........................................20/21 Gauselmann Gruppe ...................................20/21 Gebäudereinigung GmbH Picobello.............. 11 Gemeinde Twist....................................................5 Gerry Weber International AG .......................18 Gewos .................................................................. 24 Girocard ............................................................... 17 Google................................................................... 17 Gottfried Wilhelm Leibnitz Universität Hannover (LUH) ................................................14 Govacs ..................................................................18 Grimme .......................................................... 12/13 Häcker Küchen.................................................. 32 Haier .....................................................................18 Handwerkskammer Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim (HWK)....................10, 32 Hannover Rück SE ............................................18 Hanomag .............................................................. 3 Heimholtz Institut für Biomedizinische Technik an der RWTH Aachen .......................14 Hellmann Worldwide Logistics ......................18 Henkel ................................................................. 32 Hohlt Rollende Frische.......................................7 Hölscher Wasserbau.......................................... 11 IHK Niedersachsen (IHKN) ........................... 22 Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim.................................................10, 21, 22

Industrieller Arbeitgeberverband (IAV)...... 32 Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (AVK)........................... 4 InES........................................................................ 4 Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).......10 Ionovation GmbH............................................... 8 Jacobs Universität Bremen............................... 8 Jaguar .................................................................. 24 Jenoptik................................................................18 Judo Crocodiles Osnabrück.............................. 9 Kanzlei Knollenberg & Partner.......................12 KfW Bank.............................................................. 8 Knorr-Bremse .....................................................18 Krone Maschinenfabrik................................3, 11 Krupp..................................................................... 3 L&T....................................................................... 24 Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen (LEE)...........................................5 Landkreis Emsland .......................................5, 11 Landkreis Osnabrück................................. 15, 32 Landwirtschaftskammer Niedersachsen......31 Lebensmittel-Zeitung....................................... 32 Lebkuchenfabrik Schulze................................ 25 Lovefilm ................................................................ 6 Lufthansa.............................................................10 Malerbetrieb Karl Röttgers GmbH ................18 Marktforschungsinstitut GfK......................... 28 Mastercard........................................................... 17 MBN Bau AG.......................................................18 MDax ............................................................. 10, 18 Mercedes............................................................. 24 Meyer Werft ........................................................ 11 Mölk Pressegrosso Vertriebs GmbH & Co. KG .................................................18 Nanoleaf Aurora................................................ 29 NBank.................................................................... 8 Nestlé................................................................... 32 Netzwerk für familienfreundliche Unternehmen Emsland ....................................13 Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit..............................................18 Nike...................................................................... 24 Nordzucker AG...................................................18 Oldenburgische Landesbank AG (OLB) .......18 Pagani-Huayra ................................................... 24 Philips............................................................28/29 Physikalisch-Technische Bundesanstalt .......21 Porsche ................................................................ 24 Presseservice Nord ............................................18 Price Waterhouse Coopers (PWC)................. 23 Prime Video.......................................................... 6 Rosen .................................................................... 11 Ruhr-Universität ................................................18 RWTH Aachen....................................................14 SAP Deutschland................................................10 SAP SE ..................................................................10 Schlossgarten Open Air....................................19 SDax ......................................................................10 Shelby .................................................................. 24 Siemens .........................................................10, 29

Siemens Gamesa ................................................. 4 Siemens Healthineers .......................................18 Sonos.................................................................... 28 Sony...................................................................... 29 Sotheby’s ............................................................. 24 Sparkasse ............................................................. 17 Sparkasse Osnabrück......................................... 9 Sparkassenakademie Niedersachsen.............. 9 Spartherm Feuerungstechnik GmbH........... 26 SPD................................................................... 4, 15 Spedition Többe ................................................. 11 Spielbank Hamburg ..........................................21 Springer Fachverlag ..........................................18 Stadt Haren ...........................................................5 Stadt Osnabrück..............................12, 13, 22, 32 Statistisches Bundesamt ..................................10 Stiftung Beruf und Familie..............................12 Sycamore Partners.............................................. 6 TecDax ........................................................... 10, 18 Technische Universität Carolo Wilhelmina.............................................. 3 Telekom................................................................18 Thermalsole- und Schwefelbad Bentheim GmbH................................................18 TU Freiberg .......................................................... 8 TÜV ...................................................................... 20 Umweltbundesamt ............................................. 4 Universität Osnabrück....................................... 8 Universität Bielefeld........................................... 8 Universität Regensburg....................................13 Universität Vechta .............................................12 Universitätsgesellschaft Osnabrück ............... 9 Unternehmerverband Niedersachsen.......... 23 VDI Zentrum Recourceneffizienz.................... 4 VDMA Power Systems ....................................... 4 Verband der Automobilindustrie (VDA) ..... 24 Verband der Deutschen Automatenindustrie (VDAI)......................20/21 Verband der Deutschen Automobilindustrie ............................................ 3 Vereinbar e. V. ..................................................... 2 Verein Deutscher Ingenieure (VDI)...............14 VfL Osnabrück...............................................9, 24 Visa........................................................................ 17 Volksbank ............................................................ 17 Volksbank GMHütte-Hagen-Bissendorf .........1 Volksbank Kiel......................................................1 Volkswagen..........................................................18 Vonovia.................................................................10 Warner Music Group (WMG)........................... 6 Westwing..............................................................18 Windpark Annaveen ...........................................5 Wirecare...............................................................10 Wirtschaftsministerium .................................... 4 Wirtschaftsministerium Niedersachsen.......15 Wirtschaftsverband Emsland.....................3, 32 Wurlitzer Musikautomaten ............................ 20 Wurst Stahlbau GmbH .....................................18 ZF Friedrichshafen ........................................... 23 Zoo Osnabrück .................................................... 9

Worklife

Architecture

E D I TO R I A L FRAUEN AN DER SPITZE

Und es bewegt sich doch etwas VON BERTHOLD HAMELMANN

Foto: Jörn Martens

Chefredakteur Berthold Hamelmann über Frauen in Führung.

LEBEN & LEIDENSCHAFT

PERSONEN Abromeit, Frank ................................................ 24 Adami, Valerio ................................................... 24 Andersen, Hans Christian............................... 30 Ankersen, Wiebke ..............................................10 Anselmetti, Dario................................................ 8 Ashkin, Arthur..................................................... 8 Averhage, Siegfried........................................... 32 Axthelm, Wolfram............................................4/5 Bansky ................................................................. 24 Berg, Christian....................................................10 Bergen, Stu ........................................................... 6 Bismarck, Otto von............................................. 3 Blake, Peter......................................................... 24 Borgmann, Maria............................................... 11 Bortenlänger, Christine ....................................18 Boyd, Arthur ...................................................... 24 Branczik, Alex .................................................... 24 Bröker, Claudia................................................... 11 Damasky, Joachim ............................................ 24 Diebels, Volker................................................... 28 Elert, Nicole ....................................................... 23 Engel, Hans-Ulrich ............................................18 Esser, Peter ......................................................... 32 Fischer, Jan........................................................... 6 Fleddermann, Ursula ........................................31 Fox, Michael J. ................................................... 24 Fuchs, Dieter.......................................................18 Fuchs, Alexander................................................18 Gall, Karsten ........................................................ 8 Ganseforth, Heike.............................................. 11 Gauselmann, Paul ........................................20/21 Glasmacher, Birgit .............................................14 Graf, Marco...................................................10, 22 Grimme, Christine....................................... 12/13 Grimme, Franz....................................................13 Grüssing, Matthias ............................................18 Günster-Schöning, Ursula................................ 11 Harsch, Erich ......................................................19 Hartig, Johannes................................................. 9 Heiken, Reiner....................................................18 Hellmann, Jost....................................................18 Hellmann, Klaus ................................................18 Henning, Andrea............................................... 23 Heuermann, Marina......................................... 32 Hohlt, Dieter .........................................................7 Hohlt, Julian .........................................................7 Hönisch, Matthias.............................................. 17 Hummeldorf, Bernhard..................................... 3 Jordan, Michael................................................. 24 Kaiser, Timo ..........................................................1 Kasfeld, Elke .......................................................31 Knaust, Peter...................................................... 25 Knaust, Arne ...................................................... 25 Knollenborg, Elisabeth............................... 12/13 Koch, Johanna ....................................................31 Konert, Jörn ....................................................... 26 Kraujuttis, Dr. Sigrid......................................... 11

Kreye, Linda..........................................................7 Krone, Bernard.......................................... 1, 3, 32 Krone junior, Bernard..................................3, 32 Krone senior, Bernard........................................ 3 Krone, Heinrich................................................... 3 Krone, Heinz ........................................................ 3 Krone, Walter....................................................... 3 Kühne, Fränzi .....................................................10 Lessing, Bianca.................................................. 25 Lethmate, Felix.................................................... 6 Leuck, Dr. Hans Georg..................................... 32 Lies, Olaf ..............................................................18 Lindemann, Andrea .......................................... 11 Lorentz, Bernhard ............................................ 22 Maier, Eva Katrin.............................................. 28 Meise, Sebastian................................................ 23 Menke, Susanne ................................................ 32 Meyer, Dorothea...................................................7 Meyer-Pries, Nils................................................18 Mortler, Marlene ............................................... 20 Möhle, Reiner .....................................................10 Muhle, Stefan......................................................15 Müller, Volker .................................................... 23 Musk, Elon.......................................................... 24 Noth, Dr. Michael...............................................18 op de Weegh, Julian ......................................... 30 op de Weegh, Frank.......................................... 30 Otte, Frank.......................................................... 32 Petersmann, Friedrich H................................... 9 Piepenbrock, Olaf.............................................. 32 Pieper, Wilhelm....................................................5 Pieper, Christoph .................................................5 Plambeck, Jan.....................................................18 Plaßmann, Nancy................................................ 9 Polster, Dr. Rainer..............................................18 Ramirez, Ija.........................................................10 Reuvers, Martin..................................................21 Rokossa, Gerhard Manfred............................. 26 Rosensträter, Bärbel..........................................15 Rüter, Horst......................................................... 17 Schlichter, Martin ..............................................10 Schönfeld, Andreas........................................... 26 Schüller, André.................................................... 9 Tacke, Markus...................................................... 4 Temme, Sarah .....................................................31 Titze, Marco ........................................................18 Trapp, Ernst ......................................................... 6 Turrek, Rene....................................................... 24 Wagner, Richard.................................................. 8 Weber, Ralf ..........................................................18 Weber-Khan, Katja ...................................... 12/13 Weil, Stephan..................................................... 32 Weiß, Axel............................................................ 17 Wilberts, Wilhelm................................................5 Wild, Nelly...........................................................31 Windhöwel, Jana................................................19 Winter, Reinhard ............................................... 11 Younosi, Cawa.....................................................10 Zelinger, Matthias............................................... 4 Zuckerberg, Mark ............................................. 24

I

st eine verbindliche Quotenregelung sinnvoll und notwendig, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen? Selbst die Betroffenen sind sich bis heute nicht einig bei der Beantwortung dieser Frage. Der Gesetzgeber besitzt eine klare Meinung. Seit 2015 hat er für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in etwa 100 Großunternehmen Nägel mit Köpfen gemacht. Das FüPoG, das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen, sieht von 2016 an hier eine Frauenquote von 30 Prozent vor. Doch was bedeutet dies für Deutschland und für unsere Region, die von einem starken Mittelstand geprägt werden? Der Frauenanteil unter den Führungskräften in Deutschland lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2017 bei 29,2 Prozent, 1997 bei 26,6 Prozent. Revolutionäre Entwicklungen sehen anders aus. Es bleibt ein langer Weg auf der Suche nach der besten Führungskraft. Ob Frau oder Mann sollte egal sein, Qualifikation, Leistung und Erfolg bleiben entscheidende Gradmesser. Ja, vielfach scheitern qualifiziertere Frauen immer noch an alten Strukturen, Rollenklischees und mangelnder Veränderungsbereitschaft. Doch der aktuelle Wirtschaftstalk (Panoramaseite 12/13) zeigt die Dynamik, die dieses Thema längst gewonnen hat. Fakt ist: Unterdurchschnittlich sind weibliche Führungskräfte im Baugewerbe und der Industrie vertreten. In den Bereichen Erziehung und Unterricht sowie im oft schlechter bezahlten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich dominieren Frauen in Führungspositionen. Den gesellschaftspolitischen Sprengstoff, der sich rund um das Thema Verdienst etwa im Bereich Pflege offenbart, hat die Politik erkannt. Und da geht es um mehr als um die Frage der Führung.

Mobility

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

MACHER & MÄRKTE

Hart, aber herzlich Der 78-jährige Speller Bernard Krone hat das „Unternehmer-Gen“ von seinem Vater geerbt

VON THOMAS PERTZ SPELLE. Es gibt Menschen, die

füllen einen Raum allein durch ihre Persönlichkeit aus. Bernard Krone ist so einer. Der 78jährige Speller hat die Maschinenfabrik Krone mit den beiden emsländischen Werken in Spelle und Werlte zu einem erfolgreichen Global Player in der Landtechnik und Aufliegerproduktion gemacht.

Bernard Krones zupackende Art wird schon beim Händedruck spürbar. Als kleine Anstecknadel glänzt das Krone-Firmenlogo am Revers seines Sakkos. Konzentriert mustert er sein Gegenüber mit abwartender Neugierde. Ob er dies als Kind und Jugendlicher in den 1950er-Jahren bei seinem Vater Bernard in ähnlicher Form bei Verkaufsgesprächen beobachtet hat? Schon früh hatte er im Schmiedebetrieb seines Vaters und dessen Bruders Heinrich mitgearbeitet, ebenso wie die beiden Cousins Heinz und Walter. Und Bernard junior war auch häufig an den Sonntagen im „Herrenzimmer“ des Elternhauses dabei, wenn sich Vater Bernard senior mit Bauern aus der Region traf und dabei so manche Maschine verkaufte. Schnaps und Zigarren, die der Junge servierte, besiegelten anschließend das Geschäft.

Krone spricht häufig über seinen Vater. Er ist die prägende Persönlichkeit in seinem Leben gewesen. „Von ihm habe ich alles geerbt und alles gelernt“, sagt der Unternehmer in der Rückschau. Dabei war der Start alles andere als einfach gewesen. Nach erfolgreichem Maschinenbaustudium hatte der junge Krone gerade erst acht Jahre im Unternehmen gearbeitet, als 1970 sein Vater im Alter von 67 Jahren starb. „Das war ein Riesenschock für uns“, erinnert sich der Sohn. Hinzu kam, dass es auch wirtschaftlich für das Unternehmen ein schwieriges Jahr war. Das Geschäft mit Hanomag-Schleppern kam zum Erliegen, viele landwirtschaftliche Mitbewerber mussten aufgeben. „Der junge Krone schafft das nicht“, war die vorherrschende Meinung in Spelle. „Das war natürlich ein großer Antrieb für mich“, beschreibt Bernard Krone seine damaligen Gefühle. Warum der junge Familienvater nicht vor der Herausforderung einknickte, sondern diese mit enormer Energie und viel Gespür für die weitere geschäftliche Entwicklung des Unternehmens annahm, ist in keinem Lehrbuch an der Hochschule zum „Lernen“ nachzulesen. Denn so ein „Unternehmer-Gen“, wie es Bernard Krone von seinem Vater geerbt hat, ist etwas, das man auch durch noch so viel Fleiß nicht selbst

Das Krone-Museum in Spelle bietet eine Fülle von Informationen zur Unternehmensgeschichte.

erwerben kann. Weil es ein Geschenk ist. „Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Unternehmers, auch wenn Sie irgendwie keinen Tag in der Woche abschalten können“, sagt er. Sein Rat: Von der Natur her sollte man deshalb schon ein „stabiler Knaller“ sein, keine Angst vor Arbeit haben und einen Plan, der auch bei Gegenwind beibehalten wird. Ein erfolgreicher Unternehmer müsse außerdem kritikfähig sein und Fehler einräumen können, betont der Speller. „Ich war damals gegen den Hafenausbau in Spelle und erkenne heute, dass die Entwicklung dort hervorragend ist“, nennt Krone ein Beispiel. Er habe keine Angst davor gehabt, einen Fehler auch zuzugeben. „Nur wer nicht arbeitet, macht keine“, bringt es der 78-Jährige auf den Punkt. Mit Heinz Krone hatte Bernard Krone fast 40 Jahre lang einen Partner in der Geschäftsleitung als „Korrektiv“ an seiner Seite. „Viele meiner unausgegorenen Ideen hat er mir, ohne dass ich es merkte, ausgeredet. Nicht mit viel Worten, aber mit einer Zustimmung, die eine Ablehnung war“, beschrieb er 2005 in einer Traueransprache den verstorbenen Cousin. Mit dem Beruf verheiratet war Krone allerdings nie. „Auch das private Umfeld muss stimmen“, unterstreicht der Vater von drei Kindern und begeisterte Opa von vier Enkeltöchtern. Krone ist ein Familienmensch durch und durch. Und gerne Jäger, der die Natur als Entspannungsraum sucht. Der Speller ist außerdem ein leidenschaftlicher Leser von Biografien, der über Wirtschaftsgrößen wie Krupp und Ford ebenso parlieren kann wie über die Napoleonischen Kriege und Bismarcks Bündnispolitik. Krones richtiger Riecher in Sachen Technik-Trend – beste Beispiele sind der selbstfahrende Mäher BiG M oder der Feldhäcksler BiG X – ermöglichten dem Unternehmen im Laufe der Jahre einen enormen Schub nach oben. Aber es gab auch Rückschläge wie die Finanzkrise 2008, als der Bau von Lkw-Trailern

Ein Macher im Emsland: der Speller Unternehmer Bernard Krone.

aus Werlte komplett zusammenbrach. „Fast 100 Millionen Euro haben wir da Verlust gemacht“, so Krone. Er war froh damals, den größten Teil der Belegschaft dennoch halten zu können. Auch in dieser extrem schwierigen Phase kam ihm ein Lehrsatz seines Vaters zugute: „Du musst das Unternehmen so führen, dass du auch eine schlechte Zeit überlebst. Denn wenn du Mitarbeiter entlassen musst, ist alles Gute vergessen, und man wird dich mit Peitschen aus Spelle jagen.“ Dies hat Krone verinnerlicht. Auf die Belegschaft hat er nie etwas kommen lassen. Der Speller hatte außerdem ein gutes Gespür dafür, Mitarbeiter dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken entfalten konnten. Und dann hat er sie auch machen lassen. „Man muss als Unternehmer auch eine gewisse eigene Faulheit haben“, schmunzelt der 78-Jährige. Er habe aber „nie jemanden etwas machen lassen, was ich selbst nicht wollte“, misst er der Vorbildfunktion für eine Führungskraft eine enorme Bedeutung zu. So wird Krone auch in seinem Heimatort wahrgenommen. Die Unternehmerfamilie ist in Spelle

Fotos: Jörn Martens

und in der Region hoch angesehen – auch deshalb, weil sie sich trotz ihres Erfolges immer auch als Teil der dörflichen Gemeinschaft und hier insbesondere der Landwirtschaft verstanden hat. Diese Verwurzelung verkörpert der 78-Jährige in hohem Maße. Krone ist ein sozialer Mäzen, der Vereine und Verbände unterstützt, ein „Macher in der Gemeinde Spelle“, wie es Samtgemeindebürgermeister Bernhard Hummeldorf formuliert. Auf das Wort des Unternehmers ist Verlass.

„Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Unternehmers.“ Bernard Krone

Manchmal hart im Umgangston, aber herzlich in der Sache – so wird er von seinem Umfeld beschrieben. Im Laufe seiner Berufsjahre hat Krone zahlreiche Ehrungen erhalten. 1998 bekam er die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Carolo Wilhelmina in Braunschweig. Er ist Ehrenmitglied im Verband der Deutschen Automobilindustrie, dessen Vizepräsident er viele Jahre lang gewesen ist. 2006 bekam Krone den Niedersächsischen Verdienstorden. Die GrashofDenkmünze, die höchste Auszeichnung des Vereins deutscher Ingenieure, wurde ihm 2011 verliehen. Und erst vor wenigen Wochen nahm der Speller vom Wirtschaftsverband Emsland eine Auszeichnung für sein Lebenswerk entgegen. Seit 2010 lenkt sein Sohn Bernard die Unternehmensgruppe mit 4800 Beschäftigten, deren Jahresumsatz im Geschäftsjahr 2017/2018 bei rund 2,1 Milliarden Euro lag. Viele Gründe gibt es also, um stolz zu sein auf das Erreichte. Krone sieht es anders: Er sei vielmehr dankbar für alles, was er bislang habe erleben dürfen. „Und – bei allem war auch eine große Portion Glück dabei.“

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MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

Gegenwind für die Windkraftbranche?

Energiewende für die Altersvorsorge nutzen

Bundesverband Windenergie sieht Parallelen zur Solarbranche – Deutsche Unternehmen mit erheblichen Marktanteilen

Branche sieht die Talsohle 2019 und 2020 erreicht. Jobverluste aufgrund von Ausbaudeckel und Kosten. Windkraftanlagen werden im Durchschnitt größer. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/OLDENBURG/HAMBURG. Ausbaudelle, Anlagen, de-

ren EEG-Förderung ausläuft, und Konkurrenz aus China – die Windkraftbranche steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. Parallelen zur Solarkrise ab 2011 sieht der Bundesverband Windenergie durchaus. Er ruft die Politik zum Handeln auf.

Die Nachricht ist eingeschlagen: Der niedersächsische Windanlagenhersteller Enercon will bis Ende November rund 830 Stellen abbauen – aufgrund des fehlenden Volumens am Heimatmarkt, begründete das Unternehmen aus Aurich, einer der größten heimischen Hersteller von Windrädern. Das ist jedoch nur die aktuelle Spitze des Eisbergs. Die IG Metall Küste geht davon aus, dass im Norden seit Anfang 2017 bereits 2000 Arbeitsplätze in der Windindustrie weggefallen sind, Tendenz steigend. Senvion in Husum, Powerblades in Bremerhaven oder Carbon Rotec in Lemwerder seien bereits geschlossen. Bis Ende dieses Jahres erwarten die Betriebsräte laut Gewerkschaft in fast 40 Prozent der Unternehmen einen Personalabbau. 2016 – neuere Zahlen gibt es noch nicht – waren laut Wirtschaftsministerium rund 160 000 Mitarbeiter bundesweit in der deutschen Windkraftbranche beschäftigt. Der Stellenabbau und die Firmenpleiten lassen Erinnerungen an die Krise der Solarindustrie in Deutschland aufkommen. Und dabei steht der Windindustrie die große Rückbauwelle von Anlagen, die aus dem EEG herausfallen, erst noch bevor. Allein in Niedersachsen könnte das in den kommenden Jahren mehr als die Hälfte der über 6000 Windkraftanlagen treffen. Ganz schwarz malt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie (BWE), die Situation für deutsche Hersteller und Zulieferer in der Windkraftbranche dennoch nicht. „Auch die deutsche Solarenergie war damals internationaler Technologieführer. Damals wie heute war klar, dass sie neben der Windenergie die tragende Säule der Energiewende sein würde und dass es stark wachsende internationale Märkte für diese Technologie geben wird“, so Axthelm.

Dennoch sei durch politische Fehlsteuerung eine Krise in der Branche ausgelöst und unzureichend flankiert worden. „Im Ergebnis gingen Tausende Arbeitsplätze verloren, liegen wichtige Patente und Produktionsorte heute nahezu ausnahmslos in Asien. Ein solches industriepolitisches Desaster sollte die Politik nicht noch einmal verursachen“, mahnt er. Es brauche einen starken und dynamischen Heimatmarkt, um im Export erfolgreich zu sein. „Wir haben den Eindruck, dass die Politik den Handlungsdruck für die fest im deutschen Maschinen- und Anlagenbau verankerte Windbranche erkannt hat.“ Vorsichtig optimistisch stimmt den BWE-Geschäftsführer der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Zu den positiven Ansätzen zählt Axthelm die versprochenen technologiespezifischen Sonderausschreibungen für Wind und Solar, den Einstieg in die Sektorenkopplung, den geplanten Ausstieg aus der Braunkohle und die Errichtung von Real-Laboren zur Erprobung von Power-to-X-Technologien. „Diese gilt es jetzt zügig umzusetzen, um der Branche weiter eine gute Entwicklung zu ermöglichen. So kann politisch sichergestellt werden, dass nach der Solarenergie nicht eine zweite deutsche Zukunftsbranche wegbricht“, so der Geschäftsführer des Branchenverbands. Andere wichtige Signale wie die Bepreisung von CO2 fehlten jedoch im aktuellen Koalitionsvertrag und sollten laut Axthelm Einzug in die politische Debatte finden. Denn die Energiewende ist politisch gewollt. Bis 2030 sollen 65 Prozent des Stroms öko sein. „Wir gehen davon aus, dass sich die Ziele ohne einen geordneten Zubau von jährlich netto 4500 bis 5000 Megawatt (MW) Wind an Land nicht erreichen lassen“, sagt der BWE-Geschäftsführer. Dass die Branche das leisten könne, habe sie bereits in den vergangenen Jahren bewiesen. Dabei setze die Windindustrie auf weitere Innovationen in der Anlagentechnik und eine Steigerung der Anlagenleistung in Kombination mit einem entschlossenen Repowering von Altanlagen, also einem Ersetzen alter Anlagen durch neue. Die genannte Zubaugröße braucht es laut Axthelm zudem nicht nur, um den aktuellen Stromverbrauch, der bereits zu rund 40 Prozent aus Erneuerbaren gewonnen wird, künftig grün herzustellen. Mobilität und Wärme sollen ebenfalls grüner werden. Der BWE und die Initiative INES, ein Zusammenschluss von in Deutschland tätigen Erdgasspeicher-Unternehmen, haben in einer

gemeinsamen Studie aufgezeigt, dass 200 GW Wind an Land und 54 GW offshore notwendig sein werden, um die Dekarbonisierung erfolgreich umzusetzen. „Auch andere Studien sehen einen ähnlich hohen Ausbau bis 2050“, so Axthelm. Trotz dieses notwendigen Ausbaus und einem „grünen Stromrekord“ im vergangenen Jahr herrscht Anspannung in der Windbranche. Auch wenn die Windkraft mittlerweile eine wettbewerbsfähige Form der Stromerzeugung ist, stecke die Industrie in einem Dilemma, machte Markus Tacke, CEO von Siemens Gamesa und Vorstandsvorsitzender von VDMA Power Systems, im Rahmen der Leitmesse Windenergie in Hamburg deutlich. „Die Hersteller von Windenergieanlagen sehen derzeit ein leichtes Kapazitätswachstum am Weltmarkt, das allerdings die Kostensenkungen wohl nicht kompensiert. So verzeichnet die Branche niedrigere Umsätze, während die installierte Kapazität weiter wächst“, sagte er mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen. Für die Krise deutscher Hersteller macht der Branchenverband BWE auch nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Be-

triebe hierzulande verantwortlich, sondern Entscheidungen der Politik. Dazu zählt unter anderem die Deckelung des Zubaus auf jährlich 2800 beziehungsweise 2900 MW sowie eine gesetzliche Fehldefinition rund um Bürgerenergiegesellschaften. „Nicht die Nachfrage, sondern klar definierte politische Entscheidungen reduzieren den Markt um 40 Prozent“, betont Axthelm. Zumindest ihren Kurs in Sachen Bürgerenergiegesellschaften habe die Bundesregierung – bis zum 1. Juni 2020 – korrigiert, an den Ausschreibungen teilnehmen darf nur noch, wer auch eine Baugenehmigung vorlegen kann. „Diese Änderung war wichtig und nötig. Sie sollte dauerhaft im Gesetz festgeschrieben werden“, fordert Axthelm. Die nicht realisierten Zuschläge müssten bei den jeweils folgenden Ausschreibungen berücksichtigt und neu ausgeschrieben werden. Ein Silberstreif am Zubau-Horizont ist für den Branchenverband jedoch nah. „Wir sehen die Talsohle in 2019 und 2020 erreicht“, so Wolfram Axthelm. Für das kommende Jahr gehe er jedoch noch einmal von einem Zubau von maximal 2000 MW aus. 2020 sollten wieder 2800 MW erreicht werden. Zum Vergleich: Noch im vergangenen Jahr lag der Zubau der Anlagenleistung bei 5300 MW. Entsprechend ist der Ausbau der Windenergie um fast zwei Drittel eingebrochen. „Dies wird industriepolitisch nur schwer zu kompensieren sein.“ Auch bei Planern, Projektierern und im Bereich der Logistik sieht Axthelm Risiken. Und wie steht es aktuell um Ausbau und Bestand der Windanlagen? In den Jahren 2014 bis 2017 wurden in Deutschland durchschnittlich rund 4600 MW Wind an Land zugebaut. Zum Ende des ersten Halbjahres 2018 speisten insgesamt 1169 Anlagen mit einer Leistung von 5387 MW ins Netz ein. Fünf Projekte mit einer Leistung von 1944 MW befinden sich im Bau. Davon werden voraussichtlich Anlagen mit einer Leistung von bis zu 1000 MW bis Ende des Jahres ans Netz gehen. Bundesweit lag die Brutto-Zubauleistung onshore bis

Ende Juni bei gut 1626 MW verteilt auf 497 Anlagen – im Jahresvergleich ein Minus von 29 Prozent. Darin enthalten sind auch 88 Repoweringanlagen mit einer Gesamtleistung von 297 MW, die zurückgebaute Anlagen ersetzt haben. Repowering ist für Wolfram Axthelm die Ideallösung für die Energiewende. „Eine Faustregel lautet: Mit Repowering können bei einer Halbierung der Anlagenzahl eine Verdopplung der Leistung und eine Verdreifachung des Stromertrags erzielt werden“, rechnet er vor. Außerdem würden neue Anlagen regelmäßiger und zuverlässiger große Mengen Strom ins Netz einspeisen. Und auch die Akzeptanz der Anwohner sei tendenziell höher, da sie meistens schon Erfahrungen mit Windenergie sammeln konnten. Trotz aller Euphorie gibt es jedoch auch Nachteile: Moderne Anlagen sind größer, es sind andere Abstände zu Wohnbebauung erforderlich. Axthelm: „Dies und der Artenschutz begrenzen das Potenzial von Repowering teilweise.“ Niedersachsen steht in Sachen Windenergie onshore wie offshore im Bundesländervergleich weiterhin an vorderster Stelle. Erneut erreichte das Bundesland mit 465,25 MW Brutto-Zubauleistung, verteilt auf 130 Windanlangen, im Onshore-Bereich im ersten Halbjahr 2018 den höchsten Anteil. Dabei werden die Anlagen im Schnitt höher und mit größeren Rotordurchmessern gebaut. Die Nabenhöhe der neu gebauten Windkraftanlagen lag im ersten Halbjahr dieses Jahres bei durchschnittlich 137 Metern (2017: 128 Meter), der durchschnittliche Rotordurchmesser bei 119 Metern (2017: 113 Meter). Die Ergebnisse der zwei Ausschreibungsrunden für zusätzliche Anlagenkapazitäten an Land zeigen, dass sich an der Klassifizierung Nie-

dersachsens als „Windland Nummer eins“ auch in diesem Jahr nichts ändern wird. Mit einer bezuschlagten Leistung von 210 MW ist niedersächsischen Projekten das größte Volumen zugesprochen worden. Mit Blick auf Offshore-Anlagen entfiel laut aktuellen Branchendaten Ende des ersten Halbjahrs 54 Prozent der installierten Leistung auf Niedersachsen. Auf Rang zwei folgt Schleswig-Holstein mit einem Anteil von 33 Prozent. Insgesamt sollen bis 2020 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 7,5 bis 7,7 Gigawatt auf Nord- und Ostsee installiert sein. Das entspricht etwa sieben großen Kernkraftwerken. Der Anteil von Offshore-Windenergie an der gesamten Stromerzeugung steigerte sich gegenüber dem Vorjahreshalbjahr von 2,7 auf 2,9 Prozent. Der Anteil aller erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag im ersten Halbjahr 2018 erstmals vor der Braunund Steinkohle. Verstärken Unternehmen aus China zusätzlich den Druck? Immerhin sind unter den 15 größten Windkraftkonzernen gleich acht aus dem Land der Mitte. Der internationale Wettbewerbsdruck hat sich erhöht, bestätigt der BWE-Geschäftsführer. Er ist allerdings überzeugt: „Deutsche Unternehmen sind innovativ und für ihre Qualität weltweit bekannt. Viele Unternehmen sind bereits heute erfolgreich im Ausland und stärken ihre Internationalisierungsstrategien.“ Das zeigen auch die Zahlen: Der Exportanteil deutscher Anlagenhersteller und Zulieferer liege bei zwei Drittel, sagte Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems, im Rahmen der Windenergy Hamburg. Axthelm betont aber auch: „Zunehmend verkomplizieren nationale Einfuhrbeschränkungen und Local-ContentRegularien den Export deutscher Windenergietechnologie“, ist er

überzeugt und fordert vom Bundeswirtschaftsministerium, sich Handelsschranken und -hemmnissen entgegenzustellen. Für den BWE-Geschäftsführer bleiben Solarenergie und Windkraft die wichtigen Säulen der Energiewende. Auch wenn die Branche zusätzlich zu den politischen Rahmenbedingnungen unter einem ImageVerlust leidet. Immer mehr Bürgerinitiativen wehren sich gegen die Aufstellung neuer Windräder. Auch an dieser Baustelle arbeitet die Branche. „Durch faire Beteiligungskonzepte wollen wir die direkte Teilhabe der Bürger an der Energiewende sicherstellen“, so der Branchenverband BWE. Bürgerwindparks in

„Nicht realisierte Zuschläge müssen bei den folgenden Ausschreibungen berücksichtigt werden.“ Wolfram Axthelm, Geschäftsführer BWE

Schleswig-Holstein oder Energiegenossenschaften in Hessen würden bereits zeigen, dass dies die Akzeptanz verbessere. Die viel kritisierte Volatililät der Stromerzeugung durch Wind wie auch Sonne sei ebenfalls im Blick. „Durch digitale, intelligente Harmonisierung von Stromerzeugung und -verbrauch sowie Kostenreduktionen bei den verschiedenen Speichertechnologien werden die beiden volatilen Energieträger noch mehr Systemverantwortung übernehmen und die Versorgungssicherheit auch nach Ende der Braunkohleverstromung und der Atomkraft gewährleisten“, ist Axthelm überzeugt. Hinzu kommt für ihn jedoch ein weiterer Energieträger mit Verantwortung: Gas. „Angesichts der saisonal stark schwankenden Bedarfe ist es wichtig, die Gasinfrastruktur für die Energiewende im Blick zu behalten. Erneuerbares Gas wird einen wichtigen Beitrag leisten können, um Erzeugungsspitzen abzufedern und Nachfragespitzen bedienen zu können“, ist der BWE-Geschäftsführer überzeugt. In Zukunft werde es darum gehen, insbesondere saisonale Lasten über die Nutzung der Gasinfrastruktur auszugleichen. „In Zeiten in denen mehr EE-Strom produziert als verbraucht wird, kann dieser zum Beispiel im Gasnetz und in Gasspeichern zwischengespeichert werden. Im Winter lässt sich Gas direkt nutzen. An wenigen Tagen im Jahr wird eine Rückverstromung sinnvoll und wirtschaftlich richtig sein“, erklärt Axthelm. Und mit der Energiewende wird die Energieerzeugung auch dezentral. Das zeigen Pilotprojekte wie Designetz unter Federführung des Essener Energiekonzerns innogy, Enera, mit der Oldenburger EWE an der Spitze oder NEW 4.0. Sie testen und erforschen, wie eine Komplettversorgung mit Erneuerbaren möglich ist.

DER UMWELT ZULIEBE

Heizwert von Rotorblättern liegt höherr als bei Holz Aktuell können laut VDI Zentrum Ressourceneffizienz, bezogen auf ihre Gesamtmasse, zwischen 80 und 90 Prozent der Komponenten einer Windenergieanlage an Land wiederverwendet werden. Dazu zählen die Hauptkomponenten Beton, Metalle und Kunststoffe. Eine Herausforderung sind die in Rotorblättern enthaltenen Verbundstoffe. In den vergangenen 26 Jahren sind in Deutschland laut einer Zusammenstellung der Bundesverbands WindEnergie knapp 0,5 Millionen Tonnen Rotorblätter verbaut worden. Im Vergleich ist das nicht viel. Die Menge entspricht nach Angaben der Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (AVK) weniger als der Hälfte der gesamten Verbund-

werkstoffmenge, die in Europa allein im Jahr 2015 produziert wurde. Aufgrund des begrenzten Zubaus wird künftig mit einer durch Rotorblätter erzeugte Abfallmenge unter 40 000 Tonnen pro Jahr gerechnet. Zu Spitzenzeiten wie 2014 waren es 54 000 Tonnen. Eine in den vergangenen zehn Jahren installierte Windanlage hat im e Durchschnitt eine Rotorblattlänge n zwischen 60 und 70 Meter und ein Gesamtgewicht von rund 30 Tonnen, 10 pro Rotorblatt. Aktuell werden ausrangierte Rotorblätter ganz unterschiedlich verwertet. Wurden die Faserverbundteile in der Vergangenheit auf Deponien entsorgt, ist das seit der Änderung der Abfalllage-rungsverordnung und der Deponieverordnung nicht mehr mög-

lich – sie bestehen aufgrund der verwendeten Harze, Füller und Sandwichmaterialien nur zu rund 30 Prozent aus organischen Anteilen. Allerdings: Rotorblätter haben einen hohen Energiegehalt und werden daher thermisch verwendet. Zum Vergleich: Der Heizwert von Holz liegt bei rund 15 000 kJ/kg, der von Rotorblättern je nach Zusammensetzung zwischen 18 000 und 25 000 kJ/kg. Die Zerlegung der Blätter für die Verwertung ist jedoch nicht ganz ungefährlich. Aus dem faserverstärkten Verbundmaterial können durch die Zerlegung gesundheitsgefährdende Stäube durch gasförmigen Chlorwasserstoff entstehen. Daher wird Wassernebel eingesetzt, um Feinstaub zu vermeiden.

Das in Rotorblättern enthaltene Glasfasermaterial kann unter anderem in Zementwerken als Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Schweröl eingesetzt werden. Die anfallende Asche – immerhin laut BWE rund 50 Prozent der Gesamtmasse eines Rotorblattes – werden aufgrund ihres sehr hohen Anteils an Mineralstoffen als Rohstoffsubstitut für die Zementherstellung eingesetzt. Das 2011 in Deutschland entwickelte Verfahren stelle seither eine 100-Prozent-Verwertungsquote für bis zu 60 000 Tonnen Glasfasermaterial pro Jahr sicher. Faserrückgewinnung ist hingegen aktuell vor allem bei teuren Fasern wie Kohlefaser wirtschaftlich.

Unternehmer im Emsland betreiben Bürgerwindparks VON MANFRED FICKERS TWIST Viele Emsländer verdienen Geld mit ihrer Beteiligung an Bürgerwindparks. Unternehmer wollen, dass noch mehr Kleinanleger die Energiewende für ihre Altersvorsorge nutzbar machen. Interessenverbände wie der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen (LEE) sehen Potenzial für einen weiteren Ausbau der Stromerzeugung auf nachhaltige Art.

In den nächsten Jahren gibt es viel zu investieren, mit guten Verdienstmöglichkeiten für die Anleger, meint man beim LEE. Sprecher Wilhelm Pieper setzt auf den technischen Fortschritt, der die Energieausbeute und den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage erleichtert. „Es gibt genügend Potenzial, um den kompletten Energiebedarf zu decken.“ Pieper ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma Agrowea in Twist, die Biomasse-Kraftwerke und Windkraftanlagen plant, finanziert und betreibt. Mitgesellschafter und Geschäftsführer Wilhelm Wilberts weist auf Modellprojekte hin, wo mit Wasserstoffgas – mit Windstrom erzeugt – und mit Gas aus Biomasse schwere Fahrzeuge wie Busse, Lkw und Eisenbahnzüge betrieben werden. Es könne darüber hinaus genügend grüner Strom erzeugt werden, um saubere Elektromobilität zu garantieren. „Wind, Sonne, Biomasse ergänzen sich ideal“, meint Pieper. Wilberts und Wilhelm Pieper erklären gemeinsam mit Projektleiter Christoph Pieper, wie dies gelingen kann. Der geplante Bürgerwindpark Fehndorf/Lindloh im Gebiet der Stadt Haren im Landkreis Emsland soll mit Stromspeichertechnologien versehen werden. Dies bedeutet, dass in Windspitzenzeiten erzeugter Strom in Batteriespeichern und durch Umwandlung in Wasserstoffgas für die Energieabgabe in windarmen Zeiten bereitgehalten wird. Wasserstoff könne per Brennstoffzelle, Gasmotor und Gaskraftwerk Energie liefern. Das Gas könne nicht nur zur Verstromung genutzt werden, sondern auch als Treibgas in Fahrzeugen und für die chemische Industrie als Alternative zu Erdgas. Anhand einer Modellrechnung für das Stadtgebiet Haren zeigt Christoph Pieper, wie sich Biomassekraftwerke, Solarstromerzeugung und Windkraft in Kombination mit Speichertechnologien ideal ergänzen, sodass bedarfsgerecht Leistung bereitgestellt werden kann. Selbst in großen Städten sieht Wilhelm Pieper noch Möglichkeiten. Das Bürogebäude im Industriegebiet II an der Autobahn 31 in Twist soll mit neuartigen

Solarpaneelen, unauffällig in die Fassade integriert, ausgestattet werden. Zusammen mit der vorhandenen Erdwärmenutzung und der Solarstromanlage auf dem Dach ist der Betrieb dann weitgehend unabhängig von Energiezufuhr über das öffentliche Netz. So etwas sei auch in einer Großstadt möglich. Agrowea will zudem durch Modernisierung mehr Leistung aus bestehenden Windparks herausholen. Dies beschreibt Wilhelm Pieper am Beispiel des Parks Annaveen in der Gemeinde Twist. Die 22 Windrotoren gelangen in den nächsten Jahren an das Ende ihrer Lebensdauer. Neue, leistungsfähigere sollen gebaut werden. Wegen der größeren Rotordurchmesser sollen auf gleicher Fläche weniger Anlagen stehen, dennoch ergibt sich nach Angaben der Projektplaner ein deutlicher Leistungszuwachs. Wilhelm Pieper beklagt das Regelungschaos bei Windparks in Deutschland, dass Planungen erschwert. Niedersachsen verlangt Abstand zum Wald, andere Bundesländer wollen dagegen Ackerflächen frei halten und genehmigen die Aufstellung in Wäldern. Der LEE setzt sich für einheitliche Regeln in Deutschland ein. Dennoch sind Wilhelm Pieper und Wilhelm Wilberts davon überzeugt, dass solche Widerstände überwunden werden können. Ebenso die Probleme mit dem Anliegen des Naturschutzes. Hier helfen ebenfalls Forschung und neue Technik. Inzwischen gibt es Sensoren, die Windkraftanlagen in den Zeiten abschalten, wenn Fledermäuse fliegen. Beim Windpark Annaveen, in Nachbarschaft zum Moorschutzgebiet Bargerveen gelegen, erbrachten mehrjährige wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, dass die Anlagen nur geringe Auswirkung auf die großen Zugvögel haben. Neue Anlagen seien zudem durch den technischen Fortschritt bei der Konstruktion der Rotorblätter leiser als die älteren. Agrowea betreibt mit seinen 25 Mitarbeitern an 16 Standorten 124 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt. Kapital für den nächsten Entwicklungsschritt will das Unternehmen in der Region sammeln. Die beiden Agrowea-Geschäftsführer werben für das Modell der Bürgerwindparks. 171 Kommanditisten sind seit 2004 mit überschaubaren Beträgen an 13 Anlagen im Windpark Annaveen beteiligt. „Über 2500 regional ansässige Anteilseigner profitieren bereits von unseren Windparks“, sagt Wilhelm Pieper. Und es sollen mehr werden, die finanziell von der Energiewende profitieren und damit etwas für ihre Altersvorsorge leisten.

Foto: Colourbox.de


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„Wir sprechen eine Sprache“ Branchenriese Warner Music Group übernimmt für 155 Millionen Euro den Lingener Merchandising-Spezialisten EMP VON SVEN LAMPE LINGEN. EMP, Europas Nummer-eins-E-Commerce-Unternehmen in Sachen Rock- und Entertainment-Merchandising, hat einen neuen Eigentümer. Für rund 155 Millionen Euro wechselte das Lingener Unternehmen in diesen Tagen offiziell in die Hände des US-Unterhaltungsriesen Warner Music Group (WMG). EMP-Geschäftsführer Ernst Trapp sieht unter dem neuen Dach Chancen für weiteres Wachstum.

Für die Lingener ist es der zweite Eigentümerwechsel innerhalb von fünf Jahren. Beide gingen unter der Regie von Ernst Trapp über die Bühne. Der ehemalige Chef der Amazon-Online-Videothek Lovefilm, heute Prime Video, kam 2013 zu „Exclusive Merchandise Products“ und managte bereits 2015 den Verkauf des 1986 in Lingen von Felix Lethmate gegründeten Unternehmens an den US-Investor Sycamore Partners. Der jetzige Verkauf sei auf Initiative Sycamores zustande gekommen, so Trapp. In dem Auswahlverfahren, das schließlich Warner für sich entscheiden konnte, hätten für den US-Investor nicht allein kommerzielle Interessen eine Rolle gespielt. Sycamore habe auf eine mittelfristige Perspektive gesetzt und darauf, dass EMP in gute Hände komme. „Das rechne ich ihnen hoch an“, sagt Trapp. WMG, eines der drei größten Music-Label der Welt, hat im Geschäftsjahr 2017 weltweit rund 3,6 Milliarden USDollar umgesetzt. Der Umsatz der Merchandiser von EMP hat sich von rund 115 Millionen Euro im

EMP-Geschäftsführer Ernst Trapp. Foto: René Kleeb/EMP

Mehr als vier Millionen Pakete verlassen alljährlich das EMP-Logistikzentrum in Lingen.Aus dem Emsland verschickt der Merchandising-Spezialist seine Produkte nach ganz Europa.

Jahr 2013 auf nach eigenen Angaben mehr als 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr so gut wie verdoppelt. Sein Geschäft macht EMP im Wesentlichen über einen seiner europaweit 18 Online-Shops. Hinzu kommen Ladengeschäfte in Wietmarschen, Essen, Leipzig, Nürnberg und Wien. Neben dem klassischen Geschäft mit Fan-Devotionalien und Tonträgern bekannter Bands der Rock- und Metal-Szene wie Metallica, AC/DC, Rammstein, Slipknot und Volbeat ergänzen seit einiger Zeit Fan-Artikel von Comic-Helden wie Batman und Suicide Squad und einige Charaktere aus dem Disney Universum wie Alice im Wunderland oder The Nightmare Before Christmas das Portfolio. Und das völlig ohne Probleme, wie Trapp wissen lässt. Die MetalKunden der ersten Stunde akzeptierten die Popkultur-Angebote und umgekehrt. Wohl auch deswegen, weil EMP sich mehr auf die unangepassten, nicht auf MainstreamLinie laufenden Themen konzentriere, so Trapp. Seinen eigenwilligen, authentischen Charakter will EMP auch als Teil der Warner Music Group be-

wahren. „Wir können autark weiterarbeiten“, sagt Trapp, der weiterhin gemeinsam mit CFO Jan Fischer die Geschicke des Unternehmens leiten wird. Von der Verbindung mit WMG verspricht sich Trap wechselseitige Impulse, von der beide Seiten profitieren: „Warner ist ein Begriff, ein extrem starker Brand.“ Das künftige Zusammenspiel ist laut Trapp „eine tolle Ergänzung für Millionen Fans“. Ebenso sieht das Stu Bergen, bei der WMG CEO of International & Global Commercial Services, Recorded Music. EMPs Expertise im Bereich Musik ermögliche Warner tiefe Einblicke in die Vorlieben des Publikums und eröffne zugleich aufregende neue Möglichkeiten für die bei WMG unter Vertrag stehenden Künstler, so das geschäftsführende Vorstandsmitglied bei der Ankündigung der EMP-Übernahme. Europaweit beschäftigt das einstige Ein-Mann-Unternehmen aus Lingen mittlerweile mehr als 600 Mitarbeiter, davon etwa 500 allein am Firmensitz an der Ems. Von denen sei die Übernahme sehr positiv aufgenommen worden, zumal laut Trapp für den Standort Lingen keinerlei negative Auswirkungen zu

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erwarten sind: „Warner trägt wie wir die Musik-DNA in sich. Wir sprechen eine Sprache und haben dieselben Wurzeln.“ Von Lingen aus verschickt das Unternehmen pro Jahr über vier Millionen Pakete an Kunden in ganz Europa. 2017 hat EMP für einen zweistelligen Millionenbetrag seine Logistikkapazitäten in der Stadt an der Ems erweitert. Eine

„Warner ist ein extrem starker Brand.“ Ernst Trapp, EMP-Geschäftsführer

erneute Ausweitung ist laut Trapp nicht ausgeschlossen. Den eingeschlagenen Wachstumskurs will EMP auch mit dem neuen Eigentümer aus New York konsequent weiter beschreiten. Mögliche Wachstumsimpulse könnten laut Trapp die globale Ausweitung der geschäftlichen Aktivitäten über den europäischen Markt hinaus sowie die Ansprache neuer Zielgruppen sein. Um die Waren möglichst zielgenau und damit auch effizient an die Kunden bringen zu können, analysieren in Lingen Spezialisten tagein, tagaus die Datenströme, die die Nutzer auf den Internetseiten des Unternehmens hinterlassen. „Das Business ist extrem technologiegetrieben und wird zunehmend komplexer“, so Trapp. Die Analysen führen offensichtlich zu Erfolg. Einer aktuellen Studie des handelsnahen EHI-Instituts zufolge liegt die Retourenquote im Bereich Textil und Accessoires bei bis zu 50 Prozent. Aufgrund der erfolgreichen Datenanalyse und der Tatsache, dass die Kunden bei EMP gezielt einkauften, liege die Retourenquote deutlich unter dem Branchendurchschnitt, so Trapp.

Fotos: René Kleeb/EMP

Auch im Bereich Social Media gehört EMP zu den Top Playern. So wurde das Unternehmen, dem auf Facebook mittlerweile über 1,2 Millionen Fans folgen, im Juni und Juli 2018 auf den ersten Platz im Storyclash Social Media Ranking ECommerce Deutschland gewählt. Und in einer Umfrage von Focus Money belegten die Lingener jüngst den zweiten Platz als Top Online-Shop im Bereich Fanartikel, direkt hinter dem Dortmunder Fußball-Bundesligisten BVB. Erfolge kann EMP auch in einem anderen Feld verzeichnen. Mittlerweile falle es deutlich leichter, Fachkräfte zu einem Wechsel nach Lingen zu bewegen. „Viele Experten wollen lieber in einer Metropole arbeiten“, weiß Trapp, der seinerzeit selbst aus München ins Emsland gewechselt ist. So sei es EMP wohl auch aufgrund der Tatsache, dass das Unternehmen sich als Arbeitgeber etabliert habe, jüngst gelungen, drei Top-Manager großer Einzelhandelsunternehmen für die Bereiche Logistik, Einkauf und Vertrieb nach Lingen zu holen. „Das ist das Ergebnis einer konsequenten und erfolgreichen Weiterentwicklung der Arbeitgebermarke“, sagt Trapp.


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Wenn die Snacks zum Kunden kommen „Hohlt rollende Frische“ fährt täglich 900 Firmen an – Belegte Brötchen, Getränke und Süßigkeiten im Angebot VON NADINE GRUNEWALD BISSENDORF. Mit einem einzigen Verkaufswagen, mit dem Dieter Hohlt über Land fuhr, hat 1990 die Geschichte des Unternehmens „Hohlt rollende Frische“ begonnen. Heute fahren die Mitarbeiter täglich etwa 900 Firmen, Praxen und Schulen in Osnabrück, dem Osnabrücker Land und Ostwestfalen an, um dort Snacks an den Mann zu bringen. Und die Geschäftsführer wollen noch expandieren.

Vier Uhr morgens im Industriegebiet in Bissendorf: Während sich die meisten Menschen im Schlaf noch einmal auf die andere Seite drehen, wird in den Produktionsräumen der Firma „Hohlt rollende Frische“ bereits fleißig gearbeitet. Brötchen müssen aufgeschnitten und belegt, die Verkaufswagen mit frischer Ware bestückt werden. Viel Zeit bleibt nicht: Um halb sechs rollen die ersten weiß-grünen Verkaufswagen vom Hof, bis spätestens sieben ist der letzte weg. Etwa 900 Firmen, Schulen oder Arztpraxen fahren die Mitarbeiter von Hohlt täglich an. Ihre Routen führen durch Osnabrück und den Landkreis bis Ibbenbüren, Bielefeld oder Bad Oeynhausen in Ostwestfalen. Bis 13.30 Uhr sind die 16 Wagen unterwegs. Die Zeiten auszudehnen kommt für Dieter Hohlt nicht infrage. „Wir wollen im Bereich Frühstück und Snacks bleiben und bis ans Mittagessen angrenzen“, sagt der 59-Jährige, der das Unternehmen zusammen mit seinem Sohn führt. Dementsprechend sieht das Angebot aus: Belegte Brötchen, Burger mit kaltem Gyros, Salate, Donuts, Joghurts, Getränke und Süßigkeiten liegen in der Auslage und den Regalen der Verkaufswagen. „Etwa 5000 Snacks, also Brötchen und Kuchenstücke, setzen wir an guten Tagen ab“, sagt Mitarbeiterin Linda Kreye. Die umsatzstärksten Tage seien dabei Montag, Donnerstag und Freitag – warum es gerade diese Tage sind, das hätten sie bis heute nicht herausfinden können. Außerdem liefern sie auch Großbestellungen an belegten Brötchen, beispielsweise zu Meetings, und ein zum Konzept passendes Catering mit Suppen, Fingerfood und Wraps. Neue Rezepte für belegte Brötchen, Dressings, Saucen oder andere Snacks überlegt sich Hohlt, der gelernter Koch ist, häufig selbst. Auch seine Mitarbeiter dürfen neue Kreationen ausprobieren. Die Brötchen sowie die übrigen Produkte bezieht das Unternehmen eigenen Angaben zufolge von regionalen Händlern. Damit die Verkäufer die Kunden möglichst schnell bedienen können, werden die Brötchen bereits vorab belegt. Und auf Schnelligkeit kommt es an: „Zum Teil stehen da 40, 50 Kunden Schlange, wenn unser Wagen kommt“, so Kreye. Und weil die Kunden ihre Arbeitszeit unterbrechen, hätten viele von ihnen nur

Guten Appetit: Mit den voll beladenen Verkaufswagen fahren die Mitarbeiter von „Hohlt rollende Frische“ zu Firmen – und bringen Snacks und Getränke direkt zum Kunden.

wenig Zeit für den Einkauf. Außerdem müssen die Verkäufer die Ankunftszeiten an den Firmen einhalten, die mit den jeweiligen Chefs abgesprochen wurden. Kommen sie später, würden die Kunden schon auf die Uhr schauen. Wenn die Fahrer aufgrund von Bauarbeiten Umwege fahren müssen, würden die Firmen deshalb auch immer über veränderte Zeiten informiert. Die Standzeit ist laut Hohlt übrigens überall anders: „Das reicht von drei bis 20 Minuten.“ Diese Logistik sei eine Herausforderung – und der Grund, warum Versuche anderer, das System zu kopieren, bislang gescheitert seien. „Das Geschäft hat viel mit Logistik,

„Etwa 5000 Snacks setzen wir an guten Tagen ab.“ Mitarbeiterin Linda Kreye

Arbeiten zusammen: Dorothea Meyer (links) und Linda Kreye (rechts) unterstützen die Geschäftsführer Julian und Dieter Hohlt. Foto: Jörn Martens

Vorplanung und Gesprächen zu tun. Wir können ja nicht überall zum sieben Uhr gleichzeitig sein“, sagt Hohlt. In der Umgebung gebe es lediglich in Münster einen vergleichbaren Betrieb, der jedoch auch einen Mittagstisch anbiete. Außerdem müsse gut kalkuliert werden. Denn die belegten Brötchen, die zurückkommen, könnten nicht weiterverwendet werden. Wie viel Ware sie am Tag brauchen, haben die Mitarbeiter jedoch schnell raus. Und wenn die bereits morgens in der Firma belegten Brötchen ausverkauft sind, können die Verkäufer in ihren Wagen weitere selber belegen. „Meistens kaufen die Kunden das Gleiche. Die Verkäufer wissen dann schon genau, was sie ihnen geben müssen“, sagt Dorothea Meyer, die wie ihre Kollegin Kreye in der Verwaltung arbeitet. 80 Prozent der Kunden seien Stammkunden. Rund 2,5 Millionen Euro Umsatz machte Hohlt eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr. „Die Leute haben immer Hunger. Und es ist bequem: Sie können in der Firma nach unten gehen und sich etwas zu essen holen“, sagt er. „Die Menschen haben sich so extrem daran gewöhnt, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenken, sich etwas von zu Hause mitzubringen.“ Auch für die Chefs ist das Angebot gut, da diese keine Kantinen stellen müssen. „Das lohnt sich oft für mittelständische Unternehmen nicht.“ Bereits seit Längerem überlegt Hohlt, zu expandieren und noch einen zweiten Standort aufzubauen. Konkreter will sich der 59-Jährigen zum derzeitigen Zeitpunkt nicht dazu äußern. Man sei gerade auf der Suche nach Räumlichkeiten. Allerdings sei eine Expansion bei der derzeitigen Personallage schwierig. Mitarbeiter – vor allem für die Produktion – zu finden sei nicht einfach. Ein Problem sei das frühe Aufstehen, das häufig nicht in den Familienablauf passe. Aufgrund fehlenden Personals sei auch ein weiteres Projekt verschoben worden. Mit einem Onlineshop, über den Kunden die Produkte direkt bestellen und bezahlen können, sollen künftig Arztpraxen und Kanzleien in der Innenstadt angesprochen werden.

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MACHER & MÄRKTE

Ein Laser-Greifwerkzeug für die Forschung Die Ionovation GmbH entwickelt und baut optische Pinzetten

VON NINA KALLMEIER BISSENDORF. Der US-Amerikaner Arthur Ashkin hat in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis für die Entwicklung einer optischen Pinzette bekommen. Das Bissendorfer Unternehmen Ionovation nutzt diese Grundlagen aus den 1980er-Jahren und entwickelt und baut unter anderem Hightech-Geräte für Forschungseinrichtungen.

„Science Fiction ist Wirklichkeit geworden“, schrieb die KöniglichSchwedische Akademie der Wissenschaften in ihrer Begründung zur Vergabe des Physik-Nobelpreises an den US-Amerikaner Arthur Ashkin in diesem Jahr. Ein Stück dieser Science-Fiction-Geschichte wird auch in Bissendorf geschrieben. Im Innovationsforum ist seit Anfang des Jahres die Ionovation GmbH um Geschäftsführer Karsten Gall (56) angesiedelt, die optische Pinzetten entwickelt, baut und vertreibt. Das Prinzip: Mithilfe von Lasertechnologie können mikroskopisch kleine Objekte wie biologische Zellen festgehalten und be-

wegt werden – ein wichtiges Werkzeug in der Biologie und der Medizin. Der Biophysiker Gall, der nach seinem Studium in Osnabrück zunächst in die Pharma-Forschung gegangen ist und knapp zehn Jahre für den heutigen Branchenriesen Evotec aus Hamburg gearbeitet hat, gründete Ionovation bereits 2004 in Osnabrück. „Bei Evotec war ich zuvor unter anderem für die technische Entwicklung zuständig. Die weitere Entwicklung des Unternehmens hat später aber zu einem Physiker wie mir nicht mehr gepasst.“ Durch seine Arbeit bei Evotec, zuständig auch für die Kooperation mit der Hochschule Osnabrück, ist Gall jedoch die Idee für ein eigenes Unternehmen gekommen. Eine optische Pinzette zu entwickeln war damals nicht das Ziel. Der Biophysiker Richard Wagner, der heute an der Jacobs Universität in Bremen forscht, hatte damals an der Uni Osnabrück ein Verfahren entwickelt, um einzelne Moleküle elektrisch bei ihrer Wanderung durch Zellmembranen zu verfolgen. „Ich selbst habe mich mit der optischen Verfolgung von Molekülen beschäf-

Im Zentrum für Zelluläre Nanoanalytik Osnabrück (CellNanOs) der Uni Osnabrück kommt eine optische Pinzette der Bissendorfer Ionovation GmbH zum Einsatz.Der US Amerikaner Arthur Ashkin hat dafür eine Hälfte des diesjährigen Nobelpreises für Physik erhalten . Foto: David Ebener

tigt. Beide Technologien zusammenzubringen war unser Ziel“, so Karsten Gall. Aus den Laboraufbauten von Wagner ist das erste Produkt der Ionovation GmbH entwickelt worden. Finanziell unterstützt von der NBank und der Kfw, die noch heute stille Teilhaber des Unternehmens sind. Auf den Markt gekommen ist es 2007. Zur Entwicklung einer eigenen optischen Pinzette ist es erst vor drei Jahren aufgrund eines Durchbruchs der Uni Bielefeld gekommen, sagt Gall. Geräte, wie der USAmerikaner und Nobelpreisträger Arthur Ashkin sie in seinen Grund-

lagen schon in den 1970er-Jahren entwickelte, sind aufgrund ihres Aufbaus anfällig für Schwingungen. Denn sie bauen auf das Prinzip der Messung des vorwärts gestreuten Lichts. Dario Anselmetti hingegen hat ein Verfahren entwickelt, wie die Kräfte durch Analyse des rückwärts gestreuten Lichts gemessen werden können – was den anfälligen Aufbau unnötig macht. Anhand einer Videoanalyse, die ein Computer übernimmt, können die Kräfte sehr genau und zuverlässig bestimmt werden. Die Bissendorfer Ionovation GmbH, die heute sieben Mitarbei-

ter – Physiker und Biologen – hat, hat aus diesen Forschungsergebnissen ein Produkt gemacht. „Wir sind nicht die Einzigen, die optische Pinzetten produzieren. Mit diesem Verfahren unterscheiden wir uns aber von unseren Mitbewerbern“, sagt Karsten Gall. Dass der Aufbau keine Schwingungsentkopplung mehr nötig macht, erhöhe die Robustheit des Verfahrens und reduziere auch die Rüstzeit. Dadurch könnten nunmehr Routinemessungen durchgeführt werden, so der Biophysiker. Die erste optische Pinzette dieser Art hat Ionovation Anfang 2017 in den Markt gebracht.

Insgesamt ist das Gerät so aufgebaut, dass bestehende Mikroskope nachgerüstet werden können – unabhängig vom Hersteller. „Wir nutzen die bestehenden Ports, um die Pinzette zu integrieren.“ Fünf Stück sind mittlerweile weltweit im Einsatz – neben Osnabrück und Bielefeld auch an der TU Wien, am John Radcliffe Hospital der Universität Oxford und an der TU Freiberg. Weitere sollen folgen, denn die Internationalisierung soll weiter vorangetrieben werden, so Gall. Projekte weltweit seien in der Pipeline. Insbesondere in China und den USA, wo das Bissendorfer Unternehmen jeweils mit Vertriebspartnern zusammenarbeitet. Und die Entwicklungen zur optischen Pinzette sollen nicht stehen bleiben. Mittels zwei Laser, die eine Zelle gleichzeitig fassen können, soll es möglich sein, Eigenschaften wie die Elastizität untersuchen zu können. „Mechanische Eigenschaften sind oftmals Indikatoren für ein Krankheitsbild“, sagt der Biophysiker. Hier arbeitet das Unternehmen in einem Interreg-Forschungsprojekt stark mit Firmen aus den Niederlanden zusammen. Interessant seien solche Untersuchungen unter anderem für Herzzentren wie in Bad Oeynhausen. Neben den optischen Pinzetten hat die Bissendorfer Firma jedoch noch ein zweites Standbein. Dabei geht es um medizinische Chemie. „Nachdem wir den Transportprozess eines Moleküls sichtbar machen können, kam die Idee, das Molekül so zu modifizieren, dass es besser durch eine Membran wandert“, erklärt Gall. Die Entwicklungen zum Wirkstofftransport finden allerdings mit einem Partnerunternehmen in Gera statt.

Keynotes: Prof. Dr. Norbert Winkeljohann

Unternehmensberater und Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten

Mark Korzilius

Gründer von Vapiano

Ni Nico Lumma

Next Media Accelerator

Podiumsdisskussion: Stefan Muhle

Staatssekretär für Digitalisierung

Nicolas Fromm

Leiter Digital, NOZ Medien

Matthias Hunecke Hunec Gründer Brille24.de

Christoph Grimme

Grimme Landmaschinenfabrik

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

SPEZIAL

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FRAUEN & FÜHRUNG

Ein Leben zwischen Yoga und Zahlen Nancy Plaßmann ist in den Vorstand der Sparkasse Osnabrück aufgerückt und verantwortet dort das Privatkundengeschäft

Die Sparkasse Osnabrück hat ihre erste Vorstandsfrau. Nancy Plaßmann ist in der Region fest verwurzelt. Schon als Judoka bewies sie Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. VON MANUEL GLASFORT In den vergangenen 20 Jahren hat Nancy Plaßmann bei der Sparkasse Osnabrück eine steile Karriere hingelegt, die sie jetzt in den Vorstand des Instituts geführt hat. Die selbst erklärte „Herzblut-Osnabrückerin“ kann man nicht nur am Schreibtisch, sondern auch auf der Yoga-Matte oder im VfL-Stadion antreffen.

Nancy Plaßmann hat einen gut gefüllten Terminkalender: Tagsüber leitet sie die Geschicke der Sparkasse Osnabrück, abends gibt sie Yoga-Kurse. Und nebenher findet die Osnabrückerin auch noch Zeit für ihren eigenen Sport, Stadionbesuche beim VfL Osnabrück und ehrenamtliches Engagement. Man tut der 39-Jährigen nicht unrecht, wenn man sie als Powerfrau und echtes Sparkassengewächs bezeichnet. Vor wenigen Wochen ist sie in den Vorstand der Sparkasse Osnabrück aufgerückt, nachdem ihr Vorgänger Friedrich H. Peters- Ein echtes Sparkassen-Gewächs: Nancy Plaßmann ist seit 20 Jahren bei der Sparkasse Osnabrück – und nun in den Vorstand aufgerückt. mann altersbedingt ausgeschieden war. machen Frauen mehr als die Hälf- mit 25 Jahren aus dem Leistungs- den lassen. Ihren BewegungsDie Personalie sorgte auch des- te (56 Prozent) der Beschäftigten sport zurückgezogen habe, erzählt drang lebt Plaßmann außerdem halb für Aufsehen in der Region, im Finanzsektor aus. Das DIW Plaßmann. „Die Judo-Zeit schätze beim Joggen aus, im Urlaub auch weil mit Plaßmann die erste Frau vermutet eine männerdominierte ich bis heute, ich habe nach wie beim Mountainbiken oder Skifahin das dreiköpfige Leitungsgremi- Führungskultur als Ursache für vor sehr gute Freunde von da- ren. Den täglichen Weg von ihrem um gewählt wurde – eine Tatsa- das Ungleichgewicht in den Chef- mals“, sagt sie. Auch die Internati- Zuhause im Katharinenviertel ins che, um die Plaßmann kein Aufhe- etagen der Banken. onalität bei den Trainingslagern Büro legt sie natürlich per Fahrrad bens macht. „Ich habe mich noch Bei der Sparkasse Osnabrück sei sei etwas Besonderes gewesen. zurück. nie in meinem Leben gefragt, ob Geschlechtergerechtigkeit eine „Und natürlich lernt man DisziPlaßmann ist in der Region fest ich etwas nicht tun könnte, weil Selbstverständlichkeit, unter- plin und Durchhaltewillen, was ei- verwurzelt und bestens vernetzt. ich eine Frau bin. Ich bin so nicht streicht Plaßmann. „Nun gibt es nem auch im Berufsleben nützt.“ „Ich bin schon Herzblut-Osnabrüsozialisiert“, sagt sie und betont: bei uns in der Sparkasse nicht Den fernöstlichen Kampfsport ckerin und mag diese Stadt un„Ob man ein Unternehmen führen ständig Wechsel in den Führungs- hat sie lange aufgegeben, ihrer Yo- glaublich gerne. Von daher ist es kann, hängt nicht davon ab, wie positionen. Von daher dauert es ga-Leidenschaft dagegen ist Plaß- toll, dass ich diesen Vorstandsposviele X- oder Y-Chromosome man hier länger als in Unternehmen mann treu geblieben. „Mit 20 Jah- ten hier machen kann.“ Ihre Verhat. Da sind ganz andere Dinge re- mit viel Fluktuation.“ Plaßmann ren habe ich Yoga als Ausgleich bundenheit mit Osnabrück zeigt levant, wie Empathie, Entschei- ist skeptisch, was eine gesetzliche zum Leistungssport für mich ent- sich auch am ehrenamtlichen Endungsfreude, strategisches Den- Frauenquote betrifft. „Ich bin da- deckt. Ehrgeiz, Leistung und Kon- gagement für die Felix-Nussken, die Bereitschaft, Verantwor- für, dass die Besten die Jobs be- kurrenz spielen dort keine Rolle.“ baum-Gesellschaft, den Zoo und tung zu übernehmen.“ kommen.“ Personalpolitik sei Sa- Inzwischen macht sie den aus In- die Universitätsgesellschaft. An Dennoch: In den Führungseta- che der Unternehmerinnen und dien stammenden Sport nicht nur den Wochenenden jubelt Plaßgen der deutschen Banken sind Unternehmer, die Politik solle sich selbst, sondern bringt ihn auch mann im Stadion an der Bremer Frauen bis heute selten anzutref- heraushalten. anderen bei. Brücke den Kickern des VfL Osnafen. So lag der Frauenanteil in den Das Leistungsdenken nimmt Zur Yoga-Leh- brück zu – vom „Affenfelsen“ aus. Vorständen und Geschäftsführun- man Plaßmann sofort ab. Hinter rerin hat sie Ohne ihre Sport-Begeisterung gen der 100 größten deutschen ihrer zugewandten und gut gesich – klar – wäre Plaßmann womöglich gar Kreditinstitute im vergangenen launten Art verbirgt sich eine ehrnebenbenicht bei der Sparkasse gelandet. Jahr bei 8,9 Prozent, wie aus einer geizige Kämpfernatur. Schon im ruflich Vielmehr suchte sie nach dem AbiUntersuchung des Deutschen Ins- Alter von zehn Jahren begann sie ausbiltur am Ernst-Moritz-Arndt-Gymtituts für Wirtschaftsforschung mit Judo, das sie lange als Leisnasium 1998 nach einer Möglich(DIW) hervorgeht. Das ist deutlich tungssport betrieb. Mit den keit, ein duales Studium in Bemehr als noch zehn Jahre zuvor, Judo Crocodiles Osnabrück triebswirtschaftslehre und dennoch ist das weibliche Ge- kämpfte sie in der 1. Frauzu absolvieren. schlecht in den Spitzengremien en-Bundesliga. Sie sei „Dann habe der Banken nach wie vor unterre- mehrfache Niedersachsenpräsentiert. Und das liegt nicht und norddeutsche Meistedaran, dass zu wenige von ihnen rin gewesen, ehe sie sich in der Branche arbeiten. VielBleibt beweglich: Nancy Plaßmann auf der mehr Yoga-Matte.

Foto: Thomas Plaßmann

Foto: Jörn Martens

ich geschaut, wo das möglich ist.“ Die Sparkasse Osnabrück habe am schnellsten zugesagt und sei im Bewerbungsgespräch am sympathischsten gewesen. Und dann war da die Sache mit dem Judo. In vielen anderen Vorstellungsrunden waren die Gesprächspartner skeptisch, ob sie neben Arbeit und Studium auch noch Zeit für Leistungssport finden würde. „Bei der Sparkasse hieß es dagegen: Wenn Sie weiter Judo machen wollen, und sie brauchen Sonderurlaub, dann kriegen wir das auch geregelt. Da war dann klar: Das passt.“ Auch das soziale Engagement der Sparkasse und die Attraktivität als

„Ehrgeiz, Leistung und Konkurrenz spielen beim Yoga keine Rolle.“ Nancy Plaßmann

Arbeitgeber hätten eine Rolle gespielt. „Ich glaube, ich wäre nicht bei einer anderen Bank gelandet“, sagt Plaßmann. Während des dreieinhalbjährigen Ausbildungsprogramms sammelte sie erste berufspraktische Erfahrungen und legte in Hannover an der Sparkassenakademie Niedersachsen ihren Sparkassenbetriebswirt ab. Später sattelte Plaßmann berufsbegleitend ihre Diplom-Kauffrau an der FH Hannover drauf. Es folgte ein steiler Aufstieg bei der Sparkasse Osnabrück. Nach Stationen im Privatund Firmenkundenbereich wechselte Plaßmann in die Revision, also zur internen Prüfung der Unternehmenssteuerung. Danach ging es zurück in den Firmenkundenbereich, wo sie die Leitung der Vertriebssteuerung übernahm und ein großes Umstrukturierungsprojekt verantwortete. „Den Mittelstand zu begleiten, darin sehen wir nach wie vor eine große Aufgabe. Und das macht auch große Freude.“ Anschließend widmete sie sich erneut den Privatkunden und leitete mehrere Filialen im Südkreis. In den letzten drei Jahren vor dem Wechsel in den Vorstand war Plaßmann Bereichsleiterin des Vorstandsstabes und unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Ich hatte in dieser Zeit 85 Mitarbeiter in meiner Verantwortung, ehe es dann in den Vorstand ging.“ Heute teilt sie sich mit ihren Vorstandskollegen Johannes Hartig und André Schüller die Verantwortung für die rund 1200 Mitarbeiter des Instituts. Vor allem aber ist Plaßmann für die Privatkunden verantwortlich, von denen die Sparkasse nach ihren Angaben mehr als 200 000 hat. Das Institut habe bei aller Konkurrenz eine unangefochtene Stellung im regionalen Markt. Die Vorstandsfrau weiß, vor welchen Herausforderungen die Bankenwelt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung steht. Das Online-Banking eröffnet immer neue Möglichkeiten, entsprechend ändert sich das Kundenverhalten. „Die Vernetzung der diversen Kanäle ist das Thema, das wir jetzt immer stärker vorantreiben werden“, umreißt Plaßmann ihre Agenda für die kommenden Jahre. „Denn natürlich ist es total bequem, bei bestimmten Dingen die Sparkassen-App zu benutzen. Und an einem bestimmten Punkt kommen Kunden eben zum Gespräch in die Filiale. Wichtig ist, dass der Kunde die Reise dort beginnen kann, wo er möchte.“ Digitalisierung, Niedrigzinsen und zunehmende Regulierung setzen die Banken unter Druck. Auch die Sparkasse Osnabrück hat in den vergangenen Jahren Stellen abgebaut. Doch Plaßmann ist sich sicher, dass das Filialgeschäft auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. „Natürlich kann ich mir viele Dinge online anschauen. Aber am Ende, wenn ich die Baufinanzierung wirklich machen will, dann möchte ich doch einen Berater haben, dem ich vertraue. Das Tolle ist, dass wir den Kunden in besonderen Lebenssituationen beraten können. Insofern kann ich jungen Leuten nur empfehlen, bei uns anzufangen.“ Und wer weiß – vielleicht ist unter den nächsten Berufsanfängern ja ein zukünftiges Vorstandsmitglied.


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

SPEZIAL FRAUEN & FÜHRUNG

„Von wegen schwaches Geschlecht“ Frauenanteil in Vorständen börsennotierter Unternehmen steigt leicht – Durchwachsenes Bild in der Region

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/EMSLAND/GRAFSCHAFT BENTHEIM. Es gibt mehr

Männer mit den Vornamen „Michael“ oder „Thomas“ in den Vorständen deutscher Börsenunternehmen als Frauen, sagte Fränzi Kühne, Unternehmerin und Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin eines börsennotierten Unternehmens, in einer Diskussionsrunde. Bundesweit wächst die Zahl der Top-Managerinnen nur leicht. In der Region zeigt sich ein durchwachsenes Bild.

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nehmen zusammengenommen männlich waren – und dennoch ist der Wert hinsichtlich der Frauenquote ein neuer Positivrekord. Für mehr Weiblichkeit an der Unternehmensspitze sorgen vor allem die mittelgroßen MDax-Unternehmen. Bei ihnen hat sich der Anteil von Managerinnen fast verdoppelt und liegt nun bei 6,8 Prozent. In Dax-Unternehmen stagnierte der Frauenanteil am Führungspersonal auf dem Vorjahresniveau von 13,4 Prozent. Schaut man auf die Region, sieht die Situation zwar freundlicher aus als im Dax, die Zahlen bleiben jedoch hinter dem Bundesschnitt zurück. Laut Statistischem Bundesamt lag der Frauenanteil von Führungskräften insgesamt 2017 bei 29,2 Prozent. Nah ran kommt das Handwerk: Von den rund 10 700 Betrieben in Osnabrück, im Emsland und der Grafschaft Bentheim werden laut Handwerkskammer 7261 von Alleininhabern geführt oder sind Einzelfirmen. 2079 von ihnen haben eine Frau an der Spitze – das sind immerhin 28,6 Prozent. Zum Vergleich: 2012 waren es noch knapp 22. „Wir brauchen starke Frauen für ein starkes Handwerk“, betont Kammerpräsident Reiner Möhle. „Fachfrau, Führungskraft und selbstständig verantwortlich – von wegen schwaches Geschlecht. Im Handwerk der Region gibt es viele Handwerkerinnen, die in ihrem Beruf erfolgreich sind, Betriebe übernehmen, gründen und weiterentwickeln.“ Frauen könnten in allen Handwerksberufen mithalten, betont Möhle. Und ihr enormes Fach- und Führungspotenzial könnte nach seinem Dafürhalten angesichts eines immer größer werdenden Fachkräftebedarfs in viel stärkerem Maße genutzt werden. „Arbeitswissenschaftliche Untersuchungen ergeben eindeutig, dass die Erhöhung der Frauenerwerbsbeteiligung der kräftigste Hebel der Fachkräftesicherung ist“, so der Kammerpräsident. Daher unterstütze die Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim jegliche

ES GEHT UNS AUCH OHNE FRAUEN GUT, SEHEN SIE SICH UNSERE ERGEBNISSE AN. 60:56 für Männer mit den Vornamen Michael oder Thomas: So lautet das Ergebnis der AllBright-Stiftung, schaut man sich das Verhältnis der Gesamtzahl von Frauen in den Vorständen börsennotierter Unternehmen in Deutschland und Männern allein mit diesen beiden Vornamen dort an. Noch ernüchternder: 110 der 160 Firmen in Dax, MDax, SDax oder TecDax haben erst gar keine Frau in ihrem Vorstandsgremium. „An den Unternehmensspitzen dominiert eine männliche Monokultur, die sie nicht abzuschütteln vermögen: Thomas rekrutiert Thomas und der wiederum einen Thomas, der ihm sehr ähnlich ist“, kritisieren die Geschäftsführer der Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg, in ihrem Bericht. Auf die Karrierechance von Frauen wirft dies kein gutes Licht. Vor allem, da viele dieser Firmen am Status quo nichts ändern wollen. „Ganz überwiegend streben sie in den kommenden Jahren ausdrücklich einen Frauenanteil von null Prozent an“, so zeigt der Bericht der deutsch-schwedischen Stiftung. Da überrascht es nicht, dass im September dieses Jahres 92 Prozent der Vorstandsmitglieder aller Börsenunter-

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DER GENDER-HYPE VERSTELLT DOCH DEN BLICK AUF DIE EIGENTLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER WIRTSCHAFT.

Bemühungen, um noch mehr Frauen für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den IHK-Betrieben ab. „Im September waren in unserem IHK-Bezirk 16 102 Frauen in Führungspositionen, also als Geschäftsführerin, Prokuristin oder Inhaberin, tätig“, sagt Hauptgeschäftsführer Marco Graf. Allerdings ist ihre Zahl damit gegenüber dem Vorjahr ganz leicht zurückgegangen, damals waren es 16 168. Entsprechend leicht reduzierte sich der Frauenanteil am Führungspersonal von 23,6 auf 23,3 Prozent. „Der Anteil ist in nahezu allen Branchen leicht zurückgegangen. Eine Ausnahme bildet das Gastgewerbe“, so Graf. Trotz des Rückschritts im Jahresvergleich zeigt ein längerfristiger Blick: Der Anteil des weiblichen Führungspersonals im IHK-Bezirk liegt immer noch deutlich über den Werten der Jahre 2014 (22,2 Prozent) und 2013 (18,7 Prozent). Dennoch: Zu der jüngsten Entwicklung bei dem Anteil der Frauen in Führungspositionen erklärt IHK-Präsident Martin Schlichter: „Beim Anteil der Frauen in Führungspositionen sehe ich auch in der Region weiterhin Luft nach oben“, betont IHK-Präsident Martin Schlichter. „Unsere IHK setzt sich daher weiterhin für eine Steigerung des Frauenanteils ein. Wir fördern dazu beispielsweise den Erfahrungsaustausch – etwa in dem 2012 gegründeten IHK-Netzwerk „Frauen in Führung“, entwickeln Schulungsangebote für weibliche Führungskräfte und wir führen in diesem Jahr wieder die Aktionswoche „Frauen- Business-Tage“ durch.“ Und gibt es ein Stadt-Land-Gefälle? Den höchsten Anteil an Frauen an der Spitze hat der Landkreis Osnabrück mit 25,1 Prozent (2016: 25,3 Prozent), gefolgt von der Stadt (23 Prozent; 2016: 23,5 Prozent) und dem Landkreis Emsland (22,3 Prozent; 2016: 22,7 Prozent). Schlusslicht ist die Grafschaft Bentheim (21,2 Prozent; 2016: 21,7 Prozent). Dafür haben sich die Branchen unterschiedlich entwickelt: Laut letzter Analyse der IHK für das Jahr 2016 ist vor allem das Gastgewerbe von weiblichen Chefs geprägt. Hier liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen mit 31,9 Prozent am höchsten. Ebenfalls leicht überdurchschnittlich ist der Anteil weiblicher Chefs im Handel und bei den sonstigen Dienstleistungen. Dagegen ist die Quote in den Wirtschaftszweigen Industrie und Verkehr mit 14,5 bzw. 18 Prozent vergleichsweise gering. Doch warum gibt es so wenige Frauen an der Spitze? Eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) sieht auch eine fehlende gesetzliche Quote als ausschlaggebend. „Entsprechend ist der Druck nicht so groß“, so Ija Ramirez, Partnerin bei EY und Leiterin des Bereichs People Advisory Services. Werden Frauen im Auswahlprozess übergangen? Ramirez sieht bei den meisten Unternehmen durchaus das Bestreben, den Frauenanteil im Vorstand zu steigern: „In so gut wie allen großen Unternehmen steht das Thema auf der Agenda. Allerdings gibt es oft nicht übermäßig viele weibliche Kandidaten mit ausreichender Managementerfahrung und Qualifikation. Vorstandstaugliche Frauen sind heute sehr gesucht.“ Es gebe weiterhin ein gesellschaftlich bedingtes Handicap:

„Beim Anteil der Frauen in Führung sehe ich auch in der Region weiterhin Luft nach oben.“ IHK-Präsident Martin Schlichter

„Noch immer sind es zumeist Frauen, die sich um die Kinder kümmern und dafür Abstriche bei der eigenen Karriere machen. Tradierte Rollenbilder sind da noch längst nicht überwunden.“ Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) auf Basis einer Befragung unter mehr als 1000 Unternehmen zeigt: Frauen streben seltener in die Führungsetage. Im Schnitt stammen nur knapp 32 Prozent der Bewerbungen für Führungspositionen von Frauen. Als Grund nennt das IW unter anderem eine fehlende Struktur zu Kinderbetreuung und mangelnde Teilzeitmöglichkeiten. Und: Frauen würden die Erfolgsaussichten ihrer Bewerbung tendenziell geringer einschätzen als Männer. Einen ähnlichen Eindruck vermittelte Cawa Younosi, Head of Human Resources Germany (SAP SE & SAP Deutschland) und Mitglied der Geschäftsleitung von SAP Deutschland, jüngst auf dem Podium des Brigitte Symposiums in Essen. Frauen würden länger darüber nachdenken, ob sie sich auf eine bestimmte Position bewerben sollten, so seine Erfahrung. Mit Siemens und Daimler, dem Immobilienkonzern Vonovia, Versicherer Allianz, der Lufthansa und dem DAXNeuling, dem Fintech-Unternehmen Wirecard, gehört der Software-Riese SAP zu jenen Dax-Unternehmen mit dem höchsten Frauenanteil im Führungspersonal. Um gleiche Chancen zu bieten, geht SAP auch einen etwas ungewöhnlichen Weg: Führungspositionen werden ausschließlich in Teilzeit ausgeschrieben. Younosi gab jedoch auch zu, dass die Maßnahme auf die konkrete Zahl der Frauen an der Spitze bislang noch keine Auswirkungen gehabt habe. Es sei jedoch ein wichtiger und von den Mitarbeitern gewollter Schritt gewesen. Doch was tun, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen? Eine Quote ist – auch unter Frauen – umstritten. Fränzi Kühne findet das Instrument dennoch sinnvoll. „Leider“, sagte sie jüngst auf dem Podium des Brigitte Symposiums. Es brauche das Instrument, um Frauen sichtbar zu machen. Für sie gilt aber auch: „Es wird Zeit, nicht immer den Unterschied zwischen Männern und Frauen zu machen, sondern auf Inhalte einzugehen.“ Benachteiligt hat sich die Gründerin einer Digitalagentur als Frau nie gefühlt. Auch SAP-Geschäftsführer Younosi ist überzeugt: „Es gibt unglaublich viele talentierte Frauen, man muss sie nur sehen.“ Um genau diese Frauen stärker in den Fokus zu rücken, hat die Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim jüngst zwei Broschüren herausgebracht, in denen einige von ihnen ihre Geschichte erzählen. Um zu zeigen, dass Frauen im Handwerk weit mehr erreichen können als andere oder auch sie selbst es sich zutrauen, so Möhle. „Handwerkerinnen und solche, die es werden möchten, sollen wissen, dass die Betriebe in unserer Region offen für ihr Engagement sind.“ Damit ist die Region weiter als die großen Unternehmen bundesweit. Steigt die Zahl der Frauen in Vorstandsgremien weiter so langsam wie bislang, wird es laut EYAnalyse bis zum Jahr 2040 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist.


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SPEZIAL FRAUEN & FÜHRUNG

Eine Frau zertifiziert sie alle Ursula Günster-Schöning ist Unternehmenscoach

VON HERMANN-JOSEF MAMMES MEPPEN. Der Landkreis Emsland

wirbt mit dem Slogan „Zuhause bei den Machern“. Wenn es nach dem Willen von Ursula Günster-Schöning geht, müsste der Spruch um einen zweiten „Zuhause bei den Macherinnen“ ergänzt werden. Sie leitet als Unternehmenscoach seit elf Jahren die Emsländische Stiftung Beruf und Familie.

Nach ihrer Einschätzung gibt es im Emsland durchaus Macherinnen in Führungspositionen, wenn auch noch zu wenige. Die meisten kennt sie aus ihrer Arbeit persönlich. Schnell fallen ihr Namen ein: Maria Borgmann leitet das Familienunternehmen Hölscher Wasserbau in Haren, Heike Ganseforth das gleichnamige Bäckerunternehmen in Kluse bei Dörpen, Claudia Bröker die Spedition Többe in Meppen oder Andrea Lindemann die Gebäudereinigung GmbH Picobello aus Papenburg. Trotz weiterer Beispiele sei die Liste durchaus noch überschaubar und ausbaubar. „Das sind für mich Macherinnen und tolle Frauen, die wir aber noch nicht entsprechend genug herausstellen“, kritisiert sie. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass Frauen, wenn überhaupt, oftmals nur im schulischen und sozialen Bereich Verantwortung übernehmen. Hier seien sie akzeptiert

und etabliert. „Grundschulen und Kindertagesstätten werden fast ausschließlich von Frauen geleitet“, sagt die Trainerin und Prozessbegleiterin. Auch in Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern übernehmen viele Frauen Verantwortung, wenn auch nicht an der Spitze. In der Industrie und selbst im Dienstleistungsbereich stehen Frauen fast immer in der zweiten Führungsriege „ihren Mann“. Dies gilt auch für die ganz großen emsländischen Unternehmen wie die Meyer Werft in Papenburg, Krone in Spelle oder Rosen in Lingen. Im Finanz- und Bankenwesen gebe es nicht eine Vorstandsfrau im Emsland, „maximal eine Filialleiterin“. Und selbst in der Riege der 19 hauptamtlichen Bürgermeister sucht man vergeblich nach nur einer einzigen Amtsinhaberin. Ehrenamt ja, hauptamtlich nein. Die Kreisverwaltung werde ebenfalls wie selbstverständlich von einem Landrat, nämlich Reinhard Winter, angeführt. Erst auf der zweiten Ebene, der Dezernentenriege, finde sich mit Dr. Sigrid Kraujuttis eine Frau, und wie selbstverständlich ist sie für das Sozialwesen verantwortlich. Dieses Szenario setze sich bei der Industrieund Handelskammer sowie Handwerkskammer und den Kreishandwerkerschaften in der Region in bedrückender Art und Weise fort. Günster-Schöning gibt jedoch nicht nur den Männern Schuld an dieser Entwicklung: „Das ist auch

Mehr Frauen in Führungspositionen wünscht sich Unternehmenscoach Ursula Günster-Schöning. Foto: Stefan Schöning

eine Frage von Einstellung, persönlichem Wollen, Haltung und Unternehmenskultur. Viele Frauen wollen keine Führungsposition, tun sich durchaus schwer, diese anzustreben.“ Das sei leider auch ein Stück „gelernter Biografie“. Das Klischee einer „guten Frau“ vornehmlich als Ehefrau, Hausfrau und Mutter sei leider immer noch in vielen Köpfen manifestiert. Mit dem Blick auf die junge Frauengeneration bahne sich ein Umdenken an, aber nur langsam. Mit dem Mutterwunsch ist daher oftmals die Karriereleiter beendet. Führung ist wie selbstverständlich männlich. Die Männerdomäne lebt zudem noch vor, dass dies auch nur Männer erfolgreich können. Auch die Arbeitsbedingungen sind oftmals nur auf Männer in Vollzeit ausgerichtet. Viele Frauen können sich deshalb nur schwer vorstellen,

EMSLÄNDISCHE STIFTUNG BERUF UND FAMILIE

80 Firmen hat Ursula Günster-Schöning zertifiziert Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Unternehmenscoach bei der Emsländischen Stiftung Beruf und Familie hat Ursula Günster-Schöning inzwischen 80 Firmen zertifiziert. Sie erhalten das „Emsländische Gütesiegel für Familienfreundlichkeit“. Vorab mussten sich die Firmen einem Workshop unterziehen. Dabei deckt die Auditorin mit den Mitarbeitern Schwächen, aber auch Stärken in den Betriebsabläufen mit Blick

auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Chancengleichheit auf. Mit dem Zertifikat verpflichtet sich der Arbeitgeber, die Zielvereinbarungen für eine „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ umzusetzen. Weiter muss er familienfreundliche Strukturen stärken und fordern. Ein wichtiges Thema ist dabei die lebensphasenorientierte Personalentwicklung. „Ein Auszubildender hat andere Bedürfnisse und

Pools

Ansprüche als ein älterer Arbeitnehmer, eine junge Mutter andere als eine Frau mittleren Alters ohne Kinder.“ Doch alle gilt es, gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Dabei werden Themen wie die Vereinbarkeit mit den Kleinkindern, Schulkindern, aber auch die Versorgung erkrankter Eltern oder Ehepartner immer wichtiger. Auch Beratungsangebote bei Überlastung, Stress oder Alkoholsucht und Eheprob-

leme gelangen mehr in den Fokus. Allerdings dürfen sich die Firmen nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Nach drei Jahren nimmt der Unternehmenscoach der Familienstiftung sie erneut unter die Augen. Für die 80 zertifizierten Betriebe ist die Urkunde auch ein starkes Argument im Wettbewerb um Fachkräfte. Damit können sie bei Frauen und Männern gleichermaßen punkten.

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dass sie diese Rolle ausfüllen können. „Ich habe im Emsland noch kein wirkliches Modell und Beispiel entdeckt, dass Führung an oberster Stelle in Teilzeit oder Jobsharing zulässt“, sagt Günster-Schöning. Unabhängig von Führungsaufgaben, ist Jobsharing nach wie vor selten möglich. Als Folge gebe es oftmals den Automatismus, dass bei gleicher oder sogar besserer Qualifikation die Frau erst einmal zu Hause bleibt und dann mit deutlich weniger Stunden wieder zurückkehrt. Teilzeit für Frauen ist anerkannt und normal. Damit verbunden sei künftig die große Gefahr der weiblichen Altersarmut. Leider hat das Emsland traditionell bereits eine niedrige Frauenerwerbsquote. Auch deshalb und wegen des Fachkräftemangels habe die Familienstiftung und vorrangig die Koordinierungsstelle mit dem Landkreis Emsland die Wiedereingliederung von Frauen nach der Kinderphase intensiviert. „Ein Teil der Frauen zwischen 40 und 55 Jahren konnte vermittelt werden“, sagt Günster-Schöning. Hier gab es spezielle Förder- und Eingliederungsprogramme des Landkreises. Nach ihrer Wahrnehmung war es für viele aber auch eine große Umstellung, nach 20 oder 25 Jahren plötzlich wieder 40 Stunden nach vorgegebenen Zeiten arbeiten zu müssen. Auch deshalb sei die Rückkehr ins Berufsleben nicht immer unkompliziert möglich. Zugleich gebe es aber gerade bei jungen Fachkräften häufig ein Umdenken. „Das Modewort heißt Zeitsouveränität“, sagt die Beraterin. So sei das Gehalt nicht unbedingt das Wichtigste, sondern auch für immer mehr Männer werde der Freizeitaspekt wichtiger. „Zeitsouveränität ist

die neue Lohnerhöhung.“ In vielen Unternehmen im Emsland haben sich daher höchst unterschiedliche und flexible Arbeitszeitmodelle etabliert und bieten Raum für Individualität sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In der Zukunft wird für die vielen sehr gut ausgebildeten Frauen und Männern die Entwicklung der gleichberechtigten Karriere wichtig. Das bedeutet, dass beide Ehepartner als Spitzenkräfte nur noch 25 oder 30 Stunden arbeiten. „Beide wollen Karriere machen, aber auch beide wollen sich um die Kinder kümmern“, so Günster-Schöning. Solch ein Modell – beide arbeiten 30 Stunden – setze die Anerkennung beider Kompetenzpartner und auch deren Bezahlung auf Augenhöhe voraus. Im Landkreis Emsland kenne sie allerdings nur wenige positive Beispiele für ein solches Mo-

„Wenn ich den Ingenieur überzeugen will, brauche ich auch Angebote für seine gut ausgebildete Ehefrau.“ Ursula Günster-Schöning

dell, und wenn dann nur in der zweiten Führungsreihe. Sie fordert deshalb „ein Umdenken in Richtung zukunftsfähiger Unternehmenskultur“. In einigen Lingener Unternehmen gab und gibt es die Initiative „Look-and-See-Trip“. Dabei werden auswärtige Fachkräfte nach Lingen eingeladen, um ihnen die Vorteile des Emslands wie die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ oder auch die guten Wohn- und Lebensbedingungen vorzustellen. Dabei kommt oft die Frage nach „Doppelkarrieren“. „Wenn ich den Ingenieur überzeugen will, brauche ich auch Angebote für seine gut ausgebildete Ehefrau“, sagt die Beraterin. Dabei sei es manchmal einfacher, das Wohnhaus für die Familie zu finden. „Zu selten gibt es diese Jobs bei uns, oder sie sind bereits von Männern besetzt und werden auch von Männern dominiert.“ Dennoch gibt es auch viele interessante und gute Jobmöglichkeiten für Frauen, die beides wollen: Kind und Karriere. Nur manchmal muss man etwas länger danach Ausschau halten. Um als Landkreis für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv zu sein, bedarf es verschiedener Strategien. Zum einen müsse das Bild der „Karrierefrauen“ in der Öffentlichkeit positiv verändert werden. Sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik gibt es selten Podiumsdiskussionen, auf denen Frauen in gleicher Anzahl wie die Männer sichtbar vertreten sind und Rede und Antwort stehen. „Wenn Frauen in Führung nicht öffentlich wahrgenommen werden, ist es nicht verwunderlich, dass Frauen Führungsrollen auch generell nicht zugetraut werden. Sie bleibt dann die Exotin“, sagt Günster-Schöning.

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

SPEZIAL FRAUEN & FÜHRUNG

SPEZIAL FRAUEN & FÜHRUNG

Frauen zwischen Förderung und Eigenverantwortung Im NOZ-Wirtschaftstalk diskutieren Katja Weber-Khan, Christine Grimme und Elisabeth Knolleenborg über Gleichberechtigung in der Wirtschaft

Männer machen stärker auf sich aufmerksam. Gut ausgebildete Männer haben gut ausgebildete Frauen. Eine Quote ja, aber unter Berücksichtigung der Branche? VON NINA KALLMEIER UND BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK. Wo sind die Frauen in der Wirtschaft? Im emanzipierten 21. Jahrhundert sind die Führungsetagen – auch in der Region – vor allem männlich besetzt. Über die Gründe, strukturelle Rahmenbedingungen und was Frauen anders machen sollten, darüber haben die Gleichstellungsbeauftragte Katja WeberKhan und die Unternehmerinnen Christine Grimme und Elisabeth Knollenborg beim NOZ-Wirtschaftstalk lebhaft und selbstkritisch diskutiert.

Mädchen sind in der Schule häufig besser als Jungs, junge Frauen gut ausgebildet, wenn sie ins Berufsleben starten – und dennoch deutlich seltener im Chefsessel anzutreffen als ihre männlichen Kollegen. „Seit geraumer Zeit haben wir ein ganz großes Potenzial an gut ausgebildeten Frauen, sodass wir eigentlich aus dem Vollen schöpfen könnten“, sagt Katja Weber-Khan, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Osnabrück und seit Kurzem Bundessprecherin der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Das „Aber“ lässt jedoch nicht lange auf sich warten: „Es gibt immer noch Strukturen in der Gesellschaft und den Unternehmen, die verhindern, dass Frauen in die obersten Führungsetagen aufsteigen können.“ Das Argument „Kinder“ schwingt zwischen den Zeilen in dieser Aussage schon mit. Und den Punkt, an dem sie das Leben bereichern, spricht auch Elisabeth Knollenborg gleich an: „Frauen werden nach ihrer guten Ausbildung leichter und schneller zurückgeworfen, wenn sie Mütter geworden sind“, ist ihre Erfahrung. Auch wenn Männer mittlerweile ganz selbstverständlich auch Elternzeit nehmen würden. „Als die ersten Männer Elternzeit genommen haben, war das eine Revolution. Darüber sind wir hinaus“, stellt Unternehmerin Christine Grimme positiv heraus.

„Vielleicht machen Frauen zu wenig auf sich aufmerksam. Da brüllen Männer lauter.“ Christine Grimme

Dennoch hapere es anschließend an Strukturen, wenn Frauen nach einem Jahr oder eher – so die Erfahrungen der drei Diskutantinnen – wieder in den Beruf einsteigen. „Frauen sind stärker auf die Betreuungsstrukturen vor Ort angewiesen“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Und das nicht nur bei Kitas. „Viele

Karrieren von Frauen bekommen noch mal einen Knick, wenn die Kinder in die Grundschule kommen. Es braucht eine Ganztagsbetreuung an den Grundschulen“, fordert sie und erntet ein bekräftigendes Nicken. Bei der Betreuung der Kleinsten gibt es auch für Mitarbeiter der Kanzlei Knollenborg & Partner gar kein Problem. „Wir haben eine eigene Betriebskita. Wenn die Tagesmutter mit den Kleinen durch den Eingangsbereich geht, kann es auch schon mal lauter werden. Beschwert hat sich deshalb in all der Zeit noch niemand. Im Gegenteil, die Kita ist für uns eine Bereicherung.“ Ein eigenes Angebot gibt es in Damme, am Stammsitz des Landmaschinenherstellers Grimme, zwar nicht, dafür jedoch eine gute Kooperation mit der Stadt. Trotz allem – auch des eigenen Betreuungsangebots für Kinder junger Mütter und Väter – sieht Elisabeth Knollenborg die Notwendigkeit, mehr Möglichkeiten zu schaffen, damit Frauen ganz selbstverständlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachkommen können. „Übrigens nicht nur für die Frauen“, schiebt Partnerin der Kanzlei Knollenborg & Partner und Mutter von zwei Kindern gleich hinterher. Das gelte auch für Männer, die in Teilzeit arbeiten wollen würden. „Bei uns ist das kein Problem, in anderen Berufen jedoch schon. Das ist ein gesellschaftspolitisches Thema“, ist sie überzeugt. Für sie persönlich sei die Teilzeit beziehungsweise die teilzeitnahe Beschäftigung von Mann und Frau wichtig – ebenso wie das Thema flexible Arbeitszeit und das Homeoffice, das dank zunehmender Digitalisierung immer besser möglich sei. Vieles möglich macht das Unternehmen Grimme für Frauen bereits – und doch sind sie, nicht nur in der Führungsebene des technikgetriebenen Unternehmens, rar. „Wir haben in Damme 1400 Mitarbeiter, davon 177 Frauen. Von ihnen arbeiten 63 in Teilzeit – in 42 verschiedenen Teilzeitmodellen. Wir machen also alles möglich“, sagt Christine Grimme, studierte Lehrerin und heute im Landmaschinenunternehmen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und in der Ausbildung sehr engagiert. „Unternehmen können einen großen Beitrag dazu leisten, Arbeitszeitmodelle der Lebensphase anzupassen. Das muss in der Firma aber auch gelebt werden“, sagt sie. Und bei Grimme sei das der Fall. Das ist für Katja Weber-Khan nicht selbstverständlich. „Es braucht eine stärkere an Lebensphasen orientierte Personalkultur. Davon würden im Übrigen auch Männer profitieren“, ist sie überzeugt. Und bringt auch die Möglichkeit ins Spiel, dass beide Partner in Teilzeit arbeiten – jeweils 30 Stunden. Trotz aller Angebote, in Führungspositionen sind bei Grimme dennoch wenige Frauen zu finden. „Aber nicht, weil wir das nicht wollen, sondern weil wir keine Bewerberinnen haben“, betont Christine Grimme. Dabei ist auch die Führung in Teilzeit möglich, wie eine Personalchefin mit 32 Wochenstunden an vier Arbeitstagen zeigt. Diese „vollzeitnahe“ Struktur ist für Katja Weber-Khan der Schlüssel, und sie nennt noch ein zweites Positivbeispiel: die Stadtverwaltung Osnabrück, wo sich zwei Frauen eine Führungsstelle teilen. Das allerdings sieht Christine Grimme kritisch. „Eine Geschäftsführerposition zu splitten stelle ich mir schwierig vor.“ Woran liegt es dann, dass so wenige Frauen die Karriereleiter bis nach oben gehen, wenn Unternehmen sich durchaus in ihren Strukturen auf ihre Bedürfnisse eingestellt haben? „Viel-

STECKBRIEF

Christine Grimme, Unterneehmerin

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ahezu täglich ist heute Christine Grimme im gleichnamigen LandmaschinenUnternehmen ihres Mannes Franz Grimme in Damme anzutreffen. Die Kreativität und Umsetzungskraft der Chefin wird geschätzt. Erst im Jahr 2000 ist die Lehrerin für Biologie und Sport ins Unternehmen eingestiegen und hatte als erstes Projekt das Ausstellungszentrum Technicom. Heute verantwortet die Mutter von zwei Söhnen den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und engagiert sich stark für

die Ausbildung bei Grimme. So ist die 61Jährige nahezu bei jedem Vorstellungsgespräch dabei. Aber auch die gestalterische Ader fließt in die Ausstattung der Büros, der Kantine, des Technicoms und auf großen Messen ein. Auf ihre Initiative hin wurde auch die Werksband „Take Red“ 2011 gegründet. Außerhalb des Unternehmens ist sie ehrenamtlich bei der Dammer Bürgerstiftung, der Caritas, der AndreasStiftung in Vechta oder im Hochschulrat der Uni Vechta aktiv.

STECKBRIEF

Katja Weber-Khan, Gleichsstellungsbeauftragte

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eit 2015 ist Katja Weber-Khan Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Osnabrück. Die Mutter zweier Kinder war zuvor sieben Jahre lang Leiterin der Koordinierungsstelle Chancengleichheit & Familie sowie des Mentoring-Programms für Nachwuchswissenschaftlerinnen an der Universität Regensburg. Als Referentin der Universitätsfrauenbeauftragten hat sie zudem die Universitätsleitung bei der Umsetzung ihres hochschulpolitischen Gleichstellungsauftrags unterstützt. Im

Rahmen „Regionaler Bündnisse für Chancengleichheit“ des Bundesministeriums für Familie und der EAF Berlin hat sie außerdem große und mittelständische Unternehmen in Regensburg zu den Themen „Frauen in Führung“ sowie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ beraten. Seit Ende September ist die 46Jährige nicht nur Gleichstellungsbeauftragte in Osnabrück, sondern auch Bundessprecherin der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten.

STECKBRIEF

Elisabeth Knollenborg, Steu uerberaterin

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uf ihrer Zulassungsurkunde aus dem Jahr 1987 steht noch „Steuerberater“ und nicht „Steuerberaterin“. Seit 45 Jahren ist Elisabeth Knollenborg im Beruf und hat in ihrer Kanzlei immer Vollzeit gearbeitet – trotz der Verantwortung für die Familie und zu ihrer Zeit deutlich schlechteren Rahmenbedingungen, wie sie selbst sagt. Dabei spielte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die heute 62jährige Mutter zweier erwachsener Kinder immer eine große Rolle. Seit 30 Jahren zahlt die

leicht machen Frauen – wenn sie in einem Betrieb weiterkommen wollen – zu wenig auf sich aufmerksam. Da brüllen Männer lauter“, ist Christine Grimme auf der einen Seite überzeugt. Und auf der anderen sagt sie: „Nicht jede Frau strebt in Führungs-

Kanzlei zum Beispiel Zuschüsse zur Kinderbetreuung. Knollenborg & Partner ist außerdem Gründungsmitglied eines Netzwerks für familienfreundliche Unternehmen im Emsland, heute Vereinbar e. V. Dort hat Elisabeth Knollenborg lange im Vorstand und Beirat ehrenamtlich gearbeitet und war acht Jahre lang Vorsitzende des Vereins. Von der Stiftung Beruf und Familie ist ihre Kanzlei mit heute 55 Mitarbeitern, davon rund 85 Prozent Frauen, schon fünfmal auditiert worden.

positionen. Auch das müssen wir akzeptieren. Ich wehre mich dagegen, dass man nur die Frau als gleichgestellt akzeptiert, die in einer Führungsposition ist. Warum akzeptiert man nicht, dass es auch andere Vorstellungen gibt?“

Ganz kann die Gleichstellungsbeauftragte Katja Weber-Khan dieser Aussage nicht zustimmen. „Es gibt immer noch Vorstellungsgespräche, wo Frauen gefragt werden: Und was machen Sie mit Ihren Kindern? Männer in der gleichen Situation bekom-

men diese Frage – die im Übrigen unzulässig ist – nicht gestellt“, sagt sie aus ihrer Erfahrung. Ein Umdenken und Rütteln an alten Strukturen sieht Weber-Khan schon bei kleinen Dingen als notwendig. Wie bei der Sprache. „Wir müs-

sen ein Bewusstsein für die Macht der Sprache schaffen. Schon wie eine Stelle ausgeschrieben wird, sendet unterbewusst Signale. Da ist bei ganz kleinen Dingen ein ganz dickes Brett zu bohren“, ist sie überzeugt. Rein biologische Gründe sieht sie nicht. „Natürlich bekommen Frauen die Kinder. Es geht aber vor allem um das Bewusstsein und das Rollenverständnis. Da werden wir noch einen langen Weg beschreiten müssen.“ Denn dieses Rollenverständnis verfällt oft in alte Muster, schon im Kleinen: Bei den aktuellen Ü-Eier-Figuren, den Schlümpfen, gießt Schlumpfine ganz selbstverständlich Blumen und geht shoppen, während ihre Schlumpfgefährten Fluglotsen, Ärzte und Feuerwehrmänner sind oder skaten. Zusätzlich gibt es das rosa Überraschungsei extra für Mädchen. Auch in Spielwarenabteilungen setzen sich Klischees fort. „Rosa für Mädchen, Blau und Grün für Jungs. Das schafft Rollenbilder, und dagegen anzukämpfen ist schwer“, so die Gleichstellungsbeauftragte. Wie diese alten Denkmuster durchbrochen werden könnten, da empfiehlt Christine Grimme einen Blick nach Skandinavien oder in die Niederlande. „Sie gehen mit dem Thema Frauen viel lockerer um“, sagt sie und hat gleich ein Beispiel: Manager und Geschäftsführer, die ihre Kinder nachmittags aus der Kita holen, werden nicht belächelt, sondern sind gesellschaftlich akzeptiert. „Es wird nicht mit der Nase gerümpft, wenn sie ein Meeting verlassen. Da sind wir in Deutschland noch sehr verkniffen.“ Mit Blick auf die eigene Meetingkultur ist die Unternehmerin durchaus selbstkritisch: „Unsere Geschäftsleitung – nur Männer – trifft sich oft freitags nachmittags um 17 Uhr. Das ist eine familienunfreundliche Zeit. Da müssten die Meetings kürzer und knackiger werden. Dann würden Frauen vielleicht auch mehr einsteigen.“ Die festgefahrenen Denkmuster sieht Christine Grimme in Deutschland jedoch mit den nächsten Generationen als Auslaufmodell. So optimistisch ist Katja Weber-Khan nicht. „Ich gebe Ihnen recht, dass sich das Bewusstsein wandelt, aber dennoch müssen sich Frauen weiterhin den festgefahrenen Strukturen aussetzen und sich fragen: Will ich doppelt so viel leisten auf der gleichen Position, um die gleiche Anerkennung zu bekommen wie ein Mann? Frauen überlegen dann gut, ob sie sich das antun wollen“, wirft sie ein. Elisabeth Knollenborg ist da optimistischer, sieht aber ein StadtLand-Gefälle. Das klassische Rollendenken sei auf dem Land stärker, sagt sie. Aus dem Blick des Dammer Landmaschinenherstellers kann Christine Grimme das nicht bestätigen. „Gut ausgebildete Männer haben in der Regel gut ausgebildete Frauen. Wir müssen diesen Frauen Perspektiven aufzeigen, auch auf Teilzeitbasis“, sagt die Unternehmerin, sieht aber auch die Frauen selbst in der Pflicht: „Was ich bei Frauen manchmal vermisse, ist, dass sie dem Unternehmen perspektivisch eine Planung geben. Frauen sprechen zu wenig darüber, was sie als Lebensplanung vorhaben.“ Braucht es also doch eine Quote, damit Frauen häufiger den Sprung nach oben auf der Karriereleiter schaffen? „Da bin ich hin und her gerissen“, gesteht Elisabeth Knollenborg. „Ich würde mir wünschen, dass sie nicht nötig ist. Wenn ich jedoch sehe, dass Unternehmen deutlich mehr Frauen in Führungspositionen einstellen könnten, das aber nicht tun, dann braucht es eben doch eine Quote. Man muss aber die Branche

mit berücksichtigen.“ Katja WeberKhan wird da deutlicher: „Keine Frau will die Quotenfrau sein. Mir wäre lieber, wir würden die Quote nicht brauchen, aber das werden wir. Es hat sich gezeigt, dass freiwillige Zielvorgaben nicht funktionieren.“ Bei Grimme hat man über eine Zielvorgabe nachgedacht. „Wir haben intern eine Quote diskutiert. Vielleicht führt das dazu, genauer hinzuschauen. Für uns haben wir uns jedoch dagegen entschieden – auch, weil es einfach wenig weibliche interne oder externe Bewerber gibt“, sagt Christine Grimme. Für sie steht fest: Leistung und Qualifikation muss entscheiden, nicht das Geschlecht. „Frauen nicht zu berücksichtigen kann und will sich auch gar keiner mehr leisten. Ich wehre mich aber ein bisschen gegen die totale Gleichmacherei. Es gibt Bereiche, in denen Frauen wesentlich stärker sind als Männer und umgekehrt.“

„Mir wäre lieber, wir würden die Quote nicht brauchen, aber das werden wir.“ Katja Weber-Khan Dem stimmt Katja Weber Khan zwar zu, aber: „Dass eine Frau aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt wurde, wird offiziell niemand sagen. Die Mechanismen wirken heute subtiler denn je.“ Und die Bereiche, in denen Frauen stark vertreten sind, seien auch die, die schlechter bezahlt würden. Mit all den daraus resultierenden Problemen wie „gender pay gap“ und „pension pay gap“. Für Elisabeth Knollenborg spielt hier jedoch auch ein anderer Aspekt mit hinein: „Frauen fordern weniger und sind schneller mit weniger zufrieden. Das ist zumindest in der Vergangenheit oftmals so gewesen.“ Sind Blindbewerbungen, wie sie schon einmal ins Gespräch gebracht wurden, ein Weg zur Chancengleichheit? Eine schwedische Studie zu anonymen Bewerbungen zeige das ja, sagt Katja Weber-Khan. „Dann hätten Frauen in vielen Fällen eine Chance.“ Christine Grimme hält davon wenig, ebenso wie Elisabeth Knollenborg. „Eine Blindbewerbung sagt für mich nicht viel aus. Ich sehe gerne ein Foto, egal ob von einem Mann oder einer Frau, das ist für mich sehr aussagekräftig“, sagt die Unternehmerin. Sie schätze es auch sehr, wenn junge Leute mehrere Sprachen beherrschen würden. „Ich finde es traurig, wenn sie aus Angst vor Stigmatisierung weglassen, wenn sie zum Beispiel aus dem osteuropäischen Raum kommen. Auch wenn sie beim Thema Quote und Chancengleichheit nicht immer übereinstimmten, bei einer Sache waren sie sich dann doch einig: dem Stellenwert der Bildung – für Jungs und Mädchen. „Dass wir Bildung nicht als höchstes Gut erkennen, ärgert mich maßlos. Darunter leiden vor allem die MINT-Fächer. Die Politik muss deutlich mehr investieren.“ Insgesamt müssen für Katja Weber-Khan beim Thema Frauenförderung Politik, Unternehmen und Gesellschaft zusammenwirken. „Das kann keiner alleine.“ Elisabeth Knollenborg hat aber auch für die Frauen selbst noch eine Botschaft: „Seid nicht so schüchtern und stellt euch nicht von euch aus schon gleich einen Schritt hinter den Mann.“

Fotos: David Ebener,Illustrationen: Colourbox.de


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„Junge Ingenieurinneen unterschätzen männlich geprägte Kultur in der Industrie“ VDI-Landesvorsitzende: Frauen wollen keine Extrawust – Medizintechnik-Expertin aus Hannover macht Herzpatienten Hoffnung VON NORBERT MEYER HANNOVER. Birgit Glasmacher

steht an der Spitze des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), einem Verein, in dem Männer in der Überzahl sind. Ein Gespräch über ihre Motivation, ihr Arbeitsumfeld und warum die Zahl der Frauen so gering ist.

Frau Glasmacher, was treibt Sie beruflich an? Es sind zwei Dinge. Das eine ist, etwas zu entwickeln, das sinnvoll ist und womit man Menschen helfen kann. Aber das Zweite ist mir mindestens genauso wichtig. Ich bin im Prinzip Lehrerin, was ich schon früher werden wollte. Jetzt kann ich aber auf einem anderen Niveau unterrichten – und im Bereich Technik insbesondere auch Mädchen motivieren, diesen Weg genauso wie ich zu gehen. Ihr Gebiet ist die Medizintechnik. Kann man Menschen da schon so weit helfen, dass sie nicht auf ein Spenderorgan warten müssen? In der Zeit, als ich promovierte, kam das Kunstherz auf. Da waren viele Menschen dagegen, weil sie nicht wahrhaben wollten, dass das Herz nur eine Pumpe ist, die man ersetzen kann. Mittlerweile ist diese Technik Standard. Bei den Organen Leber, Niere und Lunge, mit denen ich mich beschäftige, geht es im Prinzip um Verfahrenstechnik – also genau um das, was ich studiert habe. Es geht um Stofftransport und um Austausch, der im Körper stattfindet. Da ist der Organ-Ersatz durch Technik wesentlich schwieriger, und es gibt noch nichts, was man implantieren kann. Aber man kann diese Stoffaustauschprozesse schon theoretisch nachbauen und extrakorporal, also außerhalb des Körpers, einsetzen. Wie kommt man dem Ziel näher? Mit Tissue-Engineering, was wir jetzt betreiben. Dabei arbeiten wir mit lebenden Zellen und versuchen, die genannten Organe nachzubilden. Bis jetzt machen wir das noch nicht direkt im Organbereich, versuchen es aber mit Herz-

klappen und Blutgefäßen. Ob ich es noch erlebe, dass wir eine implantierbare Lunge züchten können und wir deswegen keine Lungenspenderorgane mehr brauchen, weiß ich nicht. Aber bei Herzklappen und Arterien dürfte das innerhalb der nächsten fünf Jahre gelingen. Was entgegnen Sie Kritikern der Apparatemedizin? Nicht alles, was technisch machbar ist, sollte in den OP oder ans Krankenbett getragen werden. Doch ich habe gelernt, dass es jedem kranken Menschen besser geht, wenn man ihm sagt, dass es eine effektive neue Therapie gibt. Außer bei einer erheblichen Hirnschädigung fällt mir kaum eine Situation ein, in der man darauf verzichten sollte. Woran ich in erster Linie arbeite, ist die Überbrückung der Zeit, bis es ein Spenderorgan gibt. Da halte ich Apparatemedizin für das einzig Verfügbare.

Seit mehr als zehn Jahren leitet Birgit Glasmacher als Direktorin das Institut für Mehrphasenprozesse an der Fakultät für Maschinenbau an die Leibniz Universität Hannover (LUH) und steht an der Spitze des Vereins Deutscher Ingenieure. Foto: Norbert Meyer

Sind die Klagen über einen Fachkräftemangel in Ingenieurberufen berechtigt? Ja.

Was motiviert Sie, sich im VDI zu engagieren? Der VDI ist eine Standesorganisation und ein Treffpunkt von Ingenieuren und Ingenieurinnen. Hier kann man Menschen zum Beispiel auch über Medizintechnik nach bestem Wissen und Gewissen aufklären. Für besonders wichtig halte ich auch die Erarbeitung von Richtlinien innerhalb des VDI. Ich selber habe an einer Richtlinie zu Biowerkstoffen mitgearbeitet. Diese kann man als Vorstufe zu DIN- oder ISO-Normen betrachten. Wenn es zum Rechtsstreit kommt, sind auch Juristen darauf angewiesen.

Und was ist der Grund für diesen Mangel? Hat ihn nicht auch der VDI mit zu verantworten, weil er etwa bei der Neufassung des Zuwanderungsgesetzes einer deutlichen Absenkung der Lohnuntergrenze für ausländische Ingenieure das Wort geredet hat? Ich glaube nicht, dass es an den Verdienstmöglichkeiten liegt. Ich glaube eher, dass viele das Studium der technischen Fächer für zu schwierig halten. Unsere Durchfallquoten sind mit etwa 30 Prozent aber nicht höher als in anderen Fächern, sie werden nur immer diskutiert. Das ist auch etwas, was mich sehr ärgert. Man könnte ja meinen, dass unsere Lehre nicht gut sei. Aber das stimmt wirklich nicht.

Der VDI ist mehr als 160 Jahre nach seiner Gründung immer noch stark männerdominiert. Was sagen Sie dazu? Ich sage, wir sind im positiven Wandel. Wir haben die Arbeitsgruppe Gender & Diversity gegründet, die kürzlich hier in Hannover getagt hat. Wir haben uns angeschaut, wie das Geschlechterverhältnis in den Strukturen und Gremien des VDI ist. Da ist für Frauen noch Luft nach oben. Wir arbeiten jetzt daran, das zu ändern.

Aktuell sind rund 23 Prozent aller Studiereden in ingenieurwissenschaftlichen Fächern weiblich. Als Ingenieurinnen tätig sind aber nur 15 Prozent Frauen. Wo bleibt der Rest? Wir haben keinen Schwund während des Studiums. Fast alle Frauen, die das Studium anfangen, ziehen es auch durch. Doch die Absolventinnen unterschätzen die noch männlich geprägte Kultur in der Industrie. Dann kommt die Familienphase, über die unsere Gesellschaft gerade

erst lernt, dass Kinder Väter und Mütter haben, und dass sich beide gleichberechtigt in der Familie einbringen müssten. Die jungen Männer würden das auch machen, aber da sind dann eben die Firmenstrukturen oft noch nicht so weit. Tun Arbeitgeber insgesamt genug für die Frauenförderung? Es geht darum, die Familien zu stützen. Frauen wollen keine Extrawurst. Aber wir müssen Arbeitgeber dazu bringen, mit flexiblen Arbeitszeiten familienfreundlicher für alle Angestellten zu werden. Welche speziellen Aktivitäten des VDI gibt es in Nieder-

sachsen, um Frauen für Ingenieurberufe zu begeistern? In unserem Arbeitskreis Gender & Diversity wollen wir auch den Pay-Gap bekämpfen, also dagegen angehen, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Dann gibt es das Projekt „Back2Job“, das auch durch die EU gefördert wird. Es bietet Ingenieurinnen nach der Familienphase einen Rückweg in den Beruf. Da sind wir jetzt im dritten Durchlauf mit jeweils 25 Frauen. Außerdem gibt es das Niedersachsen-Technikum, bei dem wir Abiturientinnen die Orientierung ermöglichen. Schließlich bietet auch das Freiwillige Wissenschaftliche Jahr interessierten jungen Frauen Möglichkeiten, in den Ingenieurberuf hineinzuschnup-

pern. Wir haben solche Stellen auch an unserem Institut. Der schon vor Jahren angekündigte Digitalpakt für deutsche Schulen soll nun endlich Anfang 2019 starten. Was halten Sie davon? Computer schon in der Grundschule halte ich nicht für so wichtig. Mir wäre es wichtiger, dass Lehrkräfte Technik nicht negativ besetzen, sondern als etwas ganz Normales und Wichtiges ansehen und das den Kindern auch vermitteln. Das würde mir ausreichen. In der Grundschule geht es meiner Meinung nach darum, Fertigkeiten zu erlernen und dabei keinen Unterschied zu machen zwischen Mädchen und Jungen.

ZUR PERSON

Als Erste in der Familie hat Birgit Glasmacher studiert Der 1856 gegründete Verein Deutscher Ingenieure (VDI) bezeichnet sich selbst als das „führende Netzwerk“ von Ingenieuren aller Fachrichtungen. Auch für Studierende und Akademiker anderer Disziplinen, insbesondere der Informatik, Naturwissenschaften und Mathematik, zeigt sich der Verein offen. Vorsitzende Birgit Glasmacher ist Profes-

sorin und Institutsleiterin an der Gottfried Wilhelm Leibnitz Universität Hannover. Sie wurde am 28. Februar 1958 in Wolfenbüttel geboren, hat als erstes Mitglied ihrer Familie studiert und ist Mutter von zwei Kindern. Mit besonderen Begabungen in den Schulfächern Mathematik und Chemie wollte sie eigentlich Lehrerin werden, begann aber 1976

an der RWTH Aachen ihr Maschinenbaustudium mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik, das sie 1982 als Diplom-Ingenieurin abschloss. Im britischen Dundee studierte sie anschließend Biomedizinische Technik und erwarb dort ihren Master-Abschluss. Danach war sie am HelmholtzInstitut für Biomedizinische Technik an der RWTH Aachen tätig

und promovierte in dieser Zeit. Von 2001 bis 2005 leitete Glasmacher dort die Abteilung Kryobiologie & Biomaterialien, bis sie einen Ruf an die Leibniz Universität Hannover (LUH) erhielt. 2006 kehrte sie nach Niedersachsen zurück und leitet seitdem als Direktorin das Institut für Mehrphasenprozesse an der Fakultät für Maschinenbau.

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Die mächtigste Frau des Landkreises Osnabrück Bärbel Rosensträter ist neue Erste Kreisrätin und sagt trotz Verwaltungskarriere: „Ich bin zweifache Mutter – das ist mein erster Job“ VON JEAN-CHARLES FAYS OSNABRÜCK. Eine Erste Kreisrä-

tin hat es beim Landkreis Osnabrück noch nicht gegeben – bis Bärbel Rosensträter kam. Seit diesem Monat ist sie die mächtigste Frau, die je in der Kreisverwaltung gearbeitet hat. Trotz ihrer Beförderung zur allgemeinen Vertreterin des Landrats sieht sie sich als Mutter in ihrem ersten Job. Sie lebt vor, dass Karriere und Familie sich nicht ausschließen, und erläutert, warum „der familiäre Gedanke“ auch in ihrem Beruf wichtig ist.

Mit ihrer warmen Ausstrahlung und dem gewinnenden Lächeln wirkt die 48-Jährige so ganz anders als ihr Vorgänger Stefan Muhle, der nun Staatssekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium ist. Statt einer Krawattensammlung prägen nun Familienfotos das Büro der Ersten Kreisrätin. Ihre Kinder lächeln sie nicht nur aus kleinen gerahmten Bildern auf ihrem Schreibtisch an, sondern auch von großen, bunten Wärmebildaufnahmen an den Wänden. Wenn sie über ihre beiden Kleinen spricht, die mittlerweile schon die sechste Klasse besuchen, schlägt sie die Hände übereinander, strahlt und sagt: „Ich bin zweifache Mutter. Das ist mein erster Job.“ Andere, besonders männliche Führungskräfte hätten wohl Angst, diese familiäre Seite so zu akzentuieren, weil sie ihnen im Geschäftsleben vielleicht als Schwäche oder falsche Prioritätensetzung ausgelegt werden könnte, doch Rosensträter ist da anders. Sie würde „auch jedem Mann empfehlen, diese familiäre Seite von sich öffentlich zu zeigen“. Denn die Werte, die in einer Familie gelebt werden, empfindet sie auch als hilfreich, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. „Insofern würde ich diesen familiären Gedanken gar nicht als weichen, sondern eher als cleveren Faktor bezeichnen“, erläutert sie. Eine Familie etwa habe „die Pflicht, sich abzustimmen“.

Den „familiären Gedanken“ hält Bärbel Rosensträter auch im Job für wichtig.Daran erinnern sie ihre Kinder,die sie im Büro als bunte Wärmebildaufnahmen hinter sich hat. Foto: Michael Gründel

In diesen Tagen hat diese Aussage von einer hochrangigen Vertreterin des Landkreises eine besondere Qualität, denn der Landkreis hat sich mit den kreisangehörigen Gemeinden zuletzt eben gerade nicht abgestimmt. Er wirkte nicht wie ein Partner, sondern eher wie ein Gegner. Die Bürgermeister hatten den Landkreis erst vor einer Woche scharf kritisiert, weil er versuche, finanzielle Forderungen von Bürgermeistern der kreisangehörigen Kommunen im Keim zu ersticken. Dieser Eindruck erhärtete sich durch eine interne EMail, die unserer Redaktion zugespielt wurde und aus einer nicht öffentlichen Sitzung mit dem Landrat und den regierenden Kreistagsfraktionen berichtete. Darin hieß es, dass die Bürgermeister mit ihrer eigenen Forderung hohen Druck auf den Landkreis ausüben würden und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD sowie der Landrat ihnen daher mit einem gemeinsamen Pressebericht „vorgreifen“ müss-

ten, bevor die Bürgermeister ihre Forderung auch noch öffentlich zum Ausdruck bringen. Es ging um die Kreisumlage, also das Geld, das der Landkreis von den 21 kreisangehörigen Städten, Gemeinden und Samtgemeinden verlangt, um den eigenen Finanzbedarf zu decken. Der Landkreis wollte durchsetzen, dass die Kreisumlage nur um 1,5 Prozentpunkte gesenkt wird, was die Kommunen um sechs Millionen Euro entlasten würde, die Bürgermeister fordern eine doppelt so hohe Entlastung – auch weil der Kreis aktuell 177 Millionen Euro an Kreisumlage einnimmt und damit 16 Millionen Euro mehr als noch 2016. Ein Bürgermeister sprach davon, dass der Kreis die Bürgermeister „kompromittiert“, auch andere kritisierten den Politikstil des Kreises und forderten endlich eine Bereitschaft zur Diskussion. Rosensträter war an dem Vorgang nicht beteiligt, denn zu dem Zeitpunkt, als die interne Absprache getroffen und die entsprechende Pressemitteilung

verschickt wurde, war sie als Erste Kreisrätin noch nicht im Amt. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie keiner Partei angehört und sich in den vergangenen 31 Jahren beim Landkreis „nicht der Kommunalpolitik gewidmet, sondern ihren Job gemacht“ und sich um ihre Familie gekümmert hat,

„Wir sollten als kommunale Familie denken.“ Erste Kreisrätin Bärbel Rosensträter

dass sie so anders denkt und spricht. 1987 hatte sie ihre Ausbildung im mittleren Verwaltungsdienst in der Personalabteilung des Landkreises begonnen, nach dem Studium zur Verwaltungsfachwirtin stieg sie in den gehobenen Dienst auf, arbeitete in der Personalabteilung sowie später im Fachdienst Planen und Bauen, begleitete als Verwaltungsleiterin im Gesundheitsdienst die Fusion zum gemeinsamen Gesundheitsdienst von Stadt und Landkreis und war seit 2014 Leiterin des Fachdienstes Ordnung. Dabei fiel sie nach dem großen Flüchtlingszustrom 2015 auch als organisatorische Leiterin der „Taskforce Flüchtlinge“ des Landkreises auf und koordinierte zusammen mit den Kommunen die vielen strategischen und schnellen Entscheidungen, die in dieser Zeit gefällt werden mussten. Rückblickend ist sie stolz darauf, dass die Flüchtlinge zu mehr als 80 Prozent dezentral in Wohnungen untergebracht werden konnten. „Das ist ein sehr großer

Vorteil für die Integration der Menschen im Landkreis.“ Durch die „sehr intensive, aber zeitgleich auch strategische und effektive Arbeitsweise“ habe sie „die kommunalen Partner“ sehr gut kennengelernt. Entsprechend wertschätzend sagt sie: „Wir sollten als kommunale Familie denken.“ Die Bürgerinteressen in Fragen der Aufgaben- und Finanzverteilung sollten daher im Mittelpunkt stehen. „Es gibt keinen Quadratzentimeter im Landkreis Osnabrück, der nicht auch ein Quadratzentimeter einer Kommune ist.“ Sie versichert, dass es zur Kreisumlage noch reichlich Möglichkeiten zum Gespräch mit den Bürgermeistern geben wird und dass sie künftig sehr an der kommunalen Familie interessiert sein wird. Es werde aber nicht nur um Finanzdiskussionen, sondern auch um entsprechende Aufgaben gehen, die entsprechend finanziert werden müssen. Die Frage sei, wer welche Aufgabe effektiv erledigen kann und dafür auch die entsprechenden finanziellen Mittel bekommen muss. Die Kritik der Bürgermeister ärgert sie nicht, denn kritisch denkende Menschen sieht sie als Gewinn und sagt: „Nur 360-GradEntscheidungen, die von allen Seiten einmal beleuchtet sind, sind gute.“ Dann fügt sie hinzu: „Aber am Ende entscheiden natürlich der Landrat und der Kreistag.“ Um den Job beworben hat sich die bodenständige Mellerin besonders aus einem Grund: In 31 Jahren Verwaltungsarbeit hätte sie sich gewünscht, dass verschiedene Sachen umgesetzt worden wären. „Nun habe ich die Chance ergriffen und setze das eben selbst um“, sagt sie und denkt dabei etwa an Mitarbeiterbeteiligung. Eine Verwaltung mit mehr als 1200 Mitarbeitern brauche auch nach innen ein gutes Personalkonzept und eine gute Personalentwicklung. Zudem sind ihr drei weitere Themen wichtig: Die Digitalisierung der Lebenswelten und die Gesundheit auf dem Lande zu gestalten und die Finanzkraft der kommunalen Familie sicherzustellen.

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Schadenfall positiv auswirkt. Denn dann zeigt sich, was eine Versicherung wert ist. Im Schadenfall reguliert die Allianz schnell und nach Sach- und Rechtslage. „Diese positiven Erfahrungen haben schon viele Firmenkunden gemacht. Sie schätzen das überzeugende Preis-Leistungs-Verhältnis der Allianz“, so Oliver Reyle. Persönlicher Kontakt ist wichtig Für uns steht die individuelle und direkte Betreuung unserer Kunden an oberster Stelle: „Der persönliche Kontakt mit unseren Firmenkunden - ob in unserem Büro in Bramsche oder bei Ihnen im Betrieb vor Ort - ist eine fordernde und spannende Aufgabe. Wir freuen uns deshalb weiterhin auf das Vertrauen unserer Firmenkunden in unseren Service und in die Leistungsstärke der Allianz.“ Unterstützt von 4 Mitarbeitern, stehen Oliver Reyle & Lars Wallenhorst in den modern und freundlich gestalteten Agenturräumen von Montag bis Freitag Ihren Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Auf Wunsch sind Sie auch am Wochen ende für Ihre Kunden da. Ein Anruf genügt - und wir vereinbaren einen Termin auch außerhalb unserer Geschäftszeiten.

Allianz Hauptvertretungen Oliver Reyle & Lars Wallenhorst Gilkamp 6 49565 Bramsche T 05461-2077 – F 05461-2080 info@allianz-reyle.de www.allianz-reyle.de


DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

GELD & GESCHÄFT

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Smartphone statt Geldbörse? Noch dominieren Scheine und Münzen, doch neue elektronische Verfahren bringen Bewegung in den Zahlungsverkehr

Die Bedeutung des Bargelds geht langsam zurück. Kontaktloses Zahlen bringt Händlern und Kunden Vorteile. Das Handy wird als Zahlungsmittel immer wichtiger. VON MANUEL GLASFORT OSNABRÜCK. Kaum eine Nation

liebt das Bargeld so sehr wie die Deutschen. Obwohl es immer mehr elektronische Bezahlverfahren gibt, wandern im stationären Handel zumeist Scheine und Münzen über die Ladentheke. Immerhin: Von der Möglichkeit, mit der Karte kontaktlos zu bezahlen, machen bereits viele Deutsche Gebrauch. Und auch das Bezahlen per Smartphone könnte bald an Fahrt aufnehmen.

Deutschland einig Bargeldland – das hätte der Titel einer Untersuchung sein können, die die Bundesbank Anfang des Jahres vorstellte. Das wenig überraschende Ergebnis der Studie „Zahlungsverhalten in Deutschland 2017“: Bargeld spielt nach wie vor eine überragende Rolle im Zahlungsverkehr. Rund drei von vier Transaktionen im Handel oder in der Gastronomie wurden mit Banknoten und Münzen getätigt. Dabei gilt: Je kleiner der Betrag, umso eher wird mit Papier und Metall gezahlt. Beträge bis 5 Euro werden zu 96 Prozent in bar beglichen, fand die Bundesbank heraus. Das Bild von der Bargeldnation Deutschland ändert sich allerdings – langsam, aber stetig hat der bargeldlose Zahlungsverkehr in den vergangenen Jahren an Boden gewonnen. So fiel der Bargeldanteil am Umsatz im vergangenen Jahr unter die 50-Prozent-Marke – zum ersten Mal, seit die Bundesbank 2008 mit ihren Erhebungen begann. Immer öfter zücken die Kunden ihre Giro- oder Kreditkarten, wenn sie im Geschäft, in der Tankstelle oder auch im Restaurant ihre Rechnung begleichen. Dennoch: Etwa neun von zehn Deutschen wollen laut Bundesbank auch in Zukunft nicht auf Bargeld verzichten. Warum hängen die Deutschen so sehr an den Scheinen und Münzen? Auch dieser Frage sind die Notenbanker in ihrer Untersuchung nachgegangen. Bargeld erfüllt für die meisten Befragten die wichtigsten Anforderungen an ein Zahlungsmittel – mehr noch als Debit- oder Kreditkarten. Rund neun von zehn Bürgern sehen folgende Vorteile als gegeben: Überblick über die Ausgaben, einfache Nutzung, Vertrautheit, Wahrung der Privatsphäre und ein schneller Bezahlvorgang. Axel Weiß, Zahlungsverkehrsexperte beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), hat eine weitere Erklärung parat: „Zudem bieten viele kleinere Läden, Restaurants, Kioske oder Bäckereien nach wie vor keine Kartenzahlung an – da müssen wir als Anbieter besser werden und auch immer noch bestehende Vorbehalte abbauen.“

Scheine zu zählen und Wechselgeld herauszugeben gehört zum Alltag von Kassierern in Deutschland.Doch langsam,aber stetig geht die Bedeutung des Bargelds auch hierzulande zurück,während Verbraucher häufiger die Giro- oder Kreditkarte zücken.In Zukunft könnten sie vermehrt zum Smartphone greifen,um zu bezahlen. Fotos: dpa/Daniel Karman/imago/Westend61/blickwinkel

Es deutet sich allerdings ein Bewusstseinswandel an. Besonders die jüngere Generation scheint aufgeschlossen gegenüber elektronischen Bezahlverfahren zu sein. Ein wichtiger Trend ist das kontaktlose Bezahlen mittels NFC-Technik (Near Field Communication). Dabei wird die Karte nicht in das Terminal gesteckt, sondern einfach kurz darangehalten. Die Datenübertragung funktioniert nur über wenige Zentimeter. So ist sichergestellt, dass nicht versehentlich Verbindungen aufgebaut werden. Lange Zeit waren Kontaktloszahlungen nur mit NFC-fähigen Kreditkarten möglich. Doch inzwischen hat sich die Situation geändert, wie Horst Rüter berichtet, Zahlungsverkehrsexperte am EHI Retail Institute in Köln. „Solange nur Visa und Mastercard kontaktloses Bezahlen angeboten haben, war das ein vernachlässigbares Pflänzchen. Aber seit im letzten Jahr die Sparkassen mit der Girocard kontaktlos starteten, geht das Thema ab wie eine Rakete.“ Die Sparkassen und Volksbanken haben einen Großteil ihrer Kunden bereits mit NFC-fähigen Giro- und Kreditkarten ausgestattet, und auch aufseiten des Handels hat sich einiges getan: Ende Juli dieses Jahres waren rund 550 000 von insgesamt 820 000 Terminals mit der NFC-Technik ausgerüstet. Der große Vorteil am kontaktlosen Bezahlen liegt auf der Hand: die Schnelligkeit. Beträge bis 25 Euro lassen sich ohne PIN oder Unterschrift bezahlen,

der Kunde muss lediglich seine Karte an das Terminal halten, und die Zahlung ist in wenigen Augenblicken abgewickelt. Hinzu kommt, dass das kontaktlose Bezahlen prinzipiell verlässlicher ist, wie Matthias Hönisch erläutert, Zahlungsverkehrsexperte beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): „Das Potenzial für kontaktloses Bezahlen mit der Karte ist extrem hoch. Es ist auch

„Das Thema kontaktlos geht ab wie eine Rakete.“ Horst Rüter, EHI Retail Institute

für Händler zuverlässiger als die alten Verfahren, bei denen verschmutzte Karten schon mal zu Problemen führen können und Bezahlterminals häufiger ausgetauscht werden müssen.“ Auch Hönischs Konterpart bei den Sparkassen, Axel Weiß, ist von den Vorzügen überzeugt: „Die Suche nach Kleingeld entfällt, und das Kassenpersonal muss kein Wechselgeld abzählen. Etwa jede zehnte Kartenzahlung im Einzelhandel ist mittlerweile kontaktlos – und diese Art des Zahlens wird aus meiner Sicht in den nächsten Jahren rasant zulegen.“ Unter den Supermarktketten, Discountern und anderen großen Händlern werden laut EHI zum Ende dieses Jahres fast 80 Prozent kontaktloses Bezahlen anbieten. Bei mittelständischen Händlern ist bisher nur eine Minderheit (27,7 Prozent) auf den Zug aufgesprungen. Für Hönisch keine Überraschung: „Bei Metzger Meyer ist es womöglich weniger wichtig, ob das Bezahlen fünf Sekunden schneller geht. Für eine AldiFiliale mit Hunderten Kunden pro Tag macht das aber durchaus einen großen Unterschied.“ EHI-Fachmann Rüter beobachtet beim Handel grundsätzlich eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber unbaren Bezahlverfahren. Früher sei Bargeld für den Händler mit deutlich geringeren Kosten verbunden gewesen als Kartenzahlung, sagt er. Auch Bargeld verursacht Kosten für Lagerung, Transport und Versicherung. Und die

Banken bitten die Händler heute für das Verarbeiten von Bargeld verstärkt zur Kasse. Während die Kosten für Bargeld laut Rüter in den vergangenen Jahren zulegten, wurden Girocard-Zahlungen für den Handel tendenziell günstiger. „Die gegenläufigen Entwicklungen sprechen dafür, dass Kartenzahlungen auch händlerseitig vorangetrieben werden.“ Wer sich bereits an das kontaktlose Bezahlen mit der Karte gewöhnt hat, dem dürfte der nächste Schritt nicht allzu schwerfallen: Bezahlen mit dem Smartphone. Dieses Bezahlverfahren befindet sich in Deutschland noch in der Nische. Doch in diesem Jahr ist viel Bewegung in den Markt für „Mobile Payment“ gekommen: Google brachte im Sommer seinen Bezahldienst Google Pay nach Deutschland. Wer es nutzen will, braucht ein NFC-fähiges AndroidSmartphone und eine Kreditkarte von einer der vier Partnerbanken. Kurz darauf brachten sowohl die Sparkassen als auch die Volksund Raiffeisenbanken eine eigene Lösung auf den Markt: Die Sparkassen starteten im August eine App für das Bezahlen per Smartphone, nahezu zeitgleich mit den Genossenschaftsinstituten. Mit den Sparkassen und den VR-Banken haben zwei gewichtige Player eigene Mobile-Payment-Lösungen im Angebot, die einer übergroßen Mehrheit der deutschen Privatkunden zur Verfügung stehen. Der Vorteil dieser Methode aus Sicht von DSGV-Mann Weiß: „Das

Smartphone hat man in der Regel griffbereit und oft eher zur Hand als die Geldbörse.“ Wichtig: Statt wie Google Pay nur auf die in Deutschland wenig verbreiteten Kreditkarten zu setzen, ermöglichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken es ihren Kunden, die populäre Girocard digital auf dem Smartphone abzulegen und mit ihr zu bezahlen. Weiß erklärt: „Das Feedback der Kunden ist positiv, und wir beobachten, dass nicht nur ,digital natives‘ , sondern Kunden aller Altersgruppen zu den Nutzern gehören.“ Für die Angebote von Sparkassen und Volksbanken benötigt der Kunde ein Android-Smartphone. Wer ein iPhone sein Eigen nennt und gerne damit im Handel bezahlen würde, hat momentan schlechte Karten. Apple gewährt Dritten bislang keinen Zugriff auf die NFCChips seiner Smartphones, weshalb Sparkassen und Volksbanken bisher kein Mobile Payment für iPhones anbieten. Der Konzern aus Kalifornien hat allerdings angekündigt, noch in diesem Jahr seinen eigenen Dienst Apple Pay nach Deutschland zu bringen – und will dafür mit der Deutschen Bank kooperieren. Ob auch Sparkassen- und Volksbankkunden bald mit dem iPhone bezahlen können, ist unklar. So oder so – das Interesse am Bezahlen per Smartphone scheint da zu sein. Immerhin gut jeder dritte Befragte (36 Prozent) gab in einer repräsentativen Umfrage für das EHI Retail Institute an, aufgeschlossen gegenüber „Mobile Payment“ zu sein.


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

GELD & GESCHÄFT

Der lukrative Sprung aufs Parkett Aufbruchstimmung an der Börse, trotz langjährigen Aufschwungs und voraussichtlich durchwachsener Börsenbilanz 2018 VON STEFAN WOLFF OSNABRÜCK. Auch wenn sich das

Börsenklima in den vergangenen Wochen merklich eingetrübt hat, wagen Unternehmen wieder vermehrt den Börsengang. Die meisten neuen Aktien finden reißenden Absatz. Die Bilanz fällt aber durchwachsen aus.

Es gibt wieder Glockengeläut und kaltes Buffet. Die Stimmung für Börsengänge ist so gut wie lange nicht mehr. In Deutschland befinden sich noch mindestens fünf Unternehmen in der Pipeline, sodass das Jahr 2018 das beste Jahr für Neuemissionen seit dem Dot-Com-Boom im Jahr 2000 werden könnte. Im ersten Halbjahr gab es in Frankfurt 14 Aktiendebüts und damit dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Für das Deutsche Aktieninstitut (DAI), den Lobbyverband für Kapitalmärkte, sind das gute Nachrichten, die allerdings nicht unbedingt ein Signal für einen weiteren Boom sein müssen. „So erfreulich die Momentaufnahme in Sachen Börsengänge auch sein mag, darf sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland deutlichen Nachholbedarf bei Börsengängen hat“, erklärt DAI-Vorstand Christine Bortenlänger. So sei die Zahl der börsennotierten Unternehmen zwischen 2003 und 2017 deutlich gesunken.

20. Dezember vormerken Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 20. Dezember 2018. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 30. November 2018. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.

GESCHÄFTSFÜHRER: Joachim Liebler und Axel Gleie CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Jean-Charles Fays, Manfred Fickers, Manuel Glasfort, Daniel Gonzalez-Tepper, Nadine Grunewald, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Nina Kallmeier, Sven Lampe, Christoph Lützenkirchen, Hermann-Josef Mammes, Nobert Meyer, Thomas Pertz, André Pottebaum, Jonas Schönrock, Jürgen Wallenhorst, Stefan Wolf REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: David Ebener, Daniel GonzalezTepper, Michael Gründel, Sebastian Hamel, André Havergo, Hermann-Josef Mammes, Jörn Martens, Norbert Meyer, Thomas Plaßmann, Stefan Schöning, Jonas Schönrock VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/310-330, Telefax 05 41/310266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 05 41/310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.), Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Hubert Bosse, Dirk Riedesel, Wilfried Tillmanns, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 05 41/310-510, Telefax 05 41/310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 0 59 21/707-410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 0 59 21/707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

Dabei bietet die Präsenz an den Aktienmärkten durchaus Vorteile. Einer DAI-Studie zufolge haben die meisten Unternehmen ihren Umsatz nach dem Börsengang deutlich steigern können. Und sie haben mehr Menschen in Lohn und Brot gebracht: Die Studie beziffert den Anstieg des Personalbestands auf 40 Prozent. „Mit oder nach dem Börsengang steigern Unternehmen nicht nur ihren Bekanntheitsgrad und ihre Reputation“, sagt BASF Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel. „Sie stärken über weitere Kapitalerhöhungen auch dauerhaft ihre Eigenkapitalbasis und verbessern so ihre Finanzierungsmöglichkeiten insgesamt.“ Trotz der anhaltend niedrigen Zinsen sehen Unternehmen die Börse als von Banken unabhängige Tankstelle für frisches Geld an. Die niedrigen Zinsen sind es auf der anderen Seite, die mit für ein gutes Klima für Börsengänge sorgen. Anleger, vor allem Banken und Fondsgesellschaften, sind bereit, für höhere Erträge stärker ins Risiko zu gehen, und zeichnen deshalb auch bei Neuemissionen. In den zurückliegenden Wochen war es gleich zweimal voll auf dem Frankfurter Börsenparkett. Mit Westwing und Knorr-Bremse wagten zwei Unternehmen den Sprung aufs Parkett. Die beiden Firmen trennen Welten. Gleichzeitig stehen

sie aber auch für die Aufbruchstimmung an der Börse, trotz eines seit nunmehr zehn Jahren andauernden Aufschwungs und einer voraussichtlich eher durchwachsenen Börsenbilanz 2018. Der Online-Möbelhändler Westwing hatte den Börsengang sogar ein paar Tage vorgezogen. Die Nachfrage nach den Papieren war so außerordentlich groß gewesen, dass die Orderbücher früher geschlossen werden konnten. Allerdings musste sich Westwing mit einem Aktienpreis von 26 Euro bescheiden geben. Ursprünglich war mit bis zu 29 Euro gerechnet worden. Doch auch so flossen dem Unternehmen 132 Millionen Euro zu. Knorr-Bremse spülte das Debüt dagegen 3,9 Milliarden Euro in die Kasse. Es war der zweitgrößte Börsengang dieses Jahres. Die Gesundheitssparte von Siemens, Healthineers, war mit knapp über vier Milliarden Euro bewertet worden. Siemens Healthineers ist inzwischen in den Tec-Dax aufgestiegen und Kandidat für den M-Dax, der wichtigsten Nebenwerte. Auch Knorr, nach eigenem Bekunden größter Hersteller von Bremssystemen für Eisenbahn und Nutzfahrzeuge, dürfte der Aufstieg in einen Auswahlindex gelingen. Damit erreichen die Unternehmen vor allem mehr Reputation und Aufmerksamkeit. Unterneh-

Abgeschlossen: Assmann Büromöbel hat den größten zusammenhängenden Auftrag in seiner knapp 80-jährigen Geschichte abgeschlossen: Von Juli bis September wurden an insgesamt über 50 Arbeitstagen Büromöbel für insgesamt 3000 Arbeitsplätze an die Ruhr-Universität in Bochum geliefert. Ausgezeichnet: Die Wurst Stahlbau GmbH aus Bersenbrück und der Malerbetrieb Karl Röttgers GmbH aus Papenburg wurden als nachhaltige Unternehmen auf der Jahresveranstaltung der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit von Umweltminister Olaf Lies ausgezeichnet. Umstrukturierung: Hellmann Worldwide Logistics geht personell neu strukturiert in die Zukunft. Zum 1. 12. 2018 übernimmt Reiner Heiken das Vorstandsamt als CEO von Hellmann. Er ist eine erfahrene Führungspersönlichkeit und ein Sachkenner aller Logistiksparten von Luft- und Seefracht, der Kontraktlogistik bis zum Schienen- und Straßenverkehr. Bereits zum 1. August 2018 erfolgte die Berufung von Dr. Michael Noth (vormals CFO der Nordzucker AG) auf die CFO-Position. Jost Hellmann wird sein Mandat als Vertriebsvorstand zum Jahresende altersbedingt aufgeben. Die beiden Gesellschafter Jost und Klaus Hellmann werden auch zukünftig im Aufsichtsrat vertreten sein.

Börsengang bringt mehr Aufmerksamkeit und Reputation.

Börsenaspiranten Exyte – ein ChipAnlagenbauer – in der vergangenen Woche zeigt, dass der IPO-Himmel nicht nur voller Geigen hängt. Die ehemalige Jenoptik-Tochter Exyte ist nicht allein. Schon früher im Jahr hat der Springer Fachverlag seine Börsenpläne aufgegeben. Investoren waren nicht bereit gewesen, den erhofften Preis zu zahlen. Der bange Blick der Anleger ruht vor allem auf den diversen Zollstreitigkeiten der USA. Diese sind zwar in den Bilanzen der Unternehmen noch nicht angekommen, haben aber durchaus das Zeug dazu, das Börsenklima nachhaltig zu vergiften. Als weiteres Risiko gilt ein ungeordneter Brexit, also ein Austritt Großbritanniens aus der EU, ohne neue Handelsverträge. Dass Deutschland als Markt für Börsengänge im internationalen Vergleich eher eine untergeordnete Rolle spielt, hängt aber weniger mit der großen Politik zusammen, als vielmehr mit der Tatsache, dass die Deutschen als wenig aktienaffin gelten. Vor allem der Börsengang der Telekom und die danach schier endlose Talfahrt des Aktienkurses hat vor allem bei Privatanlegern viel Vertrauen gekostet. Auch scheuen viele Unternehmen den Gang an die Börse, weil sie die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllen wollen oder können. Quartalsberichte und die Verpflichtung

zur Transparenz bindet Mitarbeiter und kostet eine Menge Geld. In den USA und Skandinavien wagt ein Vielfaches an Firmen den Börsengang. „Deutschland muss eine bessere Risikokultur entwickeln, wenn die derzeitige Technologieführerschaft, die wir in vielen Bereichen haben, zumindest erhalten oder besser noch ausgebaut werden soll“, bemerkt Hans-Ulrich Engel. Der BASF-Manager, der auch DAIPräsident ist, plädiert – was wenig verwundern mag – auch für vermehrtes Aktiensparen. Das muss ja nicht unbedingt bei Börsengängen geschehen. Die meisten Unternehmen haben irgendwann ihre Einstiegskurse wiedergesehen. Anlegerschützer plädieren darauf, eher auf langfristig erfolgreiche Börsenunternehmen zu setzen. Aber auch die haben irgendwann mal angefangen, sodass Debütanten auch zukünftig große Aufmerksamkeit entgegengebracht werden wird. Abgesehen von kleineren Emissionen – wie die des Elektroroller-Herstellers Govacs –, kann man da jetzt schon auf das kommende Jahr blicken. Volkswagen will seine Nutzfahrzeugsparte an die Börse bringen. Continental steht davor, Geschäftsbereiche abzuspalten. Auch den chinesischen Hersteller von Haushaltsgeräten Haier zieht es aufs deutsche Parkett.

Gutes Potenzial für Hannover Rück SE

Kurz notiert Neu: Seit dem 1. August ist Marco Titze Geschäftsführer der Thermalsole- und Schwefelbad Bentheim GmbH. Er folgt auf Klaus Kinast, der nach 27 Jahren in den Ruhestand ging. Zuletzt war der 58-jährige gebürtige Gronauer zwölf Jahre lang beim Bistum Trier angestellt und dort für Organisation, Entwicklung und Personalmanagement zweier Krankenhäuser in Bernkastel Kues und Wittlich zuständig.

men, deren Aktien in einem Index geführt werden, werden vermehrt in Fonds aufgenommen und stärker gehandelt als Papiere kleinerer Unternehmen. Deshalb gelten Letztere auch als riskanter. Allerdings ist Größe allein kein Maßstab für Börsenerfolg. Das zeigt das Debüt von DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank. Die Papiere haben seit ihrem Börsenstart im vergangenen März mehr als ein Drittel ihres Werts verloren. Generell ist die Stimmung schon rauer geworden. Westwing-Aktien fielen kurz nach dem Debüt um 15 Prozent und kämpfen derzeit damit, den Ausgabepreis wieder zu erreichen. Auch der Rückzieher des

Rückzug: Dieter Fuchs, Unternehmensgründer der Fuchs Gruppe, ist auf eigenen Wunsch aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Über 65 Jahre lang hat der 90-jährige Unternehmensgründer mit Begeisterung, Mut und unternehmerischer Weitsicht die Weiterentwicklung des Unternehmens vorangetrieben. Unter dem Vorsitz von Nils MeyerPries (CEO) führt das Executive Management Board mit Alexander Fuchs (CIO), Matthias Grüssing (CFO) und Jan Plambeck (CMO) nun das Unternehmen. Neu: Die Oldenburgische Landesbank AG (OLB) begrüßt mit Dr. Rainer Polster einen neuen Generalbevollmächtigten. Der 48Jährige verstärkt seit 1. Oktober 2018 das Führungsteam der OLB. Er wird insbesondere seine Expertise im internationalen Geschäft einbringen. In den vergangenen mehr als 20 Jahren hat er für die Deutsche Bank gearbeitet, seit 2010 war er Chief Country Officer in Österreich. Fusion: Der Presseservice Nord, Bremen, plant, mit der Mölk Pressegrosso Vertriebs GmbH & Co. KG, Osnabrück, zu fusionieren. Der Presseservice Nord beliefert rund 6500 Einzelhändler in Bremen, Nordwest-Niedersachsen, Süd-Ost-Schleswig-Holstein sowie Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Mölk beliefert 2057 Einzelhändler in der Wirtschaftsregion Osnabrück, dem Emsland und Süd-Oldenburg. Das Vorhaben wurde beim Bundeskartellamt angemeldet. Bauprojekt: Die MBN Bau AG realisiert mit dem neuen Dolgensee-Center in Berlin-Lichtenberg das größte Bauprojekt der Firmengeschichte: Die Niederlassung Berlin der MBN Bau AG errichtet 678 Wohnungen sowie Gewerbeflächen und eine Kita schlüsselfertig. Ende 2020 ist der geplante Fertigstellungstermin.

Gerry Weber International AG kämpft ums Überleben VON JÜRGEN WALLENHORST OSNABRÜCK. Ein Blick kurz hinter die Südkreis-Grenze nach Halle in Nordrhein-Westfalen lässt einen irritiert zurück: Der international agierende Modekonzern, die Gerry Weber International AG, kommt nicht aus dem Tal der Tränen heraus und forciert gleichzeitig den Umbau. Ein Blick zur niedersächsischen Landeshauptstadt stimmt dagegen positiv: Die Hannover Rück SE, eine deutsche Rückversicherungsgesellschaft mit Hauptsitz in Hannover, sieht gute Chance in der Personen-Rückversicherung.

Dem ehemaligen Branchenprimus aus Halle, der seit Jahren mit Umsatzrückgängen und roten Zahlen kämpft, bescheinige ein vom Unternehmen in Auftrag gegebenes Gutachten zur Überprüfung der Sanierungsfähigkeit ein „im Kern erfolgreiches und zukunftsfähiges Geschäftsmodell“, so Unternehmenschef Ralf Weber. Aber der Sanierungskurs müsse noch verschärft werden. Dem kriselnden Modekonzern drohen ein weiterer massiver Stellenabbau und weitere tiefe Einschnitte in die Unternehmensstruktur. Das Modeunternehmen, zu dem neben der Kernmarke Gerry Weber auch Hallhuber, Samoon und Taifun gehören, hat zurzeit noch etwa 6500 Mitarbeiter. In den vergangenen zehn Jahren steigerte der Anbieter für Damenmode und Accessoires durch die Eröffnung vieler eigener Geschäfte seinen Umsatz um 54,5 Prozent auf 880,9 Millionen Euro. Doch das Wachstum flaute ab – in den vergangenen drei Jahren war nur noch ein Umsatzplus von 3,4 Prozent zu verzeichnen, bei überproportional steigenden Personalkosten und Mietausgaben. Das operative Ergebnis sank von 62,7

Hannover Rück SE

Angaben in Euro 122 120

116 114 112 110

Juli

August

September

Kursverlauf Gerry Weber AG

Oktober Angaben in Euro

5,5 5,0

4,0 3,5 3,0 2,5

Juli

August

Millionen in 2007/08 auf zuletzt 10,1 Millionen Euro. Viele Beobachter sprechen von einer „letzten Chance“ für Gerry Weber: Konsequentes Aufräumen, Straffen, Neuausrichten seien der einzige Weg zur Rettung des Konzerns. Obwohl die Hannover Rück SE für 2017 einen schmerzhaften Verlust beim Gewinn in der Sparte Personen-Rückversicherung hinnehmen musste und auch für 2018 einige unangenehme Belastungen zu Buche schlagen, sollen die ständigen Verluste beim weltweit viertgrößten Rückversicherer bald Geschichte sein, wie aus der Un-

September

Oktober

ternehmenszentrale zu hören ist. Denn Hannover Rück SE sieht nach den zurückliegenden Belastungen in der Personen-Rückversicherung gute Chancen für steigende Gewinne. Die Aussichten für diesen Geschäftsbereich seinen für die nächsten Jahre sehr gut, sagte der Vorstand bei einer Investorenveranstaltung in London. Ein operativer Gewinn (Ebit) von 400 Mio. Euro solle die Basis für weitere Steigerungen sein. Bereits für 2018 peilen die Niedersachsen erneut eine Dividende von insgesamt fünf Euro je Aktie, inklusive Sonderausschüttung, an.


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GELD & GESCHÄFT

dm wächst bei Umsatz und Mitarbeiterzahl Gebietsverantwortliche Jana Windhöwel sieht weiter Potenzial – auch auf Festivals

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK. Mehr Mitarbeiter,

mehr Filialen, mehr Lehrlinge, mehr Umsatz, mit dem Verlauf des Geschäftsjahrs 2017/18 in der Region ist die Gebietsverantwortliche von dm, Jana Windhöwel, zufrieden.

Insgesamt 64 neue Filialen hat Deutschlands größte Drogeriemarktkette, dm, im vergangenen Geschäftsjahr (Oktober 2017 bis September 2018) bundesweit eröffnet, drei von ihnen in der Region. Das macht sich bereits in der Kundenzahl bemerkbar, sagt Jana Windhöwel, verantwortlich für das Gebiet von Vechta über Meppen bis nach Gronau und Ibbenbüren. „Allein die Neueröffnung in Osnabrück hat uns hier 10 000 Kundenkontakte mehr gebracht.“ Deutschlandweit kaufen laut eigenen Aussagen von dm täglich 1,8 Millionen Menschen in den 1956 Märkten im Bundesgebiet ein. Europaweit zählt der Drogist 3566 Märkte, neben Deutschland vor allem in Österreich, Ost- und Südosteuropa.

Für insgesamt 20 der Filialen im Bundesgebiet zeichnet Jana Windhöwel verantwortlich, sieben von ihnen im Osnabrücker Land, fünf im Landkreis Emsland und drei in dem Teil der Grafschaft Bentheim, der noch zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehört. Die Zahl der Beschäftigten ist im vergangenen Jahr um 38 auf insgesamt knapp 450 Mitarbeiter gestiegen. 21 von ihnen sind Auszubildende. Für dm-Chef Erich Harsch bleibt der Drogeriemarkt ein Wachstumsmarkt. Im vergangenen Jahr stieg allein der Umsatz in Deutschland um 3,2 Prozent auf erstmals über acht Milliarden Euro. Konzernweit sind es 10,7 Milliarden. Der Gewinn lag im zweistelligen Millionenbereich, so Harsch. Die Region von Jana Windhöwel trägt dazu – ohne die Filialen Rheine und Gronau – 4,1 Millionen Euro bei. Entsprechend zufrieden ist Jana Windhöwel mit der Entwicklung in der Region. Denn mit dem Wachstum der Filialen und Mitarbeiter einhergegangen ist auch für die Gebietsmanagerin ein erfreulicher

Umsatzwachstum auf Konzernniveau. Und wie sieht sie die Konkurrenzsituation im Drogeriegeschäft? „Der Druck seitens der Mitbewerber wird aktuell nicht größer“, so Jana Windhöwel mit Blick auf ihr Gebiet. Vielmehr sei es eine Frage der „Zugehörigkeit“. Dort, wo dm schon lange vor Ort sei, sei es einfacher. „Es dauert seine Zeit, sich als neuer Player zu etablieren.“ Doch nicht nur die Filialen, auch das Onlinegeschäft trägt zum Umsatzwachstum bei. „Hier haben wir Zuwachsraten im dreistelligen Millionenbereich. Das Onlinegeschäft hat mittlerweile eine relevante Größe erreicht und wächst stark und dynamisch weiter“, so Windhöwel. Auch das Angebot „Click & Collect“ – also die Bestellung im Netz und das Abholen in der Filiale – werde gut angenommen. „Wir wollen aber keine Poststation werden“, betont die Gebietsverantwortliche. Denn zur Strategie gehöre auch, trotz Bestellung im Netz bei der Abholung den Kontakt zum Kunden zu suchen.

Für 20 Filialen zuständig: Jana Windhöwel ist Gebietsverantwortliche für dm in der Region. Foto: David Ebener

Und der frage zunehmend nach – nicht nur nach einem Bio-Sortiment, wo die Anzahl der Artikel stetig erhöht werde, sondern auch hinsichtlich der Inhaltsstoffe angebotener Produkte. „Das war auch schon zu der Zeit, in der ich in der Filiale gearbeitet habe, ein Thema. Auch nach veganen Produkten wird gefragt“, sagt Jana Windhöwel. dm selbst habe sich zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit und die Reduzierung von Verpackung auf die Fahne geschrieben. Insgesamt, so Jana Windhöwel, sei das Sortiment „schnelllebiger“ geworden. Wo man früher vielleicht etwas länger gewartet hätte, ob sich eine Produktlinie etablieren würde, ist sie heute schnell

wieder ausgelistet, um im Markt vorne mit dabeizubleiben, sagt die Gebietsverantwortliche, die in diesem Jahr auch wieder Geld für Investitionen in die bestehenden Märkte in die Hand nehmen will. Immerhin einen niedrigen siebenstelligen Betrag, denn nicht nur die Filiale in Osnabrück an der Bramscher Straße soll komplett umgebaut werden. Neben einer Kinderwelt soll dort auch eine Stillecke integriert werden. In Ibbenbüren wurde diese bereits gut angenommen. „Bis heute hat es darauf keine negativen Rückmeldungen gegeben“, so Windhöwel. In Vechta stehen zusätzlich kleinere Umbauten an. Schon im ver-

gangenen Jahr hatte dm in der Region im niedrigen siebenstelligen Bereich investiert. Und weitere Märkte? „Es gibt immer noch weiße Flecken, sodass ich mit weiteren Filialen rechne. Fix ist allerdings noch nichts“, sagt Windhöwel. Allerdings findet man den Drogisten mittlerweile auch an Orten, wo er ursprünglich nicht zu Hause war – zum Beispiel auf Festivals. In der Grafschaft Bentheim ist das in diesem Jahr zum ersten Mal ausprobiert worden. „Das wurde so gut angenommen, dass wir das nächstes Jahr wieder machen wollen. Auch das Schlossgarten Open Air in Osnabrück haben wir auf dem Radar.“


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GELD & GESCHÄFT

GELD & GESCHÄFT

„Belastungen wie diese hat die Branche in mehr als 60 Jahren nie erdulden müssen n“

Zwischen Papierkram und defekten Automaten Grafschafter stellt Geld-Spiel-Geräte auf und betreibt Spielhalle

Städte und Gemeinden kassieren beim Glücksspiel kräftig mit VON SEBASTIAN HAMEL

Zahl der Spielautomaten geht weiter zurück. Bis zu vier Milliarden Euro Umsatz durch illegales Online-Spiel. Branche ist sich ihrer Verantwortung zur Prävention bewusst. VON NINA KALLMEIER ESPELKAMP/OSNABRÜCK. Die Mi-

nisterpräsidenten der Bundesländer stehen aktuell vor der Herausforderung, einen bundesweit einheitlichen Rahmen für die Gestaltung von Glücksspiel zu schaffen. Insbesondere das OnlineSpiel ist ein Knackpunkt. Die Branche steht derweil Umbrüche bevor.

Früher blinkte, bimmelte und rauschte es recht unverblümt in vielen Lokalitäten aus den rechteckigen Boxen. Heute ist das bunte Spektakel der Spielautomaten im öffentlichen Raum stark zurückgegangen. Stattdessen ist es vor allem hinter abgeklebten Scheiben von Spielhallen und Spielbanken zu finden. Und auch hier sinkt die Zahl der Automaten weiter: Waren es in den rund 9000 Spielstättenstandorten bundesweit im Jahr 2016 noch rund 182 000 Geld-Spiel-Geräte, hat sich ihre Zahl laut dem Dachverband „Die Deutsche Automatenindustrie“ 2017 auf 173 000 reduziert. Hinzu kommen noch einmal etwa 82 000 Geräte in gastronomischen Betrieben sowie an anderen Aufstellplätzen. Wobei diese Zahl in den kommenden zwei Jahren deutlich reduziert wird. „Der Gesetzgeber hat entschieden, dass ab November 2019 nur noch zwei statt drei Geräte in Gaststätten zulässig sind. Völlig offen ist derzeit, ob und wenn ja, welche Auswirkungen diese Vorgabe auf die betroffenen Betriebe haben wird“, heißt es vom Dehoga Bundesverband. Die Politik werde sich auch fragen lassen müssen, ob diese Einschränkung nicht mit dazu beiträgt, dass es eine Verlagerung des Glücksspiels hinein ins Internet gibt. „Dort steigen bereits die Umsätze.“ Für Paul Gausel-

Illustrationen: Colourbox.de

mann, Vorsitzender des Verbands der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) und Vorsitzender der Gauselmann AG, dem größten Hersteller von Glücksspielautomaten in Deutschland, befindet sich die Branche aktuell in einer „totalen Stresssituation“. „Derzeit wird der Glücksspielstaatsvertrag von 2012 umgesetzt, was dazu führen kann, dass bis zu 70 Prozent der Geräte vom Markt genommen werden müssen“, sagt der Unternehmer. Die Konsequenz: Von den aktuell rund 70 000 bundesweiten Arbeitsplätzen in der Branche könnten 50 000 wegfallen. Die Gauselmann Gruppe, deren wichtigstes Element heute der Bereich Spieleentwicklung ist, beschäftigt selbst weltweit knapp 14 000 Mitarbeiter. Bis zum 11. November ist Zeit, alle Geräte im Markt entsprechend der neuen Spielverordnung umzurüsten. „Nicht nur die Geräte, sondern auch die Spielsoftware und die Spielpakete müssen den neuen Bestimmungen entsprechend umgebaut werden“, so Gauselmann. Für den Unternehmer verlieren dabei sowohl die Spielgäste als auch die Branche. Für den Gast werde das Spiel unattraktiver. Und erste Erfahrungen würden zeigen, dass die Anfangseinnahmen bei umgerüsteten Geräten 50 bis 60 Prozent niedriger ausfallen. „Belastungen wie diese hat die Branche in ihrer mehr als sechzigjährigen Geschichte noch nie erdulden müssen“, sagt Paul

„Das Spiel mit und um Geld ist schon seit jeher bei einem Teil der Menschen verpönt.“ Paul Gauselmann

ZUR SACHE

Bundesländer auf dem Weg zum neuen Staatsvertrag? Aktuell ist die Regulierung des Glücksspiels, zu dem neben den klassischen Lotterien auch Sportwetten, das Recht der Spielhallen, Pferdewetten sowie Automaten- oder Casinospiele zählen, überwiegend Sache der Länder. Der in seiner ersten Fassung 2008 in Kraft getretene Länderstaatsvertrag – der neben einem staatlichen Glücksspielmonopol auch ein Verbot von Online-Glücksspielen vorsah – sollte für eine einheitliche Gesetzgebung sorgen. Im September 2010 entschied jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das staatliche Sportwettenmonopol gegen europarechtliche Vorgaben verstoße und eine umgehende Neuregelung durch die Länder erforderlich sei. Daraufhin trat im Januar 2012 der derzeitig geltende erste GlücksGauselmann. Die Gewinner der Maßnahmen stehen für ihn derweil schon fest: die „unregulierten oder sogar illegalen, rund um die Uhr geöffneten und in Bezug auf Einsatz und Verlust unlimitierten Online-Spielangebote aus dem Ausland“. Denn auf diese würden die deutschen Spieler ausweichen. Laut Deutscher Automatenwirtschaft spielen rund fünf Millionen Menschen ab 18 Jahren mehr oder weniger regelmäßig an Geld-Spiel-Geräten, weitere fünf Millionen gelegentlich. Und dennoch: Die Branche genießt – vorsichtig ausgedrückt – nicht den besten Ruf. „Das Spiel mit und um Geld ist schon seit jeher bei einem Teil der Menschen verpönt. Nicht nur, dass sie befürchten, selbst in die Gefahr zu geraten, Haus und Hof verlieren zu können. Immer spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass Hasardeure am Spieltisch oder auch sonstwo, wo es um Geld geht, irgendwann mal der Allgemeinheit auf der Tasche liegen“, sagt Gauselmann. Dabei würden Spielautomaten nicht zum Glücksspiel im engeren Sinne, sondern zum gewerblichen Spiel gehören. „Bestenfalls zum kleinen Glücksspiel. Dies unterscheidet sich nämlich ganz deutlich von dem großen Glücksspiel, das die moralische und gesellschaftspolitische Bewertung geprägt hat.“ Laut Eckdaten der Spielverordnung dürften in fünf Sekunden maximal 20 Cent eingesetzt werden sowie in einer Stunde durchschnittlich nicht mehr als 20 Euro in der Kasse des Geldspielgerätes bleiben, erklärt Gauselmann. Und da Spielgäste aus dem Casino-Bereich gewohnt sein, 95 und mehr Prozent ausgezahlt zu bekommen, würden in der Branche 90 bis 95 Prozent ausgezahlt. „Das heißt also, pro 5-Sekunden-Spiel gibt der Spielgast für sein Vergnügen im Durchschnitt 1 bis 2 Cent aus“, rechnet Gauselmann vor, der seit mehr als 61 Jahren selbstständig ist.

spieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) in Kraft. Er sieht für Sportwetten eine Öffnung des Marktes mittels einer „Experimentierklausel“ vor. Eigentlich sollte es schon zu Beginn dieses Jahres eine Reform des Glücksspielstaatsvertrages geben. Am Streit um die Liberalisierung des OnlineGlücksspiels war der erste Anlauf 2017 gescheitert. Nun steht das Thema beim Treffen der Ministerpräsidenten der Länder wieder auf der Tagesordnung. Neben den Sportwetten und Online-Casinos soll auch über eine zentrale Genehmigungsbehörde für alle Bundesländer, ein Sperrsystem für suchtgefährdete Spieler und die Frage, ob, und wenn ja wie, das staatliche Lotteriemonopol gestärkt werden soll, diskutiert werden. „Wir erwarten eine ko-

„Wir bieten das kleine Glücksspiel, bei dem es nicht um die großen Gewinne, sondern um das kleine Spielvergnügen geht. Unsere große Aufgabe ist es, dies in der breiten Öffentlichkeit und auch in der Politik bekannt zu machen, um die Vorurteile gegen unser Spielangebot abzubauen.“ Und die sind groß. „Glücksspiel kann dramatische Auswirkungen auf die Betroffenen, aber auch auf die Familie und gerade die Kinder haben“, sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler. Im Moment würden in Deutschland eine halbe Million Menschen in problematischer Weise um Geld spielen oder seien sogar richtig abhängig. „Bei solchen Zahlen müssen wir das Thema Glücksspiel definitiv ernster nehmen, als es bisher der Fall ist“, so Mortler weiter. Eine Untersuchung durch den Arbeitskreis Spielsucht e. V. hat gerade erst den lückenhaften Jugend- und Spielerschutz an Glücksspielgeräten auf deutschen Rast- und Autohöfen aufgezeigt. Mehr als 600 Autohöfe und Rastplätze bundesweit wurden 2017 geprüft. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Geräte war weder

härente, das heißt, ausgewogene Regulierung über alle Spielformen, wo Geld eingesetzt wird, einschließlich unserer Branche“, betont VDAI-Vorsitzender Paul Gauselmann. Außerdem müssten die Sportwetten endlich aus dem „geduldeten“ Markt in den hundertprozentig legalen Markt überführt werden. „Längst überfällig ist auch die Überführung des Online-Glücksspiels in die vernünftige mit nach Qualitätsmaßstäben gesicherte Legalität“, so Gauselmann. Alle Spielformen müssten sich an denselben Qualitätsmaßstäben orientieren, sodass Erwachsene sich in ihrer Freizeit legal und qualitätsgeprüft vergnügen könnten. Auch für die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, ist die Situation in Deutschland „ganz klar verbes-

serungsbedürftig“. „Jede Glücksspielart, ob terrestrisch oder online, braucht passende Rahmenbedingungen. Ein funktionierender Jugend- und Spielerschutz kann nur mit verbindlichen Regeln gelingen. Hier sind jetzt die Länder am Zug. Sie müssen sich endlich auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag einigen“, fordert Mortler. Dass einige der Branchenverbände versuchen würden, einen Beitrag zu leisten, den Jugendund Spielerschutz zu verbessern, sei ein Fortschritt. „Das unterstützen wir auch, etwa wenn es um die Spielautomaten an den Autobahnen oder in der Gastronomie geht. Aber natürlich muss am Ende auch etwas rauskommen. Es sollte im Interesse aller Beteiligten sein, dass es beim Thema Glücksspiel keine Grauzonen gibt.“

technisch gesichert, noch war das Personal ausreichend geschult. Als Reaktion hat sich die Branche zu weitergehenden Maßnahmen des Jugend- und Spielerschutzes und einer regelmäßigen Überprüfung der Standorte verpflichtet. Eine ähnliche Selbstverpflichtung steht für die Gastronomie in Aussicht. „Wir befinden uns in Gesprächen“, heißt es vom Dehoga Bundesverband. Man bekenne sich ohne Wenn und Aber zur Einhaltung der gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen. „Die Gastronomen wissen um ihre besondere Verantwortung – vor allen Dingen gegenüber jungen Menschen. Es ist zudem sehr zu begrüßen, dass die Automatenwirtschaft zwischenzeitlich neue Technologien, wie zum Beispiel die digitale Gesichtserkennung, einsetzt, die die Einhaltung des Jugendschutzes gewährleisten.“ Einen Vorteil sieht der Dehoga Bundesverband jedoch gegenüber anderen Spielorten: Das Spielen in der Gastronomie finde unter sozialer Kontrolle statt – nämlich vor den Augen des Gastwirts und anderer Gäste. „Aufklärungsoffensiven und technische Lösungen zum Schutz der Spieler sind bei der Bekämpfung von Spielsucht die besten Lö-

sungen.“ Auch Gauselmann sperrt sich nicht gegen Prävention und Spielerschutz. Das erste staatliche Kontrollsystem, das in Hessen eingeführt wurde und sowohl die Vorlage eines Ausweises als auch die Speicherung der persönlichen Daten in einem Zentralrechner verlangt, in dem die gesperrten Spieler registriert sind, hat sich laut Gauselmann jedoch als nicht praktikabel erwiesen. „Ein Großteil der Kunden ist nicht bereit, seine Ausweisdaten preiszugeben“, so der VDAI-Vorsitzende. Die Konsequenz: Sie würden auf Spielangebote ausweichen, wo sie nicht kontrolliert werden. „In mehreren unabhängigen Gutachten wurde dies bewiesen. Bis zu 30 Prozent der Kunden weichen so der Kontrolle aus.“ Zu Recht, wie Gauselmann findet, weil die Kunden den Schutz ihrer persönlichen Daten nicht gesichert sehen. Stattdessen setzt er auf ein eigenes System. „Wie ernst wir den Spielerschutz nehmen, kann man daran erkennen, dass wir mit Millionenaufwand ein eigenes Kontrollsystem entwickelt haben, mit dem Jugendliche und gesperrte Spieler effektiv vom Spielen ausgeschlossen werden“, sagt der Unternehmer. Wenn ein Kunde die Spielhalle be-

trete, werde sein Gesicht eingescannt und mit der Datei der gesperrten Spieler abgeglichen. Für diese Art der Kontrolle habe sich die ganze Branche entschieden, sofern der Staat dies per Gesetz einführen will. „Wir sind übrigens das einzige Unternehmen in unserer Branche, das eine eigene, mit internationalen Experten besetzte Spielerschutzkommission hat, die auf der Basis ihrer internationalen Erfahrungen an der Verbesserung unseres Spielerschutzes mitwirkt“, so Gauselmann. Er sagt aber auch: „Bei aller Wichtigkeit dieses Themas darf man nicht vergessen, dass es nicht der gesetzliche Auftrag ist, Spielen zu verhindern, sondern die Spielinteressierten zu attraktiven und qualitativ hochwertigen Angeboten zu lenken.“ Qualität sicherzustellen, daran hat laut Unternehmer auch die Branche ein Interesse. „Es ist unser Ziel, nur denjenigen den Berufszugang zu ermöglich, die sich dafür fachlich qualifiziert haben. Ein Gewerbeschein und ein ,Sitzschein‘ von der IHK sollen dafür nicht mehr ausreichen“, fordert der VDAI-Vorsitzende. Dadurch könnte sich die Zahl der in der Branche tätigen Unternehmen um 20 bis 25 Prozent reduzieren, sie hätten einen Marktanteil von etwa 10 Prozent. Gemeinsam kämpfe man in den Verbänden, um in den eigenen Reihen die Spreu vom Weizen zu trennen und sich zusammen mit allen legalen Spielanbietern – seien sie staatlich oder privatwirtschaftlich tätig – mit einer bedarfsgerechten Glücksspielregulierung gegen das rasant wachsende, unregulierte Glücksspiel aus dem Ausland zu behaupten. Den Umgang mit dem OnlineSpiel kritisiert Gauselmann deutlich: „In Deutschland bieten einige

Tausend Anbieter aus dem Ausland das Online-Spiel an, obwohl es hier noch illegal ist. Wenn man die Umsätze der Online-Casinos, die ihr Geschäft legal im Ausland betreiben, zugrunde legt, dürfte das Umsatzpotenzial in Deutschland über sieben Milliarden Euro sein“, sagt der Unternehmer. Da in Deutschland offiziell nicht geworben werden dürfe und der Marktzugang aus dem Ausland möglicherweise hier und da schwierig sei, rechne man mit drei bis vier Milliarden Euro, die illegal am deutschen Steuersäckel vorbei in ausländische Kassen flössen. Den Schaden für die Branche durch illegale Anbieter aus dem Ausland schätzt der VDAI-Vorsitzende dort, wo kein ausreichendes stationäres Angebot seitens der Städte und Gemeinden zur Verfügung steht, auf bis zu 50 Prozent. Trotz der Herausforderungen sieht Paul Gauselmann sein Unternehmen auf die Zukunft der Branche gut vorbereitet – und die heißt

„Gastronomen wissen um ihre besondere Verantwortung.“ Dehoga Bundesverband

ZUR SACHE

So ist die Branche strukturiert Insgesamt ist die Unterhaltungsautomatenwirtschaft laut VDAI mittelständisch strukturiert. Mehr als 5000 Unternehmen verteilen sich auf Industrie, Großhandel und Automatenaufstellung – vor allem auf Letztere: Sieben etablierten Herstellern und 20 Handels- und Importhäusern mit 60 Vertriebsstandorten stehen rund 5000 in der Regel kleine und mittlere Unternehmen in der Automatenaufstellung gegenüber, zählt

der Verband. Während die Umsätze von Industrie und Großhandel mit rund 760 Millionen angegeben werden, liegt der Aufstellerbereich beim Nettoumsatz bei gut sechs Milliarden. Auch für den Staat ist das Spiel an den bunten Geräten lukrativ. Er erhält jährlich etwa 2,5 Milliarden Euro an Steuern und Sozialabgaben, wovon inzwischen mehr als eine Milliarde auf kommunale Vergnügungssteuern entfallen.

das Spielen im Internet. „Schon 2008 haben wir von der Hamburger Spielbank die Entwicklungsgesellschaft für Plattformen für das Internet erworben und befassen uns seither in europäischen Ländern mit diesem Thema als Lernprozess, um spätestens, wenn es in Deutschland genehmigt wird, bereit zu sein, das Angebot per Internet intensiv zu betreiben.“ In dem geduldeten Bereich der Sportwetten sei das Unternehmen noch sehr zurückhaltend tätig. Für Europa zentral gebündelt sind diese Aktivitäten bei der österreichischen Firma Cashpoint. „Der Zukunftsmarkt für unsere Sportwetten ist natürlich Deutschland.“ Insgesamt sieht Gauselmann das größte wirtschaftliche Potenzial in Europa in Deutschland: Die Menschen würden entsprechend verdienen, und die Freizeit habe in den vergangenen 50 Jahren zugenommen. Allerdings: „Obwohl der größere Teil der Bevölkerung dem Spielen mit und um Geld positiv gegenübersteht, sind die gesetzlichen Regelungen in Deutschland wesentlich restriktiver als zum Beispiel in England, Spanien, Holland oder Dänemark.“ Auch der südamerikanische Markt ab Mexiko sei sehr liberal und für von Gauselmann entwickelte Spiele sehr offen. Heute steht jedoch nicht mehr der Automat im Vordergrund. An die Stelle von Mechanik und Elektronik sind Bildschirme und Spielsoftware getreten. „Genauso wie Fernsehgeräte sind die Spielautomaten Wiedergabegeräte.“ Entsprechend werden nicht mehr die Gehäuse getauscht, sondern die Spielepakete, durchschnittlich spätestens alle zwei Jahre. Somit werden in Deutschland pro Jahr 25 000 bis 30 000 Automaten erneuert. „Zusätzlich gibt es natürlich auch bei den Gehäusen der Geldspielgeräte Neuerscheinungen, die eben noch gute alte Geräte verdrängen.“ Die eigene Entwicklung von Software ist bei der Gauselmann Gruppe in 17 Entwicklungsgesellschaften von Australien bis Las Vegas angesiedelt. „In vielen Ländern wird für uns und mit uns entwickelt, wodurch wir nicht nur bundes- und europaweit, sondern auch weit darüber hinaus eine sehr starke Stellung im Markt mit Spielsoftware haben“, sagt Gauselmann. An erster Stelle stehe das Spiel, erst an zweiter die Technik und Geräte, mit denen man dieses nutzen könne – seien es Spielgeräte oder Plattformen für das Internet. „Wenn alles zusammenpasst, wenn die Qualität der Spiele genauso optimal ist wie die Technik und der dazugehörige Service, dann ist man Branchenführer“, sagt Gauselmann. Das habe er praktisch seit 1984 – mit einer kleinen Pause zwischen 2006 und 2012 – geschafft. Die „Durststrecke“ auf dem Erfolgsweg sei dadurch zustande gekommen, dass er in neue Technologie, die im Ausland schon üblich war, in Deutschland jedoch noch nicht eingesetzt wurde, zu spät eingestiegen sei, erklärt Paul Gauselmann. Für das noch laufende Jahr geht er von einem Gruppenumsatz von weit über drei Milliarden Euro aus. „Mehr als die Hälfte davon werden wir dieses Jahr im Ausland erzielen. Schon in den letzten zwei Jahren sind wir mit 50:50-Umsatzverteilung in diese Richtung gekippt.“

HOOGSTEDE. Martin Reuvers aus

Hoogstede kennt die Automatenbranche gut: Vor fast 30 Jahren übernahm er den väterlichen Betrieb und beschickt seitdem als Selbstständiger die Gaststätten der Region mit seinen Automaten.

Die Geräte kauft er selbst und stellt sie in den Lokalen auf, die Gastwirte erhalten eine Provision des Gewinns. Inzwischen pflegt er einen regen Kontakt zu Mitbewerbern aus ganz Deutschland – denn alle haben mit immer schärferen Auflagen zu kämpfen. Dem Grafschafter wurde das Automatengeschäft geradezu in die Wiege gelegt: Sein Vater, ein gelernter Schmiedemeister, schaffte bereits 1958 die ersten Musikboxen an. Während das Geschäft zunächst nebenbei lief, machte er sich Ende der 1960er-Jahre selbstständig. Martin Reuvers selbst begann 1972 eine Ausbildung zum Elektromechaniker, spezialisiert auf Automaten. Die Ausbildung, die er 1976 abschloss, absolvierte er bei der Firma Gauselmann, einem der großen Akteure der Branche mit Sitz in Espelkamp und Lübbecke. „Damals zeichnete sich ab, wie der berufliche Lebensweg verlaufen würde“, erzählt Reuvers. Nach seiner Zeit beim Bund und zweijähriger Tätigkeit als Techniker in Münster kehrte er 1980 in den heimischen Betrieb zurück, den er neun Jahre später übernahm. Bis 2001 erfolgte ausschließlich das Aufstellen der Geräte in Gaststätten und Imbissen. Gehörten früher auch Flipper, Billardtische und Musikboxen zum Repertoire, liegt der Fokus nunmehr längst auf Geldspielautomaten. Seit 2001 ist Martin Reuvers zudem Betreiber einer Spielhalle in Haren/Ems mit mehreren Angestellten. Sein Hauptbüro ist weiterhin an seinem Heimatort Hoogstede angesiedelt, Lager und Werkstatt befinden sich seit 1996 in Nordhorn. Für ihn gilt es stets, flexibel zu sein: Zwischen der Erledigung des „Papierkrams“ können immer wieder Anrufe wegen defekter Automaten auflaufen. Dann macht sich Martin Reuvers selbst auf den Weg, um vor Ort nach dem Rechten zu schauen. Gerade bei den Stellen am Gerät, „wo viel bewegt wird“, könne immer mal etwas kaputtgehen oder klemmen – zum Beispiel bei den Ein- und Auswurfvorrichtungen für das Geld. Allerdings werde bei den modernen Geräten heutzutage aufgrund der vielen technologischen Komponenten immer weniger selbst repariert. In 25 Gaststätten in der Grafschaft, dem Emsland und dem angrenzenden Westfalen hat Martin Reuvers seine Automaten aufgestellt, darunter 35 Geldspielgeräte sowie weitere Artikel wie Dartscheiben oder Billardtische. Der Betrieb von Spielautomaten ist in Deutschland stark reglementiert, wie etwa durch die sogenannte Spielverordnung. Diese bestimmt unter anderem die zugelassene Anzahl an Geldspielgeräten in einem Lokal, die bei zwölf pro Spielhalle und drei pro Gaststätte liegt. Ab dem 10. November 2019 sind nur noch zwei Geräte pro Gaststätte zulässig. In Niedersachsen müssen Spielhallen mindestens 100 Meter voneinander entfernt liegen. Noch im November 2018 tritt die sogenannte Technische Richtlinie 5.0 (kurz: TR 5.0) in Kraft: Danach brauchen Spieler ein Identifikati-

onsmittel wie einen Code oder eine Spielerkarte, die sie von der Servicekraft erhalten und für den Betrieb eines Automaten benötigen. Damit soll verhindert werden, dass an mehreren Geräten gleichzeitig gespielt wird. Für Aufsteller bedeutet das, bestehende Automaten technisch entsprechend umzurüsten oder durch neue Geräte zu ersetzen. Überprüft wird das durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Weitere Regelungen trifft der bundesweite Glücksspielstaatsvertrag. Die letzten Änderungen sind am 1. Juli 2017 wirksam geworden. Ein zentraler Punkt dabei war das Verbot von Mehrfachkonzessionen bei Spielhallen: Betreiber konnten bis dahin einen Komplex aus mehreren Hallen mit jeweils bis zu 12 Geräten führen, wobei pro Halle eine separate Genehmigung eingeholt wurde. Diese Komplexe sind nicht

Fokus liegt auf dem Aufstellen von Geld-SpielGeräten.

mehr zulässig, was sich auch auf Martin Reuvers auswirkt: Auch seine Spielhalle besteht de facto aus zwei Hallen unter einem Dach. Er hofft nun, dass sein Lokalverbund durch eine Härtefallregelung zunächst geduldet wird. Die Veränderungen betreffen alle Betreiber in der Branche, weshalb Reuvers auf einen guten Austausch setzt: „Das Konkurrenzdenken hat sich verändert, jetzt redet man mehr miteinander.“ Schon lange engagiert er sich deshalb im Nordwestdeutschen Automatenverband, wirkt seit Jahren dort als 2. Vorsitzender. Die verschiedenen Vorschriften dienen meist dem Schutz der Spielgäste. Die Suchtprävention spiele generell eine große Rolle, wie Martin Reuvers erklärt: Alle zwei Jahre wird das Spielhallenpersonal entsprechend geschult, um auffällige Spieler erkennen zu können. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sei die Zahl der Spielsüchtigen rückläufig, so Reuvers. Er führt dies auch auf die Sensibilisierung durch die Schulungen zurück. Zudem habe er „massiv darauf geachtet“, dass der Jugendschutz eingehalten wird. Zwar ist das Glücksspiel ab 18 Jahren erlaubt, doch gerade junge Männer seien besonders suchtanfällig. Deshalb hat er – wie viele andere Mitbewerber – schon vor Jahren entschieden, seine Spielhalle erst Gästen ab 21 Jahren zugänglich zu machen. Durch das Fortbleiben der Heranwachsenden herrsche zudem „weniger Unruhe“ im Laden. Auch nach vielen Jahren geht Martin Reuvers seiner beruflichen Tätigkeit gerne nach: „Ich bin viel unterwegs und lerne viele Leute kennen“, sagt er. Bislang laufe sein Geschäft stabil – und er blickt trotz gesetzlicher Veränderungen optimistisch in die Zukunft.

Vor 30 Jahren hat Martin Reuvers den Betrieb seines Vaters übernommen und beschickt seither Gaststätten in der Region mit seinen Automaten. Foto: Sebastian Hamel


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

GELD & GESCHÄFT

„Wir laufen Gefahr, unseren Standortfaktor zu verspielen“ Trotz Rekordeinnahmen erhöhen Kommunen weiter Steuern VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/EMSLAND/GRAFSCHAFT BENTHEIM. Es sind gute

Zeiten für Städte und Kommunen. Die Konjunktur brummt, entsprechend gut geht es den Unternehmen, die neben den Bürgern durch ihre Steuerzahlungen die Stadt- und Gemeindekassen füllen. Entlastungen sind trotz voller Kassen dennoch nicht in Sicht. Das ist Unternehmern ein Dorn im Auge.

Rhede (Ems) Papenburg Bockhorst Heede

Lehe

Dersum

Dörpen

Walchum

Kluse

Sustrum

Renken-

Neulehe Surwold Neubörger Wippingen

Fresenburg

Esterwegen Breddenberg

Börger

Hilkenbrook

Lorup Rastdorf

Vrees

Werpeloh Gewerbesteuerhebesätze Spahnharrenberge Niederlangen „Für knapp zwei von drei Unterstätte im Vergleich nehmen ist die Höhe der GrundLathen Oberlangen Werlte 300-319 und Gewerbesteuerhebesätze ein Sögel 320-339 wichtiger Standortfaktor“, sagt Stavern Lahn 340-359 Marco Graf, Hauptgeschäftsführer Haren (Ems) der Industrie- und Handelskammer 360-379 Groß Berßen Hüven (IHK) Osnabrück-Emsland-Graf380-399 Klein schaft Bentheim. „Zugleich ist hier 400 und mehr Berßen Lähden die Zufriedenheit aber gering. Das Quelle: Industrie- und Handelskammer zeigt unsere aktuelle IHK-StandortOsnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim umfrage“, mahnt Graf. Der Grund Meppen für die Unzufriedenheit der Unternehmer liege klar auf der Hand: die Herzlake Twist Haselünne Quakenbrück stetige Erhöhung der HebeMenslage sätze in den vergangenen Jahren. „Unsere Badbergen Dohren Berge Emlichheim Ringe Region läuft damit GeLaar Nortrup bislang fahr, einen KettenBawinkel WetGeeste wichtigen Vorteil – die GeorgsGersten kamp trup Hoogstede dorf geringen StandortBippen Gehrde EggerHankosten – zu verBersenbrück mühlen drup Wielen Wilsum Esche GölenOsterwald spielen. Deshalb wäLangen Lengerich kamp re es wichtig, dass Ankum Lingen Wietmarschen Anderdie Kommunen beim Itterbeck venne Fürstenau Thuine Uelsen Neuenhaus Thema Hebesätze Merzen nun den RückwärtsAlfhausen Getelo Lage Rieste Freren gang einlegen.“ Messingen Halle Nordhorn Die vergangenen Jahre zeigen bundesweit genau das GeVoltlage Beesten genteil. Laut einer aktuellen Studie Bohmte Lünne Bramsche der Beratungsgesellschaft Ernst & bewerbsfähigkeit Engden Emsbüren Neuenkirchen Schapen Young (EY) hat mehr als die Hälfte der einzelnen KomOstercappeln der Städte und Gemeinden in den mune und der niederSpelle Isterberg Wirtvergangenen Jahren ihre Steuern sächsischen Quendorf sieben Kommunen der Regiinsgesamt. erhöht. Seit 2012 haben 53 Prozent schaft Wallenhorst Schüton konstant geblieben. Demgegenaller Kommunen mindestens ein- Mit jedem ProzentBelm torf Salzbergen Bad Essen über wurde der Hebesatz in 112 ermal an der Stellschraube gedreht punkt, um den Samern Bad Bentheim höht. „Die Entwicklung zeigt deutHebesätze und die Gewerbesteuer für Unter- die Suddendorf lich, dass wir uns in der Steuerpolinehmen angehoben. 60 Prozent steigen, nehme Ohne Osnabrück Personengesell- tik in die falsche Richtung bewesetzten in dieser Zeit die Grund- die Gefahr einer Bissendorf schaften ist das eine gen“, so Graf und weist darauf hin, steuer B für bebaute und bebaubare Substanzbelastung relevante „Grenze“, da diese die Ge- dass wichtige Wettbewerber wie die der Unternehmen Grundstücke hoch. Hasbergen Regional gab es dabei deutliche durch die gewerbesteuerlichen Hin- werbesteuer in der Regel nur bis zu USA, Frankreich und GroßbritanniGeorgsmarienhütte Unterschiede: Während in Hessen zurechnungen zu, heißt es aus Han- einem Hebesatz von 380 Prozent en die Unternehmensteuern senMelle Hagen a.T.W. auf die Einkommensteuer anrech- ken. Deutschland halte das Belasder durchschnittliche Grundsteuer- nover. Am stärksten belastet werden im nen können. Liegt der Hebesatz da- tungsniveau hingegen hoch, obwohl hebesatz in den vergangenen fünf Hilter Jahren um 51 Prozent sowie in IHK-Bezirk Unternehmen in der rüber, führt die fehlende Anrech- der Rekord-Steuerüberschuss Raum Bad Iburg NRW und dem Saarland immerhin Region in der Stadt Osnabrück, die nungsmöglichkeit zu einer effektiv für Entlastungen böte. Bernhard Lorentz, Partner bei EY noch um etwa ein Viertel stieg, blie- mit 440 Prozent den höchsten He- höheren Steuerbelastung. KapitalDissen ben Bürger in Baden-Württemberg, besatz aufweist, gefolgt von den Ge- gesellschaften allerdings können und Leiter des Bereichs GovernBad Bayern und Sachsen weitgehend meinden Rieste und Eggermühlen die Gewerbesteuer weder auf ihre ment & Public Sector für DeutschBad Laer Rothenfelde von Steuererhöhungen verschont. (Samtgemeinde Bersenbrück) mit Steuerschuld anrechnen, noch als land, die Schweiz und Österreich, Glandorf dung in den vergangenen drei JahLetztere setzten die Durchschnitts- jeweils 400 Prozent. Den niedrigs- Betriebsausgabe abziehen. Der lenkt den Blick auf die Konkurrenz ren habe offenbar zu einer gewissen sätze jeweils um weniger als fünf ten Hebesatz im IHK-Bezirk zahlen Durchschnitt im IHK-Bezirk Osna- unter den Kommunen im Bund: Entspannung der Situation geführt, Bent- „Prosperierende Regionen gerade Unternehmen in Lahn (Samtge- brück-Emsland-Grafschaft Prozent nach oben. besteuer auf einem so Lorentz: „In vielen Städten und heim liegt mit 377 Prozent im im Süden Deutschlands konnten in Ein ähnliches Bild ergibt sich für meinde Werlte) mit 310 Prozent. hohen Niveau. Laut Gemeinden ist der Handlungsdruck Damit liegt die Region deutlich Schnitt zwar knapp darunter, je- den vergangenen Jahren weitgedie Gewerbesteuer. Sie macht immerhin 42 Prozent der gesamten unter den Spitzensätzen zum Bei- doch 24 Prozentpunkte höher als hend auf Steuererhöhungen ver- IHKN liegen sie im Landesschnitt in den vergangenen Jahren geringer zichten. Damit konnten sie ihre At- bei 424 Euro pro Kopf und damit geworden, da die Schulden leicht Steuereinnahmen der Kommunen spiel der nordrhein-westfälischen noch vor zehn Jahren. Ein Langzeitvergleich zeigt auch: traktivität als Wirtschafts- und um 36 Prozent über dem Wert des sinken und die gute Konjunktur zuaus und spülte 2017 bundesweit Stadt Oberhausen (550 Prozent) 44,2 Milliarden Euro in die Kassen oder den rheinland-pfälzischen Die Gewerbesteuer ist lediglich in Wohnstandorte festigen“, schluss- Jahres 2007 – damals waren es 311 sätzliche Einnahmen beschert. folgert er. Gerade für besonders fi- Euro. Von einem Anstieg des Pro- Obendrein dürfte aus Sicht der poli– in Niedersachsen waren es knapp Kommunen Wettlingen (600 Pronanzschwache Kommunen hinge- Kopf-Wertes über die letzten zehn tisch Verantwortlichen vielerorts in3,4 Milliarden. Allerdings, das zeigt zent) und Dierfeld (900 Prozent). gen habe sich die Situation im Jahre würden 41 der insgesamt 45 zwischen die Grenze des Zumutbadie Studie, haben die Kommunen Auf der anderen Seite der Skala gibt Standortwettbewerb verschlechtert. Landkreise und kreisfreien Städte ren erreicht sein.“ hier deutlich weniger stark an der es aber immerhin fünf Kommunen Ein Risikofaktor ist für Lorentz „Die Zwei-Klassen-Gesellschaft un- profitieren. Trotz der breiten Basis Stellschraube gedreht – womöglich, bundesweit, die lediglich den Minter Deutschlands Kommunen hat profitieren jedoch nicht alle Regio- eine mögliche Verschlechterung der um die ortsansässigen Betriebe desthebesatz von 200 Prozent versich durch die teils massiven Steu- nen gleichermaßen. Es gibt ein Wirtschaftslage, sie könnte die Finicht übermäßig zu belasten, mut- anschlagen, so die Studie von Ernst der Kommunen ererhöhungen in einigen Regionen Ost-West-Gefälle in Niedersachsen, nanzsituation maßt Ernst & Young. Zwar erhöh- & Young. Zwei von ihnen liegen in zeigt die Auswertung der IHKN. schnell wieder deutlich verschlechalso weiter verfestigt.“ ten seit 2012 immerhin 53 Prozent Mecklenburg-Vorpommern, drei in Allerdings räumt er auch ein: Während viele der Kommunen, in tern. Das sei in Kombination mit der Gemeinden ihren Hebesatz, der Brandenburg. „Gerade in Nordrhein-Westfalen, denen die Gewerbesteuereinnah- den deutlich gestiegenen Ausgaben Mit Blick auf Niedersachsen weiBundesschnitt stieg aber nur von wo die Hebesätze inzwischen men niedriger sind als 300 Euro je der vergangenen Jahre problema347 auf 362 Prozent, also um 15 Pro- sen die Kommunen Bokensdorf, deutschlandweit am höchsten sind, Einwohner, in Ostniedersachsen lie- tisch, so der EY-Partner. Und eine zentpunkte. Die Grundsteuer legte Grethem, Hademsdorf, Lübberzeigten die Steuererhöhungen der gen, können viele westlich gelegene weitere Unsicherheit sieht Lorentz: im gleichen Zeitraum fast doppelt stedt, Steinfeld (Oldburg) und Waavergangenen Jahre durchaus Wir- Kommunen weitaus höhere Werte die bevorstehende Grundsteuerreke mit 300 Prozent die niedrigsten so stark, um 29 Prozentpunkte, zu. kung: Die NRW-Kommunen konn- verbuchen. Ausgenommen hiervon form. Ihre Auswirkung auf die EinUnd in der Region? Da zeigt der Hebesätze aus. Dagegen werden in Bernhard Lorentz, ten ihre Einnahmen aus Grund- sind bekannte Industrie- und Auto- nahmesituation der einzelnen KomRealsteueratlas 2018: Zehn Kom- der Gemeinde Wathlingen im Land- Partner Ernst & Young munen bleibe fraglich. Nach einem und Gewerbesteuer im vergange- mobilstandorte. munen im IHK-Bezirk – immerhin kreis Celle 500 Prozent fällig. Auch wenn die Tendenz für Ge- Urteil des Bundesverfassungsgenen Jahr um neun Prozent steigern. 8,4 Prozent – haben in diesem Jahr Durchschnittlich liegt der GewerbeSie erwirtschafteten 2017 sogar ei- werbe- und Grundsteuern in den richts vom April dieses Jahres muss die Gewerbesteuer erhöht. Nieder- steuerhebesatz in Niedersachsen nen Finanzierungsüberschuss von vergangenen Jahren vor allem nach die Berechnungsgrundlage für die sachsenweit war es jede sechste. aktuell laut IHK bei 402 Prozent – drei Milliarden Euro – den höchs- oben ging, sieht die EY-Studie eine Grundsteuer bis Ende 2019 überarFür die IHK Niedersachsen (IHKN) und damit erstmals über 400 und Trendwende vorerst geschafft. Stei- beitet werden. Anschließend bleibt ten bundesweit.“ ist diese Dynamik, die sich aus den auch deutlich über dem als „MusFinanzierungsüberschüsse für die Umsetzung Zeit bis Ende Auch in Niedersachsen befinden gende letzten Jahren fortsetzt, eine un- ter-Hebesatz“ bezeichneten Wert sich die Einnahmen aus der Gewer- und eine sinkende Gesamtverschul- 2024. günstige Entwicklung für die Wett- von 380 Prozent. Insbesondere für

„Zwei-KlassenGesellschaft unter Kommunen hat sich in einigen Regionen weiter verfestigt.“


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GELD & GESCHÄFT

„Die Rente mit 63 ist ein Schuss in den Ofen“ Unternehmen unzufrieden über den Verlust älterer Mitarbeiter – Kosten steigen von 62,6 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro an VON ANDRÉ POTTEBAUM OSNABRÜCK Seit Juli 2014 kön-

nen Arbeitnehmer mit 63 in Rente gehen. Die Nachfrage ist groß, doch die Kritik wächst. Für Unternehmen wiegt der Verlust von Arbeitskräften schwer. Eine Lösung scheint jedoch nicht in Sicht.

Die Rente mit 63 ist ein Erfolgsmodell. So zumindest lassen sich die Zahlen interpretieren, die jüngst von der Deutschen Rentenversicherung bekannt gegeben wurden. Seit Beginn der Neuregelung Mitte 2014 wurden über 1,1 Millionen Neuanträge zur Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit mehr als 45 Beitragsjahren registriert, wie die Rente mit 63 auch genannt wird. Eine Zahl, die selbst die Erwartungen der Bundesregierung übertrifft. Denn im Gesetzentwurf wurde lediglich mit 200 000 Anträgen im Jahr kalkuliert. Diese Prognose wurde um mehr als ein Viertel übertroffen. Die Kosten belaufen sich inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro im Monat. Im Juni 2014, dem letzten Monat vor der Einführung, zahlte die Rentenversicherung nur 62,6 Millionen Euro an Renten für diese Gruppe aus. Eingeführt wurde die Rente mit 63 laut Bundesarbeitsminis-

terium, um Menschen zu „belohnen, die mit ihrer Lebensarbeitsleistung das Rentensystem stützen“. Das heißt: Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann seit Juli 2014 mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Allerdings wird diese Altersgrenze seitdem pro Jahr um zwei Monate angehoben. Für Arbeitnehmer, die 1964 oder spä-

„Schafft den Fehlanreiz der Rente mit 63 ab.“ Volker Müller, Hauptgeschäftsführer für Wirtschafts- und Industriepolitik des Unternehmerverbandes Niedersachsen.

ter geboren wurden, bedeutet dies: Sie können erst mit 65 ihren Lebensabend genießen. Die hohe Zahl der Neuanträge deutet darauf hin, dass Arbeitnehmer gerne früher in Rente gehen würden als bislang vorgesehen. Das bestätigt auch die Agentur für Arbeit. „Die Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 macht es für Beschäftigte jenseits dieser Altersgrenze attraktiver, eher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, und wirkt damit in Richtung einer sinkenden Beschäftigung Älterer. Tatsächlich ist die Zahl der Beschäftigten über 63 Jahre nach Inkrafttreten der Regelung zurückgegangen.“ Lob kommt deshalb auch vonseiten der Arbeitnehmer. „Grundsätzlich unterstützen wir die Rente mit 63. Wer so lange gearbeitet hat, muss in den Ruhestand gehen können, ohne am Ende mit Abschlägen bestraft zu werden“, erklärt Sebastian Meise, Referent für Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik beim DGB Niedersachsen. Nach Angaben des DGB nutzt jedoch gerade einmal rund ein Drittel der Arbeitnehmer mit 45 Versicherungsjahren oder mehr das Angebot. Das dürfte Unternehmen kaum trösten. Denn die Kritik an einer frühzeitigen Pensionierung ist auch vier Jahre nach der Einfüh-

rung kaum zu überhören. „Die Rente mit 63 ist für mich ein Schuss in den Ofen, da es überhaupt keine positiven Effekte gibt – und zwar aus zwei Gründen: Zum einen haben wir nun weniger Menschen, die Arbeiten gehen, und zum anderen geht Know-how verloren, Expertise, die man nicht einfach ersetzen kann“, sagt Volker Müller, Hauptgeschäftsführer für Wirtschafts- und Industriepolitik des Unternehmerverbandes Niedersachsen. Müller fordert deshalb ein Umdenken der Politik, um mit Blick auf offene Stellen und fehlende Fachkräfte Anreize für Arbeitnehmer zu schaffen, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. „Wir sagen: Schafft den Fehlanreiz der Rente mit 63 ab. Stattdessen brauchen wir ein unbürokratisches, flexibles Renteneintrittsalter. Es gibt immer mehr Menschen, die gerne weiter arbeiten möchten, auch wenn sie das Rentenalter überschritten haben.“ Für Unternehmen bedeutet der Abgang älterer und zugleich erfahrener Mitarbeiter einen erhebli-

chen Einschnitt. Um dem entgegenzuwirken, hat sich die Firma ZF Friedrichshafen, die unter anderem einen Standort in Lemförde betreibt, etwas Besonderes einfallen lassen. Dort werden sogenannte „Senior Professionals“ eingesetzt, ehemalige Mitarbeiter, die dem Unternehmen auch nach

Beginn der Rente für einige Zeit oder bestimmte Projekte weiterhin zur Verfügung stehen. „Somit stellen wir sicher, dass das Wissen der Mitarbeiter auch nach Renteneintritt innerhalb des Unternehmens verbleibt“, erklärt Andrea Henning, Standortleiterin der ZF Friedrichshafen in Lemförde. Eine Praxis, die in der Branche nicht unüblich ist. Denn für Unternehmen spielt die Expertise der Mitarbeiter eine wichtige Rolle. „Ältere Arbeitnehmer werden heutzutage in den allermeisten Betrieben für ihr Know-how und ihre Erfahrung geschätzt. Vor zehn oder 15 Jahren war das vielerorts noch anders“, bestätigt Nicole Elert, Leiterin des Bereichs Arbeitsrecht beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Price Waterhouse Coopers (PWC). Diese Einschätzung belegt auch der „Golden Age Index“, dem zufolge die Integration älterer Arbeitnehmer in Deutschland weiter vorangeht. Unter den 55- bis 64Jährigen liegt die Beschäftigungsquote demnach bei 70 Prozent. 2003 waren es zum Vergleich 39 Prozent. Bei den 65- bis 69-Jährigen liegt die Quote bei 15 Prozent, 2003 waren es sechs.

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

GELD & GESCHÄFT

Wohin mit dem ersparten Geld? Anleger suchen nach alternativen Möglichkeiten der Kapitalanlage – Kunst, Classic Cars und Sneaker sind gefragt VON ANDRÉ POTTEBAUM OSNABRÜCK/MELLE. Seit Jahren

liegen die Zinsen auf einem historischen Tiefstand. Rendite für Sparer laufen gleich null. Anleger suchen sich alternative Möglichkeiten, investieren in Kunst, Classic Cars und teure Immobilien. Ein Überblick.

Es war die Nachricht, die die Kunstszene Anfang Oktober in Aufruhr versetzte. Ein Bild des Street-ArtKünstlers Banksy wird kurz nach der Versteigerung beim renommierten Auktionshaus Sotheby’ s durch einen im Rahmen verborgenen Schredder zerstört. Der Künstler selbst löste den Mechanismus aus, der das Bild innerhalb von Sekunden zum Teil in seine Einzelteile zerlegte. Banksy, dessen wahre Identität nicht bekannt ist, erklärte später, dass seine Zerstörung als Kritik am Kunstmarkt zu verstehen sei. Auch wenn er selbst zugab, dass das Bild eigentlich hätte vollständig zerschreddert werden sollen. Sotheby’ s feierte das zerstörte Bild anschließend als „erstes Kunstwerk der Geschichte, das während einer Auktion live entstanden“ sei. Banksy habe in der Auktion kein Kunstwerk zerstört, sondern eines geschaffen, sagte Alex Branczik, Leiter der Abteilung für Zeitgenössische Kunst in Europa bei Sotheby’ s.

Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt: Hersteller haben den Markt für limitierte Sneaker erkannt.Für besondere Stücke werden schon mal 40 000 Euro gezahlt.

Für die Käuferin, laut dem Auktionshaus eine „europäische Sammlerin“, dürfte die Zerstörung des Bildes im ersten Moment ein Schock gewesen sein. Immerhin gab sie umgerechnet 1,2 Millionen Euro dafür aus. Experten schätzen, dass das Bild mittlerweile an Wert gewonnen habe und nun doppelt so viel Wert sei. Ein Kunstwerk als Kapitalanlage, sozusagen.

Das Beispiel des zerstörten Banksy-Bildes zeigt, wie schnell sich Anlagen rentieren können, nicht nur auf dem Kunstmarkt. Einer, der die Szene kennt, ist Auktionator Frank Abromeit, der in Melle das gleichnamige Auktionshaus betreibt. Er selbst habe erst vor Kurzem ein Bild des Künstlers Arthur Boyd für 220 000 Euro an einen Mann in Australien verkauft. Der beauftragte

eigens einen Bekannten, um sich vor Ort zu vergewissern, ob das Gemälde echt und authentisch sei. „Die Kunden sagen sich: Bevor ich 20 000 oder 30 000 Euro auf der Bank liegen habe, investiere ich mein Geld lieber“, so die Erfahrung des Auktionators. Dabei seien es nicht mehr nur die Superreichen, die sich bei ihm um teure Uhren, Schmuck, Oldtimer oder Classic Cars bemühen, sondern auch „viele Familien, Selbstständige oder Handwerker, die ihr Geld investieren, weil sie bei der Bank nichts mehr dafür bekommen“. Abromeit berichtet sogar davon, dass einige Geschäftsleute ihr Geld lieber in riesigen Tresoren horten und von Sicherheitsdiensten überwachen lassen, anstatt es bei Banken anzulegen und Gebühren von bis zu mehreren Hunderttausend Euro zu zahlen. Dabei galten die Deutschen lange Zeit als sparsam und risikoscheu. Erspartes Geld zur Bank zu bringen und auf dem Sparbuch anzulegen, war für viele selbstverständlich. Doch diese Zeiten haben sich geändert; Anleger suchen nach neuen Möglichkeiten, ihr Geld zu investieren. Unter anderem in die „Krisenwährung“ Gold, auch wenn der Kurs von Höchstständen aus dem Spätsommer 2011 weit entfernt ist. Damals kostete die Unze 1900 Dollar. Aktuell liegt der Preis gerade einmal bei 1191 Dollar. Ein Beispiel für einen lukrativen Markt ist der anhaltende Boom bei Immobilien. Das zeigt eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts Gewos, dem Institut für Stadt-, Regional- und Wohnungsforschung. Demzufolge wurden im vergangenen Jahr deutschlandweit Eigenheime, Mehrfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Bauland im Wert von knapp 171 Milliarden Euro gehandelt. Ein Zuwachs von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr und nahezu doppelt so viel wie 2009. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist laut den Autoren knapper Wohnraum, der die Preise in die Höhe treibt. Denn die Zahl der verkauften Eigentumswohnungen sank um vier Prozent, die der Eigenheime um ein Prozent. Nur bei Mehrfamilienhäusern gab es ein leichtes Plus von einem Prozent. Für Abromeit ist der Preisanstieg im Immobilienmarkt nichts Neues. Selbst bei Zwangsversteigerungen veräußert der Meller Häuser 15 bis 20 Prozent über dem Verkehrswert – weil die Nachfrage einfach so groß ist und das Angebot so gering. „Der Kessel brodelt. Doch der Zenit ist bald erreicht“, so der Auktionator. Noch ist die Entwicklung jedoch klar: „Die Leute kaufen, um zu verkaufen.“ Das gelte auch für andere Bereiche.

Denn Anleger sind nicht abgeneigt, ihr Geld weiterhin zu investieren. Neben dem Immobilienmarkt gibt es auch andere Sektoren, die sich bei Investoren großer Beliebtheit erfreuen. Dazu zählt der Markt für Classic Cars, also Youngtimer ab 20 Jahren sowie Oldtimer ab 30 Jahren. Sie gelten als Statussymbol der Superreichen – egal ob Porsche 911, Mercedes SL oder Shelby GT500. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nennt unter anderem einen italienischen Sportwagen der Marke Pagani Huayra sein Eigen. Einstiegspreis: 1,2 Millionen Euro. Tesla-Chef Elon Musk fährt nach eigenen Angaben einen Jaguar E-Type von 1967. Laut einer Studie der Unternehmensberatung BBE Automobile in Zusammenarbeit mit verschiedenen deutschen Automobilverbänden umfasst der Markt mit Classic Cars rund 2,2 Millionen Fahrzeuge mit einem Gesamtwert von etwa 10 Milliarden Euro. Besonders beliebt sind laut der Studie deutsche Fabrikate, gefolgt von italienischen, britischen und US-amerikanischen. „Neue, insbesondere jüngere Zielgruppen entdecken die Classic Cars. Oldtimer erfreuen sich immer größerer Sympathie und stoßen bei immer mehr Menschen auf Interesse“, sagt Joachim Damasky, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Das belegen die Zahlen der Studie. So wuchs die Anzahl der Autos,

Selbst bei Versteigerungen werden für Immobilien Preise bis zu 20 Prozent über Verkehrswert gezahlt.

die 30 Jahre und älter sind, deutschlandweit in den vergangenen zehn Jahren von rund 282 000 auf 675 000. Das ist ein durchschnittliches Plus von 8,2 Prozent pro Jahr. Ein Ende scheint nicht in Sicht. Alleine in den kommenden Jahren rechnen die Autoren mit einem jährlichen Zuwachs von 70 000 Fahrzeugen – darunter Cabrios, Coupés und Sportwagen. Gekauft werden die Oldtimer allerdings überwiegend aus emotionalen Gründen, wie aus der Studie hervorgeht: Spaß am Fahren und die Erinnerung an vergangene Tage sind mit dem Kauf von Classic Cars unmittelbar verbunden. Und so lassen sich die Deutschen ihr Hobby einiges kosten: Rund 2,5 Milliarden Euro geben sie pro Jahr für Reparatur, Restaurierung und Wartung ihrer Oldtimer aus. Doch auch ungewöhnliche Sachwerte werden als Investitionsobjekte gehandelt, das zeigt das Geschäft mit Hochprozentigem. Erst vor wenigen Wochen wechselte in Schottland eine seltene Whiskey-Flasche für knapp eine Million Euro den Besitzer. Der 60 Jahre alte Macallan Valerio Adami wurde bei der Versteigerung in Edinburgh für 848 750 Pfund (947 000 Euro) verkauft. 1926 wurde der Whiskey gebrannt und 60 Jahre später in Flaschen abgefüllt, von denen insgesamt nur 24 Exemplare hergestellt wurden. Die Etiketten gestalteten zwei Künstler: Zwölf kamen von Peter Blake, zwölf von Valerio Adami. Wie viele von den Falschen noch im Umlauf sind, weiß man nicht. Allerdings ist bekannt, dass der Wert von Spirituosen mit dem Alter steigt, auch wenn es immer schwieriger wird, Exemplare aus alten Beständen zu finden. Gerade die Flaschen von alten Brennereien sind in der Regel längst in Sammlerhänden und sehr schwer zu bekommen. Ein Markt, der vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hoch im Kurs steht, ist das Geschäft mit Sport- und Turnschuhen, sogenannten Sneakern. Nike, Adidas und Asics, die den Markt seit Jahren dominieren, haben den Hype längst erkannt und bringen alle paar Wochen stark limitierte Turnschuhe raus. Die Preise sind moderat, doch durch geschicktes Marketing setzen die Unternehmen die bequemen Treter gekonnt in Szene. Begrenzte Stückzahlen, die im Gegensatz zu herkömmlichen Turnschuhen oftmals nur bei wenigen Hundert oder ein paar Dutzend Paaren liegen, machen die Sneaker zu begehrten und vor allem seltenen Verkaufsschlagern – und die Ausgaben für den Käufer summieren sich. Ausgelöst wurde der Hype vor allem durch Basketballlegende Michael Jordan, der bereits als Profisportler Millionen verdiente. Nach der aktiven Karriere gab er seinen Namen für Schuhe von Nike her – die „Nike Air Jordan“ –, durch deren Verkauf er noch mehr kassierte. Doch auch Schauspieler Michael J. Fox sorgte mit dem Nike Mag, den er im Film „Zurück in die Zukunft“ trug, spätestens 2016 für Schlagzeilen, als ein Sammler das heiß begehrte Paar für mehrere Zehntausend Dollar ersteigerte. Dass dieser Trend auch hierzulande nicht unentdeckt blieb, zeigte das Osnabrücker Modehaus L+T, das im selben Jahr unter dem Namen „#5HaseSnkrs“ einen eigenen Laden eröffnete, der mittlerweile im Young-Fashion-Store „Sygn“ integriert ist. Dort gibt es limitierte Exemplare und teure Turnschuhklassiker. Selbst der bekannte Osnabrücker Künstler Rene Turrek veredelte einzelne Paare, darunter Nike Air Force in den Vereinsfarben des VfL Osnabrück.


DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

LEBEN & LEIDENSCHAFT

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Lebkuchen über alles Schulze in Borgholzhausen produziert tonnenweise Gebäck

Bis zu 300 Kilo Lebkuchen pro Stunde möglich. Schulze stellt ganzjährig Pfeffernüsse und Co. her. Zuckerguss-Herzen werden von Hand verziert. VON NADINE GRUNEWALD BORGHOLZHAUSEN. Gefüllte Her-

zen, Pfeffernüsse oder Spitzkuchen: Mehrere Hundert Tonnen Lebkuchen werden in der Lebkuchenfabrik Schulze in Borgholzhausen jährlich produziert. Derzeit stehen die Mitarbeiter unter Volldampf. Wir haben die Lebkuchenfabrik besucht und uns angesehen, wie die weihnachtliche Sünde entsteht.

Es riecht nach Teig, Anis, Nelken, Pottasche und Weihnachten, noch bevor die schwere Metalltür den Weg zur Produktionshalle freigibt. Dass es draußen noch mal richtig warm und sonnig ist – ein Spätsommertag aus dem Bilderbuch –, ist dabei gar nicht so unpassend: „Lebkuchen gab es früher immer zu jeder Jahreszeit, auch im Sommer. Durch den Handel wurde es zu einem Herbst- und Weihnachtsartikel. Aber der Verbraucher freut sich auch, wenn er ein halbes Jahr keinen Lebkuchen gesehen hat“, erklärt Peter Knaust. Zusammen mit seinem Sohn Arne leitet er die Geschicke der Lebkuchenfabrik Schulze, die seit fast 200 Jahren in Familienbesitz ist. 40 Mitarbeiter beschäftigt das mittelständische Unternehmen. Dann öffnet sich die Tür und gibt den Blick frei in die heiligen Hallen des Unternehmens, die nur wenige Meter vom Ladengeschäft entfernt mitten in der Borgholzhauser Innenstadt liegen. Der Duft nach frischem Lebkuchen wird noch mal intensiver. In mehreren großen Behältern kühlt kiloweise Teig ab. Mehl, Zucker und Gewürze wie Zimt, Nelken, Kardamom oder Anis – so sieht das Grundrezept für Lebkuchen aus, verrät Knaust. Vom Zucker kommt viel in den Teig. So wird das Gebäck lange haltbar gemacht. Mehr als zwei Jahre sollen Lebkuchen essbar sein. Bevor der Teig weiterverarbeitet werden kann, muss er mechanisch aufgeweicht und geknetet werden. Danach kann es weitergehen. Ein

Mitarbeiter zieht den gekneteten Teig aus einer Maschine und bringt ihn zur 150 Meter langen Produktionsstraße, wo gerade sogenannte Bomben hergestellt werden – mit Marzipan, Nugat, Ananas oder Kirsch gefüllte Lebkuchen. In diesem Fall kommt Kirschmarmelade hinein. Über Walzen wird der Teig in die Maschine gezogen. Je nachdem, welche Walze eingelegt wird, werden unterschiedliche Formen ausgestanzt. Auf einem Tisch liegen eine Walze für Spekulatius, eine für Honigleckerlis, eine für Sterne und diverse andere. Gerade ist eine Walze eingespannt, die flache, runde Formen aus dem Teig stanzt – Plätzchen ausstechen für Profis. Fein säuberlich aufgereiht, immer sieben Stück nebeneinander, dann fährt der Teig auf der Produktionsstraße weiter. Zwischen 45 und 60 Minuten dauert die Fahrt für jedes Teilchen, dann sind diese als fertige Lebkuchen in der Endverpackung. Ordentlich verschweißt und etikettiert. Doch vorher muss der Teig noch in den Backofen. Eine gute Viertelstunde lang werden die Teigkreise gebacken, bevor sie mit Kirschmarmelade gefüllt und anschließend weiter zu dem Abschnitt transportiert werden, in dem sie mit Schokolade überzogen werden. Inzwischen haben sie die Form, die man kennt: noch immer rund, aber nicht mehr flach, sondern gewölbt. Auf dem Weg in Richtung Schoko-Dusche fahren die Kirschbomben vorbei an Stapeln mit Kisten, in denen bereits fertig abgepackte Lebkuchen liegen. Mehrere Hundert Tonnen werden bei Schulze jährlich produziert. Zum Teil für die Eigenmarke „von

„Wir wollen keine Massen herstellen.“ Geschäftsführer Peter Knaust

Ravensberg“, die hauptsächlich im eigenen Ladengeschäft sowie auf Kirmessen verkauft wird, aber auch für andere Hersteller. Außerdem werden Kekse und Gebäcke gefertigt. „Etwa 80 verschiedene Produkte entstehen hier“, sagt Knaust, der selbst immer noch gerne Lebkuchen isst, auch wenn er eigentlich ein Fan des Salzigen ist. „Aber ich muss ja auch probieren“, sagt der 64-Jährige. „Am liebsten mag ich die mit Nugatfüllung.“ Seit Juni und noch bis Mitte Dezember steht bei Schulze der Lebkuchen im Fokus. In dieser Zeit wird unter Volldampf produziert, bevor es wieder ruhiger wird und vermehrt andere Produkte gefertigt werden. 70 Prozent des Umsatzes würden in der zweiten Jahreshälfte gemacht. „Wir produzieren das ganze Jahr über Lebkuchen. Viele andere Unternehmen hören damit im Herbst auf und machen dann etwas anderes“, sagt Knaust. 250 bis 300 Kilo Lebkuchen können in Borgholzhausen laut dem 64-Jährigen pro Stunde hergestellt werden. Mehr soll es auch gar nicht sein: „Wir sind eine industrielle Manufaktur. Wir wollen keine Massen herstellen.“ Dabei sind Lebkuchen beliebt: Laut dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) sind in Deutschland im vergangenen Jahr 84 050 Tonnen Lebund Honigkuchen sowie Printen produziert worden. Zurück zur Produktionshalle: Sind die Kirschbomben gefüllt,

werden sie mit heißer, flüssiger Schokolade überzogen. Hier mischt sich Schokoladen- mit Lebkuchenduft. Arne Knaust wirft einen Blick auf die Maschine, stellt ein paar Werte anders ein, und weiter geht es. Bis zum Ende der Produktionsstraße ist der Schokoladenüberzug getrocknet. Dort übernehmen Mitarbeiter kurzzeitig die Arbeit der Maschinen. Von Hand packen sie die fertigen Bomben in Plastikschalen. Bei diesem Produkt immer sechs in eine. Die Lebkuchen, die nicht die richtige Form haben, falsch gefüllt oder mit Schokolade überzogen worden sind, landen als Bruch in einer Extrakiste. Der Bruch wird günstiger verkauft – oder zum Naschen im Geschäft angeboten. Die gefüllten Plastikschalen werden wieder auf ein Förderband gelegt und maschinell foliert und etikettiert. Dann werden sie in Kisten gepackt, fertig für den Abtransport. Nicht alles, was bei Schulze produziert wird, wird auch in der Produktionshalle fertiggestellt. Die Firma ist bekannt für ihre von Hand

Es duftet lecker nach Lebkuchen in der Borgholzhauser Lebkuchenfabrik. Während im Obergeschoss bereits fertig gebackene Herzen von Hand verziert werden (von links), wird eine Etage tiefer der Teig verarbeitet.Geschäftsführer Peter Knaust zeigt die Stanzen,mit denen die verschiedenen Produkte in Form gebracht werden. Fotos: Jörn Martens

mit Zuckerguss verzierten Lebkuchenherzen, die an jedem Süßwarenstand auf der Kirmes zu finden sind. Nur vier oder fünf weitere Firmen würden diese produzieren, so Knaust. Für die Rohlinge geht es nach dem Backen eine Etage höher. Dort steht Bianca Lessing an einer schrägen Arbeitsplatte, auf der in einer lange Reihe zahlreiche Herzen hängen. Für diesen Auftrag hat sie bereits einen filigranen Maßkrug mit Zuckerguss daraufgemalt. Jetzt folgen die Namen. Mit der Spritztüte schreibt sie von Hand einen auf jedes Herz. Das geht ihr leicht von der Hand: „Ich mache das jetzt schon 15 Jahre“, sagt Lessing. „Sich zu überlegen, wie man das Herz gestaltet und wie man die Fläche aufteilt, ist am schwierigsten.“ Jetzt fehlt nur noch der Rand. Aus großen Eimern füllt sie mit einem Küchenschaber bunten Zuckerguss in den Spritzbeutel, mit dem sie den Rand schwungvoll auf-

trägt. Einen Tag lang trocknen die fertigen Lebkuchenherzen, bevor sie eingeschweißt werden. Während es bei den konventionellen Lebkuchen außer einem Trend zur Nachhaltigkeit und Regionalität laut Knaust nur wenig Innovationen gibt, spielt bei den Zuckerguss-Herzen der Zeitgeist eine Rolle. Zurzeit seien unter den Motiven deshalb auch Einhörner zu finden und bei den Schriftzügen neben Klassikern wie „Ich liebe dich“ auch der „Lieblingsmensch“. Ein paar Hunderttausend Herzen verkauft Schulze laut Knaust im Jahr, von ganz kleinen bis zu ganz großen. „Bis man die großen Herzen garnieren kann, braucht man eine Zeit. Man muss ein Auge dafür haben“, sagt er. Die Zuckerguss-Herzen und Lebkuchen sind im Übrigen nicht nur in Deutschland beliebt. Herzen mit einer zum Oktoberfest passenden Verzierung würden auch in die USA geliefert. Laut dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie wird zwar der Großteil des von deutschen Herstellern produzierten Saisongebäcks auf dem inländischen Markt verkauft. Rund ein Fünftel der Produktionsmenge geht jedoch auch in den Export. Schulze liefert Lebkuchen Knaust zufolge auch nach Australien, Südafrika oder Namibia. Wenn die Menschen dort eine Packung öffnen, steigt auch ihnen der Duft von Anis, Nelken, Pottasche und Weihnachten in die Nase.

Das Ladengeschäft der Firma Schulze ist mitten in Borgholzhausens Innenstadt.Produziert wird in einem anderen Gebäude nur wenige Hundert Meter davon entfernt.


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

LEBEN & LEIDENSCHAFT

„In Sachen Maßanfertigung sind wir führend“ Spartherm schätzt die Fertigungstiefe – Kaminöfen werden smart

VON NINA KALLMEIER MELLE. Gerade wenn es im Herbst

draußen wieder ungemütlicher und kälter wird, hat ein Feuer in der Wohnung etwas heimeliges. Rund 60 000 Kaminöfen und Kamineinsätze fertigt das Familienunternehmen Spartherm pro Jahr an seinen beiden Standorten Polen und Melle – aus bis zu 250 Einzelteilen.

Es riecht leicht süßlich in der Produktionshalle der Spartherm Feuerungstechnik GmbH. Aber nicht nach Schokolade oder Früchten, sondern eher beißend-süß, nach Lack. An den Haken eines Förderbandes in den Produktionsräumen hängen – pechschwarz lackiert – mehrere Korpusse, aus denen Kaminöfen entstehen werden. Rund zwei Arbeitstage dauert es, bis aus einem aus dem polnischen Werk des Familienunternehmens angelieferten Rohkorpus ein fertiger Kaminofen wird. Zwischen den beiden Werken von Spartherm herrscht ein reger Austausch. Zwei bis vier Lkw pro Tag liefern die in Polen gefertigten Rohkorpusse in Melle an, wo sie weiterverarbeitet werden. Insgesamt 100 und 200 Geräte produziert das Unternehmen am Tag, sagt Vertriebsleiter Andreas Schönfeld. „Spartherm fertigt auftragsbezogen“, ergänzt Marketing-Manager Jörn Konert. Den Zeitraum zwischen dem Auftragseingang und der Auslieferung an den Fachhändler beziffert er mit 14 Tagen. Dabei produziert das Meller Unternehmen nicht nur „von der Stange“. „In Sachen Maßanfertigung sind wir führend“, so Konert. „Der Dimension sind fast keine Grenzen gesetzt.“ Ein Blick in die Produktionshalle lässt daran keinen Zweifel. Spartherm zählt zu den führenden Herstellern moderner Feuerstätten in Deutschland und Europa. Insgesamt 11 000 Tonnen Stahl, 6000 Quadratmeter Tafelglas und 40 000 Formgläser – rund, gebogen, prismatisch oder über Eck, je nachdem wie der Kaminofen oder die Kaminkassette gebaut werden – verarbeitet Spartherm im Jahr. Dabei herrscht zwischen den beiden Standorten des Unternehmens Arbeitsteilung. Die meisten der Vorarbeiten, die zur Herstellung des Rohkorpus gehören wie das Schweißen oder Biegen des Stahls, werden von den rund 450

Mitarbeitern am polnischen Standort Strzelce Krajenskie nahe der schlesischen Heimat von Firmengründer Gerhard Manfred Rokossa erledigt. So kann ein Kaminofen zum Beispiel aus ursprünglich bis zu 250 Einzelteilen bestehen, sagt Andreas Schönfeld. Wenn er zur Weiterverarbeitung in Melle ankommt, sind es „nur noch“ zwei bis zehn Teile – je nach Variante. Aus deutlich weniger Teilen besteht eine Brennzelle, mit deren Fertigung bei Spartherm vor 32 Jahren alles begonnen hat. Maximal 50 bis 70 Teile hat sie, so Schönfeld. „In dieser Zahl ist aber jede Schraube enthalten.“ Nur ganz wenig davon wird zugekauft, sodass eine besonders hohe Fertigungstiefe entsteht. Aus gutem Grund, sagt Andreas Schönfeld: „Wir wollen das Know-how und die Produktionsprozesse in einer Hand behalten.“ Das garantiere eine hohe Qualität und Flexibilität im Unternehmen – und Unabhängigkeit. Auch die benötigten Werkzeuge entwickelt und fertigt das Unternehmen selbst.

„Wir wollen das Know-how und die Produktion in einer Hand behalten.“ Vertriebsleiter Andreas Schönfeld

Wie ein stabiles Gerippe sieht der Kaminofen aus, wenn er aus Polen angeliefert wird – immer im „Paket“, sodass die zu verbauenden Einzelteile wie Scharniere in der Kassette des Korpus verstaut sind und die rund 250 Produktionsmitarbeiter in Melle wissen, welche Teile zu welchem Stück gehören. An Haken aufgehangen, geht es durch die ersten Prozesse der Produktionsstraße. Zunächst wird möglichen scharfen Kanten mittels Sandstrahl zu Leibe gerückt. Von dem Prozess selbst ist wenig zu sehen. Dafür ist das pfeifende Geräusch des Druckluftstrahls umso deutlicher zu hören, der die Teile anschließend staubfrei pustet. Mitarbeiter in weißen Schutzanzügen, mit Atemschutz, Schutzbrille und Kopfhörern ausgestattet, arbeiten gewissenhaft. „Die Werkstücke sind noch voll mit kleinen Kügelchen“, erklärt Jörn Konert. Auch wenn sie mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind, vor dem Lackieren gehen sie runter. Anschließend geht es, am Förderband hängend, weiter zum Lackieren. Nur wenige Sekunden dauert es, bis der Korpus inklusive kleinerer Teile im im Boden eingelassenen Tauchbecken hinter den Schutzwänden verschwunden ist. Über den Einsätzen blubbert es leicht. Dort verweilen die Werkstücke wenige Momente, bevor sie wieder hochgezogen werden. „Dann hängen sie, bis die meiste Farbe abgetropft ist“, erklärt Konert. „Das dauert nicht lange.“ Dann geht es weiter in die Trockenstraße. Insgesamt vier Lackierverfahren beherrscht Spartherm am Standort Melle. Die am Ende des Produktionsprozesses sichtbaren Teile werden, je nach Modell, zum Beispiel in einer anderen Lackierstraße mit einer Pulverbeschichtung überzogen. „Wir fahren hier eine Farbe nach der anderen“, sagt Konert. Schwarz sei nach wie vor der Renner. Aber auch Titan ist beliebt. Für den Laien sieht es fast so aus, als werde die Außenverkleidung mit einer Schicht aus Puderzucker überzogen. Beim Rundgang durch die Produktionshallen fällt auf: Trotz CNC-gesteuerter Fertigung sind viele Schritte Handarbeit. Es wird per Hand geschliffen, es werden Füße montiert, während nebenbei das Radio läuft. Und die Scheiben werden in der firmeneigenen Glaserei ebenso händisch eingesetzt wie die Schamotten. Die

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Trotz CNC-Fertigungstechnik ist bei der Produktion von Kaminöfen,Kaminkassetten und Brennzellen noch viel Handarbeit.Zwischen 100 und 200 Geräte werden pro Tag gefertigt.

Vier Lackierverfahren werden am Spartherm-Standort Melle angewendet.Die Farbe Titan liegt im Trend. Fotos: David Ebener

Mitarbeiter bei Spartherm haben einen breiten Hintergrund. Wichtig ist vor allem, dass sie schon einmal mit technischen Produkten gearbeitet haben, sagt Andreas Schönfeld. „Viele haben einen handwerklichen Hintergrund.“ Jetzt zum Herbst beginnt die Hauptgeschäftszeit des Meller Familienunternehmens, dem insbesondere Kaminkassetten noch immer sehr am Herzen liegen. „Damit ist Spartherm groß geworden“, sagt Jörn Konert. Aus dem Schlossereibetrieb mit zwei Angestellten hat Gründer Gerhard Manfred Rokossa, der die Firma noch heute leitet, ein Unternehmen mit über 22 500 Quadratmeter Produktions-, Lager- und Ausstellungsfläche gemacht. Trotz der hohen Quote an Einzelanfertigungen: Modelle, die gut gehen, werden auch schon mal im Sommer vorproduziert und eingelagert, damit die Anfragen gedeckt werden können, sagt Jörn Konert. Der größte Markt des Meller Unternehmens ist nach wie vor

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Deutschland. Es folgen Österreich, Frankreich, Italien und die Schweiz. Schon vor zwei Jahren ist Spartherm auch in den US-Markt eingestiegen. Eine Herausforderung sind die unterschiedlichen technischen Anforderungen an Kamineinsätzen, sagt Andreas Schönfeld. Unterschiede gibt es unter anderem in der geforderten Brennzeit. „In den USA müssen drei Kilo Holz acht Stunden lang brennen“, erklärt er. In Deutschland liegt die geforderte Brennzeit bei einer Dreiviertelstunde, viel Wert wird auch auf ein „sauberes Verbrennen“ gelegt. Skandinavien ist für das Meller Unternehmen weniger ein Thema. Zwar ist das Potenzial groß, jedoch in einem niedrigeren Preissegment, so der Verkaufsleiter. Doch nicht nur das prasselnde Feuer aus Holzscheiten wird heute in Wohnzimmern gerne gesehen. Auch mit flüssigen Brennstoffen betriebene Feuerstellen liegen im Trend, sagt Andreas Schönfeld. Denn sie sind unabhängig von ei-

nem Schornstein, der im heutigen Objektbau oft nicht mehr vorhanden ist. Auch einen Abzug braucht diese Art des Kamins nicht. „Das sehen wir als großen Zukunftsmarkt“, so Schönfeld. „Hier streben wir die Marktführerschaft an“, ergänzt Jörn Konert. Bereits seit sieben Jahren entwickelt Spartherm diese Art der Feuerstätte weiter. „Der Bereich steckt heute noch in den Kinderschuhen. Für uns sehen wir hier jedoch das größte Zuwachspotenzial.“ Indes hat auch bei Feuerstätten die Digitalisierung Einzug gehalten. So lassen sich die Türen der Kaminöfen auf Wunsch per Smartphone öffnen. „Es ist zwar noch ein kleines, aber wichtiges Thema für uns“, so Schönfeld. Der klassische Ofenkunde sei sehr traditionell unterwegs. Je hochpreisiger das Segment werde, desto mehr sei smarte Technologie gefragt. „In unserem Premium-Segment ist fast die Hälfte der Geräte mit technischen Features ausgestattet.“

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enn Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, tauchen oft Rechtsfragen auf. Arbeitsrechtliche Beratung und vielseitige Interessenvertretung für ihre Mitglieder in der Region leisten der Industrielle Arbeitgeberverband und die NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe Osnabrück Emsland - Grafschaft Bentheim.

die 1928 als „Arbeitgeberverband der Metallindustrie für den Bezirk Osnabrück e.V.“ gegründet wurde und auf ihr 90-jähriges Bestehen zurückblicken kann. Beide Verbände kooperieren seit ihrer Gründung eng und haben ihren Sitz im Osnabrücker Haus der Industrie. Zum Team gehören 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Angefangen hat alles 1918, als in Osnabrück direkt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs für einen erfolgreichen wirtschaftlichen Wiederaufbau gemeinsam mit den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften die Arbeitsbeziehungen neu zu regeln waren. Industrieunternehmen taten sich zusammen und gründeten Ende des Jahres 1918 den „Verband industrieller Arbeitgeber von Osnabrück und Umgegend e.V.“.

Aus ihm, der mit 36 Unternehmen und etwa 13.000 dort Beschäftigten begann, wurde im Lauf der wechselvollen Jahrzehnte der heutige Industrielle Arbeitgeberverband Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim e. V. (IAV). Der Verband vertritt die Interessen der Arbeitgeber aus Stadt und Landkreis Osnabrück, aus der Grafschaft Bentheim und dem Landkreis Emsland. Die Mitglieder sind Industrieunternehmen oder industrienahe Dienstleister, wobei der Mittelstand dominiert. Wenn man auf die 100-jährige Verbandsgeschichte blickt, wird deutlich: Auch hier haben wichtige historische Entwicklungen wie die Wirtschaftswunderjahre, der Aufbau weltweiter Wirtschaftsbeziehungen, Mauerfall oder die Entwicklung der EU neben technischen Innovationen und Investitionen die regionale Wirtschaft maßgeblich geprägt. Für den IAVVorstandsvorsitzenden Olaf Piepenbrock ist klar: „Diese großen Entwicklungen sind mitverantwortlich für den wirtschaftlichen Wandel, die Struktur und Wirtschaftskraft unserer Region, in der wir gerne als Unternehmen und Arbeitgeber aktiv sind.“ Der Unternehmer ist Geschäftsführender Gesellschafter der Piepenbrock Unternehmensgruppe GmbH + Co. KG in Osnabrück und überzeugt vom Mehrwert, den der IAV schafft: „Die Rolle des Verbands ist für die Region wertvoll, denn er vernetzt, informiert und berät auf hohem Niveau“, so Piepenbrock. Das gilt auch für die NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim,

Die Verbände beraten ihre Mitglieder immer dann, wenn es einerseits um die Gestaltung der rechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bzw. deren Vertretungen geht oder andererseits um die Interessenvertretung der Unternehmen gegenüber Politik, Gewerkschaften, Verwaltung und Öffentlichkeit. Der IAV bietet umfassenden Service, ohne dass durch die Mitgliedschaft eine Tarifbindung entsteht. Die NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe ist tarifpolitisch aktiv und führt die Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie in der Region.

Für die Nachwuchsförderung im gewerblich-technischen Bereich wurde 2006 die VME-Stiftung gegründet. Mit dieser Bildungsstiftung fördern die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie Nachwuchskräfte und stärken naturwissenschaftlich-technische Bildung.

„In der täglichen Verbandspraxis heißt das: Aktuelles Wissen, schneller Know-how-Transfer und Zuverlässigkeit zeichnen uns aus. Unser Netzwerk und unsere Kontakte machen uns zum gefragten Partner in der Region und im Zusammenspiel der Verbände landesund bundesweit.“ Diese Stärken spiegeln sich auch in der positiven Mitgliederentwicklung. Heute sind im IAV und in der NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe Osnabrück Emsland - Grafschaft Bentheim rund 380 Unternehmen mit inzwischen fast 90.000 Beschäftigten zusammengeschlossen. Ob groß oder klein, ob mit oder ohne Tarifbindung – die Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister schätzen das Fachwissen und die Beratungsstärke der juristischen Spezialisten und profitieren von der Öffentlichkeitsund Bildungsarbeit.

Kernkompetenz Arbeitsrecht

Von „A“ wie Arbeitsvertrag über „K“ wie Kündigung bis „Z“ wie Zeugnis: Die Juristinnen und Juristen beraten die Mitgliedsfirmen intensiv in allen arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Sie erarbeiten betriebsspezifische Problemlösungen und vertreten die Mitglieder auch vor Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten sowie in betrieblichen Schlichtungs- und Einigungsstellen. Ob Gestaltung von Betriebsvereinbarungen, Verhandlung eines Interessenausgleichs/Sozialplans oder die Begleitung von Betriebsübergängen – die Unternehmen haben es mit juristischen Profis zu tun. Außerdem ermöglichen die Verbände den Erfahrungsaustausch und bieten interessante Diskussionsforen. Eine bleibende Herausforderung ist die Tarifautonomie. Die Verantwortung der Sozialpartner, die mit Tarifverträgen Arbeitsbedingungen gestalten und die als Interessenvertreter auf die Gesetzgebung einwirken, ist nach wie vor unverändert groß. Denn der Staat sieht es nicht als seine Aufgabe an, konkrete Lohn- und Arbeitsbedingungen festzusetzen. Dies bleibt den Tarifvertragsparteien vorbehalten, ihnen wird damit eine besondere wirtschafts- und sozialpolitische Ordnungskompetenz eingeräumt. „Viele

Unternehmen auch hier in der Region schätzen nach wie vor die Tarifgebundenheit, weil sie Stabilität, Rechtssicherheit und Gleichbehandlung sicherstellt“, stellt Michael Grunwald fest, Vorstandsvorsitzender der NiedersachsenMetall-Bezirksgruppe und Geschäftsführer der STEMMANN-TECHNIK GmbH in Schüttorf. Aber die Tarifbindung in Deutschland nimmt ab. „Was wir brauchen, sind attraktive Tarifverträge, für den Mittelstand tragbar, klar und einfach umsetzbar“, so Grunwald. Tarifsteigerungen müssten sich auch an der Ertragskraft der nicht so starken Betriebe orientieren. Da gehe es um Sensibilität für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im weltweiten Kontext. Und Tarife dürften kein starres Korsett sein, diese Zeiten seien lange vorbei. Sein Fazit in Sachen Tarifpolitik: „Es gibt für die Arbeitgeber und Gewerkschaften noch Einiges zu leisten, wenn das 100-jährige Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft mit intelligenten Kompromissen einen erfolgreichen Weg in die Zukunft beschreiten soll.“

Unternehmen für die Zukunft stärken

Auch zukünftig werden die Verbände die Diskussion wirtschafts- und sozialpolitischer Themen aktiv gestalten und Arbeitgeber-Standpunkte einbringen. Das Spektrum ist groß, ob es zum Beispiel um bessere Infrastruktur, Bildung, Fachkräftesicherung und die Stärkung Dualer Ausbildung geht oder um Fragen des Sozialstaats, arbeitsrechtliche Gesetzesvorhaben oder Bürokratieabbau. Auch Vernetzung gehört dazu: Vielfältige Kooperationen im Bildungsbereich, mit Kammern, Kommunen, der Arbeitsverwaltung, Wirtschafsförderern, Stiftungen und mit anderen Verbänden ermöglichen Synergieeffekte. Das Kernanliegen ist es, die Voraussetzungen für unternehmerisches Handeln und für eine erfolgreiches Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern positiv zu gestalten. „Gemeinsam sind wir stark. Wir werden nicht aufhören, uns zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und uns für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen einzusetzen“, bekräftigt Olaf Piepenbrock.

Moderne Dienstleister

Sind die Arbeitgeberverbände ganz normale Dienstleistungsunternehmen und damit vergleichbar mit Beratungsgesellschaften oder Anwaltskanzleien? Das Selbstverständnis ist ein anderes: „Wir sind moderne Dienstleister, aber unsere Verbände sind auch immer noch eine solidarische Gemeinschaft, die von den Mitgliedern selbst organisiert und durch Mitgliedsbeiträge finanziell getragen wird“, betont Axel Busch, IAV-Hauptgeschäftsführer. Der IAV sei ausgerichtet auf Beratungskompetenz vor einem breiten Erfahrungshintergrund und auf passgenaue Dienstleistung.

Bohmter Straße 11 | 49074 Osnabrück 05 41 7 70 68-0

www.iav-online.de w.niedersachsenmetall.de


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

LEBEN & LEIDENSCHAFT

LEBEN & LEIDENSCHAFT

So funktioniert das „intelligentee Haus” in Oldenburg Der Strom- und Telefonanbieter EWE zeigt mit dem „Zuhause 18“, was in Sachen „Smarthome” im Jahr 201 018 möglich ist

Jalousien, Licht und Heizung per Sprache und App steuerbar. Bilden den Kern der Sprachsteuerung: die Sprachbox Alexa (links) und die Lautsprecher von Sonos (rechts).

Fotos: Daniel Gonzalez-Tepper

Macht smarter Fußball oder Zahnbürste wirklich Sinn? Gute Planung bei Neubau und Sanierung unabdingbar. DANIEL GONZALEZ-TEPPER OLDENBURG/PAPENBURG. Ein Haus,

EWE hat das technisch aufgerüstete Gebäude „Zuhause 18“ getauft. Bei der Ausstattung half das Möbelhaus Buss in Oldenburg.

Die Energiezentrale in der Tiefgarage des Hauses dient als Stromspeicher und Steuerung für die Fotovoltaikanlage auf dem Dach.

Der smarte Spiegel im Badezimmer wird nicht per Sprache oder App, sondern mit einer Fernbedienung gesteuert.Das ist wenig komfortabel.

Natürlich sind auch die Küchengeräte im „Zuhause 18“ intelligent. Vernetzt sind Kühlschrank,Backofen und Kaffeemaschine.

das von oben bis unten mit „smarter“ Technik ausgestattet ist, betreibt der Strom- und Telefonanbieter EWE in Oldenburg. Das „Zuhause 18“ soll zeigen, wie Wohnen in der Zukunft aussehen könnte. Welche Geräte und Anwendungen sind sinnvoll, welche unnötiger Schnickschnack? Ein Test.

In einem „Smarthome“ sind alle Geräte und Haustechniken miteinander verbunden und lassen sich über das Smartphone oder per Sprache steuern. Dieses Konzept bewegt sich in Deutschland langsam in Richtung Massenmarkt. Das hat das Marktforschungsinstitut GfK in einer Studie festgestellt. Mehr als drei Milliarden Euro wurden 2016 für vernetzbare Unterhaltungselektronik, intelligente Steckdosen oder automatisierte Gebäudetechnik ausgegeben. Mit dem „Zuhause 18“ in Oldenburg will EWE zeigen, was in Sachen „Smarthome“ im Jahr 2018 möglich ist. Unsere Redaktion durfte einen Tag und eine Nacht in dem rund 200 Quadratmeter großen, zweigeschossigen Haus, das sich in direkter Nachbarschaft zur Konzernzentrale von EWE befindet, verbringen und die mehr als 30 smarten Komponenten auf ihre Alltagstauglichkeit testen. Nur ein kleiner Teil der Anwendungen stammt tatsächlich von EWE, die meisten von vielen verschiedenen Herstellern. Sprachsteuerung: „Es ist zu Beginn ein wenig wie Vokabeln lernen“, warnt mich Eva Katrin Maier aus der Konzernkommunikation von EWE bei einem einführenden Rundgang durch das Haus. Was Maier meint, sind die Begriffe, die in dem Haus gesagt werden müssen, um bestimmte Anwendungen oder Komponenten per Sprache auszulösen. „Skills“ nennt Amazon diese Begriffe für seinen Sprachassistenten Alexa. Und auf diesem System bauen die technischen Komponenten im „Zuhause 18“ auf. Im Haus sind alle fünf Zimmer, der offene Wohn-Küchen-Bereich, die Flure und die Tiefgarage, in der ein Elektroauto steht, mit Alexa-Geräten ausgestattet. Irgendwo hört also immer ein Alexa-Mikrofon mit. Der Nachteil: Nicht selten reagieren zwei Geräte gleichzeitig. „Alexa – stopp“ lautet dann die – etwas nervige – Lösung. Türöffner: Wer in das „Zuhause 18“ gelangen möchte, hat mehrere Optionen: auf die herkömmliche Art mit Schlüssel oder über das elektronische Türschloss-System Nuki, das ein Öffnen und Schließen der Haustüre per Smartphone-App oder über Sprache ermöglicht. Dazu wird von innen auf das Türschloss ein Gerät,

Smart Lock genannt, aufgesetzt, in dem sich der Schlüssel befindet. Dieses Gerät dreht im Prinzip mechanisch den Schlüssel dann, wenn der Befehl dazu per App oder Sprache gegeben wird. Im Notfall kann die Tür per Knopfdruck auf dem Aufsteckgerät geöffnet werden. Beides funktionierte im Test einwandfrei. Fazit: Ein ungutes Gefühl bleibt, denn was ist, wenn jemand den „Skill“ zur Öffnung der Eingangstür mithört oder das Smartphone verloren geht? „Letztlich ist es ähnlich wie beim Online-Banking: Man sollte mit Passwörtern generell sorgsam umgehen und sie beispielsweise regelmäßig ändern“, sagt Volker Diebels, ebenfalls Mitarbeiter in der Konzernkommunikation von EWE. Und es empfiehlt sich, die App auf mindestens einem zweiten Gerät einzurichten, welches dann als Zweitschlüssel dient – und über das der Zugang ins Haus über Nuki gesperrt wird, falls ein Handy verloren geht. Beleuchtung: Die gesamte Beleuchtung im „Zuhause 18“ ist intelligent, alle Leuchtkörper (natürlich LED) stammen aus dem System Philips Hue. Über App oder Sprache können sie mit einem Befehl an- oder ausgemacht werden. Sie sind aber auch einzeln ansteuerbar. Das interessante: Die LED-Elemente können in verschiedenen Farben erleuchten, alle Grundfarben – Gelb, Rot, Grün, Blau – sind über eine App des Systems beliebig mischbar, laut Hersteller sind 16 Millionen Farben möglich. Die Leuchten sind auch beliebig dimmbar, was im Schlafzimmer für ein langsames Aufwachen sorgen kann. Und sie können von auswärts angesteuert und kontrolliert oder zeitlich programmiert werden. So kann per Smartphone das Licht angeschaltet werden, um zu simulieren, dass jemand zu Hause ist. Fazit: Die 200 Euro, die das Starterset mit drei Leuchtkörpern, Dimmschalter und einer sogenannten Bridge, der Schaltzentrale zwischen Leuchten und Smartphone, kostet, lohnen sich. Unterhaltungsgeräte: Natürlich verfügt das „Zuhause 18“ auch über allerlei moderne Unterhaltungstechnik. Dazu gehört ein smarter UltraHD-Fernseher, auf dem diverse Apps installiert sind. An diesen sind Zusatzgeräte angeschlossen wie „Amazon Fire TV“ und eine TV-Box von EWE, die das Fernsehen über ein Glasfaserkabel ins Haus holt. Alles ist selbstverständlich über Sprache, App oder auch klassischer Fernbedienung steuerbar. Über Sprache funktioniert es bei unserem Test aber erstaunlich schlecht, mehrfach reagiert der Fernseher nicht wie gewünscht. Selbst die Fernbedienung reagierte nicht so wie gewohnt. Ursache für die Probleme kann aber auch die fehlende Übung sein. Musik oder auch der Ton des TV-Geräts kommen aus Boxen von Sonos. Die „Speaker“ wie der Hersteller die Lautsprecherboxen nennt,

stehen im Wohnzimmer, in der Küche, im Gästebad, im Badezimmer und im Kinderzimmer. Sie reagierten beim Test so gut wie immer auf die jeweiligen Befehle, zum Beispiel bei der Auswahl eines Radiosenders oder bei der Auswahl eines bestimmten Liedes. Auch der Test, die gleiche Musik in drei Räumen gleichzeitig abzuspielen, funktionierte. Die Boxen sind über W-Lan verbunden. Fazit: Der Fernseher scheint überdimensioniert, manchmal ist eben auch weniger mehr. Die Sonos-Boxen sind zweifelsohne nicht günstig. Haustechnik: Über eine App oder über Sprache mit dem Alexa-System gesteuert werden kann im „Zuhause 18“ die gesamte Haustechnik. Das beginnt mit der Heizung, mit dem Smartphone kann in jedem Raum die Temperatur so eingestellt werden, wie es der Bewohner möchte. Mit einem Klick wird ebenfalls die Heizung im

In den Szenarien zeigt sich, wozu smarte Haustechnik fähig ist.

gesamten Haus heruntergestellt oder hochgefahren – auch dann, wenn der Nutzer das Haus bereits verlassen hat. Ebenfalls über eine App regelbar sind sämtliche Jalousien im Haus. Sie können – auch per Sprache über die Alexa-Boxen – einzeln oder alle gemeinsam hoch- und heruntergefahren werden. In der App kann dafür auch eine Zeitvorgabe gemacht werden. Für die Stromversorgung befindet sich auf dem seitlichen Anbau des Gebäudes eine 45 Quadratmeter große Fotovoltaik-Anlage. Die Solarmodule produzieren so viel Strom, dass 75 Prozent des Bedarfs des Hauses abgedeckt sind. Und das selbst, wenn das Elektroauto, das sich in der Garage befindet, regelmäßig für den Stadtverkehr genutzt wird und die beiden Elektrofahrräder ab und zu geladen werden. Gespeichert und je nach Bedarf verteilt wird der Strom in einem großen Gerät, das an einer Wand der Garage des Gebäudes hängt. Die Bedienung erfolgt per Touchscreen oder durch eine App. Über eine sogenannte Energy-Cloud ist die Anlage mit anderen Stromspeichern zusammengeschlossen. Dadurch wird der produzierte Strom, wenn die Batterie voll ist, gemeinsam genutzt, falls einer der anderen Stromspeicher noch nicht voll ist. Ein Einspeisen ins allgemeine Stromnetz wird so reduziert. Fazit: Die Heizung oder die Jalousien mit einem Klick im Smartphone oder einem Ruf per Sprache herunterzufahren oder sehen zu können, wie diese gerade eingestellt sind, ist eine tolle Sache. Die Investition in die Technik

Ob eine PV-Anlage kann sich lohnen. O her und Wallbox samt Stromspeiche sinnvoll ist, muss jjeder für sein Gebäude berechnen laassen. Szenarien: Diee Haustechnik, die Beleuchtung und die intelligenten Unterhaltungsgeräte te können zu ein Szenario kombinem sogenannten E hat beispielsweise niert werden. EWE noabend“ erstellt: das Szenario „Kin Wohnzimmer fahDie Jalousien im W ren herunter, die B Beleuchtung wird Gelbtögedämmt und in gemütliche ge uf dem Fernseher ne verwandelt, auf wird die Netflix-Ap App gestartet, und Diffuser, einer Art aus dem Aroma-Di pender, strömt der großem Parfüm-Spe Lieblingsduft. All das d wird mit dem te Kinoabend“ geSkill „Alexa, starte startet. d richtig deutlich, Fazit: Hier wird ustechnik fähig ist. wozu smarte Haus ag deutlich erleichSie kann den Alltag m machen. tern und angenehm Küchengeräte:: In der Küche des „Zuhause 18“ gibt ees insgesamt fünf Geräte, die per App p oder Sprache benen. dient werden könne ank ist im Inneren Der Kühlschran mit drei Kameras ausgestattet, desm Smartphone aufsen Bilder auf dem rufbar sind und die auch auf einem hscreen) auf der Bildschirm (Touch ür angezeigt werAußenseite der Tü den können. Dadurrch hat der Nutzer m Einkaufen einen zum Beispiel beim Überblick, welche L Lebensmittel oder ch im Kühlschrank Getränke sich noch

HiFi und TV

Garage

Sicherheit

befinden. Möglich ist es auch, über den Touchscreen eine Einkaufsliste anzulegen, die dann im Supermarkt auf dem Handy aufgerufen werden kann. Wer möchte, kann die Produkte im Internet bestellen und sich nach Hause liefern lassen. Noch nicht möglich ist, dass der Kühlschrank automatisch erkennt, was in den Kühlschrank gelegt und entnommen wird. Dafür wären Funkchips an den Produkten notwendig. Fazit: So smart wie der Kühlschrank auf den ersten Blick daherkommt, ist er (noch) nicht. Es sind weitere Schritte notwendig, wie eine automatische Erkennung der Lebensmittel. Die Backofen-/MikrowellenKombination, die von Siemens stammt und über die App HomeConnect gesteuert werden kann, verspricht ein Aufheizen des Backofens, noch während man sich auf der Heimfahrt vom Einkauf befindet. Weil aber ja die Zeit, die ein moderner Backofen heute zum Aufheizen braucht, nicht lang ist, ist der Sinn dieser Möglichkeit eher fragwürdig. Zumal es aus Sicht der Sicherheit sinnvoller erscheint, mit dem Aufheizen zu warten, bis man zu Hause ist. Mehr Sinn ergibt es da, die RezepteFunktion der App zu nutzen: Das Smartphone sendet nämlich die für die jeweilige Zubereitung notwendige Einstellung an den Backofen beziehungsweise die Mikrowelle und startet das Gerät auf Wunsch. Möglich ist darüber auch ein vorzeitiges Abschalten des Backofens. Fazit: Die Ausrede, der Backofen war schuld, wenn das Gericht angebrannt ist oder

nicht ausreichend gegart wurde, zählt mit dem smarten Backofen nicht mehr. Ob einem das je nach Gerät zwischen 2500 und 3000 Euro wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Der interaktive Nahdistanz-Beamer Sony Experia ist eine Mischung aus Tablet und Projektor. Er projiziert nach oben, zum Beispiel an die Wand, oder nach unten, zum Beispiel auf die Arbeitsfläche der Küche. Die Ausrichtung erfolgt in Sekundenschnelle. Das Gerät verfügt über einen Akku, kann also kabellos oder unterwegs genutzt werden, sofern eine Internetverbindung möglich ist. Bedient wird der intelligente Beamer über Gesten, das Gerät erkennt die Bewegung der Finger auf der Projektionsfläche. Er kann also beispielsweise während des Kochens genutzt werden, um Rezepte im Internet aufzurufen. Selbst mit schmutzigen Fingern kann durch die Seite gestöbert werden. Mit einer TV-App ausgestat-

Die Technik funktioniert, aber was ist, wenn die Daten in falsche Hände geraten?

Heizung

Feueralarm

Wasser

Beleuchtung

Netzwerk

tet, kann der Beamer als Fernseher mit bis zu zwei Meter Bildschirmdiagonalen genutzt werden. Fazit: Mit rund 1200 bis 1500 Euro liegt der interaktive Sony-Beamer preislich in einem für Neuentwicklungen noch stolzen Bereich. Das Gerät dürfte sich aber am Markt durchsetzen – und dann im Preis sinken. Einbruchschutz: Jeder Raum im „Zuhause 18“ ist mit einem Bewegungsmelder ausgestattet, einige Räume und der Haupteingangsbereich zusätzlich mit einer Kamera. Auch an jeder Tür und jedem Fenster gibt es Sensoren, die einem sagen, ob geöffnet ist oder nicht. Die dazugehörige App benachrichtigt den Nutzer auf Wunsch immer dann, wenn es Bewegung in einem Raum gibt oder ein Fenster beziehungsweise eine Tür geöffnet wurde – im schlimmsten Fall durch einen Einbrecher. Falls sich eine Kamera in dem betreffenden Raum befindet, kann der Verdacht sogar durch ein aktuelles Bild überprüft werden. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: die Polizei informieren und, sofern nachgerüstet, einen optischen und/oder akustischen Alarm auslösen. Fazit: Technisch funktionierten die Bewegungssensoren und auch die Kamera an der Haupteingangstür bei unserem Test einwandfrei. Was bleibt, ist ein unbehagliches Gefühl, ob das permanente Erstellen und Zwischenspeichern von Bildern oder Bewegung im Haus nicht zu weit geht und die Daten nicht in fremde Hände gelangen. Kinderzimmer: Auf einer Kommode im Kinderzimmer steht eine Playstation 4 mit Virtual-RealityBrille und Beamer für die Wand. An ihr kann der Nutzer beispielsweise virtuell mit dem Hubschrauber durch verschiedene Städte und Landschaften samt Rundum-Blick fliegen. Im Test gab es einen Flug durch Häuserschluchten in New York. Die Playstation ist allerdings nicht per Sprache oder App steuerbar, sondern ganz „klassisch“ per Controller. An der Wand des Kinderzimmers hängen dreieckige und mehrfarbige LED-Lichtpanele von Nanoleaf Aurora, die zusammengefügt werden können und auf Musik reagieren. Dadurch kann der Bewohner zum Beispiel per App oder Sprache eine Disco-Atmosphäre erzeugen, und das – ähnlich wie bei Philips Hue – in unterschiedlichsten Farben, Helligkeiten oder Blinkabfolgen. Auch die Einbindung in ein Szenario ist möglich. Im „Zuhause 18“ ist das innovative Lichtsystem mit der Beleuchtung, den Jalousien, der SonosLautsprecherbox und dem Alexa-Show-Gerät, die beide ebenfalls im Kinderzimmer aufgestellt wurden, zum Szenario „Gaming“ kombiniert. Diese Geräte stellen sich also so ein, dass der Bewohner in „chilliger“ Atmosphäre einen Spielenachmittag oder -abend mit der Playstation verbringen kann. Im Test funktionierte das Szenario bestens.

Selbst Fußbälle sind im „Zuhause 18“ smart. Der Fußball Micoach von Adidas hilft dem Nutzer, die Schusstechnik zu perfektionieren. Sensoren erkennen die Geschwindigkeit des Balls nach dem Schuss, messen also, wie kraftvoll der Kicker gegen den Ball getreten hat und an welcher Stelle. Außerdem erkennen sie die Flugbahn des Balles. In der dazugehörigen App gibt es dann Tipps, wie der Schuss verbessert werden kann. Fazit: Für einen intensiveren Test blieb zu wenig Zeit, mit aktuell 99 Euro erscheint der aufgerufene Preis nicht überteuert zu sein. Badezimmer: Wirklich Spaß macht es, auch hier ein „Szenario“ zu nutzen. Mit dem Wort „Entspannung“ werden im Badezimmer des „Zuhause 18“ die Jalousien heruntergefahren, das Licht wird gedimmt und in einen gemütlichen Gelbton verfärbt, aus der Sonos-Musikbox erklingt Entspannungsmusik. Nur die Badewanne, die füllt sich noch nicht von alleine. Der interaktive Spiegel (Pradel Miralite Connect) hängt auch im Eingangsbereich des Hauses. Er kann nicht per App oder Sprache, sondern nur über eine Fernbedienung aktiviert und bedient werden, was den Komfort deutlich einschränkt. Er verfügt über sechs Funktionen: Kalender (über Bluetooth mit dem Handy synchronisierbar), Routenplaner (Länge der Fahrzeit ins Büro), Radio, Wetter (praktisch fürs Anziehen) und Nachrichten. Fazit: Der Spiegel macht Spaß, aber bei der Bedienung per schnöder Fernbedienung gibt es Optimierungsbedarf. Die Kosten von derzeit 399 Euro erscheinen zu hoch. Die elektrische Zahnbürste Braun Oral B Genius gibt dem Nutzer per App eine Rückmeldung zu seinem Zahnputzverhalten. Ein Sensor erkennt zum Beispiel, welche Bereiche des Mundraumes zu intensiv oder zu wenig geputzt wurden. Dem Zahnarzt kann sogar der Zugriff auf die App erlaubt werden. Fazit: Ein intensiver Test der smarten Zahnbürste war wegen der begrenzten Zeit nicht möglich. Mit 299 Euro (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers) scheint der Preis doch recht hoch zu sein. Ebenfalls aus zeitlichen Gründen nicht intensiver getestet werden konnte die interaktive Gewichtswaage Nokia Body Cardio, mit deren App der Nutzer das Gewicht über einen längeren Zeitraum beobachten kann. Vier Sensoren messen die Herzfrequenz, die Muskel- und Knochenmasse sowie den prozentualen Körperfett- und Wasseranteil. Dadurch kann der Body-Mass-Index (BMI) berechnet werden. In der Dusche wurde ein digitaler Wasserzähler an die Duschbrause verbaut. Der soll dabei helfen, den Wasserverbrauch zu senken. Bei unserem Test waren es 20,7 Liter. Beide Anwendungen zu bewerten ist aber erst bei einem längeren Test sinnvoll. Was nervt: Eine Vielzahl von Geräten bedeutet auch eine Vielzahl von Kabeln und blockierten Steckdosen. Das kann in kleinen, eher engen Räumen, zum Beispiel dem Badezimmer oder der Gästetoilette, durchaus nerven. Nämlich dann, wenn die Ablagefläche durch die Geräte oder die Kabel verkleinert wird. Nachrüsten ist also nicht ganz einfach. Bei Neubau oder Sanierung ist eine gründliche Planung unabdingbar.

Die Beleuchtung Philips Hue kann per Sprache und App stufenlos gedimmt und farblich eingestellt werden.

Der intelligente Fußball stammt von Adidas. Über eine App können die Schussgeschwindigkeit und der Flugweg des Balles kontrolliert werden.

Der Nahbereichs-Beamer Sony Experia Touch ist eine Mischung aus Tablet und Projektor.

Über eine App können Haustechnik, Heizung, Strom, Jalousien oder die Sicherheitstechnik (Kameras,Bewegungsmelder) gesteuert werden.

Mit dem Türöffner-System Nuki lässt sich die Haustür von auswärts öffnen,wenn beispielsweise der Nachwuchs den Schlüssel vergessen hat.

Illustration: Colourbox.de


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

Alles dreht sich um die Ente: Julian (links) und Frank op de Weegh sind dem Klassiker verfallen.In Ihrer Werkstatt bereiten sie Fahrzeuge wieder auf,dann stehen sie auch schon mal ohne Haube da oder sind völlig ausgenommen.

Fotos: Jonas Schönrock

Vom hässlichen Entlein zum Weltstar Zwei Niederländer sind dem Fahrzeug-Klassiker verfallen – In ihrer Werkstatt dreht sich alles um den Citroën 2CV VON JONAS SCHÖNROCK BAD BENTHEIM. Der Citroën 2CV feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Die beiden Niederländer Frank und Julian op de Weegh sind leidenschaftliche Enten-Fans und betreiben in Gildehaus den „Duckservice NL“. In ihrer Werkstatt dreht sich alles um den kleinen Franzosen.

Bis nach Murmansk hat sie die Ente schon gebracht. Rund 3000 Kilometer sind es von Bad Bentheim in die Hafenstadt auf der russischen Halbinsel Kola. Und es herrschen minus 28 Grad. „Da muss der Wagen gut in Schuss sein, und man braucht ein paar Zusatzheizungen“, sagt Frank op de Weegh. Auch wenn er und sein Bruder Julian bei ihrer Tour an den Polarkreis ein bisschen gefroren haben mögen – wenn sie vom Citroën 2CV sprechen, so die korrekte Modellbezeichnung, dann wird den beiden Mechanikern warm ums Herz. Ihre Leidenschaft haben sie zum Beruf gemacht: Seit 1999 betreiben die bei-

den Niederländer im Gildehauser Industriegebiet den „Duckservice NL“, nachdem die Werkstatt im heimischen Overdinkel zu klein geworden war. Dort dreht sich alles um die Ente: Reparatur, Restaurierung, An- und Verkauf, Umrüstung auf Erdgas oder Sonderanfertigungen wie eine fünf Meter lange Limo-Ente oder eine Pickup-Ente. Als einziger Betrieb in Europa bietet der „Duckservice“ zudem Feuerverzinkungen an. „Die Ente hat nur ein Problem“, erklärt Frank op de Weegh. „Und das ist Rost.“ Irgendwann waren die Brüder die ständige Schweißerei leid. „Wir

schweißen nur noch einmal und tauchen die komplette Karosserie dann in ein Zinkbad ein. Das hält für die nächsten 40 Jahre“, sagt Frank op de Weegh. Angefangen hat bei ihm alles im Alter von 16 Jahren. Damals arbeitete er als Lehrling in einer KfzWerkstatt in Overdinkel. „Ich musste immer die Autos auf die Hebebühne und wieder herunterfahren“, erinnert er sich. Irgendwann hatte er eine Ente vor sich. „Da passte gar nichts. Das Schlüsselloch war an der falschen Stelle, ich habe die Gangschaltung nicht verstanden, und der Wagen hat stark gewackelt“, erinnert er sich. „Da habe ich mir gedacht: So ein Auto muss ich haben.“ Also kaufte sich Frank op de Weegh eine Ente, noch bevor er überhaupt den Führerschein hatte. „Ich habe seitdem immer nur Ente gefahren“, sagt er.

„Es ist ein stinknormales Auto, das alles kann. Als Autofahrer braucht man eigentlich nur eine Ente. Kein Hightech, keine Klimaanlage, keine Servolenkung – das Ding läuft einfach.“

„Als Autofahrer braucht man eigentlich nur eine Ente.“ Frank op de Weegh

Sie läuft und läuft, und das seit inzwischen 70 Jahren. Am 7. Oktober 1948 stellte Citroën den 2CV auf dem Pariser Autosalon vor, ein Jahr später ging er in Produktion. Rund fünf Millionen Exemplare wurden bis 1990 hergestellt, dazu eine Lieferwagenversion und zwei weitere Varianten. Von gerade einmal neun PS in den Anfangsjahren wurde die Leistung auf 30 PS bei den letzten Modellen gesteigert. Auch das Fahrwerk wurde mehrfach verbessert. Die Grundidee und der Rahmen haben sich aber nie verändert. Gebaut worden war das Auto in erster Linie für die französische Landbevölkerung. Durch die besondere Federung sollte es beispielsweise möglich sein, einen Korb mit Eiern unbeschadet über holprige Feldwege zu transportieren. Diese besondere Federung ist zu einem der Markenzeichen des 2CV geworden. Er schwimmt förmlich auf der Straße – eben wie eine Ente. „Das ist immer ein besonderes Erlebnis“, sagt Julian op de Weegh. „Die Federung ist viel weicher, dadurch ist der Fahrkomfort größer, und es schaukelt in den Kurven.“ Auch lange Strecken seien kein Problem, ergänzt sein Bruder. „Wenn die

Sitze gut eingestellt sind, dann kann man sehr lange fahren, ohne müde zu werden. Der Wagen hat irgendwie eine besondere Sitzposition.“ Die Ente von Frank op de Weegh ist übrigens eine ganz besondere, nämlich das Modell „Transat“, Baujahr 1984, lackiert in Weiß mit blauen Streifen. Citroën hatte 1983 und 1984 jeweils 2000 Stück dieser Edition produziert, mit der der Autohersteller 1983 eine französische Jacht beim „America’ s Cup“ unterstützte. „Den Wagen habe ich seit 2001“, sagt Frank op de Weegh. Zusätzlich hat er ihn mit einem G-Kat und einem Erdgasantrieb aufgerüstet, den er per Knopfdruck einschalten kann. Der Zweizylinder Boxermotor jault laut auf, als Frank op de Weegh den Zündschlüssel umdreht und an dem ungewöhnlichen Schaltknauf am Armaturenbrett hantiert, um den ersten Gang einzulegen. Mit kräftigen Armbewegungen dreht er das Lenkrad herum, und die Ente „watschelt“ aus der Firmeneinfahrt auf die Straße. 120 bis 130 Stundenkilometer schafft der 29PS-Motor. „So fahre ich auch auf der Autobahn. Das reicht mir völlig aus“, sagt op de Weegh. Die Firma, die die beiden allein ohne Angestellte betreiben, lebt zu großen Teilen von der Stammkundschaft. Doch es kommen auch immer wieder neue EntenFans. „Die Ente ist inzwischen ein Kult-Auto. Viele ältere Leute, die früher als Student eine Ente gefahren haben, kaufen sich im Alter wieder eine, um Spaß zu haben“, hat Frank op de Weegh festgestellt. Dafür müssen die Kunden allerdings tiefer in die Tasche greifen als früher. „Heute kostet eine unlackierte Motorhaube so viel wie damals eine ganze Ente.“ Zwischen 8000 und 12 000 Euro kostet ein restaurierter 2CV. Wer ein top restauriertes Modell mit Feuerverzinkung möchte, ist mit 20 000 bis 23 000 Euro dabei. Unter dem Spitznamen Ente ist der Citroën 2CV übrigens hauptsächlich in Deutschland und den Niederlanden bekannt. Ein holländischer Journalist bezeichnete ihn 1948 beim ersten Anblick als „das hässliche Entlein“. Ob er damals schon den Erfolg des Wagens vorausgesehen hat? Schließlich gibt es auch in Hans Christian Andersens Märchen ein „Happy End“, und aus dem „hässlichen Entlein“ wird ein stolzer Schwan.


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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

LEBEN & LEIDENSCHAFT

In der Großküche wird für 150 Personen gekocht. Auszubildende Sarah Temme gibt dem Sauerkraut den letzen Schliff.

Bunte Blumen: Für eine freundliche Umgebung sorgt Elke Kasfeld (links) zusammen mit Azubi Johanna Koch.

Auch das gemeinsame Arbeiten mit einer Bewohnerin gehört für Hauswirtschafterin Nelly Wild dazu. Fotos: André Havergo

Weg mit dem Mauerblümchenimage Das Berufsbild der modernen Hauswirtschaft hat die Klischees von gestern abgeschüttelt VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN BERSENBRÜCK. Freundlich und betont herzlich spricht die sportliche Mittfünfzigerin die alten Menschen an. Manche nimmt sie kurz in den Arm. Aus den Gesichtern der Demenzkranken weicht für einen Moment der oft etwas verloren wirkende, in sich gekehrte Ausdruck. Ein freudiges Lächeln, ein dankbares Nicken, die Zuwendung kommt an. Auch der Beobachter spürt: Elke Kasfeld beschäftigt sich gern mit den alten Menschen.

Wir sind zu Besuch in der Amaryllis-Hausgemeinschaft in Bersenbrück. Fünfzehn demenzkranke Senioren leben hier in einer betreuten Wohngruppe zusammen. Doch Elke Kasfeld ist keine Altenpflegerin. Sie trägt die Verantwortung für die hauswirtschaftliche Leitung der Einrichtung, die zum Netzwerk des Ankumer Ambulanten Sozialen Dienstleistungszentrums (ASD) gehört. Die gelernte Hauswirtschafterin Kasfeld hat die Arbeit mit Senioren erst beim ASD kennen- und lieben gelernt. Die enge Kooperation mit den Kolleginnen aus der Pflege gehört hier zum Standard. „Alle Mitarbeiter werden dafür eigens geschult“, sagt Kasfeld. Ihre Ausbildung absolvierte sie 1985; anschließend arbeitete sie in einem Privathaushalt, einige Jahre auch im Einzelhandel. Mittlerweile hat sich das Erscheinungsbild ihres Berufes grundlegend verändert. Und das nicht nur hinsichtlich der sozialen Kompetenzen, die heute ganz selbstverständlich auch von Hauswirtschafterinnen erwartet werden. Die Hauswirtschaft in der Hausgemeinschaft Amaryllis übernahm Elke Kasfeld vor zehn Jahren. Doch

im kräftig wachsenden ASD blieb es nicht dabei. Kasfeld betreut inzwischen auch die Hauswirtschaft in der Tagespflege am Stammsitz in Ankum. Und sie ist eingebunden in die Expansionsstrategie des Unternehmens. Beispiel Küche: Am Standort Beckers Stiege in Ankum hat das ASD eine Zentralküche mit sechs Mitarbeitern aufgebaut, die an 365 Tagen im Jahr alle Einrichtungen der Gruppe versorgt. Neben der Wohngemeinschaft und der Tagespflege gibt es auch Angebote zum betreuten Wohnen und zum Essen auf Rädern. Täglich werden in der Zentralküche 150 Essen zubereitet. Nachdem zuvor über Jahre auf engstem Raum an anderer Stelle gekocht wurde, hat Elke Kasfeld die Zentralküche mit modernster Technik geplant. „Wir haben Geräte, die Speisen vollautomatisch über Nacht garen und sich über das Handy bedienen lassen“, erklärt sie nicht ohne Stolz. Unter

„Für die alten Menschen gehört das gute Essen zu den zentralen Ereignissen im Tagesverlauf.“ Elke Kasfeld

demselben Dach wie die Küche wird auch eine Wäscherei betrieben; auch hier zeichnet die Hauswirtschafterin für die Planung verantwortlich. Jedes Wäschestück der rund 50 Kunden aus den Einrichtungen des ASD ist am PC identifizierbar. Jeder Waschvorgang wird digital dokumentiert. Die Verwaltung kann über das Internet direkt auf die Daten der Wäscherei zugreifen. „Bis jetzt wird hier nur für die Gäste und Mitarbeiter des ASD gewaschen“, sagt Kasfeld. „Wir wollen das Angebot aber ausbauen und künftig auch für unsere ambulanten Kunden waschen. Außerdem wollen wir in Zukunft Mangelware annehmen.“ Wer sich nicht weiterentwickelt wird abgehängt. Das trifft eben auch auf die Hauswirtschaft zu. Die landläufige Vorstellung, dass eine Hauswirtschafterin nicht viel mehr ist als eine tüchtige Hausfrau, war noch nie richtig. Inzwischen ist sie hoffnungslos antiquiert. Noch anspruchsvoller gestaltet sich der Traditionsberuf, wenn man wie Elke Kasfeld eine Leitungsfunktion übernimmt. „In meinem Verantwortungsbereich bin ich in alle Prozesse eingebunden“, erklärt die 55-Jährige. „Meine wichtigsten Aufgaben bestehen aber im Analysieren, Kontrollieren, Überdenken und Kommunizieren.“ Es sind klassische Führungsaufgaben. Kasfeld stellt neue Mitarbeiter ein, sie führt Teamgespräche, sie kümmert sich um den Austausch mit den anderen Teams in der ASD. Sie schreibt Dienstpläne für die zehn Kolleginnen, die ihr unterstellt sind. Sie hält Fortbildungen, organisiert Veranstaltungen für die Bewohner und Gäste der beiden Häuser. Die beiden Auszubildenden orientieren sich an ihr. Außerdem muss natürlich das Tagesgeschäft laufen: Wenn jemand krank wird, kann Kasfeld jederzeit an jeder

Stelle einspringen. Die Bedeutung ihrer Arbeit für den Erfolg des Gesamtunternehmens ist Elke Kasfeld bewusst. „Für die alten Menschen gehört das gute Essen zu den zentralen Ereignissen im Tagesverlauf“, sagt sie. Ebenso wichtig seien die gemütlichen und gepflegten Wohnund Aufenthaltsräume. Von einer Fortbildung hat Kasfeld einen Stapel Postkarten mitgebracht. Vor

bunten Motiven tragen sie Sätze, die auf humorvolle Art das Selbstverständnis moderner Hauswirtschafterinnen auf den Punkt bringen. „Wir schaffen Lebensqualität“, heißt es da mit einer lachenden Sonnenblume im Hintergrund; oder vor einem Bündel bunter Garne „Wir verlieren den Faden nicht“. Das Beispiel Elke Kasfeld zeigt: Die Hauswirtschaft hat sich von ih-

rem Mauerblümchenimage befreit. Der Beruf ist ungemein vielseitig. Neben den traditionellen handwerklichen Fähigkeiten sind heute das Interesse an technischen Hilfsmitteln und soziale Kompetenzen wichtig. Und es gibt Aufstiegschancen. Wer sich eine Leitungsfunktion zutraut, dem bieten sich abwechslungsreiche und anspruchsvolle Herausforderungen.

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ZUR SACHE

Hauswirtschaft: Ein Beruf im Umbruch Kochen, Putzen, Wäsche und Garten, das waren über Jahrzehnte die klassischen Arbeitsfelder von Hauswirtschafterinnen. Mit ihrer Arbeit blieben sie im Hintergrund, ihre Qualifikation wurde vielfach gering geschätzt. Das wirkt bis heute nach und trägt zum Fachkräftemangel bei. Wenig bekannt ist der tief greifende Umbruch des Berufs: Hauswirtschaf-

terinnen befassen sich heute mit Betreuungsaufgaben, Organisationsfragen, der EDV oder der Qualitätskontrolle. Mindestens ein Viertel der Aufgaben in der Pflege wird durch die Hauswirtschaft abgedeckt, erklärt Ursula Fleddermann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Sie benennt zwei Kernbereiche in der Ausbildung: die Versorgung

und die Betreuung von Menschen. Unter Versorgung fallen unter anderem die Nahrungszubereitung oder die Textilpflege. Die Betreuung umfasst Dinge wie Motivation, Beschäftigung und haushaltsnahe Dienstleistungen bei Pflegebedürftigen. Entsprechend vielfältig sind die möglichen Arbeitsplätze. Sie finden sich sowohl in Unternehmen, Privathaushal-

ten, Kindergärten, in der Gastronomie, in Mensen, Tagungshäusern sowie Pflege-und Betreuungseinrichtungen. Wer sich weiterqualifizieren will, kann die Berufsfachschule besuchen, aber auch eine Meisterausbildung absolvieren. Anschließend ist auch ein Hochschulstudium mit dem Abschluss als Ökotrophologin möglich.

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

LEBEN & LEIDENSCHAFT TERMINE

14. 11. 2018 | 15.00 UHR Pure Freude nach der Vergabe des ECR Awards 2018: Die Logistikpreis-Gewinner der Unternehmenskooperati-

Frauen-Business-Tage 2018 (auch am 15. 11. und 16. 11.)

on aus Bünting,Henkel und Nestlé mit Laudator Peter Esser von der Lebensmittel-Zeitung. Foto: GS1 Germany

DER WIRTSCHAFT

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27. 10. 2018 | 11.00 UHR

15. 11. 2018 | 12.00 UHR

Mobil & Fit – Messe für Gesundheit in Rheine

„innovate!2018“ im Alando Palais Osnabrück

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Mit neuen Kunden besser die Umsatzziele erreichen

Umsatzsteuer in den Niederlanden (DNHK Seminar)

WIGOS-SEMINAR, ORT IM NORDKREIS WIRD NOCH BEKANNT GEGEBEN

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02. 11. 2018 | 13.30 UHR Unternehmensnachfolge und Generationswechsel WIGOS-SPRECHTAG, KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG 1

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

Festakt mit Akrobatik: Bernard Krone erhielt den Unternehmenspreis des Wirt rtschaft t ftsverbandes t Emsland. Foto: Mammes

27. 11. 2018 | 09.00 UHR IHK und HWK: Sprechtag der NBank in Osnabrück IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, NEUER GRABEN

02. 11. 2018 | 14.00 UHR

03. 12. 2018 | 17.00 UHR

Lebensträume 2018 – Messe für Bauen, Wohnen und Leben

Absicherung betrieblich (Vortrag in Osnabrück)

NORDHORN, ALTE WEBEREI (AUCH AM 03. 11. UND 04. 11.)

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCK, ICO, ALBERT-EINSTEIN-STRASSE 1

06. 11. 2018 | 09.00 UHR

04. 12. 2018 | 17.00 UHR

Neue Azubis – Fehlanzeige? Das muss nicht sein!

Vorbeugende Instandhaltung (MEMA/Hochschule Osnabrück)

MEMA FACHKRAFT PLUS, EMCO BAD, HESSENWEG 53, LINGEN

Die chinesische Delegation informiert rte t sich bei der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft ftt Bentheim über die Bedingungen des dualen Berufsausbildungssystems im Handwerk. Foto: A.Lehr/HWK

100 Jahre IAV: Ministerpräsident Stephan Weil im Gespräch mit IAV-Präsident Olaf Piepenbrock.

Foto: Michael Gründel

HOCHSCHULE OSNABRÜCK, CAMPUS LINGEN, KAISERSTRASSE 10C

06. 11. 2018 | 09.00 UHR

06. 12. 2018 | 17.00 UHR

Antragstellerwerkstatt zum europäischen KMU-Instrument

Existenzgründung in Melle (Gründerhaus-Veranstaltung)

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STRASSE 1

LANDESTURNSCHULE MELLE, FRIEDRICH-LUDWIG-JAHN-STRASSE 16

08. 11. 2018 | 17.00 UHR

07. 12. 2018 | 08.30 UHR

Existenzgründung in Osnabrück (Gründerhaus)

Lean Projektmanagement und Produktion (MEMA-Workshop)

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HOCHSCHULE OSNABRÜCK, CAMPUS LINGEN, KAISERSTRASSE 10C Dr. Hans Georg Leuck (r.) wurde von der Deutschen Gesellschaft ftt für Mauerw rwerksw und Wohnungsbau geehrt rt. t Foto: DGfM

09. 11. 2018 | 09.00 UHR

Vert rtreter t von Häcker Küchen, Gemeinde, Ort rtschaft t ftt sowie der beauft ftragt t gten t Baufirmen und Planungsbüros beim symbolischen ersten Spatenstich für den Werksneubau in Ostercappeln-Venne.

Foto: Häcker Küchen

12. 12. 2018 | 17.00 UHR Marketing 1 (Markterkundung) (Gründerhaus Osnabrück)

Jobmedi Niedersachsen – Hannover (auch 10. und 11. 11.) HANNOVER CONGRESS CENTRUM, THEODOR-HEUSS-PLATZ 1–3

Mit dem Sonderzug zum Parlamentarischen Abend der Ems-Achse nach Hannover: Vorsitzender Bernard Krone jun.(l.) nutzte die Zeit für Gespräche. Foto: H.-J.Mammes

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STRASSE 1

13. 12. 2018 | 14.00 UHR

10. 11. 2018 | 10.00 UHR

Unternehmensmarketing mit Video und Film in Osnabrück

14. Jobmesse Bielefeld (auch am 11. 11.)

WIGOS-KOMPAKT-SEMINAR, KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG

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20. 12. 2018 | 17.00 UHR

13. 11. 2018 | 17.00 UHR Business Speed Dating für die Kreativwirtschaft in Lingen IHK UND STADT LINGEN, BUTCHERS BAR, SCHLACHTERSTRASSE 12

Businessplan (GründerhausWorkshop in Osnabrück) Großes Interesse auf der Expo Ex x Real (v. l.): Siegf gfried f Averhage, Susanne Menke, Marina Heuermann,Frank Otte als Vert rtreter t von Landkreis und Stadt Osnabrück. Foto: Messe

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DONNERSTAG, 25.OKTOBER 2018

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA


DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

Nach der Vorstellung des Technologie-Konzerns ZFschafft auf den Betriebshöfen von morgen der autonome Lkw die nötige Ordnung und Präzision

Foto: ZF

Die Messe der Innovationen Auf der Nutzfahrzeug-IAA standen Elektrifizierung, Vernetzung und autonomes Fahren im Mittelpunkt

VON HANNE SCHWEITZER HANNOVER. Keine Zeit für Spiele-

reien: In der kostensensiblen Nutzfahrzeugbranche müssen autonomes Fahren, Vernetzung und Elektrifizierung handfesten Nutzen bringen. Auf der IAA in Hannover gab es in dieser Hinsicht viel zu sehen.

Nutzfahrzeuge sind technologisch auf der Überholspur unterwegs, das konnte man einmal mehr an den Innovationen der diesjährigen IAA in Hannover ablesen. Kameras statt Außenspiegel, autarke Anhänger, elektrische Lieferwagen oder teilautonome Brummis: Wie es morgen und übermorgen auf Europas Straßen aussieht, wird unter dem Hermesturm zu sehen sein. Wer bei der IAA Nutzfahrzeuge 2016 auf dem Hannoverschen Messegelände zu Gast war, erinnert sich womöglich an diverse Konzeptstudien elektrischer Transporter. Jetzt nehmen die Stromer auf breiter Front Fahrt auf: Die Orderbücher für den e-Crafter von Volkswagen Nutzfahrzeuge sowie für den darauf basierende MAN eTGE sind bereits geöffnet, der direkte

Konkurrenz Mercedes e-Sprinter kommt 2019 auf den Markt, ebenso wie die elektrische Version des kleineren Vito. Ebenfalls im nächsten Jahr bringt Ford den elektrisch angetriebenen Ford Transit Custom mit Dreizylinder-Benziner als RangeExtender. DHL-Tochter Streetscooter stellte auf der Messe den neuen Work XL vor. Bereits erhältlich sind neue Modelle wie Renault Master Z.E. oder Iveco Daily Electric. Leise und ohne lokale Emissionen sollen die alternativen Antriebe eine Lösung für Transportprobleme in Städten bieten. Zielgruppen sind besonders KEP-Dienste (Kurier-, Express- und PaketDienste) sowie Handwerker und Lieferanten, die jederzeit in innerstädtischen Zonen fahren müssen – auch, wenn Städte Ernst machen mit Fahrverboten. Wie dem steigenden urbanen Transportaufkommen zu begegnen ist, zeigt auf andere Weise unter anderem Zulieferer ZF und bietet mit dem elektrischen und autonomen Prototypen des „Innovation Van“ eine Entlastung für die gestressten Paketboten. Liegen zwei Adressen so nah beieinander, dass der Zusteller den Weg schneller zu

Fuß zurücklegt, lässt sich der Transporter per Tablet fernsteuern und folgt dem Auslieferer wie von Geisterhand. Findet der Paketbote keinen Parkplatz, steigt er an der Lieferadresse einfach aus und schickt den Innovation Van alleine zur nächsten Haltemöglichkeit. Die Elektrifizierung hält auch bei den schweren Nutzfahrzeugen Einzug. Lkw-Hersteller Volvo startet im kommenden Jahr den Verkauf von Elektro-Lkw, ein erstes Serienfahrzeug präsentierten die Schweden auf der IAA. Der dort gezeigte Volvo FE Electric ist ein 27-Tonnen-Abfallentsorgungsfahrzeug, das von zwei Elektromotoren mit 260 kW/354 PS Dauerleistung angetrieben wird, maximal 200 Kilometer weit mit einer Batterieladung fährt. Hersteller Scania bringt einen Lastwagen mit Plug-in-Hybridantrieb mit und 2019 auf den Markt. Der Truck für den Verteilerverkehr soll im reinen Elektromodus rund zehn Kilometer weit kommen und gegenüber einem konventionellen Antrieb 15 Prozent weniger verbrauchen. MAN zeigte neben einem vollelektrischen VerteilerLkw, dem MAN eTGM, auch einen elektrisch angetriebenen Stadt-

Mittels künstlicher Intelligenz will Automobilzulieferer Continental das Rechtsabbiegen von Lkw sicherer machen.

Foto: Continental

So wie hier im Actros sieht ein moderner Fahrerarbeitsplatz im Lkw aus: mit digitalem Cockpit und Monitoren,die das Bild der Außenspiegelkameras wiedergeben. Foto: Daimler

bus-Prototypen mit Reichweiten von bis zu 200 Kilometern. Da der Antriebsstrang unterflurig platziert ist, gibt es hinten im Bus Platz für bis zu vier zusätzliche Sitzplätze. Auf den Markt kommt der Bus allerdings erst im dritten Quartal 2020. Auch die Zulieferer treiben den Wechsel zur Elektromobilität voran: ZF bietet beispielsweise Systeme zum Umrüsten an, über die sich Fahrzeugflotten wirtschaftlich und komfortabel elektrifizieren lassen sollen: Die Elektroportalachse AxTrax AVE und der neue Elektroantrieb CeTrax, der sich für Stadtbusse und Verteiler-Lkw eignet, können in bestehende Fahrwerksplattformen integriert werden. Bosch elektrifiziert nicht die Zugmaschine, sondern den Auflieger. Anstatt die Achsen des Anhängers wie bisher einfach nur rollen zu lassen, integriert der Zulieferer dort eine elektrische Maschine. Dadurch lässt sich beim Bremsen Energie gewinnen, die wiederum Aggregate des Lastzuges versorgt – beispielsweise bei einem Kühlanhänger. Das bringt Spritersparnis – laut Bosch soll sich das System in weniger als zwei Jahren amortisieren – und auf dem Betriebshof kann der Anhänger künftig ohne Zugmaschine rangieren. In den vergangenen Monaten hat das Verkehrsministerium die Problematik des Toten Winkels bei Lkw wieder ins Gespräch gebracht. Dass Assistenzsysteme beim Lkw im Kommen sind, kann man auch auf der IAA sehen. Mit-

tels künstlicher Intelligenz will Automobilzulieferer Continental das Rechtsabbiegen der Lkw sicherer machen. So ausgestattet soll das Assistenzsystem in wenigen Jahren eine Verkehrssituation interpretieren, den Fahrer warnen oder von allein notbremsen. Vorher kommt aber die zweite Generation des Rechtsabbiegeassistenten auf den Markt, die Radar- und Kamerasensoren kombiniert. Beide neuen Varianten zeigte der Zulieferer in Hannover. Ebenfalls künftig zur Sicherheit beim Rechtsabbiegen und zur besseren Übersicht beitragen sollen Kameras, die die Außenspiegel ersetzen. Wenn der seit der Messe bestellbare Mercedes Actros im Frühling 2019 ausgeliefert wird, ist er der erste Serien-Lkw mit dieser Technik. Das System besteht aus zwei außen am Fahrzeug angebrachten Kameras und zwei 15Zoll-Displays innen an den A-Säulen, auf die das Kamerabild übertragen wird. Mit einer speziellen Rangieransicht für das Rückwärtsfahren mit Trailer, Nachtsicht-Modus für die Dunkelheit und einer schnellen Aktivierungsmöglichkeit bei Verdacht auf Ladungsdiebstahl unterstützt das System den Fahrer zusätzlich. Auch bietet der Wegfall der Spiegel aerodynamische Vorteile, was unter anderem für eine Verbrauchsreduzierung von bis zu fünf Prozent sorgen soll. Eine weitere Premiere: Bestseller Actros beherrscht als erster Lkw das autonome Fahren auf Level zwei (von fünf ). So kann der Lastwagen teil-autonom über die

Autobahn fahren, ob im Stopand-Go eines Staus oder bei Höchstgeschwindigkeit. Wie beim Pkw muss der Fahrer aber eine Hand am Lenkrad haben und jederzeit eingreifen können. Zwecks Kraftstoffeinsparung passt die Technik zudem die Fahrweise auf Autobahnen und Landstraßen an die Topographie an, so dass der Antriebsstrang Gefälle, Steigungen, Kurven oder Kreisverkehre und Kreuzungen berücksichtigt werden. Das Bosch-System „elektronischer Horizont“ lernt bei jeder Fahrt dazu und korrigiert, wenn die gespeicherten Informationen nicht mehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Straße übereinstimmen. Für viele dieser Funktionen sind die modernen Nutzfahrzeuge, ebenso wie die Pkw, natürlich längst an das Internet angebunden. Damit ist bei technischen Problemen eine Ferndiagnose, aber auch das Aufspielen von Updates „overthe-air“ möglich, so dass Ausfallzeiten minimiert werden. Aber auch zum Komfort des Brummifahrers trägt die Vernetzung bei. Beim Mercedes Actros beispielsweise sollen spezielle Apps den Fahreralltag vereinfachen, indem er für Funktionen etwa vom Kühl-Auflieger keine Extra-Fernbedienung benötigt, sondern sie über eine Anwendung auf dem Touchscreen im Fahrzeug bedient. Nach einer Vision von Bosch kann das Smartphone des Fahrers künftig auch als Lkw-Schlüssel fungieren. Wie bei aktuellen schlüssellosen Start-Systemen erkennt das Fahrzeug ein sich näherndes Handy über dessen Funk-Signatur, entriegelt die Türen und gibt den Start-Knopf frei. Das soll Fahrer- und Fahrzeugwechsel deutlich vereinfachen. Um die oft händeringend gesuchten Lkw-Fahrer kann sich der spendierwillige Spediteur auch in anderer Hinsicht kümmern: Zulieferer Faurecia stellte in Hannover einen Sitzbezug vor, der eine ganze Reihe von Gesundheits-Sensoren integriert. Sie erfassen unter anderem Herzfrequenz und Atmung des Fahrers, eine App auf seinem Handy nimmt die Analyse vor und regt Verbesserungen an.


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NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

„Fahrerlose Lkw sind für mich noch Zukunftsmusik“ Interview mit Martin Daum, Vorstand Daimler Trucks and Buses – Drei wesentliche Zukunftsaufgaben

Bleibt das dritte Megathema: Elektrisch. Elektrisch ist das spannendste Thema, weil wir damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der CO2-Ziele leisten können. Wir werden einen Mix an elektrisch und an konventionell angetriebenen Fahrzeugen haben. Dazu müssen wir mit Elektro-Lkw Lösungen anbieten, die für den Kunden wirtschaftlich und technisch überzeugend sind und nicht nur ein Quotenfahrzeug. Wir haben mit dem eCanter für den innerstädtischen Verteilverkehr schon ein Fahrzeug in Kundenhand und gerade mit unserem Stadtbus Mercedes-Benz eCitaro ein wirklich gutes Serienprodukt vorgestellt, das sehr flexibel ist, was die Batterie-Konfiguration angeht und gut angenommen wird. Jetzt geht es darum, den mittellangen Verteilverkehr zu elektrifizieren. Nur über die leichten Segmente wird die benötigte CO2-Reduktion nicht erreichbar sein.

VON GÜNTER WEIGEL HANNOVER. Im Vorfeld der Nutz-

fahrzeug-IAA stellte Mercedes mit dem Actros einen Lkw vor, dessen Spiegel durch Kameras ersetzt wurden. Auch die visionäre Studie eines autonomen Transporters präsentierten die Schwaben schon vorab. Im Gespräch verrät Truck-Chef Manfred Daum, welche Chancen sich der Branche technisch in Zukunft bieten, aber auch die Grenzen des Machbaren.

Herr Daum, boomender Handel, Wirtschaftswachstum in den allermeisten Ländern, die Aussichten für Nutzfahrzeughersteller könnten schwieriger sein. Andererseits drohen Fahrverbote und CO2-Vorgaben. Wie sehen Sie die Lage? Wenn die Wirtschaft wächst, brummt auch das Lkw-Geschäft. Das ist immer so. Die Frage nach den CO2-Vorgaben sehen wir differenziert. Effizienz war schon immer ein grundlegendes Anliegen der Branche, weil Treibstoff der größte Einzelposten bei den Kosten eines Fuhrparks sind – höher als die Anschaffung des Fahrzeugs. Wir haben daher Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung immer vorangetrieben, weil unsere Kunden und damit auch die Umwelt davon profitieren. Unser neuer Actros beispielsweise ist fünf Prozent sparsamer als das Vorgängermodell. Fünf Prozent genügen nach den angedachten EU-Plänen in Zukunft aber nicht mehr. Das ist die andere Seite der Medaille: Man kann die Physik nicht überlisten. Um 40 Tonnen den Berg hochzufahren, benötigt man eine gewisse Energie. Da nützt es auch nichts, Wirkungsgrade von Motoren zu fordern, die unrealistisch sind. Die Vorgaben sind offensichtlich relativ hart. Wir stellen uns der Herausforderung, schließlich bieten sich dadurch auch Chancen für den, der Probleme am besten lösen kann. Als Regulativ ist der Durch-

Martin Daum ist Vorstandsmitglied bei Daimler Trucks & Buses. Daum war seit Juni 2009 President und Chief Executive Officer von Daimler Trucks North America (DTNA) und der verbundenen Unternehmen.Zuvor war er als Vice President Produktion Mercedes-Benz Lkw Mitglied der Geschäftsführung von Mercedes-Benz Trucks in Europa und gleichzeitig Standortverantwortlicher für das Mercedes-Benz Werk Wörth,das größte Lkw-Werk der Welt.Begonnen hat Daum seine Karriere im Jahr 1987 mit dem Eintritt in die Nachwuchsgruppe der Daimler-Benz AG. Foto: Daimler

schnittsverbrauch eines Nutzfahrzeugs aber kein gutes Kriterium. Es kommt immer auf die Anwendung an – und gerade diese könnten bei Nutzfahrzeugen nicht unterschiedlicher sein, vom Langstrecken-Transport bis zum Baustellenfahrzeug. Ein Lkw, der im Wald Holz abfährt, ist aerodynamisch schlecht unterwegs. Zieht er die gesetzlich angedachten Reifen mit niedrigem Rollwiderstand auf, kommt er nicht mehr aus dem Wald heraus. Hat er ab Werk grobstollige Reifen, wird der Lkw nicht mit niedrigen Verbrauchswerten zertifiziert. Es kommt also stark auf die Gestaltung des Gesetzes an. Zwei kleine Lkw verbrauchen im Schnitt weniger als ein großer, aber wollen wir wirklich mehr Lkw auf der Straße? Ich halte nichts von Rahmenbedingungen, durch die man drei Sattelzüge verkaufen muss, um ein Baustellenfahrzeug zuzulassen, damit es im Durchschnitt hinterher passt. Elektrisch, autonom, vernetzt. Das sind die Schlagwor-

te, die die Branche derzeit anzutreiben scheinen. Klingt nach Zukunft. Wie weit sind Sie denn? Die Vernetzung ist Gegenwart. Bei uns ist jeder Lkw, der heute vom Band läuft, bereits vollständig online. Wir aktualisieren elektronische Systeme über drahtlose Verbindungen, wir wissen, wann das Fahrzeug welchen Service braucht, wir stellen den Unternehmen Fahrtdaten zur Verfügung und wir entwickeln ständig weitere Apps, die dem Fuhrparkbesitzer und dem Fahrer im Alltag helfen. Autonom? Fahrerlose Lkw sind für mich noch Zukunftsmusik, weil wir dazu dauerhaft ein Sicherheitsniveau gewährleisten müssen, das wir aktuell nicht darstellen können. Dazu lässt sich auch keine konkrete Zeitschiene festlegen. War denn der vor zwei Jahren gestartete Platooning-Versuch nicht ein erster realistischer Schritt in diese Richtung?

Platooning hat für mich nichts mit autonomem Fahren zu tun. Das ist ein verbesserter Abstandsregeltempomat. Wir erproben das zurzeit intensiv in den USA, weil man dort etwas schneller und auch längere Strecken fahren kann als hier. Das ist aber selbst im mittleren Westen der USA schwierig. In einem perfekten Platoon kann man eine erhebliche Menge Sprit sparen, aber die leiseste Störung reduziert oder vernichtet den Spareffekt. Denken Sie gerade an die Autobahnen hierzulande: da gibt es nur sehr selten die Möglichkeit, mit konstant hoher Geschwindigkeit auf ebener Strecke zu fahren. Deshalb bin ich mir noch nicht sicher, ob aus dem Platooning wirklich ein Geschäftsmodell wird. Aber genau deshalb entwickeln und testen wir weiter. Sollte sich der zweite Fahrer nicht mit anderen Arbeiten beschäftigen können und so den Job interessanter machen? Für mich gibt es diese Zwischenstufe, dass der Fahrer andere

Aufgaben übernimmt, eigentlich nicht. Wenn er etwas Anderes macht, dauert es zu lange, um im Notfall einzugreifen. Wenn er also die Verantwortung für das Fahrzeug hat, muss er stets bereit sein zu fahren und kann keine anderen Aufgaben übernehmen. Das geht erst, wenn die Lkw wirklich autonom unterwegs sind. Und dazu können wir, wie erklärt, keinen Zeitplan nennen. Der neue Actros hat jede Menge Assistenzsysteme, die wir aus dem Pkw schon kennen, dazu neue Sicherheitsfeatures wie den Kameraspiegel. Honorieren die Kunden das? Ja. Wir sehen immer wieder das gleiche Muster: Die Kunden probieren diese Neuerungen mit einem oder zwei Fahrzeugen aus. Wenn die Fahrer das Feature schätzen oder es für den Fuhrpark einen Mehrwert bringt, beispielsweise durch Unfallvermeidung, geht es dann recht schnell mit der Durchsetzung der Technologie in den Fuhrparks.

Fahrzeugwerk Bernard Krone GmbH & Co. KG, Werlte (Deutschland), Pritschensattel und Container Chassis Produktion

Wo liegen die Herausforderungen im Vergleich zu kleineren Fahrzeugen? Der Fahrbetrieb mit einem Lkw bringt deutlich höhere Erschütterungen in die Batterie als beispielsweise beim Pkw. Die Langlebigkeit der Batterie ist also ein ganz wichtiger Aspekt. Wenn man bei Pkw an 200 000 Kilometer Lebensdauer denkt, da ist der Lkw gerade eingefahren. Wir kalkulieren mit einer Million Kilometer. Auch die Lade- und Nutzungs-Anforderungen sind intensiver: Der Lkw nutzt die Batterie bis zum letzten aus, um sie dann ganz vollzumachen und anschließend wieder ganz leer zu fahren. Ist es nicht sinnvoll, vornehmlich Lkw beispielsweise im städtischen Einsatz bei Verteilung und Müllabfuhr und ähnlichen Einsätzen zu elektrifizieren, die nachts laden können? Ich sehe auch darüber hinaus eine ganze Reihe von Anwendungsmöglichkeiten, weil sehr viele Routen gleich und damit planbar sind. Wenn ich beispielsweise schon die Versorgung unserer Werke mit Teilen ansehe, ist da ein großer Anteil auch längerer Strecken für Elektro-Lkw geeignet.

Herzlake (Deutschland), Dry Liner Produktion

Lübtheen (Deutschland), Cool Liner Produktion

Dinklage (Deutschland), KRONE Trailer Achse Produktion

Tire (Türkei), Pritschensattel und Container Chassis Produktion

KRONE − Ein Unternehmen, das in ganz Europa für Bewegung sorgt. In der Transportwelt steht KRONE für exzellente Qualität, minimale Life Cycle Costs und ausgereifte Praxislösungen. Kurz: für Trailer, die Maßstäbe setzen. Das Fahrzeugwerk Bernard KRONE ist einer der führenden Trailer-Hersteller weltweit und gilt in der Branche als Qualitätsgarant und Innovationsführer.

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NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

Folgsam und nützlich

önnte dem Nutzfahrzeugbereich erst recht dienen Auf der Nutzfahrzeug-IAA präsentierten die Hersteller ihre Zukunftsideen in Sachen autonomes Fahren – Was beim Pkw funktioniert, kö

VON MARIO HOMMEN HANNOVER. Das autonome Fah-

ren wird derzeit heiß diskutiert. Für den Nutzfahrzeug-Bereich ist die Technologie besonders interessant.

Level 1, Level 2 und bald auch Level 3, im Pkw-Bereich dienen autonome Fahrfunktionen als Ausbund von Fortschrittlichkeit. Richtig sinnvoll könnten sie aber beim Lkw werden. Aktuell sind Nutzfahrzeuge auf der Fünf-Stufen-Skala der Automatisierung erst auf Level 1 angekommen. Automatische Abstandhalter, aktive Notbremssysteme – die mittlerweile auch Fußgänger und Radfahrer erkennen – oder die Predictive Powertrain Control (PPC) gehören dazu. Bei diesem System kennt der Lkw die Topografie der Strecke und bremst oder beschleunigt vorausschauend. Bislang

Im Jahr 2020 soll der Lion‘s City, ein elektrisch betriebener Passagierbus von MAN, in verschiedenen deutschen Städten an den Start gehen – erst einmal in einer Demovariante. Foto: MAN

funktioniert das nur auf Autobahnen und großen Straßen. Mit Hilfe von hochauflösendem Kartenmaterial soll diese Funktion bald innerstädtisch zum Einsatz kommen.

Volvo Trucks verzichtet in seiner Studie auf das Fahrerhaus.

Foto: Volvo Trucks

Ein Hauch von „Alien“: So stellt sich Mercedes mit der Studie Urbanetic die Lkw der Zukunft vor.

Level 2, das im Pkw-Bereich zunehmende Verbreitung findet, soll zeitnah auch für Lastwagen verfügbar werden. Bereits mit der nächsten Lkw-Generation will etwa Daimler den Fahrer auf monotonen Autobahnfahrten entlasten. Lkw werden künftig auch in Hinblick auf die seitliche Fahrzeugführung eigenständiger handeln. Assistenzsysteme greifen beim unbeabsichtigten Verlassen der Fahrspur ein oder dirigieren den Brummi im Staufolge-Modus durch Kurven. Auch vollautomatisierte Nutzfahrzeuge könnten schon bald zum Einsatz kommen – vorerst allerdings nur in speziellen Bereichen. Container-Terminals, Minen oder auch die Landwirtschaft bieten mögliche Einsatzgebiete. Zu-

Foto: Daimler

lieferer ZF etwa präsentierte auf der IAA Systeme für autonomes Rangieren auf Betriebshöfen und anderen abgeschlossenen Arealen. Einen noch weiteren Blick in die Zukunft wagte Daimler mit der Studie Urbanetic, einer Art Plattform für autonomes Fahren, die sich dank einer Art Aufstecksystem mit unterschiedlichen Aufbauten flexibel von einem Personen- in einen Gütertransporter verwandeln lässt. Auf Letzteres spezialisiert ist hingegen der Volvo Vera, die Studie einer autonomen Sattelzugmaschine, die bereits ohne Fahrerhaus auskommt. Wie ein vollautomatisierter Lieferwagen für den Stadtverkehr aussehen könnte, zeigte Renault mit der Studie EZ-Pro, einem Transporter-Pod, der sich mit anderen seiner Art zu einem Konvoi zusammenschließen kann. Auf das Prinzip des Fahrens in der Gruppe setzt auch das sogenannte Platooning, das Koppeln mehrerer Lkw auf der Autobahn zu einem langen Zug. Unter anderem MAN testet ein entsprechendes System derzeit auf der A9 zwischen München und Nürnberg. Hier fahren Lkw mit nur noch 15 Meter Abstand hintereinander. Neben Spritersparnis ermöglicht dieses Prinzip eine Entlastung der Fahrer. Angesichts der Verkehrsdichte ist Platooning in Deutschland allerdings nur eingeschränkt nutzbar. Praktisch sind nur Zweier-Konvois erlaubt. In einsameren Gegenden wären auch Konvois mit deutlich mehr Fahrzeugen denkbar.

Spannender wäre ein Einsatz autonomer Fahrzeuge auf dem Niveau von Level 4 oder 5. Technisch ist dieser Schritt in Hinblick auf Sensorik, Redundanzsysteme, Software, künstlicher Intelligenz und den Rechnerkapazitäten für Fahrzeug und Backend vergleichsweise anspruchsvoll. Zudem werden gesellschaftliche Akzeptanz sowie ein entsprechender gesetzlicher Rahmen benötigt. Zumindest bei den Gesetzen gibt es in Europa und den USA Bewegung. Dies zeigt: Es bestehen wenig Zweifel, dass das hochautomatisierte Fahren kommt. Auf einen genauen Zeitpunkt mag sich aber niemand festlegen; vielleicht 2025, vielleicht aber auch früher oder später. Für Lkw-Betreiber ist der Laster ein Investitionsgut. Entsprechend sind die Unternehmer an einer möglichst langen Nutzungsdauer interessiert. Diese lässt sich mit zunehmender Automatisierung steigern. Mit besseren Sicherheitssystemen verringern sich zum Beispiel Ausfallzeiten von Fahrzeug und Fahrer aufgrund von Unfällen. Noch mehr Nutzungsdauer verspricht das autonome Fahren, weil dann keine Ruhezeiten mehr eingehalten werden müssen. Mit zunehmendem Automatisierungsgrad könnte darüber hinaus der Beruf des Lkw-Fahrers attraktiver werden. Bereits heute fehlen der Branche rund 45 000 Fahrer, in den nächsten zehn Jahren soll sich diese Zahl mehr als

Renault setzt auf spezielle Pods,die sich zu eine größeren Konvoi zusammenschließen können (oben). Foto:: Renault

Auch eine weniger futuristische Studie hat Mercedes in Form Fo des Future Truck im Programm (unten). Foto: Daimler

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MAN präsentierte auf der IAA Nutzfahrzeuge mit einem 15-Tonner und einem Bus zwei weitere E-Nutzfahrzeuge

Mit dem e-Truck und dem e-TGE hat MAN bereits zwei elektrisch fahrende Nutzfahrzeuge entwickelt. Jetzt zeigte der Konzern auf der IAA in Hannover außerdem einen elektrischen 15-Tonner sowie einen elektrifizierten Stadtbus.

SP-X KÖLN. MAN hat auf der IAA Nutzfahrzeuge die neuesten Fahrzeuge seiner künftigen, elektrisch getriebenen Nutzfahrzeug-Flotte vorgestellt: den 15-Tonnen-Laster CitE als Konzeptfahrzeug sowie den seriennahe Bus-Prototypen Lion’ s City E. Im Fall des CitE zeigt die Volkswagen-Tochter Möglichkeiten der Elektrifizierung mittelgroßer Lkw auf, die von Verteilerzentren aus ins urbane Umfeld liefern. Entsprechend sind die Batteriekapazitäten des Zweiachsers mit üppig dimensioniertem Laderaum auf rund 100 Kilometer Reichweite beschränkt. Nach Meinung von MAN ist das ein für den städtischen Lieferverkehr völlig ausreichender Radius. Konkrete Anga-

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ben über die technischen Daten der Lithium-Ionen-Batterie oder des Antriebs gibt es allerdings nicht. Besonderes Augenmerk haben die Entwickler bei dem fahrbereiten und futuristisch designten CitE auf die Gestaltung der Fahrerkabine gelegt. Sie erlaubt dem Fahrer einen besonders tiefen Einstieg (35 Zentimeter), was die Arbeit erleichtern soll, da er auf einer Tour bis zu 30-mal ein- und aussteigt. Ebenfalls helfen soll ihm dabei ein auf maximale Bewegungsfreiheit ausgelegtes Kabinendesign sowie eine sich elektrisch öffnende und schließende Schwenk-Schiebetür. Der Arbeitsplatz des Fahrers zeichnet sich zudem durch ein volldigitales Cockpit, gut erreichbare Getränkehalter und verschiedene auf die Bedürfnisse des Lieferverkehrs optimierte Ablageflächen aus. Außerdem sitzt der Fahrer im CitE besonders tief und damit nahezu auf Augenhöhe mit Fußgängern und Radfahrern. Darüber hi-

naus hilft ihm ein 360-Grad-Kamerasystem mit einem Bild aus der Vogelperspektive, alle möglichen Hindernisse oder Gefahren im Nahbereich auf einem Blick zu erfassen. Statt klassischer Außenspiegel gibt es außerdem ein kamerabasiertes System zur Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs, das in besonderer Weise unterstützen soll, Totwinkel-Unfälle zu vermeiden. Die zweite MAN-Premiere war der vollelektrische Stadtbus Lion’ s City, der 2020 bei einigen europäischen Verkehrsbetrieben zum Einsatz kommen soll, zunächst in einer Demo-Flotte. Hier hat MAN einen skalierbaren Antriebsstrang mit einem Leistungsspektrum von 160 kW/218 PS bis 270 kW/367 PS und einer modularen Batterie mit 480 oder 640 kWh Speicherkapazität entwickelt. Damit bietet der Lion’ s City E 200 bis 270 Kilometer Reichweite. Bei einer Ladeleistung von 100 kW sollen sich die Akkus in drei bis vier Stunden wieder vollständig laden lassen.

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DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

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NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

Unter Strom: Der Ford Transit fährt bald auch elektrisch Der Nutzfahrzeug-Klassiker wird im kommenden Jahr überarbeitet – Als PHEV 500 Kilometer Reichweite

HANNOVER. Ein Klassiker der Transporter-Branche, der Ford Transit, wird nächstes Jahr modernisiert. Neue Assistenz-Systeme und Konnektivitäts-Lösungen sowie ein Elektro-Antrieb erwarten den verfeinerten Kleinlaster.

Auf der IAA Nutzfahrzeuge hat Ford mehrere Neuheiten in der Transit-Familie vorgestellt. Neben einem allgemeinen Facelift der Transporter-Baureihe wird der Autobauer erstmalig die Serienversion des Transit Custom PHEV präsentieren. Dieser hat neben einem E-Antrieb auch einen Verbrennungsmotor an Bord. Für die Vortriebsarbeit der kommenden Transit-Version ist in erster Linie ein Elektromotor zuständig, während ein 1,0-Liter-Dreizylinder-Benzinmotor als Stromgenerator fungiert. Dank der im Fahrzeugboden untergebrachten, flüssiggekühlten Lithium-IonenBatterie, die das Ladevolumen nicht einschränken soll, kann der Transporter zum Beispiel in urba-

Traditionell in vielen verschiedenen Varianten zu haben: Ford unterzieht die Transit-Baureihe im kommenden Jahr einer Überarbeitung.

Foto: Ford

nen Bereichen mit Einfahrtsbeschränkungen bis zu 50 Kilometer emissionsfrei fahren. Ist die Batterie leer, generiert der Benziner zusätzlichen Strom für den Vortrieb. Dank dieser Lösung soll der Aktionsradius des E-Transporters auf 500 Kilometer steigen. Auf den Markt kommt die neue Antriebsvariante in der zweiten Jahreshälfte 2019. Ab Mitte 2019 erhält zudem die gesamte Transit-Familie eine Modellpflege. Ford verspricht eine moderner gestaltete Frontpartie, ein neues Interieur mit größeren Ablageflächen, eine integrierte Konnektivität dank Onboard-Modem sowie neue Assistenz-Systeme. Darüber hinaus sollen die Antriebe effizienter werden. Die grundsätzlich überarbeitete Ecoblue-Turbodiesel-Familie wird um eine Mild-Hybrid-Variante erweitert, die mit Hilfe eines Starter-Generators und 48-Volt-Bordelektronik in Strom gewandelte Bremsenergie unter anderem für den Betrieb von Nebenaggregaten nutzen kann.

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VON GÜNTER WEIGEL Rundere Front, windschnittigere Formen - der Lkw der Zukunft könnte ein Hingucker werden. Das zumindest prognostiziert Mercedes-Designchef Gorden Wagener.

ein wenig wie der Übergang von der Diesel-Lok zum ICE. Allerdings sind wir in Europa durch die Längenbegrenzung der Lkw im Design noch etwas eingeschränkt. Das wird sich aber ändern. Durch rundere Fronten werden Lkw effizienter, moderner und schöner.

einem privaten Raum. Beim Vision Urbanetic zeigen wir, wie man auf der gleichen Grundfläche sowohl maximalen Nutzwert zum Warentransport wie auch zur Personenbeförderung und als privaten Rückzugsraum darstellen kann.

Herr Wagener, was macht der Mercedes-Chef-Designer auf der Nutzfahrzeug-IAA? Bei den Nutzfahrzeugen steht natürlich der Nutzen, also die Funktion im Vordergrund. Aber es passiert gerade auch sehr viel beim Design. Der Umbruch beim Lkw und Van durch elektrisches oder später auch autonomes Fahren ist vielleicht noch größer als beim Pkw. Darauf müssen wir reagieren. Zudem haben wir beim Pkw-Design viel gelernt, was wir jetzt beim Lkw anwenden können. Glattere Formen, bessere Aerodynamik zum Beispiel, was nebenbei noch Treibstoff und damit Geld beim Unternehmer spart. Das ist

Die gerade vorgestellte Studie Vision Urbanetic bricht allerdings gänzlich mit herkömmlichem Lkw-Design. Ja, aber im Grunde genommen setzen wir hier all die Ansätze fort, die wir auch im Pkw gezeigt haben. Dieses Van-Konzept ist ein zentraler Bestandteil der autonomen Strategie. Wir sprechen dabei vom Auto als „Third Place“, nicht zum Wohnen und nicht zum Arbeiten, aber ein zentraler Baustein des täglichen Lebens, das man eben auf der Straße verbringt. Wenn dieses Auto autonom fährt, also keinen Fahrer mehr benötigt, wird es zur Wellness-Oase oder zum Wohnzimmer, jedenfalls zu

Werden die privaten Pkw aus den Städten der Zukunft nicht verdrängt, schon aus Platzgründen? Das glaube ich nicht. Wenn man sich die großen Städte in Asien und speziell in China anschaut, dann wollen die Menschen und nicht zuletzt unsere Kunden ihr eigenes Auto als ihren privaten Rückzugsraum. Wenn es alleine fährt, umso besser. Dann kann man darin ungestört Geschäfte machen oder die Zeit mit Dingen verbringen, die man noch lieber erlebt, als Auto fahren. Ein Van ist in dem Fall ein fahrendes Zuhause mit luxuriösen Möglichkeiten und viel Platz.

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Foto: Daimler


DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

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NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

Der Renault Optifuel Lab 3 wird im kommenden Jahr als Testmodell auf den Asphalt geschickt.Der Hersteller erhofft sich signifikante Einsparungen beim Kraftstoffverbrauch.

Foto: Renault

Sparsamer auf der Straße

Renault Trucks feilt weiter daran, seine Lastkraftwagen effizienter fahren zu lassen – 13 Prozent Einsparung bei neuem Modell

KÖLN. Renault Trucks forscht weiter daran, die Energieeffizienz von Dieselfahrzeugen zu verbessern. Mit dem Versuchsfahrzeug Optifuel Lab 3 möchte der Nutzfahrzeughersteller den Kraftstoffverbrauch eines kompletten Lastzugs um 13 Prozent senken.

Das Versuchsfahrzeug auf Basis der T-Baureihe vereint verschiedene Technologien, die von einem Partnerkonsortium entwickelt wurden,

zu dem neben Renault Trucks unter anderem Faurecia, Michelin, Total und Froehauf gehören. Es geht um Verbesserungen in den Bereichen Aerodynamik, Bereifung, vorausschauendes Fahren, Energieersparnis sowie Antriebsstrang. Die Optimierung der Aerodynamik geschieht insbesondere durch einen Auflieger mit variabler Geometrie, der mittels Sensoren den freien Platz im Laderaum nutzt und seine Form automatisch an-

passt. Die Windschlüpfrigkeit des Zugfahrzeugs wird durch das Ersetzen des Seitenspiegels durch ein Kamerasystem sowie einem neuen Design der Kabinensäule (A-Säule) verbessert. Der Luftwiderstand wird durch eine Erweiterung der Front, des Türabstands sowie durch optimierte Radkästen verringert. Ferner werden die Seitenverkleidungen verbreitert und sollen aus einem flexiblen Material des Unternehmens Polyrim her-

gestellt werden. Erweiterte Deflektoren sorgen für eine kontinuierliche Aerodynamik zwischen Lkw und Auflieger. Im Fernverkehr macht der Rollwiderstand der Reifen bis zu 25 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs aus, deshalb wurden für den Optifuel Lab 3 Reifen mit einem niedrigen Rollwiderstand entwickelt. Außerdem werden die Navigations-, Verkehrs- und Wetter- sowie Reifendaten des Fahr-

zeugs von optimierten, vorausschauenden Geschwindigkeitsund Kühlsystem-Reglern genutzt. Dieses System wird mit neuartigen Aktuatoren ausgestattet, die die Energieeinsparung weiter maximieren. Zusätzlich zu diesen Entwicklungen wird ein neues Benutzerinterface dafür sorgen, dass dem Fahrer ein wirtschaftliches, effizientes und ergonomisches Fahrassistenzsystem geboten wird. Außerdem wird

Partner mit Assistenzsystemen Neuer Peugeot-Transporter kommt in zwei verschiedenen Längen und mit pfiffigen Details

Peugeot Partner Avantage Plus.

Foto: Peugeot

ampnet HANNOVER. Auf der IAA Nutzfahrzeuge hat der neue Peugeot Partner seine Weltpremiere gefeiert. Peugeot hat ihn in zwei verschiedenen Längen in der Serviceund in der Avantage Plus Edition vorgestellt. Erstmalig ist das iCockpit auch in einem Nutzfahrzeug zu sehen. Der neue Peugeot Partner soll variablen Laderaum und eine Nutzlast von bis zu 1000 Kilogramm bieten. Er wird in zwei

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GN-Mediateam Coesfelder Hof 2 48527 Nordhorn T 05921 707-410 E gn.media@gn-online.de www.gn-online.de

tion ausgestellt. Umgerüstet sollen sich die Fahrzeuge in der Avantage Plus Edition durch zahlreiche Sicherungstechniken wie Zurrgurte und rutschhemmende Materialien für den Transport jedweder Ladung eignen. Die kürzere Variante des Partner zeigte Peugeot in der Service Edition. Die Service Edition ist für Dienstleister wie Handwerker-, Elektro- oder Malerbetriebe konzipiert.

die Lichtmaschinensteuerung noch intelligenter gestaltet, um das Gleichgewicht zwischen der elektrischen Energieerzeugung und dem Kraftstoffverbrauch des Verbrennungsmotors zu optimieren. Leichtlaufschmierstoffe sollen die Reibungen minimieren. Der Renault Trucks T Optifuel Lab 3 wird 2019 für erste Tests auf die Straße geschickt. Im Folgejahr sollen dann die Verbrauchseinsparungen ausgewertet werden.

Neues von der Nutzfahrzeug-IAA Verlags-Sonderveröffentlichung am Donnerstag, 25. Oktober 2018 Herausgeber: Verlag Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Breiter Gang 10–16, 49074 Osnabrück, Tel. 05 41/310-0 Redaktion: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke Konzeption und Umsetzung: NOW-Medien GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Lothar Hausfeld Titelgestaltung: Holger Trentmann ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.) Verantwortlich für Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Marvin Waldrich (E-Mail: anzeigen@msomedien.de) Druck: NOZ Druckzentrum, Weiße Breite 4, 49084 Osnabrück


DONNERSTAG, 25. OKTOBER 2018

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NEUES VON DER NUTZFAHRZEUG-IAA

Lautlos auf der letzten Meile

Elektro-Transporter sind insbesondere für den Einsatz in innerstädtischen Bereichen stark im Kommen

VON ELFRIEDE MUNSCH KÖLN. Leise und ohne Abgase: Elektrische Transporter sollen in der Stadt ihre Vorteile ausspielen. Demnächst gibt es sie auch zu kaufen.

Alternative Antriebe, vornehmlich in ihrer batterieelektrischen Form, sind eine Lösung für die Probleme des Transports in Städten. Einerseits lässt der rasant steigende Waren- und Lieferverkehr durch den Onlinehandel den lokalen Gütertransport wachsen, andererseits erschweren Fahrverbote oder -be-

schränkungen die Planungen. Vor allem im reinen Zustellverkehr sind elektrisch betriebene Transporter die Lösung für lokal emissionsfreie Logistik auf der „letzten Meile“. Zielgruppen sind besonders KEP-Dienste (Kurier-, Express- und Paket-Dienste) und Handwerker sowie Lieferanten, die jederzeit in innerstädtischen Zonen fahren müssen. Nachdem vor zwei Jahren auf der IAA Nutzfahrzeuge fast nur Studien präsentiert wurden, standen auf der diesjährigen IAA Serienmodelle im Mittelpunkt. Eine Übersicht:

Der Renault Master Z.E. kann als Kastenfahrzeug oder als Plattformgestell für Aufbaulösungen geordert werden.

Foto: Renault

Aktuell ist die DHL-Tochter Streetscooter noch Marktführer im Bereich der elektrischen Transporter. Neben den bereits bekannten Modellen Work und Work L stellte das Unternehmen auf der Messe den neuen Work XL vor. Basis des Fahrzeugs ist ein Ford Transit-Fahrgestell. Der Kastenaufbau ermöglicht ein Ladevolumen von bis 20 Kubikmetern und eine Nutzlast von bis zu 1350 Kilogramm. Die maximale Reichweite liegt bei 200 Kilometern. Zunächst werden die Fahrzeuge nur bei DHL eingesetzt. Die Orderbücher für den e-Crafter von Volkswagen Nutzfahrzeuge sowie für den auf dem e-Crafter basierende MAN eTGE sind bereits geöffnet. Je nach Ausführung dürfen beim e-Crafter Güter mit einem Maximalgewicht zwischen 1000 und 1750 Kilogramm geladen werden. Das Ladevolumen beträgt bis zu 10,7 Kubikmeter. Bis zu 160 Kilometer weit kann man mit dem großen Transporter stromern. Ähnliche Werte weist auch der neue, 2019 auf den Markt kommende e-Sprinter von Mercedes auf. Wie beim VW-NutzfahrzeugModell sind die Batterien unterflurig untergebracht, so dass es keine Einbußen beim Ladevolumen (10,5 Kubikmeter) im Ver-

Der elektrische Crafter von Volkswagen transportiert je nach Ausführung bis zu 1750 Kilogramm.

gleich zu den konventionell angetriebenen Versionen gibt. Die elektrische Variante des Sprinters kommt mit vier Batteriemodulen und einer Kapazität von 55 kWh auf eine Reichweite von 150 Kilometern. Alternativ gibt es auch eine schwächere Variante mit 41 kWh und 115 Kilometern Reichweite. Kunden, die weniger Ladevolumen benötigen, werden beim bis zu 120 km/h schnellen und in zwei Längen verfügbaren Mercedes eVito fündig. Der Transporter schafft eine Reichweite von 150 Kilometern.

Ford setzt beim Transit Custom PHEV auf einen seriellen Hybridantrieb und kombiniert eine PlugIn Hybrid-Variante mit einem 1,0Liter-Dreizylinder-Benzinmotor als Range-Extender. Die kompakte Lithium-Ionen-Batterie ermöglicht eine elektrische Reichweite von 50 Kilometern. Bei Bedarf erzeugt der Benziner zusätzlichen Strom, um die elektrische Reichweite auf insgesamt mehr als 500 Kilometer zu erhöhen. Die Serienproduktion ist für 2019 geplant. Der Renault Master Z.E. kann als Kastenfahrzeug oder als Plattformgestell für Aufbaulösungen

Foto: VW

geordert werden. Das Laderaumvolumen des Kastenwagens variiert je nach Länge und Höhe zwischen 7,75 und 12,4 Kubikmeter, die Zuladung beträgt zwischen 900 und 1053 Kilogramm. Als realistische Reichweite geben die Franzosen 120 Kilometer an. Mit großem Ladevolumen (19,6 Kubikmeter) will der Iveco Daily Electric als Kastenwagen überzeugen. Der bereits erhältliche ETransporter wird außerdem als Fahrgestell und als Minibus mit bis zu 19 Personen angeboten. Bis zu 200 Kilometer Reichweite sind möglich.

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