Die Wirtschaft_01/22

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Wirtschaftstalk

Atomkraft in Lingen

Was kommt nach dem Gas?

Quo vadis, Automobilindustrie in Niedersachsen?

Wie im Emsland das Zeitalter der Kernkraftwerke endet.

Ein Interview mit EWE-Chef Stefan Dohler.

Wandel & Vision – Seiten 18 und 19

Macher & Märkte – Seiten 4 und 5

Wandel & Vision – Seite 15

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022 AUSGABE 01/22 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Die Wirtschaft dreht sich weiter Auch wenn manche Branchen stärker im Fokus stehen, Transformation und Wandel treffen alle Handel, Industrie, Handwerk – alle sind betroffen.

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In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄT GEMEINDE RHEDE (EMS)

Sebastian Kotte ist Sprecher des Vorstands

Klimaneutralität und Digitalisierung sind zwei wichtige Faktoren.

OSNABRÜCK Die Spiekermann & Co

Auch die Qualifikation von Mitarbeitern verändert sich.

AG hat einen neuen Vorstandssprecher. Die Aufgabe beim Vermögensberater mit Sitz in Osnabrück hat zum 1. Januar Sebastian Kotte übernommen. Thomas Acker, zuvor langjähriger Sprecher des Vorstands, wird zum 1. Juli in den Ruhestand gehen. „Ich habe die Entscheidung frühzeitig für mich und das Unternehmen getroffen“, kommentiert er diesen Schritt. Die bisherigen Vorstandsmitglieder Dirk Scherz und Sebastian Kotte werden die Geschäfte weiterführen, einen neuen, zusätzlichen Vorstand wird es bei Spiekermann nicht geben. „Mit Dirk Scherz leiste ich seit 2012 gemeinsame Vorstandsarbeit. Wir ergänzen uns hervorragend“, so Kotte. Und wie blickt Thomas Acker auf die Zeit, die vor ihm liegt? „Ich freue mich auf das, was kommt. Ruhestand bedeutet mehr Zeit für die Familie und Freunde. Ich habe zudem unterschiedlichste Interessen, denen ich mich demnächst noch intensiver widmen kann, vor allem kulturell, aber auch reisetechnisch“, ist sich Thomas Acker sicher.

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Nichts

ist so beständig wie der Wandel. Was sich nach Klischee anhört, könnte auf die Wirtschaft nicht besser zutreffen. Produktionsprozesse, Werkstoffe, ganze Unternehmen oder Berufsbilder – die Transformation gehört zum Geschäft. Und dabei macht es keinen Unterschied, ob der Blick auf die Industrie, den Handel, das Handwerk oder die Landwirtschaft fällt. Allerdings: Manche Branchen stehen in der öffentlichen Wahrnehmung stärker im Fokus als andere, und eine florierende Wirtschaft ist kein Selbstläufer. Das zeigt sich nicht nur an drei Shopping-Centern im Emsland, die sich neu ausrichten, um auch künftig eine Rolle zu spielen (Seite 16), sondern auch in der Automobilindustrie. Sie ist eine dieser Branchen im Scheinwerferlicht, wenn es um Wandel und Transformation in der Arbeitswelt geht. Insbesondere im Fokus: der politisch gewollte Umstieg in der Antriebstechnologie, der Produktionsprozesse verändert und damit auch die Zahl der Mitarbeiter beeinflusst, die an der Herstellung von Komponenten beteiligt sind. „Eine Analyse mit dem Fraunhofer-Institut hat ergeben, dass allein im Bereich des Antriebsstrangs in Deutschland bis zu 100 000 Arbeitsplätze durch die Transformation der Industrie wegfallen könnten“, sagt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen. Niedersachsen sei in dieser Hinsicht besonders betroffen, denn der Anteil der Industriearbeitsplätze, die an der Verbrenner-Technologie hingen, sei im Automobilland Nummer eins in Deutschland deutlich höher als in anderen Bundesländern. Das betont auch Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, der im Wirtschaftstalk zusammen mit Peter Holdmann, Geschäftsführer der ZF-Division Pkw-Fahrwerktechnik, über die aktuelle Situation und Entwicklungen in der Automobil- und Zulieferindustrie gesprochen hat (Seiten 18/19). Ein Fazit: Es braucht – auch seitens der Politik – einen realistischeren Blick auf die Transformation der Branche. Die Automobilindustrie ist jedoch nicht der einzige Wirtschaftszweig, der mitten im Wandel ist.

WWW.DIEWIRTSCHAFT-GN.DE

Fotos: Colourbox.d de, imago/Panthermedia, STAR-M MEDIA, Westend61 (2)

Europa insgesamt muss in Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger werden – das geht nicht ohne Veränderungen in einer der Industrien, die bundesweit für einen Großteil des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist: der Stahlindustrie. Sie will „grüner“ werden – nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch, damit die aus Stahl gefertigten Produkte wie Windräder oder

„Es ist noch nicht zu spät, die eigene Rolle in der Transformation zu definieren.“ Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen

Automobile in der Wertschöpfung in Konsequenz grüner werden. Unternehmen wie die GMH-Gruppe in Georgsmarienhütte oder Benteler Steel/Tube mit seinem Standort unter anderem in Lingen haben dabei einen Vorteil: Sie fertigen Stahl auf der sogenannten Elektroroute, die schon heute deutlich klimafreundlicher ist als die Produktion im Hochofen. Der größte Hebel, um den CO2-Ausstoß weiter zu senken, ist somit ein höherer Anteil von Öko-Strom für die Produktion. Hier hat die GMHGruppe auch eigene Pläne – und es gibt weitere Projekte, die zur Reduzierung von CO2 beitragen sollen (Seite 20). Damit fällt der Blick auf die Energiewirtschaft. Für sie geht es allerdings nicht nur um den Ausbau erneuerbarer Energien. Was hat es für Auswirkungen auf Energiedienstleister und Infrastrukturbetreiber, wenn die Politik einen Gas-Ausstieg beschließt und ab 2025 de facto ein Einbauverbot für Öl- und Gasheizungen in Deutschland besteht? Gibt es mehr Chancen oder Risiken? Und was wird aus der Infrastruktur? Darüber spricht EWEVorstandsvorsitzender Stefan Dohler im Interview (Seite 15). Neben diesen offensichtlichen Wirtschaftszeigen, die von Transformation und Wandel betroffen sind, gibt es jedoch auch Bereiche wie die Gesundheitswirtschaft, die oft nicht im Vordergrund stehen. Zu Unrecht, denn sie trifft zum Beispiel die Digitalisierung nicht weniger als andere. Infektionsnachverfolgung per App, Telemedizin, digi-

tale Terminvereinbarungen – die Digitalisierung verändert den Arztbesuch. Sie ist jedoch nur ein Faktor in der Transformation. Ein zweiter liegt in der Qualifikation von Mitarbeitern. Hier passiert, von der breiten Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen, schon viel: VERAH, die „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis“, gilt etwa als Erfolgsmodell. Hoch qualifizierte Arzthelferinnen unterstützen – mit iPad ausgestattet – die Hausärzte speziell bei der Heimversorgung und bei bettlägerigen Patienten (Seite 17). In manch einer Branchen stellt sich jedoch auch die Frage: Braucht es den Mitarbeiter künftig noch? Robo-Advisor unterstützen bereits Anleger, einen Bankberater braucht es nicht – und das ist nur ein Beispiel. Manch einer sucht Rat bei der Agentur für Arbeit. Sie hat das Projekt „Berufsberatung im Erwerbsleben“ aufgesetzt und unterstützt unter anderem Menschen, die sich – aus ganz unterschiedlichen Gründen – umorientieren (Seite 21). Ob Arbeitnehmer oder Unternehmen – man ist dem Wandel also nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann ihn gestalten. So sieht es auch IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger mit Blick auf die Automobilindustrie und insbesondere die Zulieferer in Deutschland und Niedersachsen. Er macht auch ein bisschen Mut und drängt gleichzeitig, sich über die eigene Zukunft Gedanken zu machen: „Es ist noch nicht zu spät, die eigene Rolle in der Transformation zu definieren. Doch das Zeitfenster dafür ist endlich.“

Die großen Hersteller seien dabei, ihre Prozesse auf neue Technologien umzustellen. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt geht es nur noch darum, die Stückzahl zu erhöhen. Wer als Zulieferer bis dahin im Prozess keine Rolle spielt, der wird sie auch nicht mehr spielen.“ Mehr zu Transformation und Wandel der Wirtschaft in der Region lesen Sie im Spezial ab Seite 15.

SebastianKotte.

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www.assmann.de

Foto:Spiekermann


DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

MACHER & MÄRKTE E D I TO R I A L

GELD & GESCHÄFT

WANDEL MIT SCHMERZEN

3 | Kupferspezialist

9 | IW-Analyse

KME Special Products & Solutions fertigt in Osnabrück unter anderem Kokillenplatten für die Stahlindustrie. Mit einem neuen Investor ist das Unternehmen auf Wachstumskurs.

In keiner anderen Region Deutschlands ist der Fachkräftemangel so groß wie im Emsland. Das hat auch mit der Wirtschaftsstruktur der Region zu tun.

4/5 | Atomstrom

10 | Jobwechsel

Wolfgang Kahlert ist der Mann der ersten und letzten Stunde im Kernkraftwerk Emsland in Lingen. Wie lang der Weg zum Rückbau sein kann, zeigt die zweite, 1977 stillgelegte Anlage.

Das Osnabrücker Start-up Doinstruct will das „Onboarding“ neuer Mitarbeiter vereinfachen. Mit Schulungsvideos klärt es über den Arbeitsplatz auf.

6 | Solarstrom Die Glandorfer Firma AGU ist Spezialist, wenn es um die Herstellung von Müllpressen geht. Die können jetzt auch mithilfe von Sonnenenergie betrieben werden.

7 | Schinken Seit 1821 und in siebter Generation stellt Familie Klümper in Schüttorf die westfälische Spezialität her. Jede Woche werden 21 000 sogenannte Schinkenzuschnitte angeliefert und verarbeitet.

Foto: André A. Sobott

Foto: Doinstruct

11 | Kosten Die Energiepreise in Deutschland sind 2021 so stark gestiegen wie nie. Das trifft nicht nur die energieintensive Industrie, sondern auch das Handwerk in der Region.

SPEZIAL

LEBEN & LEIDENSCHAFT

WANDEL & VISION

15 | Gas

23 | Spieltische

Infrastruktur ohne Zukunft? Im Interview spricht EWE-Chef Stefan Dohler über Wasserstoff und Pläne des Oldenburger Energiedienstleisters für die Zukunft.

Die Firma Kuiter war vor der Pandemie vor allem auf den Bereich Messebau spezialisiert. Mit Corona kamen die Herausforderungen – und ein neues Geschäftsfeld.

16 | Handel

24 | Marke

Shopping-Center waren in den 1990er-Jahren beliebte Konsumtempel, seither kämpfen viele mit Leerständen. Wie drei Malls im Emsland wieder eine Zukunft bekommen sollen.

Zwei Freunde und eine Schnaps-Idee stecken hinter der Marke „Old Osnabrooklyn“. Die Osnabrücker Jens Kaluscha und Oliver Wehling haben Schnaps auf den Markt gebracht.

17 | Gesundheit

25 | Sternchen

Apps, digitale Sprechstunden, elektronische Patientenakte – auch im Gesundheitssektor hält die Digitalisierung Einzug. Der Wandel vollzieht sich jedoch in Trippelschritten.

Der Streit ums Gendern hat die akademischen Seminare verlassen und Gesellschaft und Wirtschaft erreicht. Ein Blick auf die unterschiedlichen Facetten des Themas.

18/19 | Wirtschaftstalk

26 | Bier

Quo vadis, Automobilindustrie in Niedersachsen? Darüber haben Volker Schmidt (Niedersachsenmetall) und Peter Holdmann (ZF) diskutiert.

Der Anfang war schwer, mittlerweile ist es eine Erfolgsgeschichte: Seit 25 Jahren braut Ewald Borchert in Lünne professionell sein eigenes Bier.

20 | CO2

27 | Landwirtschaft

Der Stahlproduktion kommt beim Thema Klimaneutralität eine besondere Bedeutung zu. Den ersten Schritt in Richtung Wandel haben Benteler und die GMH Gruppe vollzogen.

Erste Fundamente des Hartkemeyer-Hofes in Bramsche sind 800 Jahre alt. Heute vereint der Betrieb Landwirtschaft, Kita und Privatschule unter einem Dach.

21 | Arbeitskraft

28 | Gesichter der Wirtschaft

In vielen Branchen ist das Potenzial der Digitalisierung und Automatisierung enorm. Das bedeutet nicht, dass der Mensch überflüssig wird – doch manch einer schult um.

Nachfolge, 100 Jahre Tradition, neue Vorstandsmannschaft oder Innovationen – die Wirtschaft in der Region hat viele Gesichter.

Die Richtung ist klar: Wer rastet, der rostet! VON BERTHOLD HAMELMANN

Wer rastet, der rostet. Die Redensart gleicht einer Aufforderung zum steten Wandel. Neue technische Möglichkeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch die gesellschaftspolitische Einbettung von Themen stellen die Leitplanken einer Entwicklung dar, die über das Wohl und Wehe weiter Bereiche entscheiden. Kollisionen, das zeigt die Vergangenheit, sind Alltag geworden. Als problematisch erweisen sich immer Situationen, wenn aus politischen (Richtungs-)Entscheidungen scheinbar logische Ableitungen erwachsen, die sich später als unausgegoren erweisen. Deutschland ist in vielen transformatorischen Belangen zu langsam. Die Pandemie legte Schwachstellen schonungslos offen, brachte aber auch vorher kaum für möglich gehaltene Fortschritte und Entwicklungen. Homeoffice ist plötzlich mehr als nur ein als Schlagwort. Die Arbeitsweise ist in vielen Bereichen Alltag geworden. Die Verzweiflung und die Suche nach Wegen, um die katastrophalen Folgen von Corona zu minimieren, zwangen selbst das immer noch mächtiger werdende deutsche Bürokratiemonster teilweise in die Knie. Wandel benötigt verbindliche ordnungspolitische Ansätze, die für freies, erfolgreiches Unternehmertum unabdingbar sind. Ob Einmannfirma, Mittelständler oder weltweit agierender Konzern: Ein Wandel birgt immer Risiken, über die man sich im Klaren sein muss. Die Chance zum Scheitern gehört ebenso dazu. Beispiel E-Mobilität und EAutos: Wer stellt sich ernsthaft noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit? Notwendiger Klimaschutz und ein absehbares Ende der fossilen Brennstoffe geben die Antwort, die bei den Automobilkonzernen längst zu Milliarden-Investitionen und einem grundsätzlichen Strategiewechsel geführt haben. Das Ende des Verbrenners wird, glaubt man den Ankündigungen der Hersteller, bis 2035 erfolgt sein. Doch es mehren sich die Zeichen, dass der Hype um E-Autos trotz eines gigantischen Werbefeldzugs der Automobilhersteller abflacht. Die grundsätzlich richtige strategische Weichenstellung steht dabei nicht zur Debatte. Langsam gewinnen aber zentrale Fragen an Gewicht, die Entscheider aus Politik und Wirtschaft aus Eigeninteresse

Kurz notiert GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Heiner Beinke, Stella Blümke, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Nina Kallmeier, Sebastian Klenke, Volker Kühn, Christoph Lützenkirchen, Hermann Josef Mammes, Thomas Pertz, Jonas Schönrock, Nina Strakeljahn

ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Dirk Riedesel, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 0541 310-510, Telefax 0541 310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de

REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke

ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707-410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.)

FOTOGRAFEN: Heiner Beinke, David Ebener, Daniel Gonzalez-Tepper, André Havergo, Helmut Kramer, Oliver Leggewie, Kurt Löckmann, Jörn Martens, Julia Mausch, Joern Neumann, Hermann Pentermann, Werner Scholz, André W. Sobott, Carsten van Bevern, Gert Westdörp

ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert

VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de

TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

Auszeichnungen: Die Harting Technologiegruppe aus Espelkamp ist vom Magazin „Focus Money“ zusammen mit dem Deutschland Test und dem Institut für Managementund Wirtschaftsforschung (IMWF) in der Kategorie „Elektronische Bauteile“ zum „Unternehmen des Jahres 2022“ ernannt worden. Ebenso zählt Harting nach der jüngsten Analyse des Informationsnetzwerkes „DDW Die Deutsche Wirtschaft“ zur absoluten Spitzengruppe der deutschen Mittelständler und rangiert auf dem dritten Platz. Firmensitz: Die Leserschaft der Internet-Plattform „german-architects. com“ hat den Firmensitz der Osnabrücker MUUUH! Group zum Bau des Jahres 2021 gekürt. Zur Wahl standen 50 hochkarätige Bauprojekte aus dem gesamten Bundesgebiet. Verantwort-

lich für Form und Funktion des Gebäudes sind neben dem Bauherrengespann, bestehend aus Elmar Grimm (Grimm Holding GmbH) und Jens Bormann (MUUUH Group!), die Architekten Kresings. Umfirmierung: Die Röchling Engineering Plastics SE & Co. KG mit den Standorten Haren, Troisdorf und Dalum sowie die Röchling Sustaplast SE & Co. KG mit den Standorten Lahnstein und Nentershausen haben neue Firmennamen bekommen: Röchling Industrial SE & Co. KG bzw. Röchling Industrial Lahnstein SE & Co. KG. Damit sollt die Industrieorientierung in den Mittelpunkt gestellt werden. 5. Generation: Mit ihrem Eintritt in das Familienunternehmen gewähr-

leistet Viktoria Münnich die Fortführung eines der ältesten Handelshäuser in Osnabrück. Ihr Ur-UrGroßvater, der Senator Ing. Albert Brickwedde gründete am 1. Oktober 1879 das Traditionsunternehmen A. Brickwedde, das als Technischer Handel die Schnittstelle zwischen dem professionellen Anwender und der herstellenden Industrie fungiert. Innovationsarbeit: Die Zender Germany GmbH aus Osnabrück hat bei der 29. Runde des Wettbewerbs Top 100 als Ideenschmiede überzeugt und dafür das Top-100-Siegel 2022 verliehen bekommen. Das Unternehmen zählt bereits zum zweiten Mal zu den Top-Innovatoren. Die Firma hat sich innerhalb von zwei Jahren in der Gesundheitsbranche als Produzent von Atemschutzmasken neu erfunden.

Foto:GertWestdörp

MACHER & MÄRKTE

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in der öffentlichen Diskussion nicht befeuert haben. Mit Speck fängt man Mäuse. Elektroautos sind derzeit vergleichsweise teuer. Folgerichtig befeuert die Politik die von ihr vorgegebene Richtung. Befristet bis Ende 2022, fördert der Staat emissionsfreie Automodelle mit bis zu 9000 Euro und gewährt Steuervorteile. Und so steht – egal ob Kleinwagen oder SUV – das imagefördernde Elektroauto vor der Tür. Keinerlei umweltschädliche und gesundheitsgefährdende Abgase mehr. Keine Fahrverbote in Städten. Wie wunderbar! Ausgeblendet blieben gerne längst bekannte Fakten. Elektroautos erzeugen zwar keine direkten Emissionen. Doch bei der Gesamtbetrachtung sieht die CO2-Bilanz plötzlich bescheiden aus. Schuld daran hat etwa die energieaufwendige Produktion der Batteriezellen, die kostbare Rohstoffe wie Lithium benötigt. Das Konzept mit der Elektromobilität zahlt sich im Hinblick auf Klimaneutralität nur aus, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Bislang ist es ein Strommix aus erneuerbaren Quellen, teilweise aus fossiler Stromerzeugung sowie Atomkraft. Die Folgen der in Deutschland eingeleiteten Energiewende sind nicht absehbar. Die Diskussion um Atomenergie macht es deutlich. Also bald günstiger Atomstrom aus Frankreich als Ladestrom für deutsche EAutos? Und auch die beim Kauf von E-Autos zurückhaltenden Verbraucher werden angesichts explodierender Energiekosten unruhig. Laut einer Allensbach-Umfrage geht zudem die Akzeptanz für die Energiewende deutlich zurück. Fazit: Einen schmerzfreien Wandel gibt es nicht.

Bleiben Sie immer informiert Über unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ einmal in der Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft in Osnabrück, Emsland und der Grafschaft Bentheim. Außerdem gibt es Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends mit dem Newsletter direkt per Mail. Die Anmeldung erfolgt kostenfrei über www.noz.de/ww. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 28. April 2022. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 8. April 2022. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

MACHER & MÄRKTE

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Es soll weiter aufwärts

gehen, daran lässt Bernhard Hoffmann keinen Zweifel. Er ist seit gut zwei Jahren Geschäftsführer des Unternehmens KME Special Products am Standort Osnabrück, das seit der mehrheitlichen Übernahme durch den Finanzinvestor Paragon Partners Ende vergangenen Jahres auch den Zusatz „& Solutions“ im Namen trägt. „Wir diskutieren gerade das Investitionsbudget“, sagt Hoffmann. Mehrere Millionen Euro sollen in den Standort Osnabrück fließen, unter anderem in neue Maschinen und Technik und damit auch in neue Produkte. Das Unternehmen mit seinen rund 670 Mitarbeitern am Hauptsitz Osnabrück hat sich auf die Fertigung von Produkten aus Kupfer spezialisiert. Den etwa 75 Hektar großen Standort unweit der Innenstadt teilt sich das Unternehmen mit der KME Germany – die zweite Firma der KME Gruppe, die weiterhin 45 Prozent an KME Special Products & Solutions hält. „Unsere Produktion, der Vertrieb und die Geschäftsmodelle insgesamt waren jedoch trotz gemeinsamen Standorts schon immer unabhängig voneinander“, betont Hoffmann. Während KME Germany sich auf gerolltes Kupfer fokussiert, macht KME Special aus diesem Rohmaterial Produkte. Die gehören vor allem zu drei Geschäftsbereichen: der Gusstechnologie, der Marine und kundenspezifischen Produkten aus Kupferlegierungen für industrielle Zwecke. Der neue Investor wolle das Geschäft ausbauen, sagt Hoffmann und tritt damit auch Befürchtungen entgegen, es könnten Arbeitsplätze in Osnabrück abgebaut werden. „Das ist nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Wir bauen in einigen Bereichen derzeit Personal auf.“ Das Auftragspolster gebe den Ausbau des Geschäfts auch her, die Auslastung sei gut – insbesondere im Bereich Gießtechnik. „Da merken wir schon, dass es einen gewissen Nachholeffekt aufgrund der Corona-Pandemie gibt“, so der Geschäftsführer der KME Special. Das führt auch dazu, dass nicht nur KME in Osnabrück mehr zu tun hat, sondern auch langjährige Partner, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet. Denn der Mittelständler nutzt auch regionale Lieferanten für einzelne Produktionsschritte, wie zum Beispiel das

ErhatdenHutauf: BernhardHoffmannistseit gut zweiJahren Geschäftsführer von KMESpecialProducts&Solutions.

Mit Investor zu neuer Stärke KME Special Products & Solutions will am Hauptsitz Osnabrück investieren UnteranderemRohre ausKupferin allenVariationensinddasGeschäft derKMESpecialProducts& Solutionsin Osnabrück.

Schmieden und Ringwalzen oder auch das Schweißen von Zubehörteilen. Sie sitzen in Georgsmarienhütte, Bielefeld oder auch Essen. „Wir können auf diese Weise unsere Kapazitäten optimal einsetzen und die aktuell zunehmend anspruchsvoller werdenden Liefertermine ermöglichen“, begründet Hoffmann die Praxis. Das habe man aber schon immer so gehandhabt. Für Gießereien und Stahlwerke weltweit fertigt das Osnabrücker Unternehmen unter anderem sogenannte Kokillenplatten oder -rohre.

„Kupfer ist zu 100 Prozent recycelbar. Das reduziert den CO2Fußabdruck.“ Bernhard Hoffmann, Geschäftsführer der KME Special Products & Solutions

Sie kommen im Strangguss von Stahl zum Einsatz und bestehen aus zwei Seiten: einer Gieß- und einer Kühlseite, erklärt Bernhard Hoffmann beim Rundgang durch die Produktion. Eine Maschine fräst gerade die Kanäle in die Seite, die künftig dafür sorgen, dass der flüssige Stahl abkühlt. Zehn bis 14 Stunden dauere das Fräsen einer Kokillenplatte, so Hoffmann. KME Special fertigt jedoch nicht nur die Platten, sondern überholt sie auch. „Eine Kokillenplatte kann bis zu fünfmal wiederverwendet werden“, sagt Bernhard Hoffmann und zeigt auf eine mehrere Hundert Kilo schwere Platte, die auf ihre Bearbeitung wartet. Einige 100 000 Tonnen Stahl würden mit ihr gegossen. Dann komme die Platte auf den Schrott, so Hoffmann, und werde recycelt. „Kupfer ist zu 100 Prozent recycelbar. Das reduziert den CO2-Fußabdruck.“ Während die Produktion der Platten für den Weltmarkt ausschließlich in Osnabrück stattfindet, bietet KME Specials den Service der Überholung auch an ihren Standorten in der Türkei, China, Russland, Indien, Mexiko, der Ukraine, Spanien und neuerdings auch in den USA an. Insgesamt betreibt das Unternehmen weltweit elf Service- und Produktionsstandorte mit insgesamt fast 1300 Mitarbeitern. Was die Produktion von Kokillenplatten und -rohren für die Stranggusstechnologie angeht, hat KME Special Hoffmann zufolge einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent weltweit. „In diesem Bereich sind wir Weltmarktführer.“ Und gemessen am Umsatz, ist der Bereich Gießtechnologie der größte. Rund 50 Prozent der zuletzt 330 Millionen Euro wurden mit diesen Produkten erwirtschaftet. Und die Platten sollen sich weiterentwickeln – von einem analogen Produkt aus Kupferlegierungen hin zu intelligenten Produkten, verbunden mit digitalen Serviceleistungen. Schon heute werden neue Kokillenplatten mit einem QRCode ausgestattet, der unter anderem Produktinformationen enthält. Dieser soll künftig durch einen beschreibbaren Sensor ersetzt werden, der auch Aufschluss über die Servicehistorie und die weitere mögliche Einsatzdauer des Produkts geben soll. Und: Die Kokillen-

platten sollen nicht nur digital, sondern auch intelligent werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kombination der Sensorik mit Signalen von eingebrachten Glasfasern. Letztere geben Aufschluss über die Temperaturer über die gesamte Gießfläche der Kokillenplatten. So können Informationen über eine Vielzahl von Gießparametern und Zuständen an den Leitstand der Stranggussanlage gegeben werden, die den Betreiber bei der Steuerung der Anlage unterstützen. In den weitläufigen Produktionshallen auf dem KME-Gelände liegen auch riesige Rohre. Einige von ihnen werden – ausgeführt in einer Spezial-Kupferlegierung – in Leistungstransformatoren in der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) eingesetzt, erklärt Bernhard Hoffmann. Diese HGÜTechnologie wird beispielsweise zur Energieübertragung über weite Entfernungen oder bei der Anbindung von Offshore- Windparks über das Meer mit Seekabeln eingesetzt. Bis zu 19 Meter kann ein solches Rohr lang werden. Andere gehen in den Bereich Marine, auch hier laufe das Geschäft gut, so Hoffmann. Ebenso beliefert KME Special den Maschinenbau, die Automobilindustrie, Bauindustrie oder chemische Industrie. Und an manch einem Produkt ist der Osnabrücker Kupferspezialist indirekt beteiligt, indem er Vorprodukte liefert – wie für die Produktion von Supraleitern. 40 Prozent des Absatzes finden in Europa statt, 30 Prozent in den USA und rund 25 Prozent im Raum Asia-Pacific.

Fotos:AndréHavergo

Mit Paragon Partners als neuem Mehrheitseigentümer im Rücken will KME Special in allen Bereichen weiter wachsen. Und auch wenn über die Investitionssumme im Detail noch nicht entschieden ist, eine

„Überall dort, wo es um kleine Stückzahlen geht, könnte der 3D-Druck zum Einsatz kommen.“ Hans-Günter Wobker, Leiter des Bereichs Technologie & Service

signifikante Summe ist Geschäftsführer Hoffmann zufolge für Osnabrück vorgesehen. Das Werk soll auch weiterhin Hauptfertigungsstandort des Unternehmens bleiben. Mit der umfassenden Erfahrung im Industriesektor werde Paragon Partners die KME Special dabei unterstützen, das Potenzial voll auszuschöpfen. Neue Geschäftsfelder verspricht sich KME Special auch durch den Einsatz neuer Technologien: den 3-D-Druck etwa. Zusammen mit Industriepartnern und der Hochschule Osnabrück hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits unter anderem Erfahrungen in der Pulvererzeugung gesammelt. Unter anderem in der Schweißtechnik oder bei Ladesteckern sieht HansGünter Wobker, Leiter des Bereichs Technologie & Service, für den 3DDruck große Chancen. „Überall dort, wo es um kleine Stückzahlen, Sonderanfertigungen oder hybride Bauteile geht, könnte der 3D-Druck zum Einsatz kommen“, sagt er.

Nochrelativ handlich: Oben einesderRohrefür die Übertragung vonHochspannungsstrom–sie könnenineiner Längevon bis zu19 Meterngeliefert werden.Links: sogenannteKokillenplatten werden in Osnabrückfür die Produktionvon Stahlhergestellt.


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

Wolfgang Kahlert und die erste und letzte Stunde

Der lange Weg zum Abbau Das Kernkraftwerk Lingen ist 1977 vom Netz gegangen: So funktioniert die Stilllegung VON NINA KALLMEIER

Elektroingenieur hat das Kernkraftwerk Emsland in Lingen mit aufgebaut / Als Leiter der Anlage legt er sie mit seinem Team jetzt zum Jahresende auch still

Das KKE ging am 19. April 1988 ans Netz. Genug Strom, um Lingener Bürger mehr als 5000 Jahre zu versorgen. Energieerzeugung am Standort im Emsland geht weiter VON THOMAS PERTZ LINGEN „18.58 Uhr.“ Zum Überlegen benötigt Wolfgang Kahlert keine Sekunde. Den exakten Zeitpunkt und natürlich auch das dazugehörige Datum am 14. April 1988 hat der Elektroingenieur abgespeichert. An jenem Donnerstag vor fast 34 Jahren erfolgte im Kernkraftwerk Emsland nach einer atomaren Kernspaltung die erste Kettenreaktion. Im Lingener Industriepark kam die Energieerzeugung in Gang. Fünf Tage später war der Reaktor mit dem Stromnetz verbunden. Kahlert, heute 63 Jahre alt, befand sich damals auf der Warte des Kern-

kraftwerkes, von wo aus die Anlage gesteuert wird. Dort wird er auch am 31. Dezember dieses Jahres stehen, wenn der Reaktor heruntergefahren wird und vom Netz geht – nicht wie jahrelang im Mai/Juni üblich lediglich zur Revision mit Brennelementewechsel. Dieses Mal ist es für immer. Dann ist auch der Atomausstieg in Deutschland im Rahmen der Energiewende vollendet.

„Da schwingt schon auch etwas Wehmut mit.“ Wolfgang Kahlert, Kraftwerksleiter

Arbeitetseit 1984am RWEStandortLingen: Elektroingenieur WolfgangKahlert. Foto: HelmutKramer

Lingens Kernkraftwerksleiter kommt gebürtig aus Werne an der Lippe, eine Stadt im Kreis Unna in Nordrhein-Westfalen. Schon Kahlerts Vater war im Kraftwerksgeschäft tätig. Die Faszination für den Kraftwerksbetrieb wuchs nach einer Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker weiter. Kahlert studierte deshalb Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Kraftwerkstechnik in Paderborn. 1984 begann er als junger Ingenieur beim damals im Bau befindlichen Reaktor in Lingen seine berufliche Laufbahn als Schichtleiter und Betriebsingenieur. In mehrjährigen Abständen übernahm Kahlert verschiedene Aufgaben in der Kraftwerksorganisation im KKE, darunter auch die des Kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten. Nach zwei Jahren Einsatz in der Zentrale leitete er anschließend fünf Jahre das Erdgaskraftwerk Emsland in Lingen, bevor er 2005 als Leiter Produktion und später Leiter Technik zur Kernenergie zurückfand. 2017 löste Kahlert seinen Vorgänger Jürgen Haag in der Leitung des Reaktors ab. Nun endet der Leistungsbetrieb der Anlage definitiv – ein komisches Gefühl? „Da schwingt schon auch et-

Im emsländischen Lingen wird am 31. Dezember 2022 Geschichte geschrieben: Neben den Kernkraftwerken Isar 2 und Neckarwestheim 2 ist das Kraftwerk Emsland das letzte in Betrieb befindliche Kernkraftwerk in Deutschland. Die Anlagen in Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen, Block C (Bayern) sind bereits im Dezember 2021 vom Netz gegangen. Wie lange es jedoch dauern kann, bis ein Kraftwerk zurückgebaut ist, zeigt eine zweite Anlage in Lingen unweit des Kraftwerks Emsland. 1968 war das Kernkraftwerk Lingen (KWL) eine der ersten kerntechnischen Anlagen, die Strom ins öffentliche Netz eingespeist haben. Eine Demonstrationsanlage mit einer Bruttoleistung von rund 264 Megawatt (MW). Bei der Fertigstellung war die Freude noch groß. Nach gerade einmal 48 Monaten Bauzeit ging der Meiler ans Netz – Weltrekord, wie unsere Zeitung vermeldete. Allerdings hielt die Freude nur kurz: Lediglich knapp zehn Jahre lang wurde im Kernkraftwerk Lingen Strom produziert – insgesamt rund elf Millionen Megawattstunden, so viel, wie das benachbarte Kernkraftwerk Emsland pro Jahr produziert hat. Aufgrund technischer Probleme und eines Schadens im Dampfumformersystem wurde das Kraftwerk am 5. Januar 1977 abgeschaltet. Von außen hat sich seither in den vergangenen 45 Jahren wenig verändert. Die Reaktorkuppel an der Schüttorfer Straße ragt noch immer in den Himmel. Seit 1988 befindet sich das Kraftwerk im sogenannten sicheren Einschluss – ein zur damaligen Zeit etabliertes Verfahren zur Stilllegung. Sämtliche Eingänge wurden zugemauert, Kabel und Rohre gekappt. Die sicherheitstechnischen Systeme wurden in einen stabilen Zustand gesetzt mit dem Ziel, den späteren Abbau durch das Abklingen der Radioaktivität zu erleichtern. „Heutzutage bietet das Atomgesetz die Option nicht mehr“, sagt Kraftwerksleiter Andreas Friehe. Erst vor sieben Jahren ist der Rückbau gestartet. „Seit Dezember 2015 liegt beim KWL die Genehmigung für das erste Teilprojekt zum Abbau von kontaminierten und nicht kontaminierten Anlagenteilen vor. Seitdem findet der Rückbau auch konkret in der Anlage statt“, sagt Friehe. Zu dem Zeitpunkt waren allerdings schon keine Brennelemente mehr im Kraftwerk. Das letzte wurde bereits 1986 aus der Anlage abtransportiert und zur Wiederaufbereitung ins britische Sellafield gebracht. Zuvor wurden sie zeitweise in einem sogenannten Abklingbecken eingelagert. LINGEN

Ende desJahres istSchluss, danngehtauchdasKernkraftwerkEmslandin Lingen vomNetz.

was Wehmut mit“, blickt Kahlert auf den Silvesterabend 2022. „Aber in erster Linie ist es der Stolz darauf, was die gesamte Mannschaft hier im Kernkraftwerk über die vielen Jahre hinweg geleistet hat“, hebt der Ingenieur hervor. Der 1400-Megawatt-Block produziert nach Angaben von Betreiber RWE jährlich rund elf Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom. 380 Milliarden kWh sind es inzwischen. Das würde nach seinen Angaben ausreichen, um die Bürger der Stadt Lingen mehr als 5000 Jahre mit Strom zu versorgen. Mit ihren Betriebsergebnissen habe die Anlage regelmäßig weltweit ein Spitzenniveau erreicht, sagt Kahlert. Das gilt nach seinen Worten auch für die Sicherheit. „Es hat in allen diesen Jahren nicht einen einzigen Störfall gegeben. Es gab meldepflichtige Ereignisse, aber keinen Störfall.“ Eine sehr gute Anlagentechnik und sehr hohe Anlagenverfügbarkeit, aber eben auch eine hervorragend qualifizierte Kraftwerksmannschaft seien dafür verantwortlich. Das muss auch weiterhin gelten, „bis zur letzten Megawattstunde“. Mit diesen Worten beschreibt Kahlert eine Sicherheitsphilosophie, die so tut, als gäbe es das Ausstiegs-

datum 31.12.2022 gar nicht: „Wir bereiten die Revision im Mai mit der gleichen Akribie vor, wie wir es in den vergangenen Jahren auch gemacht haben“, erklärt der Kraftwerksleiter. Ein letztes Mal erfolgt im Frühjahr ein Austausch der Brennelemente, die nach ihrer Betriebszeit zunächst im Brennelementlagerbecken und später, in Castoren verpackt, im wenige Meter entfernten Standort-Zwischenlager untergebracht werden. Bei der Revision wird die Anlage gemäß den gesetzlichen Vorgaben geprüft und dann für die verbliebenen Monate des Jahres wieder ans Netz gehen – bis zum Jahresende. Anders als in Deutschland ist die Kerntechnologie international zunehmend gefragt. Je schwieriger es wird, die Klimaziele zu erreichen, umso stärker rückt die Atomkraft zur Energiegewinnung wieder in den Fokus. Denn die Kernkraft liegt beim CO2-Ausstoß pro erzeugte Kilowattstunde Strom deutlich hinter Kohle und Gas. Weltweit setzen deshalb viele Staaten auf den Ausbau der Kernenergie, in Europa sind es vor allem die Franzosen. „Man muss das akzeptieren“, kommentiert Kahlert kurz und knapp den deutschen Ausstiegsbeschluss

Foto:CarstenvanBevern

aus der Atomenergie. Entsprechend neu ausgerichtet hat sich der Energiekonzern RWE: Er fokussiert sich inzwischen auf Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, vor allem auf Windkraft und Fotovoltaik. Hier ist RWE nach eigenen Angaben zum „Super Player“ der erneuerbaren Energien aufgestiegen. „Wir haben ein Ziel: 2040 klimaneutral zu sein. Dafür reduzieren wir unseren CO2-Ausstoß möglichst schnell und stark, indem wir konventionelle Kraftwerke systematisch zurückfahren“, heißt es vonseiten des Unternehmens. Entsprechend handelt RWE auch am Energiestandort Lingen, dem RWE auch nach dem 31. Dezember weiter verbunden bleibt – nicht nur durch das Erdgaskraftwerk wenige Kilometer vom dann abgeschalteten Kernkraftwerk entfernt. Der Energieriese plant unter anderem eine Elektrolyseanlage im Industriepark, die es in einer solchen Größe weltweit noch nicht gibt. 100 Millionen Euro möchte das Unternehmen im ersten Schritt investieren. Der Energieträger Wasserstoff spielt in der Strategie der Klimaneutralität von RWE eine wichtige Rolle: Es geht um die Erzeugung des Was-

serstoffs aus regenerativen Energien, die Speicherung und den Transport des Energieträgers und die Umstellung der Gaskraftwerke auf Wasserstoff. Lingen als jahrzehntelanger Energiestandort mit entsprechender Infrastruktur kommt hier eine Schlüsselrolle zu. „Das ist doch eine schöne Entwicklung: Das Kernkraftwerk wird zwar abgeschaltet, aber die

Jährlich werden elf Milliarden Kilowattstunden Strom produziert.

Coupé oder SUV? Warum nicht beides?

Energieerzeugung geht hier weiter“, freut sich Kahlert. Nicht nur die Aufgaben für den Leistungsbetrieb bis Ende dieses Jahres stehen derzeit auf der Agenda. Schon jetzt laufen die Vorbereitungen zum Rückbau des Reaktors im Hintergrund. Sichtbar werden sie im nächsten Jahr. Zur Sicherstellung eines unverzüglichen Rückbaus möchte die RWE ein Technologie- und Logistikgebäude (TLE) auf dem Gelände des KKE bauen. Das 109 Meter lange, 28 Meter breite und 17 Meter hohe Gebäude soll laut Kahlert im ersten/zweiten Quartal 2024 betriebsbereit sein und Material aus dem KKE sowie aus dem bereits am 5. Januar 1979 stillgelegten Kernkraftwerk Lingen aufnehmen. Dazu zählen zerlegte Pumpen, Rohrleitungen und diverse andere anlagentechnische Komponenten, Muttern, Schrauben und weitere Baumaterialien. Der Rückbau soll bis Ende 2038 vollzogen sein – also klar nicht mehr zur aktiven Zeit des Kraftwerksleiters. Aktiv bleiben will der 63-Jährige gleichwohl, aber dann eben auf andere Art: mit dem Golfschläger zum Beispiel, ein Hobby, das Kahlert beim Golfclub Emstal als Ausgleich für einen herausfordernden Job betreibt.

Offizielle Übergabe des Kernkraftwerkes 1968: Niedersachsens damaliger Wirtschaftsminister Karl Möller und IHK-Präsident Dr. Beckmann an einem der Schaltpulte in der Messwarte des Atomkraftwerkes. Foto:Kurt Löckmann

Abschied von der Atomkraft Brokdorf Ende 2021

Nordsee Brunsbüttel Abschaltung 2011

Ostsee

Krümmel 2011

Unterweser 2011 Emsland Ende 2022

14

Reaktoren seit 2011 stufenweise abgeschaltet

3

Reaktoren in Betrieb

Grohnde Ende 2021

DEUTSCHLAND Biblis B 2011 Biblis A 2011 Philippsburg 1 2011

Grafenrheinfeld 2015

Philippsburg 2 2019

Neckarwestheim 1 2011 Neckarwestheim 2 Ende 2022

Isar 1 2011 Isar 2 Ende 2022 Gundremmingen C Ende 2021 Gundremmingen B 2017

Quelle: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung · Grafik: dpa/NOZ Medien

Heute sind noch rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim KWL beschäftigt. Und sie sind nicht die Einzigen auf dem Anlagengelände. Hinzu kommen durch die Vielzahl unterschiedlicher Projekte die Mitarbeiter von Partnerfirmen. Je nach Projektlage kommen so täglich bis zu 100 Personen im

Schichtbetrieb zusätzlich auf die Anlage. Der Rückbau einer kerntechnischen Anlage ist RWE zufolge ein spannendes, aber auch herausforderndes Projekt. „Der Rückbau geschieht von innen nach außen, das heißt, wir fangen mit Anlagenteilen im Inneren des KWL an. Die äußere

Hülle des Kraftwerks ist das Letzte, was entfernt wird“, erklärt der Kraftwerksleiter. Eine der bisher größten Herausforderungen sei der Ausbau der Dampfumformer gewesen. Diese rund 155 Tonnen schweren und 16 Meter langen Anlagenteile wurden erst im vergangenen Herbst mithilfe eines Krans in Millimeterarbeit aus dem Kraftwerk gehievt. Während der Betriebszeit des KWL wurde in den beiden Dampfumformern die aus dem Siedewasserreaktor entstehende Wärmeenergie mittels Dampf an ein zweites System übertragen, um so eine Turbine zur Stromerzeugung anzutreiben. Das ging nicht von heute auf morgen. Die Vorbereitungen für dieses Projekt liefen seit April 2018: Dabei ging es vor allem um die Art und Weise des Aushubs, die Sicherheit der Beschäftigten und um die notwendigen Genehmigungen. Zunächst wurden die Dampfumformer von allen anderen Systemen getrennt, im Kontrollbereich aus der Verankerung gelöst und horizontal gekippt. Eine der kommenden Herausforderungen ist RWE zufolge der Rückbau des Reaktordruckgefäßes. Es ist das zweite Teilprojekt des Rückbaus, für das die letzte Genehmigung erst im Sommer vergangenen Jahres kam. Es ist – ebenso wie der biologische Schild – eines der aktivierten Bauteile des Kraftwerks. Das bedeutet, dass sie die Radioaktivität in die Materialstruktur aufgenommen haben. Dieser Rückbau wird dem ehemaligen Betreiber zufolge noch bis Mitte der 2020er-Jahre dauern. Erst danach ist eine Entlassung aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes möglich. Anschließend folgt der konventionelle Abriss der Gebäude. Ein konkretes Datum für das Beenden des Rückbaus gibt es noch nicht. Insgesamt rund 59 000 Tonnen müssen abgebaut werden. „Fast 95 Prozent des KWL sind Beton und Bauschutt, die direkt weiterverwertet werden können. Die restlichen fünf Prozent können nach dem Durchlaufen von Reinigungsprozessen – man spricht von Dekontaminationsverfahren – ebenfalls freigegeben werden“, erklärt Friehe. Bei aktivierten Materialien ist das anders. Sie können nicht dekontaminiert werden. „Wir rechnen damit, insgesamt nur rund 1500 Tonnen radioaktives Material für die Endlagerung zu haben – als nur rund drei Prozent der Gesamtmasse“, so der Kraftwerksleiter. Diese würden dem Bund übergeben und dem genehmigten Endlager Schacht Konrad zugeführt. Was die Kosten des Rückbaus angeht, so rechnet RWE damit, dass diese sich am Ende auf einen kleinen dreistelligen Millionenbetrag belaufen werden.

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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

MACHER & MÄRKTE

Solarenergie für die Resteentsorgung Glandorfer Firma AGU entwickelt netzunabhängige Energiestation / Jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Müllpressen

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN GLANDORF Frank Greshake ist Unternehmer. Nicht notgedrungen, sondern mit Leidenschaft, Sorgfalt und Begeisterung für die Sache. Man merkt es schon daran, wie er per Videokonferenz durch sein Glandorfer Familienunternehmen AGU führt (ArbeitsGemeinschaft Umwelttechnik). „Sehen Sie sich diese Schnittkanten an“, sagt der 50-jährige Bauschlosser, Außenhandelskaufmann und Industriemeister. Stolz präsentiert er einige blitzblanke und perfekt geschnittene Stahlelemente. Bei AGU werde nur hochfester Qualitätsstahl verarbeitet, so Greshake. Mit aktuell sieben Mitarbeitern produziert er Abfallpressen für kleine und mittelständische Unternehmen. Die Maschinen seien sehr langlebig. Modelle, die vor 30 Jahren gebaut worden seien, seien noch im täglichen Einsatz. „Unsere langjährige Zusammenarbeit mit wenigen, guten Lieferanten stellt sicher, dass wir unsere Kunden lange mit Ersatzteilen versorgen können“, so der Glandorfer Unternehmer. Zu den Partnern gehöre beispielsweise eine Verzinkerei in Westerkappeln, mit der man seit 30 Jahren kooperiere. Greshakes Vater Manfred hat den hoch spezialisierten Maschinenbauer ab Mitte der Achtzigerjahre aufgebaut. Mit seinen Abfallpressen konzentrierte er sich auf den Restmüll. Für Materialien wie Papier und Pappe oder Folien gab es bereits kleine Pressen. Im Jahr 2000 übernahm sein Sohn Frank die Bereiche Produktion und Service bei AGU, einige Jahre später den gesamten Betrieb. Von Mitte 2006 bis Oktober 2017 befand sich die Fertigung in Bad Iburg, seit November 2017 in Glandorf. Bis auf die deutlich größere Produktionshalle sei das Gebäude nach Passivhaus-Standard gebaut, so Greshake, geheizt wird mit Luftwärmepumpen. Der in der

MitSorgfalt schweißtein MitarbeiterderGlandorfer FirmaAGUeineMüllpressezusammen.

Produktion benötigte Strom kommt von der eigenen Fotovoltaikanlage. Der Jahresumsatz des Unternehmens schwankt in der Regel zwischen 500 000 und 550 000 Euro. Die Qualität aus Glandorf gibt es nicht zu Dumping-Preisen, daraus macht Greshake kein Geheimnis, man sei nicht billig. Wettbewerber würden oft im Ausland

„Earth Plug“ nennt AGU diese netzunabhängige Energiestation, die ihre Power aus Fotovoltaikmodulen bezieht und in einem Batteriesystem speichert. Ursprünglich für den Betrieb von Müllpressenentwickelt,eignetsiesichzumBeispielauchalsLadestationfürE-Bikes.

fertigen, und könnten so preisgünstiger anbieten. Das Prädikat „100% made in Germany“ sei aber nur gerechtfertigt, wenn die Qualität an jedem einzelnen Produktionsabschnitt überprüfbar sei. „Auf alles, was wir selbst herstellen, geben wir vier Jahre Gewährleistung“, sagt der AGU-Geschäftsführer, „wenn die Maschinen durch uns gewartet werden, sogar sechs Jahre. Bis dahin hat sich eine Maschine für den Kunden längst amortisiert. Wir gehen eher von einer Amortisationszeit von maximal drei Jahren aus.“ Er nennt ein Beispiel: Bei einem Hotel mit 50 Betten entstehe ein hohes Restmüllaufkommen. Das werde durch den Entsorger nach Volumen abgerechnet. „Angenommen, das Hotel benötigt vier Behälter mit je 1,1 Kubikmeter Volumen“, so Greshake, „dann kann unsere Maschine das Volumen derart komprimieren, dass sich drei Behälter einsparen lassen.“ Im bundesweiten Vergleich koste die Entleerung eines Containers durchschnittlich mindestens 1500 Euro pro Jahr, bei vier Containern wären das 6000 Euro jährlich. Wenn der Hotelier stattdessen nur einen Container benötige, spare er also 4500 Euro im Jahr. Die entsprechende Abfallpresse von AGU koste 5500 Euro, argumentiert der Maschinenbauer: „Es würde in diesem Fall also nicht einmal eineinhalb Jahre dauern, bis sie sich bezahlt gemacht hätte.“ Die Maschinen müssten eine Reihe von Parametern einhalten, sagt er. Es müsse zum Beispiel gewährleistet sein, dass sie sich nicht im Abfallbehälter verklemmten. Außerdem gebe es Grenzwerte beim zulässigen Gesamtgewicht eines Containers. Der Fokus im Produktsortiment von AGU liegt weiterhin auf dem Bereich Restmüll, die meisten Kunden kommen aus Hotellerie, Gastronomie und Altenpflege.

Fotos:AGU

„Neben den hohen Kosten gibt es hier oft Probleme mit den Gerüchen der Abfälle, weil häufig Speisereste enthalten sind oder auch Inkontinenzmaterial wie Windeln“, erklärt Greshake, „das stinkt dann nicht nur – im Sommer bilden sich auch Maden. Mit einigen unserer Pressen kann man den Abfall in extra dickwandige Kunststoffsäcke verdichten. Wenn

„Auf alles, was wir selbst herstellen, geben wir vier Jahre Gewährleistung.“ Frank Greshake, AGU-Chef

die verschlossen werden, reduzieren sich Geruch und Madenbildung. Die Flüssigkeiten stehen nicht mehr im Container, sondern bleiben im Sack.“ Weil ein großer Teil der Kunden schwer von der Corona-Krise betroffen ist, kam es bei AGU in den letzten Monaten zu einem starken Einbruch der Nachfrage. „Wir mussten uns etwas einfallen lassen“, sagt Frank Greshake. Verschiedene Kunden hatten ihn in der Vergangenheit darauf angesprochen, ob sich die Müllpresse nicht weiter entfernt vom Haus aufstellen ließe. Dort gibt es allerdings oft keinen Stromanschluss. Aus dieser Problemstellung entstand die Idee für den „Earth Plug“, eine netzunabhängige Energiestation. Das erste Modell war noch fest mit einer Müllpresse verbunden, seitdem wurde das System weiter verfeinert. Es besteht aus einem Dach mit Photovoltaikmodulen und einem Batteriesystem, das im Winter sogar beheizt werden kann, um die Funktion sicherzustellen. Eine Müllpresse

arbeite im Normalfall nur anderthalb Minuten. Das System erzeugt genug Leistung, um die Müllpresse mit 230V und einer Leistung von 1,5 Kilowatt zu betreiben. Es ist beliebig skalierbar und kann nicht nur für die Müllpressen zum Einsatz kommen. Beispielsweise sei es auch als Ladestation für EBikes geeignet, sagt Greshake, oder als Dach für einen Milchverkaufsautomaten. Aktuell liegen ihm Anfragen aus verschiedensten Richtungen vor. In der Werkshalle zeigt er einen Earth Plug, der als Dach und Stromversorgung einer Waage dient, die im Außenbereich eines Baumarkts zum Einsatz kommt. Greshake setzt alles daran, das Familienunternehmen heil durch die Krise zu bringen. Dazu würde eine Beruhigung des Marktes bei Hotellerie und Gastronomie entscheidend beitragen. Er hofft aber auch auf das Potenzial durch das neue Produkt Earth Plug. Damit will sich AGU breiter aufstellen, um weniger abhängig von einer einzelnen Branche zu sein.

SeitJahrzehnten im Geschäft:Frank Greshakehatdie Führungder Firma AGUschonMitte der2000erJahre vonseinemVater übernommenund dasUnternehmen seitdem erfolgreich weitergeführt.


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

MACHER & MÄRKTE

Tradition in siebter Generation Geräuchert und luftgetrocknet: Seit 1821 stellt Familie Klümper in Schüttorf westfälische Schinkenspezialitäten her

VON SEBASTIAN HAMEL Im Jahr 1821, als die Schinken-Manufaktur Klümper in Schüttorf ihren Betrieb aufnimmt, regiert König Friedrich Wilhelm III. das Königreich Preußen, in Amerika wird Missouri der 24. Bundesstaat der USA, und in Frankreich erblickt Louis Vuitton, Schöpfer der gleichnamigen Luxusmarke, das Licht der Welt: Mehr als 200 Jahre ist das nun her, und manche Modernisierung hat im Laufe dieser langen Zeit Einzug gehalten. Doch seinen Grundprinzipien bleibt der noch immer in Familienhand befindliche Betrieb Klümper nach wie vor treu. Der westfälische Knochenschinken, seit 2015 als „Edler Westfale“ vermarktet, ist dabei seit eh und je der „Hero“, sagt Geschäftsführerin und Inhaberin Andrea Moggert-Kemper. Gemeinsam mit Heinrich-Eckhard Klümper leitet sie das Grafschafter Unternehmen nunmehr in siebter Generation und trägt dafür Sorge, den Betrieb angesichts der Herausforderungen des Marktes und einer sich wandelnden Ernährungskultur in sicherem Fahrwasser zur halten. Ein kurzer geschichtlicher Abriss: Als „Spezial-Schinken-SalzRäucherei“ geht die Firma Klümper seinerzeit an den Start und erfährt in den darauffolgenden Jahrzehnten einen kontinuierlichen Ausbau. Eine Zäsur im Wachstum muss das Unternehmen im Zuge des Zweiten Weltkriegs hinnehmen, als die Produktion zunächst eingeschränkt, zwangsweise auf die Versorgung der Wehrmacht umgestellt und schließlich ganz eingestellt wird. Nach der Wiederaufnahme der Arbeit 1950 setzt sich der Aufwärtstrend fort. Ein entscheidender Meilenstein folgt in den Jahren 1983/84: War die Produktion bis dahin gut 160 Jahre lang im Stadtzentrum von Schüttorf angesiedelt, wird nun eine neue Betriebsstätte im Industriegebiet mit 6800 Quadratmeter Produktionsfläche errichtet und bezogen; der Umsatz steigert sich danach innerhalb von drei Jahren um mehr als 80 Prozent. Seit 2015 besteht eine 50-prozentige Beteiligung an der damals neu gegründeten Firma Schwarzwaldhaus. Auch heute noch ist die „H. Klümper GmbH & Co. KG“, so der offizielle Firmenname, am Standort an der Niedersachsenstraße in Schüttorf ansässig. Rund 125 Beschäftigte gehen dort ihrer Tätigkeit nach, der Frauenanteil beträgt 50 Prozent. Jede Woche werden 21 000 sogenannte Schinkenzuschnitte angeliefert und verarbeitet – geschlachtet wurde im Hause Klümper nie. Arbeit gibt es dennoch genug: So sind etwa 25 verschiedene Handgriffe erforderlich, SCHÜTTORF

Modernste Kühlanlagen sindfürdie Qualität derSchinkenprodukteunerlässlich. Foto: André W. Sobott

Handwerk mitlangerTradition:InSchüttorf reifen imBetriebderFamilieKlümperseitmehrals200Jahren Schinkenheran.

bis aus der Rohware ein echter westfälischer Knochenschinken entsteht. „Westfalen liegt nicht nur in unmittelbarer Nähe: Im Jahr der Firmengründung gehörte Schüttorf selbst noch zu Westfalen“, erklärt Andrea Moggert-Kemper die Verbundenheit mit dieser Tradition.

„Schinken ist ein natürliches, ehrliches Produkt.“ Andrea Moggert-Kemper, Geschäftsführerin

Klümper liefert seine Produkte fast ausschließlich an den Großund Einzelhandel. Seit 1988 wird allerdings auch dienstags und freitags jeweils am Vormittag ein Werksverkauf angeboten. Von den jährlich produzierten 3500 Tonnen Fleischerzeugnissen entfallen 60 Prozent auf das Selbstbedienungssegment, 30 Prozent sind sogenannte Bedienungsware für die Fleischtheke, und die übrigen 10 Prozent machen Schinkenwürfel und -streifen aus. „Eine Besonderheit unseres Unternehmens ist, dass wir sowohl räuchern als auch lufttrocknen können. Damit heben wir uns von vielen Marktbegleitern ab“, betont Moggert-Kemper. Insgesamt 28 Produktmarken umfasst das Sortiment, wovon 40 Prozent direkt unter dem Namen Klümper und 60 Prozent als Eigenmarken der jeweiligen Händler verkauft werden. Beachtlich: Der Exportanteil liegt bei mehr als einem Fünftel der gesamten Ware, allein sechs Prozent gehen in die USA. Gerade die Nachfahren deutscher Einwanderer wüssten bis heute die tra-

Foto: Joern Neumann

Führen den Traditonsbetrieb Klümper in siebter Generation: Andrea Moggert-Kemper und Heinrich-EckhardKlümper. Foto: Joern Neumann

ditionelle Kost aus deutscher Herstellung zu schätzen, so die Klümper-Geschäftsführerin. Für den USMarkt muss das Schüttorfer Unternehmen spezielle Standards erfüllen – doch auch abseits dessen sind die Qualitätsansprüche freilich hoch: So ist Klümper etwa seit 2004 Mitglied der „Schutzgemeinschaft westfälische Schinken- und Wurstspezialitäten e.V.“, die wiederum ganz eigene Anforderungen stellt. Regelmäßige Kontrollen ist der Betrieb daher gewohnt: „Es vergeht kein Monat ohne Prüfung“, sagt Andrea Moggert-Kemper. Durch immer strengere Gesetze habe sich auch der Aufwand für Zertifizierungen in der Vergangenheit stetig erhöht. Hohe Ansprüche stellt das Unternehmen allerdings auch an seine rund zehn Lieferanten: Ein respektvoller Umgang mit den Tieren, deren Fleisch in Schüttorf veredelt wird, stellt dabei ein wesentliches Kriterium dar. Und auch dem Thema Nachhaltigkeit misst Klümper eine große Bedeutung bei – insbesondere durch den Einsatz moderner, effizienter Technologien wie spezieller Kälteanlagen, eines eigenen Blockheizkraftwerks und einer Wärmerückgewinnungsanlage.

Mit den Aspekten Tierwohl und Umweltschutz soll auch einer gestiegenen Sensibilisierung der Kunden Rechnung getragen werden: „Der Verbraucher möchte ein gutes Gefühl haben, wenn er Fleisch isst“, sagt die Firmenchefin. Und die Zahl der Käufer, die bewusst nach der Maxime „Wenn es Fleisch gibt, dann muss die Qualität gut sein“ aus-

25 Handgriffe von der Rohware bis zum echten westfälischen Knochenschinken.

wählten, werde immer größer. Bei der Veredelung folgt man bei Klümper seit zwei Jahrhunderten demselben Prinzip: Nach der Eingangskontrolle wird das Fleisch zunächst gesalzen, um ihm Feuchtigkeit zu entziehen. In der anschließenden Brennphase – die nichts mit Feuer oder Ähnlichem zu tun hat – wird dem Salz Zeit gegeben, bis ins Innere des Fleisches einzuziehen. Danach kommt der Schinken entweder zum Räuchern in die Rauchkammer oder zum Lufttrocknen in die Klimakammer, dann folgt eine Nachreifephase. Schließlich gilt es, den Röhrenknochen aus dem Fleisch zu lösen, was laut Andrea Moggert-Kemper im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit ist. Zu guter Letzt wird der Schinken „entschwartet“. Ob man bei Klümper nun künftig eher auf die altbekannten „Heroes“ oder auf neue Formate setzt? „Beides!“, meint die Geschäftsführerin. Andere Gewürze oder Darreichungsformen – etwa Produkte wie „Bacon, ready to eat“ – ergänzen fortlaufend das Angebot. Dies spiegelt sich auch im Layout der Verpackungen wider: Während mit helleren Designs eher traditionelle Zielgruppen angesprochen werden sollen, sind dunklere Farben mehr auf jüngere Leute ausgerichtet. Vegane oder vegetarische Produkte ins Sortiment aufzunehmen steht bisher jedoch nicht zur Debatte: „Wir konzentrieren uns auf unsere Kernkompetenzen“, unterstreicht Andrea Moggert-Kemper. Ob sie denn selbst gerne Schinken isst? „Oh ja!“, sagt sie entschieden. „Schinken ist ein natürliches, ehrliches Produkt. Da ist nichts gemischt oder zusammengepresst.“ Darin sieht die Unternehmensinhaberin auch das Potenzial, um in Zukunft bestehen zu können: „Schinken ist eine Nische, es wird ihn immer geben. Und für uns ist entscheidend, uns durch besondere Kriterien auch weiterhin abzugrenzen.“


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PAPENBURG

Energie Know-how vom Twist für ganz Europa RKM-Arens Anlagenbau: Leistungen europaweit begehrt

MEPPEN

TWIST

LINGEN

In Bayern und im europäischen Ausland hat RKM-Arens bereits einige Geothermieanlagen zur Wärmeauskopplung und Stromgewinnung gebaut. In Niedersachsen gibt es solche Anlagen zwar bisher noch nicht, aber es werden immer mehr Aktivitäten auf den Weg gebracht, um diesen Zukunftsmarkt zur Energiegewinnung und zum Klimaschutz zu erschließen.

Das neue Bürogebäude von RKM-Arens Anlagenbau mit der Fertigungshalle, die in den kommenden Wochen in Betrieb genommen wird.

Zwar ist das Unternehmen RKM-Arens Anlagenbau GmbH tief verwurzelt im Emsland, unterwegs sind die Anlagenbauer aber in ganz Europa. Rund 200 Angestellte planen, bauen und warten für das Twister Unternehmen Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen und seit einiger Zeit auch geothermische Anlagen. Vom Kessel- und Rohrleitungsbau bis hin zur Inbetriebnahme von Anlagen sowie dem Kraftwerksservice reicht dabei das Spektrum.

Geschäftsführer das Unternehmen mit dem Rückenwind der Mitarbeiter nach vorn und legt dabei viel Wert auf moderne Unternehmensstrukturen. In nur vier Monaten stellte das Team nahezu alle analogen Prozesse um und erreichte die volle Digitalisierung aller Arbeitsabläufe. „Die Schnelligkeit und Effektivität hat uns sofort Arbeitserleichterung und bald auch Wettbewerbsvorteile verschafft“, berichtet der Firmenchef.

Foto: Krämer

„Wir wollen und wir können weiterwachsen,“ versichert Holdmann. Wie um das zu unterstreichen hat man sich zusätzlich auch an der kroatischen „Welding Piping Service d.o.o.“ beteiligt. „Mit der Investition in das Unternehmen ergeben sich viele Synergieeffekte und die Mitarbeiterkapazitäten für den Anlagenbau sind noch besser aufgestellt“, berichtet Bernd Holdmann.

Mit der Unternehmenszentrale auf dem Twist und Niederlassungen in Munster und Essen sowie Beteiligungen in Hengelo (Niederlande) und Kroatien ist der Anlagenbauer für die Zukunft bestens gerüstet. Die Planung, das Engineering, der Kessel- und Rohrleitungsbau sowie die Instandsetzung und Wartung von Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen machen das Hauptgeschäft aus.

Im Energiegeschäft ist aktuell viel Bewegung. Besonders im Bereich der Wärmeerzeugung. Eine in Deutschland noch viel zu wenig genutzte Energiequelle liegt für Holdmann in der Geothermie: „Die Wärme unseres Planeten reicht aus, um damit den Energiebedarf aller Menschen um etwa das zweieinhalbfache zu decken. Genutzt wird Geothermie jedoch bislang viel zu wenig. Der Anteil liegt unter zwei Prozent.“

Knapp 200 Beschäftigte sind für RKM-Arens tätig. Foto: RKM

Für das Engineering sind Projektleiter wie Michael Gebben zuständig. Foto: Grünhagen

Seit Ende letzten Jahres ist RKM-Arens daher Mitglied beim GeoEnergy Celle e.V., einem Netzwerk mit rund 50 nationalen und internationalen Unternehmen und Organisationen, die im Bereich Geothermie aktiv sind. „Wir sind europaweit am Bau von mehreren Geothermie-Anlagen beteiligt beziehungsweise beteiligt gewesen. Jetzt gilt es auch in Niedersachsen die Politik und die Wirtschaft zu überzeugen, die Erdwärme zu nutzen“, berichtet Bernd Holdmann. Tim van der Kamp, kaufmännischer Geschäftsführer von RKM-Arens, ergänzt, dass man bei allen Wachstums- und Zukunftsmärkten aber niemals die Bodenhaftung und das Tagesgeschäft aus den Augen verliert: „Als Unternehmen achten wir darauf wirtschaftlich immer auf soliden Beinen zu stehen. Wir wissen um unsere unternehmerische und soziale Verantwortung und bauen daher auf eine nachhaltige Entwicklung.“ Bernd Holdmann nickt zustimmend und ergänzt: „Wir sind und bleiben auch immer ein Ausbildungsbetrieb, der jungen Menschen eine Chance gibt und dafür sorgen möchte, dass junge Menschen sich im schönen Emsland eine Zukunft aufbauen können.“

Bernd Holdmann und Tim van der Kamp sind am Hauptsitz in Twist für die Geschäfte verantwortlich. Foto: Krämer

Geleitet wird das Unternehmen vom Gesellschafter und Geschäftsführer Bernd Holdmann. Der 56-jährige Macher begann seinen Weg als Unternehmer 2004 mit der Gründung der RKM Industrieservice GmbH in seiner Heimat in Munster im Heidekreis. Rohrleitungsbau, Kraftwerksservice und Montagen waren das Hauptgeschäft. Im Emsland beschäftigte sich die Firma Th. Arens Anlagenbau GmbH seit den 1980er Jahren mit denselben Themen. Als dessen Geschäftsführer kürzertreten wollte, sieht Holdmann eine Gelegenheit zum Wachstum und Ausbau des Geschäftsmodells: „Unseren Betrieben ging es ja ähnlich: Wir waren zu klein, um die ganz großen Anlagen zu machen, aber gleichzeitig zu groß, um nur die kleineren zu bedienen.“ 2017 übernahm Holdmann das emsländische Unternehmen und entschied sich für Twist als zukünftige Firmenzentrale. „Mir hat es auf dem Twist ab der ersten Minute gefallen“, erinnert er sich. „Ich wusste sofort, dass wir hier viel bewegen können, weil wir nicht nur eine gute und motivierte Belegschaft vorfanden, sondern auch von der Gemeinde Twist unterstützt wurden. Die Emsländer haben eine unkomplizierte und zupackende Mentalität, mit der man vieles bewegen kann.“ Und so treibt der neue

Rund 11 Millionen Euro hat der Unternehmer in den vergangenen Jahren in die RKM-Arens Anlagenbau GmbH investiert, den Großteil davon in die Unternehmenszentrale auf dem Twist. Das alte Bürogebäude wurde umfangreich saniert und um einen neuen Komplex erweitert, sodass dort nunmehr Platz für etwa 40 Mitarbeiter zur Verfügung steht, und zwar mit eigener Energieversorgung, einem klimaneutralen Blockheizkraftwerk. Gekühlt und geheizt wird über die Decken – ohne Klimaanlage. Derzeit entsteht zudem eine rund 3.000 Quadratmeter große Fertigungshalle. Sechs Kräne zu je zehn Tonnen werden unter dem 14 Meter hohen Dach zum Einsatz kommen. Rund 600 Quadratmeter stützenfreie Montagefläche stehen der Fertigung dann zur Verfügung. Nagelneue Maschinen – darunter eine Plasmamaschine, ein digitales Bohrwerk und eine hydraulische Kantbank sollen für einen produktiven wie komfortablen Arbeitsalltag sorgen.

Der Auszubildende Steven Jaske freut sich auf noch mehr Lernmöglichkeiten in der neuen Produktionshalle. Foto: Krämer

RKM–Arens Anlagenbau GmbH Dieselstraße 15 D-49767 Twist Tel.: +49 5936 9361-0 Fax: +49 5936 9361-20 mail@arens-anlagenbau.com www.arens-anlagenbau.de


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GELD & GESCHÄFT

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Emsland – das Sorgenkind Deutschlands In keiner anderen Region ist der Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge der Fachkräftemangel größer

Nicht nur Azubis, auch Akademiker und Zuwanderer fehlen. VON NINA KALLMEIER MEPPEN/LINGEN/PAPENBURG/ NORDHORN Vom „Armenhaus

der Republik“ zum „Fachkräfte-Sorgenkind“? Die Auswertung des Instutus der deutschen Wirtschaft (IW) ist deutlich: Nicht der Osten Deutschlands, der landläufig oft mit wenig attraktiven Arbeitsplätzen in Verbindung gebracht wird, liegt hinsichtlich fehlender Fachkräfte an erster Stelle. Das Sorgenkind der Nation ist ganz wo anders: in Niedersachsen. Seit Jahren, so IW-Analyst Alexander Burstedde, stechen das Emsland und die Grafschaft Bentheim in Sachen Fachkräftemangel negativer heraus. Dabei ist die Werbebotschaft des Emslands mit seinen fast 330 000 Einwohnern, rund 13 000 registierten Betrieben und mehr als 140 000 Beschäftigten klar: „Wachstumsregion“, „Zuhause bei den Machern“. Doch all das ohne ausreichend Fachkräfte? Als Kennzahl zum Vergleich definiert das IW die Stellenüberhangsquote – also den Anteil der offenen Stellen, für die es in der Region keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt. Im Bezirk der Agentur für Arbeit Nordhorn, der das Emsland und die Grafschaft Bentheim erfasst, liegt diese Quote bei mehr als 60 Prozent. Zum Vergleich: Der bundesweite Schnitt lag 2021 bei knapp unter 30 Prozent. Dass gerade im Emsland so viele Fachkräfte fehlen, überrascht Dirk Lüerßen, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Ems-Achse, nicht. „Wir hatten 2009 bei der Agentur für Arbeit eine Beschäftigungsprojektion in Auftrag gegeben. Die besagte: Bis 2025 werden rund 30 000 Fachkräfte fehlen. Seither hat sich die Situation nicht verbessert, im Gegenteil.“ Aktuelle Umfrage bestätigen immer wieder eines: Unternehmer schätzen den Fachkräftemangel als größeres Risiko ein als Lieferengpässe oder die Corona-Pandemie. Und die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt weiter, was die Situation verschärft, bestätigt die Agentur für Arbeit Nordhorn. Eine Verbesserung der Lage sei nicht in Sicht. Es werde in vielen Branchen noch schwieriger, Arbeitsstellen mit dem passenden Personal zu besetzen. Wie beim Klima-Spezialisten Kampmann aus Lingen mit seinen weltweit mehr als 1000 Mitarbeitern unter dem Dach der Kampmann Gruppe. „Je spezifischer das Aufgabenfeld einer Stelle ist, desto schwierigier ist es, Fachkräfte zu finden“, sagt Markus Overberg, Head of Human Resources der Kampmann Gruppe. Das gelte für alle Geschäftsbereiche. „Ein Beispiel im gewerblich-technischen Bereich sind Berufe der Fachrichtung Elektrik. Aber auch Vakanzen im Vertriebsaußendienst sind anspruchsvoll und sprechen eine sehr spitze Zielgruppe an.“ Entsprechend lange bleiben Stellen unbesetzt. Gibt es Interessenten, sei es oftmals von der Kündigungs-

„Je spezifischer das Aufgabenfeld einer Stelle ist, desto schwieriger ist es, Fachkräfte zu finden.“ Markus Overberg, Head of Human Resources Kampmann Gruppe

Flensburg

Stellenüberhangsquote Anteil der offenen Stellen, für die es in der Region keine passend qualifiziertenn Arbeitslosen gibt.

Neumünster

Heide

Quelle: IW Fachkräftedatenbank

_ 60 % < _ 50 % < _ 40 % < _ 30 % < _ 20 % < _ 10 % <

Lübeck

Bad Oldesloe

HH

Oldenburg Bremen

Greifswald

Rostock

Elmshorn

Stade

Emden

Stralsund

Kiel

Neubrandenburg

Schwerin

Eberswalde

Lüneburg Neuruppin

Vechta

Celle

Nienburg

Stendal

Nordhorn

Hannover

Gelsenkirchen Oberhausen

Rheine

Duisburg

Osnabrück Herford

RE

Krefeld MG

D

Hagen

ME

Erfurt

Koblenz

Saarland

Montabaur Wiesbaden

Bad Kreuznach

Hanau

Bad OF HomAB Mainz burg Darmstadt LU

Landau

Karlsruhe

Stuttgart Nagold Offenburg

Zwickau

C

Pirna

Annaberg

Weiden

N

Schwandorf

Regensburg

Waiblingen

Aalen

Göppingen

Reutlingen Balingen

DD Freiberg

Ansbach

Heilbronn LB

Mannheim

schule direkt neben dem Unternehmensgelände als einen Vorzug, mit dem das Unternehmen werbe. Auf der anderen Seite sind Firmennamen wie Tesla, Siemens oder Bosch bekannter als Hidden Champions aus dem Emsland. „Das führt dazu, dass unsere Unternehmen sich noch mehr anstrengen müssen, um auf sich aufmerksam zu machen“, so Lüerßen. Und wenn sie das schaffen, mache es die periphere Lage nicht einfacher, Beschäftigte für die Region zu begeistern. „Wer die freie Wahl hat, den zieht es oft dichter an die Ballungszentren und deren Speckgürtel. Bei uns ist alles etwas weiter weg.“ Was Burstedde zufolge dem Emsland mehr als anderen Regionen fehlt, sind Hochschulabbsolventen, in Sachen Ausbildung steht die Region gar nicht so schlecht da. „Selbst der größte Teil Mecklenburg-Vorpommerns hat mehr Akademiker“, so der IW-Analyst. Auch das hänge unter anderem mit der Wirtschaftsstruktur zusammen. Dabei kämen mit Hochschulabsolventen oft auch Innovationen in die Regionen. Eine eigene Stiftungsprofessur an der Universität Osnabrück, Industriepromotionen, Stipendien und Förderpreise – so will unter anderem Rosen frühzeitig Kontakt zu potenziellen Bewerbern herstellen. Dirk Lüerßen sieht durchaus Potenzial, dass sich die Zahl der Akademiker in der Region künftig erhöhen könnte. „Die Hochschule Lingen wird mehr und mehr zum Anker. Aber das zahlt sich noch nicht aus.“ Ein positiver Nebeneffekt für Arbeitnehmer wäre: Steigt die Zahl der Akademiker, steigt auch das Lohnniveau in der Region, betont Burstedde.

Bamberg

Würzburg

Schwäbisch Hall

Heidelberg

Bautzen

Riesa

Bayreuth

Fürth

Kaiserslautern

Oschatz

Plauen

Schweinfurt

F

L

Altenburg

Suhl

Bad Hersfeld

Gießen

Limburg

Halle

Jena

Marburg Neuwied

Cottbus

Dessau

Weißenfels

Gotha

Siegen

Bonn

Trier

Sangerhausen Nordhausen

Kassel

Potsdam

Bernburg

Halberstadt

Göttingen

Korbach

BG

Brühl

Braunschweig

Meschede

Iserlohn

SG

Köln

Aachen

Paderborn

Hamm BO DO

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Hameln

Ahlen- Bielefeld Detmold Münster

Coesfeld Wesel

Magdeburg Hildesheim

Frankfurt (Oder)

Berlin

Helmstedt

Deggendorf Passau

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Wirtschaftsstruktur des Emslands ist ein Faktor.

frist des Bewerbers abhängig, wann die Vakanz gefüllt werden könne, so Overberg. „Ein halbes Jahr kann hier durchaus einkalkuliert werden.“ Aufgrund der Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt komme es kaum noch vor, dass ein Interessent unmittelbar verfügbar sei. Gleiches gilt für die Rosen Gruppe in Lingen, die unter anderem gut zwei Drittel der weltweit inspizierten Rohrleitungskilometer in der Öl- und Gasindustrie untersucht. Abhängig von der Funktion und dem Hierarchielevel könnten Stellen zwischen drei und acht Monaten unbesetzt bleiben, heißt es seitens des Unternehmens. Tendenz steigend, und das nicht nur im emsländischen Lingen, sondern weltweit. Auch die Rekrutierungskosten würden sich erhöhen. Abgesehen vom Wachstum der Wirtschaftsbetriebe – nicht nur im Ausland, wie Dirk Lüerßen betont, sondern insbesondere im Emsland, wo sie verwurzelt seien –, hat die herausstechende Lage des Emslands in Sachen Fachkräftemangel auch mit der Wirtschaftsstruktur der Region zu tun, sagt IW-Analyst Burstedde. Der Schwerpunkt liegt im verarbeitenden Gewerbe, auf der Industrie. Entsprechend ist in diesem Bereich – anders als in anderen Regionen Deutschlands – der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt. „Klar, an der Pflege kommt man in den wenigsten Regionen vorbei. Was den Fachkräftemangel angeht, steht die Branche im Emsland aber nicht an Nummer 1“, so Burstedde. Vertriebsspezialisten, Fachkräfte im Bereich Maschinenbau- und Betriebstechnik oder auch Berufskraftfahrer – in diesen Bereichen war die Differenz zwischen der Anzahl der Stellen und qualifizierten Arbeitslosen besonders groß. Die Fachkraft in der Altenpflege folgt erst auf Rang 9. Für Dirk Lüerßen ist noch ein anderer Faktor entscheidend, der ebenfalls mit der Struktur der Wirtschaft im Emsland zu tun hat: Die emsländische Wirtschaft ist mittelständisch geprägt. Sie ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es genau diese Mittelstands-DNA, mit flachen Hierarchien und „Duz-Kultur“, New-Work-Konzepten und flexiblen Arbeitszeitmodellen, auf die Markus Overberg bei Kampmann im Recruiting setzt. Rosen ergänzt das Angebot einer eigenen zweisprachigen Ganztags-Kindertagesstätte und Grund-

Do n

Für 60 Prozent der offenen Stellen gibt es keine Bewerber.

Landshut

Augsburg

Freising

Ulm M

Rottweil

Traunstein

Freiburg Lörrach

Konstanz

Ein weiterer Faktor begünstigt dem IW-Analysten zufolge den überdurchschnittlichen Fachkräftemangel: ein unterdurchschnittlicher Ausländeranteil. Es fehlt der Zuzug. „Auch wenn es im Emsland viele Jugendliche und Kinder gibt, ohne Zuwanderung wird sich die Fachkräfteproblematik nicht verbessern“, warnt er. Hier brauche es nicht nur „Macher“, mit denen das Emsland wirbt, sondern auch „Kümmerer“, sagt Dirk Lüerßen, um die Menschen zu integrieren. Dem Geschäftsführer der EmsAchse zufolge ist die Region nicht grundsätzlich unattraktiv. „Aber als ländliche Region ziehen wir nicht die typischen Stadtkinder an. Zumindest nicht vor der ,Nestbauphase‘“, ist der Wirtschaftsexperte überzeugt. In Letzterer könne das Emsland punkten – auch bei Akademikern. „Das bedeutet aber auch, dass die Kinderbetreuung bei uns top sein muss, ebenso Infrastruktur und Mobilfunkanbindung. Da müssen wir aufholen“, ist für Lüerßen der Weg klar vorgezeichnet. Was das Gehalt angehe, da müsse sich die Region in vielen Bereichen nicht verstecken.

Kempten

Weilheim

Rosenheim

Und wie will man des Fachkräftemangels Herr werden? „Grundsätzlich besteht im Emsland mit einer Arbeitslosenquote von unter drei Prozent Vollbeschäftigung. Das bedeutet für uns, dass wir uns mehr denn je als attraktiver Arbeitgeber positionieren müssen“, sagt Markus Overberg mit Blick auf Kampmann. Für Lüerßen hat das Emsland längst nicht mehr nur ein Fachkräfte-, sondern ein Arbeitskräfteproblem – das gelte nicht nur für Firmen, die sich als Arbeitgeber weniger gut vermarkten. „Wir haben kaum Unternehmen, die keinerlei Probleme haben.“ Entsprechend gemeinsam müssten Firmen, aber auch Politik und Kultur gemeinsam für sich werben und als ganze Region sichtbarer werden. Und die Herausforderungen, die auf das Emsland ebenso wie andere zukommen, werden nicht weniger: die Demografie kippt; die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt; gleichzeitig geht die Baby-Boomer-Generation in den Ruhestand. Mit dem Landkreis Vechta ist IWAnalyst Burgstedde zufolge 2019 auch die letzte Region in eine potenziell negative Entwicklung gerutscht.

Die Rosen Gruppe sieht sich für die Gewinnung von Fach- und Führungskräften gut aufgestellt. Seit 2018 habe man in Deutschland eine Wachstumsrate durch Neueinstellungen von mindestens 14 Prozent erreicht. Insbesondere in den Bereichen Software-Entwicklung, Informationstechnologie und Analyse/Auswertung von industriellen Inspektionsdaten sieht das Unternehmen weiterhin Bedarf. Und mit dem wachsenden Anteil der automatischen Zerspanung werde Personal mit zusätzliche Qualifikationen begehrenswert. Allerdings: Dirk Lüerßen zufolge wird sich der Fachkräftemangel im Emsland insgesamt weiter verschärfen – jedoch je nach Branche in unterschiedlichem Maße. Die Digitalisierung ist aus seiner Sicht ein Teil der Lösung. Hier sieht auch Burstedde Anknüpfungspunkte. Es brauche eine positive Besetzung – von Automatisierung und Zuwanderung. Der Fokus der Arbeitsagentur Nordhorn liegt indes auf Weiterbildungsmöglichkeiten sowohl für Beschäftigte insgesamt, aber insbesondere für Geringqualifizierte und Bewerber ohne abgeschlossene Berufsausbildung.


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

GELD & GESCHÄFT

Per Videoschulung in den neuen Job Infos für beide Seiten: Das Osnabrücker Start-up Doinstruct klärt Mitarbeiter ihrer Kunden über den Arbeitsplatz auf

VON NINA STRAKELJAHN OSNABRÜCK Der erste Tag im neuen Job, da ist die Aufregung meist schon groß. Wenn man dann noch mit Informationen überschüttet wird, fühlt man sich schnell überfordert. Das Osnabrücker Unternehmen Doinstruct will das jetzt ändern. Doinstruct, das sind Charlotte Rothert, Daniel Marinkovic und Thorsten Groß. Die Idee für das Start-up hatte Charlotte Rothert. Mit ihrer Firma Galaxis, bei der auch ihr Freund und IT-Spezialist Daniel Marinkovic arbeitet, produziert sie seit 2019 Schulungsvideos für die Landwirtschaft, speziell für Milchviehhalter. Die gelernte Landwirtin stellte in den Betrieben fest, dass immer wieder die gleichen Probleme auftraten. Videos für die Mitarbeiter sollten das einfacher lösen. Mit Beginn der Corona-Pandemie standen aber auch andere Sparten vor großen Problemen. Charlotte Rothert und ihr Team begannen, Videos für die Spargel-, Erdbeeroder auch Rhabarberernte zu drehen – und dabei ging es nicht nur um die Techniken, sondern auch um Hygieneregeln oder Sicherheitshinweise. Zeitgleich lernte Charlotte Rothert Thorsten Groß kennen, der auf sie durch einen Zeitungsbericht aufmerksam geworden war. Der Betriebswirt hat langjährige Erfahrung in der Projektierung, Inbetriebnahme, Restrukturierung und Leitung von Unternehmen. Zunächst tauschten sich die drei über den Bedarf verschiedener Branchen aus, pflegten den Kontakt. Thorsten Groß sah in den Schulungsvideos noch mehr Potenzial, vor allem für Betriebe in der Lebensmittelproduktion, Verarbeitung, Logistik, Handel, Gesundheitssektor und andere Themen. Und so dachten Charlotte Rothert und Daniel Marinkovic weiter über die Idee nach, aus der schließlich Doinstruct entstand. Das Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, gesetzlich vorgeschriebene Unterweisungen, betriebsindividuelle Schulungen und das sogenannte Onboarding, also

die Einstellung und zielgerichtete Integration neuer Mitarbeiter in ein Unternehmen, zu digitalisieren, persönlicher zu gestalten und zu verbessern. Dabei setzen die drei Geschäftsführer auf das Smartphone, da es weit verbreitet ist. Mit ihrem Geschäftsmodell zielen sie zunächst vor allem auf das produzierende Gewerbe, die Lebensmittelindustrie, Systemgastronomie, Logistik oder auch die Landwirtschaft – und da geht es besonders um die „Front-Line-Workers“. Wer in einem der Unternehmen dieser Branchen arbeitet, muss zahlreiche Schulungen absolvieren, bevor er überhaupt arbeiten kann: Unfallverhütung, Hygiene, Arbeitsschutz. „Wir haben festgestellt, dass diese Schulungen oft noch in einer Präsenzveranstaltung oder mit unintuitiven E-Learning-Lösungen gemacht werden, die die Zielgruppe nicht erreichen oder Lerninhalte nicht zeitgemäß vermitteln“, berichtet Rothert. Doch häufig sei man dann aufgeregt, viele Eindrücke prasseln auf einen ein, und dann komme häufig auch die Sprachbarriere hinzu. „Das geht doch auch modern, auf dem Smartphone“, war Rothert überzeugt. Genau dort setzt die Idee von Doinstruct an. Wenn ein Mitarbeiter eingestellt wird, muss er sowieso seine Kontaktdaten angeben. Schon vor seinem ersten Arbeitstag bekommt er dann eine SMS. „Uns ist es ganz wichtig, dass wir den Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen“, sagt Rothert. Deshalb gibt es auch eine direkte Ansprache: „Hallo Vorname, toll, dass du ein Teil unseres Teams bist…“ Über einen Link gelangt der Mitarbeiter dann auf die Schulungen, die er absolvieren muss. Diese kann er dann ortsunabhängig, zum Beispiel gemütlich vom Sofa aus und in seiner Muttersprache machen. „Ein Smartphone hat jeder“, sagt Charlotte Rothert, egal aus welchem Land er komme. E-Mail oder ein PC seien hingegen nicht bei jedem vorhanden, deshalb habe sich das Unternehmen für die SMS als Kommunikationsweg entschieden. Barrierefrei können sich die Mitarbeiter durchklicken, notwendige Daten angeben, sich die Schulun-

EinenEindruck derörtlichenGegebenheiten desneuenJobsliefertdasSchulungsvideo.

AucheinBilddesHandwerkszeugsfür dieneueArbeitsstelleistwichtigerBestandteilderSchulungsvideos.

gen per Video anschauen und sie mit einem bildbasierten Quiz bestätigen. Wenn sie dann im Unternehmen am ersten Tag ankommen, seien sie gut vorbereitet und brauchen nur noch die praktischen Unterweisungen. Thorsten Groß ist davon überzeugt, dass diese Ansprache dafür sorgt, dass sich die Mitarbeiter von Anfang an im Unternehmen wohler fühlen und nicht überfordert werden. „Sie bleiben dann vielleicht auch länger“, sagt er, weil sie mitgenommen würden. Die Videos dreht Doinstruct. Videos wie Unfallverhütung oder Hygiene sind in vielen Unternehmen identisch. „Es steht dann je nach Branche eine Videobibliothek zur Verfügung“, sagt Thorsten Groß. Damit die Videos aber auch zertifiziert und anerkannt werden, haben die Gründer mit Gesundheitsämtern und Berufsgenossenschaften Kontakt aufgenommen, um sie von ihrem Angebot zu überzeugen. Von diesen Institutionen werden sie dann am Ende auch abgenommen. „Bislang haben wir gute Erfahrungen gemacht“, sagt Charlotte Rothert. Auch die niedersächsische Landwirtschaftministerin Barbara Otte-Kinast sei von der Idee begeistert gewesen. Neben den universell nutzbaren Videos können die Kunden zusätzlich auch auch Videos für die betriebsindividuellen Themen in Auftrag geben. Wichtig ist für Charlotte Rothert, Daniel Marinkovic und Thorsten Groß aber immer, dass sie die Mitarbeiter im Blick haben. „Wir wollen keine gestellten, realitätsfernen Imagevideos, sondern gut aufbereitete, hochqualitative, authentische Videos auf Augenhöhe“, sagt Rothert. Beispielsweise könnten die Mitarbeiter so über Zusatzangebote oder Ziele und Auflagen informiert werden. Für das Team von Doinstruct spielt aber auch das Leben außer-

halb des Betriebs eine Rolle. In den Branchen, die das Start-up im Fokus hat, kommen einige Mitarbeiter aus dem Ausland. Deshalb sollen auch Integrationsvideos zur Verfügung gestellt werden. „Unser Sozialsystem oder so Themen wie die Mülltrennung verstehen viele zum Beispiel nicht“, sagt Rothert. Deshalb sollen die Mitarbeiter entsprechende Hilfen per Video bekommen können, um die verschiedenen Gepflogenheiten und Regeln in Deutschland kennenzulernen.

„Wir wollen gut aufbereitete, hochqualitative, authentische Videos auf Augenhöhe.“ Charlotte Rothert, Geschäftsführerin Doinstruct

Auch das könne dazu beitragen, dass sich Mitarbeiter wohlfühlen und gut integrieren. Neben den Schulungsvideos, die so auf dem Smartphone absolviert werden können, kann der Onboarding-Prozess aber auch an anderen Stellen vereinfacht werden. „Die Mitarbeiter können beispielsweise gebeten werden, Schuhgrößen oder Kleidungsgrößen anzugeben“, erklärt Rothert. Am ersten Tag könne dann alles bereitliegen und es sei im Unternehmen klar, was benötigt werde. „So werden lange Schlangen und fehlende Kleidergrößen vermieden“, sagt Rothert. Die Videos bieten sich aber nicht nur für neue Mitarbeiter an. Viele Schulungen müssen regelmäßig wiederholt werden – auch das könne man über das Handy laufen lassen. „Die Mitarbeiter bekommen dann wieder eine SMS und können die Auffrischung machen. So ist das Unternehmen auch bei Audits oder Kontrollen immer auf der sicheren Seite“, sagt Rothert.

Fotos: Doinstruct

Und nicht nur für die Mitarbeiter ist das aus Sicht von Doinstruct eine Erleichterung. Durch diese Form der Schulung bekämen die entsprechenden Abteilungen für Personal oder Qualitätsmanagement direkt die Informationen über die absolvierten Trainings. So können sie überprüfen und nachhalten, dass die entsprechenden Schulungen gemacht wurden. Auch die Verbindung zwischen den Systemen sei deutlich einfacher, sagt Daniel Marinkovic. Doinstruct benötige keinen Zugriff auf die Datenbank des Unternehmens. Das erleichtere vieles und mache darüber hinaus langwierige, teure Implementierungsprozesse nicht notwendig. Bezahlt wird Doinstruct übrigens pro erfolgreich geschulten Mitarbeiter. Die drei sind von ihrem Konzept überzeugt und bislang auch die Firmen, so Thorsten Groß. „Die Idee kommt bei allen Interessenten sehr gut an“, sagt er. Für das Jahr 2022 hat Donistruct bereits 20 000 geschulte Mitarbeiter unter Vertrag.

Einkleines,aberinnovativesTeam:ThorstenGroß(vonlinks),CharlotteRothertundDanielMarinkovicsteuernihreFirmavonOsnabrückaus. Foto: Oliver Leggewie


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

GELD & GESCHÄFT

Wie Energiekosten belasten Industrie und Handwerk in der Region gleichermaßen betroffen / Mindestlohn und Rohstoffe ebenfalls ein Thema

VON NINA KALLMEIER GEORGSMARIENHÜTTE/OSNABRÜCK

Die Kosten gehen durch die Decke: Die Energiepreise in Deutschland sind 2021 so stark gestiegen wie nie und ziehen weiter an. Allein im Januar und Februar dieses Jahres kündigten insgesamt 280 der rund 800 regionalen Versorger in Deutschland Strompreiserhöhungen von im Schnitt 7,6 Prozent an. Das trifft nicht nur den Privatkunden, sondern auch die Wirtschaft. Einer der Betriebe ist die Osnabrücker Felix Schoeller Gruppe. Sie zählt zu den großen deutschen Herstellern von Spezialpapieren – eine energieintensive Produktion. Die Energiepreissteigerung treffe das Unternehmen gleich doppelt, heißt es seitens der Felix Schoeller Gruppe. Sowohl direkt über den Bezug von Strom und Gas zum Betrieb der eigenen Produktionsanlagen als auch über Energiekostenzuschläge, die von Vorlieferanten erhoben werden. Allerdings treffen die Schoeller Gruppe selbst die steigenden Gaskosten stärker als der Preisaufschlag bei Strom. Gas wird unter Nutzung des Prinzips der Kraft-Wärme-Kopplung zu Dampf und Strom umgewandelt. Somit wird der überwiegende Anteil des Strombedarfs selbst erzeugt. Die Gaskontingente kauft die Gruppe sowohl in kurz- als auch mittel- und langfristigen Kontingenten an der Börse. „Durch diese Strategie ist die Belieferung sichergestellt, aber die Preissteigerungen betreffen uns unmittelbar. Durch den Direktkauf an der Energiebörse sind wir nicht auf klassische Energieversorger angewiesen.“ Hinzu kommt neben Gas und Strom für die Schoeller Gruppe noch ein dritter Kostentreiber: höhere Preise für CO2-Zertifikate für den industriellen Sektor. „Wir erwarten, dass sich die Kostenbelastung der deutschen Felix Schoeller Gruppe in 2022 im Vergleich zu 2020 nahezu verdoppelt.“ Produziert wird aber weiterhin, so auch in der GMH Gruppe. „Unsere Schmieden, Gussbetriebe und Stahlwerke produzieren in gewohntem Umfang“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Alexander Becker. Auch wenn der Druck zurzeit unglaublich hoch sei. Nicht nur Energiekosten würden das Unternehmen treffen, auch Preissteigerungen bei Stahl, Aluminium, Magnesium oder ganz simpel dem Sprit für Dienstfahrzeuge. „Fairerweise muss man aber sagen, dass sich die meisten Kunden an den Preiserhöhungen beteiligen – sie aber ihrerseits an ihre Kunden weitergeben“, so Becker. Ähnlich ist es für die Schoeller Gruppe. „Die Weitergabe der Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie sind unausweichlich für uns. Wir sind seit dem Ausbruch der Pandemie in der fünften Preisrunde“, heißt es seitens des Unternehmens. Und, so Alexander Becker, der nächste Kostenfaktor ist bereits absehbar. „Mitte des Jahres wird eine

Mitrund 20Prozent beziffernFriseurbetriebein der RegiondenKostenanstieg,wenn es umEnergie fürihre Salonsgeht. Manchmalkönnen Solar-Lösungendie Preissteigerungen abfedern. Foto: imago/ Westend61

Lohnkostensteigerung hinzukommen, dann stehen Tarifgespräche an. Das macht den Standort Deutschland nicht attraktiver.“ Es ist jedoch nicht nur die energieintensive Industrie, die mit steigenden Energiepreisen zu kämpfen hat. Es trifft auch das Handwerk – Bäcker, Tischler, den Metallbau, Friseure. Einer von ihnen ist Marcel Springmeier. Der 46-Jährige führt in dritter Generation den Salon in Georgsmarienhütte. In vielerlei Hinsicht hat er Glück im Unglück. „Ich bin Kunde der Stadtwerke in Georgsmarienhütte. Die haben die Preise nur minimal zum Jahreswechsel erhöht, aber das war zu erwarten“, sagt er. Also keine bösen Überraschungen, wie sie manch anderer mit seinem Energieversorger erlebt hat. Den Anbieter zu wechseln kommt für ihn nicht infrage. „Was bringt mir das Hin- und Hergehoppe? Und am Ende stellt der Lieferant die Lieferung ein, so wie wir es jetzt oft gesehen haben. Das ist es nicht wert“,

„Mitte des Jahres werden höhere Lohnkosten hinzukommen.“ Alexander Becker, Vorsitzender der GMH-Geschäftsführung

Industriebetriebe können Steigerungen unter anderem bei Strom und Gas oftmals an Kunden weitergeben. Foto: imago/Westend61

sagt Springmeier ganz klar. „Zumal die Stadtwerke sich hier vor Ort engagieren. Das will ich unterstützen.“ Es ist jedoch nicht nur die moderate Preisanpassung, über die sich der stellvertretende Obermeister glücklich schätzen kann. Ein weiterer Aspekt sorgt dafür, dass Steigerungen der Energiepreise für ihn insgesamt moderat zu Buche schlagen: Seit mehr als zehn Jahren haben Springmeiers sowohl eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach als auch eine thermische Solaranlage, die im Sommer den gesamten Warmwasser-Verbrauch decken kann. „Mein Vater ist sehr umweltbewusst eingestellt und ist früh diesen Weg gegangen. Das kommt mir heute zugute“, sagt Marcel Springmeier. Beides mildere die derzeitigen Turbulenzen im Energiemarkt etwas ab. Der Strom werde zurzeit noch an die Stadtwerke geliefert. Da bald die Förderung der Anlage auslaufe, überlege man, einen Teil selbst zu speichern. Trotz aller Einbindung erneuerbarer Energien: Mehrkosten hat der Friseursalon dennoch. Springmeier rechnet mit Preissteigerungen von rund 20 bis 30 Prozent. Andere Berufskollegen sehen das ähnlich, heißt es seitens der Kreishandwerkerschaft. Tischlereibetriebe liegen in den Schätzungen meist etwas niedriger. Nicht jeder kann die Kostensteigerung konkret beziffern. Ob er die steigenden Preise an seine Kunden weitergeben kann? „Das ist nicht sicher“, sagt Springmeier. Der Kunde sei preissensibel, und steigende Kosten für manch einen nicht unbedingt ein Argument, mehr zu zahlen. Das hat der Friseur bereits nach dem ersten Lockdown erfahren müssen. Zu dem Zeitpunkt habe er die Preise etwas angepasst – und durchaus Gegenwind erhalten. Anders sei das beim Thema Mindestlohn. „Auch diese Mehrkosten würden uns treffen. Sie sind dem Kunden aber leichter zu vermitteln“, sagt Marcel Springmeier, der sechs Mitarbeiter in Georgsmarienhütte beschäftigt. „Es ist zurzeit eine schwierige Zeit, und die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind zusätzliche Herausforderungen.“ Zusätzlich zu den Energie- und Rohstoffpreisen, die laut der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer für Unternehmen das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region darstellen. Und nicht immer laufen Preiserhöhungen zwischen Energielieferant und Kunde so harmonisch wie im Fall von Marcel

Springmeier. Rechtsanwalt Florian Dälken hat immer öfter Anfragen von Unternehmen auf dem Tisch liegen, denen der Energieanbieter die Kosten erhöht hat – teils drastisch.

Oder denen ein Anbieter – sogar rückwirkend – kündigt. „Unsere Aufgabe ist es dann, dieses Verhalten des Anbieters auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen.“ Und ob jedes Unter-

nehmen die höheren Energiepreise zahlen kann? „Nach meiner heutigen Einschätzung muss durchaus auch mit Insolvenzen aufgrund hoher Energiepreise gerechnet werden.“

Weiche Faktoren greifbar machen. So kommt man zu robusten Kennzahlen.

Trust in Transformation: Vertrauen Sie auf einen Partner, der Ihnen hilft, nichtfinanzielle Kennzahlen so zu definieren und zu standardisieren, dass Nachhaltigkeit dauerhaft messbar wird. Ihr Ansprechpartner für PwC Nord-West in Osnabrück Dr. Achim Lienau Tel.: +49 541 3304-545 achim.lienau@pwc.com Mehr zu ESG-Reporting: www.pwc.de/esg-reporting


DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

MOBILITÄT & LEASING

Die Städte zurückerobern Verkehrsforscherin Jana Kühl will Radfahrern und Fußgängern mehr Raum geben

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN SALZGITTER/OSNABRÜCK Wie könnten unsere Städte aussehen, wenn wir das Primat des Autos beenden und die urbanen Räume für Fußgänger und Radfahrer reservieren? Professorin Dr. Jana Kühl vom Institut für Verkehrsmanagement der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter beschäftigt sich mit nachhaltigem Verkehrsmanagement. Im Interview skizziert sie, wie die Verkehrswende auch im Autoland Deutschland gelingen könnte.

E-Bikes boomen. Ist das der Einstieg der Deutschen in ein neues Mobilitätsverhalten oder eher ein schickes Freizeitvergnügen? Die Begeisterung für das E-Bike ist ein spannendes Phänomen, das die Fahrradnutzung stark verändert hat. Es gibt neue Nutzergruppen, Menschen die bisher nicht daran gedacht haben, Fahrrad zu fahren. Hinzu kommen neue Fahrradtypen wie das Lastenrad und die Möglichkeit, mit dem Rad auch weitere Distanzen zu überwinden, ohne ins Schwitzen zu kommen. Damit wird das Fahrrad etwa auch für den Weg zur Arbeit attraktiver. EBikes und Lastenräder können ein Zweitauto ersetzen. Zudem tut

man aktiv etwas für seine Gesundheit. Das E-Bike kann definitiv mehr sein als ein Freizeitvergnügen, es wird aber auch viel in der Freizeit eingesetzt. Allerdings entstehen hier teils zusätzliche Autoverkehre, weil man die E-Bikes mit dem Auto beispielsweise an besonders schöne Fahrradstrecken bringt. Wir beobachten aber auch, dass Menschen durch die Nutzung des Rades in der Freizeit angeregt werden, es auch im Alltag auszuprobieren. Damit das letztlich gelingt, kommt es darauf an, dass sie dann eine gute Infrastruktur vorfinden. Wissenschaftlich gesicherte Zahlen, wie viele Menschen tatsächlich vom Auto auf das Rad umsteigen, gibt es noch nicht. Wie nachhaltig sind E-Bikes eigentlich? Jedes Industrieprodukt verbraucht Ressourcen. Auch E-Bikes sind nicht per se nachhaltig, wenn sie nur als Konsumartikel genutzt werden. Sobald aber Autofahrten vermieden werden, kippt die Bilanz. Vergleichen Sie einmal die Masse und den Energieaufwand eines EAutos mit einem E- Bike, da gewinnt das Fahrrad ganz klar. In der Ökobilanz ist es sehr viel schneller nachhaltig. Ein Problem sind die noch immer herstellerspezifischen

Beispielsweise wenn eine Wohnstraße temporär in eine autofreie Straße umgewandelt wird. Aus solchen Experimenten, kann man lernen, welche Veränderungen in der Praxis funktionieren. Auch für die Bevölkerung sind diese Experimentierräume wichtig. Die Menschen erfahren, wie unsere Städte aussehen könnten, wenn wir Fahrrädern und Fußverkehr mehr Raum geben.

ProfessorinDr.JanaKühlvomInstitutfürVerkehrsmanagementderOstfaliaHochschulefürangewandteWissenschafteninSalzgitterbeschäftigt sichmitnachhaltigemVerkehrsmanagement. Foto: Ostfalia/MatthiasNickel

Akkusysteme und das unzureichende Recycling. Es muss in der Branche mehr gepusht werden, dass wir da bessere Lösungen bekommen. Immerhin gibt es inzwischen Unternehmen, die Akkupacks auch für ältere E-Bikes nachbauen. Die haben dann sogar eine bessere Leistung als die Originalakkus.

Forderungen nach einer nachhaltigeren Verkehrspolitik sind nicht neu. Als positives Beispiel werden häufig die Niederlande genannt, oder auch Spanien. Weshalb geht es in Deutschland so langsam voran mit der Transformation? Da stecken weitreichende Interessen dahinter. Unsere Autoindustrie war ein Pfeiler des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland, heute ist sie ein wichtiger Stabilitätsanker. Unsere Stadt- und Siedlungsräume sind weitgehend auf das Auto ausgerichtet. Die ganze Art, wie wir leben, setzt voraus, dass ein Auto zur Verfügung steht. Denken Sie nur an die großen Einkaufszentren außerhalb der Städte. Es ist normal am Stadtrand zu wohnen und alles mit dem Auto zu tun. Anders geht es auch nicht, denn Bahn- oder Schnellbuslinien wurden hier nicht eingerichtet. Die Strukturen sind über Jahrzehnte so gewachsen. Sie konnten sich auch kaum anders entwickeln, weil andere Konzepte nicht gefördert wurden. Nun macht es vielen Menschen Angst, wenn sie hören, dass die Automobilität eingeschränkt werden könnte. Hinzu kommt, dass das Auto in Deutschland ein Symbol von Stärke, Erfolg und Status ist. Das ist bei uns mehr ausgeprägt als in anderen Ländern, die das Auto vor allen Dingen als einen Gebrauchsgegenstand betrachten. Das Auto steht bei uns für Wohlstand und Freiheit, auch wenn angesichts der Staus auf unseren Straßen davon praktisch kaum die Rede sein kann. Das aufzubrechen ist schwer. Immerhin hat die Bundespolitik neue Ziele formuliert und die Förderung des Radverkehrs deutlich gestärkt. Einige Kommunen kümmern sich aber eher darum, den Status quo zu erhalten, als eine Verkehrswende ernsthaft anzugehen. Besonders aufwendig sind die notwendigen Veränderungen in der Fläche umzusetzen. Hier müssen beispielsweise Bahnlinien und Radwege gebaut werden. Das ist teuer und schwer zu stemmen. Die Bevölkerung denkt aktuell weiter als manche politische Lager. Die Menschen setzen sich auf das Rad und fahren damit zur Arbeit. Frustriert stellen sie dann fest, dass viele Radwege am Stadtrand einfach enden. Ursache für die oft zähen Prozesse ist auch das noch immer weit verbreitete alte Denken in den Verwaltungsstrukturen. Die Förderung des Bundes kommt nicht in den Kommunen an, weil man dort gar nicht in der Lage ist, die zusätzlichen Mittel abzurufen. Es fehlt an qualifiziertem Personal und der Kapazität, entsprechende Konzepte zu

entwickeln. Nur langsam werden Stellen aufgestockt, Nachwuchskräfte fehlen. Das stellen wir auch in der Ausbildung fest, da gibt es zurzeit sogar ein Nachfragetief. Dabei haben unsere Studenten in der Regel schon einen Anstellungsvertrag in der Tasche, bevor sie mit dem Studium fertig sind. Offenbar ist wenig bekannt, wie attraktiv diese Arbeitsbereiche sind. Dort kann man an der Basis wirksam Veränderungen mitgestalten. Wie könnten die politischen Rahmenbedingungen für eine nachhaltigere Mobilität aussehen? Auf Bundesebene schreitet die Politik relativ mutig voran. Deutschland soll bis 2030 zum Fahrradland werden. Damit wurde ein klares Ziel formuliert, das Thema lässt sich nicht mehr so leicht ausblenden. Es braucht konkreten Handlungsdruck und verbindliche messbare Ziele. Jede Kommune muss ein Konzept zur Förderung des Radverkehrs bzw. einer nachhaltigeren Mobilität vorlegen. Damit hat die kommunale Ebene immerhin ein Argument für den zusätzlichen planerischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten. Aktuell arbeitet man in der Planung eher reaktiv und weitgehend defensiv. Es muss zum Beispiel erst nachgewiesen werden, dass an einer bestimmten Stelle ein Unfallschwerpunkt vorliegt. Erst dann macht man sich daran, die betreffende Situation umzugestalten. Stattdessen sollten Gefahrenstellen präventiv erkannt und entschärft werden. Es geht um die aktive Arbeit für einen sicheren und attraktiven Radverkehr. Oft fehlt es auch am Mut und der Bereitschaft, Dinge auszuprobieren.

„Fahrräder, Fußverkehr und der öffentliche Nahverkehr sind in 50 Jahren tragende Pfeiler unserer Mobilität.“ Professorin Dr. Jana Kühl

Gibt es gelungene Beispiele für die Transformation einer explizit autogerechten Infrastruktur in eine, die den Bedürfnissen von Radfahrern und Fußgängern gerecht wird? Die komplett auf das Auto ausgerichteten Strukturen sind jetzt erst mal vorhanden. Sie sind aber nicht unverrückbar, das haben in den letzten Monaten beispielsweise die Pop-up-Bikelanes in Städten wie Berlin oder Paris gezeigt. Es ist möglich, sehr kurzfristig Autospuren vollständig für den Radverkehr freizugeben. Praktisch wird das durch einfache Barken realisiert. Solche Maßnahmen sind vor allem für die Hauptverkehrsachsen sinnvoll. Auf den Nebenstrecken gilt es, die Geschwindigkeit zu senken; das Tempo von Auto und Rad muss einander angeglichen werden. Außerdem kann man Sackgassen und Einbahnstraßen einrichten. Stichstraßen lassen sich abtrennen, so entstehen sogenannte „Pocket Parks“ in den Stadtquartieren, neue, attraktive Aufenthaltsflächen. Das Ziel muss sein, die Wege für den Rad- und Fußverkehr kurz zu halten. Genau so sind auch die niederländischen Städte organisiert, in denen das bestens funktioniert. Am schnellsten ist man hier mit dem Rad, mit dem Auto muss man immer aufwendige Umwege in Kauf nehmen. Letztlich kosten solche Maßnahmen nicht viel Geld, wichtig ist aber, das nicht einfach ohne Vorankündigung zu machen, sondern im Vorfeld den Dialog mit der Bürgerschaft zu suchen. In Barcelona wird in einer ähnlichen Weise nach und nach die ganze Stadt umgebaut. Man legt Wohnblöcke fest, aus denen der Autoverkehr draußen bleibt – sogenannte Superblocks. Innerhalb dieser Blöcke bewegen sich nur Fußgänger und Radfahrer. Autos dürfen lediglich anliefern, es gibt keinen Durchgangsverkehr. Das hat zu einer deutlichen Aufwertung der Stadträume geführt. Es gibt weniger Lärm, die Luft ist besser. Nach und nach kommen immer mehr Superblocks hinzu. Es werden aber nicht ad hoc alle Autos verlagert. Die Entwicklung geht schrittweise voran, so können sich die Anwohnenden neu sortieren. Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, wie stellen Sie sich die Mobilität der Deutschen in 50 Jahren vor? Fahrräder, Fußverkehr und der öffentliche Nahverkehr sind dann tragende Pfeiler unserer Mobilität. Wir können unsere Bedürfnisse ohne Autos realisieren und uns nachhaltig bewegen. Die Räume in den Städten und Ortschaften gehören wieder den Menschen, die dort sich dort aufhalten, dort leben. Sie sind dort sicher, die Luft ist gut. Damit das so Realität werden kann, haben wir einen langen Weg vor uns. Über Jahrzehnte wurde in der Verkehrspolitik zugunsten der Automobilität gearbeitet. Allein die Aufrüstung des öffentlichen Nahverkehrs wird Zeit brauchen. Viele resignieren angesichts der großen Aufgaben. Es lohnt sich aber, grundsätzlich umzudenken und neue Mobilitätskonzepte zu realisieren.


DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

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MOBILITÄT & LEASING

Der neue Trend zum Auto-Abo Aus Sicht der Hersteller ist dieses Vertriebsmodell auch ein willkommener Türöffner für die Elektromobilität VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK/KÖLN Die Deutschen und ihre Autos – eine lange Geschichte voller Stolz auf die weltweit anerkannte Qualität deutscher Wertarbeit. Sogar von Liebe war oft die Rede. Doch nun zeigen sich erste Risse in der Verehrung. Mehr und mehr Deutsche legen keinen Wert mehr auf ein eigenes Gefährt. Stattdessen ein Auto im Abo; manchmal sogar frei Haus, wie die neuen Schuhe von Zalando. „Mit unseren Auto-Abos übertragen wir den von Netflix, Spotify und Co. bekannten Gedanken ,Nutzen statt besitzen‘ in ein All-inclusiveAbonnement für das Auto“, sagt Nicole Hagedorn, Sprecherin der Kölner Fleetpool Group, die seit 2008 Auto-Abos anbietet. Die Fahrzeuge des Unternehmens kommen den Angaben zufolge als Rundum-sorglos-Paket. Vollkasko- und Haftpflichtversicherung sowie die KfzSteuer sind in der monatlichen Rate ebenso enthalten wie die jahreszeitgerechte Bereifung. Dem Kunden entstehen weder Bereitstellungsnoch Wartungskosten. Es fallen weder eine Anzahlung noch eine Startgebühr oder Schlussrate an. Die Laufzeiten der Abos liegen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Als erste Auto-Abo-Marke unter dem Dach von Fleetpool sei „eazycars“ entstanden, berichtet Hagedorn. Zielgruppe sind mittlere und große Unternehmen. „2017 fiel mit ,like2drive‘ dann der Startschuss für das Privatkundensegment“, so die Sprecherin weiter. Der schwedische Autobauer Volvo startete sein Abomodell „Care by Volvo“ im Jahr 2018. Man habe gespürt, dass die Bereitschaft der Kunden zu Onlinegeschäften auch beim Thema Auto größer geworden sei, sagt Volvo-Sprecher Olaf Meidt. Zum Start war nur ein Modell aus dem Sortiment im Abo verfügbar, 2019 zwei Modelle, inzwischen alle. Das Abo beinhaltet eine monatliche fixe oder flexible Rate. Wer sich für eine längere Zeit festlegt, zahlt einen geringeren Betrag, flexible Laufzeiten sind etwas teurer. „Auf Wunsch bieten wir einen Hol-und Bringservice an“, so Meidt, „der Kunde muss also überhaupt nicht mehr ins Autohaus. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der neuen Abo-Kunden im Jahr 2022 auf mehr als 10 000 anwachsen wird. Knapp die Hälfte davon sind gewerblich.“ Das Angebot sei sehr erfolgreich, 90 Prozent der Neukunden kämen von anderen Herstellern. Mehr als 70 Prozent würden wegen des Abo-An-

gebots wechseln. Neben dem Komfort eines Abos würden Privatkunden auch Zeit gewinnen, weil sie sich um nichts selbst kümmern müssten, sagt Meidt: „Wir haben das einmal ausgerechnet, innerhalb von zwei Jahren addieren sich dafür insgesamt fünf Arbeitstage zusammen.“ Seit 2020 ist auch der schwäbische Autobauer Mercedes-Benz mit einem Abo-Angebot am Markt. Das Mercedes „Auto-Abo“ beschränkt sich allerdings auf die Modelle der elektrischen EQ-Baureihen des Unternehmens. „Inzwischen wird bereits rund ein Drittel der EQ-Modelle über das Abo-Modell abgesetzt. Der Markt ist also da“, sagt Christian Middelhauve von der Mercedes-Benz Mobility AG. Im Abo integriert ist auch der Zugang zum Ladedienst „Mercedes me Charge“. Der Kunde kann sein Fahrzeug damit an über 200 000 öffentlichen Ladepunkten in Europa laden, darunter die Ionity-Schnellladesäulen. Man unterstütze mit dem Abo-Modell die Einführung der Mercedes-EQ-Modelle, so Middelhauve. Zudem spreche sein Unternehmen über diesen Weg eine neue Kundengruppe an. Durch die flexiblen Abo-Modelle könne der Kunde die neue Fahrzeugtechnologie ohne längerfristige Verpflichtung erleben und sich von ihren Vorzügen überzeugen, erklärt der Sprecher: „Wir haben also eine demografische und eine technologische Komponente.“ Erst seit einem Jahr bietet auch der Wolfsburger Autokonzern Volkswagen seinen Privatkunden ein Auto-Abo an. Ergebnis einer Marktanalyse sei gewesen, dass eine wachsende Zahl von Kunden sich All-inclusive-Raten und sehr

„Ein großer Teil der Abo-Kunden sind echte Neukunden.“ Stefan Imme, Volkswagen Financial Services

EinAbo istkein lebenslanges oderdauerhaftesAngebot fürdenKunden,langfristigseidas Leasingkostengünstiger,sagenExperten.

flexible Laufzeiten wünsche, berichtet Stefan Imme von der Konzerntochter Volkswagen Financial Services (VFS): „Diese Bedürfnisse konnten wir mit unserem bisherigen Produktspektrum nur bedingt adressieren.“ Übergreifend wollten die Kunden mehr Flexibilität, unter anderem auch flexiblere Zahlungsmöglichkeiten, so Imme weiter. In der Praxis werde das ein wenig dadurch relativiert, dass das flexibelste Modell, bezogen auf den gefahrenen Kilometer, das teuerste sei. Die Kunden würden sich eher mittelfristig an ein Fahrzeug binden, das Maximum an Flexibilität sei den meisten dann doch zu teuer. Die meisten Kunden würden ihre Fahrzeuge auch deutlich länger fahren als ihre Mindestvertragslaufzeit. „Offenbar geht es den Kunden mehr um eine gefühlte Flexibilität als um ständige Fahrzeugwechsel“, meint Imme, „wichtiger ist beispielsweise der Wunsch, genau dann zu wechseln, wenn ein neues Modell verfügbar ist.“ Auch der VW-Manager glaubt, dass das Abo bei der Einführung der Elektromobilität helfe. Wenn dem Kunden ein E-Auto nicht gefalle, gebe er es eben wieder zurück. Bei VW beträgt die Mindestlaufzeit für das Auto-Abo drei Monate. Auch bei dem Wolfsburger Autobauer hofft man auf Neukunden durch das Abo. „Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit spielt zudem der Paketgedanke eine Rolle“, sagt der Sprecher, „im Abo verkaufen wir unter anderem auch Services sowie Versicherungen und sichern uns damit einen größeren Anteil an den Mobilitätsausgaben unserer Kunden. Diese zusätzlichen Leis-

tungen mussten wir bisher recht mühsam einzeln vermarkten.“ Die Erfahrungen der Hersteller werden durch zwei Befragungen bestätigt, die das CAR-Center Automotive Research aus Duisburg im 4. Quartal 2021 bei potenziellen Neuwagenkäufern sowie bestehenden Auto-Abo-Kunden durchgeführt hat. Demnach sind Auto-Abos wichtig für das Wachstum der Elektroauto-Neuzulassungen. Risiken wie Batterie-Lebensdauer, Reparatur-

Foto:iStock

kosten, lange Vertragsbindung und ungewisser Wiederverkaufswert würden bei einem Auto-Abo ausgeschlossen. Auto-Abo-Nutzer schätzten das Produkt Auto-Abo wegen seiner Unkompliziertheit (72 Prozent), Flexibilität (70 Prozent) und des geringen Kostenrisikos (43 Prozent). Wenn man sein neues Auto nun wie eine Amazon-Bestellung nach Hause geliefert bekommt, was wird dann aus dem Vertragshändler vor

Ort? Ist er eine aussterbende Spezies? Stefan Imme widerspricht: „Auch unsere Händler profitieren von den Abos. Ein großer Teil der Abo-Kunden sind echte Neukunden. Ein Abo ist kein lebenslanges oder dauerhaftes Angebot für den Kunden, langfristig ist das Leasing kostengünstiger. Als wir mit dem Angebot an den Markt gegangen sind, waren die Händler zunächst skeptisch, inzwischen hat sich die Stimmung aber gedreht. „Bei Mercedes sind die Vertragshändler voll mit in das Abo-Modell integriert. Der Kunde informiert sich online, doch der Abschluss erfolgt bei ,Mercedes-Benz Rent‘ und ,MercedesBenz Van Rental‘-Partnern. Eine ganz andere Lesart präsentiert Volvo-Sprecher Meidt. Im klassischen Geschäft sei die Marge der Händler seit Jahren gesunken, erklärt er, seinen Hauptgewinn habe der Handel im Service und mit dem Zubehör gemacht. Volvo habe mit dem Händlerverband für das Abo eine sogenannte „aktivitätenbasierte“ Vergütung ausgehandelt. Sie decke den Aufwand zum Beispiel für Beratung oder Probefahrten ab. Vorteilhaft für den Handel sei zudem, dass dort nicht mehr so große Mengen an Fahrzeugen vorgehalten werden müssten. „Für den Händler bedeutet das eine deutlich geringere Kapitalbindung“, so Meidt, „das finanzielle Risiko verlagert sich auf den Hersteller.“

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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

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MOBILITÄT & LEASING

Schlüssel zur Verkehrswende ist die Infrastruktur Mit Investitionen in nachhaltige Mobilitätsformen liegen Kommunen aus der Region bundesweit an der Spitze VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK/NORDHORN/OLDEN-

Berlin ist mit über 527 Kilometern Radwegen die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands. Das ist eines der Ergebnisse der Studie zur Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte, die der Immobilienfinanzierungsvermittler Baufi24 AG im September 2021 vorgelegt hat. Für die Untersuchung wurden Daten zu Radwegen, Unfallstatistiken und zum Verkehrsstatus erhoben und ausgewertet. Die allgemeine Zufriedenheit von Radfahrern wurde ebenfalls in die Statistik aufgenommen. „Wir haben bemerkt, dass die Bedingungen zum Radfahren immer öfter ein wichtiges Entscheidungskriterium für Kunden sind, die sich den Traum vom Eigenheim erfüllen wollen“, sagt Tomas Peeters, CEO und Vorstandsvorsitzender von Baufi24. Ein Finanzunternehmen, das sich für die Qualität des Radverkehrs interessiert. Damit ist das Thema Verkehrswende wohl endgültig im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit angekommen. Thomas Berling interessiert sich schon länger dafür. Seit 2011 ist der 55-jährige Bürgermeister der Stadt Nordhorn. „Vorher war ich Geschäftsführer des Nordhorner Tierparks. Ich komme also aus dem touristischen Bereich, unser Zoo hatte zuletzt fast 500 000 Besucher im Jahr“, sagt Berling, „die Mobilität in der Stadt war schon immer schlecht, das motivierte mich unter anderem zu meiner Kandidatur. Mein Ziel ist es, den Individualverkehr mit dem Pkw zu reduzieren.“ Für Berling war klar, dafür brauchte er zwingend die Reaktivierung der Bahnanbindung der Stadt. Diese verfügte zwar über einen Anschluss der Bentheimer Eisenbahn, dieser konnte aber nur für den Güterverkehr genutzt werden, obwohl die Stadt Nordhorn Gesellschafterin der Privatbahn ist. Der Wille, die Strecke wieder für den Personenverkehr zu reaktivieren, sei 2011 breit vorhanden gewesen, erinnert sich der Bürgermeister. Doch es dauerte bis 2019, dann konnte der Abschnitt von Bentheim BURG

über Nordhorn bis Neuenhaus wieder für den Personenverkehr in Betrieb genommen werden. Dort verkehrt jetzt der „Regiopa-Zug“. „Inzwischen arbeiten wir daran, die Strecke weiter bis ins niederländische Emmen zu ertüchtigen. Außerdem planen wir, eine Verbindung nach Gronau und Enschede herzustellen sowie eine Direktverbindung nach Osnabrück“, so Berling. Im September letzten Jahres verabschiedete er sich von seinem Bürgermeister-Auto. Schon mit Amtsantritt hatte der 55-Jährige beim Dienstwagen Schritt für Schritt „Downsizing“ betrieben: Aus einer großen Limousine wurde wenig später ein mittelgroßes Modell, zuletzt fuhr er einen noch kleineren Plug-in-Hybrid. Innerhalb der Stadt ist der Bürgermeister ohnehin zu über 90 Prozent mit seinem Pedelec unterwegs. Für die überregionalen Termine nutzt er meist die Bahn, manchmal auch das Grafschafter Carsharing. Unter dem Strich könne er so 80 Prozent seiner beruflichen Fahrten mit dem Rad machen, sagt der Nordhorner. „Angesichts des Klimawandels und auch des Mobilitätswandels müssen wir weg vom eigenen Auto als dem vorherrschenden Verkehrsmittel“, ist Berling überzeugt. Mehr Platz für die klimafreundlichen Ver-

„Nachhaltige Mobilität beginnt bereits bei der Stadtentwicklung.“ Dr. Sven Uhrhan, Baudezernent der Stadt Oldenburg

VorreiterfüralternativeMobilitätsangebote:derNordhornerBürgermeisterThomasBerlingmitseinemPedelec,seinemletztenDienstwagenundeinemCarsharing-Fahrzeug(links),Mitsogenannten Komfortradwegenmöchtemandie NordhornerBürgerinnenund Bürgervom klimafreundlichenVerkehrsmittelFahrradim Stadtverkehrüberzeugen(rechts). Fotos:StadtNordhorn

kehrsmittel Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr sind für ihn wichtige Ziele der Stadtentwicklung. Nordhorn sei traditionell eine Fahrradstadt. Der Radverkehr habe einen Anteil am gesamten Verkehr von 40 Prozent, das Auto 42 Prozent. Dementsprechend schwach sei der öffentliche Personennahverker (ÖPNV) in der Stadt, da gebe es noch viel zu tun, so Berling. Damit das Fahrradfahren Spaß macht und man mit dem Rad schnell vorankommt, wurden in Nordhorn unter anderem viele Unterführungen gebaut. Von der niederländischen Grenze aus gibt es eine Achse mit Vorfahrt für das Rad. „Wichtiges Element der Fahrradinfrastruktur sind die Hauptverkehrsachsen entlang unseres Kanalnetzes“, sagt Berling. „Da verlaufen sogenannte ,Komfortradrouten‘, unser grünes Netz.“ Für ihr eigenes Radverkehrsprojekt beschäftigt die Stadt eine Fachplanerin. Trotz allem werde man noch Jahrzehnte brauchen, bis die Umgestaltung abgeschlossen sei, ist der Bürgermeister überzeugt. Im bundesweiten Städteranking 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC liegt seine Stadt in der Ortsgrößenklasse 50 000 bis 100 000 Einwohner aller-

DER JEEP® COMPASS

dings schon heute auf dem ersten Platz. In der Klasse 100 000 bis 200 000 Einwohner rangiert mit der Stadt Oldenburg auf dem vierten Rang eine weitere Kommune aus der Region weit vorne. Bereits seit vielen Jahren arbeite man in der Verkehrsplanung der Stadt konsequent an der Verbesserung der Fahrradinfrastruktur, sagt Dr. Sven Uhrhan, Baudezernent der Stadt Oldenburg. An konkreten Maßnahmen nennt er unter anderem Radwege, Ampelsteuerungen und Abstellanlagen. Man wolle das Fahrrad als Alltagsfahrzeug fördern. „Um unsere verkehrsplanerischen Ziele – Vermeidung von Verkehr, Verringerung, Emissionsfreiheit – zu erreichen, arbeiten wir aktuell am Rahmenplan Mobilität und Verkehr 2030, der sich sehr stark am Ausbau nachhaltiger Mobilitätsformen ausrichtet“, erklärt Uhrhan. „Zentrale Bausteine sind hier beispielsweise die Schaffung von Park&-Ride-Systemen mit Mobilitätsstationen am Stadtrand, um Berufspendelnden den Umstieg auf emissionsarme oder emissionsfreie Fortbewegungsmittel zu ermöglichen.“ Nachhaltige Mobilität beginne bereits bei der Stadtentwicklung, so Uhrhan weiter. Man wolle in Stadt-

DIE EVOLUTION DES KOMPAKT-SUV.

vierteln außerhalb des Zentrums Möglichkeiten der Nahversorgung und der sozialen Dienstleistung schaffen beziehungsweise aufrechterhalten. So sollten neben Einkaufsmöglichkeiten insbesondere Bildungseinrichtungen, ärztliche Versorgung oder Apotheken zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein. Das erspare längere Wege mit dem Auto in die Innenstadt. Sowohl die Stadt Oldenburg als auch Nordhorn sind Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Niedersachsen/Bremen AGFK. Dem Verband gehören zudem etliche weitere Kommunen in der Region an, wie zum Beispiel Lingen, Meppen, Melle, Quakenbrück und Osnabrück. Die politischen Positionen der Arbeitsgemeinschaft sind klar formuliert. Der Radverkehr könne erhebliche Beiträge zur Lösung der Verkehrsprobleme in den Kommunen leisten. Die Elektromobilität sieht man kritisch. „Elektroautos haben grundsätzlich dieselben negativen Effekte wie konventionelle Kraftfahrzeuge, wenn es etwa um den immensen Flächenverbrauch durch fahrende oder stehende Autos geht“, heißt es im Positionspapier der AGFK. Die Förderung des Radverkehrs sei ein eigenstän-

diges verkehrspolitisches Handlungsfeld. Ziel ist ein leistungsfähiges, vollständiges, sicheres und eigenständiges Radverkehrsnetz. Dies soll durch eine weiter gehende Radverkehrsinfrastruktur ergänzt werden: Abstellanlagen in Innenstädten, Wohngebäuden oder Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen. Zur Förderung des Radverkehrs habe sich vielerorts ein begleitender Arbeitskreis, bestehend aus Vertretern von Verwaltung, Polizei, Verbänden und Wirtschaft, bewährt. Die Erfahrungen aus der Region und die Forderungen der AGFK werden durch die Ergebnisse der 2020 unter Leitung von Professorin Dr. Jana Heimel durchgeführten PendlerRatD-Studie der Hochschule Heilbronn untermauert. Sie zeigt deutlich, dass die mangelhafte Infrastruktur ein wesentlicher Grund dafür ist, dass nicht mehr Berufspendler auf das Fahrrad umsteigen. Das Umstiegspotenzial, berechnet aus bisherigen Autofahrern, die eine Pendelstrecke von bis zu 20 Kilometern haben, liegt laut der Studie bei rund 70 Prozent. Die wichtigsten Rahmenbedingungen dafür seien durchgehende, schnelle und sichere Fahrradwege sowie sichere und arbeitsplatznahe Abstellmöglichkeiten.

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SPEZIAL WANDEL & VISION

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„Mehr Chancen als Risiken“ EWE-Vorstandschef Stefan Dohler über den Wandel der Energieversorgung / Strom in Zukunft aus „grünen Molekülen“? Infrastruktur ist zum Beispiel auch für Wasserstoff nutzbar. Schon heute nicht immer Gasleitungen in Neubaugebieten. Für den Wandel braucht es auch die Umweltverbände. VON NINA KALLMEIER Die EWE AG ist eines der größten Energieversorgungsunternehmen in Deutschland. Auch der Betrieb einer Infrastruktur zur Gasversorgung gehört unter anderem zum Geschäft. Ein Gespräch mit Vorstandschef Stefan Dohler über Gas, Wasserstoff und Pläne für die Zukunft. OLDENBURG

Herr Dohler, Erdgas ist – ob der Betrieb der Infrastruktur oder die Verteilung an Haushalte – für EWE ein wichtiges Geschäftsfeld. Doch ab 2025 wird es praktisch keine neuen Gasheizungen in Deutschland mehr geben, ab 2040 soll gar ganz aus Gas ausgestiegen werden. Schauen Sie besorgt in die Zukunft? Nein, eigentlich nicht. Aus meiner Sicht bietet der Wandel für uns als EWE mehr Chancen als Risiken. Die Transformation, die vor uns liegt, ist eine riesige Chance zu modernisieren. Und nicht nur wir als Versorger haben einen klaren Kurs, auch politisch ist der Weg vorgegeben. Das ist wichtig, denn dies gibt uns als Unternehmen Planungssicherheit. Dennoch: Die Gas-Infrastruktur – Leitungen, Speicher – ist da. Was passiert damit? Die wird es auch künftig brauchen – wenn auch nicht für Erdgas, sondern für grüne Moleküle, so will ich es mal nennen. Warum? Weil auch in Zukunft Energie räumlich verteilt werden und zu Zeiten zur Verfügung stehen muss, wenn sie gebraucht wird. Das geht nicht nur elektrisch. Ein System, das auf in der Produktion stark schwankenden erneuerbaren Energien basiert, muss mit grünen Molekülen kombiniert werden. Wir werden also langfristig eine Gasinfrastruktur brauchen. Was verstehen Sie unter „grünen Molekülen“? Das kann zum Beispiel Wasserstoff sein. Deutschland ist heute bereits Großimportland, wenn es um Energie geht. Wenn wir weiterhin ein Industrieland bleiben wollen, dann werden wir das auch künftig bleiben. Nur werden wir dann kein Erdgas, sondern vielleicht Wasserstoff importieren. Es braucht eine Infrastruktur, die die Importe bewältigen, weitertransportieren und speichern kann. Und das kann die Infrastruktur, die Sie betreiben? Es wird Investitionen geben müssen, aber im Großen und Ganzen: ja. Wir gehen davon aus, dass zum Beispiel die großen Gasspeicher, die wir betreiben, sehr gut auch für Wasserstoff geeignet sind. Sie liegen an der Küste, und es sind Kavernenspeicher. Die sind, anders als oft Tonspeicher, aufgrund ihrer hohen Dichtheit besonders für Wasser-

Fotos: EWE,imago/McPHOTO

stoff geeignet. Den Praxisnachweis dafür wollen wir gerade in Rüdersdorf bei Berlin mit unserer Testkaverne erbringen. Wie weit sind Sie in dem Projekt? Wir wollen in diesem Jahr mit der Solung beginnen, also mit der Einleitung von Wasser, um einen Hohlraum aus dem Salzgestein zu spülen. So entsteht die rund 500 Kubikmeter große Testkaverne. Und was ist mit dem Leitungsnetz, das EWE heute betreibt? Viele Leitungen, die heute speziell für die Verteilung des Erdgases aus Groningen zugeschnitten sind, können leicht ohne große Mehrkosten umgerüstet und für Wasserstoff nutzbar gemacht werden. Aufgrund der Marktraumumstellung zu HGas werden wir künftig auch deutlich mehr Einspeisepunkte in unser Netz haben. All das kommt uns zugute. Insgesamt ist der größte Teil der Gasinfrastruktur schon heute wasserstoff-ready. Die Rohre sind nicht wie früher Druckgussrohre, sondern aus Kunststoff und damit für Wasserstoff geeignet. Wir müssen aber sicherlich bei Armaturen und Messeinrichtungen nachrüsten. Das ist allerdings im Verhältnis zur bestehenden Infrastruktur ein kleiner Aufwand. Sie haben von Planungssicherheit gesprochen. Auch wenn die EUKommission entschieden hat und Gaskraftwerke in der Taxonomie als grün einstuft – die Diskussion bleibt. Was macht das mit Plänen? Die Taxonomie ist erst einmal kein Gesetz, sondern ein delegierter Rechtsakt. Sie hat aber eine indirekte Wirkung: Indem die Taxonomie festlegt, was künftig als nachhaltig eingestuft wird, hat sie Einfluss darauf, welche Investitionen Fördergelder bekommen können, und auch der Kapitalmarkt wird sich daran ausrichten. Aus unserer Sicht

sind Investitionen in eine Gasinfrastruktur, die künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden kann, nachhaltig. Die Technologie zu brandmarken wäre nicht richtig. Zumal Unternehmen wie wir dann Probleme bekommen könnten, auf dem Kapitalmarkt Geld für notwendige Investitionen zu erhalten. Inwiefern? Als EWE finanzieren wir uns zum Beispiel auch über Anleihen. Würde Gasinfrastruktur nicht als nachhaltig eingestuft, könnte das Investoren abschrecken. Das wird nicht sofort passieren, aber es ist ein schleichender Prozess. Über den Umweg Taxonomie würde also der Geldhahn zugedreht für Investitionen in eine moderne Gasinfrastruktur, die nicht nur für Stabilität, sondern künftig auch für den Transport von Wasserstoff sorgen soll. Wer soll die auch nach Einschätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erforderlichen 20 GW Gaskraftwerke bauen, wenn das nicht finanzierbar ist? In Konsequenz müsste der deutsche Staat einspringen. EWE betreibt nicht nur eine Gasinfrastruktur mit Speichern und Netzen, sondern versorgt auch Haushalte. Auch hier wird eine Transformation stattfinden – in welche Richtung? Hier ist die Frage der Technologie der Zukunft beim Heizen noch nicht beantwortet. Wasserstoff wäre eine Lösung, aber warum sollte der erst aus Strom produziert und dann wieder in Nutzwärme umgewandelt werden, wenn Strom auch direkt zum Beispiel in Wärmepumpen zum Heizen genutzt werden kann? Den Energieverlust kann man unterbinden. Worüber heute jedoch schon diskutiert wird, ist, ob in Neubaugebieten noch Erdgasleitungen verlegt werden. Das Ende der Erdgasheizung in Neubauten ist abzusehen, und die Kosten für Erdgas wer-

den für den Verbraucher politisch gewollt weiter steigen. Was die Umstellung im Bestand angeht, sehe ich eine Mammutaufgabe auf uns als Gesellschaft zukommen. Da muss man fair bleiben. Ob das bis 2030 passiert, bezweifele ich noch. Was bedeutet das für EWE? Mit der aktuellen Entwicklung werden wir unsere Netze zur Gasversorgung von Privatkunden wohl nicht weiter ausbauen müssen. Der Markt reagiert bereits, im vergangenen Jahr wurde in rund 50 Prozent der Neubauten eine Wärmepumpe und keine Gasheizung eingebaut. Wir gehen aber davon aus, dass es mehr Nah- bzw. Fernwärmesysteme geben wird. Wohin die Reise insgesamt – auch im Bestand – gehen wird, werden die nächsten zehn Jahre zeigen. Wird Erdgas nicht mehr so gebraucht wie heute, könnte langfristig auch ein Rückbau bestehender Infrastruktur stattfinden. Das heißt, Sie gehen schon davon aus, dass das Geschäftsfeld Gas – in welcher Form auch immer – für EWE kleiner werden wird? Im Bereich der Endverbraucher sicherlich, wobei dieser Prozess aufgrund der immer noch niedrigen Sanierungsrate im Bestand lange dauern und von uns aktiv begleitet wird. Das ist für uns aber von der Menge her der geringere Teil. Was unsere Großkunden im gewerblichen Bereich und der Industrie angeht, da rechnen wir mit einem Wandel von Gas zu Wasserstoff. Das könnte auch für die Mobilität im Bereich der Schwertransporte oder bei der Bahn gelten. Doch auch bei Privatkunden gilt: Wenn wir sie statt mit Erdgas zum Beispiel mit Nah- oder Fernwärme versorgen, die wir selbst produzieren, bleiben sie unsere Kunden. Oder wenn sie künftig mit Strom heizen. Wir sind ja kein Erdgasproduzent, sondern möchten unseren Kunden einen

Nutzen in Form von Wärme anbieten. Wie sieht das beim Thema Wasserstoff aus? Das Erdgas der EWE kommt vor allem aus den Niederlanden. Wird es auch beim Wasserstoff einen Großerzeuger geben? Das lässt sich heute noch nicht seriös einschätzen. Im Moment gibt es viele Initiativen, auch zur industriellen Herstellung von Wasserstoff in Europa und in Deutschland. Bevorzugt dort, wo große Mengen von erneuerbarem Strom erzeugt werden können. Dazu müssen wir abwarten, was im Weltmarkt passiert. Teilweise mag der Wasserstoff über Pipelines kommen, teilweise über Terminals. Von unserem Standort im Hinterland von Häfen und Küste können wir profitieren. Sicher ist: Wir werden als EWE nicht nach Australien gehen und dort riesige Solarparks bauen, um grünen Wasserstoff selbst zu produzieren. Das ist eine andere Größenordnung. Da muss man eine gewisse Demut haben. Wir müssen schauen, dass wir in der Region die Infrastruktur aufsetzen und möglichst günstig und divers beschaffen. Schauen wir nach vorne: Wasserstoffprojekte stecken noch in den Kinderschuhen. Es braucht Zeit, bis die ersten Erkenntnisse – auch bei Ihnen – daraus gezogen werden könnten. Ist die Zeit bis zum politischen Ende des Erdgases lang genug? Es kommt darauf an, welche Rahmenbedingungen wir bekommen. Eine größer angelegte Wasserstoffproduktion in Deutschland wird nur funktionieren, wenn die Erneuerbaren deutlich ausgebaut werden. Und wie bei allen neuen Technologien, die groß skaliert werden, braucht es eine Anschubförderung. Das wird derzeit zum Beispiel bei den sogenannten IPCEI-Projekten versucht.

Was sind das für Projekte? Dazu zählt zum Beispiel unser Projekt „Clean Hydrogen Coastline“. Ein Teil davon ist der Kavernenspeicher, den wir in Rüdersdorf bauen. Aber auch der 12-MW-Elektrolyseur, den wir jetzt in Bremen zusammen mit dem Stahlwerk Arcelor-Mittal errichten, zählt dazu. Perspektivisch skalieren wir jedoch in den Bereich von mehreren Hundert MW Elektrolyseure, Großspeicher und Transportinfrastruktur. Mit weiteren Partnern wollen wir hier im Nordwesten insgesamt rund eine Milliarde Euro investieren. Die Transformation ist eine gewaltige Aufgabe, die wir nicht wie vielleicht früher üblich allein stemmen können. Das geht nur mit Partnern, die nicht nur Investition, sondern auch Risiko teilen. Auch als EWE wollen wir insgesamt einen deutlich dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen und eine zukunftsfähige Wasserstoffinfrastruktur im Nordwesten schaffen. Welche Erwartungen haben Sie an die Politik? Ich setze große Hoffnungen nicht nur in den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, sondern in die gesamte Koalition. Allerdings sind es am Ende auch die Landesregierungen, die Förderungen in ihren Haushalten einstellen, und nicht minder die Kommunen und Bürger vor Ort, die ihren Beitrag leisten müssen. Die Transformation des Energiesystems geht einher mit sichtbarer Infrastruktur in Form von Windrädern und Solaranlagen, ohne die es weder ausreichend grünen Strom noch grünen Wasserstoff aus Deutschland geben wird. So ehrlich muss man sein, das ist Teil der Zukunft, wenn wir Klimaneutralität wollen und keine Kernkraft oder Kohleenergie. Hier müssen auch die Umweltverbände mitgenommen werden, damit Umwelt- und Artenschutz nicht weiter gegeneinander arbeiten und wir deutlich schneller vorankommen.


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SPEZIAL WANDEL & VISION

Ladenschluss für Shopping-Center? Wie drei Malls im Emsland wieder eine Zukunft bekommen sollen

VON HERMANN-JOSEF MAMMES Aus der Zeit gefallen oder doch mit Zukunft? In ihrer Blütezeit Mitte der 1990er-Jahre waren Shopping-Center angesagte Freizeit- und Konsumtempel, ihre Zahl stieg sprunghaft an. Heute gibt es bundesweit rund 500 von ihnen – von riesigen Bauten wie dem Centro in Oberhausen mit seinen 125 000 Quadratmeter Verkaufsfläche bis zum Lookentor in Lingen, in dem Kunden immerhin noch auf 18 000 Quadratmetern einkaufen können. Doch der Wandel im Einzelhandel und der Vormarsch des Onlineshoppings hat auch vor ihnen nicht haltgemacht. Neue Einkaufszentren werden kaum noch gebaut – so auch in Osnabrück, wo die Verantwortlichen von ihrem Plan für eine Mall in der Innenstadt Abstand genommen haben. Und bundesweit sind Projektentwickler auch bei der Revitalisierung und Umgestaltung bestehender Objekte eher zurückhaltend. Das ist im Emsland anders. Dort haben gleich drei Einkaufszentren – das Ems-Center in Papenburg, das Werlte-Center und die Meppener Einkaufspassage (MEP) – eines gemeinsam: Alle drei stehen nach schwierigen Jahren mit vielen Ladenschließungen und Leerständen vor einem Neustart. Ein Blick auf die Projekte: PAPENBURG/MEPPEN/WERLTE

Werlte-Center: In Werlte hat jetzt die Stadt selbst nach vielen Jahren bzw. sogar Jahrzehnten des Herumdümpelns das Heft des Handelns in die Hand genommen. Das WerlteCenter mit einer Verkaufsfläche von 6000 Quadratmetern wurde 1980 eröffnet. Wie Samtgemeindebürgermeister Ludger Kewe auf Anfrage sagte, war das Ganze „von Anfang an eine Pleitegeschichte“. Der damalige Investor war in dubiose Geschäfte verwickelt. So wurde auch das Kino nie eröffnet. Weitere Gebäudeteile blieben im Rohbau. Die Leerstände nahmen im Laufe der Jahre zu. Unterschiedliche Nutzungen folgten, angefangen von Büroräumen bis hin zu einer Kindertagesstätte. Zudem wechselten die Eigentümer. Einige wenige Geschäfte wie eine Poststelle oder eine Apotheke haben überdauert. Zuletzt gehörte dem Werlter Rechtsanwalt und Notar Clemens Rühlander die vernachlässigte Immobilie. Anfang Januar 2019 zeichnete sich erstmals ein Neustart ab. Investor Josef Schoofs vom Niederrhein

GroßstadtflairbringtdieIlluminationderMeppenerEinkaufspassage(MEP)indieKreisstadt –dieFarbederGebäudebeleuchtungistfreiwählbar.

wollte das Einkaufszentrum an der Loruper Straße angeblich kaufen. Schon damals war der Abriss geplant. Da in der Nachbarschaft weitere Freiflächen zur Verfügung standen, sah das Gesamtkonzept „Neue Mitte“ auf rund drei Hektar ein neues Rathaus, mehrere Wohnund Geschäftshäuser, einen Discounter und einen sogenannten Vollsortimenter (Edeka) vor. Doch in letzter Sekunde platzten die Verträge. Die Zitterpartie zog sich zwei weitere Jahre hin. Im Dezember 2021 teilte die Stadt schließlich mit, dass sie jetzt selbst das alte WerlteCenter (Grundstück: 4500 Quadratmeter) kaufen und abreißen will, um mit neuen Investoren die Pläne einer „Neuen Mitte“ nach vielen Jahren des Stillstands doch noch zu realisieren. Insgesamt würde hierfür eine Fläche von drei Hektar bereitstehen. „Ich bin zuversichtlich, dass es so kommen wird“, sagt Kewe. Ems-Center Papenburg: Während das Werlte-Center von Anfang an seine Probleme hatte, war das Ems-Center in Papenburg (Baukosten 40 Millionen DM) lange durch-

aus eine Erfolgsgeschichte. Es wurde wie das Werlte-Center 1980 eröffnet und war für die Fehnstadt ein echter Gewinn – und zwar nicht nur im Einzelhandel, sondern gerade auch im Freizeitbereich sowie der medizinischen Versorgung. So bot das Gebäude auf 20 000 Quadratmetern in der Nähe der Untenender Innenstadt eine ganz spezielle Mischung an Angeboten, die im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte jedoch stark variierte. Anfangs konnten die Papenburger dort sogar Schlittschuh laufen und Squash spielen. Zudem gab es mehrere Kinosäle, eine Diskothek, einen Dorfplatz mit Tanzfläche und mehreren Restaurants sowie eine BowlingBahn. In dem dreigeschossigen Gebäude ließen sich zudem mehrere Facharztpraxen nieder. Das Erdgeschoss beherbergte nicht nur einen großen Lebensmittel-Discounter, sondern auch diverse andere Einzelhandelsgeschäfte, vom Schuhladen über einen Friseur bis zum Bäcker. Zum Gesamtensemble gehörten ein Parkhaus, große Parkflächen, eine Tankstelle und ein ObiBaumarkt. Im Laufe der Jahre erfolgten mehrere Eigentümerwech-

Shopping-Center im Fokus So haben sich ihre Zahl und Fläche seit 1990 entwickelt

Jahr 1990 1995 2000 2005 2010 2015

Zahl der Center

Gesamtfläche in m2 2 780700

93

6 019 500

179

9 212 20 00

279

11 449 600

363 428 463

13 512 000 14 849 090

2020

489

15 793 000

2021

493

15 916 700 Quelle: EHI Shopping-Center-Report 2021 · Grafik: Matthias Michel

sel. Speziell nach dem Weggang des Kinos verwaisten die beiden oberen Etagen mehr und mehr. Notwendige Investitionen in die Sanierung blieben aus. Mit dem Bau des Dever-Parks, eines weiteren Einkaufszentrums in unmittelbarer Nachbarschaft, nahm die Frequenz im Ems-Center weiter ab. Es ist vermutlich die attraktive Innenstadt-Lage, die die Projektentwicklungsgesellschaft Procom Invest mit Sitz in Hamburg dazu bewogen hat, hier einen Neuanfang zu wagen, allerdings nicht mehr als klassisches Shopping-Center. Procom ist seit 2014 Eigentümer der Immobilie. Firmensprecher Bastian Hämmerle verspricht den Papenburgern: „Das neue Ems-Center wird 30 Jahre funktionieren.“ Bis auf den OBI-Baumarkt wurde alles abgerissen. Das neue Ems-Center soll einen Marktkauf (Edeka), einen Getränkemarkt, eine Drogerie, eine Apotheke, ein Fitnessstudio sowie mehrere Fachmärkte und ein gastronomisches Angebot beherbergen. Insgesamt sind im Erdgeschoss des Einkaufszentrums knapp 7000 Quadratmeter Verkaufsfläche geplant. Mittelpunkt ist ein 4766 Quadratmeter großer Marktkauf, ähnlich dem des 2017 eröffneten Angebotes in Meppen. Das Obergeschoss soll nur 1500 Quadratmeter umfassen. Geplant sind hier weitere Gastronomiebetriebe sowie ein Fitnessstudio. Trotz der attraktiven City-Lage sind keine Wohnungen vorgesehen. Insgesamt will Procom 35 Millionen Euro investieren und damit „einen großen neuen Wurf wagen“. Meppener Einkaufspassage: Während sich in Werlte und Papenburg der Abriss der Shopping-Center aufgrund der maroden Bausubstanz geradezu aufdrängte, sieht die Situation in der erst 2013 eröffneten Meppener Einkaufspassage (MEP) aufgrund der guten Bausubstanz komplett anders aus, und trotzdem gibt es auffällige Parallelen. Die Leerstände im Shopping-Center in der Meppener Bahnhofstraße nahmen ebenfalls rasant zu, nachdem die Ankermieter das zweigeschossi-

Foto: Werner Scholz

ge Shopping-Center mit einer Einkaufsfläche von 13 000 Quadratmetern verließen. Mit dem Fortgang von Edeka, aber speziell Media Markt verlor die als „Diamant des Emslandes“ gestartete Mall schnell ihren Glanz. Weitere Weggänge folgten. Dabei beklagte nicht nur der Media Markt die zu hohen Mietpreise. Zudem wechselten die Inhaber der Immobilie, die einst der Haselünner Bauunternehmer Ralf Schulte in der Bahnhofstraße für 55 Millionen Euro errichtet hatte. Ein Nachteil ist, dass Meppen über zwei Fußgängerzonen verfügt. Vor 2013 lag die Bahnhofstaße komplett im Dornröschenschlaf. Mit der MEP erfuhr sie gerade anfangs eine kräftige Aufwertung. Allerdings gelang es nicht, die beiden Fußgängerzo-

„Das neue Ems-Center wird 30 Jahre funktionieren.“ Bastian Hämmerle, Procom Invest

nen zusammenzuführen. Vorschläge, wie eine Fußgängerbrücke über die trennende Ems direkt von der MEP auf den Windthorstplatz zur großen innerstädtischen Fußgängerzone zu bauen, verschwanden schnell wieder in der Schublade. Jetzt zeichnet sich für die MEP aber eine Wende zum Positiven ab. Ende 2021 kaufte die LindhorstGruppe aus Winsen die Immobilie von dem Münchener Immobilienfonds Real I.S.. Die LindhorstGruppe ist Experte für solche Vorhaben: In Osnabrück plant sie gerade die Neugestaltung der Johannishöfe am Neumarkt. Und auch die MEP will der Investor teilweise umkrempeln. Geschäftsführer Nils Blömke lässt sich aber noch nicht komplett in die Karten schauen, zumal zahlreiche Mietverträge in der MEP erst im kommenden Jahr auslaufen. Fakt ist trotzdem: Den Einzelhandel will er reduzieren. Gleichwohl sagt er: „Das ist eine Top-Immobilie in zentraler Lage.“ Oberdrein bietet sie auf zwei Ebenen in der Tiefgarage 500 Parkplätze. In Fachkreisen macht nicht erst seit Corona ein neuer Begriff die Runde, der auch für die MEP zutreffen dürfte: Klassische Einkaufspassagen werden zunehmend in „Mixed-Use-Objekte“ umgewandelt, die unterschiedliche Nutzungen verbinden. Das können Wohnprojekte ebenso sein wie einzelne Handelsgeschäfte oder Service-Angebote. So liegt die MEP nicht nur sehr zentral in einer verkehrsberuhigten Fußgängerzone, sondern zugleich am Wasser. Im Rahmen des Stadtumbaus „Rechts der Ems“ werden schon jetzt für Eigentumswohnungen in ähnlicher Lage in Meppen außergewöhnlich hohe Preise gezahlt. Dabei kann zurzeit das Angebot die enorme Nachfrage in der emsländischen Kreisstadt nicht decken. Diesen Trend erkannten die MEP-Erbauer sogar in Ansätzen schon vor neun Jahren. So beherbergt die MEP außer den Einkaufsmöglichkeiten in Teilen des Obergeschosses von Anfang acht luxuriöse Wohnungen – mit direktem Blick in Richtung Dortmund-EmsKanal, versteht sich.


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SPEZIAL WANDEL & VISION

Digitale Puzzlestücke helfen nicht weiter Wandel im Gesundheitssektor vollzieht sich in Trippelschritten / Patientenwohl bleibt oberstes Ziel

VON BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK Corona sei Dank, könnte ein Stoßseufzer mit Blick auf den digitalen Entwicklungsschub lauten, den die Pandemie dem digitalen Wandel im Gesundheitssystem beschert hat. Auch in Niedersachsen, auch in den Regionen vor Ort. Die Verzweiflung, der Seuche auch mit technischer Unterstützung Herr zu werden, eröffnete Möglichkeiten. Längst erkannte Schwachstellen bremsen aber weiter. Fernziel bleibt dabei auch die seit dem E-Health-Gesetz von 2015 beschlossene einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte. Doch die Realität sieht 2022 vielerorts noch anders aus. Überlastete Hausarztpraxen, besetzte Telefonhotlines, Patienten mit CoronaAbstand, die auf den Praxisfluren warten. Ärztlicher Datenaustausch per Telefax, auf Papier, per Post, per Telefon… Bleibt die entscheidende Frage: Wem nutzt die Digitalisierung? Dem Patienten, den Ärzten, der Industrie? Wie schnell zeigt der angeschobene Wandel endlich Erfolge? Jüngste Beispiele sind CoronaApps. Als bekannteste ist die seit dem 16. Juni 2020 in Deutschland durch Download verfügbare Corona-Warn-App im Einsatz. Sie soll helfen, Infektionsketten nachzuverfolgen. Die App fungiert als digitale Ergänzung zu Abstandhalten, Hygiene und Alltagsmaske. Unverzichtbar – wie etwa vielerorts auch die chayns-App – haben Menschen sie oft in ihren Alltag integriert, buchen darüber Test- oder Impftermine. Erst scannt man mit dem Handy einen QR-Code zum Start eines Antigen-Schnelltests, erhält kurz darauf sein persönliches Ergebnis auf das Smartphone übermittelt und ist für die derzeit ständig wechselnden gesetzlichen Kontaktregeln bis hin zu 3G plus (vollständig geimpft, genesen oder negativ getestet) bestens gerüstet. Willkommen in der digitalen Gesundheitswelt, in der Apps eine zentrale Rolle spielen. Doch Apps sind nicht alles. „Patienten, ob jung oder alt, erwarten weiter Zeit, Zuwendung und ungeteilte Aufmerksamkeit von ihrem Hausarzt“, ist sich Dr. Karin Bremer sicher. Die stellvertretende Vorsitzende der Ärztekammer Niedersachsen (Bezirksstelle Osnabrück) kennt aus eigener Anschauung die Herausforderungen und Probleme bei der Digitalisierung der Hausarztpraxen. Schlagworte sind keine sicheren, funktionierenden Programme, keine ausreichenden technischen Schnittstellen oder übergreifenden Kommunikationsplattformen und eine in der Fläche immer noch unzureichende Breitbandnetzinfrastruktur.

Abstandsregelnundeinbesonderes Hygienekonzept:InZeiten vonCoronabetritt manchermitgemischten Gefühlendas ärztlicheWartezimmer.DigitaleSprechstundenbis hinzurVideoschaltesindeineAlternative.

Ihre Beobachtungen decken sich mit den Einschätzungen eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium aus 2021: „Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems hinkt der in anderen europäischen Ländern hinterher. Vorreiterrollen haben Estland, Dänemark, Finnland, Schweden und die Niederlande eingenommen.“ Absichtserklärungen, Wünsche und Floskeln ändern aber an einigen dramatisch schlechter werdenden Ausgangssituationen auch in den Regionen vor Ort nichts. In Flächenregionen schlägt der Hausund Fachärztemangel längst zu. Er geht zulasten der Patienten. „Digitale Wandlungen sollten daher als große Chance verstanden werden. Wenn digitale Anwendungen einen Mehrwert haben, können sie die kostbare Ressource Arzt schonen“, erklärt Karin Bremer etwa mit Verweis auf schon jetzt gut funktionierende Digitalanwendungen und Vi-

deosprechstunden. Weniger Zeiten mit Bürokratie und Fahrerei – die Vorteile lägen auf der Hand. Es passiert, von der breiten Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen, schon viel: VERAH, die „Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis“, gilt etwa als Erfolgsmodell. Hoch qualifizierte Arzthelferinnen unterstützen die Hausärzte speziell bei der Heimversorgung und bei bettlägerigen Patienten. Sie sind mit dem iPad unterwegs, erheben vor Ort Vitalparameter und stellen dann eine Verbindung mit der Hausarztpraxis her. „Das kommt einem Arztbesuch schon sehr nahe.“ Allerdings: „Ich bin mir sicher, dass der ärztliche Blick und die klinische Entscheidungsfindung nicht in irgendeiner Weise durch Technik ersetzt werden können.“ Das sei auch nicht der gewünschte Ansatz, vielmehr solle die ärztliche Arbeit durch technische Unterstützung qualitativ verbessert und zeitlich

DerAustausch zwischen demArztund einemPatientenperVideosprechstundeeröffnetneue Perspektiven.

Foto:dpa/CarstenKoall

optimiert werden. Der kurze Dienstweg, das schnelle Telefonat zum Austausch und zur Abstimmung unter (Fach-)Ärzten, funktioniere heute zwar, sei aber letztlich ein Anachronismus. Alle Daten eines gemeinsamen Patienten sollten, „wenn schon nicht Realtime, so doch zeitnah“ unter Berücksichtigung hoher Datensicherheit allen Beteiligten in einem geschlossenen System zur Verfügung stehen. Die Qualität der ärztlichen Leistung zum Nutzen der Patienten gewinne – weil die gewonnene Zeit für den Menschen genutzt werden könne. Der Alltag für Mediziner und Patienten sieht nach Beobachtung von Karin Bremer immer noch anders aus: Da werde ein Patient beispielsweise wegen einer Erkrankung von seinem Arzt ins Krankenhaus geschickt. Dann herrsche erst einmal Funkstille. Im Idealfall mit einem papierenen Entlassbrief in der Hand, der dann aufwendig eingescannt werden muss, melde sich der Patient nach dem Krankenhausaufenthalt zurück. „Vielleicht hat er auch noch eine Reha-Behandlung hinter sich.“ Seine Patientenakte wachse um PDF und PDF. „Der Hausarzt ist aber der wichtigste Ansprechpartner, der Lotse für den Patienten. Und damit er dem Patienten optimal weiterhelfen kann, muss er über alle Details genau im Bilde sein.“ „Es wäre viel komfortabler, wenn alle Daten einschließlich der Laborbefunde in einem geschlossenen System schnell verfügbar, lesbar und in das eigene Praxissystem integrierbar wären“, beschreibt Karin Bremer die Vorteile einer entsprechenden Programmierschnittstelle mit Zugriff aller Beteiligten. Die heutige Technik sei „vorsintflutlich“. Ein deutschlandweites Problem. Selbst die Meldungen von Corona-

Erkrankungen an das Robert-KochInstitut werden nur teilweise digital weitergeleitet. In großem Umfang erreichen sie ihr Ziel per Telefax… Und dann gibt es noch abrechnungstechnische Besonderheiten, die derzeit angesichts der CoronaBedingungen ausgesetzt worden seien. Da von den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht als echter Patient-Arzt-Kontakt eingestuft, konnte der Aufwand einer Telefonsprechstunde laut Karin Bremer nicht abgerechnet werden. Themenwechsel: Erfolge bei der Nutzung digitaler Möglichkeiten melden derweil die niedersächsi-

„Patienten erwarten weiter Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung ihres Hausarztes.“ Dr. Karin Bremer, Ärztekammer Niedersachsen (Bezirksstelle Osnabrück)

Foto: dpa/DanielKarmann

schen Landkreise Goslar und Northeim. Hier wird seit 2021 der Ausbzw. Aufbau von Telenotfallmedizin in einer zweijährigen Projektphase getestet. Die Idee: Bei einem Einsatz sind Rettungssanitäter oft ohne Notarzt vor Ort. Entscheidungen können über Leben und Tod entscheiden. Geschultes Rettungsdienstpersonal und eine zuverlässige technische Ausstattung helfen. Dabei geht es vor Ort um die Unterstützung der Rettungskräfte über die Telenotfallzentralen bis hin zur Anforderung eines Notarztes. 2021 seien 1777 Patienten telenotfallmäßig versorgt worden, teilte das niedersächsische Innenministerium jetzt auf Anfrage mit. Technische Probleme bei der Datenübermittlung etwa im Harz hätten nur in zwei Prozent der Fälle ein entsprechendes Vorgehen verhindert. Nur in drei Prozent der Fälle sei ein Notarzt anhand der Situation vor Ort „nachgefordert“ worden. Die „hochaufwendigen Einsätze von Notfalleinsatzfahrten“ seien dadurch reduziert worden. HerzKreislauf-Erkrankungen und Verletzungen begründeten in knapp der Hälfte aller Fälle die Einsätze. Die Telenotfallmedizin Goslar verwendet nach Angaben des Innenministeriums eine „Bidirektionale Videokommunikation“. Sie erlaube direkt am Unfallort oder in der Patientenwohnung neben einer schnelleren telenotfallmedizinischen sicheren Behandlung auch – sofern notwendig – eine juristisch korrekte ärztliche Patientenaufklärung. Eine zeitnahe, hochwertige notfallmedizinische Versorgung für Patienten sicherzustellen, wenn kein Notarzt vor Ort sei, sei neben der hohen Akzeptanz der Mitarbeiter im medizinischen Alltag deshalb auch Basis für Überlegungen zu einer landesweiten Umsetzung des Projekts.


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SPEZIAL WANDEL & VISION

SPEZIAL WANDEL & VISION

„Ich erwarte einen realistischen Blick auf Transformation“ Volker Schmidt und Peter Holdmann sprechen im Wirtschaftstalk über internationalen Kostendruck, den Standort Deutschland und Zweifel an der E-Mobilität 350 000 autonahe Jobs in Niedersachsen. Autoindustrie definiert sich nicht mehr regional. Schwerpunkt verschiebt sich in Richtung Entwicklung. VON NINA KALLMEIER UND BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK/DIELINGEN/

HANNOVER „Den Menschen im Augenblick weiszumachen, nur mit einem Elektroauto etwas Gutes für die Umwelt zu tun, ist einfach unkorrekt, so lange wir in Deutschland unseren Strom aus Kohle erzeugen“, sagt Peter Holdmann, Geschäftsführer der ZFDivision Pkw-Fahrwerktechnik mit Sitz in Dielingen am Dümmer. Und auch Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall ergänzt: „Wir sind gerade im Begriff, eine überaus fortschrittliche Technologie, den Diesel, nach allen Regeln der Kunst kaputtzumachen.“ Wie sieht er aus, der Wandel in der Automobilindustrie, was bedeutet er für den Standort Deutschland – und ist die E-Mobilität das Maß aller Dinge? Darüber haben Holdmann und Schmidt im Wirtschaftstalk gesprochen. Wenn es um die Transformation der Wirtschaft geht, ist die Automobilindustrie das Paradebeispiel. „Im Automobilland Niedersachsen sind so viele Jobs im verarbeitenden Gewerbe von der Automobilindustrie abhängig wie in keinem anderen Bundesland. 62 Prozent dieser Arbeitsplätze sind im automobilaffinen Bereich. In Bayern und Baden-Württemberg sind es gerade einmal 35 beziehungsweise 38 Prozent“, sagt Volker Schmidt. In Zahlen: Rund 570 000 Beschäftigte zähle das verarbeitende Gewerbe in Niedersachsen, so der NiedersachsenmetallChef. Das macht etwa 350 000 automobilaffine Jobs – bei Zulieferern, Automobilherstellern, im Kfz-Handwerk, in Gießereien oder dem Werkzeug- und Maschinenbau. Allein letzterer erhalte 40 Prozent seiner Aufträge von Fahrzeugherstellern oder Zulieferern. Entsprechend ist es für Schmidt kein Wunder, dass die Automobilindustrie beim Thema Transformation im Fokus steht. „Wir stehen einem kumulativen Innovationsdruck gegenüber – E-Mobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung, neue Werkstoffe –, den es so mit dieser Wucht nie zuvor gegeben hat. Und dieser Herausforderung müssen wir möglichst erfolgreich begegnen.“ So geht es auch Peter Holdmann

„Was wir zurzeit erleben, ist ein EU-amtlicher Selbstbetrug.“ Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer Niedersachsenmetall

und seiner Division Pkw-Fahrwerktechnik. Einen Megatrend – die E-Mobilität – kann er dabei jedoch weitestgehend vernachlässigen. „Solange Autos nicht fliegen lernen, brauchen sie Bremsen, Spurstangen, Dämpfer etc. Insofern sind wir an dieser Stelle weniger betroffen. Es gibt sogar technologisch komplexe Aspekte der Fahrwerktechnik in der E-Mobilität, wo wir als Technologiepartner der Automobilhersteller profitieren können“, sagt Holdmann. Das heißt nicht, dass es in den Werken am Dümmer beziehungsweise in Deutschland keinen Wandel gibt, ganz im Gegenteil. Er rührt jedoch aus einer Entwicklung heraus, die eingesetzt hat, lange bevor sich die Branche mit Elektromobilität beschäftigte. „Die Automobilindustrie definiert sich nicht mehr regional, sondern global. Das heißt, wir stehen mit unseren Produktionsstätten in Niedersachsen im globalen Kostenwettbewerb. Das erschwert es uns zunehmend, die Wertschöpfung aufrechtzuerhalten“, sagt Peter Holdmann. Die Zeiten, in denen die Qualität aus deutschen Werken besser gewesen sei als aus jenen in Osteuropa seien lange vorbei. Die Vorteile in der Kostenstruktur jedoch – vor allem Energie, Arbeitskraft – lägen ganz klar außerhalb Deutschlands. „Unsere Kunden nehmen keine Rücksicht darauf, ob die Produkte aus Diepholz kommen oder anderswoher. Es zählt der Preis. Und ehrlich gesagt, sind die Wege von einem Werk in der Slowakei nach Ingolstadt, München oder Stuttgart nicht weiter als vom Dümmer. Das heißt, auch die Logistikkosten sind ähnlich“, so der ZF-Divisionschef. Das bedeutet: ZF schaut sehr genau hin, welche Produkte sich wirtschaftlich in Deutschland fertigen lassen. Das hat Folgen, auch für die DümmerStandorte. Erst im vergangenen Jahr hat es weitere Vereinbarungen mit der Arbeitnehmervertretung über Freiwilligenprogramme zum Stellenabbau gegeben, die von den Mitarbeitern auch gut angenommen wurden, wie Holdmann sagt. Die Gefahr des Stellenabbaus sieht Volker Schmidt vor allem in der Zulieferindustrie. Und das aus mehreren Gründen: Da weltweit immer weniger Fahrzeuge verkauft werden, würden immer mehr Hersteller dazu übergehen, Zulieferteile auch im eigenen Haus zu produzieren. „Das geht natürlich zu Lasten der klassischen Zulieferer“, so Schmidt. Auch seien 2021 nur noch 2,8 Millionen Pkw in Deutschland vom Band gelaufen. Damit habe sich die Fahrzeugproduktion innerhalb von vier Jahren glatt halbiert. Auf der anderen Seite wurden mehr und mehr Pkw im Ausland gefertigt – zuletzt mehr als neun Millionen Fahrzeuge. „Wir haben hierzulande aber nun einmal viele Zulieferer, die schwerpunktmäßig für den europäischen und insbesondere den deutschen Markt arbeiten. Die Produktionsschwäche im Inland trifft insbesondere heimische Gießereien. Und diese sind bereits infolge der politischen Kampagne gegen die Dieseltechnologie schwer angeschlagen.“ Dabei hätten Gießereien quasi eine systemische Relevanz, betont Schmidt die Bedeutung der Betriebe. Würden sie als Lieferanten ausscheiden, bekämen Zulieferer und damit auch Fahrzeughersteller echte Probleme in der Fahrzeugproduktion. „In der Automobilzuliefer-Industrie nimmt die Alarmstimmung zu. 1200 der 1250 Zuliefer-Betriebe in Deutschland machen den klassischen Mittelstand aus, und es gibt nicht wenige, denen das Wasser mittlerweile bis zum Hals steht.“ Das merkt Peter Holdmann auch im Produktionsprozess der ZF-Werke. „Wir haben bei unseren klassischen mechanischen Lieferanten im Kaltfor-

STECKBRIEF

Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer Niedersachsenmetall

A

uf vielfältige Erfahrungen inPolitik und Wirtschaft konnte Volker Schmidt verweisen, als er 2008 das Amt des Hauptgeschäftsführers von Niedersachsenmetall antrat. Nach einem Volkswirtschaftsstudium an der Uni Hamburg übernahm er dort seine erste Stelle als Geschäftsführender Assistent am Institut für Europäische Wirtschaftspolitik/Verkehrswissenschaft. Nach seiner Promotion zum Dr. rer.pol. und Stationen bei der Esso AG und im Bundes-

finanzministerium wurde Schmidt 1995 persönlicher Referent von Wolfgang Schäuble in Berlin und war anschließend im Büro von Friedrich Merz im Planungsstab Wirtschafts-/Sozialpolitik der Unionsfraktion. Es folgte eine ähnliche Verantwortung bei Gunnar Uldall, damals Senator für Wirtschaft und Arbeit in Hamburg. Ab 2002 beriet Schmidt den späteren Ministerpräsidenten Christian Wulff und leitete ab 2003 die Abteilung Politik der Staatskanzlei in Hangp nover.

Foto:Niedersachsenmetall

STECKBRIEF

Peter Holdmann, Geschäftsführer ZF-Divisionschef Pkw-Fahrwerktechnik

S

eit Oktober 2018 leitet Peter Holdmann die weltweit aufgestellte Division Pkw-Fahrwerktechnik der ZF Friedrichshafen AG, die aus Dielingen am Dümmer gesteuert wird. Der gebürtige Duisburger absolvierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen den Studiengang Maschinenbau mit Schwerpunkt Fahrzeugtechnik. Die Promotion erfolgte im Jahr 2000. Im selben Jahr trat Holdmann in den ZF-Konzern ein.

mungsbereich drei, die im Augenblick in der Insolvenz sind.“ Sie kämen aus Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg. Verantwortlich sei hier jedoch nicht nur der Wandel der Branche, sondern es seien vor allem die aktuellen Herausforderungen, die die Industrie aufgrund des Pandemiegeschehens und des Halbleitermangels bewerkstelligen müsse. „Davon sind wir genauso betroffen“, so Holdmann mit Blick auf das Tagesgeschäft. Das Orderverhalten der Hersteller schwanke weiter stark. Und man schaue mit Schrecken auf die Nachrichten aus Wolfsburg, die Nachtschicht streichen zu wollen. „Wenn VW stottert, dann stottern auch unsere Werke, vor allem in Norddeutschland, und wir sind dann recht schnell nicht mehr profitabel in der Produktion“, sagt der ZF-Divisionschef. Volkswagen sei vor allem in Niedersachsen ein wichtiger Player, wirft Schmidt auch mit Blick auf die Branche insgesamt ein. „Es gibt Zulieferer, deren Umsatz in der Spitze bis zu 75 Prozent an VW hängt.“ Soviel ist es bei ZF nicht, wirft Holdmann ein. Allerdings betont Niedersachsenmetallchef Schmidt auch: Die meisten Zulieferbetriebe arbeiteten für alle deutschen Hersteller. „Wir haben allerdings auch einige, die bereits für Tesla arbeiten – obwohl die Amerikaner eine relativ hohe Fertigungstiefe ha-

ben. Und ich gehe davon aus, dass sich deren Zahl mit dem Aufbau der Fertigungskapazitäten im Tesla-Werk in Grünheide noch erhöhen wird.“ Zu den Zulieferern, die für Tesla fertigen, gehört auch die ZF-Division am Dümmer. „Wir beliefern nicht nur das Werk in Brandenburg, wenn es fertig gebaut ist, sondern auch Werke in den USA und China“, sagt Peter Holdmann. Allerdings – und da schließt sich der Kreis wieder zu der Entwicklung, die ZF am stärksten trift: Auch das Business mit Tesla ist ein globales. „Unsere Werke in Wagenfeld und Diepholz sowie zurzeit noch Damme fertigen zwar für Tesla, vor allem sind es jedoch unsere osteuropäischen Produktionsstätten“, so der Divisionschef. Die Bedeutung unter anderem der Slowakei als Fertigungsstandort spiegele sich langsam auch in Form von fehlenden Fachkräften wider. „Mittlerweile haben so viele Wettbewerber Werke errichtet, dass es schwerer wird, genügend Mitarbeiter zu bekommen. Arbeitnehmer aus anderen osteuropäischen Staaten schließen aber diese Lücke gerne und kommen zum Arbeiten in die Slowakei“, so Holdmann. Was erwartet die Industrie hinsichtlich der Entwicklungen dann von Politik und Verbänden? „Zunächst einmal erwarte ich einen realistischen Blick auf die Transformation“, sagt Peter Holdmann. „Im Augenblick ist man mit einem Diesel genauso umweltbe-

Foto:DavidEbener

Nach unterschiedlichen Stationen im Bereich Fahrwerktechnik war Holdmann von 2008 bis 2015 für das Geschäftsfeld Achssysteme weltweit verantwortlich. Danach erfolgte mit der Akquisition von TRW Automotive durch ZF der Wechsel in die daraus entstandene Division Aktive und Passive Sicherheitstechnik in die USA, wo er für das Bremsenund Lenkungsgeschäft verantwortlich war. Vor knapp vier Jahren kehrte er an den Dümmer zurück. nika

wusst unterwegs wie mit einem Elektrofahrzeug.“ Niedersachsenmetallchef Volker Schmidt nickt. „Was wir zurzeit erleben, ist ein EU-amtlicher Selbstbetrug“, sagt er mit Blick auf die politische Entscheidung in Brüssel und Berlin, künftig nur auf Elektromobilität zu setzen. „Man setzt die CO 2-Emission von Elektrofahrzeugen einfach auf null und lässt bewusst außer Acht, die Emissionen von E-Mobilität ganzheitlich zu betrachten – von der CO2-intensiven Produktion der Elektrobatterie über das Tanken des mit Kohle produzierten Stroms bis zur extrem umweltbelastenden Verschrottung des Elektroantriebs.“ So sieht es auch Holdmann. „Solange wir unseren Strom in Deutschland mit fossilen Energien erzeugen, bringt uns die E-Mobilität bei der CO 2-Reduzierung nur bedingt weiter.“ Und wenn man dann mal überlege, wann es in Deutschland so weit sei, dass der Strom aus regenerativen Energien gewonnen werde, dann könnte man den Transformationsprozess der Branche deutlich strecken. „Insofern pochen wir als ZF stark darauf, dass zum Beispiel Hybridtechnologie weiterhin gefördert wird. Wird die Förderung eingestellt, dann wird das unmittelbare Konsequenzen für die Beschäftigung in der ZF haben“, warnt Holdmann. Ist also doch der Weg der Franzosen der richtige, auf eine CO2-neutrale

Stromproduktion aus Kernkraftwerken zu setzen? Aus wirtschaftlicher Sicht würde Holdmann zustimmen. „Wenn Staaten wie Frankreich jetzt ein riesiges Investitionsprogramm für Atomkraft ankündigen, dann werden sie, wenn die Reaktoren in einigen Jahren stehen, deutlich günstiger CO 2-neutrale Energie erzeugen, als wir es hier in Deutschland können. Dazu fehlen mir aus der Politik Antworten, wie wir diesen kommerziellen Nachteil kompensieren wollen.“ Jedoch hat der Divisionschef im Hinblick auf Kernenergie auch die negativen Aspekte, etwa die Beseitigung des anfallenden Atommülls im Auge. Am globalen Wettbewerb in der Automobilindustrie ändert sich nichts, ganz im Gegenteil. Und Volker Schmidt geht davon aus, dass der Automobilstandort Deutschland – was die Produktion betrifft – weiter an Bedeutung verlieren wird. „Deutsche Fahrzeughersteller produzieren derzeit nur noch ein Drittel der Stückzahlen in Deutschland, die sie mittlerweile an anderen Standorten weltweit fertigen“, so der Niedersachsenmetallchef. Und Holdmann ergänzt: „Es ist generell so, dass der Automobilmarkt in Europa nicht mehr wächst. Die Wachstumsmärkte sind noch marginal in Nordamerika und ansonsten ganz klar in Asien.“ In Europa, davon geht der ZF-Divisionschef aus, werde es zunehmend zu einer Konsolidie-

„Der Porsche 911 wird hoffentlich nie elektrisch angetrieben werden.“ Peter Holdmann, ZF-Divisionschef Pkw-Fahrwerktechnik

rung der Produktionskapazitäten kommen. „Umso wichtiger ist die Wettbewerbsfähigkeit.“ Dass Deutschland zu einem reinen „Verwaltungsstandort“ wird, so weit geht Peter Holdmann nicht. „Der Schwerpunkt wird sich aber in Richtung Entwicklung verschieben. Wir werden jedoch auch weiterhin Produktionen in Niedersachsen haben, da bin ich mir sicher. So, wie wir die Standorte Diepholz und Wagenfeld jetzt aufstellen werden, können wir eine nachhaltige Zukunft garantieren.“ Jedoch auch nur, weil die Produktion der Produkte am Dümmer hochautomatisiert sei. „Die Arbeitskosten belaufen sich im deutlich einstelligen Bereich der Gesamtproduktionskalkulation. Sobald sie im zweistelligen Bereich liegen, sind Produkte aus Deutschland in der Automobilindustrie chancenlos.“ Mit dem Wandel und der zunehmenden Digitalisierung in der Produktion einher geht Holdmann zufolge auch ein Wandel in der Qualifikation der Beschäftigten. „Wir haben gerade im Rahmen der Vereinbarungen mit dem Betriebsrat hier am Dümmer ein großes Umschulungsprogramm gestartet.“ Aus Sicht von Niedersachsenmetallchef Schmidt ist das ein Schritt, den Zulieferer insgesamt in Angriff nehmen müssten. Den 320 bei Niedersachsenmetall organisierten Zulieferern zufolge ist jeder dritte Arbeitsplatz vom Wandel der Antriebstechnologie betroffen. Und auch bei den Auszubildenden setzt ZF schon an. „Wir haben einen Ausbildungsberuf ,Fachinformatiker für digitale Vernetzung‘ eingeführt. Genau die Qualifikation ist es, die wir hier brauchen“, so Holdmann. Der Grund: Nicht nur die DümmerWerke, sondern das 50 Standorte starke globale Netz an Produktionsstätten wird aus Dielingen heraus gesteuert. „Hier sitzen die Mitarbeiter, die die Werke außerhalb Deutschlands ertüchtigen, damit diese die gleiche Produktionstechnik einsetzen wie wir. Dafür brauchen wir auch künftig Mitarbeiter.“ Dennoch, dass die Anzahl der Beschäftigten in den automobilaffinen Bereichen langfristig so hoch bleibt wie sie heute ist, damit rechnet Volker Schmidt nicht. „Meine Befürchtung ist, dass viele Betriebe nicht mehr die notwendigen Investitionsmittel aufbringen können, um erfolgreich in die Transformation zu investieren“, sagt er. Denn irgendwoher müsse das Geld ja schließlich kommen, um in neue Antriebstechnologien und Digitalisierung zu investieren – was bei den seit Jahren stark gesunkenen Umsätzen, ohnehin hohen Standortkosten und nun den Folgen der Pandemie fast schon unmöglich sei. Die Dinge laufen zu lassen, hat Schmidt zufolge jedoch schon heute Folgen: „Wir brauchen künftig keinen

Anlasser mehr, keinen Auspuff, keinen Tank – es fallen im Elektrozeitalter zahlreiche Zulieferteile weg. „Erste Zulieferbetriebe bemerken schon heute, dass sie in die Entwicklungsphase neuer Fahrzeuggenerationen nicht mehr eingebunden werden und das Produktportfolio der Hersteller ausgedünnt wird.“ Arbeitsplatzabbau sei die Folge. Dabei würden Fachkräfte gebraucht, auch in der Transformation. „Meine Prognose ist, dass langfristig ein Drittel, möglicherweise sogar die Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen, die heute mit der Verbrennertechnologie zu tun haben“, sagt Schmidt. Und Arbeitsplätze, die durch die Entwicklung neuer Zulieferteile für Elektrofahrzeuge entstünden, müssten nicht zwingend am Standort Deutschland angesiedelt sein. „Die Zeiten, in denen neue Produkte nur in einem Stammwerk in Deutschland industrialisiert wurden, weil das Risiko dafür in Osteuropa zu groß war, sind vorbei“, sagt auch Peter Holdmann. „Wir stehen mit unseren neuen Produkten, die nur für die Elektromobilität hergestellt werden, von Anfang an im globalen Wettbewerb.“ Dabei ist es Volker Schmidt zufolge derzeit noch nicht einmal ausgemacht, dass E-Autos in Deutschland die erforderliche Marktakzeptanz erfahren. „Wir stellen aktuell fest, dass immer mehr Bürger – zuletzt fast 70 Prozent der Bevölkerung – den ökologischen Nutzen der Elektromobilität in Frage stellen“, so der Niedersachsenmetallchef mit Verweis auf jüngste Allensbach-Umfragen. Zumal auf absehbare Zeit eine ausreichende Menge Grünstrom fehle und die Anschaffungskosten weiter hoch seien. Dennoch, der Weg ist vorgegeben. Auch ZF investiert nicht mehr in die Weiterentwicklung von Produkten für die konventionelle Antriebstechnologie. „Den Schritt einiger deutscher Hersteller, künftig ausschließlich auf E-Mobilität zu setzen, finde ich bemerkenswert“, so Schmidt mit Blick auf deren Anspruch, Fahrzeuge für den Weltmarkt zu produzieren. Denn es gebe weltweit bedeutende Regionen, so der Niedersachsenmetallchef, in denen auf absehbare Zeit Elektrofahrzeuge keine bedeutende Rolle spielen werden. Und im chinesischen Markt für Elektroautos punkteten in erster Linie nicht große Modelle wie zum Beispiel SUVs. „Der unumstrittene Marktführer in China ist ein Kleinwagen, der Wuling Hong Guang, drei Meter lang, mit einem Preis von unter 4000 Euro. Davon sind im vergangenen Jahr fast 400 000 Stück verkauft worden. Das ist fast das Sechsfache dessen, was zum Beispiel von der gesamten IDFlotte von VW in 2021 in China abgesetzt werden konnte“, so Schmidt. Mit Blick auf die Berichterstattung in den deutschen Medien finde er es schon etwas bedenklich, wie wenig zur Kenntnis genommen werde, dass das Wachstum des Elektroauto-Marktes in China vor allem von extrem günstigen Kleinwagen getragen werde – mit kleiner Batterie und geringer Reichweite, weil sie in erster Linie für den Stadtverkehr konzipiert sind. ZF trifft der Trend in China weniger. „Als Antriebslieferant ist der Konzern schon immer im Premiumsegment stark gewesen. Und dort haben alle Hersteller bis auf BMW angekündigt, ab 2025 nur noch elektrisch angetriebene Autos zu fertigen“, sagt Peter Holdmann. Aus seiner Sicht ist der Trend zur E-Mobilität nicht mehr zu stoppen. „Auch wenn ich grundsätzlich glaube, dass eine Technologieoffenheit notwendig ist. Es sind noch nicht alle anderen Optionen voll geprüft.“ Insofern könne er verstehen, dass zum Beispiel Porsche unter anderem auf E-Fuels setzt. „Der Porsche 911 wird hoffentlich nie elektrisch angetrieben werden.“

Foto:imago/STAR-MEDIA


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SPEZIAL WANDEL & VISION

Der Wettlauf hat begonnen Wie schnell kann die Stahlproduktion „grün“ werden? Eine Hürde haben Benteler und die GMH Gruppe bereits genommen

VON NINA KALLMEIER Ob für die Automobilindustrie, Windkraftanlagen oder die Bauwirtschaft, Stahl ist ein zentraler Grundstoff. Allerdings auch einer mit großem CO2-Fußabdruck. Insgesamt rund 37 Millionen Tonnen CO2Äquivalent hat die deutsche Stahlindustrie im Vor-Corona-Jahr 2019 emittiert. Damit steht sie für etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen der Industrie in Deutschland und rund 6 Prozent der Gesamtemissionen. Das bedeutet: Will die Industrie klimaneutral werden, kommt der Stahlproduktion eine besondere Bedeutung zu. Sie steht vor einem Umbruch. Vor allem im Fokus: die integrierten Hüttenwerke, die auf der sogenannte Hochofenroute Stahl herstellen und für etwa zwei Drittel der Stahlproduktion in Deutschland stehen. Das Klimagas entsteht bei der Umwandlung von Eisenerz zu Roheisen mittels aus Kohle gewonnenen Kokses. „Für eine Tonne Stahl aus der Primärroute – also aus dem Hochofen – werden zwischen 1,7 und 2,2 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl freigesetzt“, sagt Thomas Begemann. Er ist Direktor Strategie/ Kommunikation & Projektmanagement bei Benteler Steel/Tube. Das Unternehmen hat auch einen Standort in Lingen. Allerdings: Im Emsland wird der Stahl nicht über die Hochofenroute, sondern im Elektrolichtbogenofen produziert. Der Vorteil: Die Emissionen sind deutlich geringer. Um bis zu 90 Prozent, so Begemann. „Konkret bedeutet das für den CO2-Ausstoß bei Benteler in Lingen: Bei der Stahlherstellung emittieren wir nur etwa 200 Kilo CO2 pro Tonne Stahl.“ Ähnlich ist die Situation im Stahlwerk Georgsmarienhütte, das vor der Pandemie rund 1,3 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr produziert hat. Es gehört zur GMH Gruppe „Im Vergleich zur Konkurrenz, die auf der Hochofenroute fertigt, ist unser Stahl sehr grün“, sagt Alexander Becker, seit vergangenem Jahr Vorsitzender der Geschäftsführung Gruppe. Der CO2-Ausstoß liege in den Elektrostahlwerken bei 0,4 Tonnen pro Tonne produzierten Stahl. Ein Elektroofen-Standort war Georgsmarienhütte allerdings nicht immer. Der Hochofen ist aus dem Werk seit 1994 verschwunden. Seither werden statt Koks und Eisenerz Schrotte eingeschmolzen. „Diese erste Transformation haben wir also schon hinter uns, und sie hat mehr als 1000 Arbeitsplätze gesichert“, so Becker weiter. Auf diesem ersten Schritt ausruhen will sich die GMH Gruppe auf dem Weg zur Produktion eines „grünen Produktes“ aber nicht. Ziel sei es, den Ausstoß weiter zu senken. „Das steht und fällt jedoch vor allem GEORGSMARIENHÜTTE/LINGEN

DerStahl,dendasWerk in GeorgsmarienhütteaufderStranggießanlageverarbeitet,wurdeim Elektrolichtbogenofenproduziert.DasistCO2-ärmerals dieProduktionaufderHochofenroute.

mit dem zur Verfügung stehenden Strommix“, betont Becker. Und hier hatten erneuerbare Energien im vergangenen Jahr nur einen Anteil von rund 42 Prozent. Begemann rechnet mit Blick auf Benteler in Lingen vor: „Durch den Einsatz von erneuerbaren Energien lässt sich der Emissionswert weiter, auf unter 100 Kilo CO2 pro Tonne Elektrostahl, senken.“ Becker ergänzt mit Blick auf Georgsmarienhütte: Durch mehr Ökostrom würde sich die CO2-Bilanz mehr als halbieren – konkret lägen die Einsparungen rund 480 000 Tonnen. Und es gibt weiteres Potezial: „Koks beziehungsweise Kohle durch biogene Kohle zu ersetzen würde den Ausstoß um weitere 110 000 Tonnen reduzieren. Durch die Substitution von Erdgas durch Wasserstoff würden rund 210 000 Tonnen CO2 wegfallen“, so Becker. Erst dann wäre der Stahl tatsächlich grün – und auf diese Klimaneutralität setzt zunehmend auch die Industrie. So will die BMW Group ab 2025 grünen Stahl aus Schweden für die Produktion beziehen. Doch auch bei Benteler und der GMH Gruppe ist klar zu sehen: „Die Kunden haben Stand heute Lust auf grünen Stahl“, sagt GMH-CEO Becker. „Wir erleben gerade einen deutlichen Nachfrageanstieg. Das Thema CO2-reduzierter

ImLingenerBenteler-Stahlwerk wirdein Elektrohochofenzur Stahlherstellunggenutzt

Stahl ist bei unseren Kunden sehr präsent“, so auch Christian Wiethüchter, Geschäftsführer der Benteler Steel/Tube. Aus dem Stahl aus Lingen würden insbesondere nahtlose Präzisionsrohre für Kunden aus den Bereichen Automotive, Industrie und Öl & Gas entstehen. Allerdings, so ergänzt Becker: Kunden wollen noch nicht mehr für grünen Stahl zahlen. „Ich glaube aber, dass sich das ändern wird.“ Was heißt das für einen Industriezweig, der zuletzt vor der CoronaPandemie einen Umsatz von rund 32,8 Milliarden Euro erziehlte und 84 000 Mitarbeiter beschäftigte? Wie schnell kann mit grünem Stahl gerechnet werden? Die Salzgitter AG – einer der größten Rohstahlhersteller des Landes – hat dafür einen Zeitplan. Sie hat jüngst angekündigt, 2025 den ersten Hochofen durch Direktreduktionsanlagen und Elektroöfen zu ersetzen. 2026 ist die Produktion von mehr als einer Million Tonnen grünem Stahl über diese Route geplant. Bereits 2033 und damit zwölf Jahre früher als ursprünglich geplant soll das integrierte Hüttenwerk vollständig neue ausgerichtet sein. Damit können dem Unternehmen zufolge rund acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden – etwa 1 Prozent der deutschen Emissionen.

Foto:Benteler

Doch: Ebenso wie bei Benteler und der GMH Gruppe, die diesen Schritt bereits vollzogen haben, ist die Produktion im Elektroofen erst mit Ökostrom komplett grün. Die beiden Unternehmen aus der Region haben ebenfalls Pläne, noch CO2- ärmer zu produzieren. „An einem Standort überlegen wir konkret, einen Elektrolyseur zu kaufen und so erste Erfahrungen mit Wasserstoff zu sammeln“, sagt Alexander Becker. Benteler ist indes Teil eines Konsortiums. In diesem Jahr soll auf dem RWE-Kraftwerksgelände in Lingen eine Wasserstoff-Direktreduktionsanlage errichtet werden. Sie stellt sogenannten Eisenschwamm her. „Dieser soll anschließend in unserem Stahlwerk mit eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet werden“, sagt BentelerGeschäftsführer Wiethüchter. Das Start-up CO2GRAB wird die Anlage bauen und betreiben, LSF die Betriebsweise der Elektrolyse an die fluktuierende Produktion von Windund Solarstrom optimieren. Aus dem Stahl wird Benteler künftig CO2-arme nahtlose und geschweißte Rohrlösungen produzieren. „Mit unserem Programm ,grüne Rohre‘ will die Division Steel/Tube bis 2045 schrittweise CO2-neutral werden“, sagt Programmleiter Thomas Begemann. Hier nehme das Stahlwerk in Lingen eine zentrale Position für die gesamte Wertschöpfungskette ein. „Der CO2-reduzierte Stahl aus Lingen dient als Vormaterial für unsere Rohrwerke. Für unsere nahtlosen Rohre bedeutet das beispielsweise 70 Prozent weniger CO2Emissionen – im Vergleich zum Einsatz von Stahl aus dem Hochofen.“ Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen im ersten Schritt mehr als eine Tonne pro Stunde grünes Eisen (Eisenschwamm) mithilfe von grünem Wasserstoff produziert werden. Die Einsatzmengen reichen Benteler zufolge derzeit dafür aus, um die Weiterverarbeitung des Eisenschwamms im Elektroofen zu testen und zu optimieren. Zukünftig bestehe die Möglichkeit, einen Teil des derzeit eingesetzten Schrottes durch Eisenschwamm

zu ersetzen. Die genauen Mengen gilt es nun im Rahmen des Projektes zu ermitteln. „Die Erkenntnisse, insbesondere die technische Machbarkeit, dieses innovativen Verfahrens sind für uns sehr wichtig. Wir wollen unter anderem verstehen, ob wir Eisenschwamm zukünftig im großen Stil als Vormaterial für unseren Qualitätsstahl nutzen können“, sagt Christian Wiethüchter. Allerdings – ausschließlich um die Produktion von Eisenschwamm geht es dem Unternehmen, das an drei Standorten in Deutschland Stahlrohre produziert nicht. „Im Rahmen des Programms ,grüne Rohre‘ prüfen wir gerade, welche Möglichkeiten wir zur CO2- Reduk-

„An einem Standort überlegen wir konkret, einen Elektrolyseur zu kaufen und so erste Erfahrungen mit Wasserstoff zu sammeln.“ Alexander Becker, Vorsitzender der GMH-Geschäftsführung

Foto:JörnMartens

tion in der Produktion haben.“ Dazu zählt, Gas im Prozess durch Wasserstoff zu ersetzen. So wie es auch für die GMH Gruppe überlegt wird. Allerdings: Alleine für das Werk in Georgsmarienhütte bräuchte das Unternehmen 20 000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. „Wie die Menge hierherkommen soll, dazu fehlt mir noch die Fantasie – und um den Wasserstoff selbst zu produzieren, bräuchten wir wiederum grünen Strom“, so Alexander Becker. Und auch Begemann betont: Damit von Gas auf Wasserstoff umgestellt werden könne, müsse der Wasserstoff in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen. „Und genau hier liegt aktuell das Problem: Eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur ist derzeit nicht vorhanden. Erste Planungen für ein Pipelinenetz sind zwar gestartet, dennoch ist mit einem Anschluss unserer Werke, insbesondere an unseren Standorten in Paderborn, nicht zu rechnen.“ Daher brauche es andere Möglichkeiten wie eine regionale, oder gar dezentrale Wasserstoffproduktion vor Ort. Bis also die Rahmenbedingungen für Wasserstoff geschaffen sind, konzentriert sich Benteler unter anderem auf das Thema Grünstrom für die Stahlproduktion. So ist es Becker zufolge auch bei der GMH Gruppe. Das bedeutet, dass sich das Unternehmen damit auseinandersetzt, möglicherweise selbst Öko-Strom zu produzieren. „Wir als Unternehmen, als Industrie müssen daran mitarbeiten, dass Erneuerbare ausgebaut werden“, sagt Becker. „Wir wollen investieren und selbst einen Windpark bauen beziehungsweise uns beteiligen. Am liebsten standortnah hier in der Region für unser Stahlwerk.“ Allerdings sei es sehr schwer, Flächen zu finden, die Stand heute für Windenergie tauglich seien. „Unser Strombedarf in der Gruppe liegt bei rund einer Terawattstunde pro Jahr. Zum Vergleich: Ganz Deutschland verbraucht rund 507 Terawattstunden, die Stadt Osnabrück liegt bei 0,85. Insofern ist der Strommix für uns ein Schlüssel zur Klimaneutralität.“


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SPEZIAL WANDEL & VISION

Jobs mit oder ohne Zukunft? Computerprogramme und Roboter übernehmen immer mehr Tätigkeiten aber nicht überall ist der Mensch durch Technik ersetzbar

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Wird meine Arbeitskraft künftig noch gebraucht? Diese Frage stellen sich Beschäftigte ganz unterschiedlicher Branchen und Jugendliche, die in den Arbeitsmarkt kommen, immer öfter. Auch wenn bei Letzteren noch Luft nach oben ist: Immerhin laufen einer OECD-Studie zufolge rund 39 Prozent der von Schülern angestrebten Berufe Gefahr, in den nächsten zehn bis 15 Jahren durch Automatisierung wegzufallen. Denn ob an den Produktionslinien der Lebensmittelhersteller oder Autobauer, ob bei Banken, in der Versicherungsvermittlung, an Supermarktkassen oder in der Pflege: Automatisierung und Digitalisierung sind auf dem Vormarsch. Wer sein Berufsfeld im „Job-Futoromat“ des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung eingibt, der ist vielleicht sogar überrascht, in wie vielen Kernaufgaben seiner Arbeit Potenziale für Software und Maschinen stecken. Auch in Branchen, an die möglicherweise nicht als Erstes gedacht wird. Sogenannte „Legal-Techs“ zum Beispiel können Ansprüche auf Entschädigung bei Flugverspätungen schon jetzt schneller einschätzen als ein Jurist. In anderen Bereichen ist die Automatisierung naheliegender. Nicht nur in der Industrieproduktion, wo sie zur Wirtschaftlichkeit des Standorts Deutschland beiträgt, sondern unter anderem im Bereich der Anlageberatung. RoboAdvisor – also Computerprogramme – treffen Anlageentscheidungen anhand voreingestellter Parameter, und ersetzen den Bankberater. Oder Chatbots übernehmen die Standardfragen im Kundenservice, bis Anrufer zuletzt vielleicht doch eine Person am anderen Ende der Leitung hören. Eine solche Person statt Roboter hörten Kunden, wenn sie bei Thomas aus Osnabrück anriefen. Der 41-Jährige hat sieben Jahre für ein Callcenter gearbeitet. „Am Ende hatte ich das Gefühl, mehr eine Nummer als ein Mitarbeiter zu sein“, beschreibt er seine Arbeitssituation von damals. Der Druck sei hoch gewesen, der Lohn am Ende des Monats niedrig. Gezahlt wurden die gearbeiteten Stunden nach Mindestlohn. Erst ein Unfall hat ihn letztlich wirklich umdenken lassen. „Ich wollte etwas Sinnvolles machen. Etwas mit Zukunft. Dafür ist es nie zu spät.“ Etwas Sinnvolles, das ist für den 41-Jährigen ein Job in der Pflege. Trotz „ganz schlechten Hauptschulabschlusses“, wie er selbst sagt. „Umzuschulen hatte ich schon vor der Corona-Pandemie mal kurz überlegt. Mein Vater ist als Quereinsteiger Heilerziehungspfleger geworden. Das fand ich immer interessant.“ Allerdings hätte er damals seine Ausbildung selbst zahlen müssen, sagt er. Das kam für ihn nicht infrage. Er blieb zunächst im Callcenter. Dann kam der Unfall. Als er sich vergangenes Jahr dann doch bei der Agentur für Arbeit meldete, konnte ihm Sabine Schulte eine gute Nachricht überbringen: die Ausbildungskosten werden über einen Bildungsgutschein übernommen. Schulte ist keine klassische Arbeitsvermittlerin, sondern spezialisiert auf Menschen, die im Beruf stehen. „Die Agentur für Arbeit berät nicht nur bei Arbeitslosigkeit“, betont sie. Anfragen an die „Berufsberatung im Erwerbsleben“ – also von Mitarbeitern, die mitten im Beruf stehen – kämen von ganz unterschiedPAPENBURG/NORDHORN

AuchinZukunftwerdenElektronengehirnewiedieserhumanoide Roboter nichtdirektdieTastatureinesComputersbedienen–dagibtes andereWege,auf dasArbeitsleben elektronischEinflusszunehmen.

lichen Menschen. „Manche wollen eine Ausbildung nachholen, andere noch einmal etwas ganz anderes ausprobieren, oder sie merken, dass die Digitalisierung ihren Job verändert und sie möglicherweise überflüssig werden.“ Es sei ein kostenfreies und absolut freiwilliges Beratungsangebot der Agentur. Überflüssig war der Osnabrücker in seinem Callcenter-Job noch nicht – auch wenn sich die Branche verändert. Doch sein Krankenhausaufenthalt nach dem Unfall hat ihm vor Augen geführt, wie groß der Personalmangel in der Pflege ist – und wie viel der Job doch geben kann. Letztlich ging alles ganz schnell: Trotz seines schlechten Hauptschulzeugnisses wurde er für die Ausbildung angenommen, am Ende steht der Abschluss „Pflegeassistent“. Heute schreibe er gute Noten und genieße sein Praktikum in der Heilerziehungspflege – eines von dreien, die zur Ausbildung gehören. In diesem Bereich will sich der Osnabrücker auch nach der Ausbildung weiterqualifizieren und später arbeiten. „Ich möchte zur Fachkraft werden, das ist mein Ziel“, sagt der 41-Jährige selbstbewusst. Er hat für sich die Frage beantwortet: „Wo stehe ich in der Arbeitswelt eigentlich, und wo will ich hin?“ Das sollten Arbeitnehmer der Agentur für Arbeit zufolge öfter tun. Wer

„Ich wollte etwas Sinnvolles machen. Etwas mit Zukunft. Dafür ist es nie zu spät.“ Thomas, Umschüler zum Pflegeassistenten

dann für sich Potenzial für Veränderung sieht, der kann Unterstützung bekommen. So wie der 41-Jährige Osnabrücker. „Und selbst wenn es am Ende nicht die Heilerziehungspflege wird, das Berufsfeld ist groß, und Pflegeberufe haben Zukunft“, sagt er. Das Schönste an seinem neuen Job? Dass die Menschen, mit denen er zusammenarbeitet, ihn mit einem Lächeln begrüßen. „Die Menschen habe so unglaublich viel gute Laune. Das macht Spaß.“ Als stressig empfinde er die Arbeit nicht. „Den ganzen Tag zu telefonieren, das war Stress. Nicht die Pflege beziehungsweise die Arbeit mit anderen Menschen.“ Noch gut eineinhalb Jahre, dann hat der 41-Jährige seine Ausbildung abgeschlossen. Weniger Geld zur Verfügung hat er während dieser Zeit nicht. „Trotz der vielen Arbeitsstunden hatte ich früher am Ende auch nur rund 1200 Euro netto zur Verfügung. Durch Arbeitslosengeld und Aufstockung während der Ausbildung ist die Differenz jetzt nicht groß.“ Worauf er sich freut: Am Ende der Ausbildung Gehaltsempfänger zu sein. „Ein festes Monatsgehalt und kein Lohn mehr, das ist schon toll.“ Den Berufswechsel hat der Osnabrücker nicht bereut. „Es gab auch gute Dinge in den Jahren im Callcenter. Aber der Druck war zu groß.“ Es sei ein harter Job, den er jetzt lerne. Doch er habe sich trotz der Corona-Pandemie dafür entschieden. „Ich weiß, was auf mich zukommt, und ich möchte es trotzdem.“ Der Arbeitsmarkt bleibt indes weiter im Wandel. Wie viele Jobs aussterben könnten, das ist laut Agentur für Arbeit schwer zu sagen. Zumal nicht alle Berufe, in denen Automatisierung Potenzial habe, vollständig verschwinden würden. Und nicht überall, wo automatisiert werden könnte, ist das am Ende auch möglich. Ein gutes Beispiel dafür ist Christiane Fern zufolge der Steuerberater. Sie leitet die Agentur für Arbeit in Osnabrück. „Der Steuerberater ist ein Beruf, der theoretisch komplett automatisiert werden könnte“, sagt sie. „Das wäre technisch möglich. Allerdings gäbe es da rechtliche Hürden.“ Ein Computer sei eben keine juristische Person und könnte auch nicht für Fehler, beispielsweise beim Ausfüllen der Einkommenssteuererklärung, juristisch zur Rechenschaft gezo-

gen werden. Statt auszusterben, werden sich der Agentur für Arbeit zufolge in aller Regel die beruflichen Inhalte verändern und an die neuen Rahmenbedingungen anpas-

sen. Das geht schon bei manch einer Ausbildung los. Zum Beispiel sei zum 1. August 2020 die Neuordnung beim Ausbildungsberuf „ITSystem-Elektroniker“ in Kraft ge-

Foto: imago/Alexander Limbach

treten, so Fern. „In der neuen Ausbildungsordnung werden vor allem die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz deutlich stärker behandelt.“

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SPEZIAL WANDEL & VISION

„Ich bin ein Typ, der beißt sich durch“

In vierterGenera-

Tankanlagen und Elektromobilität / Jens Geisler erobert neue Geschäftsfelder

tion führtJens GeislerdasgleichnamigeUnternehmen ausOsnabrück.DerFamilienbetriebhatsich aufdenBauvon

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Mehr als 14 000 gibt es

bundesweit von ihnen, damit die mehr als 47 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor in Deutschland von A nach B kommen: Tankstellen. Einige von ihnen hat die Osnabrücker Geisler GmbH gebaut. Als Generalunternehmer übernimmt sie die Planung, die Abstimmung mit den Behörden, die Tiefbau-Koordination. Mit der zunehmenden Automobilisierung in Deutschland in den 1960er- und 70er-Jahren war der Tankstellenbau zum wichtigsten Geschäftsfeld der Geisler GmbH geworden. Hinzu kommen heute der Service und die Instandhaltung von Anlagen bundesweit. Doch was wird aus dem Geschäft werden? Die Politik will den Umstieg auf die Elektromobilität, die Zahl der zugelassenen E-Autos boomt. Sorgen um die Zukunft macht sich Jens Geisler, in vierter Generation Geschäftsführer des Familienbetriebs mit 22 Mitarbeitern, trotz der Transformation im Markt nicht. „Die Mobilität ist stetig im Wandel. Genauso flexibel müssen auch wir als Unternehmen sein“, sagt der 33-Jährige, der 2018 die Ge-

schäftsführung von seinem Vater übernahm. Das war drei Jahre, nachdem der Abgasskandal öffentlich bekannt geworden war. „Der Skandal war sicherlich so etwas wie ein Katalysator in der Diskussion um Ökologie in der Mobilität“, sagt Geisler heute. Die Tragweite, die das jedoch für das Geschäft der Osnabrücker haben könnte, habe man in den Anfängen allerdings noch nicht gesehen. Das kam erst später, sagt der Osnabrücker, der erst 2016 ins Familienunternehmen eingetreten ist. „Ich habe eigentlich was ganz anderes gemacht.“ Geisler hat ein duales Studium beim Osnabrücker Logistik-Dienstleister Hellmann Worldwide Logistics absolviert, war anschließend dort beschäftigt und hat unter anderem die Zugverbindung nach China mit aufgebaut. Vor sechs Jahren hat es ihn dann doch in die Firma seines Vaters gezogen – eine bewusste Entscheidung, wie er sagt. „Das ist mir nicht leichtgefallen. Aber ich wollte und will mir nicht vorwerfen, den Schritt nicht gewagt zu haben.“ Kurz nach dem Einstieg von Jens Geisler begann man auch, sich mit dem Thema Elektromobilität ausei-

und denService rund umTankstellen spezialisiert. MitE-Ladesäulen wie hierin Stuhrbei Bremenbegegnet Geislerdem Mobilitätswandel. Fotos: Geisler GmbH

nanderzusetzen. Denn der heutige Firmenchef war überzeugt: Wer Tankstellen bauen kann, kann auch E-Ladepunkte. Und er sollte recht behalten. Dem Mittelständler gelang es, einen Auftrag aus der Autogroßindustrie an Land zu ziehen. Ionity, ein Gemeinschaftsunternehmen von BMW, Daimler, Ford, Volkswagen und Hyundai, wollte ein Netz von 400 öffentlichen Ladestationen für Elektroautos entlang europäischer Autobahnen errichten. 40 davon baute Geisler als Generalunternehmer und übernahm auch die Elektroinstallationen, den Trafobau und die IT-Einheiten für die Fernwartung. Unter anderem die Ladepunkte an den Autohöfen und Raststätten in Salzbergen, Auetal (beide A 30), Dammer Berge, Remscheid (A 1) oder Lippetal (A 2) hat der Mittel-

ständler aus Osnabrück gebaut. Während das Ladenetz für E-Autos immer weiter ausgebaut wird, geht die Zahl der „normalen“ Tankstellen immer weiter zurück. Das merkt auch Geisler. Aber ganz ausgedient hat das Geschäft nicht, „Es gibt viele Umbauten. Und nicht nur öffentlich zugängliche Tankstellen werden gebraucht, sondern auch jene auf Industriegeländen. Da merken wir wieder einen Aufschwung“, sagt Jens Geisler. Im Tagesgeschäft, wie Geisler es nennt, seien die Mitarbeiter viel in Richtung niederländischer Grenze im Einsatz, außerdem in den Regionen Münster, Bremen und Hannover. Große Projekte wickele das Unternehmen bundesweit ab. Wo die Reise langfristig hingeht, das weiß der 33-Jährige noch nicht. „Es ist so viel im Fluss. Der Ver-

brenner wird vermutlich keinen zweiten Frühling erleben, aber neben E-Mobilität gibt es LNG, EFuels sind in der Diskussion ebenso wie der Wasserstoffantrieb.“ Der Mobilitätssektor verlange ein gewisses Maß an Flexibilität, gerade jetzt. Denn es gebe immer wieder etwas Neues, da müsse man sich als Unternehmen anpassen. „Aber ich ein bin Typ, der beißt sich da durch.“ Damals – 2017 – mit auf Elektromobilität zu setzen sei auch ein Risiko gewesen, sagt Jens Geisler heute. „Ich bin jedoch froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind. Es hat sich gelohnt.“ Mittlerweile macht der Bau der Ladestellen rund ein Viertel des Umsatzvolumens aus. 2020 sind die Osnabrücker noch einen weiteren Schritt gegangen und haben zusammen mit der Fir-

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ma Gollub aus Bielefeld ein Joint Venture – die Firma FTS – gegründet. Unter anderem, um auf dem Markt für neue Kraftstoffe wie LNG weiterzukommen. Das Unternehmen Geisler selbst sei trotz allen Wandels gut ausgelastet, sagt Jens Geisler. Und es soll personell weiter wachsen. „Ich denke, dass wir Ende des Jahres 30 Mitarbeiter sein werden.“ Andere Angestellte als früher braucht der Osnabrücker Familienbetrieb zur Erschließung neuer Geschäftsfelder nicht. Bei Geisler arbeiten gelernte Elektriker, Elektrotechniker, Schweißer, Rohrleitungsmonteure oder Mechatroniker. Im Bereich der Elektrotechniker sei man vielleicht ein bisschen gewachsen, sagt der Firmenchef. „Wir suchen aber auch heute noch Schweißer, Rohrleitungsmonteure oder Schlosser.“


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Auf der Spielewelle raus aus der Krise Wie sich die Firma Kuiter aus Thuine durch neue Geschäftsfelder von den Wirren der Pandemie erholt Tischlereibetrieb seit Jahrzehnten auf Messebau spezialisiert. Unternehmen inzwischen deutlich breiter aufgestellt. Geschäft mit Tischen für Brettspiele läuft gut. VON SEBASTIAN HAMEL THUINE Während manche Unternehmen nahezu unbeschadet durch die Corona-Pandemie gekommen sind, sahen sich andere in ihrer Existenz bedroht: Zu Letzteren zählt die Firma Kuiter, ein 110 Jahre alter Betrieb mit Sitz im emsländischen Thuine. 1912 als kleine Dorftischlerei gestartet, entwickelte man sich über die Jahrzehnte hinweg zu einem industriell fertigenden Unternehmen, das sich in den 1980er-Jahren auf den Messebau spezialisierte. Da aufgrund von Corona allerdings keine Messen mehr stattfanden, brach diese Haupteinnahmequelle vollends weg. Den Kopf in den Sand zu stecken kam für Kuiter allerdings nicht infrage: Nachdem sich die Firma vom ersten Schock erholt hatte, gelang es ihr, das Geschäftsfeld neu zu strukturieren. Als weiterer Baustein im Portfolio hinzugekommen ist die Firma Hüne, die Spieltische für Privatkunden produziert und von Geschäftsführer Adrian Kuiter bereits kurz vor der Krise gegründet wurde – und nunmehr auch zur Auslastung der Arbeiten im Tischlerei-Hauptunternehmen beiträgt. Die Erschütterung steht Adrian Kuiter noch heute ins Gesicht geschrieben, wenn er von den Geschehnissen berichtet, die vor rund zwei Jahren in der Messebranche ihren Lauf nahmen: Bis zum Frühjahr 2020 florierte das Geschäft, die Auftragsbücher waren voll. Von „goldenen Jahren“ spricht Kuiter rückblickend: „Es war eine planbare Zeit, denn man wusste ja, wann die Messen kommen.“ Zudem konnte man auf eine Stammkundschaft mit namhaften Abnehmern bauen, 25 Jahre lang produzierte Kuiter beispielsweise für Toyota europaweit Messestände. Unter dem Stichwort Messestand ist dabei freilich mehr zu verstehen als ein paar Tische und Aufsteller: Mit Blick auf Toyota ist die Rede von beachtlichen 5000 Quadratmeter Standfläche. Zu den direkten Kunden des Thuiner Unternehmens zählten vornehmlich Planungsbüros, Architekten und Designer, die

Ein schickes EntréehabendieThuinerHolzexpertendem KundencenterderStadtwerkeEmdenverschafft.

für die jeweiligen Abnehmer tätig waren: „Wir hatten uns ein funktionierendes Netz aufgebaut. Schließlich gab es in Deutschland kaum 20 Betriebe, die so auf diesen Bereich spezialisiert waren wie wir“, so Kuiter. Der Jahresumsatz lag bei gut 10 Millionen Euro.

„Wir mussten alle Hebel ziehen, haben Kurzarbeit angemeldet, mit Politikern telefoniert.“ Adrian Kuiter, Geschäftsführer

EinungewöhnlichesMöbelstück:SpieltischderKuiter-SchwesterfirmaHüne.

Doch dann kam die Krise: „Beim Genfer Auto-Salon hatten wir den Stand noch aufgebaut – und wurden dann voll erwischt“, erinnert sich der 43-Jährige, der just im Herbst des Krisenjahres 2020 in die Geschäftsführung aufstieg und seither in vierter Generation zusammen mit Christoph Kuiter und Klaus Drees für die Geschicke des Unternehmens – mit rund 100 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber im Ort – verantwortlich zeichnet. Die Situation war alarmierend, machte der Messebau doch 60 Prozent des Umsatzes bei Kuiter aus. „Wir mussten alle Hebel ziehen, haben Kurzarbeit angemeldet, mit Politikern telefoniert. Wir wurden durch Hilfsprogramme unterstützt, doch dann gingen die ersten Kunden Konkurs.“ Noch gut im Gedächtnis ist Adrian Kuiter der Moment, als die Maschinen in der Produktionshalle stillstanden und sich die Ratlosigkeit auch in der Belegschaft breitmachte: „Die Kollegen standen hier und fragten: Wie geht es weiter?“ Um neue Ideen zu finden, holte sich das Unternehmen eine Agentur ins Boot. So stand zwischenzeitlich auch die Überlegung im Raum, „back to the roots“ zu gehen – doch die Ausführung kleinerer Privataufträge und die Fertigung einzelner Möbelstücke wären preislich kaum zu leisten gewesen. Letztlich gelangte der Betrieb zu der Einsicht, den Fokus auszuweiten und sich breiter aufzustellen. Der Vertrieb streckte seine Fühler aus – und die Anstrengungen waren von Erfolg gekrönt, sodass das Geschäft nunmehr auf drei wesentlichen Säulen ruht: Dazu zählt einerseits die verstärkte Tätigkeit im Gesundheitswesen, also die Ausstattung von Krankenhäusern und Arztpraxen; weiterhin konnten als Key Accounts große Bauträger gewonnen werden, wobei ein Projekt etwa vorsieht, dass Kuiter den Innenausbau von 240 baugleichen Wohnungen verwirklicht. Als dritte Säule

kommt die Serienproduktion von Fertigteilen für externe Anbieter hinzu, von der Tischplatte bis zum kompletten Korpus. Natürlich ging die Neuausrichtung mit einigen Umgewöhnungen einher: „Die Planbarkeit fiel weg, wir müssen nun kurzfristiger auf die Aufträge reagieren“, sagt Adrian Kuiter. Doch das nimmt der Geschäftsführer angesichts der positiven Tendenzen gerne in Kauf: „Seit Ende 2021 arbeiten wir wieder mit drei Schichten, in der schlimmsten Phase hatten wir kaum Arbeit für eine Schicht.“ Von den bisherigen vier Lagerhallen wurden sogar zwei zu Produktionshallen umfunktioniert. Und auch manche globale Entwicklung spielt Kuiter in die Karten: „Aufgrund der aktuell sehr hohen Transportkosten lohnt sich für die Kundschaft eine deutsche Produktion auch in finanzieller Hinsicht.“ Apropos Transport: Für die Auslieferung seiner Produkte stellt das Unternehmen – wie schon in Vor-Corona-Zeiten – eigene Transportboxen her, was nochmals einen ganz eigenen Fertigungsbereich der Firma ausmacht. Die in der Produktion anfallenden Holzreste werden energetisch verwertet, sodass das Unternehmen mittlerweile energieautark ist. Aber was hat es nun eigentlich mit der eingangs erwähnten Firma Hüne auf sich? Die hat Adrian Kuiter – seinerseits begeisterter Brettspieler – im Jahr 2018 als eigenes Werk ins Leben gerufen und damit sein persönliches Hobby und das berufliche Know-how miteinander verbunden. Angeboten werden hier originelle Spielmöbel und Brettspieltische als Lösungen für Leute, die ebenso gerne zu Würfel und Figuren greifen oder einer Puzzle-Leidenschaft frönen. So besitzen die Tische etwa eine zweite Ebene, um die Spiele „abspeichern“ zu können. Die Zielgruppe ist hier jedoch ausschließlich die Privatkundschaft: „Also genau das Gegen-

Fotos:Kuiter

ImHerbst des erstenPandemiejahres 2020istAdrianKuiterindieGeschäftsführung der FirmaKuitereingetretenund führtdie Familientradition desBetriebesfort.

teil von Kuiter“, wie Adrian Kuiter bemerkt. Nach der Gründung der Hüne GmbH startet er zunächst eine Crowdfunding-Kampagne, die auf große Resonanz stößt, und behält gleichzeitig stets den Markt im Auge: „Wir reden hier natürlich von einem sehr speziellen Segment“, ist sich der Firmengründer bewusst. Das Start-up Hüne ist dabei – als eigenständiges Unternehmen – ein Kunde von Kuiter, denn dort werden die Tische produziert. Dieser Umstand zahlte sich insofern aus, als die Brettspielbranche während Corona ein Wachstum um 20 Prozent erlebte, berichtet Adrian Kuiter. Ganz spurlos ging die Krise aber auch an Hüne nicht vorbei, sodass der junge Betrieb zwischenzeitlich eine Pause einlegen musste. Doch mittlerweile konnte auch hier ein Neustart bewerkstelligt werden – ganz im Sinne des Firmennamens, zu dem es auf der Webseite selbstbewusst heißt: „Hünen sind stark und bodenständig. Sie können viel tragen und sind zuverlässig. Genau wie unsere Möbel.“ Verschiedene Modelle in unterschiedlichen Größen, alle auf Wunsch mit LED-Beleuchtung erhältlich, gehören heute zum Sorti-

ment. Größtes Exemplar ist der „Koloss“ mit Außenmaßen von 207 mal 146 Zentimetern und einer inneren Spielfläche von 183 mal 122 Zentimetern für Tabletop-, Strategie- oder Brettspiele aller Art. Für die „Speicherung“ der Spiele verbleiben diese auf der tiefergelegten Spielfläche – dem „Keller“ – und werden mit Abdeckplatten verdeckt, sodass der Tisch dann etwa auch dem gemeinsamen Abendessen dienen kann, ehe es in die nächste Spielrunde geht. Neben den Spieltischen gehören heute auch weitere Produkte wie Innovativmöbel – zum Beispiel ein mobiler Sekretär fürs Homeoffice – oder Kindermöbel zum Hüne-Repertoire. Eine besondere Aktion als Beitrag zur Nachhaltigkeit: Pro verkauftes Möbelstück wird ein Baum in Thuine angepflanzt, aus dem nach und nach der Hüne-Wald entstehen soll. In Thuine ist also wieder Auftrieb spürbar, auch wenn die Wirren der Pandemie noch nicht vergessen sind: „Das war ein hartes Jahr“, sagt Adrian Kuiter mit aller Deutlichkeit. Umso glücklicher ist er, dass man es schaffte, das Ruder wieder herumzureißen – und in diesem Bewusstsein nun voller Zuversicht sagen kann: „Es gibt eine Zukunft.“


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VON STELLA BLÜMKE Oliver Wehling und Jens Kaluscha kennen sich bereits seit der Schulzeit. Dass sie mal gemeinsam einen Schnaps auf den Markt bringen und mehrere Lebensmittelmärkte leiten würden, war nicht ausgemacht. Beide waren als IT-Revisionsleiter einer Bank beziehungsweise Verkaufsleiter der REWE beruflich erfolgreich und hatten deshalb wenig Gelegenheit, gemeinsam Zeit zu verbringen. Die Einschulung von Wehlings Tochter brachte für Kaluscha einen Wendepunkt: „Ich bin oft umgezogen, man hat sich nur noch auf Wacken getroffen. Da habe ich zu Oli gesagt: Wie soll das eigentlich laufen? Wir sind beste Freunde und gehen nicht mal abends ein Bier trinken“. Die Idee, ein eigenes Projekt anzugehen, kam dann von Kaluscha – die Zusage von Wehling zehn Minuten später per Whatsapp. „Wir haben bei uns im Sortiment nicht so wahnsinnig viele typische Osnabrücker Produkte, die sich zum Beispiel auch als Mitbringsel eignen“, erzählt Kaluscha, der mit Wehling fünf Supermärkte betreibt. Das wollten sie ändern und das Angebot um ein eigenes Produkt ergänzen. Die Vision: Eine Spielerei mit dem eigenen Namen, vorzugsweise etwas zu trinken, aber mit guter Qualität. Auf der Suche nach einem eigenen Produkt kamen sie auf die SchnapsIdee – und einen Namen hatten sie auch schnell gefunden: Old Osnabrooklyn. Sie sprachen einen Produzenten in Trier an und erstellten aus dessen Sortiment ihr eigenes. Zweieinhalb Jahre dauerte es von der Idee bis zum fertigen Schnaps. In einer Region wie Osnabrück und dem Emsland mit eigenen Brennereien selbst zum Brenner werden? Das stand für Wehling und Kaluscha nie zur Debatte. „Es gibt in Osnabrück einige, die ihr eigenes Zeug brennen. Für uns war von vornherein klar, das sind wir nicht“, erklärt Wehling, der eine graue Kappe mit dem blauen Schriftzug „Old Osnabrooklyn“ trägt. „Da haben wir auch nicht die Kompetenz, wir sind beide keine Brenner“, ergänzt Kaluscha. Die beiden Freunde sitzen in grauen Drehstühlen in einem kleinen Büroraum über dem Lager einer ihrer Supermärkte. Für beide steht der Spaß an der Sache im Vordergrund. Sie liefern die Idee, die Umsetzung überlassen sie jemandem, der es kann. „Wir wollten ein schönes Produkt haben, das wir selber cool finden und das dann irgendwann vielleicht einmal auch für Osnabrück steht“, bringt es Wehling auf den Punkt. „Es war uns wichtig, dass es zu uns passt und massentauglich ist. Der durchschnittliche Osnabrücker soll sagen können, ja geil, das mag ich.“ Zusätzlich sollte die Flasche bezahlbar sein, „nicht super billig, aber auch nicht 50 Euro die Flasche“. Vier Fragen haben sich die zwei im Vorfeld mit Blick auf eine erfolgreiche Markenbildung gestellt. Die Frage des Zielmarktes, also wo und bei welcher Klientel die Marke etabliert werden soll, war laut Wehling von vornherein klar umrissen: „Old Osnabrooklyn steht für leckere, hochwertige Schnäpse in Osnabrück.“ Die zweite Frage beschäftigte sich konkret mit den Bedürfnissen und der Nachfrage der Zielgruppe: „Was fehlt denn hier in Osnabrück beziehungsweise was würden die Osnabrücker gerne haben wollen, und was wären sie bereit, dafür auszugeben?“ Der Absatzweg sollte von vornherein über die Supermärkte OSNABRÜCK

StarkePräsentation:DieProdukteunterdem LabelOldOsnabrooklynfallen aufindenSupermärkten.

Fotos:AndréHavergo

Zwei alte Freunde und eine Schnaps-Idee Unternehmer aus Osnabrück bringen ausgefallene Alkoholika in die Region der beiden gesichert sein. Zusätzlich gibt es die Schnäpse in der Osnabrücker Kneipe „Schmales Handtuch“. Dort kann man die zehn Brände und Liköre kennenlernen. „Und zuletzt haben wir uns die Frage gestellt: Wie bearbeiten wir den Markt und machen die Marke bekannt?“, so Wehling. Mit kleinen Aktionen in den sozialen Medien, der Präsenz in ihren Märkten und ihren Netzwerken gingen sie das an. „Die Marke Old Osnabrooklyn wird langsam bekannter. Und das ist gut so.“ Die zehn Brände und Liköre liefert ein kleiner Feinkosthändler aus

„Ich bin der, der die Sprüche macht. Das Design macht alles Oli.“ Jens Kaluscha, Unternehmer

Trier, erzählt Kaluscha, dessen Tattoos leicht unter den Ärmeln seiner grauen Sweatshirtjacke hervorblitzen. Auch er trägt eine graue Kappe mit dem Osnabrooklyn-Logo. Die Etiketten für die ersten 1200 Flaschen wurden händisch von einer Mitarbeiterin in Osnabrück aufgeklebt. Das könne der kleine Betrieb nicht leisten, von dem sie die Schnäpse beziehen, so Kaluscha. Die Freude über ihr gelungenes Projekt ist den beiden anzumerken. Mit Leidenschaft erzählen sie von der Umsetzung – und schweifen ab und an auch mal ab zu gemeinsamen Erinnerungen oder Treffen mit Produzenten, deren Produkte sie in ihren Supermärkten vertreiben. „Es soll sich natürlich irgendwie auch verkaufen, aber es muss auch unser sein“, erklärt Wehling den Anspruch. Das gelte auch für die Sorten. Kaluscha mag es süß, wie er erklärt: „Ich wollte was mit Kokosnuss. Es gibt Leute in meinem Umfeld, die sagen, ich bin eine 75-Jährige im Körper eines 40-Jährigen.“ Haselnuss gehörte für ihn ebenfalls in die Auswahl. Dieser Brand kommt bei den Kunden besonders gut an. Aber: Die Selbstverwirklichung müsse in der Auswahl der Sorten auch eine Grenze haben, sagt Wehling. Zu Ausgefallenes gibt es nicht, der Schnaps solle allgemein gut ankommen. Schoko-Chili war für Kaluscha bereits zu gewagt. Hier haben die beiden dann doch eine Ausnahme ge-

macht. Wehling wollte sie, sprach von „Knallersorte“ und behielt recht. Sie ist bei den Likören am beliebtesten. „Dann höre ich auch nicht auf mich, sondern auf den Markt. Das muss verkaufbar sein“, so Kaluscha. 120 Flaschen pro Sorte bestellten die beiden. Mehr als 600 haben sie seit Dezember bereits verkauft. Vor der ersten Bestellung lief Kaluscha ein Schauder über den Rücken, erzählt er – unbegründet, wie sich herausstellte. „Vor Weihnachten haben wir Panik gekriegt: Wir müssen nachbestellen, wenn das so weitergeht“, erzählt Wehling. Dabei gestikuliert er leidenschaftlich mit den

Händen, genau wie sein Freund Kaluscha. Mittlerweile haben sich die Verkaufszahlen eingependelt. Zu Ostern rechnen die beiden Gründer wieder mit einer Steigerung. Die zweite Bestellung über 1200 weitere Flaschen sei bereits raus – insgesamt 2400 wollen sie bis zum Frühjahr an ihre Kunden bringen. „Wenn wir 4000 Flaschen in diesem Jahr verkaufen, das wäre schon cool“, blickt Wehling in die Zukunft. Auf den Namen der Marke angesprochen, sagt Wehling, „Osnabrooklyn fanden wir als Wortspiel interessant“. Es gebe keinen tiefgründigen Grund dahinter. Der Be-

Zwei mitIdeen:JensKaluschaundOliverWehling(v.l.).

griff Osnabrooklyn tauche schon länger in der Skaterszene auf, außerdem gebe es eine Breakdance-Gruppe dieses Namens. Der Begriff werde in der Stadt bereits genutzt und sei dann bei ihnen hängen geblieben. Das Wort „Old“ fügten sie hinzu, um es cooler zu machen. „Es geht uns darum, eine Geschichte reinzubringen: Wir trinken auf die guten alten Zeiten und auf die Freundschaft“, erklärt Kaluscha. Die langjährige Verbundenheit merkt man den beiden an, immer wieder ergänzen oder beenden sie den Satz des anderen. Die Rollen der beiden Freunde sind klar verteilt: „Ich bin der, der die Sprüche macht. Das Design macht alles Oli“, sagt Kaluscha. Gemeinsam mit einer lokalen Fotografin entwickelte Wehling das Design. Die zehn Osnabrücker Motive auf den Flaschen entspringen ihrer Kamera. Den Schriftzug, der sowohl die Flaschen als auch die Kappen der beiden ziert, hat Wehling entwickelt: „Wir hatten verschiedene Vorlagen und Überlegungen. Da muss man mit rumspielen, bis es einem gefällt.“ Entscheidungen über das Aussehen der Flasche, den Verschluss, dessen Farbe und Beschaffenheit trafen Kaluscha und Wehling gemeinsam. Da habe es unheimlich viele Möglichkeiten gegeben, so Kaluscha. Aber es lief nicht immer alles glatt: Ursprünglich wollten sie den Schnaps bereits im September anbieten. Doch die ungelabelten Flaschen kamen erst im August und September an, und dann verzögerte sich der Druck der Etiketten. „Die zwei Paletten standen über ein Vierteljahr hier, bis wir angefangen haben. Unser Filialleiter hatte schon so einen Hals, weil die den Platz versperrt haben“, berichtet Wehling. Im September begann dann der selbst auferlegte Druck, den Schnaps noch vor Weihnachten auf den Markt bringen zu wollen. „Im Januar ist es schwierig, einen neuen Schnaps hinzustellen, da haben sich alle vorgenommen, nichts zu trinken“, erklärt Wehling die plötzliche Eile. „Das Gute ist, dass wir das nicht so verbissen angegangen sind. Dafür hängt Gott sei Dank nicht genug davon ab.“ Da es den Freunden nicht an Ideen mangelt, arbeiten sie bereits am nächsten Projekt: einer Nudel in Form des Friedensrads. Mit allen Speichen und Zwischenräumen. „Ist es nicht lustig, wenn das Kind seine Nudeln isst und das Friedensrad auf dem Teller hat? Das ist doch geil“, freut sich Wehling. Die Form kostete die zwei bereits 800 Euro. Gemeinsam mit einem Freund von Kaluscha beschäftigen sie sich momentan mit der Umsetzung. Ein Problem sei aktuell noch der Härtegrad, berichtet Kaluscha. Die Nudel zerbreche zu schnell in der Tüte. Bis Weihnachten wollen sie die Nudel ins Sortiment aufnehmen. Zu kaufen gibt es den Schnaps in den Rewe-Märkten von Kaluscha und Wehling sowie im Schmalen Handtuch in Osnabrück – dort war der Deal schnell gemacht: „Ich habe gesagt, Miro, wir machen Schnaps, willst du den haben? Das war sehr schnell und sehr professionell abgehandelt“, lacht Kaluscha. Eine Ergänzung ihres Sortiments um eine Special Edition können sich beide gut vorstellen. „Dafür sind wir immer zu haben. Vielleicht anlassbezogen zum Friedensjahr einen Friedensschnaps“, entwickelt Kaluscha bereits die nächste Idee. „Wonach schmeckt Frieden?“, fragt er seinen Partner voller Tatendrang. „Nach Vanille?“


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VON VOLKER KÜHN OSNABRÜCK Der Dudeneintrag zum Verb „gendern“ ist genauso nüchtern wie die übrigen 148 000 Einträge: Gendern bedeute, „bestimmte sprachliche Mittel zu verwenden, um Menschen aller Geschlechtsidentitäten sprachlich sichtbar zu machen“. Weiter heißt es, gendern sei ein schwaches Verb. Sprachwissenschaftlich ist das korrekt: Bei schwachen Verben bleibt der Stammvokal in allen gebeugten Formen gleich (gendern, genderte, gegendert), während er sich bei starken ändert (sprechen, sprach, gesprochen). Gesellschaftspolitisch dagegen ist die Aussage Unsinn: Gendern ist kein schwaches Verb, sondern eines der stärksten, die das Deutsche kennt; es besitzt die Kraft einer Atomspaltung. Denn nicht einmal über die Verwendung von Anglizismen wird so leidenschaftlich gestritten wie um die Frage, ob Sprache gendersensibel sein sollte – ob Formulierungen also so gewählt werden sollten, dass sich Angehörige aller Geschlechter angesprochen fühlen. Der Streit hat die akademischen Seminare längst verlassen, er tobt in Talkshows und Parlamenten, an Stammtischen, in Behörden und Vereinen. Und er beschäftigt die Unternehmen. Denn er bringt sie in eine Zwickmühle. Wie sollen sie sich verhalten, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft mit der bisherigen Form der Kommunikation nicht einverstanden ist, die Mehrheit aber Veränderungen ablehnt? FirmenWebsites etwa, die ausschließlich die männliche Form nutzen, könnten Fachkräfte von Bewerbungen abhalten. Andererseits könnten gegenderte Texte mit Binnen-I, Sternchen oder Unterstrich die Stammkundschaft vor den Kopf stoßen. Gibt es eine Form, die beide Seiten versöhnt? Um das herauszufinden, ist es nötig, das Thema von verschiedenen Seiten zu betrachten: Was sagt die Sprachforschung, was die Psychologie? Welche Lösungsversuche existieren, und warum stoßen sie auf so viel Widerstand? Beginnen wir mit etwas Grundlegendem: der Grammatik. Keine Angst, so kompliziert ist das nicht. „Wenn der Arzt im Praktikum schwanger wird, hat er Urlaub nach den Regelungen des Mutterschutzgesetzes.“ Das ist ein Satz, der selbst jenen nicht leicht über die Lippen geht, die das generische Maskulinum für über jeden Zweifel erhaben halten. Er stand in einem Gesetzentwurf, den die damalige Familienministerin Rita Süssmuth 1987 unterzeichnen sollte. Sie weigerte sich. Als

man ihr vorhielt, Gesetze müssten klar und präzise sein, wofür es das generische Maskulinum brauche, entgegnete Süßmuth: Sie vermöge nicht zu erkennen, wann die Rechtssprache diesen Anspruch je erfüllt habe. „In den meisten Fällen fühlen sich Frauen nicht angesprochen“, sagte sie. Damit berief sich die CDUPolitikerin auf das Hauptargument aller, die das generische Maskulinum ablehnen: Auch wenn Frauen immer mitgemeint seien, würden maskulin formulierte Botschaften sie oft nicht erreichen. Selbst für Männer seien sie häufig missverständlich. Ist das so? Was passiert in unseren Köpfen, wenn wir das generische Maskulinum hören? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein eigener Forschungszweig der Sprachwissenschaft, die Psycholinguistik. In ihren Studien werden Probanden Sätze wie dieser genannt: „Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.“ Anschließend müssen die Versuchspersonen spontan entscheiden, ob die folgenden Satzergänzungen sinnvoll sind: „Mehrere der Frauen trugen keine Jacke.“ Und: „Mehrere der Männer trugen keine Jacke.“ Die Antwort lautet zwar in beiden Fällen meist ja, allerdings dauert es länger, bis die Versuchspersonen die erste Antwort als sinnvoll erkennen. Eine mögliche Schlussfolgerung: Wer „Sozialarbeiter“ hört, denkt die Möglichkeit, dass auch

Frauen gemeint sein könnten, nicht ohne Weiteres mit. Andere Versuche deuten in eine ähnliche Richtung. Sollen Probanden etwa ihre Lieblingsmusiker nennen, fallen ihnen vor allem Männer ein. Ist dagegen nach Musikerinnen und Musikern gefragt, ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener. Allerdings gibt es Kritik an diesem Versuchsaufbau: Die Fragen sind nicht in einen Gesprächszusammenhang eingebettet. Wer erst über Songs von Lady Gaga und Beyoncé spricht und anschließend nach den Lieblingsmusikern des Gegenübers fragt, wird eher auch Sängerinnen zur Antwort bekommen. Im Alltag existiere meist ein Kontext, aus dem heraus sich das generische Maskulinum erschließe, sagt die Fraktion, die sich dafür ausspricht. Trotzdem beharrt die Gegenseite darauf, dass die Form Männer bevorzuge. Dafür sprächen weitere Studien. Auf Stellenanzeigen etwa, die im generischen Maskulinum verfasst sind, bewerben sich mehr Männer. Sind sie dagegen gegendert, steigt der Frauenanteil. Und wenn über Berufe in gendersensibler Sprache gesprochen wird, schätzen Mädchen typisch männliche Berufe wie den des Ingenieurs oder der Ingenieurin eher als für sie erreichbar ein. Das generische Maskulinum sei folglich diskriminierend und ungerecht, weil

es Vorurteile und Stereotype festige. Sprache bestimme, wie wir die Welt wahrnähmen und welche Bilder im Kopf entstünden. Wörter wie „Kunden“ oder „Chefs“ erzeugten eben andere Assoziationen als „Kunden und Kundinnen“ oder „Chefinnen und Chefs“. Das generische Maskulinum blende die Hälfte der Menschheit einfach aus. Manche sagen allerdings, dass die Form Männer genauso ausblende. Denn gemeint sei kein bestimmter Mann, sondern eine Gruppe, ein Beruf, ein Handwerk, manchmal auch ein Ort. Wer sagt „Ich gehe zum Bäcker“, denke an die Bäckerei, nicht an einen Mann hinter dem Verkaufstresen. Was also tun? Wie klingt eine Sprache, die alle mitnimmt, wie sieht ihr Schriftbild aus? Die bekanntesten Versuche, Geschlechtergerechtigkeit ins Deutsche zu bringen, sind zugleich jene, die den lautesten Protest auf sich ziehen: Wenn von Ingenieur*innen die Rede ist, von ManagerInnen, Ärzt_innen oder Bäcker:innen, dauert es nicht lang, bis die Verhunzung des Deutschen beklagt oder vor der Sprachpolizei gewarnt wird. In Umfragen lehnt eine große Mehrheit solche Formen der gendersensiblen Sprache ab. Dasselbe gilt für das gesprochene Deutsch, wo der sogenannte Glottisschlag, eine kurze

Pause zwischen „Politiker“ und „-innen“ das Gendersymbol ersetzt. Viele greifen deshalb auf weniger auffällige Varianten zurück. Eine davon ist, die weibliche Form mitzunennen. Stellenanzeigen richten sich dann an „Bewerberinnen und Bewerber“, Durchsagen im Supermarkt an „Kundinnen und Kunden“. Das ist etwas länger und umständlicher, provoziert aber kaum Widerstand, weil die meisten es als besonders höflich empfinden. Viele regionale Unternehmen verwenden solche Formen (siehe Kasten). Oft lassen sich strittige Ausdrücke auch anders umgehen. Die Lufthansa etwa begrüßt ihre Flugkundschaft mit Formulierungen wie „Willkommen an Bord“, statt mit „Guten Abend, meine Damen und Herren“, um auch jenen gerecht zu werden, die sich weder als Mann noch als Frau definieren. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz des Gerundiums. In manchen Umfeldern ist das bereits Standard. An Universitäten etwa wird längst von „Studierenden“ statt von „Studenten“ gesprochen. Der Protest dagegen hält sich inzwischen in Grenzen. In anderen Kontexten löst das Gerundium dagegen Störgefühle aus. Autofahrende? Wählende? Kaufende? Literaturpreisverdächtig sind solche Formulierungen nicht. Zudem bezeichnet das Gerundium streng genommen Menschen, die ge-

ZUR SACHE

Gendern in der Praxis Stichprobe: Wir haben Unternehmen und Verbände im Nordwesten befragt, wie sie in der internen und externen Kommunikation mit gendersensibler Sprache umgehen. Nicht alle wollten sich äußern – teils, weil sich die Frage noch nicht gestellt habe, teils, weil ihnen das Terrain vermint erschien. Eine Auswahl: Bünting: Das Einzelhandelsunternehmen (Famila/Combi) betrachtet Gendern als wichtiges Thema. „Wir achten zunehmend darauf, in unserer internen und externen Kommunikation eine gendergerechte Sprache zu verwenden.“ Cewe: Der Oldenburger Onlinedruckspezialist versucht nach eigenen Angaben, eine möglichst

breite Ansprache zu finden, die niemanden ausschließt. „Daher unterstützen wir die Bemühungen um eine sprachliche Gleichbehandlung und verwenden, wenn möglich, geschlechterbewusste Formulierungen. Gleichzeitig werden wir niemandem Sprache vorschreiben.“ EWE: Der Versorger hat eine Empfehlung zum Einsatz des Genderns ausgesprochen. „Sie lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wenn Sie im Namen von EWE sprechen, berücksichtigen Sie bitte immer unterschiedliche Geschlechter“, erklärt Vorstandschef Stefan Dohler. Es werde empfohlen, geschlechterübergreifende Bezeichnungen zu nutzen oder auf eine geschlechtsspezifische

gibt keinerlei Anregungen seitens der Kundschaft weder im In- noch Ausland, auf das Gendern einzugehen, geschweige denn Forderungen bestehen, das umsetzen zu müssen.“ Auch in der Belegschaft sei das Gendern bis dato kein Thema.

Foto: imago/MiS

Ansprache zu verzichten. Ein Beispiel: Etablierte Bezeichnungen wie Mitarbeitende, Vortragende, Auszubildende, Leitende usw. werden ebenso empfohlen wie die direkte Anrede mit Sie, in angemessenen Situationen auch

Du oder die Bezeichnung von Rollen und Tätigkeiten, wie Kundschaft, Belegschaft. Grimme: Der Landmaschinenhersteller verzichtet auf gendersensible Sprache. „Es gab und

Semco: Das Glasverarbeitungsunternehmen (Westerstede) beschäftigt europaweit 1800 Menschen. Ihnen ist freigestellt, ob sie gendern. „In der offiziellen internen und externen Kommunikation gendern wir aber – allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit – nicht. Jedoch weisen wir regelmäßig darauf hin, dass natürlich stets alle Geschlechter gleichermaßen wertschätzend gemeint und angesprochen sind.“

rade im Begriff sind, etwas zu tun. Wer gestern gewählt hat, ist heute eben kein „Wählender“ mehr, „ehemalige Studierende“ oder „verstorbene Autofahrende“ sind ein Widerspruch in sich. Das Gerundium ist also nur in bestimmten Fällen eine Alternative. Viele Sätze lassen sich mit etwas Fantasie oder Mühe allerdings auch anders gendersensibel formulieren. Wer die Kanzler und Kanzlerinnen durchzählt, spricht dann nicht vom „neunten Kanzler Olaf Scholz“, sondern sagt zum Beispiel, dass Scholz „als neunte Person die Kanzlerschaft“ gewonnen hat. Statt jemanden „zum Arzt“ zu schicken, kann empfohlen werden, „ärztlichen Rat“ einzuholen. Und am Ende eines Bestellformulars wird nicht die „Unterschrift des Auftraggebers“ verlangt, sondern in direkter Ansprache „Ihre Unterschrift“. Doch solche Formulierungen gehen den wenigsten flüssig über die Lippen. Es braucht Aufmerksamkeit und Übung, wenn sie zur Gewohnheit werden sollen. Auch dieser Text ist ein Versuch, gendersensibel zu formulieren. Auf die gewohnte Art wäre er doppelt so schnell fertig geworden. Zudem enthält er sehr viele Sätze im Passiv oder verzichtet darauf, konkrete Subjekte zu nennen. Das macht ihn zumindest gewöhnungsbedürftig, manche werden sagen: unschön. Vielen ist ein derartiger Aufwand zu mühsam oder sie weigern sich, weil sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie zu sprechen haben. Das Deutsche verändert sich pausenlos. Die Sprache von Schiller und Goethe erscheint jedem neuen Abiturjahrgang ein Stück rätselhafter, irgendwann werden Schulklassen mit demselben Befremden darauf blicken wie heute auf die Verse des Mittelalterlyrikers Walther von der Vogelweide. Französische Lehnwörter, die zu Goethes Zeiten en vogue waren, werden durch englische ergänzt, zugleich ist die Jugendsprache ein steter Quell neuer Wortschöpfungen. Braucht auch die gendersensible Sprache einfach Zeit, um einzusickern? Nein, sagen jene, die sie ablehnen: Historisch habe sich das Deutsche immer über längere Zeiträume und auf natürlichem Wege verändert, nie durch bewusste Entscheidungen oder gar Zwang. Doch das stimmt nicht, wie das Verschwinden vieler rassistischer Ausdrücke aus dem öffentlichen Sprachgebrauch zeigt. Und das „Fräulein“ ist 1972 aufgrund einer Verfügung des Bundesinnenministers erst aus dem Behördendeutsch gewichen, dann aus dem allgemeinen Sprachschatz. Gendersensibles Deutsch dagegen ist längst Teil des Sprachschatzes, wenn auch ein kleiner.


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„Ich würde es immer wieder machen“ Ewald Borchert braut in Lünne seit einem Vierteljahrhundert professionell sein eigenes Bier / Tochter führt den Betrieb weiter

VON BASTIAN KLENKE LÜNNE Bier aus einem Wasserwerfer, eine Insolvenz mit eigener Hände Arbeit abgewendet und eine Familie, die stets zusammenhält: Die Landhaus-Brauerei Borchert existiert seit einem Vierteljahrhundert: Zeit für einen Blick zurück und nach vorne. Was Ewald Borchert 1997 aufgebaut hat, wird mittlerweile von seiner Tochter Friederike Köhl in die Zukunft geführt. Zum ersten Mal selbst Bier gebraut hatte Ewald Borchert (65) bereits in den frühen Achtzigern. „Wenn ich gebraut habe, hatte ich die Bude immer voll“, sagt Borchert. Irgendwann kam die Idee, sich selbstständig zu machen. Seiner Frau hat er seine Pläne beim Urlaub auf Wangerooge offenbart. „Wir gingen am Wasser entlang, und da habe ich ihr gesagt, dass ich mich selbstständig machen wolle.“ Statt diesen Schritt kategorisch abzulehnen, hat seine Frau auch den Vorteil gesehen, ihren Mann wieder näher bei sich und den Kindern zu haben. Der damalige Fleischvertriebler war sonst immer beruflich unterwegs. „Ich bin morgens um 6 Uhr aus dem Haus und kam abends um 18 Uhr wieder“, sagt Borchert. Nach der Entscheidung gab es für ihn kein Zurück mehr. „Dann habe ich meinem damaligen Chef Clemens Tönnies gesagt, dass ich aufhöre und eine kleine Brauerei baue.“ Das Medieninteresse hat Borchert anfangs regelrecht überrascht. „Im Emsland liest jeder die Zeitung, und auf einmal stand da, dass es im Emsland jetzt eine kleine Brauerei gibt.“ Aber der Anfang war schwer, und Borchert konnte sich nur sukzessive etablieren. Geholfen hat dabei der alte Polizei-Wasserwerfer, mit dem er stets vorgefahren kam. „Dieses Auto hatte ich bei einer Brauerei in Schleswig gesehen“, sagt Borchert. „Der Braumeister wollte das Auto loswerden und hat uns gezeigt, wie das alles funktioniert.“ Noch heute wird die Familie auf das „Tatüü“, wie sie den Wagen liebevoll nennt, angesprochen. Beim Bau der Brauerei konnte Borchert auf sein technisches Geschick zurückgreifen „Meine erste Ausbildung habe ich bei der Firma Krone als Werkzeugmacher absolviert“, sagt Borchert. „Ich bin nicht der Büromensch, sondern eher der Techniker.“ In dem Gesamtobjekt „Brauerei“, schätzt Borchert, steckt mindestens ein Viertel Eigenarbeit. Gebraut wurde auf dem Hof von Borcherts Schwiegereltern, auf dem er damals schon mit seiner Familie wohnte. Sein Schwiegervater war Viehhändler, und die Brauerei befindet sich im Wirtschaftsgebäude des Hofes. „Wo heute Küche und Toilettenbereich sind, da standen früher Pferdeställe“, beschreibt Borchert. „Ich als Neunjährige fand es ziemlich blöd, dass auf einmal die Pferde weg

Brauen,abfüllen, etikettieren:Alles wirdimHausder BrauereiBorchert erledigt.

JungundAltziehenaneinem Strang:Friederike KöhlübernimmtdieBrauereiihresVatersEwaldnach25Jahren.DiegelernteBrauerinsetzt neueAkzente.

waren“, erinnert sich Friederike Köhl, heute Geschäftsführerin und Brauerin der Brauerei. Aber nur Bier brauen und auf den Schützen- und Volksfesten verkaufen reichte nicht. „Ich habe auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und habe mich in der Fleischbranche ziemlich weit hochgearbeitet“, erzählt Borchert. „Daher kannte ich die Vertriebswege und hatte auch die nötigen Kontakte.“ So war es für ihn ein Leichtes, den Faden aufzunehmen. „Du musst schon wissen, wie man sein Produkt vertreibt.“ An eine eigene Gastronomie hatte die Familie anfangs noch gar nicht gedacht. Aber es stellte sich sehr schnell heraus, dass es ohne nicht aufging. Das Invest war hoch, und es lief nicht so, wie Borchert sich das vorgestellt hatte. Er wurde zum „Gejagten der Bank“. „Der ganze Betrieb wurde gegründet, als meine Schwester Lea unterwegs war“, erzählt Friederike Köhl. „Unsere Mutter ist dann nicht wieder direkt in ihren alten Beruf zurückgegangen, sondern hat sich um die Organisation der Gastro gekümmert.“ So war die Brauerei mit angeschlossener Gastronomie auf einmal die finanzielle Grundlage der sechsköpfigen Familie. „Es musste irgendwie laufen, denn die Brauerei war alles, was man an Einkommen hatte.“ Damals wie heute ist es schwer, als

kleine Brauerei mit seinem Bier in die bestehende Gastronomie reinzukommen, und so hatte die Familie noch weitere Objekte übernommen. 2005 sind die Hüvener Mühle und eine Gastronomie in Löningen dazugekommen, 2007 sollte das Hotel Telsemeyer in Mettingen folgen. „Aber egal, wie viel man gearbeitet hat, man kam irgendwie nicht aus dieser Spirale der Zinslast heraus“, beschreibt Köhl. „Telsemeyer hat vieles verändert“, sagt Borchert. „Ein guter Bekannter wollte mit als Investor einsteigen, wollte aber vorher meine Zahlen sehen.“ Diese landeten dann bei dessen Steuerberater – und dieser riet allen Parteien von dem Objekt ab. Aber das half nicht mehr. Das gesamte Invest der Familie war mittlerweile so hoch, dass es nicht mehr zu stemmen war. Die Bank bestand auf ihren Forderungen, und so wurde 2008 die Insolvenz eingeleitet. „Uns ist dabei allerdings zugutegekommen, dass die ganze Brauerei hier nur auf mich zugeschnitten war“, sagt Borchert. Es fand sich daher auch kein Brauer, der übernehmen wollte. „Der Insolvenzverwalter merkte bald, dass nichts zu holen war, denn wir wollten den Hof hier nicht verkaufen.“ Und so lief der heimische Betrieb weiter, derweil die Hüvener Mühle und Löningen weg waren. „Unser Kundenstamm ist da

Damalsbekannt wieeinbunterHund:die Durstlösch-Feuerwehr.

gar nicht hintergekommen“, sagt Borchert, „denn das Bier kam immer pünktlich.“ Nach vier Monaten hat sich der Insolvenzverwalter dann ausgeklinkt – und Borchert weitergemacht. Es fand sich eine neue Bank, die die Familie unterstützte. „Die sind ganz anders an die Sache rangegangen“, berichtet Köhl. „Natürlich wollten die auch an uns verdienen, aber zumindest war ihnen wichtig, dass das Unternehmen gesund ist.“ So konnte die Familie Luft holen, wieder vernünftig arbeiten, und das Unternehmen wurde schnell wieder gesund. Aber die Insolvenz war für die Familie auch emotional und gesellschaftlich eine harte Prüfung. „Diese Verletzungen kamen auf allen Ebenen, die sitzen immer noch ganz tief“, erklärt Köhl. Zwar ist sie nach dem Abitur 2007 auch erst mal weg von zu Hause, dennoch hat sie jeden Morgen, teils früh um 6.30 Uhr, mit ihrem Vater telefoniert. „Es hat zwar außerhalb niemand mitbekommen, aber hier vor Ort, wo wir als Familie leben mussten, wussten es alle“, so Köhl, „Insolvenz wird immer mit Versagen gleichgesetzt.“ Mittlerweile schaut sie voller Stolz auf das Erreichte. „Ein Unternehmen zu starten und aufzubauen, das kann nicht jeder, aber das kriegt man schon irgendwie hin“, sagt Köhl. „Aber so einen tiefen Sumpf hinter sich zu lassen und wieder aufzubauen, das ist eine andere Nummer.“ Die Erfahrungen waren es aber auch, die Köhl überhaupt erst dazu

Foto: AndréHavergo

Foto: Borchert

ermutigt haben, nach ihrem ersten Staatsexamen als Lehrerin eine Brauerlehre zu beginnen. „Eine meiner Schwestern sagte mal, das Brauhaus ist wie so ein Familienmitglied.“ Köhl fand es schade, dass die Brauerei sonst nach all den Jahren und der harten Arbeit zusammen mit dem Vater in Rente gehen würde. „Aber wenn du den Betrieb übernehmen willst, musst du das Kerngeschäft verstehen und können.“ Und so hat sie schließlich eine Brauer-Lehre bei der Firma Früh Kölsch begonnen. „Ich habe es sicherlich gut gefunden, habe aber erst dennoch nicht Hurra geschrien“, erinnert sich Borchert, als er von den Plänen seiner Tochter erfuhr. „Als ich dann bei

„Eine meiner Schwestern sagte mal, das Brauhaus ist wie so ein Familienmitglied.“ Friederike Köhl, Brauerin

Früh anfing, war ich die erste Frau, die dort die Ausbildung gemacht hat“, erinnert sich Köhl. „Einige Jungs mussten das erst mal klarbekommen.“ Nach drei Jahren Lehre kehrte Köhl dann ins heimische Lünne zurück. Die Familie hatte sich 2020 gerade erst entschlossen, die Gastronomie auch in den Nebenmonaten hochzufahren, die Termine waren nahezu ausgebucht, als Corona alle Pläne ausbremste. „Ich war schwanger, und das alles hat mich schon sehr gestresst“, erinnert sich Köhl. „Da kommt eine ,Wildcard‘, und du kannst noch so gute Arbeit leisten – es ist alles egal.“ „Aber es war zumindest beruhigend, dass zu der Zeit der Absatz des Bieres recht gut lief“, sagt Borchert. „Man wusste also, wir kommen da durchs Loch.“ Die Brauerei verzeichnete stetige Zuwächse und konnte den Bierabsatz sogar steigern. Besonders dankbar sind Köhl und Borchert, dass ihre Kunden ihnen während der ganzen Zeit so die Treue gehalten haben. „Die Leute sind bereit, mehr Geld für regionale Biere auszugeben als für das normale Produkt.“ Während Köhls Elternzeit hat ihre jüngere Schwester Lea die Brauerei tatkräftig unterstützt. „Wir haben immer alles besprochen, aber sie hat maßgeblich dazu beigetragen und die Dinge mit auf den Weg gebracht.“ Da die Gastronomie komplett brachlag, setzte man den Fokus auf Produktion und Weiterentwicklung: Die Einführung der 0,5-Liter-Euroflasche im Frühjahr 2020, eigene Kronkorken, eine neue Abfüllung. Aktuell wurden die Lagertanks erweitert und das 0,33-Gebinde für die Gastronomie getestet. „Ich würde es immer wieder machen“, sagt Borchert, der bereits vergangenes Jahr hätte in Rente gehen können. „Aber damals hatte ich noch keine Zeit.“ Jetzt hat er seinen Antrag gestellt. Dass die Familie auch zukünftig für frisches Bier aus Lünne steht, unterstreicht Köhl: „Meine Tochter schreibt bei ihren Freundinnen in der Sparte ,Was willst du mal werden?‘ immer ,Brauerin‘ rein – läuft also.“


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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

LEBEN & LEIDENSCHAFT

Ernte, Stall und Schule unter einem Dach Aus einem klassischen Familienbetrieb in Pente machte Tobias Hartkemeyer einen besonderen Genossenschaftshof

VON MARCUS ALWES UND HEINER BEINKE BRAMSCHE Der niedersächsische Ministerpräsident war unlängst persönlich hier zu Gast, einige Monate zuvor auch sein Kultusminister. Denn es gibt auf dem Gelände des landwirtschaftlichen Hartkemeyer-Hofes im Bramscher Ortsteil Pente sogar eine offizielle Kindertagesstätte und eine staatlich anerkannte Privatschule. Es ist ein besonderes Projekt. Allerdings teilen auch die Hartkemeyers das Schicksal vieler anderer Landwirtschaftsbetriebe – sie fehlen in der Liste der ältesten Familienunternehmen der Region. Erste Fundamente des heutigen, so genannten CSA-Hofes in Pente sollen rund 800 Jahre alt sein, betont Tobias Hartkemeyer in einem historischen Rückblick auf seiner Internetseite. Und er verweist auf einen am Gebäude heute noch sichtbaren Balken mit einer Inschrift aus dem Jahr 1565. Doch die Entstehung von Dreifelderwirtschaft und Plaggendüngung sind längst Geschichte. Auch haben die Hofbetreiber nicht mehr die Zusatzaufgaben, Waldhüter zu sein und die Handelsstraße über den sogenannten Oldenburger Heerweg und den Penter Knapp zu überwachen. Die Hartkemeyers stehen heute für das Konzept CSA (Community supported agriculture) einer biodynamischen und „einer gemeinschaftlich getragenen, solidarischen Landwirtschaft“, betonen sie. Formal handelt es sich um eine im Jahr 2011 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Alltag entspricht eher dem einer Genossenschaft. Rund 300 Mitglieder bringen mit ihren Beiträgen dabei das Geld auf, um den Hof mit seinen 56 Hektar zu bewirtschaften. Im Gegenzug wird unter ihnen aufgeteilt, was geerntet oder erzeugt wird. Wer sich der gemeinschaftsgetragenen Landbaukultur verpflichte, werde vom klassischen Verbraucher zu einem Teilnehmer und Gestalter, erklärt Hartkemeyer. Das Projekt sei dabei jedoch nicht wachstumsorientiert. Vielmehr übernehme jedes Mitglied „Verantwortung für die biologischdynamische Landwirtschaft“, sagt der Bramscher. Die Gemeinschaft sichere sich regional und saisonal ihre Ernährung. Dazu gehören unter anderem 40 bis 50 Gemüsesorten, Eier, Fleisch, Brot und Obst. „Uns ist es wichtig, dass wir eine große Vielfalt haben“, erklärt Hartkemeyer mit Blick auf die Ernte. Die Lebensmittel werden nicht mehr über den Markt vertrieben, „sondern fließen in einen eigenen, von Teilnehmerseite mit organisierten und finanzierten, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf “, so der 44-Jährige. Es solle allen Teilnehmern ersichtlich werden, wohin ihr Geld fließe und welche Kosten

AusdenHänden vonKultusminister Grant-HendrikTonne(rechts)erhielt TobiasHartkemeyerdie Unesco-Auszeichnung fürBildung undnachhaltigeEntwicklung überreicht. Foto: Archiv/Beinke

DerregelmäßigeUmgangmitdenTierengehörtfürdieKinderaufderHof-AnlageimBramscherOrtsteil Pentedazu.

es gibt. Alle Vermarktungskosten fallen unterdessen weg. Das System seiner Hof-Gemeinschaft sei „sehr resilient“, also sehr stabil oder belastbar. Möglicherweise sei es auch widerstandsfähiger als die Konzepte von vor Jahrzehnten, als der Roggenanbau oder im Wechsel die Kuh-, Hühner- und Schweine-

„Das ist ja ein bisschen wie in Bullerbü.“ Stephan Weil, niedersächsischer Ministerpräsident

haltung die wirtschaftliche Basis bildeten, so Hartkemeyer. „Bis 1958 wurde die Landwirtschaft auf dem Hof – wie seit vielen Jahrhunderten – mit Pferdekraft betrieben“, berichtet der Landwirt, Lehrer und Aktionsforscher. Anschließend sei ein erster Traktor angeschafft worden. Trotz des Motorenlärms und des Drucks auf die Wirbelsäule habe dieser die Arbeit erleichtert. „Statt tagelangen Fußmarschs hinter pferdegezogenen Maschinen saß man nun auf dem Schlepper“, so Tobias Hartkemeyer. Doch es gab auch ein offenbar einschneidendes Erlebnis in der Hofgeschichte: „Als wir feststellten, dass das 2-4-5-T-Herbizid, das wir auf Rat der landwirtschaftlichen Presse und aufgrund offizieller Beratung einsetzten, vom USMilitär im Vietnamkrieg als Agent Orange zur Entlaubung ganzer Wälder und Landstriche verwendet worden war, begann ein Umdenken“, erläutert Hartkemeyer auf seiner Internetseite. Eine Umstellung in Etappen auf Öko-Anbau sei die Folge gewesen. Auf dem Hof seien Vorhaben umgesetzt worden, die „der Gesundung von Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Lebensmitteln dienen“ sollten. Johannes und Martina Hartkemeyer – die Eltern von Tobias – zeichneten für diese Wende und radikale Neuausrichtung verantwortlich. Ein Landwirt sei bei deartigen Entscheidungen aber immer auch Unternehmer, betont Ralf GroßeEndebrock, „auch bei uns muss und soll ja immer alles in Ordnung sein. So wie in jeder anderen Firma auch.“ Der eine oder andere Zeitgenosse, der über die Landwirtschaft spreche, habe das aber „leider nicht immer sofort auf dem Schirm“, stellt der Vorsitzende des Bramscher Landvolks fest. GroßeEndebrock verweist zudem darauf, dass die Landwirte inzwi-

Foto: Archiv/CSA-Hof

schen immer häufiger auch Arbeitgeber seien. Im Vergleich zu früher hätten heute selbst kleinere Betriebe des Öfteren mehrere Angestellte. Auf dem CSA-Gelände in Pente kümmern sich die rund 30 Beschäftigten aber nicht nur um die Tiere, Ernährung, Ernte und ökologische Landwirtschaft. Bildung ist zur zweiten starken Säule des Kollektivs geworden – durch Kinderbetreuungsangebote und die Freie Hofschule. Eine Kindergroßtagespflege wurde dabei im Jahr 2016 zunächst um einen Waldkindergarten ergänzt. Das Konzept der Handlungspädagogik bildet die Basis für die Kita mit rund 50 Kindern. Die Jüngsten seien zu sehr der Natur und dem praktischen Tun entfremdet, hatte Tobias Hartkemeyer anlässlich der Er-

öffnung des Kindergartens formuliert. Auch die praktische Sinnesschulung sei in der frühkindlichen Bildung bedeutsam – das konkrete Erleben der Natur, das Erfahren ganz unterschiedlicher Witterung sowie die Bewegungsentfaltung in einer natürlichen Umwelt. Im Jahr 2018 kam in Pente die Freie Hofschule hinzu, die zuständigen Schulbehörden billigten das Konzept. Und es ist noch gar nicht so lange her, dass Initiator Hartkemeyer auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilen konnte, dass „bedingt durch Corona das Interesse an regionalen Versorgungsstrukturen stark zugenommen“ habe. Das sei übrigens nicht nur an einem zunehmenden Interesse an der Solidarischen Landwirtschaft festzumachen. Auch die Nachfrage nach Schulplätzen habe

zugenommen – heute lernen hier 39 Kinder in den Klassen 1-6. Der Bio-Bauernhof als breit aufgestellter Lernort. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil jedenfalls bekannte bei seinem Besuch in Pente, Neues kennengelernt zu haben. So ein Projekt wie den CSA-Hof habe er „noch nicht gesehen“, gab der Landesvater zu. „Das ist ja ein bisschen wie in Bullerbü“, staunte Weil mit Blick auf die Anlagen und Bauten. Der Ministerpräsident wurde zur Begrüßung direkt von den Kindern umringt, die hier zur Schule gehen. Die noch junge Einrichtung hat ferner bereits die Unesco-Auszeichnung für Bildung und nachhaltige Entwicklung erhalten. Kultusminister Grant-Hendrik Tonne hatte sie persönlich in Bramsche überbracht.

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DONNERSTAG, 24. FEBRUAR 2022

LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

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17.03.2022 | 18.30 UHR

DasersteFörderprogrammder„Aloys-&-Brigitte-Coppenrath-Stiftung“fürBetriebsnachfolgeimHandwerkist erfolgreich beendet worden. Sie haben das Pilotprojekt abgeschlossen (v.l.): Sören Schierbaum,Victoria Reker,

Prototypenparty in Osnabrück (Corona-Hinweis: 2G+)

Stefan Thomas, Maik Wigger, Sabrina Ahaus, Daniel Niemeyer, Marielle Lonnemann, David Gründker. Es fehlt FrederikeMeyer.Fürein Coaching-Folgeprojekt könnensichInteressenten schon jetztbewerben.

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02.03.2022 | 17.00 UHR

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Rechtsformen (Online-Seminar)

Marketing 2 (Marketingfahrplan) (Online-Seminar)

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Digitales Azubi-Speed-Dating zum Ausbildungsstart 2022 GEMEINSCHAFTSAKTION VIELER REGIONALER PARTNER, PER LINK

03.03.2022 | 14.00 UHR Berechnung der pfändbaren Beträge (Online-Seminar) WIGOS-VERANSTALTUNG, PER ZOOM UND MIT ANMELDUNG

DieBäckereiPleusinLähdenfeiert100-jährigesBestehen.Seit acht Jahren lenkt der 37-jährige Sebastian Pleus (r.) den Be-

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

trieb, den er in vierter Generation zum 1. Januar 2014 von seinemVaterNorbertübernahm. Foto: DanielGonzalez-Tepper

Suchmaschinenoptimierung (OnPage SEO) WIGOS-VERANSTALTUNG, ONLINE PER ZOOM MIT ANMELDUNG

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Einstieg in die Existenzgründung (Online-Seminar)

Finanzplan (Online-Seminar)

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GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, MIT ZOOM UND ANMELDUNG

09.03.2022 | 17.00 UHR

30.03.2022 | 17.00 UHR

Marken, Patente und sonstige Schutzrechte (Online-Seminar)

Einstieg in die Existenzgründung (Online-Seminar)

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Gesunde Führung, mit Jochen Kracht (Pro Management AG)

HISTORISCH-ÖKOLOGISCHE BILDUNGSSTÄTTE, PAPENBURG, MIT ANMELDUNG

24.03.2022 | 14.00 UHR

07.03.2022 | 17.00 UHR

10.03.2022 | 15.00 UHR

Betriebliches Gesundheitsmanagement (Workshop BGM)

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, MIT ZOOM UND ANMELDUNG Eine digitale Mitgliederversammlung wählte den Vorstand 2022 der Wirtschaftsjunioren (WJ) Osnabrück (v. l.): HanneStallbörger,JulianHügelmeyer,JenniferOtto,ThomasTwelkemeier,JuliaEilers(Kreissprecherin),Kirsten Schwake, NadineBenecke,ChristianBredenstein,ChristinaMarchel.Es fehltMatthiasReiser. Foto:IHK

Kleinmengen an Beton können Privatpersonen an einem Selbstbedienungsterminal kaufen: Ernst Simon (links) zusammen mit seinem Sohn Peter Simon-Höke vor ihrer „Beton2Go“-TankstelleinAltenlingen. Foto:JuliaMausch

WIGOS-VERANSTALTUNG, ONLINE PER ZOOM MIT ANMELDUNG

21.01.2022 | 17.00 UHR Businessplan (Online-Seminar) GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, MIT ZOOM UND ANMELDUNG

14.03.2022 | 17.00 UHR

28.04.2022 | 17.00 UHR

Marketing 1 (Marktanalyse) (Online-Seminar)

Boxenstopp (GründerhausSeminar mit Anmeldung)

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17.03.2022 | 13.00 UHR

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Fördermittel – Sprechtag in Osnabrück (Gründerhaus) ICO INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STRASSE 1

Die IHK-Urkunde „Top Ausbildung“ für höchste Ausbildungsstandards übergab der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Eckhard Lammers (v.l.) an Volker Scholz (Niederlassungsleiter), Birgit Struck, Florian Seifert und Johannes Klezel von der DPD DeutschlandGmbHin Melle.

Foto: IHK/Hermann Pentermann

Die Rosen Gruppe in Lingen hat mit ihrem Entwicklungsteam erfolgreich unterschiedliche Hightech-Sensoren für neuartige autonome Tauchroboter im deutschlandweiten „Mare-IT“-Projekt entwickelt, das mit insgesamt 5,5 Mio. Euro vom Bundesministerium Foto:RosenGruppe fürBildungundForschunggefördertwurde.

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