Das Projekt Wunderline Ein Beispiel für die Verbesserung des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs Deutschland – Niederlande M. Sc. Rolf Alexander, Dortmund; M. Sc. Martijn Ebben, Deventer; drs. Jans Zwiers, Groningen
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uropa wächst zusammen – auch auf der Schiene. Die Mobilität der Menschen richtet sich immer weniger nach Grenzen, was auch für die deutsch-niederländische Grenzregion gilt. Allerdings erfolgt hier bisher ein großer Anteil dieser Wege noch mit dem Auto. In Anbetracht der damit verbundenen Probleme wie Staus und Schadstoffemissionen, sowie mit Blick auf die Klimaziele der Europäischen Union ist diese aktuelle Situation unbefriedigend. Immerhin hat das Bewusstsein für grenzüberschreitenden Nahverkehr auf der Schiene in den letzten Jahrzehnten wieder zugenommen.
ländischen Grenzverkehr die Qualität zu wünschen übrig. Herausforderungen bestehen in der Infrastruktur (Spannung der Oberleitung und Zugsicherungssysteme) ebenso wie bei der Organisation (Vergabe grenzüberschreitender Bahn-/Busangebote und Interesse von Verkehrsunternehmen, sich zuerst im inländischen Markt zu etablieren). Im Ergebnis gab es bis vor wenigen Jahren nur sehr wenige grenzüberschreitende Bahnverbindungen im Nahverkehr zwischen größeren deutschen und niederländischen Städten. Dies galt umso mehr, wenn die Städte nicht unmittelbar an der deutsch-niederländischen Grenze lagen.
Der Umstieg vom Auto auf einen internationalen Nahverkehrszug erfolgt aber nicht intuitiv. So ließ auch im deutsch-nieder-
Beispielhaft hierfür ist auch die IntercityVerbindung zwischen Amsterdam und Berlin mit einem Wechsel der Lokomotiven
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und des Personals an der deutsch-niederländischen Grenze: eine Zwangspause von zwölf Minuten. Dies entspricht etwa einer Autofahrt zwischen Nimwegen und Kleve über die Autobahn. Es gibt weitere Beispiele, die es potenziellen Fahrgästen schwer machen, für grenzüberschreitende Fahrten auf das Auto zu verzichten. So gibt es zum Beispiel keine umsteigefreie Verbindung zwischen den Städten Eindhoven, Venlo, Mönchengladbach und Düsseldorf, da die Kapazität der teilweise eingleisigen Strecke von Venlo nach Viersen nicht ausreicht. Neben Bedienungsangebot und Infrastruktur bleibt der Tarif eine der größten Herausforderungen. Es fehlen attraktive und intuitive Tarifangebote. Die OV-Chipkaart gilt überwiegend nicht für Verbindungen nach
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Foto: Planersocietät
Abb. 1: Linienverlauf der „Wunderlinie“ mit Anschlussmobilität.
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Der Kauf von Fahrtkarten und Platzreservierungen ist daher oft etwas für Eingeweihte. Einfach international Fahrkarten kaufen wie im Flugverkehr ist bisher selten möglich. Wer will also bei diesem Aufwand vom Auto auf den Zug umsteigen? Trotz vieler Herausforderungen im deutsch-niederländischen Nahverkehr auf der Schiene gibt es auch positive Entwicklungen, welche Leuchttürme für die gesamte Grenzregion sein können. So fährt seit April 2017 der Rhein-IJssel-Express als Drei-System-Nahverkehrszug zwischen dem Rheinland und der Stadt Arnheim. Technische und organisatorische Fragestellungen im grenzüberschreitenden Nahverkehr lassen sich also lösen. Ebenso positiv sind die Entwicklungen der Euregio im Raum Aachen. Das Projekt „Limax“ ermöglicht eine umsteigefreie Verbindung zwischen den Städten Aachen und Maastricht sowie voraussichtlich ab Sommer 2019 bis Lüttich. Hierzu gehören auch Verbesserungen für ein grenzüberschreitendes Tarifsystem.
auf einer bestehenden Eisenbahntrasse zu verbessern: die Bahnverbindung zwischen den Städten Groningen und Bremen. Das Ziel des Projekts Wunderline ist die Umsetzung einer besseren Bahnverbindung zwischen den Regionen Noord-Nederland und Norddeutschland. Es beschränkt sich damit nicht nur auf eine Fernverkehrsverbindung zwischen den Städten Groningen und Bremen. Dies soll auch zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung in beiden Regionen beitragen. Das Projekt Wunderline ist ein Leuchtturmprojekt für die deutsch-niederländische Grenzregion mit kürzeren Fahrzeiten, mehr Komfort, einfacherer Nutzung und besserer Erreichbarkeit der Bahnhöfe. Qualitative und sozial-ökonomische Untersuchungen zeigen, dass mit dem Projekt Wunderline ein wichtiger Beitrag für die Entwicklung der nördlichen Grenzregion geleistet wird. Demnach gibt es positive Einflüsse in den Bereichen Arbeitsmobi-
lität, Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus/Kultur. Am 7. Februar 2019 wurden zwischen den Partnern des Projekts Wunderline (Provinz Groningen sowie den Ländern Bremen und Niedersachsen) eine Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit unterzeichnet, um eine schrittweise Umsetzung des Projekts Wunderline zu ermöglichen. Diese Vereinbarung umfasst drei Teilbausteine: –– Verbesserung der Qualität auf der Bahnverbindung zwischen den Städten Groningen und Bremen, –– Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, –– Verbesserung der Anschlussmobilität entlang der Bahnhöfe der Wunderline. Der Erfolg des Projekts Wunderline ist damit eng verbunden mit dem Thema der Anschlussmobilität. Mit dem Ziel, Lücken im transeuropäischen Eisenbahnnetz zu schließen, sollen nicht nur die großen
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Eines dieser vielen Projekte im deutsch-niederländischen Nahverkehr ist das Projekt Wunderline. Es wurde von der Provinz Groningen initiiert und zusammen mit den Bundesländern Bremen und Niedersachen vorangetrieben. Hierbei geht es nicht nur darum, den Schienenverkehr entlang der Städte Groningen, Leer, Oldenburg und Bremen zu verbessern. Ebenso soll dieses Projekt dazu beitragen, eine fehlende Verbindung im transeuropäischen Netz des Schienenverkehrs zu schließen. Seit den 90er Jahren bestehen in den Niederlanden Initiativen, eine schnelle Verbindung im Schienenverkehr zwischen den Städten Amsterdam und Hamburg einzurichten (Zuiderzeelijn). Letztlich wurden diese Planungen für eine Zuiderzeelijn mit dem Beginn des Jahres 2000 durch die Niederländische Regierung wegen der zu erwartenden hohen Kosten gestoppt. Dafür erhielt die Region Noord-Nederland aber Kompensationszahlungen für die nicht mehr geplanten durchgehenden Verbindungen einer Zuiderzeelijn. Ein Teil dieser Kompensationszahlungen wird dazu von der Provinz Groningen genutzt, um die Qualität DER NAHVERKEHR 5/2019
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Deutschland. Eine Ausnahme ist die Bahnlinie zwischen den Städten Groningen und Leer. Hier ist das Ein- und Auschecken mit der OV-Chipkaart auch an den deutschen Bahnhöfen Weener und Leer möglich.
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und 7; siehe Abb. 4) sowie beim Umstieg von/auf weitere Verkehrsmittel (Episoden 2 und 8) negativ auf das Reiseerlebnis auswirken kann. Es besteht also viel Gestaltungsspielraum an den Stationen selbst, um Menschen für Bahnfahren und Intermodalität zu begeistern.
Nicht alles muss neu erfunden werden. Für ein grenzüberschreitendes Projekt gilt es ebenso, entlang der gesamten Bahnstrecke nach bereits guten Beispielen zu suchen. Hierbei zeigte sich, dass nicht nur auf dem niederländischen Streckenabschnitt sehr gute Beispiel bestehen, um Bahnfahren und Intermodalität aufzuwerten.
Schritt 3: Potenziale untersuchen und bewerten Aus den ersten beiden Schritten konnten Handlungsfelder abgeleitet werden. Hierbei war ein wichtiges Anliegen, Intermodalität nicht nur als Umstieg zwischen Wunderline und anderen Mobilitätsangeboten zu interpretieren. Dazu wurde die Qualität der Anschlussmobilität in vier Bausteine mit je drei Teilbausteinen gegliedert. Diese unterscheiden dazu die Anschlussmobilität zwischen Zug und Bus gesondert von Auto/Fahrrad und integrieren die gesetzlichen Vorgaben zur Umsetzung der Barrierefreiheit. Grafik: Planersocietät
Schritt 4: Potenziale erkennen und strukturieren
Abb. 2: Deutsch-niederländischer Nahverkehr auf der Schiene: Angebote und Projekte.
Städte entlang dieser Verbindung profitieren. Es gilt, eine ganze Region besser an den Schienenverkehr anzubinden. Dazu ist naheliegend, dass eine Bahn linie nicht eine ganze Region erschließen kann. Es gilt daher, den Anschluss zu den Zügen der Wunderline optimal zu gestalten. Dafür braucht es Stationen, welche über die Funktion eines Zughalts hinaus gehen. Aus dieser Überlegung heraus ergab sich die Studie Anschlussmobilität entlang der Wunderline, welche sich speziell mit den Stationen auf deutscher Seite im Kontext von innerdeutscher und grenzüberschreitender Anschlussmobilität befasste. 24
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Schritt 1: Wahrnehmung von Mobilität verstehen Die Qualität der Anschlussmobilität wird durch zahlreiche Aspekte beeinflusst. Hierzu reicht eine Berücksichtigung der Qualität des Zugs (Fahrzeit, Takt, Komfort) nicht aus. Weitere wichtige Bausteine sind die Zugänglichkeit der Bahnhöfe und die Attraktivität von Umstiegen, was auch die Aufenthaltsqualität umfasst. Deutlich wird dies zudem durch mehrere Untersuchungen, welche von der Niederländischen Staatsbahn durchgeführt wurden. Hier wird beispielsweise deutlich, dass sich die Situation auf dem Bahnsteig (Episoden 3, 4
Die Ableitung der Potenziale für jede Station zeigt, dass die Kommunen entlang des Projekts Wunderline ein Bewusstsein für deren Potenzial und das der Anschlussmobilität haben. Daher bedeutet Schritt vier auch, die bestehenden Planungen zu integrieren und mit den weiteren Potenzialen in Einklang zu bringen. Ebenso wurde deutlich, dass sich der Handlungsbedarf clustern lässt: –– individuelle Potenziale: betrifft nur eine Station, –– gruppierte Potenziale: betrifft mehrere Stationen, –– grundsätzliche Potenziale: betrifft alle Stationen. Stationen haben städtebauliches Potenzial Was bereits für Bahnhöfe wie Uelzen gilt, wurde mit der Restauration der Station Bad
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Schritt 2: Inspiration
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Zu Fuß gehen ist in der Anschlussmobilität dieser Studie nicht nur Teil des Umstiegs wie zwischen Bahnsteig und Parkplatz oder Bushaltestelle. Der Fußverkehr ist ebenso wichtig, um Ziele im direkten Umfeld der Bahnhöfe ohne Nutzung eines weiteren Verkehrsmittels zu erreichen. Für die Wunderline gilt dies besonders für die Stationen in verdichteten Strukturen der Städte Leer, Oldenburg, Delmenhorst und Bremen. Hierzu wurden die möglichst direkte Erreichbarkeit der Bahnsteige aus den umliegenden Wohnquartieren sowie wichtige Ziele im Bahnhofsumfeld bewertet. Anschlussmobilität Fahrrad Für eine topografisch ebene Region hat das Fahrrad in der Anschlussmobilität einen hohen Stellenwert, so dass bereits heute an nahezu allen Stationen öffentliche und abschließbare Abstellangebote bestehen. Zwar gibt es hier vereinzelt Potenziale in der Infrastruktur. Anschlussmobilität mit dem Fahrrad entlang der Wunderline hat vor allem aber das Ziel, die Vernetzung aller Standorte zu schaffen. Damit können auch neue Potenziale im Fahrradtourismus für die Wunderline gewonnen werden, indem Konzepte wie EifelBahnSteig und Vinschgaubahn entwickelt werden. Dieser Aspekt schafft ein Potenzial im Tourismus, welches mehr Fahrgäste in nachfrageschwächeren Zeiten wie Wochenenden ermöglicht.
M. Sc. Rolf Alexander (34) arbeitet seit 2011 als Planer und Berater für Bahn und Bus. Seit 2012 ist er bei der Planersocietät am Standort Dortmund als Team- und Projektleiter für den öffentlichen Personennahverkehr tätig. Dieses Themenfeld wird ergänzt um Fragestellungen und Anforderungen für die inter- und multimodale Anschlussmobilität. Er hat an der Universität Bochum Geografie und an der technischen Universität Dortmund Raumplanung studiert.
Zum Autor M. Sc. Martijn Ebben (43) ist Teamleiter des ÖPNV-Teams von Goudappel Coffeng, die größte unabhängige Mobilitätsberatungsfirma der Niederlande. Er ist seit 1998 als Senior Berater Bahn und Bus bei verschiedenen großen Projekten eingebunden. Zusammen mit weiteren Spezialisten bei Goudappel Coffeng für alle Fachgebiete im Bereich Verkehr und Raum erfolgt seine Arbeit vor allem im Hinblick auf die Zusammenhänge von Raum- und Verkehrsentwicklung. Er studierte technische Raumplanung an der Universität Groningen.
Zum Autor drs. Jans Zwiers (46) arbeitet als selbstständiger Berater für Infrastrukturentwicklungsprojekte in Nord-Niederlande. Sein Fachgebiet ist dabei das Projekt- und Beteiligungsmanagement mit Akteuren zur Entwicklung von Trassen für den Straßen-, Schienen- und Wasserverkehr sowie für (Flug-) Häfen. Seit 2017 ist er als Projektleiter für Anschlussmobilität entlang der Wunderline im Auftrag der Provinz Groningen tätig. Er studierte technische Raumplanung an der Universität Groningen.
rad und Auto leicht umsetzten lässt, kann eine Herausforderung im Busverkehr sein. Auch hier soll aber gelten, dass Buslinien im Umfeld einer Station immer bis zur Station verkehren. Die bestmögliche Abstim-
mung der Bedienungsangebote und -zeiten ist ebenfalls wichtig, aber in der konkreten Umsetzung mit weiteren Restriktionen und Prioritäten an anderen Stellen im Busnetz zu entscheiden.
Anschlussmobilität Bus Die Stationen der Wunderline bilden Mobilitätsschnittstellen für ihr Umfeld. Dazu ist es erforderlich, dass Mobilitätsangebote, die für einen Standort in Frage kommen, auch alle verfügbar sind. Was sich für Fahr-
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Anschlussmobilität zu Fuß
Zum Autor
Grafik: Provinz Groningen
Zwischenahn schon erreicht: Bahnhöfe als Teil von Städtebau und Stadtgestaltung interpretieren. Auch die weiteren Bahnhöfe haben noch Potenziale bei diesem Handlungsfeld, um aus den Bahnhöfen (wieder) ein Tor zur Stadt zu machen. Hierbei spielt die Betonung der Region eine wichtige Rolle. Jede Station hat im weiteren Umfeld regional bedeutsame Ziele, welche ein Teil von regionalem Marketing sind (zum Beispiel Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer). Ein weiterer Baustein ist dazu der Ansatz, Lichtkonzepte an den Stationen zu nutzen. Diese bilden gleichzeitig eine Schnittmenge zwischen mehreren Ansätzen: Aufenthaltsqualität, Städtebau und Sicherheit.
Abb. 3: Anschluss zum Projekt Wunderline: Lücken im transeuropäischen Schienennetz. DER NAHVERKEHR 5/2019
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Foto: Planersocietät
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Abb. 4: Wahrnehmung von Mobilität verstehen.
Grafik: Provinz Groningen
Foto: © Gemeinde Zuidhorn
Abb. 5, 6: Inspiration finden und übertragen. Stationen können Orte sein, an denen man gerne auf den Zug wartet: Station Bad Zwischenahn (links) und Station Winschoten (rechts)
Abb. 7, 8: Stationen können Orte sein, bei denen alles mit kurzen Fußwegen und Wiedererkennungswert verbunden ist: Station Zuidhorn als Mobilstation (hub) (links), Corporate Design für Mobilstationen Niederlande (rechts).
Natürlich muss auch das Auto ein Teil von Anschlussmobilität sein. Nicht alle Wege zu den Stationen entlang der Wunderline können über Fahrrad, Bus und zu Fuß abgebildet werden. Dies gilt besonders für die stark ländlich geprägten Gebiete zu beiden Seite der Bahnstrecke. Für die Anschlussmobilität mit dem Auto erfolgte eine differenzierte Betrachtung in der Studie. Nicht überall ist kostenloses Parken im Sinne von P+R sinnvoll. Dies gilt besonders für die Stationen, welche in einem städtisch verdichteten Umfeld liegen: Leer, Oldenburg und Delmenhorst. Hier besteht eine hohe Qualität in der Anschlussmobilität mit Fahrrad, Bus und zu Fuß gehen. Hier soll kostenloses Parken nicht die Attraktivität der Mobilitätsalternativen einschränken, zumal P+R auch mit Flächenverbrauch, geringen Umschlagquoten und im kernstädtischen Bereich mit Platzkonkurrenz verbunden ist. Die Studie sieht daher vor, P+R nur dort zu verbessern, wo Stationen der Wunderline eine ländlich geprägte Umgebung erschließen. Anschlussmobilität für alle Was mit dem Personenbeförderungsgesetz gefordert ist, ist ebenso für jede Station integriert: Barrierefreiheit. Diese soll für die gesamte Reise ermöglicht werden und erstreckt sich daher nicht nur auf einen barrierefreien Zugang zum Bahnsteig. Speziell die Situation beim Ein- und Ausstieg wird bei allen Bahnhöfen der Wunderline die größte Herausforderung in kommenden Jahren sein. Neben barrierefreien Zügen und Bahnsteigen gilt es, eine grenzüberschreitende Lösung für die Einund Ausstiegssituation zu finden: Höhe von Bahnsteig und Fahrzeugboden sowie Spalt zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante.
Foto: Planersocietät
Foto: Planersocietät
Anschlussmobilität Tarif
Abb. 9, 10: Stationen können Orte sein, die eine städtebauliche Bedeutung haben: Bahnhofstunnel als verbindendes Element (Station Bad Zwischenahn; links) und Städtebauliche Verdichtung im Stationsumfeld (Station Augustfehn; rechts). 26
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Das Tarifsystem bleibt für viele Menschen ein wesentliches Hindernis, um Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs auszuprobieren. Das Spannungsfeld zwischen möglichst einfach und möglichst gerecht ist ebenso entlang der Wunderline vorhanden. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der niederländischen OV-Chip-
1) Emoties tijdens een treinreis gekwantificeerd, Colloquium Vervoersplanologisch Speurwerk 2015
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Grafik: © Van Hagen, M. & de Bruijn, M. (2015)1).
Anschlussmobilität Auto
Grafiken: Goudappel Coffeng
kaart bereits ein völlig anderes System als in Deutschland auf dem niederländischen Abschnitt zum Einsatz kommt. Auf dem deutschen Abschnitt kommt erschwerend hinzu, dass auf dem östlichen Teil keine vollständige Tarifintegration von Bahn und Bus besteht. Die Perspektive der Studie ist es daher, (potenzielle) Fahrgäste davon zu befreien, über Dinge nachdenken zu müssen, welche sie nicht interessieren. Hierhin gehören neben Fragen zur Integration in bestehende Tarifverbünde für Bahn und Bus genauso die Ausweitung der OV-Chipkaart auf grenzüberschreitende Verbindungen. Abb. 11: Handlungsfelder und Beispiel einer Stationsbewertung.
Anschlussmobilität Digitalisierung Was bereits bei den Bausteinen der Anschlussmobilität Fahrrad und Anschlussmobilität Tarif deutlich wird: Projekte wie Wunderline müssen die Digitalisierung nutzen. Diese ist eine Synergie, um die weiteren Bausteine der Anschlussmobilität erfolgreich umzusetzen. Digitalisierung soll die Nutzung der Wunderline einfacher und komfortabler machen. Was mit Echtzeitendaten und W-LAN-Nutzung beginnt, reicht bis zur Frage autonomer Anschlussmobilität.
Welche Bedeutung hat ein kleiner Umweg zu Fuß? Wer überzeugt ist, dass ein paar Minuten und/oder Meter mehr nicht rele-
vant für unser Mobilitätsverhalten sind, kann sich zum Abschluss dieses Artikels selbst überprüfen (Abb. 12, 13).
Abb. 12: Unsere Wahrnehmung von Zeit: Schnell noch beschleunigen oder eine Minute warten?
Foto: Rolf Alexander
Potenziale sind nicht nur die großen und plakativen Ziele. Mobilität spielt sich auch oft auf der psychologischen Ebene ab. Hierzu gilt es, vor allem Maßnahmen auf die Frage zu finden: Wie sieht ein klima freundliches Mobilitätsangebot aus, mit dem man sich gerne identifiziert, obwohl man es nicht wie ein eigenes Auto besitzen kann? Hier spielen Kleinigkeiten – teils auch mit größeren finanziellen Auswirkungen – eine Rolle. Wie fühlt sich warten an?
Foto: Rolf Alexander
Was das Projekt Wunderline auch gezeigt hat
Abb. 13: Wahrnehmung von Entfernungen: Rechts lang oder doch zwei Meter Fußweg sparen?
Zusammenfassung / Summary Das Projekt „Wunderline“
Project “Wunderline”
Die Mobilität der Menschen kennt keine Grenzen. So wie wir selbstverständlich mit dem Auto über eine Grenze fahren, so sollten wir es auch mit dem Nahverkehr können. Doch hier sind die Herausforderungen ungleich schwerer. Viele Akteure verfolgen mehrere Interessen. Für die Mobilität der Menschen zwischen den Städten Groningen und Bremen wurde daher das grenzüberschreitende Projekt Wunderline geschaffen. Es soll nicht nur die grenzüberschreitende Mobilität auf dem Schienen zwischen diesen Großstädten verbessern. Gleichzeitig soll eine ganz Region von einem besseren Angebot im Schienenverkehr profitieren. Hierzu gilt es auch die Anschlussmobilität an allen Bahnhöfen zu gestalten. Dies umfasst die Frage nach der psychologischen Wirkung von Maßnahmen.
The mobility of people does not know borders. We can use cars to cross them, so why should not we use (local) trains instead? But here the challenges are bigger. Several stakeholders do not have all the same aims. Specially for the mobility between the great cities Groningen (Netherlands) and Bremen (Germany) the cross-border-project Wunderline was founded. Here is an important goal not only the improvement of the regional mobility by rail between bigger cities. Also, a whole region between these two cities should benefit from a better offer by rail. This means also to create a better connecting mobility from the local station into these regions. Therefore, psychological aspects are important, too.
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