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Von Kiltge über Kiltgen zu Gilde, Johann Steiner
Von Kiltge über Kiltgen zu Gilde
Die Geschichte eines Familiennamens und die Herkunft seiner Träger
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Johann Steiner
„Liebes Schwestergen … guten Tag meine kleine hochgelahrte ... Närrgen … Engelken …“ So wendet sich kein anderer als Johann Wolfgang Goethe (17491832) als 16-Jähriger in einem Brief an seine Schwester Cornelia. Wir schreiben das Jahr 1765, es ist das Jahr der Gründung des Dorfes Billed in der Banater Heide. Der angehende Dichter verwendet die damals offensichtlich weit verbreitete Verkleinerungsform mit der Endung gen statt chen. Er meint damit Schwesterchen, Närrchen und Engelchen.
Was dem Franken 1765 teuer war, ist dem Siebenbürger Sachsen heute noch billig. Im Siebenbürgisch-Sächsischen ist diese Diminutivform noch immer üblich. Findet der Siebenbürger eine Frau namens Rose liebenswert, sagt er schon einmal Rosgen. Diese Art der Diminutiv-Bildung hat es vor mehr als 250 Jahren offensichtlich auch im Luxemburgischen gegeben, das auch ein fränkischer Dialekt ist, und zwar eng verwandt mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen. In anderen deutschen Dialekten wird das Diminutiv mit der Endsilbe ke gebildet. So auch im moselfränkischen Dialekt in Luxemburg. So heißt heute noch ein etwas klein gewachsener Rat in Mecklenburg Rätke (Rätchen) oder klein Wilhelm am Niederrhein Willke (Willichen). Und dann die andere Mundart-Eigenheit: Was für den einen das stimmlose g ist, ist für den anderen Landsmann das k. Im Fränkischen wird g meist k ausgesprochen. So auch im moselfränkischen Dialekt in Luxemburg. Deshalb auch Kiltge und Kiltgen statt Gilde. Als Goethe den Brief an seine Schwester verfasst hat, tragen sich zwei Brüder in Götzingen (Luxemburg) mit dem Gedanken, ins Banat auszuwandern. Im Sommer 1767 treffen sie in Großjetscha ein. Der eine namens Nikolaus Gilde, um 1742 in Götzingen geboren und am 16. Juni 1821 in Großjetscha gestorben, der andere, sein Bruder Michael, geboren um 1744 in Götzingen, im Kirchenbuch eingetragen unter dem Familiennamen Kiltgen, gestorben 1833 in Großjetscha. Der Vater der beiden ist in den Kirchenbüchern in Götzingen zu finden unter dem Namen Michael Kiltge. Dieser Michael Kiltge hat neben den beiden ausgewanderten Söhnen mit seiner Frau Maria Theis zwei weitere Jungen gezeugt. Sie sind als Petrus Kiltgen (1740) und Antonius Kiltgen (1743) im Götzinger Kirchenbuch verzeichnet. Das Dorf Götzingen hat heute gut 500 Einwohner.
Wie ungenau Pfarrer und Beamte mit Namen in jener Zeit umgegangen sind, zeigen nicht nur die Eintragungen in Götzingen, sondern auch jene in Wien, wo sich die Siedler registrieren lassen mussten, um gültige Pässe ausgestellt zu bekommen, Nikolaus Gilde ist in den Wiener Ausreiselisten unter dem Namen Niclas Gild aus Luxemburg verzeichnet. In Großjetscha sind die 15 Kinder des Nikolaus alle unter dem Familiennamen Gilde im Geburtenregister zu finden. Davon haben acht das vierte Jahr nicht erlebt, unter ihnen auch die fünf erstgeborenen. Das fünftgeborene, Josef (1775), ist der Stammvater der Billeder Gilde-Linie. Begründen wird sie sein 1804 geborener
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Von Kiltgen zu Petgen ist es nicht weit. Das Weingut Karl Petgen liegt im zu Perl gehörenden Nennig am rechten Saarufer. Auf der anderen Seite ist Luxemburg, woher die Kiltgens, die Vorfahren der Gildes, stammen. Die alte Verkleinerungsform hat sich im Falle Gilde nicht erhalten, dafür aber im Namen Petgen (Peterchen). Foto: Johann Steiner
94 Sohn Jakob, der sich in Billed niederlassen wird.
Der Bruder des Nikolaus, Michael Kiltgen, wird zwölf Kinder zeugen. Davon wird die Hälfte den Namen Kiltgen, die andere den Namen Gilde erhalten. Von den sechs Kindern mit dem Namen Kiltgen wird lediglich ein Sohn das heiratsfähige Alter erreichen, jedoch zwei Jungen namens Gilde, und zwar Theodor und Philipp. In der nächsten Generation ist der Name Kiltgen verschwunden.
In Billed, aber auch in Großjetscha wird Gilde einer der häufigsten Familiennamen sein. Nach Ermittlungen des Heimatforschers Wilhelm Weber hat es 1971 in Billed 17 Familien mit dem Namen Gilde gegeben. Damit rangieren die Gildes an sechster Stelle nach Slavik (32), Mann (26), Klein (22), Thöres (22) und Hehn (18).
Doch zurück zur Billeder Gilde-Linie. Bis zum Exodus der Banater Deutschen nach dem Fall des Kommunismus 1989 werden dem Einwanderer Nikolaus Gilde in der neuen Heimat neun Generationen folgen. Nur wenige der neunten Generation erblicken das Licht der Welt in Deutschland. Die meisten der zehnten Generation werden aber schon in der alten-neuen Heimat Deutschland geboren. So auch Ralf Gilde, 1990 in Karlsruhe. Er hat den Stammbaum seiner Vorfahren mit Hilfe des aus Kleinbetschkerek stammenden Peter Senn erstellt. Dieser Artikel fußt auf den Ermittlungen Senns, Katharina Jobbas Mann, und Ralf Gildes.
Senn beschäftigt sich mit Ahnenforschung seit 2005. Er hat inzwischen 86.500 Personen in seiner Datenbank erfasst. Bei seinen Ermittlungen in Luxemburg ist es um die Vorfahren seiner Frau, um die Vorfahren der Familie Jobba, gegangen. Durch Zufall kontaktiert Senn 2007 in Luxemburg Rob Deltgen, der zur Jobba-Verwandtschaft gehört. Deltgen ist der Vorsitzende von Luxracines.lu, es ist der Verein, der sich mit der Förderung von lokalen historischen und genealogischen Forschungen in Luxemburg und der Veröffentlichung der Ergebnisse beschäftigt. Senn ist inzwischen Mitglied von Luxracines.lu. und kann die Daten von Luxemburg oder von „Frisch+Banat“ durchsuchen.
Senns Forschungen sind aber nicht nur bei Jobba stehengeblieben. Er wollte weitere Familiennamen erforschen, wie Buttel, Reuter, Willwerth, Röser, Lichtfusz, Eichert, Alexius, Berg, Groß, Theissen, Thöresz (Tyres), Packi, Mumper und Mecher. Und mit dem Familiennamen Mecher hat er über Deltgen im September 2017 Pierrot Frisch kennengelernt, er ist inzwischen längst sein Freund. Frisch hat bei www.luxracines.lu die Genealogie „ Frisch+Banat“ aufgebaut (47.547 Personen, 18.656 Familien). Diese Genealogie erfasst die Luxemburger Auswanderer ins Banat. Mit dieser Bekanntschaft beginnt eine Zeit des regen Austausches von Daten. In den Banater Familienbüchern fehlen meistens Geburts- und Heiratsdaten der Einwanderer, Geburtsdaten ihrer Kinder und teilweise die Angaben deren Eltern. Deshalb hat Senn seinem Freund Frisch Kopien aus Banater Familienbüchern geschickt, und Frisch hat Senn die Ergänzungen der Daten zukommen lassen und in seiner Genealogie „Frisch+Banat“ erfasst. Senn hat den E-Mail-Austausch zum Teil gedruckt, es sind inzwischen zwei dicke Ordner geworden. Werner Gilde, der Vorsitzende der HOG Billed, hat Senn irgendwann angesprochen, ob er ihm vielleicht in der Erforschung seiner Vorfahren helfen könnte, und hat von seinem Freund Frisch die vorhin festgehaltenen Daten erhalten.
Peter und Klara Schubert (Haus Nr. 833) mit Enkelinnen Wilmi, Lise und Rose im Sommer 1943. Einsender Wilmy Schortje