DEuTSCHLAND 5,40 €
GREEN
Das Fachmagazin für
die Grüne Branche
From Russia with Love
Experimentelle Floristik von Natalia Zhizhko
Leben mit dem Tod Trauerkultur im Wandel
Schlummerndes Marktpotenzial
Schnittblumen aus Deutschland
Nr. 2/14
ImPreSSum 3 77
Impressum Liebe Leser,
Anschrift
Fleurop vielleicht mutet es etwas ungewöhnlich an, dass wir ag lindenstraße 3–4 uns in der zweiten GREEN-Ausgabe 2014 mit Trauer12207 Berlin kultur beschäftigen – verortet man das Thema, zeitlich 030 / 713 71-0 gesehen, doch eher in die letzten Monate des Tel.: Jahres.
Fotografen Bernhard Kägi Peter Johann Kierzkowski
Der genaue Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung und Anzeigenleitung mit der sensiblen Thematik spielt jedoch keineMagazinRolle, Winnie maria lechtape (v.i.S.d.P.) da Trauerkultur für Floristen und Friedhofsgärtner lindenstraße 3–4 an jedem Tag im Jahr einen besonderen Stellenwert 12207 Berlin einnimmt. In der Rubrik Unternehmensführung setzt winnie.lechtape@fleurop.de sich unser Gastautor Jan Thomas Otte mit verschiedeTel.: 030 / 713 71-213 nen Möglichkeiten der Mitarbeiterführung auseinan-
Illustrationen Sedef Tunc
der: Ist ein autoritärer Führungsstil erfolgreicher als ein Redaktion kooperativer? Finden Sie es heraus! Yvonne eißler (yei) Sten Seliger (sts) Endlich ist der Frühling da, und das unterstreicht
www.facebook.com/greenmagazin
Grafik antje Zickuhr madlen albrecht
Herausgeber Fleurop ag
Druck mundschenk Druck+medien mundschenkstraße 5 06889 lutherstadt Wittenberg
Green-Cover
ganz bemerkenswert die luftig-filigrane Floristik der an dieser ausgabe: amtierenden Europameisterin Natalia Zhizhko.mitarbeit Die Jan Thomas otte Werkschau der Ausnahmefloristin auf den Seiten 8 bis 23 zeigt eindrucksvoll, wie ausdrucksstark verarbeitete Werkstoffe aus der Natur eine völlig neue Wirkung entfalten können. In der Step-by-Step-Reihe führt Sie Floristmeister Phillip von Arx an herrliche floristische Arrangements heran, die durch ihre knallgelbe Farbgebung vor Energie sprühen. Wir wünschen Ihnen eine schöne Zeit und viel Spaß bei der Lektüre!
Ihre GREEN-Redaktion
Titelbild: Leuchtend rote Gerbera – fotografiert von Peter Johann Kierzkowski.
Aboservice aboservice@fleurop.de Tel.: 030 / 713 71-213 Jahresabonnement: 19,00 euro Für azubis, Schüler und Studenten: 15,00 euro nachbestellung einzelheft: 5,40 euro zzgl. versandkosten Erscheinungsweise 4 x im Jahr Auflagenhöhe 8.000 exemplare (2. Quartal 2014) iSSn 2196-6710 Papier Circle matt, 100 % recycelt Green GREEN 2 /142 /14
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Inhalt 03
Editorial / 04 Inhalt / 06 Produktneuheiten
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Markt und Wissen
Unternehmensführung
Portrait & Werkschau Natalia Zhizhko 08
Schnittblumenanbau in Deutschland Schlummerndes Marktpotenzial (inklusive Interview mit Zierpflanzenforscherin Dr. Sarka Spinarova) 32
Führungsstile Die hohe Kunst des Steuerns (inklusive Interviews mit Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, Führungskräfte-Coach Gudrun Happich und Wirtschaftsethiker Dr. Ernst von Kimakowitz) 64
Trauerkultur im Wandel Leben mit dem Tod (inklusive Interviews mit Philosoph Prof. Dr. Andreas Arndt und Floristmeisterin Anja Qayyum-Kocks) 46 Biologische Schädlingsbekämpfung Echte Gärtner gefragt 56
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FOTOS: Denis Geordievsky, Peter Johann Kierzkowski, rhs Images
Floristik
Step by Step Drei Werkstücke von Philipp von Arx 24
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Kolumne / Der GrünKönner »And the Oscar goes to …« 74 Events Nationale und internationale Branchentermine im April, Mai und Juni 75 5 Fragen an ... Manfred Hoffmann 76 Impressum 77
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Neu Dotty Bag
Produktgruppe: Gefäße Beschaffenheit: dekorative, wasserabweisende Tasche Größe: 16 x 16 x 13 cm Farben: creme / weiß, pink / weiß, aqua / weiß und grün / weiß Lieferbar: ab April 2014 Hersteller: DecoWraps Bezugsquelle: Braun GmbH
Campanula APPEAL PINK Produktgruppe: Zimmerpflanzen Sortenname: Campanula medium nanum ›Appeal Pink‹ Eigenschaften: Kräftige, pinkfarbene Blüten. Langanhaltende Lang anhaltende Blüte zwischen Januar und Juni. Züchter und Bezugsquelle: Sakata Ornamentals
Vasen FLOWERS ANTHEA
Produktgruppe: Blumenvasen Eigenschaften: klassische Vasenkollektion in Überfangtechnik Größe: 10,5 x 29 cm Farben: hellgrün, weiß, schwarz, blau, grau, gelb, orange, rot Lieferbar: ab Juli 2014 Bezugsquelle: Paul Nagel GmbH
Frisbee-Hortensie
Produktgruppe: Zimmerpflanzen Sortenname: Hydrangea macrophylla Frisbee® Besonderheiten: Kann auch bei niedrigen Temperaturen kultiviert werden. Ist gut geeignet, um sie nach der Blüte im Garten einzupflanzen. Züchter und Bezugsquelle: Hydrangea Breeders Ass. B.V.
Floristik 08 Portrait & Werkschau / Natalia Zhizhko 24 Step by Step / Philipp von Arx
Nat端rlichkeit
Foto: Alexey Rezvykh
Portrait und Werkschau
10 Floristik
Portrait
Natalia Zhizhko
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Foto: Denis Geordievsky
F
ür Natalia Zhizhko wohnt jeder Blume, Farbe und Form etwas Bedeutungsvolles inne. Die Schaffenskraft der Natur erscheint ihr perfekt – und so sieht sie es auch als wichtigste Aufgabe eines guten Floristen, diese ursprüngliche Schönheit zu erkennen und kreativ aufzugreifen. Mit ihrer Arbeit versucht sie, stets etwas Besonderes zu schaffen, das ihre Emotionen widerspiegelt oder beim Betrachter Gefühle weckt. Nach ihren eigenen Aussagen beeinflusst die russische Lebensweise ihre Art, an Dinge heranzugehen, in hohem Maße. Die in Estland geborene und heute in Moskau lebende Floral-Designerin verfügt über einen eher ungewöhnlichen Bildungshintergrund: Von 1990 bis 1996 studierte sie an der Staatlichen Universität Tomsk in Sibirien Biologie und Bodenkunde. Inzwischen verdient sie ihren Lebensunterhalt jedoch längst als Floristin. Und spätestens seit ihrem Gewinn der Europameisterschaft im September 2011 zählt sie zu einer der renommiertesten Figuren der Branche: In einem spannenden Wettkampf setzte sie sich in Tschechien gegen achtzehn weitere, weltweit angesehene Floristen durch und trägt noch bis Ende 2015 den Titel »European Champion of Floral Design«. Das Jury-Urteil fiel damals einstimmig aus: Sie hatte mit ihrer Kombination aus Kreativität und makelloser handwerklicher Technik alle überzeugt und am Ende eine außergewöhnlich hohe Gesamtpunktzahl erreicht. Aber auch schon in den vorangegangenen Jahren war sie keine Unbekannte auf dem floristischen Parkett und konnte bereits zahlreiche Erfolge vorweisen. So war ein Meilenstein ihrer Karriere die Teilnahme am internationalen Wettbewerb »Kiev’s Spring« 2002 in der Ukraine, wo sie den Titel gewann. Bei der internationalen Ausstellung »Pacific Flora 2004« in Japan holte sie die Bronzemedaille und am »Russian Cup« nahm sie gleich mehrfach teil und erreichte in den Jahren 2003, 2006, 2009 und 2010 insgesamt zweimal den vierten, einmal den dritten und einmal den ersten Platz. Der Stil ihrer Werkstücke ist meist klar, leicht und ätherisch. So verwundert es nicht, dass die Luft das wichtigste Element in ihrer Arbeit ist und sie gerne filigrane, leichte und transparente Werkstoffe verwendet – etwa Pusteblumen und Luftblasen. Sie empfindet es als äußerst wichtig, immer Neues dazuzulernen: »Alles, was ich um mich herum sehe – neue Materialien, neue Eindrücke und neues Wissen – kann zu einer Quelle meiner Inspiration werden. Und ich möchte, dass die Schönheit und Harmonie der Natur in jedem meiner Werkstücke sichtbar wird.« Häufig experimentiert sie deshalb auch damit, gewöhnliche Materialien auf ungewöhnliche Weise zu verarbeiten und so verblüffende Ergebnisse zu erzielen. Sie ist auf zahlreichen floristischen Demonstrationen vertreten, im Bereich floristischer Event-Dekorationen tätig und gibt ihre Erfahrungen in Meisterkursen und Seminaren an Floristen weiter. Außerdem waren verschiedene Werkstücke von ihr in der jährlich erscheinenden, internationalen Buchserie »Floral Art« sowie in zahlreichen internationalen Fach magazinen abgebildet. (yei)
Du bist so schön! Nur ein kleiner
Windhauch und alles verschwindet wie eine Wolke – wie der Lichtstrahl bei Sonnenuntergang!
Fotos: Alexey Rezvykh
Ah, verweile noch,
»Eine der verblüffendsten Blüten und zugleich meine Lieblingsblume – der Löwenzahn. Manchmal erzeugt die Kombination scheinbar unvereinbarer Elemente überraschend Harmonie: Kugeln aus Sand, durchsichtige Wasserblasen und luftige Pusteblumen …«
Fotos: Alexey Rezvykh
»Die mysteriöse Schönheit von Mineralien ist eine meiner Inspirationsquellen. Die faszinierenden Farbübergänge von Achaten und die glasigen Oberflächen von Schichtsilikaten verkörpern die Schönheit und den Reichtum unserer Natur. Ich mag Kiefernnadeln und Kiefernrinde sehr.«
»Basis dieses Arrangements ist eine Sandkonstruktion.
Ich finde es extrem interessant, mit Formen zu experimentieren und außergewöhnliche Fähigkeiten bei gewöhnlichen Materialien zu entdecken. Das Farbkonzept dieses Werkstücks entspricht der Palette an Pastellfarben,
Foto: Emilio Navarro
die wir im Sand ausmachen können.«
Fotos: Emilio Navarro
»Ein Hochzeitsstrauß ist jedes Mal etwas ganz Persönliches und Unterschiedliches. Er hat seine eigene Stimmung und einen besonderen Charakter. Der Strauß ist fragil und transparent mit Glas und Frühlingsblüten gearbeitet.«
»Dieses Arrangement basiert auf einem Grundgerüst aus Reis, arrangiert mit Kletterrosenranken samt Dornen und einem kleinen, scharlachroten Akzent.«
Fotos: A. Mishakov (links); D. Gheorghievski (rechts)
»Eine neuartige Skulptur aus gewöhnlichen Materialien: Weizenhalme als Basis für ein sommerliches Hochzeitsdesign ...
… und wieder einmal habe ich mit Kiefernnadeln experimentiert.«
»Ich liebe es einfach, zu experimentieren, und genieße, was ich tue. Wettbewerbe, Ausstellungen und Foto-Shootings geben mir die Möglichkeit, meine Werkstücke zu präsentieren und Neues zu kreieren. Diese Erfahrungen sind immer begleitet von neuen
Foto: Emilio Navarro
Impressionen und Freundschaften – sie bringen mich voran!«
24 Floristik
Floristik 25
glockentanz
1
verwendete Materialien:
–– Narzissen –– Pfauenfedern (Meterware)
Im ersten Schritt mit einer Schere drei Zentimeter lange Stücke der aufgerollten Pfauenfedern abschneiden. Pro verwendete Blüte wird ein Abschnitt benötigt.
–– Juteschnur –– kleine Gläser Portrait
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Philipp von Arx Der in einer Familie von Floristen und Gärtnern aufgewachsene Schweizer hat schon früh auf sich aufmerksam gemacht: 2002 erreichte er den zweiten Platz beim Eurofleurs Junior Championship in Padua und im darauffolgenden Jahr nutzte er seinen Heimvorteil und gewann in St. Gallen bei den WorldSkills – der Weltmeisterschaft der Berufe – den Titel. 2008 legte Philipp von Arx im österreichischen Zwettl seine Floristmeisterprüfung ab. Heute leitet er die zwei Blumengeschäfte des Familienunternehmens »von Arx Blumen & Garten« in Olten und ist außerdem Teamleiter von »Blumenpuls Schweiz«, einer Vereinigung innovativer Floral-Designer des schweizerischen Floristenverbands. Als Fachreferent sieht man ihn bei zahlreichen Floristik-Shows, Tagungen und Workshops. 2013 veröffentlichte Philipp von Arx zusammen mit Katharina Götz und Johann Obendrauf den Bildband »Brautstrauss«. (sts)
Um jeden Blütenhals ein Federstück legen und jeweils mit der Juteschnur vier- bis fünfmal umwickeln, sodass eine schöne Bindestelle entsteht. Diese ist später sichtbar und sollte deshalb sauber gearbeitet sein.
Fotos: Bernhard Kägi
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Abschließend die kleinen Vasen mit Wasser befüllen und Frischhaltemittel beigeben. In jede vorbereitete Vase wird jeweils eine Narzisse gestellt.
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Ostergruss
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Anschließend werden die Apfelbaumäste und -zweige in das mit Wasser gefüllte Gefäß gestellt und angeordnet. Hierbei sollte auf eine harmonische Form geachtet werden, die in einer guten Proportion zum Gefäß steht. Nun die grazilen Wachteleier vorsichtig auf die Blütenstiele aufziehen.
Die Blumen frisch anschneiden (Mohn anbrennen) und dekorativ angeordnet in das Gefäß stellen. Die Blütenstiele dürfen nicht zu stark gekürzt werden, damit die Linienform der Stiele in der Gestaltung sichtbar bleibt.
verwendete Materialien: –– 7 Ranunkeln –– 4 Aloeblüten –– 10 Mohnblumen –– Apfelbaumäste und -zweige –– 15 ausgeblasene Wachteleier
Zunächst mit einem Messer Löcher in das obere und untere Ende von jedem ausgeblasenen Ei stechen. Am besten gelingt das, indem man mit der scharfen Messerspitze kleine Stücke aus den Eiern bricht, bis die Löcher die richtige Größe haben, um die Blumen hindurchziehen zu können.
–– längliches Gefäß
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Sonniger Frühling
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verwendete Materialien:
–– 2 Calendula –– 6 Ranunkeln –– 1 kleinblütige Phalaenopsis –– 2 Mohnblumen –– 3 Narzissen –– 1 Mimose –– 1 Kalanchoe ›Magic Bells‹ –– 80 Bananensamen aus Holz –– Gerberakarton –– 3 x 1,8er Draht
Aus dem Gerberakarton ein bogenförmiges Stück herausschneiden. Dieses zu einer Manschette rollen und die Enden zusammenkleben. Drei Drähte in der Stärke 1,8 an die Innenseite der Manschette kleben und mit jeweils einem Papierstück abdecken. Die Außenseite mit den Holzsamen bekleben. Dabei darauf achten, dass sie kreuz und quer angeordnet werden.
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–– Heißklebepistole
Die Manschette innen – je nach Menge der späteren Befüllung – ganz oder nur am oberen Rand bekleben. Es ist wichtig, dass die Holzsamen über den Rand hinaus geklebt werden, damit die Schnittstelle des Kartons am Ende nicht mehr sichtbar ist.
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Nun die Manschette mit gemischten Frühlingsblüten befüllen. Am besten mit der Mimose beginnen, deren Blüten vereinzeln und die restlichen Blumen durch die flauschigen Mimosenblüten hindurch in die Bindestelle ziehen. Den Strauß fachgerecht binden und einstellen. GREEN 2 /14
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30 Floristik
Auf einen Blick
Glockentanz
OstergruSS
Sonniger Frühling
verwendete Materialien: Narzissen Pfauenfedern (Meterware)
verwendete Materialien: 10 Mohnblumen 7 Ranunkeln 4 Aloeblüten Apfelbaumäste und -zweige
verwendete Materialien: 2 Calendula 6 Ranunkeln 1 kleinblütige Phalaenopsis 2 Mohnblumen 3 Narzissen 1 Mimose 1 Kalanchoe ›Magic Bells‹ 80 Bananensamen aus Holz
Juteschnur kleine Gläser
15 ausgeblasene Wachteleier längliches Gefäß
Gerberakarton 3 x 1,8er Draht Heißklebepistole Schritt 1: Im ersten Schritt mit einer Schere drei Zentimeter lange Stücke der aufgerollten Pfauenfedern abschneiden. Pro verwendete Blüte wird ein Abschnitt benötigt. Schritt 2: Um jeden Blütenhals ein Federstück legen und jeweils mit der Juteschnur vier- bis fünfmal umwickeln, sodass eine schöne Bindestelle entsteht. Diese ist später sichtbar und sollte deshalb sauber gearbeitet sein. Schritt 3: Abschließend die kleinen Vasen mit Wasser befüllen und Frischhaltemittel beigeben. In jede vorbereitete Vase wird jeweils eine Narzisse gestellt.
Schritt 1: Zunächst mit einem Messer Löcher in das obere und untere Ende von jedem ausgeblasenen Ei stechen. Am besten gelingt das, indem man mit der scharfen Messerspitze kleine Stücke aus den Eiern bricht, bis die Löcher die richtige Größe haben, um die Blumen hindurchziehen zu können. Anschließend werden die Apfelbaumäste und -zweige in das mit Wasser gefüllte Gefäß gestellt und angeordnet. Hierbei sollte auf eine harmonische Form geachtet werden, die in einer guten Proportion zum Gefäß steht. Schritt 2: Nun die grazilen Wachteleier vorsichtig auf die Blütenstiele aufziehen. Schritt 3: Die Blumen frisch anschneiden (Mohn anbrennen) und dekorativ angeordnet in das Gefäß stellen. Die Blütenstiele dürfen nicht zu stark gekürzt werden, damit die Linienform der Stiele in der Gestaltung sichtbar bleibt.
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Schritt 1: Aus dem Gerberakarton ein bogenförmiges Stück herausschneiden. Dieses zu einer Manschette rollen und die Enden zusammenkleben. Drei Drähte in der Stärke 1,8 an die Innenseite der Manschette kleben und mit jeweils einem Papierstück abdecken. Die Außenseite mit den Holzsamen bekleben. Dabei darauf achten, dass sie kreuz und quer angeordnet werden. Schritt 2: Die Manschette innen – je nach Menge der späteren Befüllung – ganz oder nur am oberen Rand bekleben. Es ist wichtig, dass die Holzsamen über den Rand hinaus geklebt werden, damit die Schnittstelle des Kartons am Ende nicht mehr sichtbar ist. Schritt 3: Nun die Manschette mit gemischten Frühlingsblüten befüllen. Am besten mit der Mimose beginnen, deren Blüten vereinzeln und die restlichen Blumen durch die flauschigen Mimosenblüten hindurch in die Bindestelle ziehen. Den Strauß fachgerecht binden.
Markt und Wissen 32 Schnittblumenanbau in Deutschland 46 Trauerkultur im Wandel 56 Biologische Schädlingsbekämpfung
Markt und Wissen 33
A
Schnittblumenanbau in Deutschland
Für die meisten Floristen ist die frühmorgendliche Fahrt zum Großmarkt immer noch die Hauptbeschaffungsquelle für ihre Ware. Befindet sich kein Großmarkt im näheren Umkreis oder muss es einmal schnell gehen, greifen viele als zweite Versorgungsmöglichkeit auf den Breitfahrer ihres Vertrauens zurück. In beiden Fällen k önnen die Floristen zwar die Ware vor dem Kauf begutachten, wie frisch die Blumen aber tatsächlich sind, lässt sich nur mutmaßen. Denn die herkömmlichen Beschaffungswege beinhalten meist mehrere Zwischenhandelsstufen, sodass keine genaue Nachverfolgbarkeit mehr gegeben ist. Mit einer regionalen Versorgung innerhalb Deutschlands könnte man hier ganz neue Qualitätsstandards etablieren.
Text: Yvonne EiSSler
Foto: Peter Johann Kierzkowski
Schlummerndes Marktpotenzial
uf unseren heimischen Feldern und auch in Gewächshäusern werden Schnittblumen angebaut – so viel ist sicher. Versucht man allerdings, genaue Zahlen über die Anzahl der Produktionsbetriebe und deren Sortiment zu bekommen, wird es schon schwieriger. Die aktuellste Publikation dazu ist das »Branchenbuch Zierpflanzenbau 2014«, herausgegeben vom Fachmagazin »Gärtnerbörse«. Demzufolge machten Schnittblumen gut ein Drittel des Zierpflanzenmarktes im Jahr 2012 aus. Beobachtet man die Entwicklung seit 2008, so kann man eine leicht sinkende Tendenz ausmachen. Insgesamt bilden Schnittblumen jedoch nach wie vor den größten Anteil im Zierpflanzenmarkt, gefolgt von Beet- und Balkonpflanzen, Obst- und Ziergehölzen sowie blühenden Zimmerpflanzen. Auffällig ist, dass in drei Bundesländern deutliche Schwerpunkte bei der Produktion von Schnittblumen liegen, und zwar in Bayern, Baden-Württemberg (BaWü) und Nordrhein-Westfalen (NRW). Laut dem Statistischen Bundesamt verfügt BaWü mit 501 Betrieben über die größte Dichte an Produzenten, deren Anbauflächen liegen addiert bei 480,3 Hektar. Die 449 erfassten Anbaubetriebe in NRW bewirtschaften hingegen die größte Fläche mit 1184,5 Hektar. Diese unterschiedliGREEN 2 /14
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der Anbau im Haupt- oder Nebenerwerb erfolgt oder sogar nur eine saisonale Nische bedient. »Aus meinen eigenen, jahrelangen Erfahrungen heraus sehe ich diese Zahlen und Statistiken eher skeptisch«, sagt der Gärtnereiinhaber und Branchenkenner Berthold Kott. Und er muss es wissen: Nach seiner Lehre als Zierpflanzenbauer Schnittblumen und Folgeausbildung als Baumschüler absolvierte er zusätzlich noch die Floristeneignungsprüfung, um Floristen und Gärtner 22,1 % ausbilden zu können. Danach war er mehrere Jahre sowohl als Breitfahrer in Deutschland und HolBeet- und Balkonland tätig als auch im Verkauf und pflanzen Einkauf für Gartencenter. Seit 1989 ist er selbstständig und europaweit in den Bereichen Einkauf und Verkauf sowie Pflanzen- und Blu16,7 % menmarketing für verschiedene Auftraggeber aktiv. Obst- und ZierEr steht tagtäglich im direkten gehölze Austausch mit Produzenten und Floristen. »Meine Erfahrungswerte sind, dass rund 50 Prozent aller Betriebe gar keine Meldung da14,6 % rüber machen, was sie anbauen und wie sie vermarkten«, so Kott. blühende Das sei zum Beispiel der Tatsache Zimmerpflanzen geschuldet, dass sehr viele Erzeuger nur ein Produkt haben, das lediglich für einen Zeitraum von 5,8 % sechs Wochen Arbeit bedeutet. Viele Produzenten behelfen sich Stauden in dieser Zeit mit Familienmitgliedern und haben ihren Betrieb den Rest des Jahres nicht angemeldet. Dennoch könne es sich trotz die5,5 % ser kurzen Anbauperiode um eine Produktion von um die 500.000 grüne Zimmerpflanzen Stiele handeln. »Ein grundlegenAufteilung des Zierpflanzenmarktes 2012:
35,3 %
des Problem ist natürlich, dass es keinen Zweckverband gibt, der sich um die Erfassung der Produktionszahlen kümmert«, ergänzt Kott. »Und nach wie vor haben wir eine große Dunkelziffer, wie viel Ware nicht auf Rechnung verkauft wird.« Kritisch sieht er auch, dass bei den statistischen Erhebungen Betriebe erst ab einer Anbaufläche von 3.000 Quadratmetern erfasst werden, alle anderen fallen durchs Raster. Die zahlreichen kleinen Produktionen seien jedoch fürs Sortiment und in der Summe durchaus erheblich. Ein Zwischenfazit dieser Bestandsaufnahme lautet also: Trotz einer leicht abnehmenden Tendenz machen Schnittblumen nach wie vor den größten Anteil des Zierpflanzenmarktes aus. Da es jedoch keinen übergeordneten Verband für den Schnittblumenanbau in Deutschland gibt, der zuverlässige und fundierte Zahlen innerhalb der Branche erhebt, lässt sich über das Potenzial einer regionalen Versorgung der Floristen in Deutschland keine stichhaltige Prognose abgeben. In Bayern, Baden-Württemberg und vor allem Nordrhein-Westfalen – mit den flächenmäßig größten Betrieben – scheinen aber Produktionsschwerpunkte zu liegen, sowohl im Freiland als auch im geschützten Anbau. Ein anderer Ansatz, um an weitere Erkenntnisse zu kommen, ist, die Warenströme zu verfolgen, über die Schnittblumen abgesetzt werden. Hier sucht man ebenfalls vergeblich nach aktuellen Erhebungen. Die
Fotos: Peter Johann Kierzkowski
In Deutschland gibt es keinen Verband, der die Produktvielfalt und Produktionsschwerpunkte der Anbaubetriebe erfasst.
Zahlen (Grafik): Branchenbuch Zierpflanzenbau 2014
che Verteilung spiegelt sich auch in der Größe der einzelnen Betriebe wider, die im »Branchenbuch Zierpflanzenbau 2014« dokumentiert sind: Während ein Produzent in Bayern oder BaWü durchschnittlich knapp einen Hektar bewirtschaftet, sind es bei den Kollegen in NRW über 2,5 Hektar. Das Verhältnis der Sortimentsschwerpunkte im Freilandanbau ist in allen Bundesländern ähnlich – Zahlen dazu hat ebenfalls das Statistische Bundesamt ermittelt: Am stärksten vertreten sind Sommerblumen und Stauden, am zweithäufigsten ist die Gruppe saisonaler Schnittblumen wie beispielsweise Gladiolen, Narzissen und Tulpen. An dritter Stelle stehen in den meisten Bundesländern Gehölze zum Grün- und Blütenschnitt, gefolgt von Chrysanthemen. Schließlich lassen sich noch Rosen als kleiner Anbauschwerpunkt ausmachen. Vergleicht man in den drei anbau stärksten Ländern Bayern, BaWü und NRW die Freilandproduktion mit Kulturen unter Glas, zeigt sich, dass nur etwa halb so viele Betriebe Blumen im Gewächshaus anbauen. Was das Sortiment im geschützten Anbau angeht, bilden deutschlandweit betrachtet Freesien, Schnittgrün, Tulpen, Hippeastrum und Orchideen zusammen den größten Anteil. Mit unterschiedlicher Gewichtung folgen je nach Bundesland Rosen und Chrysanthemen sowie Sommerblumen und Stauden. Laut der »Taspo« bauen rund 2.000 Betriebe Schnittblumen in Deutschland an. Ein brancheninternes Verzeichnis, das diese genauer erfasst oder gar Aufschluss über deren Produktvielfalt und Produktionsschwerpunkte gibt, existiert jedoch nicht. Ebenfalls lässt sich aufgrund der spärlichen Zahlen und Hochrechnungen kaum differenzieren, inwieweit
Markt und Wissen 35
letzte Warenstromanalyse stammt aus dem Jahr 2006 und wurde von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in Bonn veröffentlicht. Laut dieser beträgt der Selbstversorgungsgrad mit Schnittblumen in Deutschland nur etwa 20 Prozent. Der Rest ist Importware. Im Großen und Ganzen müsste diese Verteilung auch heute noch zutreffen. Zumindest ermittelte die ebenfalls in Bonn ansässige Agrarmarkt Informations-Gesell schaft mbH (AMI), dass für den Zeitraum von 2006 bis 2012 der Zuwachs des Importumsatzes aus EU- und Drittländern nach Deutsch land insgesamt nur 0,17 Pro zent betrug. Wobei Importe aus der Türkei und Kenia deutlich zugenommen haben, aus Kolumbien und Israel dagegen stark zurückgingen. Betrachtet man den deutschen Export von Schnittblumen, so zeigt sich anhand der AMI-Erhebung von 2012, dass die Gesamtexporte in EU- und Drittländer mit einem Plus von 6,4 Prozent leicht angestiegen sind – was die vorsichtige Vermutung zuließe, dass deutsche Schnittblumen häufiger oder gezielter angebaut werden. Dabei haben vor allem die Warenströme nach Großbritannien und in die Niederlande deutlich zugenommen (um 34,5 beziehungsweise 19,9 Prozent), am stärksten zurückgegangen sind die Exporte nach Österreich. Auffällig bei den Absatzwegen innerhalb Deutschlands ist das Ungleichgewicht zwischen dem Facheinzelhandel und Discountern. Laut der AMI verteilten sich im Zeitraum von 2010 bis 2012 die Ausgaben der Kunden für Schnittblumen für den privaten Verbrauch zwar auf knapp 50 Prozent im Blumenfachgeschäft und auf nur 15 Prozent bei Discountern, in Bezug auf die erstandenen Men-
gen tut sich hier aber ein erschreckendes Bild auf: 35 Prozent kommen von Discountern, während auf die Blumenfachgeschäfte nur 30 Prozent entfallen. Diese neuere Entwicklung spiegelt wider, dass Floristen bei der Beschaffung von Schnittblumen im Vergleich zu den großen Supermarktketten ganz klar den Kürzeren ziehen – aufgrund der riesigen Abnahmemengen können die Discounter bei Preisverhandlungen ganz an-
Chrysanthemen werden in Deutschland sowohl im Freiland als auch unter Glas kultiviert.
Im geschützten Anbau machen Chrysanthemen neben Rosen in vielen Bundesländern einen Sortimentsschwerpunkt aus. GREEN 2 /14
36 Markt und Wissen
Markt und Wissen 37
Interview
Währt die Schönste auch am längsten?
abgabe] und stabile Stiele, die auch bei temporärem Turgorverlust [Anm. d. Red.: Abnehmender Druck des Zellsafts auf die Zellwand], wie zum Beispiel bei einem trockenen Transport, nicht abknicken und damit die Wasserleitung unterbrechen. Zur Frischetestung und zur Entwicklung von Haltbarkeitsprognosen wurde in Geisenheim an einem Prüfverfahren unter Einsatz der Ultraschalltechnik gearbeitet. Die Methode ist jedoch technisch sehr aufwendig und daher für den Routineeinsatz zurzeit noch nicht geeignet. Sie leistet aber wertvolle Hilfe, um zum Beispiel trockenstresstolerante Schnittblumenarten und Sorten aufzuspüren, Blumenfrischhaltemittel zu testen und kritische Faktoren im Handelskanal aufzudecken.
Bei Schnittblumen zählt für den Floristen jeder einzelne Tag, den die Blume ansehnlich wirkt. Doch welche Faktoren sind eigentlich ausschlaggebend für die Haltbarkeit? Wir haben bei Dr. Sarka Spinarova vom Institut Urbaner Gartenbau & Zierpflanzenforschung an der Hochschule Geisenheim genauer nachgefragt. Die promovierte Gartenbauwissenschaftlerin ist dort seit 2002 im Fachgebiet Zierpflanzenbau tätig.
Aus welchem Grund und mit welchem Ziel werden die Tests hauptsächlich durchgeführt? Als Forschungseinrichtung des Landes Hessen beschäftigen wir uns überwiegend mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu aktuellen Themen des Schnittblumenhandels. Daneben führen wir im großen Umfang auch kostenpflichtige Testungen für externe Auftraggeber aus, die aber nach den gleichen, streng GREEN 2 /14
Dr. Sarka Spinarova
wissenschaftlichen Kriterien ablaufen. Für die wissenschaftliche Testungen gibt es zwei Hauptgründe: Zum einen haben die langen Transportwege im Schnittblumenhandel und die Einführung von Haltbarkeitsgarantien das Interesse von Produktion und Handel an Maßnahmen zur Qualitätserhaltung stark stimuliert. Zum anderen sollen alle Blumenliebhaber, deren Freude an schönen Blumen gelegentlich getrübt ist, wenn der Blütenhals schon am zweiten Tag abknickt, auch Informationen bekommen, wie sie mit diesen Problemen umgehen können. Kurz gesagt haben unsere wissenschaftlichen Fragestellungen als Hauptziel, die physiologischen Mechanismen der Schnittblumenqualität zu verstehen, um fundierte Beratungsempfehlungen für den Handel und die Konsumenten gewährleisten zu können.
Welche Kriterien überprüfen Sie in erster Linie mit den Tests? Im Vordergrund aller Schnittblumentestungen steht immer die Haltbarkeit der Blumen, also die Tage bis zum Ende des Zierwertes. Dazu werden unter anderem auch visuelle Kontrollen der Blüten- und Blättergesundheit, Blütenentwicklung oder Vasenwasserqualität unter standardisierten Bedingungen überprüft. Neben diesen konventionellen Tests haben in Geisenheim auch physiologische Untersuchungen zum Wasserhaushalt eine besonders hohe Priorität und zählen daher zu den obligaten Testkriterien bei Rosenuntersuchungen. In kurzzeitigen De- und Rehydrierungstests wird die Wiederauffüllfähigkeit der sogenannten Xylemgefäße überprüft. Gleichzeitig geben diese Tests Aufschluss über die Bent-Neck-Anfälligkeit des Stieles, also das Kopf-Hängen, wie es beispielsweise häufig bei Rosen oder Gerbera zu beobachten ist. Warum ist gerade dieses Kriterium ausschlaggebend für das Aufspüren besonders langlebiger Schnittblumen? Die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Wasserbilanz ist für Schnittblumen der wichtigste Überlebensfaktor. Nach dem Schnitt sind die Blumen getrennt von ihren Wurzeln, den wichtigsten Organen für die Wasseraufnahme. Für die Versorgung stehen dann nur noch die an der Schnittstelle geöffneten Xylemzellen zur Verfügung. Um trotz dieses Engpasses zu überleben, brauchen Schnittblumen eine gute Stomatakontrolle [Anm. d. Red.: Regulation der Wasserdampf-
Foto: Peter Johann Kierzkowski
Frau Dr. Spinarova, in welchem Umfang führen Sie an der Hochschule Geisenheim Schnittblumentests durch? Etwa seit dem Jahr 1995 wurden im Fachgebiet Zierpflanzenbau der ehemaligen Forschungsanstalt Geisenheim zahlreiche Untersuchungen mit Schnittblumen durchgeführt. Wenn neue Sorten geprüft werden, stehen meistens die Haltbarkeit und Blütenentwicklung im Mittelpunkt. Außerdem werden im Rahmen der Qualitätsforschung die Wasserstresstoleranz und die Wiederbelebungsfähigkeit der Schnittblumen intensiv untersucht. Darüber hinaus ermitteln wir optimale Lagerungs-, Transport- und Behandlungsbedingungen für verschiedene Blumenarten – sowohl bei heimischen als auch bei importierten Schnittblumen – oder testen die Verträglichkeit einzelner Blumenarten in gemischten Sträußen. Die exakte Anzahl der bis jetzt geprüften Schnittblumen können wir nicht mehr genau sagen. Grob geschätzt haben wir während der fast zwanzigjährigen Forschung etwa 50 Schnittblumenarten und etwa 200 unterschiedliche Sorten im Fokus gehabt.
Welche Vorteile bringt es, wenn immer mehr Blumen mit dem Schnittdatum gekennzeichnet sind? Führt dies zu einem Umdenken in der Branche oder zu Veränderungen bei den Handelswegen? Die Deklaration des Erntetermins von Schnittblumen wird derzeit immer häufiger angeregt, weil damit Kontrollen vereinfacht und das Frischemanagement verbessert werden könnten. Ohne lange nachzudenken, muss man sagen, dass die Angabe des Schnittdatums das Qualitätsbewusstsein auf allen Ebenen des Blumenhandels fördern würde. Diese Information kann dem regionalen Handel zwar nutzen, sie sagt allerdings nichts über die Qualität des Nacherntemanagements aus. Für zuverlässige Informationen über Frische und Haltbarkeit ist man demzufolge auch heute noch auf konventionelle Haltbarkeitstests in Aufblühräumen angewiesen. Meiner Meinung nach würden solche regelmäßigen Tests auf allen Stufen des Blumenhandels insgesamt mehr zur einen Verbesserung der Schnittblumenqualität beitragen als lediglich das deklarierte Schnittdatum. Denn wie würden Sie sonst beispielsweise mit Rosen umgehen, die laut Schnittdatum schon eine Woche alt sind, aber dank ihres genetischen Potenzials und mit optimaler Versorgung noch gute zehn Tage Freude schenken könnten?
Welche Faktoren außer dem Schnittdatum sind besonders wichtig für eine möglichst lange Haltbarkeit der Ware? An welchen Stellen des Handelswegs bestehen die größten Defizite? Die ausgeglichene Wasserbilanz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine lange Lebensdauer von Schnittblumen. Hierzu tragen alle Maßnahmen bei, die die Transpiration reduzieren und die Wasseraufnahme fördern. Die Einhaltung niedriger Temperaturen, kurze Transport- und Lagerzeiten, geeignete Verpackungsmaterialien sowie der Transport auf Wasser als transpirationshemmende Maßnahmen zählen daher zu den Standards eines guten Nacherntemanagements – genauso wie die Anwendung von Frischhaltemitteln oder der Neuanschnitt der Stielenden nach jedem Trockentransport als wasser aufnahmefördernde Maßnahmen. Auf der Groß- und Fachhandelsebene sehe ich in der Aufrechterhaltung einer lücken losen Kühlkette, in der Vermeidung von Temperaturschwankungen und in hohen hygienischen Standards inklusive des Einsatzes von Blumenfrischhaltemitteln die größten Herausforderungen der Blumenbranche. Welches Potenzial steckt noch im deutschen Schnittblumenanbau? Gute Frage! Neben der Frische, Regionalität und Saisonalität würde ich Flexibilität, Authentizität und Individualität als weitere wichtige Vorteile der heimischen Produktion nennen. Keine Handelsware kann schneller unerwarteter Nachfrage entgegenkommen als die gestern geernteten Blumen aus dem Nachbarort, keine Blumen können daher auch frischer sein. Kleinblütige Importrosen oder standardisierte Fertigsträuße in Plastiktüten werden nicht die gleichen Emotionen wecken wie die zart duftenden Blumenschönheiten meiner Floristin. Wir alle sind einzigartig und haben individuelle Ansprüche – diese Individualität können nur qualifizierte Fachgeschäfte mit aktuellen Neuheiten und einem breiten Angebot an verschiedenen Arten und Sorten erfüllen.
Welche Schnittblumen eignen sich am besten für den Anbau in Deutschland? Eine pauschale Antwort würde hier wegen der unterschiedlichen (mikro-)klimatischen und auch wirtschaftlichen Bedingungen innerhalb Deutschlands nicht viel bringen. Allgemein könnten wir aber sagen, dass sich für die Schnittblumenproduktion in Deutschland besonders regionale oder schwer transportierbare Blumenarten und -sorten sowie Blumen mit saisonalem Charakter eignen, aber auch hochwertige, exklusive Blumen und Raritäten. Um das Risiko bei der Produktion zu senken, würde ich eher auf Sortimentsvielfalt als auf eine Monokultur setzen. Neben Sommerschnittblumen würde ich daher für den Anbau im Freiland auch Schnittgrün und -gehölze oder Kräuter bevorzugen. Dabei sollte man sich aber auf robuste Arten und Sorten beschränken, die für ihre gute Haltbarkeit bekannt sind. Die Saisonalität der heimischen Freilandproduktion ist zwar durch die klimatischen Bedingungen vorgegeben, verfügt aber über den Image-Bonus der Authentizität und Natürlichkeit. Welche Vorteile hätten deutsche Floristen, wenn sie ihre Ware direkt von heimischen Produzenten beziehen würden? Frisch geerntete Blumen, die sachgerecht produziert und behandelt worden sind, sowie kürzere Transportwege sind die offensichtlichsten Vorteile. Bei kürzeren Handelswegen ist außerdem nicht nur die Belastung der Umwelt geringer und sind die Transportkosten niedriger, auch das Risiko von Botrytisbefall sinkt, weil die Blumen nicht mehrfach umgeladen oder umgepackt werden und damit auch keinen größeren Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Ein weiterer großer Vorteil ist die Kundenbindung durch Fachkompetenz: Floristen, die heimische Ware anbieten, können ihre Kunden über das Haltbarkeitspotenzial dieser Blumen fair informieren und zudem deren nicht vergleichbare Individualität und Schönheit im Verkaufsgespräch überzeugend kommunizieren. Für ein besonderes Produkt sind immer mehr Kunden auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. GREEN 2 /14
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Beim Großteil der befragten Betriebe wird die Ware noch von Hand geerntet und gebündelt – dies garantiert eine höhere Qualität, ist aber gleichzeitig auch zeitaufwendiger als maschinelle Verfahren.
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Ziel der Initiative von Fleurop ist es, Handelswege nachvollziehbar zu machen und den Floristen Zugang zu Ware von bester Qualität zu verschaffen.
blumenversorgung aufzuzeigen. Die Aufgabenstellung war, anhand der Rechercheergebnisse ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das eine regionale Versorgung ohne zusätzliche Zwischenhandelsstufen ermöglicht. Angestrebte Vorteile für die Fleurop-Floristen sollten dabei die unkomplizierte, schnelle und transparente Beschaffung von qualitativ hochwertiger Sortimentsware zu stabilen Preisen sein. »Die ursprüngliche Idee von Fleurop, eine Art Datenbank zum Schnittblumenanbau in Deutschland mit Firmen und Sortimenten zu erstellen, erwies sich als zu komplex und überstieg den Zeitumfang, den die Studenten innerhalb eines Semesters zur Verfügung haben«, berichtet Sparke. »Wir haben daher die Aufgabenstellung weiterentwickelt und uns mehr auf Fallbeispiele und qualitative Beschreibungen konzentriert.«
Zahlen (Grafik): Ami-berechnungen (Stand: März 2012)
Übergeordnetes Ziel der verschiedenen Ansätze ist, die Handelswege zu verkürzen und den Floristen Zugang zu Ware von bestmöglicher Qualität und maximaler Frische zu verschaffen. Dafür ist es unerlässlich, bestehenden Warenströmen auf den Grund zu gehen. Denn nur so können Ansatzpunkte für möglichst kurze oder neue Beschaffungswege ausgemacht werden. Um bei Schnittblumen das Potenzial für eine regionale Versorgung herauszufinden und heimische Produzenten zu stärken, wandte sich Fleurop zur Unterstützung an den Studiengang Gartenbau der Hochschule Geisenheim. Unter der Leitung von Prof. Dr. Kai Sparke wurde eine Studentengruppe im Rahmen einer Projektarbeit während des Wintersemesters 2013 /2014 damit beauftragt, die Chancen und Barrieren einer regionalen Schnitt
Foto: Peter Johann Kierzkowski
dere Forderungen stellen. »Die Handelsströme in unserer Branche können nicht immer sichtbar gemacht werden. Und ich glaube nicht, dass wir seriös wissen, wer was liefert und wo die Ware eines Produzenten letztlich landet«, ist Kotts Fazit dazu. Bei seinen Besuchen vor Ort und im direkten Gespräch hingegen geben ihm die Gärtner gerne Auskunft darüber, an wen sie ihre Ware verkaufen – für die Allgemeinheit bleiben diese Informationen jedoch weitgehend unzugänglich. Um jedoch zu verhindern, dass der eigentlich qualifizierte Berufsstand bei der Beschaffung seiner Ware im Vergleich zum fachfremden Lebensmitteleinzelhandel zunehmend ins Hintertreffen gerät, sind Initiativen gefragt. Die Fleurop AG bringt sich deshalb seit etwa eineinhalb Jahren für ihre rund 6.800 Partnerfloristen aktiv in den Beschaffungsmarkt ein.
Konkret gestaltete sich das Vorgehen dann so, dass die Studierenden entschieden haben, selbst an Produktionsbetriebe heranzutreten und diese persönlich zu befragen. Als hilfreich bei der Suche nach Kontaktmöglichkeiten erwiesen sich die Listen an Anbietern, die manche Großmärkte führen. Insgesamt riefen die Studenten rund 40 Schnittblumen anbauer an und baten sie um ein Telefoninterview, 13 Betriebsleiter erklärten sich dazu bereit. Mithilfe eines Fragenkatalogs holten die Studierenden in jeweils etwa 20-minütigen Gesprächen Meinungen aus erster Hand ein. Auf diese Weise erhielten sie ein direktes Feedback von Produzenten aus den anbaustarken Regionen Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Hessen, Sachsen und Rheinland-Pfalz. Zentrale Fragestellungen waren: • Was wird noch angebaut, wo und in welchem Umfang? • Über welche Absatzwege werden deutsche Schnittblumen vermarktet und verkauft? • Besteht bei den Anbauern eine prinzipielle Bereitschaft und das Interesse, bei einem neuen Modell regionaler Schnittblumenversorgung mitzumachen? • Welche Chancen und Barrieren gibt es diesbezüglich? • Wie könnte eine Kooperation logistisch und technisch bewerkstelligt werden? • Wie kann eine Versorgung gewährleistet werden? Bei den Befragungen kristallisierte sich heraus, dass es sich bei den meisten Unternehmen um Familienbetriebe handelte, die zwischen einem und zehn Hektar bewirtschaften. Lediglich drei Produzenten verfügten über eine Anbaufläche von über 20 Hektar.
Zehn Betriebe kultivieren sowohl im Freiland als auch im geschützten Anbau. Die Mitarbeiterzahl schwankt von unter zehn bis über zwanzig Beschäftigten. Bezüglich der Liefermöglichkeiten sind die Unternehmen relativ gut ausgestattet: Neben Kombis und normalen Lieferwagen besitzen die meisten eigene Sprinter, einige größere Betriebe sogar Lkws. Zum Teil werden auch Speditionen beauftragt oder der Warenversand über Paketdienste wahrgenommen. Die Bandbreite der vorhandenen Kulturen erstreckt sich von Gerbera und Chrysanthemen über saisonale Produkte wie Tulpen, Pfingstrosen, Sonnenblumen und Euphorbien bis hin zu Lilien, Schnittgrün und Gräsern. Ein klarer Schwerpunkt im Anbau liegt bei den befragten Betrieben allerdings auf Rosen. In Anbetracht der übers Jahr gesehenen Verfügbarkeitsspanne und des erfahrungsgemäßen Bedarfs beim Floristen erschien es den Studenten sinnvoll, sich bei einem Kooperationsmodell vorerst auf Rosen und Chrysanthemen zu konzentrieren. An der Rose erstellten sie als Beispielkultur eine Hochrechnung für das Ertrags- beziehungsweise Angebotspotenzial: In Nordrhein-Westfalen bauen 64 Betriebe auf 67,8 Hektar Rosen im Freiland an. Setzt man stabile klimatische Bedingungen voraus, könnte man einen Brutto-Ertrag von etwa 100 bis 150 Schnittrosen pro Quadratmeter im Jahr annehmen, also 10.000 bis 15.000 pro Hektar. Auch wenn dies nur ein grober Richtwert ist, der zudem sorten- und kulturabhängig schwanken kann, käme man allein in Nordrhein-Westfalen auf einen theoretisch möglichen Ertrag von rund 700.000 Stielen pro Jahr – ein nicht unerhebliches Potenzial. Als häufigster Absatzweg dominierte unter den befragten Betrie-
Anteile an den Gesamtausgaben für Schnittblumen: Angaben für das Jahr 2011 in Deutschland
38 % Rose
10 % Chrysantheme
9% Tulpe
7% Gerbera
4% Sonnenblume
32 % Sonstige (Lilie, Amaryllis, Freesie, Orchidee, Pfingstrose)
ben der Großmarkt. Jedoch war die Spanne des dort verkauften Warenanteils groß und variierte zwischen 30 und 90 Prozent. Der direkte Absatz stellte die zweithäufigste Variante dar. Dieser erfolgt bei den meisten Betrieben als Ergänzung zum Vertrieb über den Großmarkt und findet üblicherweise im eigenen Blumenfachgeschäft oder Hofladen statt. Eine Vermarktung über die Versteigerung oder den Fahrverkauf sind eher Ausnahmen. Was den Auslieferungsradius angeht, liegt die Toleranzgrenze beim überwiegenden Teil der Befragten bei 100 bis 200 Kilometer Entfernung. Insgesamt besteht derzeit im Großen und Ganzen ein h ohes Maß an Zufriedenheit über die bestehenden Absatzwege. Es gibt jedoch sowohl Produzenten, die neuen Vertriebswegen gegenüber nicht abgeneigt sind, als auch solche, die größere Absatzradien in Betracht ziehen würden. In einem nächsten Schritt arbeiteten die Studenten daher die Chancen aus, die ein Direktvertriebsmodell über Fleurop bieten könnte. Sie berücksichtigten dabei auch die Bedenken seitens der Befragten und mögliche Barrieren, die es bei der Etablierung dieses neuen Vertriebsmodells zu überwinden gilt. Die wichtigste Voraussetzung scheint zunächst einmal gegeben: Mit einem Produktionsschwerpunkt der befragten Betriebe auf Rosen und Chrysanthemen könnte das heimische Angebot die am häufigsten gefragten Schnittblumen in Deutschland liefern. Zudem würden sich Ergänzungen mit Pfingstrosen und Tulpen als Saisonware sowie Lilien aufgrund ihrer guten Haltbarkeit anbieten. Als größte Barriere sehen die Produzenten den Wettbewerb durch qualitativ hochwertige, großblütige Importrosen – zum Beispiel aus Kenia –, GREEN 2 /14
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fünf Hektar bieten eine gute Sicherheit, um die erforderlichen Produktionsmengen tatsächlich liefern zu können. Gleichzeitig ein Vor- und Nachteil stellt die Handernte dar, die beim Großteil der Betriebe üblich ist. Einerseits steht sie im Gegensatz zu maschinellen Verfahren für eine höhere Produktqualität, andererseits bietet die maschinelle Ernte und Bündelung eine Zeitersparnis, die gerade bei umfangreicheren Mengen nicht zu vernachlässigen ist. In Bezug auf Lagerungsmöglichkeiten bestehen ausnahmslos sehr gute Voraussetzungen: Bei allen Betrieben sind entsprechende Kapazitäten und Räumlichkeiten vorhanden. Auf diese Weise besteht eine höhere Flexibilität und
Beispiele wie die Kampagne »Ich bin von hier!« zeigen, dass Labels zur Kenntlichmachung von Blumen und Pflanzen von Gärtnern aus der Region durchaus funktionieren können.
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Ein regionales Label – ja oder nein? Kann damit das Vertrauen der Kunden gewonnen werden oder stiftet es nur weitere Verwirrung im SiegelDschungel?
leichtere Ernteorganisation. Auch die Ausstattung mit Transportfahrzeugen ist vielerorts gut – bisher gestalteten die Produzenten ihre Verkaufstouren eigenständig und meist unabhängig von Speditionen. Dadurch kann zwar die Qualitätssicherung der Ware beim Transport gewährleistet werden, jedoch wird es für manche zeitlich, fahrzeugtechnisch und personell schwierig, wenn sie mehrere Kleinabnehmer beliefern sollen, die geografisch zu weit voneinander entfernt liegen. Der wichtigste Punkt bei einem Kooperationsmodell wäre daher die Optimierung der Logistik. Eine Frage, an der sich die Geister scheiden, ist die Label-Thematik: Während die einen der M einung sind, dass regionale Labels für ein größeres Kundenvertrauen sorgen, da sie die Einhaltung strenger Umweltauflagen garantieren, für vergleichsweise faire Löhne stehen und geringere Schadstoffemissionen durch kürzere Lieferwege bedeuten, sehen andere den immer undurchsichtiger werdenden Siegel-Dschungel äußerst skeptisch. Sie befürchten, dass bei den Kunden keine Bereitschaft für Mehrausgaben vorhanden ist, nur weil eine Rose »Made in Germany« ist. Allerdings zeigen Beispiele wie die Kampagne »Ich bin von hier!«, dass Labels zur Kenntlichmachung von Blumen und Pflanzen von Gärtnern aus der Region durchaus funktionieren können. Eine Bereitschaft zu mehr Transparenz bei der Vermarktung und der Wunsch nach gerechteren Preisen für die Produzenten ist bei vielen vorhanden. Letztlich lassen sich diese Ansprüche dann doch am besten mithilfe eines Labels umsetzen, dem ein klares Konzept zugrunde liegt, das sowohl die Interessen der Kunden als auch der Erzeuger widerspiegelt. Die Qualitätssicherung durch renommierte
Zertifizierungssysteme sollte in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Was die Absatzwege ihrer Ware angeht, zeigten sich die meisten befragten Produzenten sehr aufgeschlossen: Viele sind offen für Veränderungen und bereit, neue Lieferwege zu erschließen. Etwa die Hälfte verfügte bereits über Erfahrungen durch bestehende Floristenkontakte und rund drei Viertel könnten sich vorstellen, Floristen direkt zu beliefern. Vorteile sehen sie im persönlicheren Verhältnis und unmittelbaren Austausch, der bislang ein großes Defizit darstellt. Barrieren auf dem Weg zu diesem neuen Direktvertriebsmodell könnten Vertragsbindungen sein, die etliche Produzenten mit Großmärkten eingegangen sind. Manche Betriebsleiter befürchteten auch, dass sie von ihrer eigenen, unabhängigen Preisgestaltung zu sehr abweichen müssten und durch die Kooperation zu niedrigeren Preisen gezwungen werden könnten. Einer Ausweitung des eigenen Fahrverkaufs stand ein Großteil ablehnend gegenüber, da die Investitionen als zu groß erachtet wurden. Aus ihren Betriebsleiterbefragungen zogen die Studierenden als Fazit, dass durchaus eine Win-win-Situation erreicht werden könnte. Wichtigste Voraussetzungen wären eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Preispolitik, sichere Absatzmög-
Fotos: Peter Johann Kierzkowski
die aus Kundensicht optisch ansprechender sind. Ein Lösungsansatz der Studentengruppe wäre diesbezüglich, die heimischen Rosen durch weitere Schnittblumen zu ergänzen und explizit Straußvarianten zu vermarkten, die zu 100 Prozent aus regionalem Anbau bestehen. Hierfür müssten aber noch einige zusätzliche Betriebe gewonnen werden, die auch Beiwerk anbauen, um den Bedarf decken zu können. Dadurch, dass nahezu alle Befragten über Gewächshäuser verfügen, könnte eine ganzjährige Produktion gewährleistet werden – allerdings wäre der Anbau im Winter kostenintensiver. Gerade die größeren Betriebe mit einer Anbaufläche von über
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Bei allen Betrieben sind für die Lagerung sehr gute Kapazitäten und Räumlichkeiten vorhanden.
Rund drei Viertel der befragten Betriebsleiter könnten sich vorstellen, Floristen direkt zu beliefern.
Für eine erfolgreiche Kooperation müssen die Produzenten und Floristen in ständigem Dialog stehen.
lichkeiten sowie ein zukunftsorientiertes Konzept – vermutlich in Form eines Labels oder einer anderen gemeinsamen Vermarktungsstrategie, die das Interesse der Endverbraucher weckt. Die unabdingbare Grundlage für eine Erfolg versprechende Kooperation ist die direkte Kommunikation mit einem kontinuierlichen Austausch zwischen den Produzenten und Floristen. Die Interviews der Studenten bestätigten den Verdacht, dass diese beiden Parteien, die eigentlich innerhalb der Branche eng miteinander vernetzt sein müssten, die Bedürfnisse, Wünsche und Möglichkeiten voneinander so gut wie gar nicht kennen. Eine aussichtsreiche Zusammenarbeit kann aber nur gelingen, wenn beispielsweise die Floristen einerseits angeben, an welchen Sorten sie zu welchen
Zeitpunkten den größten Bedarf haben, und die Produzenten andererseits den Floristen mitteilen, welchen Handlungsspielraum sie im Anbau überhaupt haben. Ein Lösungsansatz der Projektarbeit war daher, dass Fleurop über das interne MerkurPortal eine Plattform einrichtet, über die alle Handelspartner unkompliziert miteinander kommunizieren können. Dieses virtuelle Forum würde dafür sorgen, dass allgemein ein besserer Informationstransfer stattfinden könnte – und der Dialog nicht nur auf zufällige, örtlich eingeschränkte Begegnungen auf dem regionalen Großmarkt begrenzt ist. Um den Stein für dieses neue Vertriebsmodell ins Rollen zu bringen, wurde von Fleurop in Erwägung gezogen, als ersten Schritt eine öffentliche Projektausschreibung zu machen. Das Ziel wäre, GREEN 2 /14
Die lokal unterversorgten nordöstlichen Regionen könnten über den Postversand mit Ware aus NRW, BaWü und Bayern beliefert werden. Regionale Versorgung möglich Regionaler Markt ist unterversorgt
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auf diese Weise Interessenten auf beiden Seiten zu gewinnen, die sich diesem Konzept der direkten Zusammenarbeit öffnen. Sind erst einmal Anwärter gefunden, könnte die Kommunikationsplatt form zu einem späteren Zeitpunkt auch dazu dienen, Schnittstellen einzurichten, über die die Floristen ihre Vorbestellungen bei den Anbauern eintragen können. Eine weitere große Herausforderung stellt sich in der Logistik. Die zentrale Frage lautet: Wie kann eine bundesweite Versorgung mit heimischen Schnittblumen gewährleistet werden, ohne dass weitere Zwischenhandelsstufen nötig werden? Beim Anspruch einer deutschlandweiten Bedarfsdeckung und einem Blick auf die geografische Verteilung der Produktionsschwerpunkte zeigt sich schnell, dass es im Süden und Westen Regionen gibt, die sehr gut aufgestellt sind, in den nordöstlichen Regionen hingegen ist der Markt unterversorgt. Prinzipiell zogen die Studenten der Projektgruppe drei Vertriebswege in Betracht: • Die direkte Auslieferung an die Floristen durch die Produzenten selbst, • die indirekte Auslieferung über eine Art Marktplatz • und den Versand per Post.
Modell einer bundesweiten Standortversorgung GREEN 2 /14
Eine Bereitschaft für die erste Variante bestand unter den Befragten vor allem für verhältnismäßig überschaubare Lieferwege innerhalb eines Radius von maximal 100 Kilometern. Etwas schwieriger in der Umsetzung gestaltet sich das indirekte Modell: Dieses böte sich nur dann an, wenn der Betriebsmarktplatz zum Austausch der Ware innerhalb der bereits bestehenden Auslieferungswege liegen würde. Das Konzept wäre hier, dass sich
verschiedene Produzenten und Floristen zu vorher vereinbarten Treffpunkten verabreden und dort unkompliziert und direkt die gewünschten Warenmengen austauschen, ohne dass diese in einer Halle zwischengelagert werden. Selbst eine Variante mit von extern beteiligten Subunternehmen zur Abwicklung der Logistik zogen die Studenten in Betracht. Hier ist jedoch fraglich, ob dies wirklich eine Erleichterung darstellen würde, da sich die Beteiligten um die voraussichtlich eher komplizierte und aufwendige Organisation den noch selbst kümmern müssten. Zur Gewährleistung einer deutschlandweiten Versorgung, bei der die Entfernungen zwischen Produzent und Florist mehrere hundert Kilometer betragen können, erschien den Studenten die dritte Variante mit dem Versand per Post am geeignetsten und effizientesten zu realisieren. Bei diesem Modell müssten nur einmal die Rahmenbedingungen abgeklärt und etabliert werden, danach könnte der Versand routinemäßig erfolgen. Je größer der Verbund an Beteiligten ist, desto bessere Konditionen können mit Versanddienstleistern ausgehandelt werden. Ein großer Vorteil im Vergleich zur Warenlieferung in Eigenregie – bei der Fahrzeug abnutzung und Spritkosten pro Kilometer berechnet werden müssen – wäre hier, dass die Lieferkosten entfernungsunabhängig bundesweit einheitlich sind. Die essenziellen Voraussetzungen für das direkte oder indirekte Vertriebsmodell, wie beispielsweise optimale Vernetzungswege der Handelspartner, die Nähe zum Großmarkt oder die Möglichkeit zum Anfahren einer anderen Zentralverteilungsstelle, können beim Postweg vernachlässigt werden. Auch die sinnvolle und strukturierte Bündelung und Kommissionie-
rung von Bestellungen verschiedener Abnehmer würde entfallen und eine erhebliche Entlastung für den Produzenten darstellen. Nach der Analyse der wichtigsten Faktoren für ein Kooperationsmodell im Direktvertrieb gaben die Studierenden in ihrer Projektarbeit auch erste konkrete Handlungsempfehlungen. Als Grundlage sollte zunächst eine Vermarktungsplattform eingerichtet werden, über die sich interessierte Floristen und Erzeuger im direkten Kontakt über Sorten und Preise sowie Verfügbarkeiten und Wünsche austauschen können. Für den Anfang empfiehlt es sich, mit einer überschaubaren Gruppe an Produzenten aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg zu beginnen und sich zunächst auf ein ausgewähltes Sortiment zu beschränken, etwa auf Rosen und Chrysanthemen. In einem nächsten Schritt müsste man verbindliche Qualitätsanforderungen – sowohl für die Blumen als auch für die fachgerechte Verpackung – festlegen sowie Preise und Liefermodalitäten mit Versanddienstleistern aushandeln. Schließlich ist ein schlüssiges Vermarktungskonzept gefragt, das die Vorzüge der Ware vom Produzenten über den Floristen bis hin zum Endkunden transportiert. Danach kommt es darauf an, im Praxistest erste Erfahrungen zu sammeln und das Kooperationsmodell gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Das übergeordnete Ziel hinter der Etablierung dieser neuen Vertriebswege ist, den Fleurop-Floristen Ware von maximaler Frische, Qualität und Haltbarkeit zugänglich zu machen. Deshalb muss unbedingt gewährleistet werden, dass die Ware innerhalb von einem bis maximal zwei Tagen nach dem Schnitt beim Floristen eintrifft. Trotz des trockenen Trans-
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Die Projektarbeit hat gezeigt, dass es in Deutschland immer noch einen nennenswerten Anbau von Schnittblumen gibt und die Betriebe zum Teil sehr gut aufgestellt sind.
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alternative Absatzmöglichkeit und der Informationsrückfluss von Floristenseite, der eine viel bedarfsorientiertere Erzeugung ermöglicht und damit die Verkaufschancen erhöht. Gemeinsame Werbeaktivitäten kämen allen Beteiligten zugute und könnten bestenfalls zu einer nachhaltigen Kundenbindung und mehr Umsatz führen. Natürlich gilt es, bis zur Realisierung dieses Kooperationsmodells noch einige Herausforderungen zu meistern. Die Produktionsbetriebe müssten einen bestimmten technischen und logistischen Standard mitbringen, der die Anforderungen für eine zentrale Koordination erfüllt. Außerdem sollten sie dazu bereit sein, eine kleine Nutzungsabgabe – sozusagen als »Marktgebühr« – für die Abwicklung über das Internetportal von Fleurop zu leisten. Hilfreich wäre zudem eine gewisse Flexibilität in der Sortimentswahl, um die Zusammenarbeit mit den Floristen möglichst sinnvoll zu gestalten. Große Überzeugungsarbeit ist voraussichtlich auch in Bezug auf die Floristen zu leisten, denn für viele stellt der Umgang mit dem Computer und Internet immer
Das Direktvertriebsmodell würde gleichzeitig ein Unterstützungsangebot für den deutschen Schnittblumenmarkt bedeuten, der – ungünstigen Umständen geschuldet – nur noch wenige Marktanteile besitzt.
noch eine Hemmschwelle dar. Die bisherigen Erfahrungen von Fleurop im Blumenhandel haben jedoch gezeigt, dass diejenigen, die sich erst einmal an die Online-Bestellung gewagt haben, die Vorteile für sich schnell erkennen und diesen zunächst noch etwas fremden Weg immer wieder wählen. Die Basis dafür ist ein uneingeschränkt verlässliches Vertrauensverhältnis zu den Produzenten, das den Floristen ermöglicht, die gewünschte Ware auch ohne vorheriges Begutachten und Anfassen zu kaufen. Durch die absolut transparenten Beschaffungswege und Hintergrundinformationen
Blumen einkauf per Vorbestellung über das Internet ist der Beschaffungsweg der Zukunft. Foto: Peter Johann Kierzkowski
ports beim Postversand können diese Voraussetzungen erfüllt werden, wenn die Blumen bei den Floristen sofort fachgerecht versorgt werden. Beim direkten Vertrieb könnte man die Lieferung auf Wasser durchführen und so für die allerfrischeste Ware sorgen. Ein zentraler Anspruch von Fleurop ist zudem, dass eine nachvollziehbare, hundertprozentige Transparenz bezüglich der Handelskette besteht. Darüber hinaus würde diese Kooperationsidee ein Unterstützungsangebot für den deutschen Schnittblumenmarkt bedeuten, der – ungünstigen Umständen geschuldet – nur noch wenige Marktanteile besitzt. Für die Floristen ergäbe sich ein klarer Mehrwert, der insbesondere durch das umfassende Serviceangebot entsteht: eine erhebliche Zeitersparnis durch den schnellen und einfachen Bestellvorgang, eine unmittelbare und termingerechte Lieferung direkt ins Geschäft sowie perspektivisch eine immer größere Produktvielfalt zu stabilen Preisen. Von dieser Preisstabilität profitieren selbstverständlich auch die Produzenten. Ein weiterer Nutzen für sie ist die
ist der seriöse Online-Kauf dann in Bezug auf die zu erwartende Qualität tatsächlich sogar aussagekräftiger als der Sichtkauf. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet ist das Modell der Vorbestellung dem Cash-and-Carry-Prinzip klar überlegen. Alle Beteiligten können bedarfsorientierter und langfristiger planen und produzieren beziehungsweise kaufen nicht aufs Geratewohl. Die Vorzüge des Internets als wertvolles neues Medium sollten sich daher alle aus eigenem Interesse zunutze machen. Bei den Betriebsleiterbefragungen im Rahmen der studentischen Projektarbeit stellte sich
heraus, dass auch in der Grünen Branche allmählich ein Umdenken stattfindet: »Interessant fand ich, dass wir in Deutschland immer noch einen nennenswerten Anbau von Schnittblumen haben und die Betriebe zum Teil sehr gut aufgestellt sind«, resümiert der Kursleiter Prof. Dr. Sparke. »Einige der von uns interviewten Unternehmer haben das Potenzial dieses Vertriebsmodells sofort für sich erkannt und schon frühzeitig großes Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt.« Sparkes Einschätzung zufolge wird Deutschland zwar durch die hohen Arbeitskosten und die
klimatischen Bedingungen nie auf dem Niveau Schnittblumen produzieren können, wie dies in Kenia, Äthiopien oder Südamerika möglich ist. Aber Nischenstrategien, etwa die Konzentration auf bestimmte Sortimentsbereiche, saisonale Produktionsschwerpunkte oder bestimmte Kundengruppen, seien durchaus vielversprechend. Die Vermarktung mit dem Etikett »Schnittblumen aus Deutschland« kann dazu erheblich beitragen.
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Trauerkultur im Wandel
Leben mit dem Tod Noch bis vor zwanzig Jahren sah die typische Bestattung in Deutschland so aus: Zur Trauerfeier versammelte sich die g esamte Familie des Verstorbenen in der Friedhofskapelle. Am offenen Sarg konnten die Anwesenden Abschied nehmen, während im Hintergrund getragene Musik lief. Danach begab sich die Trauergemeinde zu einem Wahlgrab, welches später üppig mit Blumen und Kränzen geschmückt wurde. Das Ritual der Körperbestattung war bis dahin die gebräuchliche Form der Beisetzung. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist jedoch eine fortschreitende Los lösung der Gesellschaft von traditionellen Elementen der Bestattungsund Erinnerungskultur festzustellen. Text: Sten Seliger
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er Tod gehört zu jedem Leben dazu. Doch leider spielt der Umgang mit ihm in unserer heutigen Gesellschaft häufig nur eine untergeordnete Rolle. Gedanken an das Sterben werden oft gleich wieder verdrängt, und die Frage, wie mit dem Tod eines nahen Angehörigen umgegangen werden sollte, stellt sich meistens erst, wenn tatsächlich ein geliebter Mensch verstorben ist. Neben den typischen Symptomen der Trauer – Traurigkeit, Wut und Hilflosigkeit bis hin zu Verzweiflung – macht sich dann häufig eine große Überforderung bei den Betroffenen breit, da sie nicht wissen, wie sie auf den eingetretenen Schicksalsschlag reagieren sollen. Traditionelle, in Deutschland besonders durch den christlichen Glauben geprägte Rituale, die in solch einem schweren Moment Halt und Zuversicht geben können, scheinen entweder im Lauf der letzten Jahrzehnte immer mehr in Vergessenheit geraten zu sein oder sie werden als nicht mehr zeitgemäß erachtet. Vielen Menschen wird also erst durch die
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direkte Konfrontation mit dem Sterben auf schmerzliche Weise bewusst, wie wichtig es gewesen wäre, sich schon weit früher mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen. Doch wie konnte es zur dieser gesellschaftlichen Tabuisierung des Todes kommen? Ist die Gefahr, das dass Bewusstsein der Vergänglichkeit die eigene Lebensfreude beeinträchtigt, so groß? Der Philosophieprofessor Andreas Arndt von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin hat folgende Erklärung: »Dass der Tod und das Sterben ausgeblendet werden, ist Ausdruck unserer westlichen Gesellschaften, die nur noch auf Leistung und damit Jugendlichkeit, Fitness und reibungsloser Funktionalität basieren. Was sich dem nicht fügt, wird in jeder Hinsicht an den Rand gedrängt. Dahinter steht auch, dass die globalisierte Ökonomie ihre eigene Abhängigkeit von endlichen Ressourcen verdrängt und so tut, als könne es ewig so weitergehen. Das Eingedenken des Todes und unserer Endlichkeit überhaupt steht somit dem herrschenden
Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland rund 880.000 Menschen.
Selbstbild unserer Gesellschaft entgegen.« G erade weil der Tod den Abschluss unseres irdischen Lebens darstellt, wird er möglichst vollkommen aus dem Alltag verbannt – und das nicht nur geistig. Während Sterbende zum Beispiel noch bis ins 20. Jahrhundert vorrangig zu Hause im Kreis der Familie aufgebahrt wurden, finden die letzten Tage des Lebens heute meistens in Altersheimen, Krankenhäusern oder Hospizen statt. Die räumliche Distanz der Menschen zum Sterben und generell zum Tod ist dadurch größer geworden. Eine Folge des veränderten Umgangs unserer Gesellschaft mit dem Tod zeigt sich auch im Wandel der Bestattungs- und Erinnerungskultur. Vor allem die Form, in der Menschen bestattet werden (wollen), hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Dabei ist besonders die Nachfrage nach Einäscherungen mit anschließender Urnenbeisetzung stark angestiegen, was wiederum zu einer Renaissance der Kolumbarien führte. Diese auf antiken Vorbildern basierende Beisetzung von Aschenurnen in Fächern beziehungsweise Nischen ist inzwischen so beliebt, dass immer mehr Friedhöfe in Deutschland den Bau einer solchen Urnenwand in Auftrag geben. Insgesamt nahmen Feuerbestattungen im Jahr 2013 bereits einen Anteil von knapp 55 Prozent an der Gesamtzahl aller Bestattungen ein, traditionelle Erdbestattungen verlieren hingegen zunehmend an Wichtigkeit. Vor allem in Großstädten sind Urnenbeisetzungen und schlichte Begräbnisformen, die keine aufwendige Grabpflege erfordern, inzwischen die Regel. In Hamburg beträgt ihr Anteil schon jetzt über 70, in Berlin sogar über 80 Prozent. Die Ursachen für diesen Wandel sind zwar sehr vielfältig, aus Gesprächen mit Branchenexperten lassen sich dennoch drei wichtige Faktoren ableiten: Höhe der Bestattungskosten: Die Kosten für eine Bestattung in Deutschland können weit auseinander liegen. Sie richten sich nach der Bestattungsart (Feuer- oder Erdbestattung), dem Bestattungsort (zum Beispiel Friedhof oder Bestattungswald), der Grabform (etwa Reihen-, Wahl- oder Gemeinschaftsgrab), den Friedhofsgebühren (je nach Kommune oder kirchlicher Gemeinde innerhalb Deutschlands unterschiedlich) sowie den Aufwendungen für Bestatter, Steinmetz, Friedhofsgärtner und Floristen. Die Gesamtkosten können demnach zwischen unter 1.000 Euro für die günstigste anonyme Bestattung und 25.000 Euro für ein mehrstelliges Wahlgrab variieren. Oft stellt sich für Angehörige also nicht nur die Frage, welche Form der Bestattung in Bezug auf den Verstorbenen würdig erscheint, sondern
Etwa 32.000 Friedhöfe gibt es in Deutschland. Darauf verteilen sich ungefähr 32 Millionen Grabstätten.
Interview
Tot sind immer nur die anderen
Circa 7.000 Unternehmen in Deutschland erbringen friedhofsgärtnerische Leistungen (einschließlich Trauer floristik).
Prof. Dr. Andreas Arndt wurde 1949 in Wilhelmshaven geboren. Später studierte er Philosophie und Germanistik in Freiburg und Bochum. 1987 erlangte Arndt die Habilitation für das Fachgebiet Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seit 2011 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. Herr Professor Arndt, wie definieren Sie den Begriff »Tod«? Der Augenblick des Todes ist schwer zu fixieren. Meist (etwa bei Organentnahmen) wird der sogenannte Hirntod als Kriterium angenommen, bei dem aber körperliche Reaktionen und Schmerzempfinden noch vorhanden sein können. Der Grenzbereich GREEN 2 /14
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hört erst da auf, wo ein Mensch weder geistig noch körperlich agieren oder reagieren kann. Das bedeutet: Im Augenblick des Todes ist das Bewusstsein erloschen, mit dem meine eigene Existenz verbunden war. So ist der Tod zwar ganz auf mich als Person bezogen, ich für mich selbst kann aber nur sterben, nicht tot sein, weil ich den Zustand meines Todes nicht mehr auf mich beziehen kann. Tot sind für mich also immer nur die anderen. Das heißt auch: Nur über den Tod von anderen können wir erfahren, was Tod ist. Unser Umgang damit gibt Aufschluss darüber, ob wir unsere eigene Endlichkeit verdrängen.
Ist es moralisch verwerflich, wenn man einen verstorbenen Angehörigen möglichst kostengünstig – zum Beispiel ohne Pfarrer, Blumenschmuck und Leichenschmaus – bestatten lässt? Das »Geiz ist geil«-Prinzip in dieser Situation ist Ausdruck mangelnder Solidarität, die die Menschen doch eigentlich auch im Angesicht des Todes und darüber hinaus miteinander verbinden sollte. Eben damit der Tod nicht das letzte Wort über das Leben hat, sondern das Leben über den Tod hinaus seinen Wert behält. Beim Leichenschmaus zum Beispiel wird ja die Verbundenheit in der Trauer ausdrücklich wieder zum Fest des Lebens.
Ist ein Hauptanliegen von Religionen, dem Umgang mit dem Tod einen Rahmen zu geben, der es uns erleichtert, den Verlust von nahestehenden Menschen zu verarbeiten? Jede Religion zielt darauf, Widerfahrenes bewältigen zu helfen, also auch den Tod. Wie das geschieht, kann in verschiedenen Religionen ganz unterschiedlich sein. Im Kern geht es aber wohl immer darum, Endlichkeit und Tod als zum Leben gehörig zu akzeptieren, dem Tod aber keine Macht über das Leben einzuräumen.
Welches Mindestmaß an zeremonieller Würdigung sollte man einem Verstorbenen auch in unserer schnelllebigen Zeit zugestehen? Es kommt sicher nicht auf den Aufwand als solchen an, sondern darauf, dem Gedenken und Eingedenken einen Rahmen zu geben, der sich vom Alltag abhebt.
Welche Relevanz haben Bestattungsrituale für die Trauerarbeit? Rituale geben der Trauerarbeit einen Rahmen und erleichtern es uns, mit der Betroffenheit umzugehen. Sie drücken zugleich aus, dass das, was uns durch den Tod nahestehender Menschen widerfährt, nicht nur individuell ist. Kann man in Deutschland noch von einer Trauerkultur sprechen? Oder müssen wir einen Werteverlust beklagen? Von einem Werteverlust würde ich nicht sprechen, weil damit die Ursachen nicht wirklich in den Blick kommen. Aber es ist schon so, dass Sterben und Tod immer mehr ins Private abgeschoben und damit aus dem gesellschaftlichen Raum verdrängt werden.
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Die durchschnittlichen Kosten für eine Bestattung im Jahr 2013 betrugen hierzulande 3.848 Euro.
auch, welche finanziellen Mittel überhaupt zur Verfügung stehen. Damit hat unter anderem auch die Abschaffung des sogenannten Sterbegelds zu tun, eine Geldleistung der gesetzlichen Krankenkassen, welche bis 2004 die Aufwendungen für eine Bestattung teilweise ersetzte. Heute hingegen müssen alle dafür anfallenden Kosten mit dem verbliebenen Geld des Verstorbenen oder durch die Angehörigen selbst beglichen werden. Vorsorgemöglichkeiten wie private Sterbegeldversicherungen gibt es zwar, doch längst nicht alle Verstorbenen haben solch eine Police zu Lebzeiten abgeschlossen. Wunsch nach Individualität: Die Erwartungen an eine Beisetzung haben sich verändert. »Erdbestattungen waren in der Vergangenheit oft ein ge-
sellschaftliches Muss, heute stehen eher die Wünsche und Bedürfnisse der Angehörigen sowie die Individualität des Verstorbenen im Mittelpunkt«, sagt zum Beispiel Fabian Schaaf-Mehta, Geschäftsführer des Onlineportals »bestattungen.de«. Barbara Rolf, deren Unternehmen »Bestattungen Rolf« gerade mit dem Preis »Bestatter des Jahres 2013« ausgezeichnet wurde, untermauert diese These: »Ich bin jetzt seit 12 Jahren in diesem Beruf tätig. Inzwischen fangen alle Beratungsgespräche bei null an, da sich die Kunden schon lange nicht mehr nur mit den klassischen Bestattungsmöglichkeiten zufriedengeben wollen. Auch wenn ich nicht auf jeden Zug aufspringe, begrüße ich diese Entwicklung und habe mein Portfolio mit der Zeit kontinuier
Inschrift einer Grabstätte
Für wie wichtig erachten Sie Blumen als trostspendendes Element? Blumen drücken im Leben Dankbarkeit und Liebe aus – das können und sollten sie auch im Tod. Sie sind Symbole dessen, was Leben und Tod verbindet beziehungsweise verbinden sollte. Vielen Dank für das Gespräch!
1,76 Milliarden Euro umfasste das Gesamtvolumen friedhofsgärtnerischer Leistungen (inklusive Trauerdekorationen und Grabschmuck) im vergangenen Jahr in Deutschland. GREEN 2 /14
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lich erweitert.« Die veränderten Kundenanfragen bestätigen Barbara Rolf in ihrer Meinung, dass der Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung auch in Bestattungsfragen deutlich zugenommen hat. Neben den klassischen Optionen bietet sie daher zum Beispiel auch Luft-, Diamant- und sogar Weltraumbestattungen an. Da in Deutschland aber grundsätzlich (noch) der Friedhofszwang (darunter fallen Friedhöfe, Bestattungswälder und Gewässer) für Beisetzungen gilt, können diese sehr speziellen Angebote bislang nur im Ausland realisiert werden. Auflösung der generationenübergreifenden Ortsbindung: Die Bindung von mehreren Generationen einer Familie an den gleichen Lebensmittelpunkt ist zu einer absoluten Ausnahme geworden. Um beruflich voranzukommen oder aus diversen anderen Gründen verlassen junge Menschen ihre Heimatregion und ziehen in andere, teilweise weit entfernte Gemeinden, Städte oder Länder. Versterben die Eltern, ist die arbeitsintensive Pflege von traditionellen Wahlgräbern kaum zu realisieren. Hinzu kommt die demografische Entwicklung in Deutschland: Die niedrige Geburtenrate führt schon jetzt dazu, dass viele Menschen einsam alt werden, nicht im Beisein von Bekannten oder Verwandten sterben und teilweise anonym bestattet werden. Exemplarisch für die Abkehr zur schlicht gehaltenen letzten Ruhestätte steht die sogenannte Baumbestattung in der freien Natur, wo bestenfalls ein kleines Namensschild an den Verstorbenen erinnert. In Deutschland sind diese Bestattungen in speziell dafür ausgewiesenen Wäldern möglich. Dabei wird die biologisch abbaubare Urne des Verstorbenen im Wurzelwerk eines Baums begraben. Im Jahr 2013 wurden rund 8.000 Menschen auf diese Weise beigesetzt. Die zunehmende Verlagerung von Sargbestattungen zu den verschiedenen Formen der Aschebeisetzung hat Veränderungen mit sich gebracht, die sich besonders auf die Arbeit von Friedhofsverwaltungen und -gärtnereien auswirken. Da Urnengräber wesentlich weniger Platz als Sarggrabstätten benötigen, entstehen auf immer mehr Friedhöfen sogenannte Überhangflächen. Es handelt sich dabei um Areale mit aufgelösten Gräbern, für die keine Gebühren mehr verlangt werden können. Pflege und Unterhaltung solcher Flächen sind natürlich unwirtschaftlich, sodass die meisten der unter dem steigenden Kostendruck leidenden Friedhofsverwaltungen ihre Gebühren für Bestattungen und die Nutzungsrechte an neu angelegten Gräbern deutlich erhöht haben. Eine Lösung, die jedoch die Ursache verkennt, denn durch die allgemeine Erhöhung GREEN 2 /14
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Der gesellschaftliche Wunsch nach Individualität und Selbstbestimmung hat auch in Bestattungsfragen deutlich zugenommen.
Grabsteine dienen in fast allen Kulturkreisen der oberirdischen Kennzeichnung einer Grabstelle.
der Gebühren sind die ohnehin schon kostenintensiven Sargbestattungen noch teurer geworden. Der Boom der günstigeren Urnen- oder alternativen Bestattungen bleibt folglich ungebrochen und die Nachfrage nach Optionen im Ausland steigt weiter – ein Teufelskreis. Doch was kann getan werden? Sicherlich ist eine Möglichkeit, ausgewählte Grünflächen, die die Friedhofsverwaltungen nicht mehr benötigen, in Schrebergärten oder öffentliche Parks umzuwandeln. Andreas Mäsing, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der deutschen Friedhofskultur (VFFK), hat jedoch noch einen weiteren Vorschlag: »Natürlich können Bestattungen und die Nutzung von Friedhofsflächen nicht kostenfrei sein. Ich plädiere jedoch für eine einheitliche Nutzungsgebühr pro Grabstelle – egal, ob Urne oder Sarg –, vorausgesetzt, dass die jeweilige Fläche eine bestimmte Maximalgröße nicht überschreitet. So könnten Erdbestattungen wieder an Attraktivität gewinnen und die Friedhöfe besser ausgelastet werden. Außerdem sollten Menschen, die sich aktiv um die Gestaltung und Pflege von Gräbern sowie Friedhofsflächen kümmern, bei den Nutzungsgebühren entlastet werden.« Die Notwendigkeit, neue Wege zu gehen, um eine nachhaltige Friedhofsbewirtschaftung auch unter geänderten Vorzeichen zu sichern, sieht auch die Bestatterin Barbara Rolf: »Angebote für individuell gestaltete Gräber, beispielsweise mit integriertem Wasserlauf oder einem Steinwall, sind aus meiner Sicht sehr attraktiv für Kunden.« Beim Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF) im Zentralverband Gartenbau (ZVG) hat man das verstärkte Interesse an solchen zeitgemäßen Bestattungsmöglichkeiten ebenfalls erkannt und sogar schon eine konkrete Lösung entwickelt: den »Memoriam-Garten«. Der Schwerpunkt bei dieser Grabanlage liegt auf der anspruchsvollen gärtnerischen Gestaltung. In den 26 bisher in Deutschland geschaffenen Memoriam-Gärten sind jeweils Urnen- und Erdbestattungsplätze sowie verschiedene Grabformen vom Einzelgrab bis zum Partnergrab integriert. Die Namen der Verstorbenen sind auf Gedenksteinen genannt. Mit dem Erwerb der Nutzungsrechte schließen die Hinterbliebenen einen Dauergrabpflegevertrag ab und müssen sich danach nicht mehr um die Grabpflege kümmern. Franziska Menth, Referentin beim BdF, sagt dazu: »Mittlerweile soll eine Bestattung so individuell wie das Leben sein. Wir Friedhofsgärtner begrüßen das und wollen auch in Zukunft mit unseren Produkten überzeugende Alternativen anbieten.« Die Auflösung traditioneller Denkmuster in der christlich geprägten Bestattungs- und Erinnerungs-
Ehemaliges Sarggrab, in dem jetzt Urnen bestattet sind.
Blumenschmuck fehlt nach wie vor bei fast keiner Bestattung.
Rund 50.000 Menschen sind momentan in deutschen Friedhofsverwaltungen und -gärtnereien beschäftigt.
kultur wirkt sich auch auf die Rolle von Trauerfloristik aus. Der in Todesanzeigen häufige Hinweis zum Bestattungstermin »Von Blumenspenden bitten wir abzusehen« sorgt bei Floristen oft für großes Unverständnis. Bestatterin Barbara Rolf schätzt dazu realistisch ein: »Blumenschmuck fehlt nach wie vor bei fast keiner Bestattung, allerdings wird er oft dezenter als früher eingesetzt. Die Angehörigen legen bei der Auswahl mehr Wert auf den individuellen Bezug, häufig werden die Lieblingsblumen des Verstorbenen in der bevorzugten Farbe gewünscht.« Natürlich hat diese Entwicklung auch damit zu tun, dass die inzwischen vorrangig verwendeten Urnen relativ klein sind und bei Trauerfeiern nicht so eine große Auflagefläche für üppige Blumenbuketts wie Särge bieten. Ebenso sind Urnengrabstellen nur selten für opulente Sträuße oder Kränze geeignet. GREEN 2 /14
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Interview
Trauerpsychologie ist bei Floristen ein ungeliebtes Kind Die 45-jährige Anja Qayyum-Kocks ist tief in der Grünen Branche verwurzelt: Zum einen arbeitet sie als Floristmeisterin und Friedhofsgärtnerin im elterlichen Blumenfachgeschäft »Blumen Kocks« in Mülheim an der Ruhr. Parallel dazu lehrt sie Floristik und Grabgestaltung an der Fachschule für Gartenbau in Essen. Außerdem amtiert sie seit dem Jahr 2011 als stellvertretende Vorsitzende im Vorstand des Bunds deutscher Friedhofsgärtner (BdF) und engagiert sich deutschlandweit als Referentin zum Thema Grabgestaltung. Anja Qayyum-Kocks repräsentiert die deutschen Friedhofsgärtner.
Särgen oder Urnen, nehmen zu. Insgesamt werden die Wünsche zunehmend individueller. Wie müsste ein Friedhof angelegt sein, um diesen veränderten Ansprüchen und Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden? Er sollte so angelegt sein, dass man Bereiche in einem begrenzten Gebiet unterscheiden kann. Aus meiner Sicht sind zum Beispiel folgende Bereiche denkbar: klassische Reihenbelegung, alternative Grabformen aller Art, gärtnerbetreute Grabfelder, ein Waldstück für Baumbestattungen. Weiterhin sollte es einen Platz geben, an dem zum Beispiel Lesungen, Konzerte, Gottesdienste stattfinden oder Vorträge zum Umgang mit dem Tod gehalten werden können. Friedhöfe müssen immer auch ein Ort der Lebenden sein, sonst sind sie unnütz. Der Friedhof muss als Kulturraum in die Köpfe der Menschen zurückkehren.
Frau Qayyum-Kocks, was fasziniert Sie daran, auf Friedhöfen zu arbeiten? Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, das nicht zu tun. Indem ich Gräber und andere Friedhofsflächen gestalte, würdige ich die Toten, erschaffe aber auch Rückzugsplätze, an denen Menschen innehalten und sich erden können. Gerade im städtischen Bereich GREEN 2 /14
sind Friedhöfe als natürliche Ruhezonen total unterbewertet. Welche Grabformen werden heute vorrangig genutzt? Vor allem auf kommunalen Friedhöfen geht der Trend eindeutig zur Urnenbestattung. Auch die Beisetzungen in Gemeinschaftsgrabanlagen, egal ob in
Wie hat sich die Arbeit von Trauerfloristen in den letzten 20 bis 30 Jahren verändert? Wie gehen Sie floristisch damit um, dass heutzutage immer mehr Menschen in einer Urne statt in einem Sarg bestattet werden wollen? Die Werkstücke sind kleiner, aber auch individueller geworden. Um Urnen de-
korativ aufzuwerten, kann man sie auf Blumenkissen oder kleine Kränze stellen sowie mit liebevoll beschrifteten Schleifen umwickeln. Aus unternehmerischer Sicht ist diese Entwicklung natürlich eine Katastrophe, doch hadern bringt nichts. Wir Floristen müssten eigentlich viel mehr Aufklärungsarbeit darüber leisten, welche trostspendende Funktion Blumen und Pflanzen bei einer Bestattung haben. Leider ist Trauerpsychologie in unserer Branche ein ungeliebtes Kind. Ist der traditionelle Trauerkranz immer noch der wichtigste Grabschmuck bei einer Beerdigung? Welche Alternativen gibt es sonst noch? Der klassische, grün gewickelte Kranz wird immer weniger nachgefragt. Beliebter sind inzwischen bunte Kränze aus gesteckten Blüten. Deutlich zugenommen hat zudem das Interesse an Formteilen wie Herzen, Kreuzen oder Kissen, die aus einer Steckschaumgrundlage bestehen. Welche Arten von Floristik wünschen sich Kunden heutzutage hauptsächlich für die Bestattung ihrer Angehörigen? Welche Blumensorten und -farben sind typisch? Klassisch bei einer Bestattung sind nach wie vor Rosen. Außerdem wird häufig Floristik mit saisonalen Blüten gewünscht, gerne auch in der Lieblingsfarbe des Verstorbenen. Ich persönlich finde es schon wichtig, dass der Blumenschmuck einen Bezug zu der Person hat, um die es geht. Wird beispielsweise ein Landwirt bestattet, kann ein mit gebrochenen Ähren oder Weinreben dekorierter Sarg durchaus würdig sein und hat zudem eine hohe Symbolkraft. Es ist Aufgabe des Floristen, im persönlichen Gespräch mit den Angehörigen auf sensible Weise herauszufinden, was machbar ist, und was nicht.
Welchen Stellenwert hat heutzutage die Trauerfloristik als Trostspender für Hinterbliebene? Welche Rolle spielen Kondolenz- und Trauersträuße? Ein Problem ist leider, dass viele Menschen die Bedeutung von klassischen Elementen der Trauerkultur gar nicht mehr kennen. Viele setzen das Streuen von Blütenblättern in das offene Grab mit dem Erdwurf gleich und haben auch noch nie gehört, dass Kränze die Unsterblichkeit des Lebens symbolisieren. Fragen Sie mal in Ihrem Umfeld nach, wie sie angemessen reagieren können, wenn jemand aus ihrem Verwandten- oder Freundeskreis stirbt. Auf die Idee, seiner Anteilnahme mit einem Kondolenzstrauß Ausdruck zu verleihen, kommt kaum noch jemand. Das Problem ist, dass sich die Menschen heutzutage viel zu selten über den Umgang mit dem Tod Gedanken machen, und dann überfordert sind, wenn sie es müssen. Jedes Jahr im September initiiert der Bund deutscher Friedhofsgärtner daher den »Tag des Friedhofs«, unter anderem mit dem Ziel, den Umgang der Bevölkerung mit den Themen Tod und Trauer zu enttabuisieren. In diesem Jahr findet der »Tag des Friedhofs« übrigens am 20. und 21. September statt. Immer häufiger liest man in Todesanzeigen als Hinweis zum Bestattungstermin den Satz: »Von Blumenspenden bitten wir abzusehen.« Wie konnte es zu diesem Wertewandel kommen? Welche Intention steckt Ihrer Meinung nach dahinter? Bei oberirdischen Urnenbestattungen in einem Kolumbarium stellt sich natürlich schon die Frage, wo Sträuße und Kränze abgelegt werden sollen. Wie aber bereits erwähnt, ist vielen Menschen der trostspendende Wert von Blumen und Pflanzen auch gar nicht mehr bewusst. Dabei ist doch die Trauerfeier oder Bestattung das letzte Fest,
das ich, zumindest gedanklich, mit dem Verstorbenen feiere. Da gehören Blumen als Festschmuck dazu. Davon abgesehen haben Gärtner- und Floristenorganisationen in Gesprächen mit Bestatterverbänden schon mehrfach auf das Problem hingewiesen, bislang allerdings ohne nachhaltigen Erfolg. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Bestattungsinstituten und den für die floristische Ausgestaltung von Beerdigungen zuständigen Floristen? Wie eng ist Ihr Kontakt zu den Angehörigen eines Verstorbenen bei der Planung einer Beerdigung? Häufig arbeiten Bestatter fest mit einem Floristen zusammen, an den sie alle Aufträge vermitteln, dann aber auch 20 bis 25 Prozent vom Auftragswert an Provision kassieren. Für den Kunden bedeutet das eine Wertminderung. Wir versuchen das zu vermeiden. Unser Geschäft liegt gegenüber vom Mülheimer Hauptfriedhof, zu uns kommen die Angehörigen eines Verstorbenen in der Regel persönlich. Wir beraten sie dann sensibel und umfassend. Welche Form der Bestattung ist aus Ihrer Sicht die würdevollste, um von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen? Eine ideale Bestattungsform gibt es nicht. Wichtig ist, dass sich die Angehörigen wohlfühlen. Idealerweise hat sich der Verstorbene zu Lebzeiten Gedanken über seine Bestattung gemacht und auch die finanzielle Machbarkeit berücksichtigt. Dann fällt bei der Pla nung vieles leichter. Vielen Dank für das Gespräch!
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Diese dem gesellschaftlichen Wandel geschuldeten Veränderungen erweisen sich für Floristen zwar als sehr unvorteilhaft, dennoch nützt es nichts, in Resignation zu verfallen. Zumal die Situation in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Staaten noch relativ günstig ist: In der Schweiz oder den Niederlanden etwa gibt es für die Asche von Feuerbestatteten keinen Friedhofszwang. Dort können Urnen zu Hause aufbewahrt werden, Bestattungszeremonien mit Trauerfloristik fallen dann weg. Hierzulande erscheint kurzfristig am wichtigsten, dass sich Floristen und Friedhofsgärtner (wieder) verstärkt mit der Symbolsprache und der trostspendenden Funktion von Blumen und Pflanzen auseinandersetzen, um dieses Wissen im Gespräch mit trauernden Kunden kompetent und sensibel weitergeben zu können. Den Menschen sollte zum Beispiel wieder bewusst gemacht werden, dass die Ewigkeit – für die im Glauben vieler Kulturen und Religionen die menschliche Seele bestimmt ist – in der kreisrunden Form eines Kranzes symbolhaft zum Ausdruck kommt. Sie sollten häufiger vermittelt bekommen, welche enorm tröstliche, emotionale Kraft etwa in einem wunderschön gebundenen Trauerstrauß liegt. Interessenvertretungen der Grünen Branche stehen in diesem Zusammenhang in der Pflicht, ihren Mitgliedern Weiterbildungsseminare zu den Themen Trauerpsychologie, -floristik und Pflanzensymbolik anzubieten. Immerhin ist schon seit längerer Zeit eine CD mit Druckvorlagen für Poster, Faltblätter und Handzettel zu Symbolpflanzen beim Verein zur Förderung der deutschen Friedhofskultur im Internet unter www.vffk.de bestellbar. Auch der BdF verfügt über Infomaterial. Floristen sollten sich auf keinen Fall davor scheuen, mit ihrer Expertise in Sachen Trauerfloristik – etwa durch eine Themenecke im Geschäft oder eine einfühlsame Schaufenstergestaltung – zu werben. Denn es ist ja eine Tatsache, dass es nichts gibt, was gleichermaßen so für Vergänglichkeit und Wiedergeburt steht, wie es Blumen und Pflanzen tun. Franziska Menth unterstreicht die noch immer sehr große Wichtigkeit von floristischen Werkstücken für Bestattungszeremonien und an Gedenktagen: »Blumensträuße und Gestecke waren, sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil unserer Trauerkultur. Sie sind Wegbegleiter der Verstorbenen sowie tröstende Hilfe für die Hinterbliebenen in den Stunden des Abschieds. Ein mit vielen frischen Blumen geschmücktes Grab kann eine Menge über die verstorbene Person zum Ausdruck bringen, werden doch dadurch Zuneigung, Beliebtheit, Sympathie, Achtung und Wertschätzung sichtbar. Ohne bluGREEN 2 /14
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mige Trauergaben ist der Abschied trostlos und für viele Menschen belastend.« Worte, die motivieren sollten, das Thema Trauerfloristik nicht aufzugeben, sondern, ganz im Gegenteil, neue floristische Ideen und Verkaufskonzepte zu entwickeln. Aktuelle Forschungsergebnisse machen zusätzlich Hoffnung: Repräsentative, groß angelegte Jugendstudien zeigen eindeutig auf, dass junge Menschen zunehmend traditionelle Werte schätzen. Diese Entwick-
lung gibt Anlass zu der Annahme, dass klassische Trauerrituale nicht gänzlich verloren gehen, sondern sogar wieder an Bedeutung gewinnen. Umso wichtiger ist es, dass Floristen und Friedhofsgärtner das Gedenken an geliebte Menschen mit Blumen und Pflanzen aufrechterhalten.
Grabengel drücken gläubige Gesinnung aus. Sie gelten als Mittler zwischen Himmel und Erde und wachen über die Verstorbenen.
Aktuell bestehen rund 250.000 Dauergrabpflege-Verträge in der Bundesrepublik.
Friedhöfe sind nicht nur Orte der Trauer, sie erfüllen – vor allem in Stadtlagen – auch wichtige ökologische Aspekte.
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Biologische Schädlingsbekämpfung
Echte Gärtner gefragt
Ö
ko-Landbau ist die Kulturführung der Zukunft. Denn nur, wer die Bedürfnisse der Natur respektiert, kann nachhaltig von ihr profitieren und deren Ressourcen auch noch für folgende Generationen erhalten. Um es nicht bei dieser philosophischen Erkenntnis zu belassen, sondern sie konkret in Taten sichtbar zu machen, engagieren sich verschiedene Organisationen und Verbände. Der Pionier unter ihnen ist Demeter – seit über 90 Jahren nimmt der Verein die Qualitätsführerschaft im Bio-Bereich für sich in Anspruch. Von Demeter zertifizierte Bauern und Hersteller leisten mit der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise erheblich mehr, als die EU-Bio-Verordnung vorschreibt. Das kommt der Qualität der Lebensmittel ebenso zugute wie der Umwelt. Allerdings sind die Anforderungen dafür nicht unerheblich: Demeter verlangt neben
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der Gesamtbetriebsumstellung beispielsweise eine obligatorische Tierhaltung und den Einsatz Biologisch-Dynamischer Präparate aus Kräutern, Mineralien und Kuhmist. Im Pflanzenbereich spielt die Züchtung von Bio-Dynamischem Saatgut eine zentrale Rolle, ansonsten liegt aber ein klarer Fokus von Demeter auf Lebensmitteln. Laut Pressesprecherin Renée Herrnkind ist der Schnittblumenanbau eher ein Randthema – auch wenn auf manchen Höfen Blumen aus dem eigenen Garten direkt zum Verkauf angeboten werden. Explizite Richtlinien dafür hat Demeter aber nicht. »Die Demeter-Gartenbauberater unterstützen die Erzeugerbetriebe jedoch dahingehend, das Milieu insgesamt so zu stärken, dass ein biologisches Gleichgewicht erreicht wird«, so Herrnkind. »Demeter sieht sich als Teil der Bio-Welt und arbeitet in den Randbereichen mit Partnerorganisationen zusammen.«
Florist Dietmar Schöwerling, Mitinhaber der Bioland-Gärtnerei Schöwerling in Halle (Westfalen), mit Dahlien aus ökologischem Landbau.
Foto: Bioland-Gärtnerei Schöwerling
Die Natur beobachten, im Einklang mit ihr leben und flexibel auf Veränderungen reagieren – Produzenten, die Bio-Blumen anbieten wollen, müssen die Herausforderung echten Gärtnerns annehmen. Hier genügt es nicht, den Bestand auf Verdacht und Masse mit Pestiziden zu spritzen. Beim ökologischen Landbau ist wirkliches Know-how gefragt. Dies sollte jedoch niemanden daran hindern, sich wieder dieser ursprünglichen Form des Gärtnerns zuzuwenden. Wer es probieren will und noch nicht so recht weiß, wie er es am besten anstellen soll, kann bei verschiedenen Anlaufstellen Beratungsleistungen in Anspruch nehmen und sich Unterstützung holen.
Auch bei Bioland-Betrieben ist die Verwendung von chemischsynthetischen Düngern und Pestiziden ein absolutes Tabu. Der führende Verband für ökologischen Landbau in Deutschland vereint rund 5.800 Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer, die nach den strengen Bioland-Richtlinien wirtschaften. Übergeordnetes Ziel ist dabei, den Boden anhand der organisch-biologischen Landbaumethode so zu pflegen, dass er langfristig seine Fruchtbarkeit erhält. Ähnlich wie bei Demeter ist für eine Zertifizierung mit dem Bioland-Siegel eine Vollumstellung des Betriebs die Voraussetzung. Darüber hinaus müssen die gesetzlichen Mindeststandards der EU-Öko-Verordnung eingehalten werden und die Düngermenge ist begrenzt. Auch in Bezug auf die artgerechte Tierhaltung bestehen strenge Richtlinien und zusätzliche Kontrollen des Tierwohls. Neben der organisch-biologischen Produktion von Lebensmitteln engagiert sich Bioland zunehmend im Zierpflanzenbau. So gelang es dem Verein im Jahr 2011 über die Bioland Beratung GmbH in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Anbaugemeinschaft Bio-Zierpflanzen bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, den Zuschlag für das Projekt »Entwicklung und Optimierung des Zierpflanzenanbaus zu nachhaltiger und ökologischer Produktion« zu bekommen – kurz »Projekt Bio-Zierpflanzen«. Ziel während der mehrjährigen Laufzeit ist es, Betrieben die Entwicklung zu nachhaltiger und ökologischer Produktion zu erleichtern, gemeinsam Produktionsschwerpunkte zu definieren und Maßnahmen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades von Bio-Zierpflanzen zu entwickeln. Anhand von fünf Leitbetrieben werden verschieGREEN 2 /14
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Ökologischer Landbau bedeutet viel mehr, als nur Ursachen zu bekämpfen. Wer Bio-Blumen erzeugen möchte, braucht ein intaktes Ökosystem, muss seinen Bestand gut beobachten und vor allem vorbeugend arbeiten.
Andrea Frankenberg
zenten: Nur drei Betriebe sind es bundesweit. Das liegt jedoch daran, dass der Großteil der Erzeuger vom Gemüseanbau lebt und nur saisonal begrenzt Schnittblumen anbietet. Diese werden dann meist in Direktvermarktung über den Hofladen oder Wochenmärkte verkauft, sodass es für den Verband sehr schwierig ist, genaue Zahlen zu erfassen. »Es gibt auch viele sehr kleine Betriebe, die bereits biologisch wirtschaften, sich aber gar nicht bei uns melden, weil ihnen der Aufwand für die Zertifizierung zu groß oder die Kosten zu hoch sind«, erklärt Frankenberg. Durch das »Projekt Bio-Zierpflanzen« erhofft sie sich, dass mehr Betriebe Interesse an der Produktion von Bio-Blumen zeigen und die intensiven Beratungsleistungen wahrnehmen. Die Möglichkeiten zur biologischen Schädlingsbekämpfung sind vielfältig. Allerdings muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen dem Vorgehen bei Kulturen im Gewächshaus und im Freiland. Unter Glas befindet sich der Bestand in einem abgeschlossenen Raum und damit in einer klar definierten Umgebung. Hier kann man den Nützlingseinsatz optimal steuern und geeignete Populationen schon im Vorfeld heranzüchten, sodass beim Heranwachsen der Pflanzen Schädlinge erst gar keine Chance haben. Aber auch bei
solchen präventiven Maßnahmen ist es unabdingbar, dass die Mitarbeiter den Bestand kontinuierlich und intensiv beobachten, sodass auf neue Schädlingsaufkommen immer zeitnah mit entsprechenden Maßnahmen flexibel reagiert werden kann. Da Nützlinge sehr spezifisch arbeiten, ist beim biologischen Pflanzenschutz wirkliches Fachwissen beziehungsweise bei der Umstellung die Begleitung durch Experten nötig. »Man muss zum Beispiel wissen, dass es verschiedene Arten von Blattläusen gibt, die wiederum mit verschiedenen Arten von Schlupfwespen bekämpft werden müssen«, erläutert Frankenberg. »Auch mit Gall- und Florfliegen kann man gut gegen sie ankommen.« Bei Thrips-Befall und Spinnmilben haben sich hingegen diverse Raubmilben bewährt. Wer sich nicht sicher ist, welche Nützlinge bei einem Schädlingsbefund am effektivsten wirken oder welche Menge notwendig ist, kann sich zudem beim Pflanzenschutzdienst Hilfe holen. Das A und O im Kampf gegen Schädlinge ohne Pestizide ist darüber hinaus eine gewissenhafte Betriebshygiene sowie eine durchdachte Klimaführung, die Pilzwachstum verhindert. Vorbeugend gegen Pilzbefall kann Schachtelhalmextrakt als biologisches Pflanzenstärkungsmittel eingesetzt werden.
Fotos: Bioland-Gärtnerei Schöwerling (oben und mitte), Nicole Kern / Landwirtschaftskammer NRW (unten)
dene Fragestellungen bearbeitet und repräsentative Daten erfasst. Durch die Integration des Projektes in Beratung und Praxis ist über die gesamte Laufzeit ein intensiver Dialog von Erzeugern, Beratung und Forschung gewährleistet. Die Ergebnisse werden praxisgerecht aufbereitet und auf der Projekt-Homepage www.bio-zierpflanzen.de veröffentlicht. Die Projektkoordination hat Andrea Frankenberg übernommen. Bereits während ihres »Naturschutz und Landschaftsökologie«-Studiums hatte sie sich auf den Öko-Landbau fokussiert und war zunächst vier Jahre lang als Beraterin für die Bereiche Gartenbau und Zierpflanzen bei Bioland tätig. »Mit dem Zierpflanzenprojekt wollen wir Betrieben einen Anreiz geben, die Potenzial für die Belieferung des Großhandels haben«, so Frankenberg. Aus ihrer Erfahrung schrecken nämlich viele Erzeuger, die Bio-Blumen produzieren könnten, davor zurück, weil sie befürchten, nicht die gleichen Mengen wie im konventionellen Anbau liefern zu können. Natürlich könne auch nicht wegdiskutiert werden, dass das wirtschaftliche Risiko zunächst größer ist – deshalb gelte es, die Kunden mit guten Qualitäten zu überzeugen und den Wunsch danach zu fördern. »Wir unterstützen, begleiten und motivieren die Leitbetriebe nach besten Kräften, damit sie später eine Vorbildfunktion für andere einnehmen können.« Mit seinem deutschlandweit ausgesprochen dichten Netzwerk an Kontakten – sowohl zu fachkundigen Experten bei Spezialfragen als auch zwischen den Produzenten untereinander – verfügt Bioland über zahlreiche Möglichkeiten, seine Mitglieder zu unterstützen. Bei diesem großen Engagement im Zierpflanzenbau überrascht allerdings die Zahl der zertifizierten Schnittblumenprodu-
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Während die Produktion unter Glas relativ gezieltes Arbeiten erlaubt, sind im Freilandanbau andere Methoden zur biologischen Schädlingsbekämpfung gefragt. Gleichzeitig kommt dem ständigen Beobachten hier eine noch wichtigere Bedeutung zu, da der Anbau durch den fließenden Übergang zwischen den bewirtschafteten Feldern und der freien Natur viel größeren, unkontrollierbaren Einflüssen unterliegt. Zur Reduzierung von Schädlingen und Krankheiten sollten bei Neuanpflanzungen die Windrichtung berücksichtigt und ausreichend große Pflanzabstände eingehalten werden. Diese beiden Faktoren sind einerseits ausschlaggebend zur Regulierung der Temperatur und andererseits, damit der Bestand abtrocknen und sich kein Klima entwickeln kann, das Pilzwachstum begünstigt. Gute Erfolge wurden laut Andrea Frankenberg auch mit der Pflanzung von Wildblumenstreifen in direkter Nähe der Felder erzielt. Hier sollte man vor allem Sorten verwenden, die viel Nektar produzieren und dadurch möglichst viele Nützlinge anlocken. »Um Schädlinge im Freilandanbau abzuwehren, besteht außerdem die Möglichkeit, die Pflanzen mit Netzen abzudecken«, so die Bioland-Expertin. »Allerdings sollte man die Blumen beim Jäten, Gießen und Düngen immer wieder zur Belüftung aufdecken, weil sonst die Gefahr besteht, dass es unter den Netzen zu feucht wird.« Hier stößt der biologische Pflanzenschutz an seine Grenzen. Generell muss man sich von der Vorstellung lösen, man könne jedes Pestizid durch ein natürliches Mittel ersetzen. Ökologischer Landbau bedeutet viel mehr, als nur Ursachen zu bekämpfen. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der konservativen Schulmedizin, die vor allem darauf abzielt, Symptome zu lindern, und der Homöopathie,
Der Anbau nach den strengen Bioland-Richtlinien gelingt bei Weitem nicht bei allen Schnittblumenarten. Sonnenblumen und Dahlien sind allerdings robust und eignen sich sehr gut.
Läusebestimmung mit der Lupe bei einer Rosenkultur: Bei biologischer Schädlingsbekämpfung ist genaues Hinschauen erforderlich. GREEN 2 /14
Nützlinge aus der natürlichen Umgebung sorgen bei der Bioland-Gärtnerei Schöwerling dafür, dass Schädlinge keine Chance haben.
Um Schädlinge im Freilandanbau abzuwehren, können die Kulturen auch mit Netzen oder Schutzfolien abgedeckt werden. Allerdings sollte man die Blumen immer wieder zur Belüftung aufdecken.
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die den gesamten Organismus des Menschen miteinbezieht und nach Ungleichgewichten sucht. Wer Bio-Blumen erzeugen möchte, muss das Ökosystem ganzheitlich betrachten und alle Einflussfaktoren berücksichtigen. Ein Betrieb, der diese Einstellung wirklich lebt, ist die Bioland-Gärtnerei Schöwerling in Halle (Westfalen). Seit über 25 Jahren bewirtschaften die beiden Brüder Dieter und Thomas Schöwerling rund drei Hektar Freiland nach Bioland-Richtlinien und kultivieren von Mai bis Oktober neben verschiedenen Sommerschnittblumen auch Stauden und Beiwerk. Sie sind Pioniere im Bio-Zierpflanzenanbau: Ihr Blumenhof wurde bereits 1997 mit dem Bioland-Siegel zertifiziert. Der gelernte Gärtner Thomas Schöwerling ist überwiegend für den Anbau zuständig, Dietmar Schöwerling kümmert sich als Florist um die beiden Fachgeschäfte und den Vertrieb. Seit dem Sommer 2012 bieten sie unter anderem Abo-Kisten an, die per Post wöchentlich an interessierte Floristen verschickt werden. Für die beiden Brüder ist die Arbeit mit Blumen mehr als ein Beruf: »Es ist unser Familienhobby«, meint Dietmar Schöwerling schmunzelnd. Bei ihrer Sommerschnittproduktion verzichten sie auf jeglichen Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln. Und selbst um die Nützlinge müssen sie sich nicht kümmern, da ihre Felder innerhalb eines völlig intakten Ökosystems liegen. »Wir haben keine Blattläuse und keine Bodenkrankheiten, Thripse und Weißfliegen sowieso nicht, und wenn der Rittersporn im Wind steht, hält sich auch der Mehltau in Grenzen«, berichtet Thomas Schöwerling. Die Blattläuse werden auf den Feldern der Bioland-Gärtnerei von den Marienkäfern in Schach gehalten. Diese überwintern in Heuhaufen, trocke-
Fotos: Bioland-Gärtnerei Schöwerling
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Fotos: Bioland-Gärtnerei Schöwerling, Viktor Kitaykin / istockphoto.com (mitte)
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nem Laub und Gras und werden, sobald die Schädlinge kommen, quasi wie von selbst aktiv. Thomas Schöwerling beschreibt, was für ein funktionierendes ökologisches Umfeld wichtig ist: »Unweit der Anbauflächen sollten sich zum Beispiel angrenzende Haselnusshecken, ein kleines Wäldchen, eine Brennesselecke, Gras und Laub befinden, wo sich die Nützlinge wohlfühlen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann man überall ökologisch gärtnern.« Seinen Beobachtungen zufolge hat sich das Nützlingsvorkommen in der Natur während der letzten Jahre erhöht. Möglicherweise sei dies auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass in der konventionellen Landwirtschaft zumindest schonendere Pestizide verwendet werden und verantwortungsvoller damit umgegangen wird. Dabei ist gerade die Erhaltung eines gesunden Bodens mit entsprechendem Bodenleben in den oberen Erdschichten essenziell für den ökologischen Landbau und die Gesundheit der auf ihm wachsenden Pflanzen. Bei den Schöwerlings wird das Feld deshalb nur dann bearbeitet, wenn der Boden gut befahrbar ist und sichergestellt werden kann, dass er sich dadurch nicht verdichtet. Denn ein ausgewogenes Nährstoffverhältnis des Bodens trägt dazu bei, dass die Pflanzen kräftig werden und später als Schnittblume eine gute Haltbarkeit zeigen. »Bio-Blumen müssen sich im Wachstum außerdem viel stärker gegen Krankheiten und emporsprießendes Unkraut durchsetzen. Das hat zur Folge, dass sie langsamer wachsen, eine härtere Zellfaser und dickere Stiele entwickeln«, erklärt der Florist Dietmar Schöwerling. »Das wiederum ermöglicht eine bessere Wasserversorgung, weshalb Bio-Schnittblumen haltbarer und widerstandsfähiger sind als die
industriell produzierte Ware.« Bei hochgedüngten Pflanzen, deren Wachstum mit Stickstoff übernatürlich beschleunigt und verstärkt wird, ist die Zellstruktur viel lockerer gebaut. Auf den Feldern der Gärtnerei Schöwerling ist der Kampf gegen das ebenfalls gut gedeihende Unkraut wesentlich aufwendiger als die Abwehr tierischer Schädlinge. »Dadurch, dass wir als Bioland-zer-
tifizierter Betrieb keine Herbizide einsetzen dürfen, bleibt uns nichts anderes übrig, als den unliebsamen Emporkömmlingen vor der Aussaat mit dem Trecker und später von Hand zu Leibe rücken«, sagt Thomas Schöwerling. Rein wirtschaftlich betrachtet bedeutet dies etwa 25 bis 30 Prozent höhere Anbaukosten durch den gesteigerten Personalaufwand. »Wir haben dauerhaft drei Mitarbeite-
Thomas Schöwerling, Mitinhaber der Bioland-Gärtnerei Schöwerling, ist gelernter Gärtner und kümmert sich überwiegend um die Kultivierung der Bio-Blumen.
Seit dem Sommer 2012 bieten die Brüder Schöwerling ihre Bio-Blumen für Floristen unter anderem in Form von Abo-Kisten an, die per Post verschickt werden. GREEN 2 /14
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Dietmar und Thomas Schöwerling sind Pioniere im Bio-Zierpflanzenbau: Ihr Blumenhof wurde bereits 1997 mit dem Bioland-Siegel zertifiziert.
Die Brüder bewirtschaften rund drei Hektar Freiland nach Bioland-Richtlinien. GREEN 2 /14
ser Art der Erzeugung inzwischen stärker vorhanden ist als noch vor einigen Jahren, sieht Frankenberg eine vielversprechende Zukunft für Bio-Schnittblumen. Die Herausforderung für Öko-Verbände ist daher, mit gezielten Projekten und intensiven Unterstützungsangeboten mehr Anbauer zu finden, die über die Kapazitäten verfügen,
größere Mengen in Bio-Qualität zu produzieren. Denn: »Bio-Blumen sind die wertvolleren Blumen«, bringt es Andrea Frankenberg auf den Punkt. »Sie sind ein auserlesenes Produkt, das durch ursprüngliches Gärtnern erzeugt wurde, keine Gifte enthält und den Menschen zu Hause uneingeschränkt Freude bereiten kann.« (yei)
Foto: Silke Peters
rinnen auf den Feldern im Einsatz, zur Hauptsaison sind es dann bis zu acht Leute, die vormittags Unkraut jäten und die Ware ernten und bündeln«, so der Gärtner. Aktuell umfasst das Sortiment des Bio-Betriebs rund 70 Artikel, deren Anbau unter ökologischen Bedingungen von den Brüdern über Jahre erprobt wurde. Für Krankheiten anfällige Sorten konnten sie so weitgehend ausschließen. In der vergangenen Kulturperiode griff Thomas Schöwerling lediglich bei seinen Bartnelken und dem Solidas ter erstmalig auf Schachtelhalmextrakt zurück, um die Pflanzen gegen Pilzbefall zu stärken – mit gutem Erfolg. Aus der Erfahrung von Andrea Frankenberg kommt es genau auf diese Flexibilität beim ökologischen Landbau an. »Der Betriebsleiter steht im Vordergrund, er muss seinen Betrieb ganz anders im Blick haben, immer wieder neu nach Lösungen suchen und darf sich nicht entmutigen lassen«, sagt sie. »Erfolgreicher Bio-Anbau ist als Zusammenspiel von vielen verschiedenen Faktoren zu sehen, die permanente Beobachtung der Kulturen und Vorbeugungsmaßnahmen sind die Grundlage dafür.« Da das Interesse des Handels und der Verbraucher für Bio-Produkte immer weiter zunimmt und das Bewusstsein für die Vorteile die-
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Führungsstile
Die hohe Kunst des Steuerns Persönlichkeit und Situation bestimmen den Führungsstil. Um herauszufinden, wie sich autoritär getrimmte Chefs von ihrem Gegenpol, den kooperativ gestimmten Führungskräften, unterscheiden, haben wir mit Experten aus Seefahrt, Marine und Management gesprochen – und einen Fleurop-Partner der ersten Stunde besucht. Text: Jan Thomas Otte
A
m Valentinstag im Blumenladen. Ein schwieriger Kunde kommt offensichtlich mies gelaunt ins Geschäft. Wie gewohnt geht die Auszubildende Lena auf ihre Laufkundschaft zu. Der Kunde beschwert sich lautstark über den teureren Preis zum 14. Februar – am Tag der Liebenden. Ausgerechnet jetzt kommt Lenas Chef aus dem Büro in den Laden und sieht, wie sie mit der Situation überfordert ist. Zwischen Kunde und Schaufenster scheint hier weder der richtige Ort noch der Zeitpunkt dafür zu sein, um Lena eine Schulung zum Thema »Schwierige Kundengespräche« zu geben. Vielmehr ist schnelles Handeln gefragt! Der Chef muss nun zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden. Entweder die Auszubildende mehr oder minder beiseitezustoßen und zu sagen: »Lass mich mal ran, Lena. Du kannst das nicht«. Oder der Chef sagt zum Kunden: »Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung«. Und zu Lena: »Könntest du im Büro für mich bitte noch die Abrechnung erledigen? Die nächste Lieferung kommt eher als gedacht. So lange kann ich hier weitermachen«.
Beispiele für kooperatives Führen Lenas Situation ist frei erfunden und kommt doch nahezu täglich in Dienstleistungsbetrieben vor. Im ersten Fall fühlt sich die Auszubildende Lena vermutlich völlig überrumpelt bis unfair behandelt. Anders beim zweiten Vorgehen in der gleichen Situation: Hier hat der Chef seine Mitarbeiterin geschützt und hat so eine Besprechung der Situation im Nachgang GREEN 2 /14
ermöglicht. So ist kooperativer Führungsstil gut fürs Geschäft, gut für die Auszubildende und gut für den Chef – quasi eine Win-win-win-Situation! Eine Blumenladenbesitzerin, die diese kollegiale Art besonders schätzt, ist Monika Röger. Um derartige Vorfälle am Valentinstag zu vermeiden, gibt Röger ihren Azubis im Vorfeld mögliche Argumente an die Hand, um nicht unvorbereitet an der Ladentheke über höhere Stückpreise ihrer Schnittblumen zu sprechen. Ihr Blumenhaus am Zähringer Platz in Konstanz war ein Fleurop-Partner der ersten Stunde. Vor über zwanzig Jahren hat sie das Geschäft von ihren Eltern übernommen. 2014 bewirbt sich Röger um den fünften Stern, ein Qualitätssiegel, mit dem Fleurop mustergültige Blumenläden auszeichnet. Röger versucht, die Hierarchien in ihrem Laden möglichst flach zu halten. Sie beschäftigt neben ihrer Vollzeit-Floristin eine Auszubildende sowie vier Teilzeitkräfte. Neulich haben sie im insgesamt siebenköpfigen Team ein neues Briefpapier entworfen – da wollte Röger gerne noch mehr graue Farbe draufhaben. Ergebnis: »Ich bin gnadenlos überbestimmt worden«. Der Vorschlag der Chefin sei den Mitarbeiterinnen viel zu trist gewesen. Einmal im Monat lädt Röger zur Besprechung ein. In der Zwischenzeit heften ihre Mitarbeiter neue Ideen an eine Pinnwand.
Beispiele für autoritäres Anleiten Ein solcher kooperativer Führungsstil ist nicht jedermanns Sache. So beschäftigt Röger auch eine Mitarbeiterin, die bei zu viel Diskussion überfordert wäre: GREEN 2 /14
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Interview
Maritimes Kommando: » Führen nicht als Selbstzweck« Carsten Stawitzki (48) ist Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik und Flottillenadmiral der Deutschen Marine. Er besuchte die Führungsakademie der Bundeswehr und kommandierte zeitweise das »Regionalkommando Nord« in Afghanistan. Seit 2013 ist Stawitzki Kommandeur der Offiziersschule in Flensburg-Mürwik und ihrem »schwimmenden Klassenzimmer«, der Gorch Fock. Was heißt bei der Bundeswehr eigentlich Führung? Seitdem es die Bundeswehr gibt, pflegen wir ein Führungsverständnis, das wir »Führen mit Auftrag« nennen. Führen tut man ja nicht als Selbstzweck. Es geht um das Erreichen eines Ziels, um die erfolgreiche Umsetzung eines Auftrags. Der Führungsstil ist situationsabhängig.
Blumenhaus-Chefin Monika Röger (53), Floristin Nancy Erben (24) und Azubi Luna (19) sind zusammen ein starkes Team.
»Sie braucht klare Strukturen.« Damit meint die Chefin nicht nur feste Arbeitszeiten, sondern auch eine möglichst genaue Jobbeschreibung, beispielsweise die Serienproduktion von Hochzeitsgestecken nach vorgegebenem Muster. »Ich kann mich hundertprozentig auf meine Mitarbeiterin verlassen«, so Röger. Ein kooperativer Führungsstil würde zur Persönlichkeit dieser Mitarbeiterin einfach nicht passen. Die Kybernetik, altgriechischer Begriff für Steuermannskunst, kommt übrigens aus der Seefahrt. Carsten Stawitzki, Kommandeur in der Offiziersausbildung der Deutschen Marine (siehe Interview), teilt Monika Rögers Beobachtung, dass der jeweilige Führungsstil immer in die Gesamtsituation eingeordnet werden müsse. »Bei der Einsatzplanung oder Nachbesprechung gehen wir kooperativ miteinander um«, so der Flottillenadmiral. Anders verhält es GREEN 2 /14
Gewinner-Trio: Kooperativer Führungsstil ist gut fürs Geschäft, für Auszubildende und für den Chef.
Erleichtern Ihre Uniformen und Ränge das Führen Ihrer Truppe? Auch wir sind Menschen – keine Maschinen oder geklonte Krieger aus »Star Wars«. Wir sind von Gott als Individuen geschaffen worden, und das mit völlig unterschiedlichen Talenten. Auch in unserer Truppe haben wir eine bunte Sammlung von Individuen – was die Breite unserer Gesellschaft spiegelt. Führung bedeutet gerade nicht, Mitarbeiter in ein Waffeleisen zu packen und dann kommen alle quadratisch praktisch heraus. Gute Führer verstehen es vielmehr, für ihre Mitarbeiter zu sorgen, sodass sie ihre Talente optimal für die Auftrags erfüllung entfalten können. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist als erste Frau an der Spitze 100 Tage im Amt. Beeinflusst das Ihren Führungsstil? Für die Führung der Streitkräfte ist unerheblich, ob das Ministerium von einem Mann oder einer Frau politisch geleitet wird. Wir hatten schon immer in den zi-
vilen Abteilungen und der Verwaltung Frauen bis hin zu Staatssekretärinnen und seit 2001 sind auch die Streitkräfte für Frauen offen. Das ist höchstens noch ein Thema für Ewiggestrige. Was können Manager von der Marine lernen? Wir geben unseren angehenden Marineoffizieren einige Grundsätze mit, welche durchaus auch fürs Leben überhaupt gelten. Einer davon lautet: Wenn man kein Ziel hat, ist jeder Kurs der richtige. Dann darf man sich aber nicht wundern, wo man ankommt. Der Kapitän steht in der Verantwortung, den Kurs letztendlich zu bestimmen, und steht für dessen Folgen gerade. Der Mensch muss auf See erst mal überleben und die Naturgewalten versuchen zu beherrschen … ... da braucht die Besatzung einen Kapitän, der klare Kursansagen machen kann. Das gilt nicht nur für unser weißes Segelschulschiff Gorch Fock, sondern ebenso für die sogenannte graue Marine, unsere bewaffnete Flotte. Hier geht es nicht nur um den Kampf gegen Naturgewalten oder den Warentransport von A nach B, sondern auch den möglichen Kampfeinsatz, beispielsweise am Horn von Afrika gegen Piraten. Führungsstil ist von der jeweiligen Situation abhängig. Wenn es zum Beispiel darum geht, eine
Festmacherleine beim Ablegen des Schiffes loszuwerfen, kommt in der Situation mal ein rauerer Ton vor. Das liegt weniger an der Gruppendynamik, sondern vor allem an Wind und Wetter. Dazu kommt die Technik: Nicht auf jedem Schiff gibt es eine Lautsprecheranlage. Da müssen Sie auch mal von vorn über die Back brüllen, damit die Botschaft bei den Kameraden hinten noch verständlich ankommt. Das mag an Land befremdlich klingen. In der Seefahrt ist das völlig normal! Im kollegialen Führungsstil gesprochen: »Es wäre schön, wenn Sie jetzt die Leine dort los machen würden …« Das funktioniert auf dem Meer selten so. Wenn die Leine reißt, könnte dadurch ein tödlicher Unfall passieren. Es gibt aber auch Momente, wo ein Matrose träumt und einen solchen Weckruf braucht, um seinen Job zu machen. Hier ist eine klare Ansage – von mir aus auch ein autoritärer Führungsstil – manchmal überlebensnotwendig! Vor allem bei einem Routinemanöver wie dem An- und Ablegen des Schiffes ist der Umgangston kurz und deutlich. Also doch ein autoritärer Führungsstil? Grundsätzlich widerspricht das nicht unserem Führungsverständnis von Kooperation. Entscheidend ist, dass jeder Mitarbeiter inklusive des Kapitäns weiß, dass er Teil des Teams ist und in dieser Situation nur gemeinsam erfolgreich sein kann.
Was ist beim Steuern eines großen Schiffes im Vergleich zu kleineren Booten anders? Ein Schiff kann bei uns mehrere hundert Besatzungsangehörige haben, ein Boot dagegen nur zwanzig oder dreißig. Bei unseren alten U-Booten hatten Sie als Kommandant den Vorteil, vom Bodenverschluss der Torpedorohre bis zur Rudermaschine fast alles im Blick zu haben. In so einer kleinen Kampfgemeinschaft gibt es ganz andere Möglichkeiten des Führenden, seine Kameraden anzusprechen! Flache Hierarchien – ein Begriff, der auch bei der Bundeswehr genutzt wird. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel aus Afghanistan, wo ich im Frühjahr 2013 im Einsatz war. Eine Patrouille fährt in ein Dorf, um dort einen Auftrag zu erfüllen. Der Patrouillenführer trägt für seine Kampfeinheit die Verantwortung und die ist unteilbar. In bestimmten Situationen ist er gezwungen, rasche Entscheidungen zu treffen, beispielsweise bei feindlichem Beschuss. In solchen Situationen zeigt sich, wer das Gelernte von der Schulbank in der Realität umzusetzen vermag – ein Spannungsfeld für Führungsstile! Ganz anders führt der Referatsleiter in der Ministerialbürokratie. Da muss der Führungsstil allein schon deswegen kooperativ und kollegial sein, weil viele Kollegen und Kameraden GREEN 2 /14
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involviert sind. Und ich habe auch die halbe Stunde mehr Zeit, um überhaupt erst einmal eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu meinem Gegenüber aufzubauen. Das sind ganz andere Voraussetzungen! In Afghanistan gehörten Sie zum Führungsteam der Bundeswehr. Berichten Sie uns mehr vom kooperativen Führen im Einsatz? Ich kann aus diversen Situationen berichten, dass auch die Führenden im Einsatz ganz genau die Talente ihrer Leute kennen und auf diese setzen. Da lässt sich auch der Patrouillenführer etwas von seinen Leuten sagen, in einer Feuerpause zum Beispiel. Das kann dann auch der Sanitäter sein! Rat von Kameraden einzuholen fängt ja schon bei der Meldung an, dass da hinten irgendetwas passiert. Da beginnt der Entscheidungsprozess des Führenden. Und trotzdem ist in solchen Situationen eine möglichst klare Befehlssprache, die sehr autoritär klingen mag, die entscheidende Grundlage für den Einsatzleiter. Das Prinzip von Befehl und Gehorsam? Selbst eine Ordnungswidrigkeit müssen Soldaten erst einmal in Kauf nehmen und einen Befehl ordnungsgemäß ausführen. Nach Ablauf einer Nacht kann sich der Soldat dann beschweren. Nur wenn der Befehl eine Straftat beinhaltet, darf er diesen verweigern. Wie vermitteln Sie Führungsstil an Ihrer Marineschule? Für unseren Führungsnachwuchs bei der Marine nutzen wir den Großsegler Gorch Fock als unser »schwimmendes Klassenzimmer«. Hier lernen die jungen Kameradinnen und Kameraden zunächst Respekt vor sich selbst, aber auch im Umgang miteinander, vor der Natur und der Technik. Unser Grundsatz: »Eine Hand für mich, eine Hand für das Schiff.« Also lernen unsere Schüler in der Enge des Schiffes erst mal sich selbst in den Griff zu bekommen, auch, was das Heimweh angeht. Dazu kommt bei der Marine das Sammeln interkultureller Kompetenzen. GREEN 2 /14
sich im Einsatz: »Da muss sich der Führende zeitweise von seinem kooperativen Führungsstil verabschieden«. Vor hundert Jahren soll der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., für Kadetten festgehalten haben: »Es kommt auf die Persönlichkeit, den Charakter in erster Linie, an.« Und weiter heißt es dort: »Ihre Charakterbildung zu fördern, ist die wichtigste Aufgabe ihrer Vorgesetzten.« Kapitän Hans Hederström ist Direktor bei CSMART, »Center for Simulator Maritime Training« in Almere bei Amsterdam. Das am Ijsselmeer gelegene Trainingszentrum gehört der Carnival-Gruppe, dem mit rund 100.000 Mitarbeitern, über hundert Schiffen und einem zweistelligen Milliardenumsatz weltweit größten Kreuzfahrtanbieter – angefangen vom AidaClubschiff bis zur Costa-Reederei. Mit einer in der Offiziersausbildung bislang ungewöhnlichen Methode haben sich Hederström und seine Kollegen einen Namen gemacht. Zwar sind die Ränge, Sternchen und Abzeichen der Offiziere an ihrer Schulterklappe weiterhin sichtbar, im Betrieb auf der Brücke können ihre täglichen Aufgaben jedoch wechseln. Ob Navigator, Co-Navigator oder Operations Director: Der Kapitän verteilt diese Rollen, die je nach Situation, Kompetenz und Erfahrung des jeweiligen Offiziers unterschiedlich sein können. Das Ziel des Kapitäns: »Weg von der OneMan-Show hin zur Talententwicklung aller Mitarbeiter«, so Hederström. Meist sind seine Kursteilnehmer aus ihrer tagtäglichen Arbeit noch den autoritäreren Führungsstil gewohnt.
Von althergebrachter Tradition zum Fortschritt: Gutes Führen braucht Zeit. Einfühlungsvermögen zwischen Chef und Mitarbeitern hilft dabei.
Ausbildung zum kooperativen Führungsstil Das Feedback nach dem mehrwöchigen Training: »Die Kapitäne tragen die Verantwortung nicht mehr allein auf ihren Schultern«, resümiert Costa-Sprecherin Hanja Maria Richter. Die Offiziere sowie die ganze Besatzung würden vom offeneren Führungsstil profitieren. Allerdings behalte der Kapitän trotz TeamOrientierung immer noch das letzte Wort. Francesco Schettino, einst Kapitän auf der »Costa Concordia«, hat den Kurs in Almere bisher nicht besucht. Ob die Havarie des Kreuzfahrtschiffs vor der Mittelmeerinsel Giglio im Januar 2012 mit einer vorherigen Kursteilnahme verhindert werden hätte können, darüber will Hederström nicht weiter spekulieren. Michael Thamm, in den Monaten nach dem Concordia-Unglück zum Costa-Chef gekürt, unterstreicht in einer Image-Kampagne der Reederei, dass nicht unbedingt derjenige stark sei, der nie gefallen ist, sondern »derjenige, der sich nach dem Sturz wieder aufrichtet«. Kürzlich habe ein Kapitän der italienischen Küstenwache CSMART als Ausbildungskonzept der Zukunft bezeichnet, berichtet Hederström nicht ohne Stolz »den richtigen Schritt vorwärts«. So koordiniert auch Monika Röger in ihrer Rolle als Floristmeisterin die Abläufe im Team, prüft Arbeitsergebnisse und verantwortet die Ausbildung ihrer Mitarbeiter. »Die ersten drei Jahre bist du mit Herzblut bei jedem Azubi dabei«, so Röger. Trotzdem versucht sie ihre Mitarbeiter möglichst selbstständig arbeiten
zu lassen. Ihr Ziel klingt alles andere als eitel: »Ich bin ersetzbar und abkömmlich.« Immerhin sei sie rund dreißig Jahre älter als ihre »rechte Hand«, die 24-jährige Vollzeitfloristin Nancy. Auch in anderen Läden liegt oft eine ganze Generation zwischen dem Alter des Chefs und seinen jungen Mitarbeitern – vor allem im ländlichen Raum. Besonders in kleinen und mittelständischen Betrieben arbeiten Mitarbeiter häufiger bereits zwanzig, dreißig Jahre in derselben Firma. Der bisherige Inhaber ist nicht selten um die siebzig Jahre alt. Irgendwann kommt ein neuer Chef, der vom autoritären Führungsstil hin zu mehr Teamwork und kooperativen Entscheidungsprozessen kommen will.
Jeder zweite Chef noch ein Miesmacher Für Mitarbeiter in dieser Situation sind gemeinsam getroffene Entscheidungen noch ungewohnt: »Sie müssen erst mal da abgeholt werden, wo sie gerade stehen«, erklärt Diplom-Biologin Gudrun Happich, die sich als Sparringpartner für Chefs und solche, die das noch werden wollen, versteht. Führungskräfte, die zu Happich ins Coaching kommen, stehen meist vor einer Veränderung, beispielsweise dem Wechsel vom mittleren Management auf die oberste Führungsebene (siehe Interview). Professor Ulrich Hemel beobachtet seit mehreren Jahren den Wandel des Führungsstils auf deutschen Chefetagen. Deutschland sei noch immer recht GREEN 2 /14
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Interview
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Persönlicher Führungsstil: »Was ist stimmig, was passt zur Person?« Gudrun Happich (49) ist Diplom-Biologin und Führungskräfte-Coach in Köln. Seit rund 20 Jahren versteht sie sich als Sparringspartnerin für Leistungsträger, die neben beruflichem Erfolg nach privater Erfüllung streben. In ihren Coachings verbindet Happich systemisches, naturwissenschaftliches und unternehmerisches Denken.
Ist die Grüne Branche eher autoritär oder kooperativ gemanagt? Besuchen Sie mehrere Blumenläden, so machen Sie unterschiedliche Erfahrungen. Wie in anderen Branchen gibt es auch hier autoritäre Strukturen: den Chef als Sonnengott, der am Ende des Tages das Geld zählt und davor »seine« Mädels durch die Gegend scheucht. Ein bisschen böse gesagt entspricht ein solches Führungsverständnis dem »Schlecker-Prinzip«, welches eine Zeit lang erfolgreich war – rein ökonomisch betrachtet. Nach dem Klassiker »Ich Chef, du nix« wirkt die Idee flacher Hierarchien fast wie eine Revolution. Ganz gleich, ob das ein Konzern ist oder das Blumengeschäft ums Eck: Wenn die Idee flacher Hierarchien nicht von der Spitze her gelebt wird, rumort der Mittelbau irgendwann. Sich vom alten Führungsstil zu verabschieden, da haben manche meiner Klienten echt Angst. Eine ihrer Sorgen: Nehmen mich meine Mitarbeiter überhaupt noch ernst, wenn ich nicht mehr der Obergockel bin? Hart in der Sache, aber verbindlich in der Art. Wie schafft ein guter Chef diese Balance? Manche Klienten werden sogar von ihrem eigenen Chef zu mir geschickt. Sie sollen durchsetzungsstärker, härGREEN 2 /14
Gudrun Happich
ter und dominant werden. Was soll er denn nun wirklich werden, frage ich den Chef-Chef: »Naja, er soll sich durchsetzen können, und das geht wohl am besten, wenn er dominant und hart ist.« Ich suche mit den Führungskräften dann den Mittelweg: Was ist stimmig, was passt zur Person? Das funktioniert ganz ohne Schreien und wird als Führungsstil viel eher von Mitarbeitern angenommen. Sie treffen meist nachdenkliche Führungskräfte. Was ist ihr Einstieg ins Gespräch mit Ihnen? »Wenn ich auch so ein Mistkerl werden muss wie mein Chef, dann kündige ich lieber. Ich habe keine Lust, auf Kosten anderer Karriere zu machen und mich zu verbiegen.« Dies ist ein häufiger Einstieg ins Gespräch in meinen Coachings.
Welche Ziele wollen Ihre Klienten denn in der Regel erreichen? »Ich möchte gerne das Unternehmen voranbringen, Gewinne machen, gemeinsam mit Mitarbeitern nach Lösungen suchen.« Ich schreibe ihnen natürlich nicht vor, wie sie das genau zu tun haben. Stattdessen finden wir gemeinsam heraus, welchen Weg Manager in entsprechenden Situationen gehen können – beispielsweise die Präsentation einer neuen Idee, deren Wirkung im Meeting völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Da kann es sein, dass der Chef die Bedenken seiner Mitarbeiter zuerst einmal hören sollte, anstatt von vorneherein die eigene Lösung durchzuboxen. Nutzt Ihnen im Coaching das Wissen aus Ihrem Biologiestudium? Ich habe als Diplom-Biologin in der mikrobiologischen Bodensanierung gearbeitet. Da geht es um komplexe biologische Systeme: Man schaut, wie diese gesteuert, geregelt und beeinflusst werden können. Da gibt es auch die Raupe, die auf ihren Füßchen bestens stehen kann. Irgendwann wird sie aber zum Schmetterling »befördert« und muss mit ihren neu gewonnenen Freiheiten umgehen lernen, um die weite Welt zu entdecken. Dieses Bild aus der Natur kann ich auch auf Unternehmen übertragen – ein ebenso komplexes System.
Flache Hierarchien: »Damit Mitarbeiter im Geschäft Neues ausprobieren können.« Dr. Ernst von Kimakowitz (43) ist Wirtschaftsethiker und Direktor des Humanistic Management Centers. Er unterrichtet »Leadership Skills« an der Universität St. Gallen (Schweiz) und forscht zu Fragen einer lebensdienlichen Wirtschaftsweise. Zuvor arbeitete Kimakowitz mehrere Jahre in einer internationalen Managementberatung.
Mitarbeiter werden in Klettergärten geschickt, andere Teams machen einen Segeltörn. Was bringen solche Trainings für (angehende) Führungskräfte? Abseits der Routine bietet so ein Kurs die Chance, seine eigene Rolle als Chef zu überdenken. Da geht es sehr stark um mentale Modelle, die innere Haltung, mit der Führungskräfte zu solchen Trainings gehen. Ist es lediglich ein Kurzurlaub, um während der Arbeitszeit ein bisschen zu segeln, ändert sich wohl kaum etwas am eigenen Führungsstil. Das wäre Zeitverschwendung, im besten Fall wäre die Zeit unter südlicher Sonne eine Art »Incentive« für verdiente Mitarbeiter! Ein Kurs zum Thema Mitarbeiterführung während eines Segeltörns kann also nur fruchten, wenn die Teilnehmenden mit der Bereitschaft an Bord kommen, ihr Handeln vor allem im Alltag aktiv zu verändern. Sind flache Hierarchien eine Illusion? Zunächst ist das ein Schlagwort fürs gute Image, was aber nicht ausschließt, dass es tatsächlich Firmen mit einer flachen Hierarchie gibt. Solange die Chance besteht, dass Mitarbeiter im Geschäft etwas Neues ausprobieren können, sind flachere Hierarchien möglich. Zur Illusion verkommt die Idee erst, wenn der Veränderungswille seitens der Geschäftsleitung überhaupt nicht zu erkennen, geschweige denn vorhanden ist.
späten 70ern des letzten Jahrhunderts wurden als modern geltende Managementlehren in unsere Hochschulen importiert – mitsamt der dazugehörigen Terminologie. Doch nicht jeder fremdsprachliche BWL-Begriff ist in der Substanz auch eine Innovation! So stelle ich eine gewisse Rückbesinnung auf Werte wie Integrität und Partnerschaftlichkeit fest. Der ehrbare Kaufmann ist bei meinen Studenten so gefragt wie nie!
Dr. Ernst von Kimakowitz
Wie motivieren Mitarbeiter ihren Chef, das Team kooperativer zu führen? Indem sie mit Fakten hantieren, die aus Chefsicht ebenfalls Autorität haben. Wenn Azubi Lena den Blumenstrauß mit einem Kabelbinder befestigen will, ist die Referenz zur Unterrichtsstunde an derselben Berufsschule, die einst der Chef besucht hat, ein wirksamer Einstieg ins Gespräch. Das wirkt dann seriöser als: »Ich bin heute Morgen aufgewacht und hab mir mal gedacht, wir könnten doch ...« Hat sich das Führungsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre die letzten zwanzig, dreißig Jahre verändert? Im Moment sehen wir die Anfänge einer Gegenbewegung zu dem stark angelsächsisch geprägten Führungsverständnis der letzten Dekaden. Seit den
Wirtschaftsethik boomt an den Hochschulen. Was bringt Sie dem Manager? Wirtschaftsethik hilft, Leitplanken für wirtschaftliches Handeln zu entwickeln. Sie hilft Managern wie auch der Gesellschaft insgesamt dabei, dass das Recht des Stärkeren nicht zum alleinherrschenden Prinzip wird. Das hilft auch dem einzelnen Manager! Unternehmen, die sich mit verschiedensten Interessengruppen in der Gesellschaft auseinandersetzen, bleiben am Puls der Zeit – sie sind wandlungsfähiger, innovativer und bestehen mit diesem Führungsstil länger und erfolgreicher am Markt. Für Manager, deren Horizont weiter reicht als das Quartalsergebnis, ist Wirtschaftsethik somit ein zentraler Erfolgsfaktor!
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Insgesamt hat die 2013 von der Hay Group in Auftrag gegebene Studie sechs Führungsstile identifiziert: 1. Direktiv: Der Chef erwartet, dass Mitarbeiter seine Anweisungen uneingeschränkt befolgen. 2. Visionär: Der Chef entwickelt seine Mitarbeiter langfristig und zeigt ihnen Perspektiven. 3. Zusammenhalt fördernd: Der Chef legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander im Team. 4. Partizipativ: Der Chef legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen. 5. Perfektionistisch: Der Chef erwartet das Erfüllen übertragener Aufgaben auf höchstem Niveau. 6. Coachend: Der Chef legt Wert auf die berufliche Entwicklung seiner Mitarbeiter.
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Gutes Betriebsklima verbessert die Unternehmensbilanz. Grund dafür: Kooperatives Management motiviert Mitarbeiter und verringert dazu noch ihre Fehlzeiten und die Fluktuation.
ist St. Gallen – zum Beispiel beim Wirtschaftsethiker Ernst von Kimakowitz (siehe Interview), Dozent an der Schweizer Hochschule. Seine Überzeugung: Mitarbeiter, die erfahren, dass ihre eigene Sichtweise gefragt ist, verhalten sich im Job motivierter, produktiver und kreativer. Der Mitte fünfzigjährige Blumenladenbesitzer aus dem Eingangsbeispiel wäre, so Kimakowitz, doch ziemlich blöd, wenn er nicht auf seine Anfang zwanzigjährige Auszubildende höre, die nach dem Valentinstag sagt: »Lass mich aus dem Rest Blumen noch etwas binden, was auch meine Altersgruppe cool findet.« Hinter dieser spontanen Idee steckt vielleicht ein neuer Verkaufsschlager!
Künftige Unternehmenskultur
Grafik (Studie): Hay Group
konservativ – vor allem, wenn es um Führungspositionen für Frauen gehe, berichtet der Direktor des Instituts für Sozialstrategie. Dazu komme: »Frauen in Führungspositionen wollen heute nicht mehr ohne Weiteres auf Familie verzichten«, so der Professor. Die unbedingte Verfügbarkeit im Top-Management gelte nicht mehr – wie landläufig noch angenommen – als besonders erstrebenswert. Global gesehen verantwortet über die Hälfte der Chefs eine miese Stimmung im Büro, wie eine Studie der Hay Group ermittelt hat. Basierend auf einer Umfrage mit 95.000 Führungskräften begründet Thomas Gruhle, einer der Geschäftsführer der Personalund Organisationsberatung, das miserable Ergebnis von insgesamt 55 Prozent. Ursache sei der »direktive Führungsstil« – auf europäischen Chefetagen weit verbreitet. Je unterschiedlichere Führungsstile ein Chef dagegen beherrsche, desto besser sei folglich das Betriebsklima, so die Kernaussage der Studie. Ein kollegialer Umgang in Unternehmen hat für Institutsdirektor Hemel vor allem mit »wechselseitiger Aufmerksamkeit« zu tun. Wer damit rechnet, dass seine Idee beim Chef Gehör findet, wird diese eher äußern, als derjenige, welcher bereits erfahren hat: »Was ich sage, interessiert hier eh keinen.« Die Umsetzung eines kooperativen Führungsstils nehme jedoch sehr viel Zeit in Anspruch, beobachtet Hemel und erklärt dies mit »sich verstärkenden positiven Feedbackschleifen«. Einer der Orte, um unterschiedliche Führungsstile bereits an der Business School kennenzulernen,
Kimakowitz geht es grundsätzlich um eine kooperative Kultur in Unternehmen – weniger um die eine oder andere gemeinsam getroffene Entscheidung. Es gebe Chefs, mit denen ein entgegenkommender Führungsstil nicht umzusetzen ist – »als Mitarbeiter habe ich dann ein echtes Problem«. Kimakowitz’ Empfehlung wäre dann, sich in letzter Konsequenz einen anderen Blumenladen zu suchen. Noch einmal zurück in den Konstanzer Blumenladen, das Geschäft von Monika Röger. Ihre eigene Ausbildung hat sie vor rund dreißig Jahren in Stuttgart gemacht – bei einem der führenden Floristen im Ländle. Ihr dortiger Chef, ebenfalls über fünfzig Jahre alt, pflegte einen deutlich autoritäreren Führungsstil, die Hierarchie und seine Position war im Laden spürbar: »Er ließ nichts und keine andere Meinung außer seiner eigenen gelten«, berichtet Röger. Deshalb fasste sie damals den Entschluss: »So will ich auf keinen Fall werden.« Im kooperativen Führungsstil liegt die Zukunft, mit ihm wächst und gedeiht Innovation innerhalb des Teams. Noch nicht immer, aber immer öfter geht es in der Grünen Branche und anderen Betrieben um mehr als das reine Kalkulieren der Preise und Prüfen von Rechnungen. Auch die Ästhetik zählt und zahlt sich langfristig aus, unter anderem, wenn es um die unterschiedlichen Sichtweisen auf ein und dieselbe Schnittblume, zum Beispiel zum Valentinstag, geht.
Übersicht
Wirkung der Führungsstile auf das Klima
Globale Trends
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Kreieren Ihre Führungskräfte
ein profitables Klima?
55 Prozent der weltweiten Führungskräfte tun dies nicht.
Ein positives Klima kann die Bilanz eines Unternehmens um bis zu 30 Prozent verbessern – und das Klima hängt bis zu 50 Prozent von der Führung ab. Das Klima beeinflusst, wie Menschen das Unternehmen wahrnehmen und wie es sich anfühlt, dort zu arbeiten. Das hat wiederum Auswirkungen auf Faktoren wie Fehlzeiten und Mitarbeiterfluktuation – welche sich gemeinsam auf die Geschäftsergebnisse auswirken. Gehen Sie zu Wirkung der Führungsstile auf das Klima, um mehr darüber zu erfahren, wie Führung das Klima beeinflusst. Gehen Sie zu Globale Trends, um einen Einblick in weltweit genutzte Führungsstile zu bekommen. Gehen Sie zu Ergebnisse, um zu erfahren, wie das Klima die Performance in real existierenden Unternehmen beeinflusst. Um weitere Informationen zu erhalten, besuchen Sie atrium.haygroup.com/de oder schreiben Sie eine E-Mail an PS-WebGermany@haygroup.com
Übersicht
Wirkung der Führungsstile auf das Klima
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Lernen Sie, das
richtige Klima zu erzeugen
Führungskräfte beeinflussen das Klima durch den Umgang mit Ihren Mitarbeitern: ihren persönlichen Führungsstil. Hay Group hat die sechs Führungsstile identifiziert, die nachweislich den größten Einfluss auf das Klima innerhalb eines Teams haben.
In Organisationen mit positivem Klima und hoher Leistung nutzt ein Großteil der Führungskräfte eine Kombination aus drei oder mehr Führungsstilen – normalerweise eine Mischung aus Visionärem, Zusammenhalt Förderndem, Partizipativem und Coachendem Führungsstil.
In Unternehmen, in denen das Klima demotivierend ist, nutzen Führungskräfte, die nur einen oder zwei Führungsstile – vor allem den Direktiven und Perfektionistischen Führungsstil, die beide auf kurzfristigen Erfolg abzielen.
Um weitere Informationen zu erhalten, besuchen Sie atrium.haygroup.com/de oder schreiben Sie eine E-Mail an PS-WebGermany@haygroup.com
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Events
Wir haben das passende Format für Ihre Anzeigenschaltung! Nähere Infos erhalten Sie unter:
18.–22.05.
And the Oscar goes to …
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Danke für etwas mehr Aufmerksamkeit! Ihre Bella Plant
20.–24.05.
The World Flower Show
Fotos: ina Kleinwächter, rhs Images, Messe Essen gmbh, Chip Communications GmbH
ren ein trostloses Dasein. Neben Nichtbeachtung und kalter Rücksichtnahme auf unsere Kandidaten für den »Besten Schnitt« sind wir im Drehbuch von »Schöner Wohnen« für die »Besten visuellen Effekte« auch nicht vorgesehen. Nein, ich möchte hier nicht »Waterloo«-, »Troja«- oder »All Is Lost«-Stimmung aufkommen lassen, aber die »Quo Vadis«-Frage gilt es zu lösen. Unser Beitrag für die Kategorie »Beste Regie« wäre zum Beispiel die Romanze mit Erfolgspotenzial »Transformers Plant – Wiederkehr der Topfpflanzen« mit der Rosenkalanchoe ›Queen‹ und der Sanseverie ›Famous Handshake‹ in den Hauptrollen. Ein bisschen Ruhm in den Kategorien »Bestes Make-up« oder »Bestes Szenenbild« täte uns auch gut und würde den Einspielergebnissen zugutekommen.
aboservice@fleurop.de
Okay, nicht jedes Blumengeschäft ist großes Kino. Aber hier wie dort gibt es sie, die Hauptdarsteller, und leider auch uns Statisten. Statistisch gesehen fallen wir unter Lückenbüßer, mit so coolen Namen wie ›Einblatt‹, ›Flammendes Käthchen‹, ›Efeutute‹ oder ›Helmut Vogel‹, wobei letztere Bezeichnung zugegebenermaßen eher an deutsche Altbundeskanzler erinnert. Obwohl es mit der Phalaenopsis, der »Madame Butterfly« unter den Topfpflanzen, sogar eine aus unseren Reihen geschafft hat – aber so richtig gehörte sie eben nie zu uns. Die Kategorie »Beste Außendarsteller« mit den nominierten Newcomern aus der Gattung Mandevilla lassen wir mal (dr)außen vor. Drinnen dreht sich alles um ›Swan Lake‹, ›Red Naomi‹, ›Dolce Vita‹, ›Art Deco‹, ›Million Star‹, ›Maserati‹ und ›Ferrari‹ sowie ›Fragrance Delicious‹ und ›Twilight Vampire‹, um nur einige zu nennen. Wir anderen armen Tropfe mit Topf fühlen uns eher wie in Smaugs Einöde aus »Der Hobbit« und füh-
April – Juni
Dublin (Irland) Bei der nur alle drei Jahre stattfindenden Show zeigen dieses Mal 600 Floristen aus 31 Ländern ihr beeindruckendes Können.
RHS Chelsea Flower Show
www.wafaireland.com
www.rhs.org.uk/chelsea
14.–22.06.
London (Großbritannien) Eine Ausstellung der Superlative für alle Gärtner und Gartenliebhaber. Die aufwendig gestalteten Schaugärten und Themenwelten begeistern.
23.–26.04. 09.–10.04. FloraHolland Spring Fair
Aalsmeer (Niederlande) Für Exporteure ist diese Handelsmesse eine tolle Gelegenheit, an einem einzigen Ort das gesamte Frühlings- und Sommersortiment zu sehen. www.floraholland.com/de
26.–27.04. Hortiflorexpo IPM
FDF-Landesmeisterschaft der
bundesweit Botanische Gärten im ganzen Land beteiligen sich an der Aktionswoche unter dem Motto »Pflanzen ernähren die Welt«.
Peking (China) Auf einer der bekanntesten Gartenbaumessen Chinas präsentieren sich auch deutsche Unternehmen. Der Ausstellungsort wechselt jährlich zwischen Peking und Shanghai.
Gießen Vier Wettbewerbsaufgaben müssen von den neun Teilnehmern bewältigt werden. Der Sieger fährt zur Deutschen Meisterschaft 2014.
www.verband-botanischer-gaerten.de
www.hortiflorexpo-ipm.com
hessen.fdf.de
Woche der Botanischen Gärten
Floristen in Hessen
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Impressum Herausgeber Fleurop ag
Manfred Hoffmann
Anschrift Fleurop ag lindenstraße 3–4 12207 Berlin Tel.: 030 / 713 71-0
Der Düsseldorfer Floristmeister Manfred Hoffmann ist für den Fachverband Deutscher Floristen (FDF) als Kreativdirektor tätig und auch sonst in viele berufsständische Projekte involviert. Außerdem führt er in seiner Heimatstadt zwei Blumenfachgeschäfte unter dem Namen »A la Casa del Fiore«.
Magazin- und Anzeigenleitung Winnie maria lechtape (v.i.S.d.P.) lindenstraße 3–4 12207 Berlin winnie.lechtape@fleurop.de Tel.: 030 / 713 71-213
4 Was schätzen Sie besonders an der floristischen Handwerkskunst? Mir gefällt, wie individuell und einzigartig sie ist. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Menschen mit Blumen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
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5 Würden Sie lieber das Matterhorn besteigen oder durch den Ärmelkanal schwimmen? Weder noch, den Kick brauche ich nicht. Das Leben hält so viele andere erfüllende Herausforderungen für mich bereit.
Foto: Manfred Hoffmann
Welcher Kindheitstraum ist Ihnen in Erinnerung geblieben? Sooo viele! Und das Träumen hat noch nicht aufgehört!!!
3 Was muss Ihrer Meinung nach für den Berufsstand der Floristen getan werden? Aus meiner Sicht ist entscheidend, dass sich die Kräfte in der Branche bündeln. Es gibt wichtige und starke Organisationen wie den Fachverband Deutscher Floristen und Fleurop, die sich engagiert und kompetent für die Branche einsetzen. Dadurch entsteht ein großes Potential – eindrucksvoll erlebbar bei der Deutschen Meisterschaft der Floristen in Berlin. Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen, wenn es um die Außendarstellung unserer Branche mit größtmöglicher Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit geht.
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Fotografen Bernhard Kägi Peter Johann Kierzkowski Illustrationen Sedef Tunc Druck mundschenk Druck+medien mundschenkstraße 5 06889 lutherstadt Wittenberg
Redaktion Yvonne eißler (yei) Sten Seliger (sts)
www.facebook.com/greenmagazin
1 In welcher Stadt möchten Sie gerne mal leben? Grundsätzlich möchte ich immer dort sein, wo ich mein Leben mit der Familie und Freunden teilen kann. Ansonsten favorisiere ich Matera in Süditalien, dessen großartige Altstadt eins geworden ist mit der umgebenden Natur.
Grafik antje Zickuhr madlen albrecht
mitarbeit an dieser ausgabe: Jan Thomas otte
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