Greenpeace Magazin 02/19

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Greenpeace Member Nr. 02  / 19

Hintergrund

Umdenken auf dem Hof S. 26

Boden gut, alles gut

Debatte

In den Schweizer Ställen rumort es S. 31


Editorial

Kamera des Mobiltelefons öffnen und das Magazin ­online ­anschauen.

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Während es draussen grünt und blüht, halten Sie, liebe Mitglieder, unser neu gestaltetes ­Magazin in den Händen. Der Frühling entfaltet sich in voller Pracht: Pflanzen spriessen aus dem ­Boden, glasklare Bächlein ­bahnen sich ihren Weg durch Täler und Kühe grasen auf grünen, ­saftigen Wiesen. Dies ist das Bild der Schweizer Landschaft und ihrer ­Landwirtschaft, wie es in vielen Köpfen ver­ankert ist – nur entspricht es leider selten der Realität. In dieser Ausgabe ­widmen wir uns deshalb dem Thema Landwirtschaft – und wie sie sein könnte (ab Seite 14). Denn in der vermeintlich idyllischen Schweiz rumort es in den Ställen: Der intensive Anbau führt zu Biodiversitätsverlust, Düngerrückstände verschmutzen ­unsere Gewässer und es werden immer noch zu viele Tiere für die Fleisch- und Milchproduktion gehalten. Kurz: Die Landwirtschaft unseres Landes ist nicht wirklich top. Was wirklich «TOP» ist, zeigt die gleichnamige Vision von Greenpeace, die wir ab Seite 28 vorstellen: ein ­tierfreundliches und ökologisches Produktionssystem. Damit Visionen Wirklichkeit werden, braucht es Sie. Unser neues Magazin soll Sie dazu motivieren – unterschreiben Sie die Gletscher-Initiative in der Mitte des Heftes, engagieren Sie sich als Freiwillige (Seite 7, 8) oder berücksichtigen Sie Greenpeace im Testament (Seite 33). Wir wünschen Ihnen neue Erkennt­ nisse beim Durchblättern! Ihre Redaktion


Die Bodengutmacher

Inhaltsverzeichnis

Reportage Sind unsere Äcker noch zu retten? Zwei findige Bauern versuchen es – mit schwarzer Erde und grünen Würmern. Ein Hofbesuch.

S. 14

International

Aktuell

Grosses Engagement für die Grosse Bucht

Plastikkrise made in Switzerland

S. 10

S. 12

IMPRESSUM GREENPEACE MEMBER 2 / 2019

Herausgeberin / Redaktionsadresse: Greenpeace Schweiz Badenerstrasse 171 Postfach 9320, 8036 Zürich Telefon 044 447 41 41 redaktion@greenpeace.ch www.greenpeace.ch Redaktionsteam: Tanja Keller (Leitung), Manù Hophan (Bildredaktion), Thomas Mäder (Redaktion) Korrektorat/Lektorat: Text Control, Marco Morgenthaler Autoren: Christian Schmidt, Thomas Mäder, Danielle Müller, Pieter Poldervaart, Tanja Keller Fotos: Andri Pol, Isabel Truniger, Anja Wille Schori Illustrationen: Jörn Kaspuhl, Benjamin Güdel, Alina Günter, Ruedi Widmer Gestaltung: Raffinerie Druck: Stämpfli AG, Bern Papier, Umschlag und Inhalt: 100 % Recycling

Druckauflage: d 82 000, f 16 000 Erscheinungsweise: viermal jährlich Das Magazin Greenpeace geht an alle Mitglieder (Jahresbeitrag ab Fr. 84.–). Es kann Meinungen enthalten, die nicht mit offiziellen Greenpeace-Positionen übereinstimmen.

Stimmt Ihre Adresse noch? Planen Sie einen Umzug? Wir nehmen Änderungen gerne entgegen: schweiz@greenpeace.org oder 044 447 41 71 Spenden: Postkonto 80-6222-8 Online-Spenden: www.greenpeace.ch/spenden SMS-Spenden: Keyword GP und Betrag in Franken an 488 (Beispiel für Fr. 10.–: «GP 10» an 488)

Aktion

S. 4

Fortschritt

S. 6

Taten statt Worte

S. 7

Engagement

S. 9

International

S. 10

Aktuell

S. 12

Zahlen & Fakten

S. 13

Reportage

S. 14

Das steckt dahinter

S. 25

Hintergrund

S. 26

Rezept

S. 30

Debatte

S. 31

Aufgedeckt

S. 33

Mein grüner Wille

S. 33

Rätsel

S. 34

Schlusswort

S. 35


Aktion

Plastikmonster kehrt zum Verursacher zurück Über 60 Greenpeace AktvistInnen und Freiwillige bringen ein 20 Meter langes Ungeheuer aus Plasikverpackungen zum Hautpsitz von Nestlé zurück. Ihre Botschaft ist klar, «Nestlé: stop single use plastic». Vevey, Schweiz, 16. April 2019

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Photo: © Greenpeace / Miriam Künzli

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Der weltgrösste Palmölhändler Wilmar unternimmt einen wichtigen Schritt gegen die Regenwaldabholzung. Der asia­ tische Konzern hat nach einer jahrelangen Greenpeace-­ Kampagne einen Massnahmenplan vorgelegt, der unter an­ derem vorsieht, dass die Palmöllieferanten mit Satelliten überwacht werden. Den Orang-Utans gibt dies eine Ver­ schnaufpause. Ob sich Wilmar an seine Pläne hält, wird Greenpeace genau kontrollieren.

Bild: © Markus Mauthe / Greenpeace

Verschnaufpause für die Orang-Utans

Der französische Konzern Total muss seine Ölbohrpläne im Mündungsgebiet des Amazonas aufgeben. Wissenschaftler­ Innen hatten dort ein einzigartiges, artenreiches Korallenriff entdeckt. Greenpeace wehrte sich in der Folge zusammen mit über zwei Millionen Menschen weltweit gegen die Bohr­ pläne von Total. Nach drei Jahren ist jetzt ein Durchbruch ­gelungen: Die brasilianische Regierung hat dem Ölkonzern die Bohrerlaubnis verweigert. Greenpeace arbeitet nun ­daran, dass das Naturwunder Amazonas-Riff unter Schutz gestellt wird.

Bild: © Cynthia Carvalho / Greenpeace

Total-Abfuhr im Amazonas

Deutschland steigt aus der Kohle aus. Nach zähem Ringen hat sich die Kohlekommission auf einen Kompromiss geeinigt: Bis 2038 ist in Deutschland endlich Schluss mit der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle. Viele Kraftwerke gehen bereits bis 2022 vom Netz. Und der symbolträchtige Hambacher Forst, von den Aktivistinnen und Aktivisten liebevoll «Hambi» genannt, bleibt ­erhalten. Das Waldstück sollte einer Kohlengrube weichen, was einen Massenprotest ausgelöst hat, an dem sich Greenpeace Deutschland beteiligte. Martin Kaiser, Geschäftsfüh­ rer von Greenpeace Deutschland, spricht von einer «historischen Zäsur», gibt aber zu bedenken, dass das Enddatum 2038 zu spät ist. Für die Einhaltung des Pariser Klima-­ Abkommens müsste bereits 2030 das letzte deutsche Kohlekraftwerk vom Netz.

Bild: © Kevin McElvaney / Greenpeace

«Hambi» bleibt, Kohle geht

Fortschritt


«Es gibt kein Rezept, wie man sich einbringt. Wichtig ist, es einfach zu tun.»

Taten statt Worte

Céline Pfister, Vorstandsmitglied Gletscher-Initiative

Text: Tanja Keller, Greenpeace Schweiz

Klimaschutz begleitet Céline ­Pfister von Kindesbeinen an: Ihr Vater betreibt zusammen mit der Familie Hunkeler auf seinem Hof seit 15 Jahren die grösste land­ wirtschaftliche Biogasanlage des ­Kantons Luzern. Heute produziert diese Strom für 1000 Haushalte. Céline interessiert sich früh für P ­ olitik, liest Zeitung. Heute studiert sie Internationale Beziehungen. Einer Partei beizutreten, ist für sie kein Thema – zu wichtig ist ihr ihre Unabhängigkeit: «Ich will nicht schubladisiert werden», sagt die 21-Jährige. Darum wird sie gleich hellhörig, als sie von der Gletscher-­Initiative erfährt – dem Volksbegehren, das die hiesige ­Politik auf Kurs bringen will mit

dem Pariser Klima-Abkommen – und dessen Trägerverein Klimaschutz Schweiz. Dieser ist überparteilich und wird von einer breiten BürgerInnenbewegung getragen, vom Förster über den Gletscherforscher bis zum Profi-Alpinisten. Im Januar wird Céline in den Vereinsvorstand gewählt – als ­dessen jüngstes Mitglied. Ihr Ressort: die Zusammenarbeit mit ­PolitikerInnen. «Die Dringlichkeit von Klimaschutz ist so was von klar», ist Céline überzeugt. Entsprechend beschränkt sich ihr Engagement nicht aufs Knüpfen von Beziehungen im Hintergrund. Sie trägt ihre Anliegen auch auf die Strasse, beteiligt sich an den Klima­streiks. «Das ist eine riesige Chance, legitime Forderungen junger Gene­

rationen nach aussen zu tragen.» Gleichzeitig will sie selbst ein ­Vorbild sein, sich verantwortlich zeigen für ihr eigenes Handeln. Ihre grösste Hoffnung: Dass das Fliegen die gesellschaftliche Akzeptanz verliert, ein so schlechtes Image bekommt wie das Rauchen. Welches das wirksamste ­Engagement fürs Klima ist, darauf will sich Céline nicht festlegen: «Es gibt kein Betty-Bossi-Rezept, wie man sich einbringen kann. Wichtig ist, es einfach zu tun.» Unterschreiben Sie die Gletscher­ Initiative in der Mitte des Heftes. Illustration Seite 7/8: Jörn Kaspuhl arbeitet meistens mit Papier und Stift und braucht den Computer nur, um die verschiedenen Elemente zusammen­zufügen. 2008 schloss er sein Studium an der Universität in Hamburg als ­Illustrator ab. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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«Das zukünftige Wirtschaftssystem hängt von einer gesunden Biosphäre ab, nicht umgekehrt.»

Taten statt Worte

Marcus Williams, Freiwilliger bei Actares

Text: Tanja Keller, Greenpeace Schweiz

Als Kind träumt Marcus Williams von den Sternen, von fernen Pla­ neten und fremden Galaxien. Er ­verfolgt, wie Apollo 11 auf dem Mond landet und wie die Astro­ nauten die Erde aufgehen sehen. Das Bild des verletzlichen, Blauen Planeten aus dem All brennt sich in sein Inneres ein. Doch solche Gedanken legt er dann erst einmal beiseite. Nach einem Biophysik-­ Studium macht er Karriere in der Wirtschaft, erst in der Industrie, später im Finanzbereich. Während sich Marcus die Karriereleiter hocharbeitet, arbei­ tet es auch in ihm. Er setzt sich mit der «Great Transition Initiative» auseinander, einer umfassenden Perspektive für die Zukunft der

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Menschheit, vertieft sich in die ­Arbeit des renommierten Resili­ enz-Forschers Johan Rockström über die Belastungsgrenzen der Erde. Mehr und mehr wird ­Marcus der prekäre Zustand un­ serer Umwelt bewusst. Und je mehr er sich mit der Thematik ­befasst, desto stärker befällt ihn ein Gefühl von Machtlosigkeit. Er fühlt sich wie gelähmt, weil sein ­eigener Anspruch nach Verände­ rung so gross wird. Nach einem Burnout gibt sich Marcus einen Ruck und tritt verschiedenen Nachhaltigkeits­ bewegungen bei. Eine Auszeit auf einem Biohof bestärkt ihn zusätz­ lich auf seinem Weg. Den Stein ganz ins Rollen bringt schliesslich die Begegnung mit dem indigenen Volk der Achuar im Amazonas.

Beeindruckt von der Weltsicht und Spiritualität dieses Volkes wird Marcus selber aktiv und tritt als Freiwilliger Actares bei, einer Vereinigung von Aktionärinnen und Aktionären für nachhaltiges Wirtschaften. Actares überwacht, dass sich Schweizer Konzerne auch im Ausland umweltbewusst, nachhaltig, sozial und gerecht ver­ halten. Marcus übernimmt diese Aufgabe für den Zementriesen LafargeHolcim. Denn mittler­ weile ist für ihn klar: «Das zukünf­ tige Wirtschaftssystem hängt von einer gesunden Biosphäre ab und nicht umgekehrt.»


Bild: © Bea Eigenmann

Engagement

Reden hilft

hinter der ich wirklich stehe.» Dass sie für die The­ men von Greenpeace brennt, merkt man spätestens, als eine Dame mittleren Alters sich auf ein Gespräch einlässt: Als hätte sie nie irgendwo anders gearbeitet, erzählt Tina der Frau alles, was es zu Greenpeace Die Dialogerinnen und Dialoger von zu wissen gibt – von «A» wie Arktis bis «U» wie unabhängig. Greenpeace stehen täglich bei In diesem Fall reicht Tinas Leidenschaft für Wind und Wetter im Kontakt mit den Umweltschutz nicht aus, um die Dame an­ Passantinnen und Passanten. Wir zustecken – sie geht nach dem Gespräch weiter, ohne haben sie bei ihrer Arbeit begleitet. eine Mitgliedschaft abzuschliessen. Für Tina trotz­ dem keine verlorene Zeit: «Es sind immer schöne Text: Danielle Müller , Greenpeace Schweiz Momente, wenn man sich mit Menschen unterhalten kann, die sich für die Thematik interessieren.» Dass «Ich habe Glace dabei, ich muss nach Hause», nu­ dies auch nicht immer Erwachsene sein müssen, schelt ein Herr mit gesenktem Blick und geht eiligen zeigt sich ein paar Minuten später, als ein Mädchen Schrittes weiter. Eine Mutter mit zwei Kindern dreht und ein Junge neugierig am Stand nachfragen, was sich kurz um und meint entschuldigend: «Gerade man denn hier so machen könne. Über das Interesse habe ich keine Zeit, aber nachher, okay?» Ein etwas von Kindern freut sich Tina besonders. «Ich hatte gestresst wirkender Herr nimmt sich trotzdem einen mal zwei kleine Mädels hier, deren Mamis einkaufen kurzen Moment Zeit, hört zu, erklärt dann aber: waren. Denen habe ich dann eine halbe Stunde von «Ich spende bereits beim WWF» – und schon ist auch Greenpeace erzählt», erinnert sie sich lachend. Die er wieder weg. Erwachsenen von morgen sind für die Zukunft Wer als DialogerIn arbeitet, braucht eine dicke schliesslich genauso wichtig. Haut. Dessen war sich auch die 32-jährige Tina be­ wusst, die am heutigen Tag an einem Stand im Ber­ ner Einkaufszentrum «Wankdorf Center» poten­ zielle Greenpeace-Mitglieder anspricht. «Ich habe Fünf Gründe, warum mir das am Anfang ziemlich schwierig vorgestellt, Sie sich beim dass die Menschen einfach an einem vorbeigehen», nächsten Mal auf ein Gespräch erzählt die gebürtige Thüringerin, «und ich musste erst lernen, Menschen mit einer bestimmten Absicht einlassen sollten: ­anzusprechen.» Wenn man da aber erst mal drin ist, «merkt man, dass die Arbeit total spannend ist, vor allem weil sie viel mit Psychologie zu tun hat. So konnte ich auch viel über mich Weil Greenpeace1 selber und meine Ausstrahlung DialogerInnen gerne auch lernen.» bestehende SpenderInnen über Tina begann vor zwei Jah­ unsere aktuellen Kampagnen ren neben ihrer Arbeit als Kine­ informieren. siologin mit dem Dialogen, seit fünf Monaten arbeitet Weil es wenig spannendere 2 sie für Greenpeace. Gesprächsthemen Anders als bei anderen gibt als den Umweltschutz NGOs sind die Direct Dialogue Campaigner 3 Weil Greenpeace von Greenpeace direkt nur dank ihren SpenderInnen bei der Umwelt­organi­ unabhängig ist sation angestellt und arbeiten eng mit dem Team Weil Sie damit 4 am Hauptsitz in Zürich zu­ einem engagierten Menschen ein sammen. Ein Faktor, der Lächeln aufs Gesicht zaubern Tina wichtig ist: «Für 5 mich war klar: Wenn Weil Sie auch in ich den Beruf länger­ einer halben Stunde wieder fristig mache, dann nur einen Zug haben bei einer Organisation, Haben Sie Lust, jeden Tag Menschen zu inspirieren? Mehr Infos unter: greenpeace.ch/magazin/dialoger

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International

GROSSES

ENGAGEMENT FÜR DIE GROSSE BUCHT

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Bild: © Greenpeace / Dale Cochrane; © Michaela Skovranova

Schwimmender Protest: Die EinwohnerInnen von Apollo Bay wehren sich gegen Ölbohrungen in der Grossen Australischen Bucht.


Greenpeace dokumentiert das faszinierende Unterwasserleben in der Grossen Australischen Bucht: Ein Seeleopard setzt sich in Szene.

Die Grosse Australische Bucht ist bedroht durch Ölbohrungen. Dagegen wehren sich die KüstenbewohnerInnen und Greenpeace. Text: Thomas Mäder, Greenpeace Schweiz

«Ich habe gelernt, dass man mit dem Zusammenbringen verschie­ dener Gemeinschaften einen wirk­ lichen Unterschied machen kann», sagt Grace. Die 16-jährige Schüle­ rin hat im australischen Küstenort Apollo Bay einen schwimmenden Protest gegen ­Ölbohrungen orga­ nisiert. Sie ist überwältigt, wie ­viele der rund 1500 Einwohnerinnen und Einwohner ihres Heimatorts an der australischen Südküste am Protest mit Kajaks, Surfbrettern und Segelschiffen teilnehmen an diesem regnerischen, windigen ­ Tag im November. «Fight for the Bight» lautet das Motto des Pro­ tests: «Kämpfe für die Bucht» – die Grosse Australische Bucht.

Einzigartiges Ökosystem Neben den kleinen Kähnen der Apollo-Bay-BewohnerInnen be­ teiligt sich auch ein grosses Segel­ schiff am Protest: die Rainbow Warrior, Flaggschiff der Green­

peace-Flotte. Sie ist auf einer Er­ kundungstour durch die Grosse Australische Bucht unterwegs. Das riesige Meeresgebiet ist ein Zufluchtsort für Wale, beheimatet ein grosses und buntes Kaltwas­ serriff und diverse kleine, einzig­ artige Unterwasser-Ökosysteme. Verschiedene Unternehmen wol­ len in dem Gebiet nach Öl bohren. Die Bohrungen würden das fra­ gile Meeresleben in der Bucht ­gefährden. Für den Schutz der Grossen Australischen Bucht setzt die Rainbow-Warrior-Crew neben der Zusammenarbeit mit Enga­ gierten vor Ort wie auf die Kraft der Bilder. Mit an Bord ist neben Meereswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern eine Filmcrew. Das Team erforscht Orte, an denen niemand zuvor war, und zeigt die faszinierende Schönheit dieses ein­ zigartigen Meeresgebiets. Schiffs­ offizierin Maria ist besonders be­ eindruckt von ihrer Begegnung mit einem seltenen Fetzenfisch auf einem der Tauchgänge. «Ich möch­ te, dass auch andere Menschen

diese Kreatur in Zukunft noch se­ hen können», sagt sie.

Lebenselixier der Küstenbewohner Während die Rainbow Warrior auf ihrer Erkundungstour die Schönheit der Grossen Austra­ lischen Bucht dokumentiert, ver­ fasst Grace einen kämpferischen Beitrag für die Gemeinde-Website von Apollo Bay: «Für uns ist der Ozean mehr als nur ein schöner Blickfang. Er ist das Lebenselixier unserer Gemeinschaft. Viele der Familien hier in Apollo Bay leben vom Tourismus und vom Fisch­ fang.» Und sie ist überzeugt: «Wenn genügend Menschen darü­ ber reden, dass die Bucht geschützt werden muss vor Ölbohrungen, werden die Politikerinnen und ­Politiker zuhören.»

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Plastikkrise made in Switzerland

Greenpeace dokumentiert die Plastikverschmutzung der Philippinen. Und zeigt, wer dafür verantwortlich ist. «Das Wasser war fast schwarz. Korallen und Fische sah ich keine, stattdessen überall Plastikmüll.» Froilan Grate ist schockiert, als er mit 18 zum ersten Mal die Bucht von Manila erblickt. Zuvor hat er seine Heimatinsel auf den Philippinen verlassen, um in der Hauptstadt zu ­studieren. Als er die vermüllte Bucht sieht, weiss er, dass er seine Heimat vor der Plastikkrise schützen muss. Heute ist Grate Direktor der NGO GAIA, die sich genau diesem Ziel verschieben hat – zusammen mit Greenpeace und vielen weiteren Organisationen, die sich zur

globalen Bewegung «Break Free From Plastic» zusammengeschlossen haben. Im Frühling dieses Jahres ist ­Froilan Grate mit Greenpeace auf der Rainbow Warrior in seinem Heimat­ land unterwegs. Die Mission der Schiffs­ tour: die Plastikkrise dokumentieren und die Bevölkerung mit Schiffsanläs­ sen informieren. Neben eindrücklichen Bildern der Verschmutzung bringen die Rainbow-Warrior-Crew und GAIA auch Daten mit von der Tour. Daten, die eine klare Sprache sprechen. Ein Viertel des untersuchten Plastikmüll-Bergs stammt von zwei grossen globalen Kon­ sumgüter-Konzernen: Unilever und dem Schweizer Konzern Nestlé. Froilan Grate sieht sie in der Verantwortung: «Die Firmen, die das Plastikmonster nähren, müssen ihre leeren Verspre­ chungen endlich in die Tat umsetzen und Mehrweglösungen implementieren.»

Unterschreiben Sie hier für weniger Plastik

Die Plastikkrise bedroht die Artenvielfalt in der Isla-Verde-Strasse in den Philippinen: Eine Krabbe hat sich in einem Plastik-­ becher verfangen.

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Bild: © Greenpeace / Noel Guevara

Aktuell


Saubere Banken dringend gesucht

Es klingt wie der Traum gestresster Hausmänner und -frauen: Plötzlich steht eine Putzkolonne da und reinigt Scheiben und Böden blitzblank. Bei Filialen von Credit ­Suisse und UBS in fünf grossen Schweizer Städten ist Mit­ te Februar genau das passiert. Bei den fleissigen Putzleuten handelt es sich um Freiwillige der Greenpeace-Regional­ gruppen, und die scheinbar nette Geste hat einen ernsten Hintergrund: Die Freiwilligen machten mit der Aktion da­ rauf aufmerksam, dass die beiden Schweizer Grossbanken etwas mehr Transparenz dringend nötig hätten. UBS und Credit Suisse tragen mit ihren Finanz­ geschäften massgeblich zur Klimakrise bei: 2017 haben sie einen Treibhausgas-Ausstoss von umgerechnet 94 Millio­ nen Tonnen CO2 finanziert – doppelt so viel wie der gesam­ te Treibhausgas-Ausstoss der Schweiz im selben Zeitraum, und das allein im Bereich derjenigen Brennstoffe, die be­ sonders schädlich sind fürs Klima. Das zeigt ein Bericht, den Greenpeace Schweiz zuvor veröffentlicht hat. Greenpeace fordert die zwei Grossbanken auf, noch dieses Jahr der Öffentlichkeit verbindlich aufzuzeigen, wie sie ihre Finanzströme mit dem Pariser Klima-Abkommen in Einklang bringen wollen. Zudem braucht es einen sofor­ tigen Ausstieg aus der Finanzierung von Unternehmen, die mit Kohle und Teersand handeln.

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Bild: © Greenpeace / Pascal Städeli

Aktuell

60 Arten Auf einem Quadratmeter Schweizer Wiese wuchsen einmal bis zu 60 verschiedene Pflanzenarten. Auf einer heutigen intensiv gedüngten Raigraswiese sind es etwa 5.

100 Prozent Eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zeigt: Bio kann die Welt ernähren, wenn die Menschheit weniger Fleisch isst und ­weniger Essen verschwendet. Vor allem der Verzehr von Schweine- und Hühnerfleisch müsste radikal reduziert werden – Kühe spielen eine wichtige Rolle bei der Nutzung von artenreichem Grasland. Für die Umwelt wäre eine 100-Prozent-­ Biowelt enorm positiv.

10 000 Jahre Die Böden, die wir heute nutzen, sind seit der letzten Eiszeit entstanden. Die Bildung eines 30 Zentimeter tiefen Bodens dauert 1000 bis 10 000 Jahre. Zerstört ist er mit Bagger und Asphalt in ein paar ­Minuten.

1 Teelöffel Der schweizerisch-chinesische Konzern Syngenta stellt weiterhin das hochgif­ tige Herbizid Paraquat her, das in der Schweiz seit 29 Jahren nicht mehr zugelassen ist. Ein Teelöffel reicht, um einen Menschen zu töten. Wer es anwendet, riskiert Lungen- und Nierenschäden ­sowie Parkinson.

220 Liter Die Herstellung von Stickstoff-Kunstdünger braucht viel Energie: 220 Liter Öl für 100 Kilo Stickstoff. Das ist etwa der Jahresbedarf einer Hektare, wenn nur Kunstdünger eingesetzt wird. Der Biolandbau kommt ohne aus.

Zusammengestellt von Bettina Dyttrich, Redaktorin der Wochenzeitung WOZ mit den Schwerpunkten Ökologie und Landwirtschaft.


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Reportage

DIE

BODEN GUT MACHER Sind unsere Äcker noch zu retten? Zwei findige Bauern versuchen es – mit schwarzer Erde und grünen Würmern. Ein Hofbesuch. Text: Christian Schmidt Fotografie: Andri Pol


«Regenerative Landwirtschaft»? Mit Fremdwörtern müsse man ihm nicht kommen, sagt Franz Keiser und stemmt die Arme in die Hüften. Ein kalter Wind pfeift ihm an diesem Februartag durch den struppigen Bart. Wir stehen auf seinem Hof «Wies» im Zuger Hinterland, links das Bauernhaus. Von der anderen Seite des ­Strässchens ist das Mahlen, Knirschen und Seufzen einer Anlage zu hören, die an die selbstgebaute Kreuzung eines Bergwerks mit einer Mondrakete erinnert: Förderbänder, dickbauchige Rohre, Tanks, Trichter. Die Anlage ist auch der Grund unseres Besuchs, eben, weil sie mit regenerativer Landwirtschaft zu tun hat. Und wir sind auch nicht die Ersten, die sich das anschauen. «Tausende» hätten ihm bereits gratuliert, seien aus Brasilien und Australien zu ihm gekommen, «doch da devo hani nonig gfrässe». Franz Keiser, Bau­ er und Tüftler, «Spinner und Prophet», wie er sich selbst sieht, hat es nicht leicht. Seine Maschine könnte so viel Gutes tun, doch «Geld macht man auf dieser Welt mit Problemen, nicht mit Lösungen».

Die Haut des Planeten löst sich auf

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Bevor Keiser den Grund für seine Berühmtheit vorführt, muss er ein paar Dinge erklären, «die Zusammenhänge». Also lässt er ­seinen Arm über die Gegend schweifen, deutet in die Ferne, und sagt: «Unser Planet verliert 24 Milliarden Tonnen Humus jedes Jahr.» Erodiert durch Wind und Wasser, versiegelt durch Asphalt und B ­ eton, versalzen und versandet. Das sind drei Tonnen pro Erd­ bewohner. Die äusserste Schicht unseres Planeten löst sich auf. Der Untergrund, auf dem unser tägliches Brot wächst. Keiser sagt es nicht, aber es ist klar: Wie sollen wir uns da in Zukunft ernähren? Diese Zusammenhänge musste auch er erst verstehen ler­ nen. Auf Druck des Bundes war Keiser, Sohn eines Obstbauern, zum Milchbauern konvertiert, was natürlich in einem finanziellen Desaster endete, weshalb er nach Auswegen suchte und einen Kurs für professionelles Kompostieren besuchte. Bei einer Frau. «Was will denn diese Märlitante?», sagten die anderen Bauern im Kurs, aber ihm fuhr gehörig ein, was sie erklärte. «Zum ersten Mal hat jemand mir auf verständliche Art die Natur erklärt. Das hat mich fast zerrissen.» Keiser machte darauf «einen riesigen inneren Pro­ zess» und begann sein Geld mit Kompost zu verdienen. Und tut es heute noch. Entlang des Strässchens zu seinem Hof verrottet ton­ nenweise Grüngut. Mehrere hundert Meter sind es. Als hätte ein Schneepflug seinen Job gemacht, nur ist der Schnee braun. Mit sei­ nem Humus gibt Keiser dem Planeten zurück, was er verloren hat. Doch Humus allein genügt ihm nicht. Denn Humus ist nicht gleich Humus. Es gibt guten Humus, sehr guten und es gibt Keisers Humus. Weshalb er diese seltsame Anlage betreibt. Wir gehen hin.

Was die «Märlitante» sagte, hat ihn «fast zerrissen»: Bauer Franz Keiser. Regenerativ ist das neue «nachhaltig»: fertige Pflanzenkohle.


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Holzverdauungsmaschine Ein Förderband transportiert Holzschnitzel ins Innere des stöhnen­ den Apparats. Nach einigem Hin und Her in dessen grossen Bauch, inklusive viel Hitze, die gleichzeitig Keisers Haus heizt, trennen sich die Holzschnitzel in Gas, Reststoffe und ihr Skelett aus Lignin- und Zellulosefasern auf. Das Resultat dieses Prozesses – Pyrolyse ­genannt – zeigt sich quasi am Darmausgang der Maschine. Aus ­einem langen Rohr fallen die Verdauungsreste heraus, schwarz wie die Nacht, im Format zwischen Streichholz und Fünfräppler: reins­ te Pflanzenkohle. Oder anders gesagt: jener wertvolle Zusatz zu ­Keisers Humus, der dank seiner porösen Struktur den Milliarden von bodenbewohnenden Kleinstlebewesen zum Refugium wird und ihnen gleichzeitig zur Einlagerung von Nährstoffen dient. Es ist jener Zusatz, der den Humus zum Schwamm macht und ihn so viel Wasser speichern lässt wie sonst nie möglich. Der dem Vieh ins Futter gemischt werden kann zwecks Regulierung der Verdauung. Der die Bodenstruktur nachhaltig verbessert und damit Erträge steigert und so weiter. Der also zusammenfassend tut, was Keiser partout nicht verstehen will: Er regeneriert die Landwirtschaft. An die zweieinhalb Kubik Pflanzenkohle produziere er jeden Tag, sagt Keiser – sofern alles funktioniert. Was nicht immer garantiert ist, weshalb der Bauer 24 Stunden auf Trab ist, jede Nacht das Ehebett verlässt und zum Rechten schaut. Wenn er ­zurückkomme, frage seine Frau jeweils: «Wie gaats em Baby?»

Regenerativ generiert Geld Bauern wie Keiser gibt es – noch – nicht viele. Auf den Nachbar­ höfen setzen einige weitere Landwirte auf das gleiche Konzept wie er; gemeinsamen betreiben sie die Verora AG , was nichts anderes heisst als «VERwertung ORganischer Abfälle». Im Flaachtal ha­ ben 26 Landwirte einen Verband für klimafreundliche Land­ wirtschaft gegründet. AgroCO2ncept nennen sie sich. Ihr Ziel: mit Hilfe schonender Bodenbearbeitung und gezielter Bepflanzungen die natürliche CO2-Speicherkapazität des Bodens verbessern. Da­ neben gibt es Einzelkämpfende, landesweit rund hundert, im Aus­ land noch mehr. Eine Studie der EU zeigt, dass diese Bauern auf dem richtigen Weg sind, auch finanziell. Fünf Jahre nach der Um­ stellung auf regenerative Landwirtschaft ist kein einziger Hof in die roten Zahlen gerutscht. Bei etwas mehr als der Hälfte sind die ­Erträge gleich geblieben, bei den anderen zeigte sich eine Erhöhung zwischen einem und über zehn Prozent.

Unkraut ist «Superfood» Franz Keisers «Baby»: eine Mischung aus Mondrakete und Bergwerk.

Verlassen wir für einen Moment das Zuger Hinterland, fahren an einem Märzmorgen nach Mönchaltorf am Greifensee und besu­

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chen einen dieser Einzelkämpfer. Matthias Hollenstein, schlaksig, gross, eine Kappe und noch zwei Kapuzen über dem Kopf, Bart und Ohrring, hat den «Eichhof» gepachtet, «meinen Traum», am Rande eines schnurgeraden Feldwegs, umgeben von einem Dschungel, den er als «essbaren Wald» bezeichnet. Hollenstein macht gerade einen kleinen Flurgang. Bei diesem Wetter – der ­Eisregen fliegt waagrecht – gibt es auch nicht viel mehr zu tun. Mit dabei hat er einen Spaten, um Blacken zu stechen. Wobei: Eigent­ lich gibt es in seinem Universum ja keine Unkräuter. Sogar die Erd­ mandeln, «Nummer 1 auf der Angstskala» im konventionellen Landbau, pflanzt er gezielt an: «Das ist ein Superfood.» Der Blick übers flache Winterland lässt sogleich erken­ nen, wo Hollenstein tätig ist und wo seine Schulbuch-Nachbar­ bauern. Für Letztere ist der Boden ein staatlich subventioniertes Nährstoffsubstrat, das man straflos vergiften darf. Alles rechteckig. Alles Reinkultur. Alles perfekt sauber. Das sieht zwar richtig schweizerisch aus, ist aber ein Unsinn: Die Pflüge kehren das ­Unterste nach oben, was einer der Hauptgründe für die Erosion ist. Womit wir wieder bei den 24 Milliarden Tonnen Humusverlust pro Jahr wären.

Multikulti-Chaos

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Auf Hollensteins Land dagegen gedeiht ein wohl organisiertes ­Chaos, seine Felder sind multikulti. Das Grün wächst so dicht an dicht, als würde man aus einem Flugzeug auf intakten Regenwald blicken, sogar jetzt im Winter. Zwischen Cime di rapa wachsen Klee und Dinkel. Petersilie und Schnittlauch teilen sich den Platz mit violettem Broccoli. Schwarze Nacktgerste spriesst zusammen mit Leindotter, Klee und Golfrasengras. Und auch er setzt auf Kompost. Allerdings etwas anders als Bauer Keiser. Damit der ­Boden sich regenerieren kann, pflanzt Hollenstein seine Kulturen stets zusammen mit – essbarer – Gründüngung: Spinat, Radies­ chen, Schnittsalat, Sonnenblumen, Inkarnatklee, Mais, Phacelia, Ackerbohne, Koriander, Erbsen, Kräuter. Hollenstein sagt: «Ich dünge meinen Boden nicht, ich ernähre ihn.» Hat diese Nahrung ihre Schuldigkeit getan, arbeitet er sie in die obersten Zentimeter ein. Flächenkompostierung nennt man das, ein Grundprinzip der regenerativen Landwirtschaft. Nie und nirgends ist das Land unbedeckt, immer bleiben Wurzelgeflechte, Wurmgänge und mit ihnen die Lebensgemeinschaften aus Pilz­ myzelien, Bakterien und bodenverarbeitenden Kleinstlebewesen erhalten. Hollensteins Ziel: Der Boden soll nach der Ernte in einem noch besseren Zustand sein als vor der Ernte. Und wie weiss er, dass die Qualität seines Bodens tatsäch­ lich so gut ist, wie er behauptet? Im Alltag, abgesehen von chemi­ schen Analysen, bedient sich Hollenstein eines einfachen Tricks:

Bei «Slow Grow» ist der Boden nach der Ernte besser als vor der Ernte. Auch im Winter ist der Boden nie unbedeckt: Matthias Hollenstein (rechts) im Mischkulturfeld.


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Long Story

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Er pickt ein paar Regenwürmer aus der Erde und schaut sie an. Sind sie grün anstatt rot, ist alles gut. Dann laufen die natürlichen Verdauungsprozesse auf Hochtouren; die Würmer verarbeiten das eingearbeitete Chlorophyll zu Humus.

Den Pflanzen vertrauen Ende Flurgang: Wir weichen vor der Kälte ins Innere der Scheune, wo ein Trockner Arbeitshandschuhe wie Kuheuter aufbläst. ­Hollenstein erzählt von den Köchen, mit denen er zusammenar­ beitet, in Hauben- und Quartierrestaurants. Er zeigt ihnen, was er hat, damit müssen sie vorliebnehmen, daraus stellen sie ihre ­Menüs zusammen. Jetzt gerade im Angebot hat er unter anderem Bio­ futtermais. Ergibt eine fantastische Polenta. Die Köche gehen mit den Tellern zu ihren Gästen und sagen: «Hier Ihre Polenta aus ­Futtermais.» Findet er lustig, ist es auch. Alles nur eine Frage der Definition; nur der Mensch teilt in gut oder weniger gut ein, die ­Natur wertet nicht. «Tausend Versuche» habe er gebraucht, um so weit zu kommen, sagt Hollenstein. Ursprünglich Konstrukteur im Bereich Maschinenbau, entschied er sich für einen anderen Weg, raus aus dem Büro, und machte eine Lehre als biodynamischer Landwirt. Jetzt, sieben Jahre später, ist Hollenstein von der Richtigkeit seines Ansatzes mehr überzeugt denn je. Und weiss, wie sehr er damit aus dem Rahmen fällt. Immer wieder beobachtet er seine Kollegen, wie sie unterwegs mit dem Güllefass ganz zufällig eine Extraschlau­ fe fahren, damit sie einen Blick auf seine seltsamen Felder werfen können. «Sie können nicht glauben, dass es gut kommt, wenn man die Pflanzen einfach sich selbst überlässt.»

«Slow grow» nennt er sein Prinzip

Stängelkohl wird gewaschen: In den belieferten Restaurants kommt auf den Tisch, was Hollenstein im Angebot hat – nicht, was die Gäste wünschen. Auf dem «Eichhof» wird der Boden nicht gedüngt, er wird ernährt: Rosenkohl. Um den Boden zu schützen, schmiert Hollenstein seine Maschinen mit Speisefett.

Tatsächlich kommt es gut. Was auf seinem Boden wächst, ist ­gesund und stark, vielleicht etwas kleiner als üblich, dafür nicht mit Wasser vollgepumpt, sondern mit Vitaminen, Aroma- und Nährstoffen. Weshalb seine Produkte auch uns Menschen rege­ nerieren. Das kann Hollenstein sogar nachweisen. Während der Brix-Gehalt üblicher Biokarotten – Brix ist eine Masseinheit für die relative Dichte von Flüssigkeiten – sechs beträgt, kommen­ seine auf sensationelle zehn. «Das schwarz auf weiss zu haben, tut schon gut», sagt Hollenstein. «Slow Grow» nennt er deshalb sein Prinzip.

Kunstdünger-Entzug Zurück zu Franz Keiser und seiner Erdrettungsmaschine. Auch hier wird der Sturm zu viel, wir flüchten ins Büro, klein genug für ein Schreibtischchen und einen Stuhl, darauf ein ursprünglich weisses Schaffell. An der Wand hängen ein gekreuzigter Jesus

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und Christoph Blocher, der in einer Sprechblase sagt: «Das Motiv ist entscheidend.» Keiser taut auf, er redet sich ins Feuer, zieht über die Land­ wirtschaftspolitik des Bundes her. Wie er auf Geheiss der Berater seinen Boden mit Kunstdünger ruinierte. Als er die Katastrophe entdeckte und aufhörte, «musste ich mit dem Boden zuerst einen Entzug machen, er war wie ein Drogensüchtiger». Erst danach be­ gann die Erde wieder zu arbeiten, geimpft mit Mikroorganismen, gedüngt mit seinem Humus. «Pflanzenkohle», sagt Keiser, «ist das Sparschwein im Boden, das man nicht sieht.» Dabei war dieses Wissen schon mal da, «wir haben es nur verdrängt». Indianische Hochkulturen im Amazonasbecken hatten bereits vor Jahr­ hunderten auf Pflanzenkohle gesetzt . Ihre Böden enthielten bis zu 20 Prozent Humus. «Den Gehalt auf meinem Land konnte ich von 3 auf 5 Prozent steigern, der Sohn bringts dann vielleicht auf 8.»

Regenerativ ist klimapositiv Keiser möchte, dass andere Bauern es ihm gleichtun. Ein paar hundert solcher Anlagen im Land wären super, gut verteilt, damit keine langen Transportwege anfallen. Natürlich sind die Pyrolyse­ maschinen klimapositiv, das heisst, natürlich binden sie mehr CO2, als sie absondern. «Meine Anlage bindet so viel Kohlendioxid, wie 65 Familien produzieren», sagt Keiser. Das haben ein paar geschei­ te Köpfe für ihn ausgerechnet. Aber Keiser, der grosse Denker mit den blauen Augen, der zwar das Wort «regenerativ» nicht verstehen will, dafür mit Be­ griffen wie «kurzkettige Moleküle», «Doppelschneckenreaktor» und «Hochtemperaturvergasung» um sich wirft, zweifelt auch an Sinn und Zweck der Pflanzenkohle. Die Idee geht ihm zu wenig weit, gelöst seien unsere Probleme damit nicht. «Wir müssen das ganze System ändern, anstatt nur Symptome zu bekämpfen.» ­Unter anderem mit Pflanzenkohle. Keiser möchte, dass wir um­ denken. Wir alle. Aufhören zu fliegen. Wie er. Nicht mehr so viel wegschmeissen. Wie er. Solche Dinge. Ob das gelingt, weiss er nicht. Er krault Ben, den Berner Sennenhund, und lauscht gleichzeitig, ob sein «Baby» im Hintergrund gut verdaut. Dann sagt er: «Es braucht halt Mut, anders zu sein.»

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Autor: Christian Schmidt, Journalist, Texter für Non-Profit-Organisationen und Buchautor. Freischaffend aus Überzeugung. Diverse Auszeichnungen, u. a. Zürcher Journalistenpreis.

Fotograf: Andri Pol ist freischaffender Fotograf, ehemaliger Bildredaktor sowie Fotograf bei GEO Schweiz und hat für «Das Magazin» und als Dozent am MAZ in Luzern gearbeitet.


Das steckt dahinter

Ein Kilo Schweizer Rindfleisch

60 mg Antibiotika

27 kg CO2

39 m2 Fläche

21 m2 überdüngter Boden 110 g WasserÜberdüngung CO2

Fläche

Boden

Wasser-Überdüngung

Antibiotika

Kühe produzieren grosse Mengen Treibhausgase – unter anderem Methan. Umgerechnet steckt in einem Kilogramm Rindfleisch so viel CO2, wie eine Auto­fahrt von Zürich nach Bern verursacht.

Die Rinderhaltung verbraucht viel Fläche für Tierfutter. Um ein Kilo Speise­kartoffeln anzubauen, reicht hingegen eine Fläche von 0,3 Qua­dratmetern – über hundert Mal weniger, als für die gleiche Menge Rindfleisch benötigt wird.

In der Schweiz werden zu viele Nutztiere gehalten, deren Gülle im Übermass auf den Feldern landet. Die Folgen: Die Arten­vielfalt nimmt ab und die Feinstaubbelastung der Luft steigt.

Ein Kilo Rindfleisch überdüngt Seen, Flüsse und Bäche mit 105 Gramm Stickstoff und knapp 5 Gramm Phosphor. Die Folge: Die Gewässer werden zunehmend zu einem lebensfeindlichen Umfeld.

Wie viele Antibiotika in der Schweizer Land­wirtschaft eingesetzt werden, ist unklar – Zahlen erhebt der Bund erst seit diesem Jahr. Die Zahl von 60 Milligramm beruht auf einer groben Hochrechnung von Greenpeace.

Quellen: Agroscope (Lebenszyklus-Analyse Rindfleisch), myclimate (CO2-Ausstoss Autofahrt), BLV (Zahlengrundlage für Hochrechnung Antibiotika-­Einsatz).

Fleischfreie Rezepte auf YouTube

Text: Thomas Mäder. Bild: Anja Wille Schori


LANDWIRTSCHAFT

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MIT ZUKUNFT


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Zu viel Kunstdünger und Pestizide, zu viele Klimagase und zu viel Tierleid – die Schweizer Landwirtschaft muss sich dringend wandeln. Die Greenpeace-Vision zeigt, wie.

Hintergrund

Lebensmittel für die Menschen Ein Grossteil des Schweizer Ackerlands wird heute für den ­Anbau von Tierfutter verwendet – insbesondere Futtermais und -getreide. Das ist höchst ineffizient. Tierische Produkte benötigen viel mehr Fläche als pflanzliche. Im Jahr 2050 ist diese Bodenverschwendung Vergangenheit. Auf den Schweizer Äckern werden ausschliesslich Lebensmittel für Menschen angebaut – und nicht mehr für Tiere. Diese Umstellung hat zur Folge, dass in der Schweiz viel weniger Nutztiere gehalten werden. Insbesondere der Bestand an Masthühnern und Schweinen ist massiv kleiner als heute.

Text: Thomas Mäder, Greenpeace Schweiz Illustration: Benjamin Güdel

Greenpeace fordert einen Wandel der Schweizer Landwirtschaft – weg von der Illusion vom maximalen Ertrag hin zu einem ökologischen, nachhaltigen System. Nur: Was braucht es dafür genau? Und welche Folgen hat dieser tiefgreifende Systemwandel? Diesen Fragen sind WissenschaftlerInnen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) auf den Grund gegangen. Dank ihren detaillierten Modellierungen kann Greenpeace nun eine klare Vision mit dem Namen «TOP» vorstellen, die zeigt, wie die Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2050 aussehen soll.

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Reduzierter Tierbestand In der Schweiz werden 2050 zwei Drittel weniger Nutztiere gehalten als heute. Die meistverbreitete Tierart sind Kühe – für sie muss kein Futter angebaut werden, und sie können auf Böden weiden, die nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln geeignet sind, ins­ besondere im Berggebiet. Das hat natürlich Folgen für die Konsumentinnen und Konsumenten: Fleisch wird (wieder) zur Delika­ tesse. Wer mag, gönnt sich ein- bis zweimal pro Woche ein Steak oder eine Wurst, der Hauptanteil des


Essens besteht jedoch aus pflanz­ lichen Lebensmitteln – dem Tierwohl, der Umwelt und nicht zuletzt der eigenen Gesundheit zuliebe.

Tiergerechte Haltung Die Massentierhaltung ist heute insbesondere bei Hühnern und Schweinen der traurige Standard in der Schweiz. Dies hat eine Vielzahl negativer Folgen: überdüngte Wiesen und Gewässer, eine mas­ sive Klimabelastung und nicht ­zuletzt grosses Tierleid. In 30 Jahren gibt es in der Schweiz keine Schreckensbilder aus Tierfabriken mehr. Alle Tiere bekommen genügend Platz zum Leben und Auslauf auf Weideflächen. Milchkühe leben 10 Jahre lang – doppelt so lange wie heute – und die Kälber bleiben in den ersten Monaten bei den Müttern, die gleichzeitig gemolken werden. Die jährlichen Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft sind um ein Drittel geringer als heute.

Standortgerechter Anbau Auf den meisten Schweizer Äckern geht es heute darum, das Maximum an Ertrag aus der ­ Fläche herauszuholen. Dieser Ansatz ­

­erweist sich aber bei genauerem Hinschauen als Illusion. Denn der Preis für die Intensivlandwirtschaft ist zu hoch: Kunstdünger verbraucht Unmengen Energie bei der Produktion, Pestizide zerstören die Artenvielfalt und Monokulturen laugen die Böden aus – langfristig kann das nicht gut gehen. Mit der Landwirtschafts-­ Vision «TOP» von Greenpeace wird zum Standard, was Biohöfe heute schon praktizieren: Verzicht auf Mineraldünger und chemisch-­ synthetische Pestizide, geschlossene Kreisläufe sowie ein standortgerechter Anbau. Auf die Äcker kommen also nur noch Pflanzen, die unter den hiesigen Bedingungen ohne chemische Hilfsmittel gut gedeihen. Das vergrössert die Biodiversität und macht die Schweiz unabhängig vom Import von Pestiziden und Düngern. Damit ist die Versorgungssicherheit der Schweiz grösser, obwohl weniger Kalorien im Inland angebaut werden. Die Böden bleiben langfristig fruchtbar.

Mehr Raum für die Natur Die naturnahe Bewirtschaftung des Ackerlands ohne Mineral­ dünger und synthetische Pestizide bringt schon einen grossen Nutzen für die einheimische Bio­diversität. Noch wertvoller sind Flächen, die der Natur überlassen werden. Bis spätestens 2050 werden 400  000 Hektaren Land nicht mehr bewirtschaftet – eine Fläche doppelt so gross wie der Kanton ­St. Gallen. So können sich viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten wieder erholen.

Fazit: Umdenken nötig Die Greenpeace-Vision zeigt: Eine tiergerechte, ökologische Landwirtschaft ist möglich. Nötig ist dafür allerdings ein Umdenken bei allen Akteuren – bei den Bäuerinnen und Bauern, bei den Konsumentinnen und Konsumenten und nicht zuletzt in der Politik. Letztlich profitieren alle. Die Schweizer Bevölkerung erhält ­gesunde einheimische Nahrungsmittel und die Schweizer Landwirtschaft ein attraktives Allein­ stellungsmerkmal im Vergleich mit dem Ausland. Debatte zur Landwirtschaftsvision Seite 31 / 32

Ausführliche Infos zur Landwirtschaftsvision

Illustration: Benjamin Güdel hat im Kindergartenalter mit Malen begonnen und beschäftigt sich seit seinem 30. Lebensjahr professionell mit Illustrationen. Der gebürtige Berner lebt und wohnt in Zürich. Bekannt geworden ist er durch seine Unterground-Comics.

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80 g Butter

Laura Schälchlis Leidenschaft ist gutes, einfaches und gesundes Essen. Mit S ­ obre Mesa möchte die in Zürich lebende Slow-­ Food-Gastronomin Begegnungen rund um die Esskultur fördern. Denn Essen ist nicht nur ein Grundbedürfnis, wichtig ist es auch zu wissen, woher unsere Nahrung kommt und wer die Produzenten sind, die mit Herzblut unsere Lebensmittel erzeugen. Essen wirft ebenso politische und moralische Fragen auf. Diese und weitere Themen wie Food- und Zero Waste sind Laura ein grosses Anliegen. An

1 dl Weisswein

verschiedenen Kursen, Degustationen und Workshops vermittelt sie ihr Wissen über die Herstellung von ehrlichem, simplem Food – wobei der Genussfaktor stets im Zentrum steht. Falls Sie Fragen rund um das Thema Essen haben, dürfen Sie Laura persönlich kontaktieren: info@sobre-mesa.com Auf www.greenpeace.ch/magazin/randen-rezept finden Sie die Zubereitung des Randen-Risottos sowie ein grosses Interview mit Laura zu ihrem Schaffen. Fotografie: Isabel Truniger ist Fotografin in Zürich. Mit der gleichen Leidenschaft und Präzision geht sie ihrem zweiten Beruf als Gärtnerin nach.

40 g Kakaonibs

300 g Risottoreis

300 g Geissenfrischkäse

200 g gekochte Randen

1 Liter Gemüse-Bouillon

1 Zwiebel, fein gehackt

Rezept


Debatte

Notwendiger Umbau oder ökologisches Eigentor?

Die Greenpeace-Landwirtschaftsvision 2050 fordert einen tiefgreifenden Systemwandel auf den Schweizer Höfen. Der Bauernverband reagiert skeptisch und befürchtet Nachteile für LandwirtInnen und Umwelt. Text: Pieter Poldervaart

Philippe Schenkel, Greenpeace-Experte für nachhaltige Landwirtschaft

Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie des Schweizer Bauernverbands

Greenpeace behauptet, die Schweizer Landwirtschaft sei auf eine maximale Pro­ duktion ausgerichtet. Doch Bio boomt und die Schweizer Tierschutzbestimmungen sind weltweit führend. Ist der radikale Systemwandel, den Green­peace vorschlägt, nicht etwas übertrieben?

Greenpeace fordert, dass bis 2050 die ganze Branche auf synthetische Pestizide und Mineraldünger verzichtet. Ist das überhaupt machbar?

Es gibt in der Schweizer Landwirtschaft durchaus positive Entwicklungen. Aber die «Umweltziele Landwirtschaft» des Bundes können mit der heutigen Landwirtschaftspolitik nicht erreicht werden. Andere Indizien, dass vieles schief­ läuft, sind das Insektensterben oder die Rückstände von Pestiziden im Trinkwasser. Das alles zeigt, dass kleine Verbesserungen zu wenig bringen. Wir brauchen eine umfassende Kehrtwende.

Kleine Verbesserungen bringen zu wenig. Philippe Schenkel

Es ist schon jetzt viel in Bewegung: In den letzten zehn Jahren ist hierzulande der Einsatz von nicht biologischen Pesti­ ziden um einen Viertel zurückgegangen. Dazu tragen auch technische Entwick­ lungen wie Hackroboter anstelle von Her­ biziden bei. Resistente Pflanzenzüch­ tungen führen zu einem tieferen Bedarf an Fungiziden. Der Konsument hat es zudem heute schon in der Hand, seinen Beitrag zu leisten. Der Bauernverband nennt in seinem ­Papier «Landwirtschaft 2050» als ein

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Schutz von Kulturlandschaft, Grund­ wasser, Klima und Nutztieren – das alles fordert die Vision. Warum muss die Landwirtschaft für so vieles gera­ destehen?

Es geht nicht nur um die Landwirt­ schaft, sondern ebenso um unsere Ernäh­ rung. Die Produktion von Lebensmitteln ist für einen grossen Teil unserer Umwelt­ auswirkungen zentral. Greenpeace will nichts anderes, als den Artikel 104a der Bundesverfassung – «eine standortange­ passte und ressourceneffiziente Lebens­ mittelproduktion» – umzusetzen. Dass ­unsere Landwirtschaft gesunde Lebens­ mittel produziert, zugleich die Umwelt schont und dem Tierwohl bestmöglich Rechnung trägt, ist nicht zu viel verlangt. Ein zentrales Anliegen der Vision ist die massive Reduktion der Fleischproduk­ tion in der Schweiz. Wird dann nicht ­einfach mehr Fleisch wie Geflügel und Schweinefleisch aus dem Ausland impor­ tiert, wo die Tierhaltevorschriften noch deutlich schlechter sind – ein Eigentor?

Natürlich soll das Fleisch nicht ein­ fach importiert werden. Unsere Forde­ rung, den Fleischkonsum von 50 auf unter 15 Kilogramm pro Jahr und Kopf zu sen­ ken, ist ehrgeizig. Doch der Trend geht in diese Richtung. Wir fordern keine vegane Welt. Viele Menschen sind aber auch an einem Punkt angelangt, wo sie ihre per­ sönliche Ernährung überprüfen – und auch umstellen.

Ziel ein «Maximum an landwirtschaft­ lichen Flächen». Warum forcieren Sie noch immer die Fläche?

Eine Anpassung der Produktion zu fordern, wenn sich das Konsumverhalten nicht ändert, macht wenig Sinn. Martin Rufer

Wir fordern keine vegane Welt. Philippe Schenkel

Die Aussage stimmt so nicht – wir wollen kein Maximum an Fläche unter den Pflug nehmen, sondern das bestehende Kulturland erhalten. Noch immer wird in der Schweiz pro Sekunde fast ein Quad­ ratmeter zubetoniert. Der Schweizer Bau­ ernverband steht für einen starken Schutz der Landwirtschaftszone ein, die unsere Produktionsgrundlage ist. Hier treffen sich unsere Ziele mit jenen von Umwelt­ verbänden. Tatsache ist aber auch, dass drei Viertel der Schweizer Umweltbelas­ tung aufgrund der importierten Waren im Ausland anfällt. Das heisst?

Dass es wenig Sinn macht, eine An­ passung der Produktion zu fordern, wenn sich das Konsumverhalten nicht ändert. Sonst werden wir Schweizer Bauern aus dem Markt gedrängt und die Umweltaus­ wirkungen des Konsums weiter ins Aus­ land verlagert. Sind die Schweizer Bäuerinnen und Bauern überhaupt bereit, auf Nischen wie Quinoa zu setzen?

Ich bin sehr glücklich über jeden Landwirt, der in einer Nische seinen Markt findet. Der Treiber ist der Markt. Existiert eine Nachfrage, folgt die Landwirtschaft noch so gerne. Quinoa ist übrigens ein ­gutes Beispiel dafür, dass auch nicht ein­ heimische Getreidearten hierzulande öko­ logisch und womöglich sozial verträg­ licher produziert werden können als im Ursprungsgebiet.

Weiterlesen Hier finden Sie die ausführliche Debatte zur Landwirtschaftsvision von Philippe Schenkel und Martin Rufer: www.greenpeace.ch/magazin/debatte-landwirtschaft

Illustration: Alina Günter ist Grafikerin und Illustratorin, lebt und arbeitet in Zürich. www.alinaguenter.ch

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Pieter Poldervaart ist freier Journalist im Pressebüro Kohlenberg in Basel. Er ist spezialisiert auf Umwelt- und Konsumthemen.


WO UNSER PLASTIKMÜLL LANDET Anfang 2017 hat China ­beschlossen, keinen Plastikmüll mehr zu importieren. Nun springen andere asiatische Länder in die Bresche, zum Beispiel Malaysia. Eine Greenpeace-Recherche zeigt die Dimensionen des Imports: Allein in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres ­landeten 754 000 Tonnen Plastikmüll aus dem ­Ausland in Malaysia. Das entspricht dem Gewicht von 100 000 Elefanten oder 19 000 Cobra-Trams. Den grössten Teil des MonsterPlastikbergs haben die USA geliefert, gefolgt von Japan und Grossbritannien. Ein kleinerer Teil stammt aus der Schweiz. In Malaysia wird das eigentlich für Recycling vorgesehene ­Plastik oft illegal deponiert oder unter freiem Himmel verbrannt.

rüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner

Aufgedeckt

« Dieser Einsatz braucht Mut, den viele nicht haben »

Gioia Theler, 83, Mutter, Grossmutter, Naturschützerin und grosse Tierliebhaberin, hat schon vor vielen Jahren entschieden, Greenpeace in ihrem Testament zu bedenken.

«Es macht mir Sorgen, wie wir Menschen nicht aus unseren Fehlern lernen, mit entsprechenden Folgen für unseren Planeten. Greenpeace ist die Organisation, die sich am konsequentesten für dessen Schutz einsetzt: Sie ist kompromisslos in ihren Aussagen, Zielen und ihrer Art vorzugehen. Greenpeace lässt sich nicht von Interessengruppen kaufen, exponiert sich und setzt sich der Kritik aus. Das braucht Mut, den viele nicht haben. Darum habe ich die Organisation schon lange unterstützt und auch nicht lange gezögert, sie in meinem Testament zu berücksichtigen.»

Für eine ökologische Zukunft kann man sich ein Leben lang einsetzen. Oder auch länger, indem Sie Greenpeace in Ihrem Testament berücksichtigen. Bestellung des kostenlosen Testament-­Ratgebers: 044 447 41 79, claudia.steiger@greenpeace.org. Ein aus­führ­ liches Interview mit Gioia finden Sie unter: www.greenpeace.ch/magazin/interview-gioia


Rätsel

Das Rätsel rund um Greenpeace und unsere Kampagnen

Greenpeace steht für Frieden, für eine intakte Umwelt, für Aktionen auf hoher See, für mutiges Abseilen an Kühltürmen, für Ausdauer – angekettet an einem Baum oder beim Blockieren von Gifttransporten. ­Hinter Greenpeace stehen aber auch Menschen wie Sie, die sich auf der ganzen Welt für eine lebenswerte Zukunft einsetzen. Damit Sie erfahren, wie wichtig Ihr Engagement ist und für welche Kampagnen Ihre Spende ein­ gesetzt wird, können Sie hier Ihr Wissen testen. Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Rätseln und Tüfteln.

1

Wer steht für Greenpeace bei Wind und Wetter auf der Strasse?

4

F Aktivisten B Dialogerinnen E Freiwillige

2

T 10 % M  8 % U 13 %

Welches Land ist verantwortlich für den grössten Plastikberg auf der Welt? R Grossbritannien W China E USA

3

Wie viel Prozent Treibhausgase verursacht die Landwirtschaft in der Schweiz?

5

Mit welchem Schiff ist Greenpeace zum Thema Plastikverschmutzung in den Philippinen unterwegs? A Beluga G Rainbow Warrior U Arctic Sunrise

Welcher Trägerverein will das Pariser Klima-Abkommen möglichst rasch umsetzen und hat die Gletscher-Initiative lanciert? L Klimaschutz Schweiz N Greenpeace G Gletscherverein Schweiz

6

Wie gross ist die Landwirtschaftsfläche für den Futteranbau für ein Kilogramm Schweizer Rindfleisch? S L A

50 m2 25 m2 39 m2

Lösungswort: Wir verlosen 10 Schmetterlingswiesen-Sets mit Samen von Kräutern, Duft- und Blütenpflanzen zur Unterstützung für das schwindende Nahrungsangebot auf unseren Grünflächen, Balkonen oder ­Terrassen. Senden Sie das Lösungswort bis am 15. Juli 2019 per E-Mail an redaktion@greenpeace.ch oder per Post an Greenpeace Schweiz, Redaktion Magazin, Stichwort Ökorätsel, Postfach 9320, 8036 Zürich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Über die Verlosung wird keine ­Korrespondenz geführt.

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Das Lösungswort des Rätsels aus dem Magazin 04/18 war: Peoplepower Weitere Produkte aus dem Greenpeace-Shop unter: www.greenpeace-magazin.de/warenhaus


Schlusswort

Keimzellen des Wandels

Es gibt sie – noch nicht viele, aber immer mehr: Menschen wie Franz Keiser und Matthias Hollenstein, die sich für einen Wandel in der Landwirtschaft einsetzen, und zwar indem sie es einfach tun. Nicht reden und Bedenken hin- und hertragen, sondern Lösungen schaffen. Sie probieren Dinge aus, erleiden Rückschläge und machen weiter. Sie sind mutig, haben Ausdauer und schwimmen gegen den Strom. Ich bewundere sie. Mir schenken diese Menschen Kraft und Hoffnung. Gerne möchte ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auffordern, Ihren Blick auf diese Keimzellen des Wandels zu richten und ihren Mut auf sich überspringen zu lassen. Ein Bauernverband, der sich hinter Sätzen versteckt wie «Der Markt ist der Treiber. Existiert eine Nachfrage, folgt die Landwirtschaft noch so gerne», wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Ein Trauerspiel! Ein so mächtiger Verband sollte Vorreiter des tiefgreifenden Systemwechsels sein, den unsere Landwirtschaft dringend braucht. Umso wichtiger sind Menschen wie Keiser und Hollenstein oder unsere Greenpeace-Landwirtschaftsvision, mit der wir Lösungen aufzeigen. Seien auch Sie mutig und eine Keimzelle des Wandels – mit einem Beitrag, der zu Ihnen passt. Vielleicht ist es die nächste Wahl, bei der Sie eine andere Liste in die Urne werfen, Ihre Teilnahme am nächsten Klimastreik oder eine vegetarisch-vegane Küche, die Sie zu Hause umsetzen. Lassen Sie sich anstiften von Menschen, die gegen den Strom schwimmen, und bewegen Sie sich etwas aus Ihrer Komfortzone heraus. Sie werden Menschen finden, die sich ebenso wie Sie auf ungewohntem Terrain bewegen, und dabei gleichzeitig Spannendes und Neues entdecken. ­ Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder lebenswert gestalten!

Iris Menn Geschäftsleiterin Greenpeace Schweiz


Das kleine ABC der Öko-Landwirtschaft

Biologische Landwirtschaft Im Wesentlichen gibt es zwei Formen der Bio-­ Landwirtschaft: Die biologisch-organische (u. a. Knospe-­L abel) und die biologisch-dynamische (Demeter-Label). Beiden gemeinsam sind diese Grundprinzipien: keine chemischen Pestizide, keine Mineraldünger, keine Gentechnik, artgerechte Tierhaltung. Biologisch-dynamisch wirtschaftende LandwirtInnen setzen zudem spezielle Präparate ein, die sich nach der anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner richten.

Pflanzenkohle Pflanzenkohle entsteht durch Pyrolyse (eine spe­ zielle Art der Verbrennung) von Pflanzen. Die Kohle wird zur Bodenverbesserung eingesetzt und bildet die Basis für Terra preta, die schon von alten Indiokulturen im Amazonas verwendete schwarze­ Erde  – eine sehr fruchtbare Erde, die zudem CO2 aus der Luft in den Boden bringt. ( Regenerative Landwirtschaft)

Humus Der Humus ist der Teil des Bodens, der aus abgestorbener organischer Substanz besteht. Einfacher gesagt: Alles, was einmal gelebt hat und dann in Erde umgewandelt worden ist. Pflege und Aufbau einer gesunden Humusschicht ist das A und O der nachhaltigen bzw.  regenerativen Landwirtschaft. Humusreiche Erde ist fruchtbar – humusarme hingegen … furchtbar.

Mischkultur In der Natur wächst kaum je eine Pflanzenart für sich allein. Diesem Vorbild folgend, werden bei ­einer Mischkultur verschiedene Nutzpflanzen mitoder nebeneinander gepflanzt. Dieser naturnahe Anbau hat ganz handfeste Vorteile: Bestimmte Pflanzen halten einander die Schädlinge vom Leib. Ein Paradebeispiel hierfür sind Rüebli und Zwiebeln – zusammen gepflanzt, wehren sie die Zwiebel- und die Möhrenfliege ab.

Mulch Gut bedeckt ist halb gepflegt. So lässt sich in etwa das Prinzip des Mulchens zusammenfassen. Eine dünne Schicht aus organischem Material wie ­g eschnittenem Gras verhindert, dass der Regen Nährstoffe aus dem Boden auswäscht, hält ihn bei Hitze länger feucht, macht Unkraut – ganz ohne Chemie! – das Leben schwer und regt nicht zuletzt das Bodenleben und damit die Bildung von neuem  Humus an. ( Regenerative Landwirtschaft)

Regenerative Landwirtschaft «Boden wieder gut machen» lautet in etwa das ­Motto der regenerativen Landwirtschaft. Durch gezielten Aufbau von  Humus wird der Boden fruchtbarer. Und nicht nur das: Der gesundete Boden speichert auch mehr CO2 und trägt damit dazu bei, die Klimakrise zu bekämpfen. Dies geschieht u. a. durch die Verwendung von Kompost,  Pflanzenkohle oder  Mulch.


Unterstützen Sie Greenpeace von der Arktis bis in die Antarktis – auf ihrer einzigartigen Reise für einen globalen Schutzvertrag der Hochsee.

Interaktive Karte der ­vorgeschlagenen Schutzgebiete. Mehr zur «Pole to Pole»-Tour: www.greenpeace.ch/ magazin/meer

Werden Sie Flottenpate: www.greenpeace.ch/pate 80-6222-8

Die Annahmestelle L’office de dépôt L’ufficio d’accettazione

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800062228>

800062228>

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04.2019

Versamento Girata

330 Tage unterwegs mit der MS Esperanza

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24 000 Seemeilen

Empfangsschein / Récépissé / Ricevuta

Greenpeace-Expedition für Meeresschutz 441.02


AZB CH-8036 Zürich PP/Journal Post CH AG

Illustration: Ruedi Widmer zeichnet und schreibt regelmässig Cartoons oder Kolumnen u. a. für die WOZ, den «Tages-Anzeiger», das deutsche Satiremagazin «Titanic» oder Spiegel Online.


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