Greenpeace Switzerland Magazin 4/2014 DE

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— Ohne Widerstand geht die Freiheit unter  ab S. 14 g reen peace MEMBER 20 14, Nr. 4

Leibstadt und Gösgen tricksen mit Bilanzen  S. 11 Mit Twitter und Facebook gegen die Goldmine  S. 19 Freiheitsbestrebungen nach dem arabischen Frühling  S. 44 Naturnahe Imkerei: Drei Methoden, eine Absicht  S. 48


C OVE R © Chri st ia n Å slun d / Greenpe ace : Spitzbergen, 7. September 2014. Greenpeace-AktivistInnen platzieren mitten im Arktischen Ozean eine halb abgetauchte Freiheitsstatue als Symbol des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Insbesondere das Schmelzen des arktischen Gletschers hat einen direkten Bezug zum globalen Anstieg des Meeresspiegels. Die Botschaft geht an die Verantwortlichen des Klimagipfels in New York, die im September von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingeladen wurden.

Editorial — Die Perspektive zu wechseln, tut zuweilen gut. ­Deshalb h ­ aben wir uns entschlossen, das Layout dieser Nummer um 90 Grad zu drehen. Dieser unkonventionelle Entscheid ­erforderte von der Redaktion ein klein wenig Mut. Deutlich mehr Courage muss die Peruanerin Máxima Acuña de Chaupe aufbringen, die seit zehn Jahren Widerstand gegen mächtige internationale Bergbaukonzerne und die eigene Regierung leistet. ­Diese wollen für den Bau der grössten Goldmine Lateinamerikas ganze Berge ­abtragen, Landschaften umpflügen und Wasserquellen anzapfen, auf welche die Bauern angewiesen sind. M ­ áxima Acuña de Chaupes Hütte liegt mitten im geplanten A ­ bbaugebiet – lesen Sie den Dossierschwerpunkt ­Widerstand ab Seite 14. Wissen Sie, was ein «Ökozid-Gesetz» ist? Gäbe es ein ­solches Gesetz, könnte man die Verantwortlichen für Umwelt­ skandale wie die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko oder die atomare Verseuchung von Tschernobyl künftig verurteilen. Von einem solchen Gesetz würden auch Umweltaktivisten profitieren, denn sie müssten nicht mehr mit Gefängnisstrafen rechnen, wenn sie Verbrechen an der Natur aufdecken und ­anprangern. Ihr Handeln wäre gesetzlich legitimiert, sie bekämen mehr Macht. Die britische Rechtsanwältin Polly Higgins kämpft seit Jahren ­dafür, dass der Ökozid als Verbrechen gegen das Völkerrecht im Römer Statut des Internationalen Straf­ gerichtshofs in Den Haag verankert wird (Interview Seite 29). Es gibt nicht nur im globalen Süden Umweltsünden, ­sondern auch in der Schweiz. Die maroden und trotzdem ­immer noch am Netz hängenden Atomkraftwerke Leibstadt und ­Gösgen werden mit geschönten Bilanzen als kostengünstige Stromanbieter angepriesen. Bei einer korrekten Kostenrechnung wäre Atomstrom jedoch vier- bis fünfmal teurer als heute und nicht mehr konkurrenzfähig. Der Finanzexperte Kaspar Müller liefert im Interview auf Seite 11 brisante Hintergrundinformationen. In der Imkerei gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie man mit Honigbienen umgehen sollte. Die drei naturnahen Methoden «Bio-Knospe», «Demeter» und «FreeTheBees» sind so vielschichtig und komplex, wie es die Bienengemeinschaften sind (Seite 48). Die Redaktion PS: In eigener Sache: Im November hat Greenpeace Schweiz das ­30-jährige Bestehen gefeiert. Es ist unüblich, dass sich das Geburtstagskind ein Geschenk wünscht, doch wir tun es trotzdem: Schenken Sie uns einen Postversand! Als unabhängige Organisation sind wir auf neue Mitglieder angewiesen, doch kostet der Versand von Werbebriefen eine Menge Geld. Wenn Sie die vier Einzahlungsscheine in der Mitte ­dieses Magazins heraustrennen und in Briefkästen Ihrer Wahl ­werfen, wäre das ein tolles Geschenk! Herzlichen Dank


Interview

Finanzmarktexperte Kaspar Müller zur verfälschten Bilanzrechnung der beiden AKW Gösgen und Leibstadt

Dossier: W i d e r s t a n d S. 16

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S. 14

Forschungsbericht

Gewaltloser Widerstand hat die besten ­Erfolgschancen S. 19 H i n t e r g r u n d

Mit sozialen Medien gegen ausbeuterische Goldgräber S. 29 I n t e r v i e w

Ein Ökozid-Gesetz könnte das Vorgehen von Umweltaktivisten legitimieren Inhalt

S. 33 B e r i c h t

Kreativer Widerstand: Sechs Beispiele S. 42 D i e K a r t e

Landraub

S. 44 E s s a y

Nahostexperte Thomas Schmid über ­Freiheitsbestrebungen nach dem arabischen Frühling Fotoreportage

Schleichende Ölpest in der russischen Republik Komi

Naturnahes Imkern Eine Absicht, drei Methoden

Interview Nein zur 2. Gotthar dröhre: Interview mit Andreas Weissen

In Aktion 2 48 Impressum 10 Chefsache 10 Kampagnen-News 66 In Kürze 69 53 Öko-Rätsel 72

Erbschaften UnterstützerInnen weltweit bedenken Greenpeace in Ihrem Testament

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Ave Arktis Die Berner Sängerin Christine Lauterburg unterstützt ­oberhalb von Kandersteg BE mit einem bild- und ­wortstarken Segen den Kampf von Greenpeace gegen die Multis Gazprom und Shell, welche in der Arktis nach Öl bohren wollen. Das Eis, die Tiere und die Menschen am Nordpol «sind einzigartig bis in alle Ewigkeit», ruft sie durch den traditionell für den Alpsegen verwendeten Holztrichter.

Alp Oberbärgli, Schweiz, 25. August 2014


© Greenp eac e / N i c o l a s Fo jt u



Todgeweiht Mit einem blumengeschmückten symbolischen ­Leichentuch wenden sich Greenpeace-Aktivisten dagegen, dass Indonesiens Moore abgebrannt werden, um F ­ lächen für Palmöl-Plantagen zu schaffen. Das ­Mahnzeichen soll die Regierung dazu bringen, mangelhafte Naturschutzgesetze zu revidieren. Riau, Indonesien, 15. September 2014

© Oscar S i ag i a n / G r een p eac e



Spektakulär Fünf Greenpeace-Aktivisten campierten 25 Tage in den Wäldern von Nordargentinien und blockierten Bulldozer von Holzarbeitern, bevor sie von der Polizei gestellt und nach Stunden wieder freigelassen wurden. Damit soll die Provinzregierung dazu gebracht werden, das nationale Waldgesetz zu respektieren. Salta, Argentinien, 4. Oktober 2014

© Greenp eac e / S eba s t i a n Pa n i


Existenzangst Bauern, Fischer und Greenpeace-Aktivisten machen in einem Reisfeld Opposition gegen die Pl채ne der Regierung, in Zentral-Java ein riesiges Kohlekraftwerk zu errichten. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, verdeutlichen ihre Transparente, w채re durch den Bau ebenso gef채hrdet wie die Natur, die Lebensqualit채t und die Menschenrechte. Batang, Indonesien, 23. September 2014


Š Yud hi M a hat m a / G r een p eac e


Trau keinem über Dreissig

CHEFSACHE

So lautete einer der Kampfsprüche der 68er Bewegung. Fast ein halbes Jahrhundert ist seither vergangen, und wichtige, über Jahre hart erkämpfte Rechte und Freiheiten drohen schleichend verloren zu ­gehen. Seit Anfang dieses Jahrtausends dem Terrorismus der Krieg erklärt wurde, leben wir damit, dass unsere Datenspuren von den Geheimdiensten aufgezeichnet und im Bedarfsfall auch abgerufen werden. Ein Kopfschütteln löst das sehr wohl aus, doch die kollektive Empörung bleibt aus. Ziemlich ruhig ist es auch um transnationale Handelsabkommen wie die TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), obschon es Demokratie und Rechtsstaat aushöhlt, unter anderem, indem Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Datenschutz- und Verbraucherschutzstandards gesenkt werden und öffentliche Dienstleistungen (z.B. die Wasserversorgung) dereguliert werden. Ebenso wenig ist wohl der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung bewusst, dass immer mehr auch durch immense Kosten (z.B. für oft überdimensionierte Polizeieinsätze), die auf Demonstranten überwälzt werden, die Grundrechte der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit

Herausgeberin/ Redaktionsadresse: Greenpeace Schweiz Badenerstrasse 171, Postfach 9320 8036 Zürich Telefon 044 447 41 41 Fax 044 447 41 99 redaktion@greenpeace.ch www.greenpeace.ch Adressänderungen unter: suse.ch@greenpeace.org Redaktionsteam: Tanja Keller (Leitung), ­ Hina Struever, ­Barbara Lukesch, Samuel Schlaefli Autoren: Esther Banz,Susan Boos, Rita Emch, Hannes Grassegger, Martina Huber, Thomas Niederberger, Samuel Schlaefli, Thomas Schmid, Daniela Schwegler Fotografen: Enrique Castro-Mendivil, Sava Hlavacek, Daniel Müller, Denis Sinyakov Gestaltung: Hubertus Design

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern Papier, Umschlag und Inhalt: 100% Recycling Druckauflage: d 103 000, f 22 000 Erscheinungsweise: viermal jährlich Das Magazin Greenpeace geht an alle M ­ itglieder ­( Jahresbeitrag ab Fr. 72.–). Es kann Meinungen ­ent­halten, die nicht mit offiziellen Greenpeace-­Positionen ­übereinstimmen. Der Lesbarkeit zuliebe sehen wir davon ab, konsequent die männliche und die weibliche Form zu ver­wenden. Die männliche Form bezieht daher die weibliche Form mit e ­ in – und umgekehrt.

Co-Geschäftsleitung Markus Allemann und Verena Mühlberger

Spenden: Postkonto 80-6222-8 Online-Spenden: www.greenpeace.ch/spenden © gre enp eace

Impressum Greenpeace Member 4/2014

beschnitten werden: Wer wird es so noch wagen, zu einer spontanen Demonstration oder zu einer gewaltfreien Aktion aufzurufen? 29 Jahre lang hat sich Greenpeace Schweiz gegen Unrecht eingesetzt. Nun sind auch wir 30 Jahre alt. Unseren Gründungstag haben wir im November mit einem Podium zum gewaltfreien Widerstand be­ gangen. Wir stellen weltweit fest, dass das, was Greenpeace ausmacht, wirksam ist. Doch wir nehmen mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die Legitimität des zivilen Ungehorsams zunehmend in Frage gestellt wird. Die öffentliche Entrüstung einer Zürcher ­Jungpartei über ein illegal aufgehängtes Banner – ein «Delikt» auf der Ebene einer Parkbusse – ist Ausdruck einer Einstellungsänderung, die sich in der Schweiz inzwischen auch manifestiert. Weltweit häufen sich die negativen Entwicklungen: Grundrechte wie die Demonstrationsfreiheit oder die Pressefreiheit werden unterwandert, Umweltorgani­ sationen und deren Aktivistinnen und Aktivisten werden verschärft kriminalisiert. Zum Beispiel in Spanien, wo das Demonstrationsrecht drastisch eingeschränkt werden soll. Oder in Japan, wo Bürgerrechte wie die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Pressefreiheit und das Recht auf Information bedroht sind. Oder in den USA und in Kanada, wo Umweltaktivismus zunehmend mit Terrorismus gleichgesetzt wird. Ganz zu schweigen von Russland, wo NGOs auf Staatskurs getrimmt und im besten Fall noch geduldet werden. Weiter anfügen liessen sich Indien, Brasilien, Australien. Haben wir ein Land vergessen? Es ist an Ihnen, zu beurteilen, liebe Green­peace-Mitglieder, ob wir mit dreissig weiterhin Ihr Vertrauen verdienen. Wir meinen: Angesichts der Situation sind wir alle aufgefordert, uns maximal für eine gerechte, friedliche Welt einzusetzen. Wir ­trauen uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht, uns zurückzulehnen. Und wir danken Ihnen, wenn Sie uns ­weiterhin vertrauen.

SMS-Spenden: Keyword GP und B ­ etrag in ­Franken an 488 (Beispiel für Fr. 10.–: «GP 10» an 488)

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© Green p eace / Ex-Pres s / M ic hae l W ü rt e n b e rg

INTerview

«Atomstrom war nie wirtschaftlich und wird es nie sein.» Kaspar Müller, unabhängiger Finanzmarktexperte, deckt gravierende Mängel in der ­Bilanzierung der beiden AKW Leibstadt und Gösgen auf. Dies führt zu einer künstlichen Verbilligung von Atomstrom und zur Irreführung der Steuerzahler. Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

Greenpeace: Herr Müller, Sie haben die ­Bilanzen der Schweizer AKW analysiert. Zu welchen Schlüssen sind Sie gekommen? Kaspar Müller: Zu schier unglaublichen. Die Kernkraftwerk Leibstadt AG (KKL) und die Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG (KKG) tricksen in ihren Bilanzen und verstossen offensichtlich gegen das Obligationenrecht. Und das alles wird von den Revisionsgesellschaften KPMG und Ernst & Young abgesegnet. Für mich ist unverständlich, dass andere Finanz-, Rechnungslegungs- und Rechtsexperten sowie die Universitäten einfach schweigen dazu. Warum sollten Gösgen und Leibstadt ihre Bilanzen frisieren? Erstens brauchen sie die verfälschten Bilanzen, um für den Atomstrom zu tiefe Gestehungskosten auszuweisen. Zweitens verschleiern sie damit die desolate wirtschaftliche Lage ihrer Unternehmen, die sie finanziell sanieren müssten. Wie kamen Sie dazu, sich mit dem Thema zu beschäftigen? Vor sechs Jahren hatte ich einen interes­ santen Auftrag der EU. Die verschiedenen Entsorgungs- und Stilllegungsfonds der EU-Länder wurden verglichen. Ich durfte einen Grossteil dieses Reports schreiben und musste mich dafür tief in die Materie einarbeiten. ­Danach habe ich die Jahresberichte von Leibstadt und Gösgen angeschaut und konnte die Zahlen nicht ­nachvollziehen. Also habe ich mich immer weiter vertieft und viel Zeit investiert. Übrigens hat mich niemand dafür bezahlt. Ich habe das als Privatperson gemacht, weil ich verstehen wollte, was da abgeht. Was läuft falsch? Ich möchte betonen, dass ich nichts zu ­technischen Sicherheitsfragen sagen kann. Ich ­äussere mich nur zu Accounting und Finan­ zierung, damit beschäftige ich mich beruflich seit über dreissig Jahren. Zuerst möchte ich aber etwas zur ökonomischen Struktur sagen: Die beiden Kernkraftwerke sind Aktiengesellschaften – die Aktien gehören unter anderem den grossen Energieunternehmen Axpo, Alpiq oder BKW und somit einer Reihe von Kantonen und Städten. In diesen Aktiengesellschaften hat aber keiner die Mehrheit, deshalb wird auch niemand die Verantwortung übernehmen. ­Gerät nun eine AKW-Gesellschaft ökonomisch in Schwierigkeiten, müssen laut Gesetz die

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Interview

­ nderen AKW-Betreiber Geld einschiessen, a sofern sie das überhaupt noch können. Doch im ­Kernenergiegesetz steht auch, dass der Bund einspringt, wenn es für die Betreiber von Kernkraftwerken «wirtschaftlich nicht tragbar ist», dafür aufzukommen. Die Kernkraftwerke haben damit faktisch eine Staatsgarantie. Das heisst, wenn ein AKW pleitegeht, ­zahlen die Steuerzahler? Richtig. Und das würde sicher dramatisch, weil Kantone, die schon seit Längerem bewusst aus der Kernenergie ausgestiegen sind – wie zum Beispiel Basel-Stadt –, sicher nicht zahlen wollen. Dass die Kernkraftwerke einmal nicht mehr zahlen können, davon muss man aus­gehen, weil die Kosten für den Atomstrom, aber auch für die Stilllegung der Reaktoren und die Entsorgung des radioaktiven Abfalls völlig unterschätzt ­werden. Der Bund geht davon aus, dass das Endlager bis ins Jahr 2116 in Betrieb ist – woher soll das Geld kommen, um in diesen hundert Jahren die Kosten zu decken? Wenn man alles sauber rechnet, sind es allein in den nächsten 18 Jahren mindestens 26 Milliarden, die aufgebracht werden müssten. Rund 5 Milliarden sind heute in die Fonds einbezahlt – es fehlen also noch 20 Milliarden. Wie konnte es so weit kommen? Man hat in den letzten Jahren zu optimistisch gerechnet, weil man auch glaubte, mit dem Geld, das schon in den Fonds liegt, satte Renditen herauszuholen. Der Bund hat bemerkt, dass man zu optimistisch war, und kürzlich die ­Vorgaben für die nächsten 18 Jahre angepasst ... Danach sollten Gösgen und Leibstadt vom Netz sein. Genau. In dieser Zeit rechnet der Bund mit einer durchschnittlichen Inflation von 1,5 Prozent und einer Anlagerendite von 3,5 Prozent. Zudem baut er richtigerweise bei den Kosten eine Sicherheitsmarge von 30 Prozent ein. Es ist klar, den nuklearen Abfall müssen wir entsorgen und die Rechnung bezahlen. Doch sollen die Verursacher und nicht die Steuer­zahler ­dafür aufkommen. Warum ist nicht bereits mehr Geld in den Fonds? Die Kraftwerke sind ja seit 30 oder mehr Jahren in Betrieb. Die Werke haben erst 1985 begonnen, in den Stilllegungsfonds einzuzahlen. Damit soll dann der Rückbau der AKW finanziert werden. Den Entsorgungsfonds – mit dem die sichere Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

«Würde man korrekt rechnen läge der Atomstrom nicht bei 4 oder 5 Rappen, sondern bei 10—20 Rappen pro ­Kilowattstunde.»

Langzeitlagerung des radioaktiven Abfalls bezahlt werden soll – haben sie sogar erst ab 2001 geäufnet. Das widerspricht dem Vorsichts­ prinzip. Ich nenne das unverantwortlich und Missmanagement – und es hat bewirkt, dass die Kosten für Atomstrom falsch, nämlich zu billig dargestellt wurden. Atomstrom war nie wirtschaftlich und wird es nie sein. Das rächt sich heute doppelt, weil die AKW ihren zu teuren Strom nicht mehr ­loswerden, obwohl sie angeblich sehr tiefe Gestehungskosten haben. Würde man korrekt rechnen, lägen diese pro Kilowattstunde nicht bei 4 oder 5 Rappen, wie die ­Betreiber behaupten, sondern bei deutlich über 10, eher gegen 20 Rappen. Zudem sind die ­Anlagen nicht adäquat versichert, sonst wäre dieser Strom noch viel teurer. Zurück zu den Bilanzen: Wie wird getrickst? Es gibt mehrere gravierende Fehler. Einer betrifft die Wertschriften im Stilllegungs­respektive im Entsorgungsfonds, die in den Bilanzen der Betreiber falsch bewertet werden. Gösgen wie Leibstadt setzen nicht den realen Marktwert ein, sondern einen hypothetischen, wesentlich höheren Wert, der theoretisch einmal

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Diese Kosten als Aktiva zu führen, verstösst ebenfalls gegen das Obligationenrecht. Das darf man nicht! Wie viel fehlen dann am Ende bei Gösgen und bei Leibstadt? Ende 2011 sind es bei der KKG 969 Millionen Franken gewesen, bei der KKL 868 Millionen. Nach Gesetz müsste der Verwaltungsrat Konkurs anmelden oder schleunigst sanieren. Dann müssen die Aktionäre, also die Kantonsregierungen dazu stehen und sagen: Liebe Steuerzahler, wir müssen die beiden Kernkraftwerke mit rund je einer Milliarde neuem Kapital ausstatten. Das wollen sie aber nicht. Wie soll es weitergehen? Wichtig ist, dass die Steuerzahler merken, dass es sich hier um gravierende Gesetzesverstösse handelt, die man auch bei anderen Unternehmen anzeigen müsste. Es sind übrigens ­Offizialdelikte. Und natürlich erwarte ich von den Staatsanwaltschaften, dass sie von sich aus gegen die Betreibergesellschaften KKG und KKL vorgehen. Auch die Revisionsbranche müsste reagieren, denn sie darf sich nicht zur Komplizin von Unternehmen machen, die gegen das Obligationenrecht verstossen. Das Interview wurde von Susan Boos geführt. Kaspar Müller (62) lebt in Basel. Der unabhängige Ökonom und Finanzmarktexperte amtet unter anderem als Präsident von Ethos Genf. 1991 bis 2012 war er Mitglied der Fachkommission Swiss GAAP FER, die sich mit den Fragen der korrekten Bilanzierung beschäftigt.

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© ALESSANDRO DELLA BELLA

an der Börse erzielt werden könnte. Das ist illegal, das Obligationenrecht lässt das nicht zu. Bei den beiden AKW Beznau und Mühleberg wird es korrekt gemacht. Da sind übrigens dieselben Revisionsfirmen involviert, sie wissen also, dass die Buchführung von Leibstadt und Gösgen gegen das Gesetz verstösst. Greenpeace und der Trinationale Atomschutzverband hatten Gösgen und Leibstadt vor zwei Jahren angezeigt. Das führte aber zu nichts. Stimmt. Und das ist absolut nicht nach­ vollziehbar. Die Solothurner Staatsanwaltschaft schrieb in ihrer Einstellungsverfügung, das Eigenkapital von Gösgen wäre damals zu bei­ nahe 80 Prozent aufgebraucht gewesen. Sie ­räumte ein, «Sanierungsmassnahmen wären unumgänglich gewesen». Sie teilte also meine Analyse, schob dann aber nach: «Da es sich jedoch ausschliesslich um Buchverluste gehandelt hat und insbesondere die Liquidität der Unternehmung nicht tangiert war, machen die vom Obligationenrecht vorgesehenen Sanierungsmassnahmen schlicht keinen Sinn.» Deshalb wurde das Verfahren eingestellt. Das ist unglaublich! Es obliegt nicht der Staatsanwaltschaft, das Gesetz zu interpretieren – sie muss es anwenden. Es wäre, wie wenn jemand mit 100 Stundenkilometern durch ein Dorf fährt, weil er es eilig hat. Die Polizei erwischt ihn, doch danach heisst es, dass das Gesetz in diesem Fall nicht anzuwenden sei, weil er sonst ja zu spät ge­ kommen wäre. Die Einstellungsverfügung der Aargauer Staatsanwaltschaft bezüglich Leibstadt war übrigens identisch. Die AKW Beznau und Mühleberg führen korrekt Buch. Das überrascht. Soweit ich das sehen kann, schon. Aber es gibt keine detaillierten Zahlen, weil die beiden Kernkraftwerke keine eigenen Aktiengesellschaften sind, sondern in die Axpo AG respektive die BKW Energie AG integriert sind. Sie haben weitere Fehler erwähnt. Worum geht es da? In der Erfolgsrechnung werden kalkula­ torische Wertschriftenerträge verbucht, Erträge also, die man nicht erzielt hat. Ohne diese ­fiktiven Erträge hätten Leibstadt und Gösgen keine Dividende bezahlen können. Und in den Bilanzen von KKL und KKG finden sich Aktivposten namens «zu amortisierende Kosten für Nachbetrieb, Stilllegung und Entsorgung».


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Widerstand gegen Umweltzerstörung, Landraub, Menschenrechtsverletzungen: Wer sich im ­globalisierten Süden für die Erhaltung einer intakten Umwelt und deren Lebensgrundlagen für Mensch und Tier einsetzt, nimmt oft hohe Risiken in Kauf. Doch Umweltschutz ist heute für ­viele Menschen weltweit eine Frage des Überlebens. Durch die sich neu formierende Weltordnung gewinnen Big Corporations u.a. Monsanto, Nestlé oder Shell an Macht und kontrollieren immer umfassender Bereiche, die früher vom Staat, von der Politik und von traditionellen Institutionen bestimmt wurden. Diese Konzerne entziehen sich der Kontrolle durch Politik und Zivilgesellschaft und scheren sich immer weniger um Grundsätze wie Legitimität oder Legalität. Es ist keine Überraschung, wenn sich vor allem in korrupten und undemokratisch ­regierten Staaten Widerstand formiert. Vor allem in Regionen, wo die Meinungsfreiheit mit Füssen getreten oder gar mit dem Tod geahndet wird, sind die lokalen Aktivisten und Aktivistinnen auf internationale Hilfe und auf die globale Verbreitung ihrer Anliegen angewiesen. In den letzten Jahren begannen lokale Bewegungen die neuen Möglichkeiten der digitalen Revolution mit ihren schnellen, interaktiven Kommunikationsformen geschickt zu nutzen. Im virtuellen globalen Dorf können sich Umweltaktivisten des Südens mit Gesinnungsgenossen

Lokale Bewegungen ­erreichen die ganze Welt

Dossier: W I D E R S T A N D


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in anderen Regionen vernetzen und so Teil einer weltweiten Bewegung werden. Der Corporate World steht eine neue Zivilgesellschaft gegenüber, die — wie sie — global agiert. Das digitale Netz verhilft einer Widerstandsbewegung zudem zu einer globalen ­Legitimität. Im Internet finden lokale Aktivisten weltweite Unterstützung und ihre Anliegen ­werden sichtbar – allerdings mit der Gefahr, dass sie dann auch genauso rasch wieder vergessen werden, sobald ein anderes Thema zum Online-Hype wird. Die neusten Entwicklungen in Hongkong oder in der Ukraine sind Besorgnis erregend, weil sie vor Augen führen, wie schnell Widerstandsbewegungen unterdrückt oder vereinnahmt ­werden können. Sie geben aber auch Hoffnung: Wir alle konnten diese Bewegungen zumindest für kurze Zeit greifbar nahe miterleben. Und viele Hunderttausende, ja sogar Millionen Menschen ­haben dadurch eine wichtige Erfahrung gemacht: Ihr lokaler Protest hat die ganze Welt erreicht.


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Wenn es um politischen Wandel geht, hat der gewaltfreie zivile Widerstand mehr ­Erfolgschancen als der bewaffnete. Zu ­diesem Schluss sind die US-Wissenschaft­ lerinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan 2011 in ihrem Buch «Why Civil ­Resistance Works» gekommen. Kürzlich ­haben sie ihre Forschungsarbeit um Betrachtungen zu den anhaltenden blutigen ­Aus­einandersetzungen im arabischen Raum erweitert und festgestellt, die Skepsis ­gegenüber ihrer damals aufgestellten These sei verständlich, aber falsch. Von Rita Emch

Die beste Antwort auf Unterdrückung Für Chenoweth und Stephan behält die 2011 aufgestellte historische Bilanz Gültigkeit, wonach ziviler Widerstand nach wie vor die beste Antwort auf Unterdrückung und die überlegene Strategie für sozialen und politischen Wandel sei. Denn die dramatischen Ereignisse der jüngsten Zeit belegten vor allem eines: dass Bewegungen, die auf Gewalt setzen, «oft schreckliche

In verschiedenen Beiträgen zum Thema gewaltfreier Widerstand schreiben die beiden Autorinnen, vordergründig mache es den Anschein, als ob sich im arabischen Raum die Hoffnungen zerschlagen hätten, dass «die Macht des Volkes» diktatorische Regimes erfolgreich herausfordern und durch neue, bessere Regierungssysteme ersetzen könne. Das anhaltende Blutbad in Syrien, die permanente Instabilität in Libyen, die blutige Konterrevolution in Ägypten, aber auch die gewaltsame Niederwerfung der Proteste in der Ukraine stimmten skeptisch, was die Aussichten gewaltfreien Widerstands gegenüber repressiven Regimes angehe. Diese Skepsis sei «angesichts der Ereignisse verständlich», schreiben die Autorinnen, «aber fehl am Platz».

Gewaltloser ­Widerstand ist die ­bessere Option

forschungsbericht


WIDERSTAND

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Anzahl Kampagnen und Anteil gewaltfreier Erfolge zwischen 1940 und 2006

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Q u e lle : « W h y C i v i l R e s i s tanc e Wor k s » ( C olu mbi a U n i v er s i t y P r es s , 20 1 1) ; « D rop You r W e ap ons » ( F or e i g n Affai r s , I s s u e Ju ly /Au g u s t 20 1 4 , o n l i n e)

Die Erfolgsfaktoren sind weltweit dieselben Die Regel, wonach ziviler Widerstand mehr Erfolg verspreche, gelte selbst für Regimes, die auf brutale Unterdrückung setzten. Auch dort hätten Proteste, Boykotte, ziviler Ungehorsam und andere Formen gewaltfreier Aktionen dazu beigetragen, die Loyalität wichtiger Unter-

Zerstörungen und Blutbäder auslösen, ohne dass die angestrebten Ziele auch wirklich erreicht werden». Es sei eine längerfristige Betrachtungsweise nötig, um das tatsächliche Potenzial des gewaltfreien Widerstands zu bewerten. In ihrer Forschungsarbeit hatten die beiden Amerikanerinnen historische Daten von 105 gewaltfreien und 218 bewaffneten Kampagenen des Widerstands zusammengetragen. Sie untersuchten alle weltweit bekannten Auseinandersetzungen für das Recht auf Selbstbe­ stimmung, die Amtsenthebung politischer Führer oder die Vertreibung militärischer Besatzungsmächte zwischen 1900 und 2006. Dabei werteten sie Tausende von Quellen über Proteste und zivilen Ungehorsam aus, sichteten Expertenberichte und Umfragen sowie Aufzeichnungen über gewaltsame und ge­waltfreie Aufstände, darunter Mahatma Gandhis Bewegung für die Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialherrschaft oder die Protest­ bewegung in Thailand, die zum Sturz von Regierungschef Thaksin Shinawatra führte. Chenoweth und Stephan kamen zum Schluss, dass der gewaltfreie Widerstand historisch öfter zur Ent­wicklung nachhaltiger Regierungssysteme und friedlicher Gesellschaften geführt habe. Die Erfolgsquote gewaltfreier Kampagnen sei doppelt so hoch gewesen und die Wahrscheinlichkeit des Rückfalls in einen Bürgerkrieg deutlich kleiner. Eine Ausnahme bildeten lediglich die Sezessionsbe­wegungen, also der Kampf um die Unabhängigkeit eines Landesteils. Dieses Ziel sei kaum je erreicht worden, weder mit gewaltloser noch mit kriegerischer Strategie.


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stützungsquellen gegenüber der Regierung zu untergraben und diese zu schwächen. Dies habe sich sogar in Ländern wie dem Iran, Burma oder den Philippinen gezeigt. «Entgegen der landläufigen Meinung haben keine sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Strukturen gewaltfreie Kampagnen systematisch daran gehindert, zu entstehen oder Erfolg zu haben», schreiben die Autorinnen. Von Streiks und Protesten über Sit-ins und Boykotte bleibe ziviler Widerstand angesichts von Unterdrückung «die beste Strategie für sozialen und politischen Wandel». Ein wichtiger Aspekt für den Erfolg einer Bewegung sei in jedem Fall die breite Unterstützung durch das Volk. Obschon Tumult und Angst von Kairo bis Kiew bis heute anhielten, gebe es nach wie vor viele Gründe, über die Aussichten zivilen Widerstands in den kommenden Jahren vorsichtig optimistisch zu bleiben. Ziviler Widerstand habe vor allem deshalb Erfolg, weil die Wahrscheinlichkeit höher sei, dass er eine grössere und breiter gefächerte Basis von Teilnehmerinnen und Teilnehmern anziehen könne als der bewaffnete Kampf. Für ein Regime sei der zivile Ungehorsam bedrohlicher, weil er auf lange Zeit untragbare Kosten verursachen könne. Wirksame zivile Widerstandskampagnen hätten drei Dinge gemeinsam: eine massive Beteiligung des Volkes, eine flexible Taktik sowie das Potenzial, aus regimetreuen

«Wirksame zivile Widerstandskampagnen haben drei Dinge gemeinsam: eine massive Beteiligung des Volkes, eine ­flexible Taktik sowie das Potenzial, aus regimetreuen Exponenten Überläufer zu machen.» Widerstand ist eine komplexe Konflikttechnik Tatsache ist, dass die Menschen unter autoritären Regimes viel eher in den Bereich der Illegalität geraten als in Demokratien, wo Proteste legal sind. In Demokratien sind mit den Wahlprozessen ausserdem Sicherheitsventile eingebaut, über die sich die Unzufriedenheit eines Volkes entladen kann. Somit entwickelt sich weniger politischer Druck von unten als in Ländern mit autoritären Regimes. Der Nährboden für breitere Widerstandskampagnen ist dort besser. Generell ist Chenoweth der Meinung, es gebe weltweit grosse Unterschiede in Bezug auf die Stärke und das Durchhaltevermögen von Zivilgesellschaften. Dass es heute global gesehen deutlich mehr zivilen Widerstand gebe als früher, bedeute aber nicht, dass die Zivilgesellschaft insgesamt stärker geworden sei. Ziviler Widerstand sei nach wie vor eine komplexe Konflikttechnik. Wer diesen Weg beschreite, habe grössere Chancen, nachhaltige Erfolge zu erzielen, als mit gewalttätigen Aktionen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg sei die Geduld: «Es dauert oft sehr lange, bis sich drängende Probleme lösen lassen.» Wer zum Mittel des zivilen Widerstands greife, müsse deshalb sicherstellen, «dass jenen, die diesen Weg verfolgen wollen, die ­ Realitäten eines langen Kampfes für die Gerechtigkeit klar sind».

Exponenten Überläufer zu machen. Diese Erfolgsfaktoren seien weltweit dieselben. Chenoweth sagt, sie habe diesen Aspekt mit ihrer Partnerin intensiv in verschiedenen Teilen der Welt abgeklärt: «Es gibt keine Belege für systematische Unterschiede zwischen erfolgreichen zivilen Widerstandsbewegungen in der südlichen und der nördlichen Hemisphäre.»


WIDERSTAND

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Bild Máxima Acuñha de Chaupe: Die peruanische Bäuerin weigert sich seit Jahren, ihre Landrechte an eine Firma abzutreten, die auf ihren vier Hektaren Gold und Silber abbauen will.

Tausende indigene Bauern in Peru kämpfen um Wasserquellen, die ein Bergbaukonzern unter US-amerikanischer Führung für die Goldförderung trockenlegen will. ­Unterstützt werden sie von einem globalen Netzwerk von Aktivisten, das sich mit ­Dokumentarfilmen, Social-Media-Beiträgen und Webpetitionen gegen die Willkür von Staat und Rohstoffindustrie zur Wehr setzt. Von Samuel Schlaefli

Mit Twitter und ­Facebook gegen die Goldmine

Hintergrund

© Alex Lun a


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Bild Handfester Widerstand: ­Einheimische zerstören die Mauern von einem der vier Reservoirs, in ­welche die Gesellschaft Newmont Mining das Wasser des Perolsees umleiten will.

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Hintergrund

Kupfer, Silber, Molybdän und Gold Die Tragadero Grande liegt im Norden Perus, im Departement Cajamarca nahe der ecuadorianischen Grenze. Die 13 Provinzen von Cajamarca gehören zu den ärmsten des Landes. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, darunter viele Kleinbauern, leben unter der Armutsgrenze. Dabei ist der Boden reich an Kupfer, Silber, Molybdän und Gold – die Region ist voll davon. 1993, kurz nach der Liberalisierung der peruanischen Wirtschaft unter den Bedingungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, eröffnete die Gesellschaft Yanacocha ihre erste Mine in Cajamarca. Das Bergbaukonglomerat ist im Besitz des amerikanischen Minenkonzerns Newmont (51,35%), des peruanischen Minenkonzerns Buenaventura (43,65%) und der Weltbank (5%). In den besten Jahren wurden hier über 100 000 Kilogramm Gold ge­fördert. 2011 waren es noch 40 000, aber inzwischen hatte sich der Weltmarktpreis vervierfacht. Nach mehr als zwanzig Jahren Sprengen und Baggern geht nun die Ausbeute weiter zurück und der Goldpreis ist 2012 eingebrochen.

Máxima Acuña de Chaupe ist eine kleine, zierliche Frau Mitte vierzig. Ihre Haut ist von Sonne, Wind und Regen gegerbt, ihr Blick stolz und eindringlich. Mit ihrem Mann, vier Kindern und der Verlobten eines Sohnes lebt sie auf der peruanischen Hochebene Tragadero Grande in einem kleinen, fensterlosen Lehmhaus mit Wellblechdach. Tagsüber ist Máxima draussen, bestellt das Kartoffelfeld, treibt Schafe ein und melkt ihre Kühe. Wenn sie ihren Blick über das 4 000 Meter hohe Plateau schweifen lässt, sieht sie die Jalca, die sanften, dicht mit Gras bewachsenen Hügel der peruanischen Anden, und die Laguna Azul, den Bergsee, in dem sie zuweilen Fische fängt und der ihr in einem dünnen Bächlein Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen liefert. Trotz ihres bescheidenen Lebens könnte sich Chaupe kein anderes Zuhause vorstellen.

Fusstritte vom Staat Seit die peruanische Regierung im Oktober 2010 das Umweltgutachten (EIA) für die neue Mine durchgewinkt hat, ist es mit dem Frieden auf der Tragadero Grande vorbei: Die Lehmhütte, in der Chaupe mit ihrer Familie ­­damals wohnte, wurde im Mai 2011 von privaten Sicherheitskräften und Polizisten der División Nacional de Operaciones Especiales unter den Augen von YanacochaIngenieuren zerstört. Chaupe weigerte sich, ihr Land zu verlassen, schlief im Freien und baute mit Freunden eine neue Hütte. Im August tauchten Spezialeinheiten und Sicherheitskräfte erneut auf. Chaupe, ihr Sohn Daniel und die Tochter Gilda wurden misshandelt. Gilda

Damit die Gewinne gehalten werden können, muss die Goldförderung effizienter werden. 23 Kilometer nordöstlich der bestehenden Mine soll deshalb eine zweite namens Conga gebaut werden. Newmont lässt verlauten, man wolle 7000 Arbeiter für den Bau sowie 1600 für den Betrieb einsetzen und so Arbeitsplätze schaffen, welche die arme Region dringend benötige. 4,8 Milliarden Dollar sollen investiert werden, 31 Quadratkilometer Land wären betroffen, etwa die Fläche des Kantons Basel- Stadt. Zwei gewaltige Gruben – die grössere 1900 ­Meter breit und 600 Meter tief – sollen den Zugang zu den ­begehrten Metallen ermöglichen. Riesige Bagger werden täglich 184 000 Tonnen Gestein aus dem Berg schaufeln, das in riesigen Mörsern zermalmt, zu feinem Sand gemahlen und mit hochgiftiger Natriumcyanidlösung ausgewaschen wird. Wer die bestehende Tagebaugrube in Cajamarca auf Fotos sieht, realisiert: Hier werden ganze Berge abgetragen und Landschaften umgepflügt. Die braune Wüste im Grün der Anden ist selbst auf Satellitenbildern leicht zu erkennen. Die Conga-Goldmine würde doppelt so viel Land verschlingen und wäre die grösste Lateinamerikas. Máxima Acuña de Chaupes Hütte liegt mitten drin.


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Hintergrund

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Bild Ungleiche Positionen: Während eines Protestmarschs gegen das 35 Milliarden teure Conga-Projekt ­unterhält sich ein Einheimischer mit einem Polizisten.

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Ikone des globalisierten Widerstands Máxima Acuña de Chaupe ist mittlerweile zu einer Ikone geworden – sowohl für die Kleinbauern in Cajamarca, die um ihre Lebensgrundlagen fürchten, als auch für ein globales Netzwerk von Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten. Dazu hat ein Bild, das der peruanische Fotograf Alexander Luna im Dezember 2012 aufgenommen hat, wesentlich beigetragen. Es zeigt Chaupe, wie sie mit erhobener Faust auf ihrem Land steht, lächelnd und siegesgewiss. Luna war nach Cajamarca gereist, um die Pro­ teste gegen die geplante Conga-Mine zu dokumentieren. Einige Monate zuvor hatte die Polizei fünf Demonstranten erschossen. Der 16-jährige Cesar Medina Aguilar wurde

verlor nach einem Schlag mit dem Gewehrkolben das Bewusstsein. Hab und Gut der Familie wurde konfisziert und die Familie vertrieben, doch sie kehrte zurück. Seither steht sie unter ständiger Überwachung, wird gefilmt, erhält telefonische Todesdrohungen, und wer sie besuchen will, wird von der Polizei abgefangen. Egal ob bei solchen Räumungen oder bei der Niederschlagung von Protesten: Yanacocha kann auf die Unterstützung der Behörden zählen. 2013 wurde bekannt, dass die peruanische Nationalpolizei in mindestens 13 Fällen lukrative Verträge mit Rohstofffirmen abgeschlossen hat, darunter auch mit Yanacocha. Die Minen werden ständig bewacht und die Firmen können Polizeieinsätze beantragen, wenn sie Proteste befürchten. Die Polizei geht also im Auftrag internationaler Konzerne gegen die eigene Bevölkerung vor. Für die Regierung ist es vorrangig, dass die globalen Investoren im Land bleiben und weitere Minen bauen, denn jede Unze Gold spült Geld in die Staatskasse und kurbelt die Wirtschaft an, die in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 5,6 Prozent gewachsen ist. Kein Wunder also, ist die störrische Bäuerin Chaupe der Regierung in Lima genauso ein Dorn im Auge wie den Initianten des Conga-Projekts. Faires Gold dank Fairtrade? 85 bis 90 Prozent des weltweit gehandelten Goldes ­werden von grossen ­Bergbaukonzernen gefördert — mit nur 10 Prozent der im Goldtagebau Beschäftigten. Der Rest, schätzungsweise 15 Millionen, arbeitet in Kleinminen, wo Goldförderung nach wie vor ein Handwerk ist. ­Typischerweise malochen die Mineure in Südamerika oder Afrika unter haarsträubenden Bedingungen. Viele Arbeiter sind minderjährig, Unfälle sind häufig und der Lohn reicht meist nicht für ein würdiges Leben. Die englische «Fairtrade Gold and Precious Metals»-Initiative will das mit fairen Standards ändern. Kinderarbeit soll aus den Minen verbannt und gewerkschaftliche Organisationen sollen gestärkt werden. Mit dem Fairtrade-Label, das von Bananen und Kaffee her bekannt ist, wird den Mineuren ein Minimalpreis für ihre Ware zugesichert. Zudem bezahlt der Käufer pro Kilo Gold einen Zuschlag von etwa 1900 Franken, der in Projekte für soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung der Gemeinden fliesst. Doch faires Gold ist nicht automatisch auch grünes Gold. Ähnlich wie die grossen Minenkonzerne setzen auch Kleinminen Quecksilber oder Cyanid zum Herauslösen des Goldes ein. Die Fairtrade-Standards verlangen lediglich, dass der Chemikalieneinsatz auf ein Minimum beschränkt und die Abfälle fachgerecht entsorgt werden. Bis heute gibt es erst zwei Fairtrade-zertifizierte Kleinminen, beide in Peru. 2015 sollen weitere in Ostafrika hinzukommen.


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Regionale und globale Solidarisierung in Zeiten des Web 2.0

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HINTERGRUND

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WIDERSTAND

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Nationale Medienarbeit, Konfrontation der Regierung

Internationale Petitionen, Internationale Medienarbeit

Geschichten in Form von Blogs, Reports, Fotos, Youtube-Beiträgen und Dokumentarfilmen

Vernetzung über Facebook, Twitter, Blogs

Physischer Widerstand, Strassenblockaden, Streiks

Werkzeuge

5 Internationale NGOs: Rettet den Regenwald, Amnesty International

4 Unabhängige Initiativen und global agierende Aktivisten: Guardianes del Agua

3 Nationale Menschenrechts- und Umwelt-NGOs: Cordinadora national de derechos Humanos

2 Lokal ­organisierte NGOs und Umweltaktivisten: Grufides

1 Direkt betroffene Bürger: Máxima Acuña

AKTEURE:


Das peruanische Gold und die Schweiz Die Schweiz spielt im Handel und in der Verarbeitung von Gold eine zentrale Rolle. Laut der Erklärung von Bern machte Gold bis vor wenigen Jahren 99 Prozent der Schweizer Einkäufe im ­Andenstaat aus. Gleich vier Schweizer Raffinerien ­gehören zu den grössten der Welt. Ihre gemeinsame Kapazität zur Goldverar­ beitung beträgt rund 2100 Tonnen pro Jahr, was fast 50 Prozent des weltweit ­gehandelten Goldes entspricht. Die Raffinerien ­veredeln das Gold aus den Minen und schmelzen Altgold für den Wiederverkauf ein. Die Firma Newmont aus Colorado ist nicht nur Mehrheitsbesitzerin von ­Yanacocha in Peru, sondern auch der im Tessin ansäs­ sigen Goldraffinerie Valcambi. Laut der NGO Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Valcambi 2011 für Newmont 146 Tonnen Gold raffiniert. Mindestens 10 Tonnen sollen von ­Yanacocha aus Peru stammen. Insgesamt wurden laut GfbV im Jahr 2011 rund

Hintergrund

aus einem Polizeihelikopter heraus getötet, der über der Menge kreiste. Eine Untersuchung gab es nicht. Präsident Ollanta Humala rief den Ausnahmezustand über drei Provinzen aus und hebelte so das Versammlungsrecht aus. Die Bauern sprachen von einem Krieg der Regierung gegen das eigene Volk – zugunsten eines Milliardenkonzerns. Das Foto setzte Luna für eine Kampagne ein, in der Chaupe zur «Frau des Jahres 2012» erkoren wurde. Dank der Verbreitung über Facebook, Twitter und Blogs hatte die Kampagne so viel Erfolg, dass Lunas Bilder heute auf Dutzenden Blogs und Kampagnenwebsites von internationalen NGOs aufgeschaltet sind. «La Republica», eine der wenigen politisch und wirtschaftlich unabhängigen Zeitungen Perus, schickte eigene Journalisten zu Chaupe und publizierte einen zweiseitigen Artikel über die Frau des Jahres. In der Folge trat Chaupe im Fernsehen auf, wurde für Diskussionen bis in die Schweiz und nach Deutschland eingeladen und hat mittlerweile eine Facebook-Seite mit über 1 500 Freunden, obwohl sie weder lesen noch schreiben kann, keinen eigenen Fernseher besitzt und noch nie einen PC bedient hat. Ihre Site wird von jungen, ambitionierten und gut ausgebildeten Aktivisten betreut, zu denen auch der Fotograf Luna gehört. Sie nutzen die Möglichkeiten des Internets, um die Öffentlichkeit für den Kampf der Campesinos zu sensibilisieren. Inzwischen hat Luna mit drei Mitstreitern aus Deutschland das Filmprojekt «Guardianes del Agua» (Wächter des Wassers) begonnen. Es soll die Geschichte von Chaupe und Cajamarca in die Welt tragen. Den Schnitt und die Postproduktion des umfangreichen Materials versuchten sie über eine Crowdfunding-Kampagne im Internet zu finanzieren. Der Film soll 2015 fertig sein, erste Sequenzen sind bereits auf Vimeo zu sehen. Dabei haben sie Menschrechtsorganisationen wie Union Latinoamerica de Mujeres in ihre Blogs und Webauftritte eingebunden. Seither kann sich die ganze Welt ein Bild von Chaupe, ­ihrem Kampf Bild Eine Frau trinkt Wasser vom Perolsee in den Anden, der durch ein Grossprojekt der Newmont-Goldförderer gefährdet ist.

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190 Tonnen Rohgold aus Peru in die Schweiz eingeführt, davon 55 Tonnen aus der Mine Yanacocha. Doch nicht nur in der Raffinierung von Gold ist die Schweiz Weltspitze. Die Uhrenindustrie gehört zu den wichtigsten Abnehmern von Gold — sie verbraucht mehr als die Hälfte des jährlich raffinierten Goldes. 35 Prozent ­landen auf dem Finanzmarkt. Julius Bär, die Zürcher Kantonalbank, Credit Suisse und UBS sind wichtige Käufer. Nur gerade 11 Prozent des weltweit geförderten Goldes wird für industrielle Zwecke wie zum Beispiel die Elektronik genutzt.

Aktivisten vernetzen sich Von der globalen Vernetzung über Internet und Social Media profitieren auch lokale Aktivisten in Cajamarca. Der bekannteste von ihnen, der Priester Marco Arana, spricht sich für einen gewaltlosen Widerstand aus. 2009 wurde er vom «Time Magazine» zum «Hero of the environment» erkoren. Arana hat die NGO Grufides gegründet, die sich seit über zehn Jahren – lange bevor die globale Solidaritätswelle mit Chaupe anlief – mit einem Dutzend Aktivisten für den Schutz der Umwelt und soziale Gerechtigkeit in Cajamarca einsetzt. Am 4. Juli 2012,

für Gerechtigkeit und ihrer bedrohten Lebenswelt machen. Man erfährt von den Plänen Yanacochas, auf Tragadero Grande insgesamt vier Seen trockenzulegen, in zwei der Gruben nach Gold zu graben und die anderen beiden mit dem Abraum zu füllen. Zur Kompensation will der Konzern zwei künstliche Seen ausserhalb des Minengeländes anlegen. Internationale Fachleute bezeichnen das Umweltgutachten, das der Planung zugrunde liegt, als reine PR. Vom Abbau wären über 600 Quellen und Flussläufe betroffen, denn der Betrieb würde Unmengen Wasser verschlingen: Um eine Tonne Rohgold auszuwaschen, benötigt man ungefähr 260 000 Tonnen Wasser. Yanacocha schätzt den künftigen Bedarf auf zwei Milliarden Liter pro Jahr. Die Menschen in Cajamarca fürchten, dass das gesamte hydrologische System der Hochebene zerstört wird. Der Grundwasserspiegel könnte so stark sinken, dass die über 20 000 Bauern in der Region plötzlich auf dem Trockenen sitzen. Sie protestieren deshalb mit dem Kampfspruch «Gold kann man nicht trinken!». Zugleich fürchten sie sich vor den giftigen Abfällen. Schon heute ist das Trinkwasser der Stadt Cajamarca mit Chloriden, Cyaniden und Schwermetallen der bestehenden Mine belastet. Chaupes Widerstand war deshalb von Beginn an mehr als nur ein Kampf um einen idyllischen Flecken Erde. Es geht um das Wasser von Cajamarca.

rund einen Monat nachdem er mit anderen regionalen Politikern und Aktivisten in der Provinz einen Streik ausgerufen hatte, wurde Arana bei einer friedlichen Demonstration von Polizisten verhaftet und auf dem Weg ins Gefängnis verprügelt. Es gelang ihm, über Twitter einen Notruf abzusetzen: «Sie inhaftierten mich und schlugen mich. In der Station schlugen sie mich weiter, Schläge in mein Gesicht, die Nieren, Beschimpfungen.» Im Netz gab es einen Aufschrei der Empörung, auf Youtube tauchte ein Handyvideo der willkürlichen Festnahme auf. Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten verbreiteten die Bilder über Social Media und Blogs und riefen im Büro des peruanischen Präsidenten an. Das Koordinationsbüro für Menschenrechte (CNDDHH) sandte sofort einen Anwalt nach Cajamarca. 13 Stunden nach seiner Verhaftung war Arana wieder frei und konnte sich im Spital behandeln lassen. Das Web ist zu einem weltweiten Schaufenster für Menschenrechtsverstösse geworden. Es hilft den Aktivisten, lokale Konflikte in einen überregionalen, vielleicht sogar globalen Kontext zu stellen. Wie das geht, zeigt die 32-jährige irische Aktivistin Lynda Sullivan, die seit zwei Jahren in Celendin lebt, wo die Conga-Mine gebaut werden soll. Sie nutzt das Web, um andere zivilgesellschaftliche Kämpfe in Lateinamerika mit der Conga-Aktion zu vernetzen. So lud sie Chaupe kürzlich für ein Gespräch ein, das im Internet per Livestream übertragen wurde. Zugeschaltete Aktivisten aus Mexiko, Kolumbien und Argentinien konnten Chaupe Fragen stellen. Künftig will Sullivan alle zwei Wochen einen solchen Livestream organisieren und wechselnde Aktivistengruppen Lateinamerikas von ihren jeweiligen Kämpfen berichten lassen. Was früher weit weg und unerreichbar schien, ist nun plötzlich ganz nah: Internationale Solidarität. Die Bauern in Cajamarca realisieren: Wir sind nicht allein. Es gibt Millionen auf der Welt, die nicht länger akzeptieren, dass ihr Land zur Abfallhalde der Globalisierung ver-


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Hintergrund

Zuversicht trotz Repression Trotz Internetmobilisierung, Transparenz und ­­Soli­darisierung stellt sich die Frage: Was bringt das Eng­a­ gement? Vieles deutet darauf hin, dass Yanacocha noch in diesem oder zu Beginn des nächsten Jahres mit den Sprengarbeiten für die Conga-Mine beginnen wird. Und das ist nur der Anfang: In Peru ist eine ganze Reihe weiterer Bergbauprojekte geplant. China will 2,5 Milliarden Dollar ins Gold- und Kupferabbauprojekt El Galeno stecken. 2011 hat die Regierung dreimal so viel Land für den Tagebau konzessioniert wie zehn Jahre zuvor und die Kompetenzen der Umweltbehörde drastisch eingeschränkt. Sie hat nun nur noch 45 Tage Zeit, um zu Umweltgutachten Stellung zu nehmen, dabei umfasste dasjenige für Conga mehr als 9000 Seiten. Die Repression nimmt zu: Im August wurde Máxima Acuña de Chaupe zu 32 Monaten Gefängnis verurteilt. Überdies soll sie dem Yanacocha-Konzern 1940 Dollar Busse bezahlen: ein Vermögen für bäuerliche Verhältnisse. Ihre Rechtsanwältin Mirtha Vasquez von Grufides hat Berufung eingelegt. Bis das Urteil rechtskräftig ist, kann Chaupes Familie auf der Tragadero Grande bleiben. Die Conga-Aktivisten verzweifeln nicht: «Keiner von uns hätte vor zwanzig Jahren jemals vom Schicksal einer armen Bäuerin auf der Tragadero Grande erfahren», sagt Guadalupe Rodriguez. Sie betreut aus Spanien die MáximaKampagne für die Umwelt-NGO «Rettet den Regenwald». Bislang haben mehr als 82 000 Menschen die Onlinepetition unterschrieben, die von der peruanischen Regierung fordert, das Conga-Projekt einzustellen

kommt; Millionen, die es verurteilen, dass sich globale ­ Konzerne bei ihnen aufführen, wie sie es in ihren Herkunftsländern niemals könnten; Millionen, die den Staat in die Pflicht nehmen, sich für die Menschenrechte der eigenen Bevölkerung einzusetzen und nicht für die Gewinne ausländischer Investoren.

Persönlicher Nachtrag des Fotografen Alexander Luna: «Auch wenn Máxima auf Bildern und wenn man sie persönlich trifft, Mut und Freude ausstrahlt, stellt die seit Jahren anhaltende Situation vor allem eine grosse Last für sie dar, die ihre Frohnatur trübt und sie zwischen Zukunftsangst und Zuversicht schwanken lässt. Die Kraft zum Weitermachen bekommt sie durch ihren Gerechtigkeitssinn, ihre Familie und den Beistand von Freunden und Unterstützer­Innen.»

und die Klage gegen Chaupe fallen zu lassen. Auf Youtube finden sich mittlerweile über hundert Videos zu ihrem Fall. Catherine Grèze, Koordinatorin des Entwicklungskomitees des Europaparlaments, hat sich letztes Jahr in einem Brief an Präsident Humala dafür eingesetzt, dass das Conga-Projekt verworfen wird. Und in Reuters-Meldungen an Investoren taucht mittlerweile der Hinweis auf, dass Finanzanlagen in Bergbaukonzerne, die in Peru tätig sind, wegen der lokalen Aufstände und der Verzögerungen der Projekte zunehmend unsicher werden. Rodriguez ist überzeugt: «Wenn wir vor vier Jahren nicht begonnen hätten, gegen das Conga-Projekt zu mobilisieren, wäre die Tragadero Grande heute schon ein einziges, riesiges Loch.»


WIDERSTAND

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Ein ÖkozidGesetz: «Mehr Macht für ­Aktivisten»

INTERVIEW

Eines Tages, als sie einen Mandanten vertrat, der bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt worden war, sah die schottische Anwältin Polly Higgins aus dem Fenster. Sie blickte auf eine ­Reihe von Bäumen, und es fiel ihr wie Schuppen von den ­Augen: Auch die Erde war bei einem Arbeitsunfall verletzt worden. Wer aber trug die rechtliche Haftung für grosse Umweltkatastrophen? Wo waren die internationalen Gesetze ­dafür? Higgins hatte ihre Mission gefunden. Mit Polly Higgins sprach Hannes Grassegger.


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INTERVIEW

Greenpeace: Frau Higgins, man sagt, sie seien eine Kämpferin für die strafrechtliche Haftung bei ­Öko­ziden. Was bitte ist ein Ökozid? Polly Higgins: Ökozid ist die grossflächige Zerstörung natürlicher Lebensräume in einem Ausmass, welches die friedliche Nutzung des betroffenen Gebiets durch seine Bewohner stark einschränkt oder einschränken wird. Ein Ökozid kann von Menschen verursacht werden, etwa durch umweltverschmutzende Ölförderung; er kann aber auch natürliche Ursachen haben, zum Beispiel Überschwemmungen oder schwere Stürme. Sie wollen Ökozid als Verbrechen im Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag verankern. Warum gerade dort? Das Römer Statut definiert, welche Verbrechen in die Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofs fallen. Zurzeit sind es vier: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen der Aggression, also gewaltsamer Angriffe auf andere Staaten. Die schwere Umweltzerstörung ist meiner Meinung nach das fehlende Glied in der Kette. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Ökozid keine strafrechtlichen Folgen haben soll. Und was würde so ein Ökozid-Paragraf dann nach sich ziehen? Bei Naturkatastrophen wären die unterzeichnenden Staaten über das Römer Statut dazu verpflichtet, Betroffenen Hilfe zu leisten. Wenn schwere Umweltzerstörungen durch menschliches Fehlverhalten verursacht werden, würde das zu einer strafrechtlichen Haftung der Verantwortlichen führen. Das ist grundsätzlich nicht neu: Die Verursachung von «weitreichenden, langfristigen und schweren Schäden an der natürlichen Umwelt» kann heute schon als Verbrechen gegen das Völkerrecht geahndet werden, aber leider nur in Kriegszeiten. Das soll künftig auch in Friedenszeiten möglich sein. Historisch war Ökozid sogar als Teil dieser Statuten

geplant. Eigentlich bringe ich nur etwas zurück, was immer hätte da sein sollen. Es war also gar nicht Ihre Idee, Umweltzerstörung zur ­Straftat zu machen? Eigentlich kam sie schon 1972 auf. Der damalige schwe­ dische Ministerpräsident Olof Palme schlug auf der ersten grossen internationalen Umwelt-Konferenz vor, Um­ weltzerstörung zu einem Verbrechen in der internationalen Gesetzgebung zu machen. Er bekam dafür viel Unter­ stützung, so von der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi und sogar von China. Die Bemühungen verliefen aber im Sand. Und heute kommen Sie damit zurück. Sie glauben, dass die Zeit für den Paragrafen reif sei. Worauf gründet Ihr Optimismus? Wir sind derzeit dabei, wissenschaftlich und auch mensch­ lich zu erkennen, dass alles in Wechselwirkung zuei­ nander steht. Dass unser Handeln Effekte auf andere hat, und zwar nicht nur auf Menschen, sondern auf die ganze Erde. Alles wirkt aufeinander ein. Wenn beispielsweise die Bienen sterben, dann hat das nicht nur auf uns Wirkung, dann kollabiert ein Ökosystem nach dem anderen. Und jetzt muss das Recht eben zu dieser ganzheitlichen Erkenntnis aufschliessen. Haben Sie denn einen neuen Ansatz bei Ihrem Versuch, Ökozid wieder auf die Verhandlungstische zu bringen? Ich veröffentliche alles! Alles, was ich publiziere, steht beispielsweise unter der sogenannten Creative-CommonsLizenz, ist also urheberrechtlich frei, für jedermann nutzbar und verfügbar. Und ich sorge für Transparenz. 1996 beispielsweise wäre Ökozid erneut fast zum inter­­ nationalen Gesetz geworden. Aber weil in letzter Minute ­hinter verschlossenen Türen die USA, England, Frankreich und Holland dagegen lobbyierten, gab es dann doch keinen Durchbruch. Niemand wusste darüber – sowas will ich ändern. Das ständige Wiederaufflackern des


WIDERSTAND © richard piln ick

Polly Higgins Die 46-jährige schottische Juristin reichte im März 2010 bei den Vereinten Nationen den Vorschlag ein, Ökozid zu einem Verbrechen gegen das Völkerrecht zu erklären. Dies war zugleich der Startschuss ihrer weltweiten Initiative. Higgins hat zwei Bücher zum Thema veröffentlicht: «Eradicating Ecocide — Laws and Governance to Prevent the Destruction of our Planet» (Sommer 2010) und «Earth is our Business — Changing the Rules oft the Game» (Mai 2012). Sie ist seit Frühling 2014 für die «Stopp Ökozid»-Initiative im deutschsprachigen Raum verantwortlich.

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Ökozid-Konzepts zeigt, dass die Zeit dafür reif sein könnte. Es ist eigentlich nur die Frage, wann es so weit ist. Wer unterstützt Ihren Vorstoss? Beispielsweise die Buddhisten. Das sind 700 Millionen Menschen, die ein Verständnis haben für ganzheitliche Ansätze. Dann sicherlich die indigenen Gruppen, 750 Millionen Menschen insgesamt. Ich glaube allerdings fest daran, dass es überall auf der Welt noch viel mehr Menschen gibt, die den ganzheitlichen Ansatz einer Ökozid-Kriminalisierung gutheissen würden. Und wer sind die natürlichen Gegner Ihres Plans? Tja, das weiss ich nicht wirklich. Weil diese Leute nicht mit mir sprechen. Dann mal andersrum: Können Sie mir ein Unternehmen nennen, dass Ihren Plan unterstützt? Grosse Ideen beginnen nicht im Herzen des Establishments, sondern bewegen sich von den Rändern aufs Zentrum zu. Die Wirtschaft wird folgen. Greenpeace aber beispielsweise könnte Offenheit für diese Idee beweisen. Es ist absolut essentiell dass die NGOs hier Führung zeigen. Was würde es den NGOs denn bringen? Gäbe es ein entsprechendes Gesetz, müssten GreenpeaceAktivisten für ihren Einsatz gegen die Umweltzerstörung nicht mehr mit Gefängnisstrafen rechnen; sie könnten Verstösse mit weit geringeren Risiken aufdecken und melden. Denn die Staaten müssten dann rechtliche Schritte gegen Umweltzerstörer einleiten, sobald beispielsweise Greenpeace einen Ökozid aufdeckt. Würden Öko-NGOs nicht überflüssig, wenn die Staaten ihre Verantwortung wahrnähmen? Da muss man sich doch fragen, was die grundlegenden Ziele von Umweltorganisationen sind. Wenn ihr Kernziel wäre, Jobs zu schaffen statt einer besseren Welt, dann müssten sie gegen mein Vorhaben sein. Aber ich glaube, Greenpeace will eine bessere Welt. Mein Vorhaben würde Aktivisten mehr Macht verleihen. Denn die rechtli-


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che Verankerung des Ökozids im internationalen Strafgesetz würde NGOs und ihre Aktivisten stärken. Es würde Greenpeace endlich rechtliche Unterstützung für die grossartige Arbeit geben, die sie tun. Überdies könnten NGOs einen grösseren Teil ihrer Mittel dafür einsetzen, Umweltzerstörer anzuprangern. Was geschähe konkret, wenn Ökozid als Straftatbestand im Römer Statut verankert würde? Alle UN-Mitgliedsstaaten müssten die neue Vorgabe des Römer Statuts in nationale Gesetze giessen. Dadurch würde weltweit eine Verpflichtung entstehen, Verursacher von Umweltzerstörung zu bestrafen und Betroffene zu schützen respektive zu unterstützen. Wenn ein Mitgliedsstaat diese Verpflichtung missachtet, muss der internationale Gerichtshof einschreiten. Jedermann könnte Ökozide melden, die Polizei wäre zu Ermittlungen verpflichtet, es käme zu Anklagen, Gerichtsverhandlungen und Urteilen, umweltschädigende Vorhaben könnten gestoppt werden. Mittelfristig würden fortschrittliche Staaten wie bei andern Verbrechen Präventionsmassnahmen ergreifen und vermehrt Umweltaufklärung betreiben. Wer kann das Römer Statut um den Ökozid-Artikel erweitern? Im Artikel 121 des Statuts steht, dass eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Internationalen Strafgerichtshofs möglich ist. Um ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, genügt der Antrag eines einzigen der 122 Ver-

«Gäbe es ein Ökozid-Gesetz, müssten ­Greenpeace-Aktivisten für ihren Einsatz ­für die Natur und Umwelt nicht mehr mit Gefängnisstrafen rechnen.» ­ tragsstaaten. Wir hoffen, dass Österreich dieser Staat sein wird; die Grünen und Greenpeace setzen sich derzeit gemeinsam dafür ein. Eine Reihe von Ländern, darunter Kolumbien, haben bereits vergleichbare Strafnormen eingeführt. Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Umweltzerstörung ist ein grenzüberschreitendes Phänomen. Da nützt nur eine internationale Gesetzgebung wirklich etwas. Daher muss Ökozid als eine Art Supergesetz weltweit etabliert werden. Sie sagten ja vorhin, wir würden in einer Welt leben, in der alles sich gegenseitig beeinflusst. Was wäre denn, wenn die staatlichen Ökozid-Ermittler herausfänden, dass wir alle schuldig sind an der Umweltzerstörung? Kämen wir alle ins Gefängnis? Nein. Dafür gibt es seit den Tagen der Nürnberger Prozesse gegen die Naziherrschaft einen Rechtsgrundsatz. Verfolgt werden die Leute in besonderen Verantwortungspositionen, die die Möglichkeit haben, etwas zu ändern. Warum setzen Sie darauf, dass ein rechtlicher Ansatz die Lösung sein könnte für unsere Umweltprobleme? Weil alles, was wir bisher getan haben, offensichtlich nichts nützt. Die Umweltzerstörung schreitet global voran, es wird sogar immer schlimmer. Haben Sie den letzten WWF-Biodiversitätsbericht gelesen? Seit ich geboren wurde, ist die Hälfte aller Arten vernichtet worden. Was soll denn noch alles passieren, ehe wir reagieren? Ein Ökozid-Gesetz wäre ein Quantensprung in eine bessere Welt.


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Wenn sich Menschen im globalen Süden gegen die Zerstörung ihrer ­Lebensgrundlagen wehren, brauchen sie Mut, Entschlossenheit und Ausdauer, denn sie riskieren verhaftet, misshandelt oder gar getötet zu werden. Zuweilen fehlt es ihnen an den einfachsten Mitteln, um ihre Rechte anzumelden und durchzusetzen: Geld fürs Mobiltelefon, für einen Anwalt, für eine Busfahrt in die nächste Stadt oder für die Gerichtsgebühr, um ein Stück Land registrieren zu lassen. Auf der Gegenseite stehen oft multi­ nationale Konzerne, die alles daransetzen, sich das Wohlwollen der Behörden zu sichern. Trotz aller Schwierigkeiten gibt es jedoch immer wieder ­Bewegungen, denen es gelingt, effektiv Widerstand zu leisten und zumindest Teilerfolge zu erzielen. Dank Internet und Social Media können sie zunehmend auf Unterstützung von aussen zählen. Sechs Beispiele zeigen, wie kreativ Widerstand sein kann. Von Thomas Niederberger

Widerstand mit Köpfchen statt Gewalt: Sechs Beispiele

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Bild Stiller Kampf: Im November 2006 setzen sich Aleta Baun (l.) und Kolleginnen ins Marmor-Abbaugebiet in West-Timor — und harren ein Jahr aus.

Aleta Baun: «Wir wollen daran erinnern, dass wir von der Natur leben und sie respektieren sollten. Wir bekommen unsere Kleider von der Natur. Wir sollten sie schützen, sonst sind wir nackt.» ­

BERICHT

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Weberinnen stoppen Marmorabbau in West-Timor, Indonesien In den Bergen von West-Timor herrscht eine reiche Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Hier entspringen die wichtigsten Flüsse für die Trinkwasserversorgung und die Bewässerungssysteme der indigenen Mollo. Den Einheimischen ist die Region heilig, aus der sie seit Generationen Nahrung, pflanzliche Medizin und natürliche Farbstoffe für ihre traditionelle Weberei beziehen. Ohne sie zu fragen, hat die Bezirksregierung in den 1980er Jahren ausländischen Firmen die Genehmigung erteilt, Marmor aus den Bergen zu hauen. Die Folgen sind dramatisch: Abholzung, Erdrutsche und Gewässerverschmutzung. Eines Tages beginnen sich die Mollos zu wehren, angeführt von Aleta Baun. Sie geht von Dorf zu Dorf und organisiert die ersten Proteste. Die Frauen stehen immer in der vordersten Reihe, Aleta am Megafon. Später tragen sie ihre Webrahmen zu den Steinbrüchen und setzen sich dort zur Arbeit hin. Es ist eine besondere Form des Widerstands, den Aleta Baun und die Mollo-Frauen bei ihrem stillen Kampf anwenden: «Wir wollen daran erinnern, dass wir von der Natur leben und sie respektieren sollten. Wir bekommen unsere Kleider von der Natur. Wir sollten sie schützen, sonst sind wir nackt.» Rund ein Jahr lang sind ständig webende Frauen rund um die Steinbrüche präsent, während sich ihre Männer um die Hausarbeit und die Kinderbetreuung kümmern. Die Aktion erzeugt immer mehr Aufmerksamkeit. Schliesslich wird der Druck so gross, dass sich bis 2010 alle Minenfirmen

1. zurückziehen. Mit ein Grund dafür ist, dass ihre Abbaubewilligungen einer öffentlichen Überprüfung nicht standhalten würden. Aleta Baun erhält 2013 den renommierten Goldman-Preis für Umweltschutz. Ihr Engagement begründet sie mit den Worten: «Ich war verletzt und wütend.» Inzwischen berät Mama Aleta, wie sie genannt wird, andere indigene Gemeinschaften in West-Timor, die sich ebenfalls gegen die Umweltzerstörung wehren wollen.


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2.

Die Grüne Intifada kultiviert den Widerstand in Palästina Murad Alkhuffash, Gründer der Marda-Farm, baut in Palästina eine neue Form von gewaltlosem Widerstand auf. Gegenüber dem TV-Sender Al-Jazeera hat er sich wie folgt erklärt: «Wenn die Leute ihr eigenes Essen anbauen können, sind sie nicht mehr abhängig von den Importen aus Israel. Das ist Widerstand gegen die Besetzung.» Alkhuffash ist ein Vertreter der Permakultur, einer BioSzene, die von manchen die Grüne Intifada genannt wird. Permakultur ist eine Abkürzung für den englischen Begriff «permanent agriculture» – dauerhafte Landwirtschaft. In Modellprojekten wie den Farmen in Marda oder Bustan Qaraaqa nahe Jerusalem lernen Einheimische und interessierte Ausländer, wie sie trotz der erschwerten politischen und klimatischen Bedingungen auf kleinem Raum ergiebige Gärten anlegen können. In den palästinensischen Siedlungen im Westjordanland ist die traditionelle Landwirtschaft stark eingeschränkt, weil die israelische Behörde das Wasser kontrolliert und Ländereien konfisziert oder sperrt. Die Permakultur, glaubt Murad, sei nicht nur Widerstand gegen die Unterdrückung, sondern auch eine Philosophie des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und

BERICHT

Immigrant outet Uranabbau-Pläne in Falea, Mali Diese Geschichte beginnt in Europa, spielt aber in Afrika. Ein nicht namentlich bekannter Immigrant googelt in Frankreich seinen Heimatort in Falea, einer abgelegenen Region im südlichen Mali. Dabei stösst er auf die kanadische Firma Rockgate Capital (heute Denison Mines), die auf die Suche nach Uran spezialisiert ist – und in Falea offenbar Probebohrungen vornimmt. Abklärungen ergeben, dass weder die Firma noch die Regierung es für nötig befunden haben, den rund 15 000 Einwohnern zu erklären, wozu man auf ihren Feldern Bohrtürme aufstellt. Das ist typisch für die Explorationsbranche: Die vermeintliche Beschränktheit der einfachen Bauern wird ausgenutzt, um Tatsachen zu schaffen. Wenn man fündig wird, verkauft man das Projekt einem Bergbaukonzern, der Entwicklungsprojekte verspricht und sich mit Geld die Zustimmung regionaler Entscheidungsträger sichert. In Falea scheint die Rechnung nicht aufzugehen. Eine Allianz von Einheimischen und Supportgruppen im

3.

Schlechtes Vorbild: Somair Uranmine in Arlit, Niger, betrieben vom franz. ­Industriekonzern AREVA. So würde auch die Mine in Mali die Landschaft ­verunstalten.

© Gr e e np e ac e / P h i li p R e y nae r s


Natur und damit aktive Friedensarbeit. Den Zaun aus alten Pneus, der sein Feld gegen die Wildschweine schützt, haben Freiwillige aus Israel gebaut.

Murad Alkhuffash: «Wenn die Leute e ­ igenes Essen anbauen, sind sie unabhängig von den Importen aus Israel. Das ist ­Widerstand gegen die ­ Besetzung.»

© un k n own

Ausland hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung aufzuklären. Eine Radiostation wurde aufgebaut, ein Film über die traurigen Folgen des Uranabbaus im benachbarten Niger gezeigt und sogar eine kritische UranKonferenz in der Hauptstadt Bamako durchgeführt. Mit konkreten Hilfsprojekten wie der Finanzierung eines Transport- und Ambulanzjeeps sowie der Förderung von nachhaltigen lokalen Wirtschaftsaktivitäten wird gezeigt, dass auch eine Zukunft ohne Uranabbau möglich ist. Hilfreich ist, dass der Preis für Uran inzwischen stark gesunken ist. Ob dies oder der lokale Widerstand der Grund ist, dass von der Minenfirma schon länger niemand mehr in Falea aufgekreuzt ist, bleibt offen.


4.

Anita ­Kushwaha: «Wir sind vom Wald ­abhängig und haben das Recht, zu bestimmen, was mit ihm geschieht.» ­

38

Die Mahan-Bewegung und Greenpeace retten (vorerst) das indische Dorf Amelia Anfang Oktober 2014 erhält Radio Sangharsh einen Anruf von Virendra Kumar Singh. Sie steht mit ihrem Mobiltelefon auf dem Dorfplatz von Amelia und erzählt, dass sich 2000 Mitglieder der Vereinigung für Mahan (Mahan Sangharsh Samiti) versammelt hätten, um einen Enscheid des Obersten Gerichts in Delhi zu feiern. Dieses hat soeben 214 Kohleabbaukonzessionen für ungültig erklärt – darunter auch jene im Mahan-Wald, für die das Dorf Amelia hätte verschwinden müssen. In Amelia und den umliegenden Dörfern gefährdet das Kohleminenprojekt der indischen Konzerne Essar und Hindalco die Existenz von mehr als 14 000 Menschen. Jetzt erhält Mahan Sangharsh Samiti zumindest eine Verschnaufpause. Indische Regierungsbeamte und Konzernvertreter tun sich seit je schwer, die Rechte der Bewohner der Waldgebiete zu anerkennen. Nach jahrelangem Druck verschiedener Bewegungen gibt es seit 2006 immerhin ein

hintergrund BERICHT

© Av i k Roy / Gr e e np e ac e

Ein Discjockey nimmt es in Malaysia mit dem Gouverneur von Sarawak auf Die Regierung der malaysischen Provinz Sarawak hat Peter John Jaban zu ihrem grössten Feind erklärt. Seinen Platz zuoberst auf der Abschussliste kommentiert Jaban auf der Website von Reporter ohne Grenzen sarkastisch: «Ich schätze diese Ehre sehr, nicht zuletzt deshalb, weil mir diese Form von Prominenz nützlich sein könnte, wenn man mich verhaftet.» Der Discjockey mit den Tattoos auf dem Oberkörper und dem schelmischen Lächeln ist zum direkten Gegenspieler von Gouverneur Taib Mahmud geworden. Dieser regiert die Region Sarawak ununterbrochen seit 1981 und ist verantwortlich für die Zerstörung des Regenwalds sowie die Vertreibung der indigenen Bevölkerung. Laut Recherchen des Bruno-ManserFonds soll er ein Vermögen von 15 Milliarden Dollar angehäuft haben. Seit vier Jahren sendet Jaban über Radio Free Sarawak jeden Abend unzensierte Nachrichten in die abgeschiedensten Dörfer. Weil in Sarawaks Lokalmedien jede kritische Information unterdrückt wird, sind die Kurzwellenfrequenz 15 420 kHz und die Website sarawakreport. org zur ersten Referenz für alle geworden, die sich gegen Abholzung, Umweltzerstörung und Korruption wehren. Es hat sich auch schon ein indigener Häuptling per Mobiltelefon direkt im Londoner Studio gemeldet. Auf Initiative der erfahrenen Investigativjournalistin Clare Rewcastle Brown und aus Sicherheitsgründen haben die Betreiber das Kurzwellen-Piratenradio im Exil aufgebaut.

5.


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neues Waldrechtsgesetz. Danach muss die Gram Sabha genannte Dorfversammlung konsultiert werden, wenn ihr Wald für industrielle Zwecke genutzt oder gar abgeholzt werden soll. Besonders schwierig ist die Konsultation in einem Dorf wie Amelia, wo die Bewohner gegen eine klägliche Entschädigung ihre eigene Umsiedlung ins Unbekannte beschliessen sollten. Im Online-Archiv von Radio Sangharsh kann nachgelesen und gehört werden, wie mit Stimmenkauf, Manipulation, Einschüchterung, Krimina­ lisierung und zuletzt mit einer plumpen Fälschung versucht wurde, die «Zustimmung» zur Kohlemine zu erzwingen. Bisher erfolglos. «Wir leben hier, sind seit Generationen vom Wald abhängig und haben deshalb das Recht, zu bestimmen, was mit ihm geschieht», macht die Dorfbewohnerin Anita Kushwaha klar. Dass die Stimmen von Virendra, Anita und ihren Mitstreitern inzwischen auch in Delhi beim Obersten Gericht und weltweit über das Internet gehört werden, ist unter anderem der Zusammenarbeit mit Greenpeace Indien zu verdanken, etwa mit Radio Sangharsh, das über Mobiltelefone funktioniert und es ermöglicht, Beschwerden über lokale Missstände öffentlich zu machen. Die Unterstützungskampagne von Greenpeace umfasst auch Rechtshilfe, Banner und Aktionen vor Ministerien. Eine Petition ist von mehr als einer Million Menschen unterzeichnet worden. Wegen dieser Aktivitäten ist Greenpeace nun selber unter Druck geraten und mit Klagen der Energiefirma Essar sowie Verleumdungen durch Politiker und den indischen Geheimdienst konfrontiert. Die neue Regierung von Premierminister Narendra Modi bemüht sich, die blockierten Kohleminenprojekte schnell wieder in Gang zu bringen. Auch das neue Waldrechtsgesetz könnte wieder ausgesetzt oder zumindest abgeschwächt werden. Die Bewohner des Mahan-Waldes haben allen Grund, auf der Hut zu bleiben.

Peter John Jaban: «Ich schätze diese Ehre sehr, nicht zuletzt deshalb, weil mir diese Form von Prominenz nützlich sein könnte, wenn man mich verhaftet.»

Als Schwägerin des ehemaligen Premierministers Gordon Brown verfügt sie über ein weit reichendes Beziehungsnetz. Jaban ist seit 2012 wieder zurück in Sarawak, weil er das Heimweh nicht mehr ausgehalten hat. Trotz aller Gefahr macht er weiter und berichtet etwa von der Blockadeaktion gegen das Baram-Staudammprojekt, mit dem 20 000 Menschen vertrieben würden. Es wäre ein Skandal, wenn Jaban etwas zustossen sollte – vielleicht einer zu viel für Gouverneur Taib: Seine Geschäfte werden international zunehmend kritisch unter die Lupe genommen und zu Hause folgen immer mehr Leute dem Beispiel des Discjockeys und wagen sich, ihre Stimme zu erheben.

© Radi o Sarawak

WIDERSTAND


Magazin Greenpeace Nr. 4 — 201 4

24. Mai 2014: Blakk Rasta in Accra während des Protests gegen den Saatgut-Multi Monsanto, dem sich Tausende in 400 Orten von 52 Ländern anschlossen.

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BERICHT

© un k n own


WIDERSTAND

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6.

Ghanaer machen mobil gegen den Gentech-Riesen Monsanto «Wir werden sehr viel Krach schlagen, falls sie damit weitermachen.» Der Reggae-Musiker Blakk Rasta gibt bei Sahara-TV zu verstehen, dass es ihm ernst ist: «Falls nötig, werden wir auch spirituelle Mittel einsetzen.» Still und heimlich hat das Parlament von Ghana versucht, ein Pflanzenzüchter-Gesetz zu verabschieden – nach seinem Hauptprofiteur auch bekannt als Monsanto-Gesetz. Eine Wikileaks-Depesche von 2010 zeigt, wie die US-Botschaft daran arbeitet, den afrikanischen Markt für Gentech-Saatgut zu öffnen. Afrika ist für Saatgut-Multis wie Monsanto oder Syngenta ein Territorium, das mit den neuen Grossplantagen zunehmend interessant wird. Doch dafür braucht es passende Gesetze. «Das ist eine Wiederkolonialisierung – nur noch schlimmer als früher: Die wollen uns vorschreiben, was wir zu essen haben», empört sich Ali-Masmadi von Food Sovereignty Ghana. Bei dieser Gruppe laufen die Fäden einer Anti-Gentech-Kampagne zusammen, die das Parlament in Accra immerhin dazu gebracht hat, das Gesetz erst einmal auf die lange Bank zu schieben. Blakk Rasta und seine Rastafaris mit ihren aufwändig gestalteten Monstertomaten-Postern sind nur ein kleiner Teil einer breiten Koalition: Dazu gehören auch die prominente Oppositionspolitikerin Samia Nkrumah, Tochter des verstorbenen Unabhängigkeitsführers Kwame Nkrumah, verschiedene Bauernverbände, traditionelle Häuptlinge und diverse religiöse Dachorganisationen von Christen und Muslimen. Die lokale Dynamik ist einzigartig, das Thema global: Food Sovereignty Ghana hat für den 24. Mai zu einem Protest in der Hauptstadt Accra aufgerufen, als Teil des weltweiten «March against Monsanto» an weltweit 400 Orten in 52 Ländern.

Blakk Rasta: «Falls nötig, werden wir auch spirituelle ­Mittel einsetzen.» ­


Magazin Greenpeace Nr. 4 — 201 4

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2 ,1

Kanada 2,1

Indien

Grossbritannien und Nordirland 2,3

Vereinigte Arabische Emirate 2,8

Singapur 2,9

Malaysia 3,6

USA 7,1

Führende Investorenländer (Abgeschlossene Landgeschäfte in Mio. Hektaren)

Landraub oder Landgrabbing bezeichnet die umstrittene Praxis von ausländischen Investoren, die insbesondere in Afrika und Asien grossflächig fruchtbares Land k­ aufen oder pachten. Dies führt mancherorts zur Vertreibung der lokalen ­Bevölkerung ohne Entschädigung des enteigneten Landes. Zusammengestellt von Martina Huber

Landraub

Die Karte

3,8

3,5

2,1

2,2

Russland 1,7

Brasilien 1,8

Republik Kongo

Republik Mosambik

Demokratische Republik Kongo 2,8

Republik Südsudan

Indonesien 3,6

Papua-Neuguinea

Zielländer (Abgeschlossene Landgeschäfte in Mio. Hektaren)


WIDERSTAND

43

1,6

Die Liste der Investorenländer wird von den USA angeführt: US-Investoren schlossen seit 2000 Landgeschäfte für eine Fläche von 7,1 Millionen Hektaren ab, was etwa der Landesfläche von Irland entspricht. China ist zwar nicht mehr in den Top Ten der Investorenländer, spielt aber in Südostasien immer noch eine grosse Rolle im Landgrabbing.

Saudi-Arabien 1,6

Russland

Niederlande 1,7

Steigende Nachfrage nach Biotreibstoffen — Bei den Biotreibstoffen sind die europäischen Investoren ganz vorne mit dabei – wohl auch deshalb, weil die EU zum Ziel hat, bis ins Jahr 2020 einen Fünftel der Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Bei Landgeschäften mit dem alleinigen Ziel, Biotreibstoffe zu produzieren, sind die Niederlande das wichtigste Investorenland, gefolgt von Grossbritannien und ­Nordirland. Frankreich liegt auf Platz 5, Italien auf Platz 7, Rumänien und Spanien folgen auf den Plätzen 9 und 10. Bei Landgeschäften, die zumindest teilweise auf die Produktion von Biotreibstoff abzielen, liegen Grossbritannien und Nordirland auf Platz 1, Portugal als nächstes europäisches Land auf Platz 8 — und die Schweiz auf Platz 10.

Was wird angebaut? — Die landwirtschaftliche Nutzung ist das Ziel von rund der Hälfte der internationalen Landinvestoren, gefolgt von der Holzwirtschaft. Im kleineren Rahmen werden auch Tourismus, Industrie, Schutzgebiete und erneuerbare Energie als Ziele genannt. Bei manchen Landgeschäften ist der genaue Nutzungszweck nicht bekannt. Landwirtschaftlich genutzte Flächen dienen in erster Linie der Produktion von Nahrungsmitteln, in zweiter Linie dem Anbau von Biotreibstoffen und weiter von Produkten wie ­Baumwolle oder Kautschuk.

Fruchtbares Land ist gefragt — Arme Länder mit schwachen staatlichen Institutionen, in denen die ­Bewohner ihre Rechte nicht oder nur schwer geltend machen können, ziehen ausländische Investoren ­besonders an. Begehrt sind nicht ungenutzte Flächen, sondern möglichst fruchtbares, infrastrukturell ­bereits erschlossenes Land in der Nähe von Zentren, das oft von lokalen Bauern genutzt wird. Zwei Drittel der anvisierten Ackerflächen liegen in Ländern mit gravierenden Hungerproblemen. Da ausländische ­Investoren vor allem Produkte für den Export anbauen, dürfte sich die Hungerproblematik in Zukunft noch verschärfen.

Gut tausend Landgeschäfte für eine Fläche von fast 40 Millionen Hektaren Land sind bereits erfasst, was etwa der Fläche von Deutschland und der Schweiz entspricht. In dieser Fläche nicht enthalten sind ­kleinere Landgeschäfte unter 200 Hektaren und solche inländischer Investoren. So betragen in Brasilien die Landgeschäfte ausländischer Investoren zum Beispiel 1,8 Millionen Hektaren Land. Bei 1,4 Millionen Hektaren sind brasilianische Investoren beteiligt und 0,7 Millionen sind ausschliesslich von brasilianischen Investoren abgewickelt worden.

Auch die Schweiz mischt mit. In der Datenbank «Land Matrix»* ist sie mit 18 Geschäften für insgesamt 235 826 Hektaren aufgeführt. Die grösste Fläche betrifft 80 000 Hektaren Landwirtschaftsland in der Ukraine zum Anbau von ­Nahrungsmitteln und Biotreibstoffen, Investor ist Glencore Xstrata. Die Firma Addax Bioenergy mit Sitz in Genf hat ­einen Vertrag abgeschlossen, um in Sierra Leone auf 44 000 Hektaren Land Zuckerrohr als Biotreibstoff a­ nzubauen. Die mit 263 Hektaren kleinste Fläche wird vom Verein HST in Tansania beansprucht — nach eigenen ­Angaben für ein Reis-Projekt mit dem Ziel, der armen ­Bevölkerung Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Papua-Neuguinea führt die Liste der Zielländer an: 3,8 Millionen Hektaren Land — fast die Fläche der Schweiz und insgesamt über 8 Prozent der Landesfläche — haben ausländische Investoren gekauft oder gepachtet, vor allem um Palmöl, Kautschuk, Kakao und Zuckerrohr anzubauen. In den letzten Jahren gab es in Papua-Neuguinea mehrere Korruptionsskandale. Fast 40 Prozent der Bevölkerung lebt unter der nationalen Armutsgrenze. Nach den Top Ten gehören weitere afrikanische Länder wie Äthiopien, Madagaskar, Nigeria oder Ghana zu den immer noch stark betroffenen Zielländern. Afrikanische Eliten tätigen eine wachsende Zahl von kleineren Landkäufen.

Liberia 1,3

Ukraine 1,6

* Quellen : D i e 2 012 lan ci ert e On li n e-Dat en ban k «Lan d Mat ri x» wi ll das Ausmas s d e s L and g rab b i ng s e rfas s e n u nd me h r Trans pa r en z s c ha ff en . Si e s am m elt Dat en zu allen Lan d g eschäft en , di e sei t 2 0 0 0 ab g es chlo s s en word e n s i nd u nd mi nd e s te ns 2 0 0 H e k tar e n L and b et r eff en . H i n t er d er L a n d Matrix steh e n g ro s s e Organ i s at i o n en der En t wi ck lun g sp o li t i k un d -fo rs chun g.


Wie wird man den arabischen Frühling rückblickend bewerten? Sicher ist: Die dra­ matischen Ereignisse in Tunesien, Ägypten, ­Libyen und Syrien sind Teil eines historischen Umbruchs, bei dem die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle gespielt hat. Essay von Thomas Schmid

Der Irrtum des Westens Die Bilanz ist trist. Statt Ordnung herrscht weithin Chaos. Und manch einer sehnt sich nach den alten Zeiten zurück, als noch Stabilität herrschte; eine Stabilität, wie sie auch die westlichen Politiker so sehr schätzten. Noch drei Tage vor der Flucht Ben Alis hatte Frankreich dem tunesischen Diktator, unter dem das Land zu einem mafiösen ­Polizeistaat verkommen war, Hilfe zur «Aufrechterhaltung der Ordnung» angeboten.

Bald vier Jahre sind es her, dass sich in der tunesischen Kleinstadt Sidi Bouzid der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi mit Benzin übergoss. Das Streichholz, mit dem er sich am 17. Dezember 2010 anzündete, löste einen Flächenbrand aus, der die gesamte arabische Welt ergriff: Im Januar 2011 floh Tunesiens Diktator Zine el-Abidine Ben Ali, der das Land 23 Jahre regiert hatte, vor einem Volksaufstand ins Exil. Im Februar zwangen Massendemonstrationen in Ägypten Husni Mubarak zum Rücktritt. Er war 29 Jahre lang Präsident gewesen. Noch im selben Monat brachen auch in Libyen Proteste aus und im Oktober wurde Muammar Gaddafi nach 42 Jahren unumschränkter Herr­­schaft von Rebellen getötet. Im März 2011 malten Teenager in Syrien regierungsfeindliche Parolen an Hausmauern. Sie wurden gefoltert. Schon nach wenigen Monaten befand sich das Land in einem Bürgerkrieg, der bis heute anhält. Nach der Euphorie des Arabischen Frühlings kam die Ernüchterung, auf die riesigen Hoffnungen folgten abgrundtiefe Enttäuschungen. Was hat der Aufstand gebracht? In Syrien hat der Krieg fast 200 000 Tote gefordert, über drei Millionen sind ins Ausland geflüchtet, weitere sechseinhalb Millionen sind auf der Flucht im eigenen Land. In Libyen bekriegen sich die Milizen, es gibt zwei Parlamente und zwei Regierungen. In Ägypten haben die Militärs wieder offen die Macht übernommen. Nur­­– Tunesien lässt hoffen. Dort wird nicht geschossen, sondern gewählt.

Hoffnung, Euphorie, Enttäuschung und Tod

essay


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Die USA unterstützten Mubarak mit jährlich 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe und 700 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe und rückten erst von ihm ab, als sich sein Sturz abzeichnete. Gaddafis Gewaltregime war von zahlreichen europäischen Konzernen ­hochgerüstet worden. Der Westen hatte auf Stabilität gesetzt und zu spät gemerkt, dass gerade die Diktatur den Keim der Instabilität in sich trägt. Das Chaos ist eine Folge der verordneten Ordnung. Es den Rebellen anzulasten, ist so, als ob man die französischen Revolutionäre von 1789 für die Terrorherrschaft Robespierres von 1794 verantwortlichen machen wollte. Was sich in der arabischen Welt abspielt, ist ein epochaler Umbruch, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Diese Umwälzung von historischem Ausmass ist in ihrer Bedeutung vergleichbar mit dem arabischen Erwachen nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches am Ende des Ersten Weltkriegs und mit der panarabischen Emanzipationsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg, einem antikolonialen Aufbruch, der in eine Herrschaft von Autokraten mündete, die das Entstehen einer ­Zivilgesellschaft nach Kräften behinderten. In Tunesien, wo der arabische Frühling seinen Anfang nahm, wurde dieses Jahr die demokratischste Verfassung des gesamten arabischen Raums verabschiedet. Im Oktober fanden die ersten freien Parlamentswahlen in der Geschichte des Landes statt. Die Islamisten, die das Land über zwei Jahre regiert hatten, wurden abgestraft. Klarer Sieger war Nidaa Tounes, eine laizistische Partei, die ein breites Spektrum von gemässigten Linken bis konservativen Strömungen vereinigt. Ende November wird ein Präsident gewählt. Dass in Tunesien – bei allen Unwägbarkeiten – der Transformationsprozess zu glücken scheint, hat verschiedene Gründe. Das Land ist geostrategisch – anders als etwa Ägypten – von geringer Bedeutung. Es hat – anders als Algerien und Libyen – keine relevanten Reserven an Erdgas oder Erdöl. Seine Armee hat – anders als die ägyptische – keine Pfründen zu verteidigen und deshalb auch keine politischen Ambitionen. Und vor allem hat Tunesien eine entwickelte Zivilgesellschaft. Schon unter der Diktatur Ben Alis gab es eine organisierte zivilgesellschaftliche Opposition. Getragen wurde sie vor allem von der Liga für Menschenrechte, von der Vereinigung Demokratischer Frauen und zuletzt auch von der Anwaltskammer, der Standesvertretung der tunesischen Rechtsanwälte. Ihre Protagonisten wurden über Jahrzehnte immer wieder verfolgt, schikaniert, verprügelt, inhaftiert. Nach dem Sturz der Diktatur gewannen die Islamisten, die am meisten unter der Diktatur gelitten hatten, im Oktober 2011 die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung. Sie hatten


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«Die Epoche erstarrter autokratischer Regimes, die ihren Bürgern ein Leben in ­Würde und Freiheit vorenthielten, neigt sich dem ­Ende zu.»

Viel schwieriger sieht die Lage in Libyen aus – auch weil Gaddafi weder oppositionelle Parteien noch Gewerkschaften, noch zivilgesellschaftliche Organisationen toleriert hatte. Zudem hatte er den Staat selbst weitgehend abgebaut, zahlreiche Ministe-

Unterdrückte Zivilgesellschaften

Dass der Durchmarsch der Islamisten gestoppt wurde, ist vor allem den Gewerkschaften, den Frauen und der Zivilgesellschaft zu verdanken. Nach der Ermordung zweier populärer Linkspolitiker mobilisierten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die regierende islamistische Ennahda, die sich von den gewaltbereiten Salafisten allenfalls halbherzig abgrenzte und bei der Besetzung von öffentlichen Ämtern mehr auf die Parteizugehörigkeit als auf die Fachkompetenz schaute. Ennahda stellte zudem die bereits 1956 durchgesetzte weitgehende rechtliche Gleichstellung von Frau und Mann infrage. Es drohte eine schleichende Islamisierung der staatlichen Institutionen. Die Massenproteste der Zivilgesellschaft haben die Errungenschaften des arabischen Frühlings jedoch vor dem Zugriff der Islamisten gerettet. Nach dem Sturz der Diktatur sind überall im Land Bürgerinitiativen entstanden, die nun zum Teil auch der neuen laizistischen Regierung Ärger bereiten. Sie wehren sich gegen das geplante Fracking (Gewinn von Gas aus Schiefergestein unter Einsatz von riesigen Wassermengen), das zu einer Austrocknung der Böden führen könn­te mit bösen wirtschaftlichen Folgen für die Landwirtschaft. Sie kämpfen für den Erhalt von Oasen oder für eine bessere Wasserversorgung. Auch in Ägypten versuchten die Islamisten nach ihrem Wahlsieg, den Staat quasi zu beschlagnahmen. Ausgebremst wurden sie jedoch nicht von einer mobilisierten Zivilgesellschaft, sondern von Soldaten. Nun ist die Armee wieder an der Macht und die Muslimbrüder sind wieder im Gefängnis oder im Untergrund. Die NGOs operieren wieder in einer Grauzone – wie früher. Und trotzdem ist etwas anders. Hunderttausende, Millionen haben die Erfahrung gemacht, dass man einen Diktator stürzen kann. Man kann ihnen diese Erfahrung nicht mehr nehmen, und das wissen auch die heutigen Machthaber, gegen deren Repression sich schon wieder Protest erhebt.

Beschlagnahmte Staaten

schon bald ihre eigenen Milizen, schüchterten die Opposition ein und versuchten zunächst auch, die Scharia, die islamische Gesetzgebung, in der neuen Verfassung zu verankern.

essay


WIDERSTAND

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rien einfach aufgelöst und über «Volkskomitees» und den «Volkskongress» eine «Massendemokratie» eingeführt, in der die Masse nichts und der Revolutionsführer alles zu sagen hatte. In Libyen hat man es nicht mit einem kollabierenden Staat zu tun, sondern mit einem Staat, der quasi aus dem Nichts erst aufgebaut werden muss­– und dies unter dem Feuer sich bekriegender Milizen. Trotz dieser schwierigen Ausgangsbedingungen gibt es auch in Libyen zivilgesellschaftliches Engagement, Menschen, die auf die Strasse gehen und – manchmal unter Lebensgefahr – öffentlich das Ende der Macht der Milizen einfordern. In Syrien ist die Lage völlig konfus. Kurdische Peschmerga kämpfen gegen Dschihadisten, deren Stellungen von den Amerikanern bombardiert werden. Laizistische Milizen, verbündet mit moderaten islamistischen Kampfgruppen, führen einen Zweifrontenkrieg – gegen die Dschihadisten und gegen die syrische Armee, die von der libanesischen Hizbollah und iranischen Revolutionsgardisten gestützt wird. Noch immer gibt es friedliche Demonstrationen, Bürgerinitiativen, die das Überleben sichern. Aber im grossen Kampfgetümmel ist die Stimme der Zivilgesellschaft, aus der der erste Widerstand gegen die Dschihadisten gekommen war, längst verstummt. Die Dynamik und eine Ende des Krieges sind nicht abzusehen. Irgendwann aber werden wohl Millionen Flüchtlinge in zerbombte Städte und zerstörte Dörfer zurückkehren. Sie werden die Ruinen beseitigen. Zurückbleiben wird eine tief traumatisierte Gesellschaft, die das Leben neu organisieren muss. Hätte eine militärische Intervention vor zwei Jahren die Tragödie in Syrien verhindern können? Vielleicht. Hat erst der vom Westen militärisch erzwungene Regimewechsel in Libyen zum heutigen Chaos geführt? Wohl nicht. Wäre der arabische Raum noch heute stabil, wenn Mohammed Bouazizi sich nicht angezündet hätte? Ganz bestimmt nicht. Denn die Epoche erstarrter autokratischer Regimes, die ihren Bürgern ein Leben in Würde und Freiheit vorenthielten, neigt sich dem Ende zu, zumindest in einem grossen Teil der arabischen Welt. Im Rückblick werden der arabische Frühling, der Aufstand der Massen, die Machtübernahme der Muslime, der Krieg der Milizen und das Kalifat dereinst wohl als verschiedene Momente und Etappen eines grossen historischen Umbruchs erscheinen, der mit Hoffnung und Enttäuschung, ­Euphorie und Leiden und mit massenhaftem Tod einherging.


Naturnahe Imkerei

Bienen zwischen Freiheit und Schutz Vor 150 Jahren erfand der Mensch die Bienenhaltung neu, um sie effizienter zu machen — mit dem Resultat, dass es den Bienen heute schlechter geht denn je. Immer mehr Imker möchten deshalb wieder möglichst naturnah arbeiten. Doch was bedeutet das? Wie unterscheiden sich die Praktiken und Philosophien? Drei engagierte Imker beschreiben ihren Weg. Text: Esther Banz Fotos: Sava Hlavacek Hans Studerus ist pensionierter Lehrer der ­Rudolf-Steiner-Schule. Er war auch Berufsmu­ siker und hatte sich nach dem Tod seines ­ Vaters – noch als Jugendlicher – um den elterlichen Bauernhof gekümmert. Die Imkerei gehört zu seinem Leben. Schon als Bub musste er Bienenschwärme einfangen. «Das habe ich nie gern gemacht, denn wenn der Schleier nicht dicht war, wurde ich jedes Mal gestochen.» Als Erwachsener hatte er eigene Bienenvölker. Er imkerte zunächst konventionell, «dann je länger, je naturnaher, weil ich miterlebte, wie Fütterung, Vermehrung und Behausung – die drei zentralen Aspekte jeder Tierhaltung – auch bei den Bienen immer unnatürlicher und schlechter wurden.» Bis vor rund 150 Jahren ernährten sich die Bienen ausschliesslich von Nektar, Honig, Pollen und Wasser. Sie ver­ mehrten sich nur über den Schwarm und hatten ein stabiles Brutnest. Dann begann der Mensch, die Imkerei effizienter zu machen. Studerus steht an einem Hang oberhalb der Aare vor seinen zehn Bienenstöcken, sogenan­ Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

nten Warré-Volksbeuten. Das sind speziell für die naturnahe Imkerei gefertigte Holzkästen, die FreeTheBees weiterentwickelt hat. Studerus ist Vorstandsmitglied des Vereins. Zuoberst im Warré-Kasten hat er den Bienen Futter in Form von Zuckerwasser-Honig-Teegemisch hingestellt. Dass die Bienen von den Imkern ­gefüttert werden, ist der Normalfall, auch in der naturnahen Imkerei – nicht aber bei den Mitgliedern von FreeTheBees. Der Verein will möglichst konsequent Bedingungen schaffen, wie sie die Bienen in der freien Natur antreffen. Künstliches Füttern passt da nicht ins Konzept (siehe Tabelle S. 50). Es sei aber jedem selber über­ lassen, wie naturnah er imkern wolle, relativiert Studerus. Überzüchtete Bienen «Naturnah» und «zurück in die Vergan­ genheit» klingen gut. Nur gibt es einen gewaltigen Haken an der radikalen Naturnähe, wie FreeTheBees sie propagiert. Auf ihrer Website ist zu ­lesen: «Bei vollständig natürlich gehaltenen Bienenvölkern muss derzeit eine Verlustrate von bis zu 90 Prozent in Kauf genommen werden.» Von zehn Völkern überlebt im besten Fall also eines. Die andern gehen an der Blut saugenden Varroamilbe zugrunde, wenn sie nicht schon vorher an Brutkrankheiten sterben oder verhungern. An dieser Misere ist hauptsächlich der Mensch mit seiner intensiv betriebenen Landwirtschaft schuld. Die verbreiteten Mono­ kulturen schränken das Futterangebot empfindlich ein, selbst im S ­ ommer. In der Schweiz gibt es keine wildlebenden Honigbienen mehr (nicht zu verwechseln mit den solitären Wildbienen). Es war auch der Mensch, der die Varroamilbe eingeschleppt hat. Inzwischen haben sich die Lebensbedingungen der Bienen derart ver­ schlech­tert, dass sie auf unterstützende Not­ mas­snahmen angewiesen sind. Dazu gehört die Varroabehandlung und in schlechten Honig­ jahren wie diesem das Zu­füttern mit Zuckerwasser. Hilft der Mensch nicht nach, sterben die Bienen mit grösster Wahrscheinlichkeit.

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«Die Bienenvölker müssen ­lernen, ohne Varroabehandlung zu überleben».

Hans Studerus

Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

Für FreeTheBees ist die logische Konsequenz, dass «die Bienenvölker lernen müssen, ohne Varroabehandlung zu überleben, also aus eigener Kraft mit der Milbe fertig zu werden», sagt Studerus. Er glaubt, dass sie das schaffen, wenn man ihnen genug Zeit einräumt. Allerdings könnte der Anpassungsprozess gut hundert Jahre dauern – so lange, wie die moderne Imkerei den Bienen das Leben bequem ­gemacht und sie «einseitig überzüchtet» habe: «Sie mussten nur noch möglichst viel Honig liefern, alles andere verlernten sie, weil wir ­ihnen die Arbeit abgenommen hatten, etwa den Wabenbau.» Studerus öffnet eine seiner Warré-Volks­ beuten. Acht Waben hängen senkrecht im Kasten. Anders als in der konventionellen Imkerei hätten seine Bienen die Waben vollständig selber ­gebaut, erklärt er: «Das ist der sogenannte ­Naturwabenbau. Im Frühling fängt der Bienenschwarm damit an, vorher ist die Kiste komplett leer. Meine einzige Unterstützung ist ein wenig Wachs, das ich in den Schlitz am Ober­ träger gebe, an den bauen sie dann an.» Schwache Völker sterben lassen Einige Tage später, rund sechzig Kilometer weiter nördlich im solothurnischen Jura, zieht auch Martin Dettli zu Demonstrationszwecken Waben aus seinen Bienenkästen, «gebaut mit Wachs, das die Bienen selber produziert und ausgeschwitzt haben». Dettli ist Präsident der Arbeitsgruppe Naturgemässe Imkerei (AGNI), hat eine eigene Website, eine Kolumne in der «Schweizerischen Bienen-Zeitung» und ab nächstem Jahr wird er die Studenten des neu geschaffenen Weiterbildungslehrgangs «Imker mit eidgenössischem Fachausweis» unter­ richten. Dettli geniesst den Respekt von Hans Studerus, der mit ihm auch die vom DemeterVerband vertretene Philosophie des Bien ­(Bienenvolk) teilt: dass das Bienenvolk ein Organismus und die Wabe ein Organ davon sei. ­Deshalb verzichtet Dettli auf die künstlichen Mittelwände, die in Bienenkästen verbreitet sind: «Ich möchte kein fremdes Organ im Kasten.» Der bieneneigene Wabenbau ist ein Merkmal der Demeter-Imkerei. Ein weiteres ist, dass die Vermehrung über den natürlichen Schwarm erfolgen soll. Es gehe darum, «dass die Völker zusammenbleiben und nicht mit einer von irgendwoher stammenden Königin weiterma-

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Eine Absicht, drei Methoden: So werden Bienen naturgemäss gehalten Grundidee und ­Philosophie

Praxis

• Respektieren des Tierwohls durch artgerechte Haltung und Fütterung. • Die Pflege robuster Tiere. • Einsatz natürlicher Mittel. • Förderung der Vielfalt und eines lebendigen Ökosystems.

• •

Naturnahe Imkerei

• •

• • Das Bienenvolk bildet als Ganzes ­eine individuelle Einheit, den Bien. Die Königin ist die Gebärmutter des Biens. • Der Bien soll sich organisch entfalten können. • Ein Bienenvolk soll ein gestörtes Gleichgewicht aus eigener Kraft ­regulieren können; Massnahmen ­zielen auf die Förderung der Selbstheilungskräfte ab.

Verboten Bio-Knospe Der Sammelradius wird in möglichst • Zur Varroabekämpfung dürfen keine unbelasteten, artenvielfältigen synthetisch hergestellten ätherischen ­Gebieten angepeilt — oft stammt BioMittel (wie z.B. synthetisches Thymol) Honig deshalb aus Bergregionen verwendet werden. und aus Ländern, wo in weiten Teilen • Waben, die Brut enthalten, dürfen nicht in der Landwirtschaft keine Pestizide zur Honiggewinnung verwendet werden. zum Einsatz kommen. Die alte Königin darf durch eine neue • Bienen in den Waben dürfen nicht als Methode zur Ernte der Imkereierzeugersetzt werden — bevorzugt über das nisse vernichtet werden. natürliche Schwärmen. • Die Flügel der Königin dürfen nicht verMittelwände sind mit Wachs aus stümmelt oder beschnitten werden. ­biologischer Produktion erlaubt. In den Bienenstöcken dürfen, ausser • Gentechnisch veränderte Bienen dürfen nicht verwendet werden. zur Krankheits- und Seuchenbe­ kämpfung, nur natürliche Substanzen • Die Drohnenbrut darf nicht vernichtet werden (ausser als Mittel zur Eindämwie Propolis, Wachs und Pflanzenöle mung des Varroabefalls). verwendet werden. Oxal- und Ameisensäure zur Behand- • Pollen darf nur gesammelt werden, lung gegen Varroa. wenn das Angebot so gross ist, dass Zur Überwinterung müssen in den die Versorgung der Völker nicht Brutwaben umfangreiche Honig- und ­gefährdet ist. Beim Flugloch dürfen Pollenvorräte belassen werden. keine Pollenfallen angebracht Künstliche Fütterung des Bienenvolks werden. ist zulässig, wenn die vom Volk einge­ lagerten Vorräte nicht ausreichen. Kristallisierter Honig darf erhitzt werden.

Demeter (Bio Knospe ergänzend) • Naturbau ist zwingend. • Beschränkte Anzahl Bienenvölker an einem Ort. • Bevorzugung biologisch-dynamisch bewirtschafteter Flächen bei der Standortwahl für die Aufstellung der Bienenkasten. • Vermehrung und Zucht nur über den Schwarmtrieb, ohne Ablegerbildung. • Präparate stammen aus biodynamischer Landwirtschaft. • Selbst eingetragener Honig soll ein wesentlicher Bestandteil der Wintervorräte sein. • Keine Zwischentrachtfütterung, d.h. kein Zuckerwasser nach der Frühlingshonigernte. • Honig muss ohne jede Erwärmung abgefüllt werden.

• Künstliche Königinnenzucht, Umlarven und instrumentelles Besamen sind nicht erlaubt. • Der Zukauf von Königinnen ohne Volk ist nicht erlaubt (Der Zukauf mit Volk ist möglich, aber nur von solchen aus Demeter- oder gleichwertiger Bienenhaltung). • Methoden zur Steigerung des Honig­ ertrags sind nicht erlaubt. • Es darf im Wachs keine Thymolrückstände über 5 mg/kg geben (entsteht bei Behandlung mit ätherischen Ölen gegen Varroa). • Nur europäische Rassen sind erlaubt, also keine Bienen, die mit Rassen anderer Kontinente eingekreuzt sind.

FreeTheBees • Man nimmt an, dass die Biene in der Natur lernt und sich allen ­Veränderungen anpassen kann. • In der Konsequenz strebt FreeTheBees an, möglichst alle natürlichen Gegebenheiten zu kopieren und der Biene grösstmögliche Freiheit zu lassen.

• Stabiles Brutnest. • Keine ertragssteigernden Massnahmen. • Verzicht auf möglichst alle Eingriffe, auch das Zufüttern. Die Biene soll sich nur von Nektar, Honig und Wasser ernähren, wie bis vor rund 150 Jahren. • Vermehrung nur über den Schwarm. • Kein Behandeln schwacher und ­kranker Völker.

Keine Verbote, nur Empfehlungen: • Die Bienenhaltung muss diversifiziert werden • Mischbetriebe werden gefördert • Neben der Zucht ist insbesondere auch die Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen zu fördern (natürliche Selektion)


chen». Dettli ist überzeugt, dass die Bienen einander Informationen weitergeben: «Dieser Organismus und das gemeinsame Wissen eines Volkes, das zählt für mich.» Ein Problem mit Inzucht gebe es dabei nicht, «denn die Bienen kommen weit herum und werden von ver­ schiedenen Drohnen begattet». Bei dieser natürlichen Art der Vermehrung müsse man sich manchmal aber auch dazu entschliessen, ein Volk aufzulösen: «Du kannst nicht alles hätscheln, was die Natur anbietet, du musst auch Grenzen setzen.» Dettli macht also, was die Natur – und die ­Mitglieder von FreeTheBees – auch tun würden: schwache Völker sterben lassen. Den starken aber ermöglicht er, im Gegensatz zu den Bienenbefreiern, dank ge­zielter Pflege und Versorgung zu überleben. Dettli sagt: «Die Imkerei ist heutzutage, verglichen mit der Natur, immer ein extremer Kompromiss.» Begleitet vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) hat sich der studierte Agronom intensiv mit der Varroabehandlung befasst. Sein Befund bestätigt die These von FreeTheBees, wonach die Biene in der Lage sei, mit der bedrohlichen Milbe fertig zu werden – allerdings mit einer wichtigen ­Einschränkung: «Im Lebensraum, den es heute vorfindet, schafft es das Bienenvolk nur gemeinsam mit dem Menschen. Ohne ihn hätte es zu wenig Nahrung und ein Weglassen der Varroa­behandlung würde enorm viel ­Beobachtung, Hingabe und Sorgfalt voraussetzen.» Dettli ist überzeugt: «Je schwieriger die Bedingungen hier draussen sind, desto mehr müssen wir ­Imker dies mit unserem Engagement kompensieren.» Dass Dettli seinen ­Bienenvölkern – wie es ausser Vertretern von FreeTheBees alle tun – den grössten Teil ihrer Honigreserven nimmt und ihnen dafür Zuckerwasser hinstellt, ist für den Demeter-Imker kein Widerspruch. Er sagt: «In dieser speziellen Partnerschaft hat der Mensch Anspruch auf den Honig und die weiteren Bienenprodukte wie Propolis und Pollen.» Warum? «Allein schon aus medizinischer Sicht: Für uns sind diese Mittel eine Gabe der Natur.»

«Du kannst nicht alles ­hätscheln, was die Natur ­anbietet, du musst auch Grenzen setzen».

Martin Dettli

Superbienen züchten? Propolis wird von den eidgenössischen ­Bienenforschern von Agroscope als «stärkstes natürliches Antibiotikum» gepriesen. Marco Paroni geht ins Haus, um ein wenig von diesem Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

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Naturnahe Imkerei

Maro Paroni

Greenpeace setzt sich für eine pestizidfreie Landwirtschaft ein: Videos und Infos unter ­bienenschutz.ch Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

Produkt zu holen, das er wie Dettli und andere Imker zu einer Tinktur verarbeitet. Paroni ist mit seinen rund hundert Völkern einer der wenigen Berufsimker der Schweiz. Er könne durchaus davon leben, sagt der Berner nicht ohne Stolz. Die vielen Bienenkästen hat er an v ­ erschiedenen Orten aufgestellt, jeweils nicht mehr als 17 zusammen und alle mit ein paar Metern Abstand. Er ist zertifizierter Bio-Imker, was aber nicht bedeutet, dass ihm alle, die Wert auf die natürliche Imkerei legen, gut gesonnen sind. Im Gegenteil: Vor allem Vertreter von FreeTheBees kritisieren ihn heftig. Der Grund: Paroni züchtet eigene Königinnen. Er lässt also nicht die Bienenvölker entscheiden, wann und wie sie sich vermehren, sondern greift ein, weil er die Genetik seiner Honigbienen verbessern will. Das ist eine für viele Naturimker unzulässige Methode, auch Demeter toleriert die Zucht nicht. Doch Bio-Imker Paroni ist überzeugt von dieser Praxis und würde ein öffentliches ­Streitgespräch über das Thema nicht scheuen, wenn es denn eines gäbe. Seine Methode sei die ­sinnvollste, um das Überleben der Honigbiene zu sichern: «In der Vergangenheit hat der Mensch mit seiner Zucht Bienen am Leben erhalten, welche die Natur aussortiert hätte. Das ­Resultat sind die schwachen Bienen, die wir heute haben. Das ist für mich einer der Haupt­ gründe fürs Bienensterben. Deshalb züchte ich jetzt Bienen, die den heutigen Ansprüchen ­gewachsen sind.» Eine Superbiene, die den vom Menschen verursachten Bedrohungen trotzt – Paroni befindet sich mit dieser Idee in guter Forscher-­ Gesellschaft. Im Grunde zielt sogar die Philosophie von FreeTheBees in diese Richtung, wenn auch ohne künstliche Eingriffe: In der meist tödlichen Freiheit sollen die stärksten Völker überleben. Für Hans Studerus geht dieser Gedanke indes zu wenig weit. «Müsste man nicht auch die ­schlimme Umgebung ändern und einen Lebensraum schaffen, in dem die Bienen und all die andern Insekten wieder existieren können?», fragt er – und blickt von seinem Bienenstand auf die grasgrüne, mit Pestiziden ­behandelte ­Landschaft und weiter in Richtung Westen, wo das AKW Gösgen steht. www.freethebees.ch www.paronihonig.ch www.summ-summ.ch

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Auf Teufel komm raus durch die Alpen

© Gre enp eace / Ruedi Staub

Der Bundesrat schlägt den Bau einer zweiten Gotthardröhre vor — nicht um die Transportkapazitäten auf der Strasse zu erweitern, sondern um den ­ersten Tunnel sanieren zu können. Andreas Weissen, Vater der 1994 von Volk und Ständen angenommenen Initiative zum Schutz der Alpen, nimmt den Kampf wieder auf. Als ­Leiter der Kampagne ­gegen den Bau der zweiten Röhre will er verhindern, dass eine Lastwagenflut durch die Schweiz den Alpenschutz zur Farce macht.

Greenpeace-Aktion am Nordportal im Jahr 1990 Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

Greenpeace: Andreas Weissen, Sie nehmen den Kampf für den Schutz der Alpen wieder auf. Was treibt Sie an? Andreas Weissen: Das Berggebiet ist ein wunderschöner, aber hochsensibler Lebensraum. Wenn der zweite Gotthardtunnel kommt, geht der Alpenschutz flöten. Das will ich verhindern. Artikel 84 der Bundesverfassung verlangt, dass der Bund «das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs schützen» und die Belastungen auf ein Mass senken muss, «das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräume nicht schädlich ist». Hat er das getan? Davon kann keine Rede sein. Statt der damals 5 Millionen Tonnen werden heute rund 15 Millionen Tonnen Güter über die Strasse durch die Schweiz gekarrt. Und nun will der Bundesrat die Kapazität des Gotthards mit dem Bau einer zweiten Röhre auch noch verdoppeln! Der Bundesrat sagt, er wolle die zweite ­Röhre nur deshalb, um den fast 35-jährigen alten Tunnel sanieren zu können. Das ist bloss ein Vorwand, um die zweite Röhre doch noch durchzuboxen. Nachdem das Volk 2004 den Avanti-Gegenvorschlag des ­Bundesrats bachab geschickt hat, der eine ­Lockerung des Alpenschutz-Artikels vorsah und den Bau einer zweiten Gotthard-Röhre ­ermöglicht hätte, versucht er es jetzt mit einer neuen Verpackung.

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Interview

Also ein Schildbürgerstreich? Ein fauler Trick. Bundesrätin Doris Leuthard sagt, es handle sich um ein Sanierungsprojekt wie jedes andere. In Tat und Wahrheit geht es um eine Verdoppelung der Infrastruktur. Damit wird der vom Volk beschlossene Alpenschutz plattgewalzt. Wie soll man das Sanierungsproblem denn sonst lösen? Mit der rollenden Landstrasse: Autos und Laster können kurzfristig auf die Bahn verladen werden. Mittelfristig sollten Güter über lange Distanzen sowieso in Containern auf der Schiene transportiert werden. Schliesslich haben wir 24 Milliarden Franken in die Neat und die neue Schieneninfrastruktur investiert, um die Güter auf die Bahn zu verlagern. Die Verkehrsministerin beteuert, die Kapazität werde nicht erhöht, da die Tunnels nach der Eröffnung der zweiten Röhre im Jahr 2027 in beiden Richtungen nur einspurig befahren würden. Frau Leuthard kann erzählen, was sie immer will. Sind einmal vier Spuren gebaut, werden auch vier Spuren genutzt. Auch Verkehrminister Hürlimann hat annnodazumal behauptet, der Gotthard werde nie zu einem Korridor für den Schwerverkehr. Die Bundesräte gehen und die Lastwagen kommen. Wenn man einen Tunnel mit zwei Spuren hat und einen zweiten Tunnel mit zwei Spuren baut, gibt das zusammen vier Spuren. Und damit eine Verdoppelung des Transportvolumens. Sie glauben der Verkehrsministerin nicht? Wenn die zweite Röhre mal da ist, greifen sich alle an den Kopf: Warum hat man hier eine zweite Röhre gebaut, die man nur zur Hälfte nutzt und vor der sich die Autos stauen? Verfassung und Gesetz sind dann schnell geändert mit der Folge, dass wir am Gotthard doppelt so viele Lastwagen haben wie heute. Am Brenner sind es 2 Millionen. Bei uns werden wir statt 1,3 Millionen wie heute ebenfalls rasch 2 Millionen haben. Dann wird die Strecke zwischen Basel und Chiasso zur Transithölle. Unfälle und Luftverschmutzung werden massiv zunehmen. Wären zwei Tunnels nicht sicherer? Nach heutigen EU-Normen dürfen gar keine einspurigen Tunnels mehr gebaut werden. Im Gegenteil. Die Unfallzahlen nähmen zu, weil mit verdoppelter Kapazität am Gotthard viel mehr Verkehr durch die Schweiz rollen würMagazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

«Statt 1,3 Millionen Lastwagen wie heute werden wir am ­Gotthard rasch 2 Millionen haben. Unfälle und ­Luft­ver­schmutzung werden zunehmen».

de. Zudem kostet die zweite Röhre 3 Milliarden Franken mehr als eine Sanierung mit der ­rollenden Landstrasse. Diese 3 Milliarden fehlen dann an anderen Orten, so dass dringendere Verkehrsprobleme in den Agglomerationen nicht gelöst werden können – auch Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Nun staut sich der Verkehr am Gotthard aber regelmässig. Kann das so weitergehen? Die wirklich grossen Verkehrsprobleme haben wir nicht am Gotthard mit den temporären Freizeitstaus, sondern jeden Morgen und Abend rund um die Städte. Ausserdem könnten am Gotthard die Container schon jetzt auf die Bahn verladen werden. Warum soll ein Transpörtler auf die Bahn umsteigen? Sie ist nach wie vor das ökologischste und sicherste Verkehrsmittel – und eigentlich auch das effizienteste. Aber weil die Bahn anständige Löhne zahlt, ist der Verlad eben teurer, als wenn man Lastwagenchauffeure aus Osteuropa mit Hungerlöhnen über die Alpen schickt. Der Transportunternehmer und SVP-­ Nationalrat Ulrich Giezendanner behauptet, die Kapazität fehle, um alle Güter auf die Bahn zu verladen.

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Drum ab damit auf die Schiene? Ja. Ob Bananen oder Gefahrengüter: Der Schienentransport ist tausendmal sicherer als die Strasse. Welche Sage möchten sie nach dem ­Abstimmungskampf gegen die zweite Röhre gerne erzählen können? Dass wir dem Teufel zum dritten Mal ein Schnippchen schlagen konnten. Beim Bau der Schöllenen-Brücke haben die Urner den Teufel für seine Hilfe nicht mit einer Menschenseele belohnt, wie es ausgemacht war, sondern einen Geissbock über die Brücke gejagt. Doch der Teufel sann auf Rache und schickte Jahrhunderte später Kolonnen stinkender Laster durch den Gotthard. Mit der Alpen-Initiative haben wir Schweizer Bürgerinnen und Bürger 1990 diesem Teufelswerk einen Riegel geschoben. Nach der Abstimmung würde ich gerne erzählen können, dass wir mit dem Nein zur zweiten Strassenröhre das Land vor der Transithölle bewahrt haben. Das Interview wurde von Daniela Schwegler geführt Greenpeace Schweiz gehört neben rund 50 ­nationalen und regionalen Organisationen dem Verein «Nein zur 2. Gotthardröhre» an und will den Bau der zweiten Röhre und die unnötige Belastung der Alpen verhindern. Refe­rendumsfrist ist der 15. Januar 2015: also schnell Unterschriftenbogen runterladen, ausfüllen und abschicken unter: alpenininitative.ch. Der Walliser Alpenaktivist Andreas Weissen (57) leitet die Kampagne des Vereins «Nein zur 2. Gotthardröhre». Bekannt wurde er als Präsident und Campaigner der Alpen-Initiative (bis 2009) sowie als Leiter des WWF-Alpenprogramms (2001 bis 2005). Von 2007 bis 2009 war er Stiftungsrat von Greenpeace Schweiz. Weissen hat in Bern und Fribourg Journalistik, Pädagogik, Wirtschafts- und Sozialgeschichte studiert. Er erzählt gerne Sagen, liebt das Alphorn und das Bergwandern. www.andreas-weissen.ch

© LUKAS LEHMANN

Die Kapazität ist da. Mit den neuen NeatBasistunnels am Lötschberg und am Gotthard könnte man 30 Millionen Tonnen Güter mit der Bahn transportieren. Als Lösung der Kapazitätsengpässe am Gotthard bringen Sie auch die Alptransitbörse ins Spiel, eine Art Reservationssystem. Ja, beim Channel-Tunnel nach England funktioniert das ganz gut: Wer ein Ticket hat, kann mit der Bahn durch den Tunnel fahren. Auch im Alpenverkehr könnte ein Reservierungssystem eingeführt werden. Die Durchfahrtsrechte könnte man an einer Börse handeln. Je nach Nachfrage wäre der Preis höher oder tiefer. Torpediert ein solches Slot-System nicht den freien Warenverkehr in der EU? Das ist freier Warenverkehr, getaktet nach Massgabe der Stassenkapazität. Übrigens: Den Bananen ist es egal, ob sie mit der Bahn transportiert werden oder mit einem Last­ wagen. Güter können frei ausgetauscht werden, doch soll dazu über längere Distanzen das ­Verkehrsmittel benutzt werden, das Menschen, Tieren und Pflanzen am wenigsten schadet. Und das ist die Bahn. Sind nicht viele Gütertransporte sowieso volkswirtschaftlicher Unsinn? Natürlich! Ein Beispiel dafür ist das Mineralwasser, das von der einen Seite des Gotthards auf die andere transportiert wird. Noch krasser ist es im Montblanc-Tunnel, wo sich Camions mit San Pellegrino mit Camions kreuzen, die Evian transportieren; in einem Blindtest ist zwischen den beiden kaum ein Unterschied fest­ zustellen. Milch wird durch halb Europa gefahren, um zu Joghurt verarbeitet zu werden. Lebende Schweine werden in Tiertransportern von Belgien nach Italien gebracht; nach einem Monat kann man sie schlachten und das Fleisch als original Parmaschinken verkaufen. Immerhin ist der Transport brandgefähr­ licher Güter durch Alpentunnels verboten … … mit dem Ergebnis, dass 90 Prozent der Gefahrengüter über den 2000 Meter hohen Simplonpass gehen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Doch Bundesrätin Leuthard will von einer zwingenden Verlagerung von Gefahrengut auf die Schiene nichts wissen. So erwarten wir jeden Tag die grosse Umweltkatastrophe, wenn bei einem Lastwagen die Bremsen versagen.


Der gemeinsame Wunsc und friedvol

Erbschaften

Wie UnterstützerInnen weltweit Greenpeace in ihrem Testament bedenken Eine neue Gemeinschaft formiert sich. Wer ihr angehört, kennt die anderen in der Regel nicht. Sie sind aber alle rund um die Welt durch einen gemeinsamen Wunsch miteinander verbunden: den Wunsch, dass ihre Unterstützung für G ­ reenpeace dank einem Testament auch in Zukunft Wirkung entfaltet. Sei es Mary Ambrose, die pensionierte Geschäftsfrau aus Kanada, Bob Dofferhoff, der Familienvater aus Holland, Jürg

Heep, der Umweltschützer aus Australien, oder die Chemikerin und Arbeitshygienikerin Barbara Martens aus der Schweiz: Sie befinden sich familiär und kulturell alle in ihrer ganz persön­ lichen Lebens­situation — und doch verbindet sie eine gemeinsame Moti­vation. Der Wunsch nach Frieden, Nachhaltigkeit und der Bewahrung des Planeten. Greenpeace kann seinen Unterstützerinnen und Unterstützern nicht genug danken. Wir verwenden die Gelder, die aus Testamenten stammen, um unsere tägliche Arbeit zu finanzie-

Bob Dofferhoff

Kanada

Barbara F. USA

«Ich kann mir keine bessere Art zu sterben vorstellen als im Wissen, dass man alles darangesetzt hat, zu unterstützen und zu erhalten, was einem glücklich macht. Und zwar nicht nur während des Lebens, sondern auch danach. Das eigene Vermögen kann dazu eingesetzt werden, die eigenen Anliegen zu bewahren und zu stärken. Unsere Zeit auf der Welt ist begrenzt. Gebt ihr eine ­Bedeutung – nicht nur jetzt, sondern auch für die ­Zukunft!»

«Mein Geld hinterlasse ich Freunden, die in schlecht ­bezahlten Berufen hart gearbeitet haben, und Greenpeace. Wie kann man einen gewaltlosen Ansatz zur Rettung des Planeten vor Zerstörung, die nicht rückgängig gemacht werden kann, nicht befürworten? Ich habe für Greenpeace gearbeitet und gesehen, wie sie für alle von uns einsteht gegen Gier und Dummheit. Ich unterstütze Greenpeace – während ­meines Lebens und danach.»

© G r een p eac e / S tep h an B ös ch

Mary Ambrose

Es war klar, dass er einen Teil seines Erbes für einen guten Zweck hinterlassen würde. Als treuer Unterstützer fiel seine Wahl ohne zu ­zögern auf Greenpeace. «Ich wuchs als Naturliebhaber auf und auch jetzt noch fühle ich mich im Wald am wohlsten. Ich kann stundenlang auf dem Boden liegen und die Düfte, die Farben und die ­Geräusche um mich herum geniessen.»

Barbara Martens Schweiz

© ZVG

© ZVG

Holland

Mir sind Tiere und Naturschutz sowie das Wohl der Kinder von Benachteiligten grundsätzlich wichtig. Für Greenpeace habe ich mich entschieden, weil mich die Zivilcourage und der zivile Ungehorsam beeindrucken, weil das zu meinem Wesen passt.


ch nach einer grünen llen Zukunft ren: den Klimawandel zu ­bekämpfen, die Arktis vor der Ausbeutung zu schützen oder die Weltmeere und unsere Urwälder und ihre ­Bewohner zu schützen. Jede Form von Spenden bedeutet Greenpeace viel. Eine Zuwendung in Form eines Testaments übersteigt jedoch ­finanzielle Werte. Ein Testament ist eine starke moralische und wertorientierte Botschaft an jene, die heute an der Macht sind, und an die kommende Generation, deren Aufgabe es ist, die Natur zu bewahren.

Immer mehr Menschen treten in die Fussstapfen von ­anderen und nehmen Greenpeace in ihr Testament auf. Wenn Sie interessiert sind, mehr über diese ­ Möglichkeit zu erfahren, kontaktieren Sie bitte Frau Claudia Steiger unter 044 447 41 79 (täglich 9—13) oder per E-Mail an claudia.steiger@greenpeace.org. Unsere Website www.greenpeace.ch/legate vermittelt einen ersten Überblick.

Anders Bjerkén

© ZVG

Schweden

Jurg Heep († 2011) Australien

In den Worten seiner Part­nerin Imogen: «Die Fülle von Jurgs Leben zeugt von seinem grosszügigen Wesen, seiner Lebenserfahrung und seinem Engagement für den Umweltschutz. Die Natur war seine grösste Leidenschaft und die Förderung der Lebenswelt des östlichen Gippsland ist sein wichtigstes Geschenk an alle, die ihn kannten.»

Maike & Stephan Böhm Deutschland

«Wir haben selber keine ­Kinder und lieben die Natur sehr. Da lag es nahe, dass wir Greenpeace als engagierte und starke Umweltorganisa­ tion mit einem Legat begüns­ tigen.»

Fabrizio Gobbi Italien

© ZVG

«Unser Leben ist zu kurz, als dass wir noch erleben werden, wie die Welt von all ihren Verletzungen geheilt wird. Mit einem Legat für Greenpeace helfe ich den nächsten Generationen, unseren ­Planeten weiterhin zu schützen. Uns steht nur ein Planet zur Verfügung, und zwar als Zweck, nicht als Mittel.»

«Meine Hobbys standen stets in Zusammenhang mit der Natur: segeln, tauchen, Kajak fahren. Das Meer liegt mir am Herzen. Ich unterstütze Greenpeace seit vielen Jahren, da die Organisation hervorsticht und gute Arbeit leistet. Doch der Kampf für die Umwelt kennt kein Zeit­ limit und muss auch nach ­meinem Tod weitergeführt werden. Deshalb hinterlasse ich Greenpeace ein Legat in meinem Testament.» Francine Toussaint Belgien

«Ich habe dieses Testament zugunsten von Greenpeace verfasst, denn ich möchte mich für die Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Umwelt einsetzen. Greenpeace ist eine der wenigen Organisationen, die sich ­darum kümmert und dafür kämpft.» Pascal Bories

Frankreich

«Der Umweltschutz ist mir ein grosses Anliegen. Ich kann nicht verstehen, weshalb Menschen den Planeten für den kurzfristigen Profit ­zerstören. Das macht mich traurig.»


Schwarze Zukunft

Fotoreportage

Seit den 60er Jahren sorgt die russische Ölindustrie für eine schleichende Ölpest in der Republik Komi rund 2000 Kilometer östlich von Moskau, am Rand der Arktis. Russlands Ölkonzerne haben in der Region drei riesige Ölfelder ­erschlossen, die sie ohne Rücksicht auf Natur und Menschen ausbeuten.

Greenpeace Russland

Greenpeace Russland hat über 200 Ölunfälle in der Republik Komi dokumentiert und im Jahr 2011 entsprechendes Beweismaterial an die zuständige Umweltschutzbehörde (Rosprirodnadzor) weitergeleitet. Die Behörde hat darauf neun Ölunfälle in der Nähe von Usinsk und Vozeisky überprüft und bestätigt. Lukoil wurde zunächst angeboten, die ent­ Fotos: Daniel Müller und Denis Sinyakov standenen Schäden als Selbstverpflichtung zu beheben. Nachdem Heute ist das Land in Komi von mehr als 3000 Bohr­ der Konzern jedoch weder für löchern, Tausenden Kilometern Pipelines, zahlreichen angefallene Kosten aufgekommen Strassen, Wegen und Einrichtungen der Ölindustrie war noch verunreinigte Gebiete gezeichnet. gesäubert hatte, wurde der Fall dem Greenpeace Russland ist seit vielen Jahren in der Gericht übergeben. Mit dem Versuch, das Urteil Region aktiv. Im August 2014 waren 44 Teilnehmer aus anzufechten, ist Lukoil* bereits 13 Ländern vor Ort, um Ölunfälle zu lokalisieren, ihre gescheitert. Die Strafzahlung in Auswirkungen zu untersuchen und stellenweise aufzuHöhe von 13,5 Millionen Euro ist räumen. auch deswegen ein Erfolg für das Nach nur einer Woche vor Ort stiess die Oil Spill russische Greenpeace-Büro, weil Patrol, wie sich die Aktivistinnen und freiwilligen Helfer für derartige Ölunfälle in Russnennen, an 125 Stellen auf Ölunfälle und barg 50 Tonnen land nur selten Bussen über 1000 Öl. Im Dialog mit der Bevölkerung, lokalen Aktivisten Euro verhängt werden. Die Öl­ und Vertretern der Ölkonzerne werden nun Empfehlungen unternehmen sehen sich angesichts dieser Rechtsprechung nicht veran die lokalen Behörden erarbeitet. Indigene in Sibirien, im Norden und im Fernen Osten anlasst, etwas an ihren verantwortungslosen Praktiken in der Russlands – insgesamt etwa 250 000 Menschen – sind ­Republik Komi zu ändern. Enteine der am meisten gefährdeten Gruppen in Russland. sprechend oft ereignen sich hier Die Wirtschaft und die traditionellen Lebensformen kleinere und grössere Ölunfälle. dieser Einwohner sind direkt vom Fischfang, von der Jagd * Lukoil, die Betreiberin der Pipeline, wird ausschliesslich durch die und der Rentierzucht abhängig und die Aktivitäten der Rohstoffindustrie haben für sie schlimme soziale Folgen. in Genf ansässige Tochterfirma ­Litasco SA vertreten, die für den Die Selbstmordrate in Russland gilt bereits als weltweiten Vertrieb von Lukoilnationale Krise. In der Republik Komi liegt sie fast doppelt Öl zuständig ist. Litasco ist auch für so hoch, in indigenen Gemeinschaften sogar dreimal so die Finanzierungsdienstleistungen hoch. der Lukoil- Gruppe verantwortlich.

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1 + 4 Trügerisch: Der Fluss Kolva wirkt sauber, wird nach Pipeline-Brüchen aber immer wieder ­verunreinigt — vor 17 Jahren flossen 100 000 ­Tonnen Öl aus. 2 Giftig: Dorfbewohner holen ihr Trinkwasser aus einem kontaminierten Speicher — es stinkt und schmeckt metallisch. 3 Kümmerlich: «Vor vierzig Jahren hatten die gefangenen Lachse oft Armlänge», sagt der Fischer aus Kolva — heute sind sie rar und ihre Giftgrenzwerte oft zu hoch. 5 Bedenklich: Der ehemalige Rentierzüchter ­Wjatscheslaw Wassiljewitsch hilft als 84-Jähriger noch bei der Kartoffelernte. Der Ertrag, klagt er, «nimmt wegen des Öls seit Jahren ständig ab». 6 Längst Vergangenheit: Wassiljewitsch zeigt ein Foto aus der Zeit, in der seine 2000 Rentiere noch auf unverseuchtem Grund grasten — heute machen 3000 Bohrlöcher eine Aufzucht unmöglich.

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Kärglich: 200 Euro monatlich müssen dem Mann zum Leben reichen. Auf der Warteliste für ein ­betreutes Altersheim steht er auf Platz 70 — die zahlreichen Orden, die ihm als Rentierzüchter verliehen wurden, bringen da nichts. Mühselig: Zwei freiwillige HelferInnen der Oil Spill Patrol säubern ein Gewässer bei Usinsk — die Arbeit ist schmutzig und hart.


© M a nu el Bau er

länger schwimmen müssen, oder eine «Eisbären­ patrouille», deren Chef, ein Jäger alter Schule, zum Beschützer der Eisbären und der Menschen geworden ist. Die drei Fotografen können ihre Projekte mit Hilfe der von Greenpeace finanzierten Preise 2015 umsetzen. Die beiden Jurypreise à je 10 000 Euro werden im «Geo» erstveröffentlicht, der Publikumspreis von 8000 Euro erscheint im Greenpeace Magazin. Der Greenpeace Photo Award findet in einer Medienpartnerschaft mit der Zeitschrift Geo statt. Die Jury bestand aus Peter Pfrunder (Direktor FotostifIm Sommer hat Greenpeace gemeinsam mit der tung Schweiz), Ingo Taubhorn (Kurator DeichtorhalZeitschrift Geo einen öffentlichen Wettbewerb für len Hamburg) und Ruth Eichhorn, (Bildchefin Geo). professionelle Fotoschaffende in der Schweiz und Weitere Informationen: www.photo-award.org in Deutschland lanciert. Gefragt waren unveröffentlichte Fotoprojekte zum Thema Umwelt, die sich durch einen innovativen Blick auszeichnen. Aus über 100 Projekten hat die Jury 8 nominiert, die auf www.photo-award.org von 6000 Besuche­ Seit 2005 wirft das Public Eye ein kritisches Auge r­innen und Besuchern bewertet wurden. Den Publikumspreis hat Manuel Bauer mit seiner auf die Geschäftspraktiken von Unternehmen und Arbeit «Sam Dzong — ein Dorf zieht um» gewon- bietet mit seinen Awards eine Plattform, um Vernen. Der Fotograf bezeichnet Sam Dzong im ehe- letzungen der Menschen- und Arbeitsrechte, Ummaligen Königreich Mustang als den «schönsten weltzerstörung oder Korruption öffentlich und in Ort der Welt». Mit seinen Fotos, aber auch mit ak- den Medien anzuprangern. Ort und Zeitpunkt des tiver Spendenhilfe setzt sich Bauer für Menschen Public Eye fallen jeweils mit dem jährlichen World ein, die durch den Klimawandel gezwungen sind, Economic Forum (WEF) in Davos zusammen. Die ihr Dorf zu verlassen und ihre Häuser in einem an- Public Eye Awards zeigen den Akteuren der Weltderen Tal neu aufzubauen. «Wir haben die ambi- wirtschaft, dass menschen- und umweltverachtionierte Planung, das neue Dorf um den 20. Mai tende Geschäftspraktiken Konsequenzen haben 2015 herum einzuweihen», erklärt Manuel Bauer. — primär für die davon Betroffenen, aber auch für Das Projekt wird noch wachsen über die nächsten das Firmenimage. Jahre und der Umzug wird gestaffelt stattfinden. 2015 ziehen wir Bilanz. Wir wollen sowohl Erfolgs«Bis die neuen Felder Früchte tragen, dürften noch geschichten erzählen als auch zeigen, was es mehrere Jahre vergehen.» noch braucht im Bereich der UnternehmensverDie beiden Jurypreise gingen an Dmitrij Leltschuk antwortung. Dafür hat die Jury aus den ehemaligen mit «Aufzeichnungen eines Jägers» und an Uwe «Gewinnern» eine Auswahl getroffen, über die ab H. Martin. Seine Arbeit mit dem Titel «Landrush 19. November online abgestimmt werden kann. — Green Revolution 2.0» geht mit radikalen Bil- Der Konzern mit den meisten Stimmen erhält in dern ein trauriges Thema an: Durch den Einsatz Davos den Public Eye Life-time Award. von Pestiziden erkranken in Indien immer mehr Geben auch Sie ihre Stimme ab? Als übelste Unter­ Menschen an Krebs. Anhand des «Krebsexpress» nehmen stehen unter anderen die US-amerikanizeigt Martin den Preis, den die Gesellschaft für den schen Konzerne Walmart (Einzelhandel), Chevron Fortschritt in der Landwirtschaft bezahlt. (Energie), Dow Chemical (Chemie) und Goldman Dmitrij Leltschuk setzt sich in seinen «Aufzeich- Sachs (Finanzindustrie), der Schweizer Rohstoff­ nungen» mit dem Klimawandel in der Arktis aus- gigant Glencore und der russische Energiekoneinander. Das Abschmelzen der Eisdecke treibt zern Gazprom zur Auswahl. die Eisbären immer näher an die Menschen her- Erfahren Sie mehr über die Nominierten und stiman. Leltschuks Bilder zeigen Eisbären mit durch- men sie ab auf http://publiceye.ch. geschabtem Pelz an den «Ellenbogen», weil sie

Photo Award: Die Gewinner

Kampagnen-News

Public Eye Life-time Award

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© G r eenpeace

Waldschutz am Scheideweg Von Stefan Kerschbaumer Das FSC-Siegel soll die Urwälder erhalten sowie eine soziale und ökologische Waldnutzung garantieren. Greenpeace hat mit einer Studie grobe Mängel bei der Zertifizierung aufgezeigt, im Anschluss hart verhandelt und hofft nun, das Siegel zu stärken. Die Nachfrage nach FSC-zertifiziertem Holz steigt. Das klingt nach einer guten Nachricht. Schliesslich ist es das Ziel des vor zwanzig Jahren gegründeten Forest Stewardship Council (FSC), einen internationalen Standard für nachhaltige Forstwirtschaft zu etablieren. «Doch es gibt mehr Nachfrage nach FSC-Hölzern, als produziert werden kann. Vor allem europäische Grossabnehmer verlangen Nachhaltigkeitsgarantien und verlassen sich dabei auf FSC», sagt Greenpeace-Waldexpertin Asti Roesle. Wie diese Situation das Siegel zu einer Gefahr für die Wälder werden lassen kann, statt für ihren Schutz zu sorgen, erklärt Roesle am Beispiel Russlands. Russland ist nach Kanada der zweitgrösste Lieferant von FSC-zertifiziertem Holz. Die Holzunternehmen arbeiten dort auf einer Fläche von 38,5 Millionen Hektar, einem Gebiet grösser als Deutschland. Doch im Gegensatz zum ursprünglichen Ziel des Siegels arbeiten die Firmen in vielen FSC-zertifizierten Wäldern der russischen Taiga mit Kahlschlag. Lokale NGOs sprechen daher, in Anlehnung an den Bergbau, bereits von «wood ­mining», also von Holzabbau statt Forstwirtschaft. Viele russische Holzunternehmen übernutzen den Wald systematisch und beuten ihn aus. Die Wiederaufforstung solcher Kahlschlagflächen ist nicht rentabel. Das harsche Klima führt dazu, dass sich der Waldbestand nur sehr langsam selber regeneriert. Um der FSC-Nachfrage dennoch gerecht zu werden und weiter zu exportieren, beginnen die Firmen mit dem Abholzen von unberührten Urwäldern. «Ohne das Siegel hätten viele Produzenten, Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

die in schützenswerten Wäldern arbeiten, keine Kundschaft», erzählt Roesle. Bei der Vollversammlung im September hat Greenpeace die FSC-Mitglieder damit konfrontiert, dass der Schutz der letzten intakten Waldlandschaften im Rahmen der FSC-Zertifizierung nicht ausreicht. Mangels Alternativen ist FSC aber nach wie vor das stärkste Instrument, um eine nachhaltige Forstwirtschaft sicherzustellen. Deshalb hat Greenpeace mit vollem Einsatz dafür gekämpft, das Siegel zu stärken. Mit Erfolg: FSC soll Massnahmen ergreifen, um die letzten intakten Waldlandschaften überwiegend zu erhalten. Dazu gehört beispielsweise, mit kleineren Unternehmen nach alternativen Bewirtschaftungsformen zu suchen. Greenpeace wird sich dafür einsetzen, dass der Beschluss schnell umgesetzt wird — und FSC wieder zu einem starken Siegel für geschützten Wald. Greenpeace Schweiz rät: Die erste Wahl sollte möglichst FSC-zertifiziertes einheimisches Holz sein die zweite Wahl generell einheimisches Holz oder FSC-Holz aus Deutschland. Weitere Ratschläge zur verantwortungsvollen ­Papieranwendung finden Sie unter: thoreau.ch

AKW abschalten statt bloss Jodtabletten verteilen! Im Herbst haben fast 5 Millionen Schweizerinnen und Schweizer ein ungewöhnliches Paket im Briefkasten gefunden: eine Packung mit Jodtabletten. Mit der Verteilung haben die Behörden eingestanden, dass ein AKW-Unfall jederzeit möglich ist. Erschreckend war, wie die offiziellen Stellen die Bevölkerung über die Verteilung informierten: Im Notfall sei man mit den Tabletten gut geschützt, lautete die Botschaft. Diese unvollständigen Informationen konnte Greenpeace nicht so stehen lassen. Während mehr als einem Monat haben wir die Bevölkerung aufgeklärt — auch mit einem provokativen Flyer — und zum Handeln aufgefordert. Durch gezielte Medienarbeit und eine umfassende Kampagnen-Website wurde die Debatte über den Nutzen von Jodtabletten und die Gefahr eines AKW-Unfalls erfolgreich lanciert. Die Saat ist gelegt — um den Atomausstieg als Ernte einzufahren, bleibt Greenpeace dran.

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Kampagnen-News

Jugendsolar in Köniz, ­Trubschachen und Langnau Jugendsolar war in den letzten Monate sehr aktiv. Gleich drei Projekte wurden auf die Beine gestellt. Da war zuerst einmal die Solarwoche in Trubschachen. Über 130 Schülerinnen und Schüler erhielten in einer Projektwoche theoretisch, praktisch und spielerisch Einblick ins Thema Sonnenenergie. Sie kochten mit der Sonne, führten Experimente durch und halfen beim Erfassen des Solarnutzungspotenzials der Gemeinde. Dazu waren sie im Dorf unterwegs, haben Dächer vermessen und mit Hilfe der Website www.solarmacher.ch das Potenzial zur Produktion von Strom und Wärme berechnet. Das Hauptprojekt der Woche war die Installation der über 130 kWp starken Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Schule Hasenlehn. Die Schülerinnen und Schüler montierten die Anlage unter fachlicher Anleitung von Hans Wiedmer (www. dach-wiedmer.ch): Sie bohrten Löcher ins Schulhausdach, schraubten die Unterkonstruktion fest, trugen Solarpanels hoch und verkabelten sie. Am 22. August fand im Rahmen der Einweihung der Anlage auch das Solarfest im Schulhaus statt. Eltern, Anwohnerinnen und Interessierte erhielten die Ergebnisse der Projektwoche vorgestellt. Gastredner war BDP-Nationalrat Hans Grunder. Das zweite Projekt fand in Langnau im Emmental statt, wo zwei Schulen je eine Projektwoche zum Thema Solarenergie durchführten. Unter der Anleitung von Weichenstellen (www.weichenstellen. ch) und Jugendsolar erfassten die Schüler über solarmacher.ch das Potenzial der Dächer für das Solarkataster der Gemeinde und lernten viel Wertvolles über erneuerbare Energien. Die erste Solarwoche im Schulhaus Oberfrittenbach war von perfektem Wetter begleitet. Nach der Erfassung der Dächer blieb am letzten Tag noch Zeit, um Brownies und Popcorn aus Sonnenkraft zu machen. In der zweiten Woche schwärmten die Schüler des Schulhauses Ilfis mit dem Velo in die Hügel von Langnau aus, um auch noch die letzten Dächer der Gemeinde zu erfassen. Sie hatten weniger Wetterglück, aber es reichte auch ihnen am Ende noch, Abschlussküchlein im Solarofen zu backen. Beide Klassen dürfen im November beim Bau einer Solaranlage mithelfen. Beim dritten Projekt stand die Pfadi Falkenstein Köniz im Zentrum. Sie hat das Zusammenspiel von Pädagogik und Nachhaltigkeit schon früh verstanMagazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

den. Die Auszeichnung mit dem Berner Energiepreis und der Titel als erstes Minergie-Pfadiheim der Schweiz sind nur zwei Beispiele für den Erfolg ihrer Strategie. Eine Internationalisierung durch Trainings im Kandersteg International Scout Center KISC soll nun einen «solaren Flächenbrand» entfachen. Mehr Informationen unter: www.greenpeace.org/switzerland/de/ Themen/Jugendsolar

Lego bremst Shell aus Eine dreimonatige Greenpeace-Kampagne zeigt Erfolg: Lego kündigt einen 2011 abgeschlossenen Vertrag mit Shell im Wert von 100 Millionen Franken, weil die Firma erkannt hat, dass der Ölmulti die Zusammenarbeit vor allem gesucht hat, um sein Image reinzuwaschen. An Shell-Tankstellen wurden speziell hergestellte Lego-Sets verkauft, aus denen sich beispielsweise kleine Rennwagen bauen liessen, und die Rennwagen waren mit dem Shell-Logo versehen. Greenpeace hat im vergangenen Juli einen Film auf Youtube gestellt, in dem eine aus Lego-Steinen gebaute Landschaft samt Menschen, Eisbären und Schlittenhunden in einem Meer aus Erdöl untergeht. Rund eine Million Umweltbewusste haben das Mahnwerk angeklickt.

Neue App für «papierlose» und mobile Leser Unser Greenpeace-Magazin passt zwar in jede Handtasche, aber immer mehr Leserinnen und Leser wünschen sich unsere aufregenden Storys, Hintergründe, Essays und Interviews auf einem mobilen Lesegerät. Nun gibt es neu die Greenpeace-App für Tablet und Smartphone. Statt dreimal im Jahr auf Papier (oder zusätzlich dazu) erreichen Sie unsere Inhalte im Wochentakt — angereichert mit Fotos, Videos und Links. Dazu bauen wir kontinuierlich an einem OnlineRatgeber zu Umwelt­fragen und liefern aktuelle Nachrichten aus der Greenpeace-Welt. Die Greenpeace-App ist gemacht für Leute, die gerne lesen und sich in verschiedene Themen rund um Natur und Ökologie vertiefen möchten. Die App mit dem Namen Greenpeace Schweiz ist im App Store gratis erhältlich. Die Android-Version ist in Bearbeitung und auf den Frühling geplant.

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Buchtipp

Landwirtschaft

Rachel Carson – ­Pionierin der ­Ökologiebewegung

in Kürze

Eine Biografie von Dieter Steiner

«Die Macht ihres Wissens und die Schönheit ihrer Sprache machten sie zu einer der einflussreichsten Frauen unserer Zeit», schrieb die «New York Times» über die amerikanische Biologin Rachel Carson. Ihr Buch «Silent Spring», 1962 veröffentlicht, rüttelte die Welt auf: Es machte auf den masslosen Gebrauch von Pestiziden aufmerksam – und auf seine Folgen. In der Folge politisierte sich die Naturschutzbewegung und neue Umweltbewegungen entstanden. Rachel Carson war eigentlich Meeresbiologin und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Bücher über das Leben im und am Meer geschrieben – in einer einzigartigen Kombination von Wissenschaft und Poesie. Dank ihrem aussergewöhnlichen Gespür für die Beobachtung der Natur und ihrem schriftstel­ lerischen Talent waren sie zu Bestsellern geworden und hatten die junge Naturwissenschaftlerin ­landesweit bekannt gemacht. Ihr ökologisches Denken fand in «Der stumme Frühling» eine praktische Umsetzung. Das Buch gilt bis heute als «Zündfunke der weltweiten Umweltbewegung» (Süddeutsche Zeitung). Auch wir können uns von dieser mutigen und engagierten Frau inspirieren lassen. Dieter Steiner: Rachel Carson — Pionierin der Ökologie­bewegung, oekom verlag, München, 2014, ISBN-13: 978-3-86581-467-8, CHF 37.90

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Nun ist es so weit: Nachdem das Anliegen der 2013 eingereichten Petition «Hörnerfranken» in der Agrarpolitik 2014–2017 nicht aufgenommen wurde, hat der umtriebige Bergbauer Armin ­Capaul aus dem Jura, zusammen mit der IG Hornkuh kurzerhand eine Volksinitiative für die Würde der landwirtschaftlichen Nutz­ tiere lanciert. Dazu braucht es 100 000 Unterschriften bis am 23. März 2016. Die Initiative fordert den Bund auf, wirtschaftlich ­lohnende Anreize der Produktionsformen zu schaffen, besonders für solche, die naturnah, umweltund tierfreundlich sind. Dabei sollen insbe­sondere Halterinnen und Halter von Kühen, Zuchttieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken finanziell unterstützt werden, solange die ausgewachsenen Tiere Hörner tragen. Setzen auch Sie ein Zeichen für behornte Kühe und unterschreiben Sie die Initiative unter www.valengiron.ch.

© KEY STONE/ Ar no Balzar in i

© oekom ver l ag

Lancierung der Hornkuh-Initiative


Buchtipp

Filmtipp

Everyday Rebellion Ein Dokumentarfilm und ein CrossMedia-Projekt über das Potenzial von gewaltfreiem Aktivismus und modernem zivilem Ungehorsam. Als roter Faden zeigt der Film die unkonventionellsten und krea­ tivsten Methoden von Widerstand und stellt das Leben und Arbeiten von Aktivisten rund um den ­Globus vor, die oftmals das eigene Leben im Kampf um eine bessere Zukunft riskieren. DVD noch nicht erhältlich. www.everydayrebellion.com

in Kürze

Engagement

Kritik an Ölbohrplänen vor den Balearen Der Schweizer und der österreichische Reiseverband zeigen sich besorgt über das Vorhaben des britischen Ölkonzerns Cairn ­Energy. Dieser will im Mittelmeer vor Ibiza nach Öl und Gas suchen. Über 125 000 Bürger Spaniens erheben Einspruch gegen diese Pläne. Und mehr als 210 000 ­Menschen aus dem deutschsprachigen Raum haben den Protest von OceanCare unterzeichnet, um die für Meerestiere tödliche ­Gefahr des Unterwasserlärms und das Risiko einer Ölkatastrophe abzuwenden. www.oceancare.org www.silentoceans.org

Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

© M a nd el bau m V er l ag

von Arash Riahi, Arman T. Riahi

Mein Weg vom ­Kongo nach Europa Zwischen Widerstand, Flucht und Exil «Emmanuel Mbolelas Buch ist deshalb so beeindruckend, weil es nicht nur ein Buch der mutigen, detailgenauen Brandmarkung ist, sondern auch ein Buch der un­ ausrottbaren Hoffnung. Ein Buch des Widerstands, des Aufstands des Gewissens.» Jean Ziegler Emmanuel Mbolela schreibt in seiner autobio­ graphischen Erzäh­lung über seine politische Akti­vität im Kongo und die brutale Repression staatlicher Sicherheitsorgane, die ihn in die Emigration zwingt. Er berichtet auf eindrückliche Weise von der Gewalt und Ausbeutung während der Flucht. Quer durch die Sahara gelangt er bis nach Marokko, wo er eine Organisation kongolesischer Flüchtlinge mitbegründet. Nach vier Jahren kann er in die Niederlande ausreisen, als neue Erfahrung erweisen sich dort die extrem ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, denen vor allem migran­tische Arbeitskräfte unterliegen. Im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo geboren, s­ tu­dierte Emmanuel Mbolela in seiner Heimatstadt Ökonomie, musste jedoch nach kurzer Haft aus politischen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden. Er ist ­Vortragender und antirassistischer Aktivist. Der Übersetzer Dieter ­Alexander Behr lebt in Wien und arbeitet gemeinsam mit dem ­Autor im Netzwerk Afrique Europe Interact. Emmanuel Mbolela: Mein Weg vom K ­ ongo nach Europa, mit einem Vorwort von Jean Ziegler, Mandelbaum Verlag, 2014 ISBN-13: 978-3854764410, CHF 21.95

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Die Solarvignette 2015 – Solarstrom auch für Ihr E-Bike Die Solarvignette ist ein Aufkleber für das Elektrovelo (Fr. 50.–), das Handy oder den Computer (je Fr. 10.–), der anzeigt, dass dieses Gerät mit Solarstrom betrieben wird. Mit dem Verkauf jeder Solarvignette garantiert Solafrica die Produktion von so viel Solarstrom, wie ein Elektrovelo, ein Computer oder ein Handy jährlich braucht. Mit dem Gewinn unterstützt Solafrica Projekte zur Förderung der Solarenergie in Afrika. Und so funktionierts: Das Elektrovelo wird zu Hause an der Steckdose aufgeladen. Anlagen in der Schweiz produzieren den Solarstrom für die Vignette und speisen ihn ins öffentliche Netz ein. Solafrica erhält dafür den entsprechenden Herkunftsnachweis von Swissgrid. Mit dem Kauf der Solarvignette wird der ökolo­ gische Mehrwert des Solarstroms gegenüber herkömmlich pro­ duziertem Strom aus Atom- oder Gaskraftwerken bezahlt. Die ­Solaranlagen werden in Zusam­ menarbeit mit Jugendsolar von Greenpeace gebaut. Die neuste Anlage ist in Zusammenarbeit mit Pfadfinderinnen und Pfadfindern aus der ganzen Welt im Kandersteg International Scout Centre entstanden. Magazin Greenpeace Nr. 4 — 2 014

Der Gewinn der Solarvignette fliesst in Ausbildungsprojekte für SolartechnikerInnen in Afrika. In Kenia betreibt Solafrica zum Beispiel das Sarah Obama Solar Learning Centre, in dem jährlich rund zwanzig junge Kenianerinnen und Kenianer in Solartechnik ausgebildet werden. Daneben unterstützt Solafrica initiative junge Menschen beim Aufbau ihres eigenen Solarunternehmens in Kenia, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo. Zu bestellen ist die Vignette unter solarvignette.ch.

Aktivisten-Drama

© KEY STONE/Ar n o Balzar i n i

Energie

nachdem sie bei dem Treffen nicht erschienen waren. Edwin Chota einer der getöteten Aktivisten, hat sein Leben dem Kampf gegen illegale Abholzung gewidmet, um die Zerstörung seiner Heimat im Amazonasgebiet zu verhindern. Chota hatte in den letzten ­Jahren mehrmals Morddrohungen von Holzfällern erhalten, doch die Behörden «taten nichts», um ihn zu schützen, erklärte die IndigenenOrganisation Aidesep. Die Ashaninka-Frauen von Saweto übernehmen nun die Führung ihrer Gemeinden, um weiter für ihre bedrohte Heimat zu kämpfen sowie für die Zukunft Ihrer Kinder. Perus Kulturministerium gab an, ein Team nach Saweto schicken zu wollen, um die Morde unter­ suchen zu lassen. Quelle: www.survivalinternational.org

Korrigendum:

Filmtipp «Thule Tuvalu» im Magazin 3/2014 Der Regisseur von «Thule ­Tuvalu», Matthias von Gunten, hat uns auf einen Fehler im Vier indigene Anführer der Asha­ ­Artikel über seinen Film auf Seite ninka, bekannt für ihren Einsatz 71 hingewiesen. Der Meeres­ gegen die illegale Abholzung des spiegel ist nicht um zwei Meter Amazonas-Regenwaldes, sind im ge­stiegen, wie im Text steht, September in der Nähe ihres ­Dorfs ­sondern um zwanzig Zentimeter. im Osten Perus ermordet worden. Wir bitten um Entschuldigung. Die vier Männer – Edwin ­Chota, Jorge Ríos Pérez, Leoncio Quinticima Melendez und Francisco Pinedo – hatten ihre Gemeinde Saweto an der peruanischen Grenze verlassen, um sich auf den Weg zu einem Treffen mit anderen indigenen Anführern in Brasilien zu machen. Berichten zufolge fand ein Suchtrupp die vier M ­ änner mit tödlichen Schussverletzungen,

Ashaninka-Indianer in Peru ermordet

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Gewinn: Drei ökologisch saubere Friedensfussbälle

Die Aussenhülle ist aus robustem und fair fabriziertem FSC-Latex mit dem Wort «Frieden» in 28 Sprachen. Senden Sie das Lösungswort bis am 31.1.2015 per E-Mail an redaktion@greenpeace.ch oder per Post an Greenpeace Schweiz, Redaktion Magazin, Stichwort Ökorätsel, Postfach 9320, 8036 Zürich. Das Datum des Poststempels resp. des E-Mails ist massgebend. Der Rechtsweg ist ­ausgeschlossen. Über die Verlosung wird keine Korrespondenz geführt. berühmter Felsen am Mittelrhein

Kanton schweiz. Rockerhöhter Sitzraum musiker † in Kirchen (Steve)

Umweltzerstörung durch den Menschen

Kurort Schale aus übereinanin Südtirol derliegenden Tellern

männliche Person, Mann, Bursche frz. Schriftstellerin † (Madame de ...)

Gefäss im Haushalt

Form des Ausdrucks

Kurort in Italien Camionleerung

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Wasservogel munter, lebhaft

geschälte Dosentomaten

frostig Vor welcher europäischen Inselgruppe plant die Ölindustrie nach Öl zu suchen?

Ostsüdost (Abk.)

Seeort in Norditalien

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Stadt in Nebraska

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Abscheu

Ort (frz.)

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Stadt in St. Gallen

Schublade

Schweizer Partei (Abk.)

Schweizer Versicherung (Abk.)

in welchem Land gibt es die zwei ersten Fairtrade zertifizierten Goldminen?

CH-Mime (László) Welcher dän. Spielzeughersteller will in Zukunft nicht mehr mit dem Ölkonzern Shell zusammenarbeiten?

Hecke Koffer (frz.) Energie, Kraft (salopp) Jassspielart

1. Frau Jakobs im Alten Testament

1 engl. Bier sehr häufig

ForestStewardshipCouncilLabel (Abk.)

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musik. Bühnenwerk mittelamerikan. Staat

schädliches Insekt, Motte

zu Ende ital. Ordenspriester

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Tennisverband (Abk.)

Einwohner (Abk.)

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Tonstück, musikal. Zwischenspiel natürliche Vermehrung von Honigbienen

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breite Prachtstrasse, Boulevard

Ausschmückung eines Raumes (ugs.)

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Ort am Zugersee Nachrichtensender

US-Nachrichtenkanal

Gegenspieler Luthers

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nördliche Breite (Abk.)

Behälter für Getränkeflaschen

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Aufgussgetränk Seifenoper (engl. Kzw.)

südfranz. Stadt am Fuss der Cevennen

10-stellige Zahl (Abk.) kleiner Trupp

Schweizer. ArchitekDepeschen- tenbund agentur Felswand, (Abk.) Felsabhang

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reaktionsträge (Chemie)

Insel (frz.)

italien. Dichter † (Umberto)

Rätsel

Zufluss der unteren Donau

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AZB 8031 Zürich

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Frau Leuthard: 2-Reduktion es braucht 60% CO im Inland bis 2030!


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