Greenpeace Switzerland Magazin 0410

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AZB 8015 Zürich

Greenpeace Member 2/2010

AKW: Die Schweiz blendet den Super-Gau aus Seite 4

Atom: Geschönte Umweltbilanz Seite 4 Greenpeace: Der neue Chef Seite 10 Klima: Der Permafrost taut Seite 14 Strategie: Klimaklagen ins Völkerrecht Seite 18 Engagement: Umweltschutz am Mittelmeer

Seite 20


In Kürze

Editorial

Infos aus dem Greenpeace-Leben

Inhalt

von Kaspar Schuler

Erfolg für Finnlands Urwälder

Studie bestätigt Gesundheitsbedenken bei Gentechmais Eine Studie von französischen Wissenschaftlern zeigt deutliche Hinweise auf Gesundheitsrisiken bei den drei gentechnisch veränderten Maissorten MON810, MON863 und NK603 der US-Firma Monsanto. Greenpeace fordert: Keine Freisetzung von genmanipulierten Organismen! Tipp: Kaufen Sie regionale und ökologisch produzierte Lebensmittel. Solarprojekt Muttenz

Greenpeace/Snellman

Nach neun Jahren Konflikt zwischen verschiedenen Kontrahenten und einer langjährigen Greenpeace-Kampagne stehen die letzten acht grossen Urwälder Nordfinnlands endlich unter Schutz. Dies betrifft 96 000 Hektaren Urwald und 9300 Hektaren Land, das möglichst umweltschonend bewirtschaftet wird. Finnland ist ein wichtiger Papierproduzent für die Schweiz. Tipp: Verwenden Sie wenn möglich Recyclingpapier – und wenn nicht, Papiere mit FCS-Zertifikat.

Auf dem Dach des Schulhauses Margelacker in Muttenz BL steht seit Kurzem eine Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 20 Kilowatt und einer Fläche von rund 200 Quadratmetern. Hinter dem Projekt steht der erst 19-jährige Jonas Rosenmund: Der Gymnasiast hat in über 100 Stunden Arbeit Gemeinde und Investoren von dem Solarprojekt überzeugt und es geschafft, die Investitionssumme von 150 000 Franken zusammenzubringen. Die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist auch dank der Unterstützung der Genossenschaft Solarspar, der Firma Megasol, des WWF Basel, mehrerer Privatpersonen, der Gemeinde Muttenz sowie des JugendSolarProjekts zustande gekommen. www.jugendsolarprojekt.ch Für das Weltklima auf Karawane in Kamerun

Aus für das Kohlekraftwerk Dörpen Das Projekt des Steinkohlekraftwerks in Dörpen (D) ist definitiv vom Tisch. Noch im Januar 2009 erhielt das Berner Energieunternehmen BKW für seine Beteiligung an diesem Werk den Public Eye Award – einen Schmähpreis für das übelste Unternehmen des Jahres, verliehen von Greenpeace und der Erklärung von Bern. Greenpeace fordert von BKW und allen anderen Schweizer Stromanbietern, auf Beteiligungen an Kohlekraftwerken zu verzichten und in der Schweiz wie im Ausland auf erneuerbare Energien zu setzen. Unilever kündigt Verträge mit Sinar Mas Ende 2009 hat Unilever, der weltweit grösste Verarbeiter von Palmöl, mitgeteilt, dass der Konzern seine Lieferverträge mit Sinar Mas, dem grössten Waldzerstörer Indonesiens, kündigt. Greenpeace schätzt, dass die Sinar-MasGruppe mit ihren Palmölaktivitäten und Papierplantagen allein in der Provinz Riau dreimal so viel CO2 produziert wie die ganze Schweiz und fordert, dass andere Unternehmen ihre Verträge mit Sinar Mas ebenfalls kündigen, solange der Konzern sein Verhalten nicht ändert. Konsumenten können Druck erzeugen, indem sie Handel und Hersteller dazu auffordern, auf Palmöl aus Urwaldzerstörung zu verzichten.

Greenpeace/Franco

In Yaoundé haben Greenpeace und die Nichtregierungsorganisation Zentrum für Umwelt und Entwicklung (CED) gemeinsam mit der Zivilbevölkerung und Regierungsvertretern den Start der Klimakarawane gefeiert. Die Karawane wird in den ländlichen Regionen solare Techniken demonstrieren. Zudem sollen Baumschulen und Aufforstungsmassnahmen geplant und im bewaldeten Süden Urwaldschutz und nachhaltige Waldnutzung thematisiert werden.

Exklusiv für Sie: Ihr Zonenpass! Denn Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen.

Magazin greenpeace April 2010

4 Atom Der Super-Gau wird ausgeblendet In der Schweiz sollen neue AKW gebaut werden. Die Folgen eines schweren Unfalls wie in Tschernobyl werden verharmlost. Green

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/Fojtu

6 Atom Jodtabletten zur Beruhigung Die Notfallplanung für einen AKW-Super-Gau ist ungenügend.

So könnten wir ankünden, was diesem Magazin beiliegt, wenn das Thema nicht bitter ernst wäre: Die Schweiz betreibt insgesamt fünf Atomkraftwerke, deren drittältestes in Mühleberg steht und Risse im Kernmantel aufweist. Sie werden immer länger. Trotz technischer Bedenken und hängiger juristischer Einspracheverfahren wurde dem Kernkraftwerk 2009 eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. In Beznau, wo mit 41 Jahren Betriebszeit der älteste Druckwasserreaktor der Welt steht, werden längst fällige Reparaturen erst 2011 oder noch später ausgeführt. So hat es das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) bewilligt. Es ist vergleichbar mit der FINMA, der Finanzmarktaufsicht. Beide taugen für den Normalbetrieb ihres Kontrollgebietes, aber nicht für die Krise. Denn in beiden Kontrollbehörden sitzen Berufsleute mit derselben Ausbildung wie die, die sie kontrollieren sollen. Man kennt und vertraut sich und vertraut den gleichen mathematischen Berechnungsmodellen zu den Risiken. Diese Logik führt zu einem reibungslosen Alltag, im Finanzbereich wie bei den Kernkraftwerken. Doch was, wenn ein einziges Mal das geschieht, was in jeder Risikoanalyse nur als Ereignis mit grösster Unwahrscheinlichkeit erscheint? In der Finanzkrise schmolzen immense Guthaben wie der Frühlingsschnee, es beutelte die Volkswirtschaften und ungezählte Unternehmen, in der Folge schmolzen weltweit auch die Arbeitsplätze. Im Atomkraftwerk verläuft die Katastrophe viel direkter und brutaler: Erst schmilzt der Kern, und der daraus resultierende grösste anzunehmende Unfall, ein Super-Gau, verseucht die Schweiz, mitsamt der Bevölkerung. Für diesen Fall gibt es ein Katastrophendispositiv. Es basiert auf einer Einteilung des Landes in Zonen. Diese sollten Sie kennen. Denn Atomkraftwerkskatastrophen treten genau wie die Finanzkrisen dann ein, wenn es am schönsten ist. Im Frühling zum Beispiel, wie damals am 26. April 1986 in Tschernobyl. PS: Wir haben das Konzept unseres Magazins überarbeitet und den Erscheinungsrhythmus geändert. Die nächste Ausgabe erscheint erst im August. Kaspar Schuler ist Co-Geschäftsleiter von Greenpeace in der Schweiz

8 Atom Frisierte Umweltbilanz für Beznau Die Axpo bescheinigt dem AKW Beznau Klimafreundlichkeit. Dabei verschweigt sie allerdings wichtige Tatsachen.

9 Kopenhagen Schlechte Nachrichten für den Urwald Da der Umweltipfel vom Dezember ohne Ergebnis endete, geht es mit dem Schutz der tropischen Urwälder nicht voran.

10 Greenpeace «Die Bürger stärker mobilisieren» Interview mit dem neuen Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo.

14 Klima Das Land, das im Wasser untergeht Diese Folge des Klimawandels wird bisher kaum beachtet: Taut der Permafrost, sind die Tundra und deren Bewohner bedroht.

18 Klima Neue Strategie für den Umweltschutz Klimaschutz sollte im Völkerrecht festgeschrieben werden.

20 Engagement Am Bosporus wächst das Bewusstsein So arbeitet das Greenpeace-Büro Mittelmeer in Instanbul.

24 Persönlich Weibliche Impulse Michelle Ndiaye Ntab, die neue Chefin von Greenpeace Afrika.

10 Aktiv 18 Öko-Rätsel, Rezept 19 Ihre Meinung, Mitglieder/Intern

Das Magazin nach dem Lesen bitte nicht wegwerfen! Besser ist: aufbewahren, weitergeben, für andere liegenlassen. Nach Gebrauch gehört das Magazin ins Altpapier, wo es auch herkommt.

Ihre Meinung interessiert uns! Sie haben die Möglichkeit, auf www.greenpeace.ch/magazin Ihre Meinung oder Ihren Kommentar zu Themen im Magazin abzugeben. Leserbriefe bitte bis zum 28. Mai 2010 an redaktion@greenpeace.ch oder an unsere Redaktionsadresse (siehe Seite 3). 2

greenpeace 2/10

Titelbild: Am 26. April sind es 24 Jahre her, seit in Tschernobyl (Sowjetunion) ein AKW explodierte. Dies gilt als bisher schwerster Atom-Unfall der Geschichte, die Zahl der Toten ist unbekannt, ebensowenig sind es die Langzeitfolgen. Bild: Greenpeace-Aktion mit Fotobannern an Schweizer Kirchen zum 20. Jahrestag 2006. © Greenpeace / Ex-Press / Grasser

Impressum Greenpeace Member 2/2010 Herausgeberin/Redaktionsadresse Greenpeace Schweiz Heinrichstrasse 147, Postfach, 8031 Zürich Telefon 044 447 41 41, Fax 044 447 41 99 www.greenpeace.ch, Postkonto 80-6222-8

Leitung Redaktionsteam_Tanja Keller

Druck_Zollikofer AG, St. Gallen

Bildredaktion_Hina Strüver

Papier_Cyclus Offset aus 100% Altpapier

Redaktion/Textproduktion_Heini Lüthy, Zürich

Druckauflage_d: 119 000, f: 21000

Gestaltung_Sofie’s Kommunikationsdesign, Zürich

Erscheinungsweise_viermal jährlich

Das Magazin greenpeace geht an alle Green­peaceMitglieder (Jahresbeitrag ab Fr. 72.–). Es kann Meinungen enthalten, die nicht mit offiziellen Greenpeace-Positionen überein­stimmen.

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In Kürze

Editorial

Infos aus dem Greenpeace-Leben

Inhalt

von Kaspar Schuler

Erfolg für Finnlands Urwälder

Studie bestätigt Gesundheitsbedenken bei Gentechmais Eine Studie von französischen Wissenschaftlern zeigt deutliche Hinweise auf Gesundheitsrisiken bei den drei gentechnisch veränderten Maissorten MON810, MON863 und NK603 der US-Firma Monsanto. Greenpeace fordert: Keine Freisetzung von genmanipulierten Organismen! Tipp: Kaufen Sie regionale und ökologisch produzierte Lebensmittel. Solarprojekt Muttenz

Greenpeace/Snellman

Nach neun Jahren Konflikt zwischen verschiedenen Kontrahenten und einer langjährigen Greenpeace-Kampagne stehen die letzten acht grossen Urwälder Nordfinnlands endlich unter Schutz. Dies betrifft 96 000 Hektaren Urwald und 9300 Hektaren Land, das möglichst umweltschonend bewirtschaftet wird. Finnland ist ein wichtiger Papierproduzent für die Schweiz. Tipp: Verwenden Sie wenn möglich Recyclingpapier – und wenn nicht, Papiere mit FCS-Zertifikat.

Auf dem Dach des Schulhauses Margelacker in Muttenz BL steht seit Kurzem eine Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 20 Kilowatt und einer Fläche von rund 200 Quadratmetern. Hinter dem Projekt steht der erst 19-jährige Jonas Rosenmund: Der Gymnasiast hat in über 100 Stunden Arbeit Gemeinde und Investoren von dem Solarprojekt überzeugt und es geschafft, die Investitionssumme von 150 000 Franken zusammenzubringen. Die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist auch dank der Unterstützung der Genossenschaft Solarspar, der Firma Megasol, des WWF Basel, mehrerer Privatpersonen, der Gemeinde Muttenz sowie des JugendSolarProjekts zustande gekommen. www.jugendsolarprojekt.ch Für das Weltklima auf Karawane in Kamerun

Aus für das Kohlekraftwerk Dörpen Das Projekt des Steinkohlekraftwerks in Dörpen (D) ist definitiv vom Tisch. Noch im Januar 2009 erhielt das Berner Energieunternehmen BKW für seine Beteiligung an diesem Werk den Public Eye Award – einen Schmähpreis für das übelste Unternehmen des Jahres, verliehen von Greenpeace und der Erklärung von Bern. Greenpeace fordert von BKW und allen anderen Schweizer Stromanbietern, auf Beteiligungen an Kohlekraftwerken zu verzichten und in der Schweiz wie im Ausland auf erneuerbare Energien zu setzen. Unilever kündigt Verträge mit Sinar Mas Ende 2009 hat Unilever, der weltweit grösste Verarbeiter von Palmöl, mitgeteilt, dass der Konzern seine Lieferverträge mit Sinar Mas, dem grössten Waldzerstörer Indonesiens, kündigt. Greenpeace schätzt, dass die Sinar-MasGruppe mit ihren Palmölaktivitäten und Papierplantagen allein in der Provinz Riau dreimal so viel CO2 produziert wie die ganze Schweiz und fordert, dass andere Unternehmen ihre Verträge mit Sinar Mas ebenfalls kündigen, solange der Konzern sein Verhalten nicht ändert. Konsumenten können Druck erzeugen, indem sie Handel und Hersteller dazu auffordern, auf Palmöl aus Urwaldzerstörung zu verzichten.

Greenpeace/Franco

In Yaoundé haben Greenpeace und die Nichtregierungsorganisation Zentrum für Umwelt und Entwicklung (CED) gemeinsam mit der Zivilbevölkerung und Regierungsvertretern den Start der Klimakarawane gefeiert. Die Karawane wird in den ländlichen Regionen solare Techniken demonstrieren. Zudem sollen Baumschulen und Aufforstungsmassnahmen geplant und im bewaldeten Süden Urwaldschutz und nachhaltige Waldnutzung thematisiert werden.

Exklusiv für Sie: Ihr Zonenpass! Denn Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen.

Magazin greenpeace April 2010

4 Atom Der Super-Gau wird ausgeblendet In der Schweiz sollen neue AKW gebaut werden. Die Folgen eines schweren Unfalls wie in Tschernobyl werden verharmlost. Green

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6 Atom Jodtabletten zur Beruhigung Die Notfallplanung für einen AKW-Super-Gau ist ungenügend.

So könnten wir ankünden, was diesem Magazin beiliegt, wenn das Thema nicht bitter ernst wäre: Die Schweiz betreibt insgesamt fünf Atomkraftwerke, deren drittältestes in Mühleberg steht und Risse im Kernmantel aufweist. Sie werden immer länger. Trotz technischer Bedenken und hängiger juristischer Einspracheverfahren wurde dem Kernkraftwerk 2009 eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. In Beznau, wo mit 41 Jahren Betriebszeit der älteste Druckwasserreaktor der Welt steht, werden längst fällige Reparaturen erst 2011 oder noch später ausgeführt. So hat es das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) bewilligt. Es ist vergleichbar mit der FINMA, der Finanzmarktaufsicht. Beide taugen für den Normalbetrieb ihres Kontrollgebietes, aber nicht für die Krise. Denn in beiden Kontrollbehörden sitzen Berufsleute mit derselben Ausbildung wie die, die sie kontrollieren sollen. Man kennt und vertraut sich und vertraut den gleichen mathematischen Berechnungsmodellen zu den Risiken. Diese Logik führt zu einem reibungslosen Alltag, im Finanzbereich wie bei den Kernkraftwerken. Doch was, wenn ein einziges Mal das geschieht, was in jeder Risikoanalyse nur als Ereignis mit grösster Unwahrscheinlichkeit erscheint? In der Finanzkrise schmolzen immense Guthaben wie der Frühlingsschnee, es beutelte die Volkswirtschaften und ungezählte Unternehmen, in der Folge schmolzen weltweit auch die Arbeitsplätze. Im Atomkraftwerk verläuft die Katastrophe viel direkter und brutaler: Erst schmilzt der Kern, und der daraus resultierende grösste anzunehmende Unfall, ein Super-Gau, verseucht die Schweiz, mitsamt der Bevölkerung. Für diesen Fall gibt es ein Katastrophendispositiv. Es basiert auf einer Einteilung des Landes in Zonen. Diese sollten Sie kennen. Denn Atomkraftwerkskatastrophen treten genau wie die Finanzkrisen dann ein, wenn es am schönsten ist. Im Frühling zum Beispiel, wie damals am 26. April 1986 in Tschernobyl. PS: Wir haben das Konzept unseres Magazins überarbeitet und den Erscheinungsrhythmus geändert. Die nächste Ausgabe erscheint erst im August. Kaspar Schuler ist Co-Geschäftsleiter von Greenpeace in der Schweiz

8 Atom Frisierte Umweltbilanz für Beznau Die Axpo bescheinigt dem AKW Beznau Klimafreundlichkeit. Dabei verschweigt sie allerdings wichtige Tatsachen.

9 Kopenhagen Schlechte Nachrichten für den Urwald Da der Umweltipfel vom Dezember ohne Ergebnis endete, geht es mit dem Schutz der tropischen Urwälder nicht voran.

10 Greenpeace «Die Bürger stärker mobilisieren» Interview mit dem neuen Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo.

14 Klima Das Land, das im Wasser untergeht Diese Folge des Klimawandels wird bisher kaum beachtet: Taut der Permafrost, sind die Tundra und deren Bewohner bedroht.

18 Klima Neue Strategie für den Umweltschutz Klimaschutz sollte im Völkerrecht festgeschrieben werden.

20 Engagement Am Bosporus wächst das Bewusstsein So arbeitet das Greenpeace-Büro Mittelmeer in Instanbul.

24 Persönlich Weibliche Impulse Michelle Ndiaye Ntab, die neue Chefin von Greenpeace Afrika.

10 Aktiv 18 Öko-Rätsel, Rezept 19 Ihre Meinung, Mitglieder/Intern

Das Magazin nach dem Lesen bitte nicht wegwerfen! Besser ist: aufbewahren, weitergeben, für andere liegenlassen. Nach Gebrauch gehört das Magazin ins Altpapier, wo es auch herkommt.

Ihre Meinung interessiert uns! Sie haben die Möglichkeit, auf www.greenpeace.ch/magazin Ihre Meinung oder Ihren Kommentar zu Themen im Magazin abzugeben. Leserbriefe bitte bis zum 28. Mai 2010 an redaktion@greenpeace.ch oder an unsere Redaktionsadresse (siehe Seite 3). 2

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Titelbild: Am 26. April sind es 24 Jahre her, seit in Tschernobyl (Sowjetunion) ein AKW explodierte. Dies gilt als bisher schwerster Atom-Unfall der Geschichte, die Zahl der Toten ist unbekannt, ebensowenig sind es die Langzeitfolgen. Bild: Greenpeace-Aktion mit Fotobannern an Schweizer Kirchen zum 20. Jahrestag 2006. © Greenpeace / Ex-Press / Grasser

Impressum Greenpeace Member 2/2010 Herausgeberin/Redaktionsadresse Greenpeace Schweiz Heinrichstrasse 147, Postfach, 8031 Zürich Telefon 044 447 41 41, Fax 044 447 41 99 www.greenpeace.ch, Postkonto 80-6222-8

Leitung Redaktionsteam_Tanja Keller

Druck_Zollikofer AG, St. Gallen

Bildredaktion_Hina Strüver

Papier_Cyclus Offset aus 100% Altpapier

Redaktion/Textproduktion_Heini Lüthy, Zürich

Druckauflage_d: 119 000, f: 21000

Gestaltung_Sofie’s Kommunikationsdesign, Zürich

Erscheinungsweise_viermal jährlich

Das Magazin greenpeace geht an alle Green­peaceMitglieder (Jahresbeitrag ab Fr. 72.–). Es kann Meinungen enthalten, die nicht mit offiziellen Greenpeace-Positionen überein­stimmen.

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Atom

Alte Reaktoren wie der von Mühleberg, im Betrieb seit 1972, können Risse im Mantel aufweisen. Auf die Reaktorkuppel des fast gleich alten AKW Tihange (Belgien) malten Greenpeace-Aktivisten 2006 einen symbolischen Riss, um auf diese Gefahr aufmerksam zu machen.

kerungsschutz, dessen rechtlicher Rahmen nun revidiert wird. Dabei ist umstritten, von welcher möglichen Katastrophe ausgegangen wird. Denn je nachdem fallen die entsprechenden Schutzmassnahmen aus. «Es war ein gut eidgenössischer Kompromiss, der aufgrund von Risikoanalysen mehrerer Experten aus Bund, Kantonen und Wissenschaft getroffen wurde», gesteht Marc Kenzelmann, Chef der Geschäftsstelle Nationaler ABC-Schutz, auf die Frage, weshalb bei der Totalrevision die Erfahrungen aus der Reaktorkatastrophe in Tscher-

In der Schweiz sind nur Siedewasser- und Druckwasserreaktoren in Betrieb und kein Graphitreaktor wie in Tschernobyl, aber in Three Mile Island betraf es einen Druckwasserreaktor. Dennoch hat dieser Unfall mit jenem von Tschernobyl etwas gemeinsam: Zu den technischen Mängeln kam schweres menschliches Versagen hinzu. Auch in Schweizer AKW arbeiten Menschen. Dennoch herrscht unter Experten die Meinung, ein Reaktorunfall à la Tschernobyl sei in der Schweiz auszuschliessen, weil hier andere Reaktortypen stehen.

Bei der Totalrevision des Schweizer Notfallszenarios für Atomunfälle haben die Erfahrungen von Tschernobyl keine Rolle gespielt.

Greenpeace/De Mildt

Es geht nicht um die Sicherheit, sondern ums Risiko Text Martin Arnold und Urs Fitze In der Schweiz werden der Bau von neuen AKW und die Betriebsverlängerung der bestehenden Werke zum Thema. Die AKWLobby nutzt die Klimadiskussion aus und präsentiert die Atomkraft als umweltfreundliche Energie. Der Super-Gau als Szenario wird dabei einfach ausgeblendet.

Gouverneur Ivan Krimov ist traurig. «Hier bleibt nur, wer nicht weg kann». Die Rede ist vom Kreis Ivankik, wo vor 1986 rund 16 000 Menschen lebten. Heute verlieren sich hier 500 Personen, die noch 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Obwohl Tschernobyl 20 Kilometer entfernt liegt und Ivankik ausserhalb der Sperrzone liegt, gibt es für die Menschen auch fast 25 Jahre nach der Katastrophe keine Zukunft. Diese fehlt auch den Bewohnern von Majak am Fusse des östlichen Urals. Hier kam es zum ersten atomaren Super-Gau der Geschichte: Am 29. September 1957 explodierte ein Bunker mit atomarem Abfall aus der Atombombenproduktion. Niemand weiss, wie viele Menschen damals ihr Leben verloren oder an den Spätfolgen der

Verstrahlung starben. In Privatgärten, die Greenpeace Russland analysieren liess, wird noch heute, 54 Jahre später, ein Plutoniumgehalt gemessen, der das Zehnfache des normalen Wertes überschreitet. Auch das Flüsschen Techa ist verseucht. Ohne Warnung der Behörden badeten und fischten dort bis vor 20 Jahren die Einwohner der Umgebung. Auch Gosman Kairova. «Ich lebe, Punkt», sagt er. Sein Körper war seit der Kindheit einer starken radioaktiven Strahlung ausgesetzt. Sein Überleben gilt als medizinisches Wunder. Viele seiner Bekannten sind längst gestorben. Wer AKW baut und betreibt, muss mit einer Katastrophe rechnen. Für diesen Fall gibt es in der Schweiz ein Notfallszenario für den Bevöl-

nobyl keine Rolle gespielt haben. Das Kompromiss-Szenario entspricht der Mitte zwischen dem Tschernobyl-Szenario und einem Unfall, den man eher Störung nennen könnte. Der bis heute herangezogene Referenzunfall ereignete sich am 28. März 1979 im AKW Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania, USA). Es kam zu einer partiellen Kernschmelze. Im Zuge der Aufarbeitung des Unfalls kam die amerikanische Schutzkommission zum Schluss, dass zukünftig Schutzmassnahmen innerhalb eines Gebietes im Radius von zehn Meilen um einen Reaktor getroffen werden müssen. Die Schweiz übernahm diese Berechnungen. Die Zone 1 umfasst einen Radius von 3 bis 5 Kilometern, die Zone 2 einen Radius von 20 Kilometern um ein AKW herum. Laut Kenzelmann sei die radioaktive Belastung nach einem Zwischenfall ausserhalb dieser Zone nicht mehr so gravierend und Sofortmassnahmen seien dort deshalb nicht notwendig. Innerhalb dieser Zonen werden Jodtabletten verteilt. Nimmt man sie nach einem Reaktorunfall sofort ein, behindert dies die Aufnahme von radioaktivem Jod, das durch den Unfall freigesetzt wird. Gegen die austretenden radioaktiven Edelgase Xenon, Neon und Argon und andere freigesetzte Spaltprodukte wie Cäsium oder Strontium gibt es keine medikamentöse Prävention. Hier helfen im schlimmsten Fall nur der Schutzraum oder eine Evakuierung.

Die revidierte Verordnung über den Notfallschutz hält deshalb am engen Radius der Schutzzonen nach dem Vorbild von Three Mile Island fest und präzisiert einzig die Kompetenzverteilung zwischen den Standortkantonen und den Gemeinden. Regulierungsbedarf ist vor allem dort entstanden, wo Gemeinden fusionieren und plötzlich Ortsteile in verschiedenen Zonen liegen. Neu geregelt wird weiter die Haftpflicht im Falle eines Unfalls in einem AKW. Als maximale Deckungssumme werden 1,8 Milliarden Franken festgelegt. «Dieses Geld muss nach einem Störfall sofort zur Verfügung stehen. Falls die Kosten dieses Limit übersteigen, haftet der Betreiber des AKW unbegrenzt», erklärt Christian Plaschy, Fachspezialist Recht beim Bundesamt für Energie. Doch was ge-

schieht, wenn der Verschuldner insolvent wird? Letztlich müsste die öffentliche Hand im Falle des Super-Gaus den Preis für die verfehlte Energiepolitik bezahlen. Der Umgang mit einem möglichen SuperGau in einem AKW erinnert an den Umgang mit einem Menschen nach einem schweren Unfall. Der Notfallchirurg flickt zusammen, was möglich ist, ohne sich um die Konsequenzen für das weitere Leben des Patienten zu kümmern. Der Notfallschutz hat die Funktion des Notfallchirurgen. Er ist ein Leitfaden darüber, was in den ersten Stunden und Tagen nach einem Störfall zu tun ist. Doch danach? Wer eine Ahnung vom wirklichen SuperGau haben will, schaut sich das Unfallszenario mit einer Atombombe an, das von der Eidgenössischen Kommission für ABC-Schutz 2006 erarbeitet wurde. In diesem Szenario explodiert eine Atombombe in Süddeutschland. Mehrere tausend Quadratkilometer Schweizer Boden wären danach schwer kontaminiert. Die Wirtschaft und Landwirtschaft der betroffenen Gebiete würden zusammenbrechen. Unzählige Menschen würden längerfristig an Krebs sterben. Und besonders interessant: Die Kosten in diesem Fall werden auf mehrere hundert Milliarden Franken geschätzt. Denkbar wäre auch ein terroristischer Anschlag auf ein Atomkraftwerk. Etwa, wenn ein Passagierflugzeug gezielt hineingesteuert wird. Kenzelmann sagt zwar, dies sei selbst für erfahrene Piloten sehr schwierig. Dennoch: Immerhin lagert in einem Atomkraftwerk mehr radioaktives Material als in einer Atombombe. Bereits 2005

Sicherheit wird nicht gross geschrieben: Greenpeace-AktivistInnen gelangten bei einer Aktion ????? ganz einfach auf das Gelände des AKW Leibstadt . Limina/Ex-Press/Greenpeace

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Alte Reaktoren wie der von Mühleberg, im Betrieb seit 1972, können Risse im Mantel aufweisen. Auf die Reaktorkuppel des fast gleich alten AKW Tihange (Belgien) malten Greenpeace-Aktivisten 2006 einen symbolischen Riss, um auf diese Gefahr aufmerksam zu machen.

kerungsschutz, dessen rechtlicher Rahmen nun revidiert wird. Dabei ist umstritten, von welcher möglichen Katastrophe ausgegangen wird. Denn je nachdem fallen die entsprechenden Schutzmassnahmen aus. «Es war ein gut eidgenössischer Kompromiss, der aufgrund von Risikoanalysen mehrerer Experten aus Bund, Kantonen und Wissenschaft getroffen wurde», gesteht Marc Kenzelmann, Chef der Geschäftsstelle Nationaler ABC-Schutz, auf die Frage, weshalb bei der Totalrevision die Erfahrungen aus der Reaktorkatastrophe in Tscher-

In der Schweiz sind nur Siedewasser- und Druckwasserreaktoren in Betrieb und kein Graphitreaktor wie in Tschernobyl, aber in Three Mile Island betraf es einen Druckwasserreaktor. Dennoch hat dieser Unfall mit jenem von Tschernobyl etwas gemeinsam: Zu den technischen Mängeln kam schweres menschliches Versagen hinzu. Auch in Schweizer AKW arbeiten Menschen. Dennoch herrscht unter Experten die Meinung, ein Reaktorunfall à la Tschernobyl sei in der Schweiz auszuschliessen, weil hier andere Reaktortypen stehen.

Bei der Totalrevision des Schweizer Notfallszenarios für Atomunfälle haben die Erfahrungen von Tschernobyl keine Rolle gespielt.

Greenpeace/De Mildt

Es geht nicht um die Sicherheit, sondern ums Risiko Text Martin Arnold und Urs Fitze In der Schweiz werden der Bau von neuen AKW und die Betriebsverlängerung der bestehenden Werke zum Thema. Die AKWLobby nutzt die Klimadiskussion aus und präsentiert die Atomkraft als umweltfreundliche Energie. Der Super-Gau als Szenario wird dabei einfach ausgeblendet.

Gouverneur Ivan Krimov ist traurig. «Hier bleibt nur, wer nicht weg kann». Die Rede ist vom Kreis Ivankik, wo vor 1986 rund 16 000 Menschen lebten. Heute verlieren sich hier 500 Personen, die noch 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Obwohl Tschernobyl 20 Kilometer entfernt liegt und Ivankik ausserhalb der Sperrzone liegt, gibt es für die Menschen auch fast 25 Jahre nach der Katastrophe keine Zukunft. Diese fehlt auch den Bewohnern von Majak am Fusse des östlichen Urals. Hier kam es zum ersten atomaren Super-Gau der Geschichte: Am 29. September 1957 explodierte ein Bunker mit atomarem Abfall aus der Atombombenproduktion. Niemand weiss, wie viele Menschen damals ihr Leben verloren oder an den Spätfolgen der

Verstrahlung starben. In Privatgärten, die Greenpeace Russland analysieren liess, wird noch heute, 54 Jahre später, ein Plutoniumgehalt gemessen, der das Zehnfache des normalen Wertes überschreitet. Auch das Flüsschen Techa ist verseucht. Ohne Warnung der Behörden badeten und fischten dort bis vor 20 Jahren die Einwohner der Umgebung. Auch Gosman Kairova. «Ich lebe, Punkt», sagt er. Sein Körper war seit der Kindheit einer starken radioaktiven Strahlung ausgesetzt. Sein Überleben gilt als medizinisches Wunder. Viele seiner Bekannten sind längst gestorben. Wer AKW baut und betreibt, muss mit einer Katastrophe rechnen. Für diesen Fall gibt es in der Schweiz ein Notfallszenario für den Bevöl-

nobyl keine Rolle gespielt haben. Das Kompromiss-Szenario entspricht der Mitte zwischen dem Tschernobyl-Szenario und einem Unfall, den man eher Störung nennen könnte. Der bis heute herangezogene Referenzunfall ereignete sich am 28. März 1979 im AKW Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania, USA). Es kam zu einer partiellen Kernschmelze. Im Zuge der Aufarbeitung des Unfalls kam die amerikanische Schutzkommission zum Schluss, dass zukünftig Schutzmassnahmen innerhalb eines Gebietes im Radius von zehn Meilen um einen Reaktor getroffen werden müssen. Die Schweiz übernahm diese Berechnungen. Die Zone 1 umfasst einen Radius von 3 bis 5 Kilometern, die Zone 2 einen Radius von 20 Kilometern um ein AKW herum. Laut Kenzelmann sei die radioaktive Belastung nach einem Zwischenfall ausserhalb dieser Zone nicht mehr so gravierend und Sofortmassnahmen seien dort deshalb nicht notwendig. Innerhalb dieser Zonen werden Jodtabletten verteilt. Nimmt man sie nach einem Reaktorunfall sofort ein, behindert dies die Aufnahme von radioaktivem Jod, das durch den Unfall freigesetzt wird. Gegen die austretenden radioaktiven Edelgase Xenon, Neon und Argon und andere freigesetzte Spaltprodukte wie Cäsium oder Strontium gibt es keine medikamentöse Prävention. Hier helfen im schlimmsten Fall nur der Schutzraum oder eine Evakuierung.

Die revidierte Verordnung über den Notfallschutz hält deshalb am engen Radius der Schutzzonen nach dem Vorbild von Three Mile Island fest und präzisiert einzig die Kompetenzverteilung zwischen den Standortkantonen und den Gemeinden. Regulierungsbedarf ist vor allem dort entstanden, wo Gemeinden fusionieren und plötzlich Ortsteile in verschiedenen Zonen liegen. Neu geregelt wird weiter die Haftpflicht im Falle eines Unfalls in einem AKW. Als maximale Deckungssumme werden 1,8 Milliarden Franken festgelegt. «Dieses Geld muss nach einem Störfall sofort zur Verfügung stehen. Falls die Kosten dieses Limit übersteigen, haftet der Betreiber des AKW unbegrenzt», erklärt Christian Plaschy, Fachspezialist Recht beim Bundesamt für Energie. Doch was ge-

schieht, wenn der Verschuldner insolvent wird? Letztlich müsste die öffentliche Hand im Falle des Super-Gaus den Preis für die verfehlte Energiepolitik bezahlen. Der Umgang mit einem möglichen SuperGau in einem AKW erinnert an den Umgang mit einem Menschen nach einem schweren Unfall. Der Notfallchirurg flickt zusammen, was möglich ist, ohne sich um die Konsequenzen für das weitere Leben des Patienten zu kümmern. Der Notfallschutz hat die Funktion des Notfallchirurgen. Er ist ein Leitfaden darüber, was in den ersten Stunden und Tagen nach einem Störfall zu tun ist. Doch danach? Wer eine Ahnung vom wirklichen SuperGau haben will, schaut sich das Unfallszenario mit einer Atombombe an, das von der Eidgenössischen Kommission für ABC-Schutz 2006 erarbeitet wurde. In diesem Szenario explodiert eine Atombombe in Süddeutschland. Mehrere tausend Quadratkilometer Schweizer Boden wären danach schwer kontaminiert. Die Wirtschaft und Landwirtschaft der betroffenen Gebiete würden zusammenbrechen. Unzählige Menschen würden längerfristig an Krebs sterben. Und besonders interessant: Die Kosten in diesem Fall werden auf mehrere hundert Milliarden Franken geschätzt. Denkbar wäre auch ein terroristischer Anschlag auf ein Atomkraftwerk. Etwa, wenn ein Passagierflugzeug gezielt hineingesteuert wird. Kenzelmann sagt zwar, dies sei selbst für erfahrene Piloten sehr schwierig. Dennoch: Immerhin lagert in einem Atomkraftwerk mehr radioaktives Material als in einer Atombombe. Bereits 2005

Sicherheit wird nicht gross geschrieben: Greenpeace-AktivistInnen gelangten bei einer Aktion ????? ganz einfach auf das Gelände des AKW Leibstadt . Limina/Ex-Press/Greenpeace

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skizzierte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in der Risikobeurteilung «Katarisk» ein ähnliches Szenario nach einem schweren Störfall. «Nach dem Durchzug der radioaktiven Wolke bleibt in nahe gelegenen Regionen in einem Umkreis von 100 Kilometern eine Bodenkontamination zurück, welche die land-, fisch- und forstwirtschaftliche Nutzung über Jahrzehnte verhindert. Einzelne Gebiete sind so stark verstrahlt, dass die Bevölkerung langfristig evakuiert werden muss. Auch Grundwasser, Seen und Flüsse in den kontaminierten Gebieten sind verstrahlt. Es können Versorgungsengpässe eintreten.» In diesem Radius liegen die dichtbesiedelten Regionen Zürich, Basel oder Bern, die je nach Windrichtung unterschiedlich betroffen wären. Betrachtet man die drastischen Folgen eines Super-Gaus, lässt sich schlussfolgern, dass der Notfallschutz ungenügend ist. Aber selbst dieser Standard ist in Frage gestellt. So fehlt für den Erhalt der öffentlichen Schutzbauten mancherorts das Geld, obwohl die Luftschutzkeller bei einem Super-Gau lebensrettend wirken könnten. Beim Bau und beim Betrieb von Atomkraftwerken kann auch bei der neusten Generation nicht von Sicherheit gesprochen werden. Es bleibt immer ein Risiko. Und wenn dieses noch so klein ist: Der Preis eines schweren Unfalls wäre unvorstellbar hoch und alle, nicht nur die Betreiber, müssten ihn zahlen. Martin Arnold und Urs Fitze sind freie Journalisten im Pressebüro Seeland, St. Gallen.

WWW Mehr dazu auf www.greenpeace.ch/magazin, www.greenpeace.ch/atom

Pfingstmontag, 24. Mai 2010 Aufruf zum friedlichen Protestmarsch «MenschenStrom gegen Atom» Die grossen Stromkonzerne planen den Neubau von drei Atomkraftwerken. Dagegen wehren wir uns! Am Pfingstmontag treffen wir uns zu einem familienfreundlichen Spaziergang mit Picknick, Unterhaltung und Reden. Die Route geht von Aarau oder Däniken aus über Mülidorf nach Olten. Mehr Infos dazu auf: menschenstrom.ch

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Für den Rest der Schweiz sind keine Massnahmen vorgesehen Text Franziska Rosenmund Umfrage Claudio De Boni Bilder zvg Die Notfallschutz-Verordnung des Bundes für AKW-Unfälle ist völlig ungenügend. Greenpeace konfrontierte Personen auf der Strasse mit dieser Tatsache. Die Notfallschutzplanung für AKW-Unfälle unterteilt das Gebiet rund um Atomkraftwerke in zwei Zonen: Zone 1 umfasst die Haushalte im Umkreis von 3 bis 5 Kilometern, Zone 2 das bis maximal 20 Kilometer von einem AKW entfernte Gebiet. Menschen in diesen Zonen werden je nach Schwere eines AKW-Störfalls evakuiert oder erhalten Jodtabletten. Der Rest der Schweiz fällt in Zone 3, für die keine Massnahmen vorgesehen sind. Bei einem Super-Gau – einem sehr schnell verlaufenden Unfall, bei dem grosse Mengen Radioaktivität freigesetzt werden – würden jedoch Gebiete weit über den 20-Kilometer-Radius hinaus verstrahlt, inklusive das benachbarte Ausland. Ganze Landstriche müssten evakuiert werden. Fazit: So klein die Wahrscheinlichkeit eines Super-Gaus auch ist, sollte der Katastrophenfall mit seinen verheerenden Auswirkungen eintreten (siehe auch gegenüberliegende Seite), wäre die Schweizer Bevölkerung höchst ungenügend geschützt. Greenpeace hat in einer kleinen Umfrage mehrere Personen mit dieser Tatsache konfrontiert.

«Das ist absurd: Wegen der Schweinegrippe wird eine massive Kampagne gefahren, bei leichteren Unfällen in Atomkraftwerken wird die Bevölkerung bestenfalls verspätet informiert, bei einem Super-Gau wird sie gar sich selbst überlassen. Menschliches Versagen kann aber überall vorkommen, deshalb ist die Verordnung unverantwortlich und zynisch zugleich.» Stefanie Kuhn, 29, Primarlehrerin, Undervelier JU

Greenpeace/Reynaers

«Ich frage mich, wie sinnvoll es ist, in der kleinräumigen Schweiz Zonen zu haben, in denen keine Massnahmen vorgesehen sind, denn der Wind würde radioaktive Gase in kurzer Zeit weiträumig verbreiten. Auf offizieller Seite macht man aber offenbar die Augen zu und hofft schlicht darauf, dass nie etwas passiert. Mit Bevölkerungsschutz hat das wenig zu tun.» Martin Neukom, 23, Ingenieur, Winterthur

«Es ist skurril: Als Bernerin erhalte ich wegen der Nähe des Kraftwerks Mühleberg Jodtabletten zum Schutz. In Winterthur, wo ich unter der Woche wohne, gibt es null Notfallmassnahmen. Ich bewahre die Jodtabletten in Winterthur auf, auch wenn sie im Ernstfall wohl ein sehr kleiner Trost wären.» Natalina Töndury, 23, Studentin, Bern und Winterthur

«Seit sich die Diskussion im Energiebereich nur noch um CO2 dreht, sind die Risiken von Atomkraftwerken offenbar in Vergessenheit geraten. Das zeigt sich nicht nur im ungenügenden Notfallplan, sondern auch in der lächerlich tiefen Summe, welche die AKW-Betreiber zur Versicherung eines allfälligen schweren AKW-Unfalls beisteuern müssen.» Fabio Baer, 30, Wirtschaftsinformatiker, Gossau ZH

«Wenn es mal knallen sollte, ist es mir egal, in welcher Zone ich lebe. Ich bezweifle, dass ich mich in diesem Fall über eine staatlich verordnete Jodtablette freuen würde. Freuen würde ich mich jedoch über ein tragfähiges Ausstiegskonzept.» Markus Gross, 27, Journalist, Winterthur

Solange Atomkraftwerke in Betrieb sind, kann ein schwerer Strahlenunfall nicht ausgeschlossen werden und es muss für das Worst-case-Szenario «Super-Gau» vorgesorgt werden. Greenpeace hat sich daher im Herbst 2009 an der Anhörung zur revidierten Notfallschutzverordnung beteiligt und eine Verbesserung des Schutzkonzeptes gefordert, das heisst: • Ein Notfallschutz-Konzept, das die Bevölkerung der Schweiz und des benachbarten Auslands tatsächlich vor den Auswirkungen eines Super-Gaus schützen würde, insbesondere mit wesentlich grösseren Schutzzonen. • Die Verpflichtung der AKW-Betreiber zur Finanzierung der gesamten NotfallschutzAusgaben. Die Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet und voraussichtlich im Herbst dieses Jahres entscheidet der Bundesrat über die revidierte Notfallschutzverordnung. Die beste Super-Gau-Vorsorge ist und bleibt aber der Verzicht auf neue Atomkraftwerke, denn: Atomstrom ist ein Risiko, das wir heute nicht mehr tragen müssen, weil es dank Energieeffizienz und erneuerbarer Energien eine sichere und saubere Energiezukunft gibt. Franziska Rosenmund ist Kommunikations­ beauftragte von Greenpeace Schweiz. Claudio De Boni ist freier Journalist und schreibt regelmässig für greenpeace.

Atomare Störfälle gibt es auch in der Schweiz immer wieder Der letzte schwere AKW-Unfall in der Schweiz liegt zwar Jahrzehnte zurück, der GAU Lucens 1969. In den vergangenen zehn Jahren meldeten die fünf Schweizer AKW aber 130 Störfälle – es kam also durchschnittlich jeden Monat zu einer Störung im Betrieb. Der gravierendste Vorfall ereignete sich im Jahr 2009 im AKW Beznau, als bei Revisionsarbeiten zwei Mitarbeiter verstrahlt wurden. Weil die Jahresdosis an radioaktiver Strahlung überschritten wurde, hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) in der Zwischenzeit eine Strafanzeige erstattet. Betriebswirtschaftlich war der Generatorschaden in Leibstadt 2005 das schwerwiegendste Ereignis. Die Folge war ein halbjähriger Betriebsunterbruch.

WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/atom Hier finden Sie auch eine Liste der Ereignisse der letzten 50 Jahre weltweit, die auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) mit den Bewertungen 3 (Beinahe-Unfall) bis 7 (katastrophaler Unfall) klassiert wurden. Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Zwei Websites mit Hintergrundinformationen zum Thema Atom: Uranstory.ch: die ungeliebten Dossiers der Atomindustrie.

Sichererstrom.ch: Eine Stromzukunft ohne Atom ist möglich.

Atomstrom ist alles andere als sauber. Jeder Verarbeitungsschritt des Brennstoffs Uran produziert giftige Abfallstoffe, die Mensch und Umwelt bedrohen. Auf www.uranstory. ch präsentiert Greenpeace Fakten, die in den Hochglanzbroschüren und Publireportagen der Atomlobby fehlen. Kurzberichte, Animationen und Bildstrecken erklären die Brennstoffkette vom Uranabbau bis zur Wiederaufarbeitung. Das ungelöste Thema der Endlagerung wird ebenso beleuchtet wie das Risiko der Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Uran.

Gehen ohne neue Atomkraftwerke bald die Lichter aus? Greenpeace ist überzeugt: mit Sicherheit nicht und zeigt auf www.sichererstrom. ch auf, wie die Stromzukunft der Schweiz ohne neue AKW aussieht. Die Site gibt Antworten auf Fragen wie: Genügen erneuerbare Energien und Energieeffizienz tatsächlich, um unseren Strombedarf zu decken? Was gewinnen wir an Sicherheit, wenn die Schweiz nicht Milliarden in neue AKW investiert, sondern in eine ökologische Energieversorgung? Können wir uns die Energiewende überhaupt leisten? www. sichererstrom.ch dokumentiert, wie sich die Schweiz in eine erneuerbare Zukunft bewegt.

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skizzierte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in der Risikobeurteilung «Katarisk» ein ähnliches Szenario nach einem schweren Störfall. «Nach dem Durchzug der radioaktiven Wolke bleibt in nahe gelegenen Regionen in einem Umkreis von 100 Kilometern eine Bodenkontamination zurück, welche die land-, fisch- und forstwirtschaftliche Nutzung über Jahrzehnte verhindert. Einzelne Gebiete sind so stark verstrahlt, dass die Bevölkerung langfristig evakuiert werden muss. Auch Grundwasser, Seen und Flüsse in den kontaminierten Gebieten sind verstrahlt. Es können Versorgungsengpässe eintreten.» In diesem Radius liegen die dichtbesiedelten Regionen Zürich, Basel oder Bern, die je nach Windrichtung unterschiedlich betroffen wären. Betrachtet man die drastischen Folgen eines Super-Gaus, lässt sich schlussfolgern, dass der Notfallschutz ungenügend ist. Aber selbst dieser Standard ist in Frage gestellt. So fehlt für den Erhalt der öffentlichen Schutzbauten mancherorts das Geld, obwohl die Luftschutzkeller bei einem Super-Gau lebensrettend wirken könnten. Beim Bau und beim Betrieb von Atomkraftwerken kann auch bei der neusten Generation nicht von Sicherheit gesprochen werden. Es bleibt immer ein Risiko. Und wenn dieses noch so klein ist: Der Preis eines schweren Unfalls wäre unvorstellbar hoch und alle, nicht nur die Betreiber, müssten ihn zahlen. Martin Arnold und Urs Fitze sind freie Journalisten im Pressebüro Seeland, St. Gallen.

WWW Mehr dazu auf www.greenpeace.ch/magazin, www.greenpeace.ch/atom

Pfingstmontag, 24. Mai 2010 Aufruf zum friedlichen Protestmarsch «MenschenStrom gegen Atom» Die grossen Stromkonzerne planen den Neubau von drei Atomkraftwerken. Dagegen wehren wir uns! Am Pfingstmontag treffen wir uns zu einem familienfreundlichen Spaziergang mit Picknick, Unterhaltung und Reden. Die Route geht von Aarau oder Däniken aus über Mülidorf nach Olten. Mehr Infos dazu auf: menschenstrom.ch

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Für den Rest der Schweiz sind keine Massnahmen vorgesehen Text Franziska Rosenmund Umfrage Claudio De Boni Bilder zvg Die Notfallschutz-Verordnung des Bundes für AKW-Unfälle ist völlig ungenügend. Greenpeace konfrontierte Personen auf der Strasse mit dieser Tatsache. Die Notfallschutzplanung für AKW-Unfälle unterteilt das Gebiet rund um Atomkraftwerke in zwei Zonen: Zone 1 umfasst die Haushalte im Umkreis von 3 bis 5 Kilometern, Zone 2 das bis maximal 20 Kilometer von einem AKW entfernte Gebiet. Menschen in diesen Zonen werden je nach Schwere eines AKW-Störfalls evakuiert oder erhalten Jodtabletten. Der Rest der Schweiz fällt in Zone 3, für die keine Massnahmen vorgesehen sind. Bei einem Super-Gau – einem sehr schnell verlaufenden Unfall, bei dem grosse Mengen Radioaktivität freigesetzt werden – würden jedoch Gebiete weit über den 20-Kilometer-Radius hinaus verstrahlt, inklusive das benachbarte Ausland. Ganze Landstriche müssten evakuiert werden. Fazit: So klein die Wahrscheinlichkeit eines Super-Gaus auch ist, sollte der Katastrophenfall mit seinen verheerenden Auswirkungen eintreten (siehe auch gegenüberliegende Seite), wäre die Schweizer Bevölkerung höchst ungenügend geschützt. Greenpeace hat in einer kleinen Umfrage mehrere Personen mit dieser Tatsache konfrontiert.

«Das ist absurd: Wegen der Schweinegrippe wird eine massive Kampagne gefahren, bei leichteren Unfällen in Atomkraftwerken wird die Bevölkerung bestenfalls verspätet informiert, bei einem Super-Gau wird sie gar sich selbst überlassen. Menschliches Versagen kann aber überall vorkommen, deshalb ist die Verordnung unverantwortlich und zynisch zugleich.» Stefanie Kuhn, 29, Primarlehrerin, Undervelier JU

Greenpeace/Reynaers

«Ich frage mich, wie sinnvoll es ist, in der kleinräumigen Schweiz Zonen zu haben, in denen keine Massnahmen vorgesehen sind, denn der Wind würde radioaktive Gase in kurzer Zeit weiträumig verbreiten. Auf offizieller Seite macht man aber offenbar die Augen zu und hofft schlicht darauf, dass nie etwas passiert. Mit Bevölkerungsschutz hat das wenig zu tun.» Martin Neukom, 23, Ingenieur, Winterthur

«Es ist skurril: Als Bernerin erhalte ich wegen der Nähe des Kraftwerks Mühleberg Jodtabletten zum Schutz. In Winterthur, wo ich unter der Woche wohne, gibt es null Notfallmassnahmen. Ich bewahre die Jodtabletten in Winterthur auf, auch wenn sie im Ernstfall wohl ein sehr kleiner Trost wären.» Natalina Töndury, 23, Studentin, Bern und Winterthur

«Seit sich die Diskussion im Energiebereich nur noch um CO2 dreht, sind die Risiken von Atomkraftwerken offenbar in Vergessenheit geraten. Das zeigt sich nicht nur im ungenügenden Notfallplan, sondern auch in der lächerlich tiefen Summe, welche die AKW-Betreiber zur Versicherung eines allfälligen schweren AKW-Unfalls beisteuern müssen.» Fabio Baer, 30, Wirtschaftsinformatiker, Gossau ZH

«Wenn es mal knallen sollte, ist es mir egal, in welcher Zone ich lebe. Ich bezweifle, dass ich mich in diesem Fall über eine staatlich verordnete Jodtablette freuen würde. Freuen würde ich mich jedoch über ein tragfähiges Ausstiegskonzept.» Markus Gross, 27, Journalist, Winterthur

Solange Atomkraftwerke in Betrieb sind, kann ein schwerer Strahlenunfall nicht ausgeschlossen werden und es muss für das Worst-case-Szenario «Super-Gau» vorgesorgt werden. Greenpeace hat sich daher im Herbst 2009 an der Anhörung zur revidierten Notfallschutzverordnung beteiligt und eine Verbesserung des Schutzkonzeptes gefordert, das heisst: • Ein Notfallschutz-Konzept, das die Bevölkerung der Schweiz und des benachbarten Auslands tatsächlich vor den Auswirkungen eines Super-Gaus schützen würde, insbesondere mit wesentlich grösseren Schutzzonen. • Die Verpflichtung der AKW-Betreiber zur Finanzierung der gesamten NotfallschutzAusgaben. Die Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet und voraussichtlich im Herbst dieses Jahres entscheidet der Bundesrat über die revidierte Notfallschutzverordnung. Die beste Super-Gau-Vorsorge ist und bleibt aber der Verzicht auf neue Atomkraftwerke, denn: Atomstrom ist ein Risiko, das wir heute nicht mehr tragen müssen, weil es dank Energieeffizienz und erneuerbarer Energien eine sichere und saubere Energiezukunft gibt. Franziska Rosenmund ist Kommunikations­ beauftragte von Greenpeace Schweiz. Claudio De Boni ist freier Journalist und schreibt regelmässig für greenpeace.

Atomare Störfälle gibt es auch in der Schweiz immer wieder Der letzte schwere AKW-Unfall in der Schweiz liegt zwar Jahrzehnte zurück, der GAU Lucens 1969. In den vergangenen zehn Jahren meldeten die fünf Schweizer AKW aber 130 Störfälle – es kam also durchschnittlich jeden Monat zu einer Störung im Betrieb. Der gravierendste Vorfall ereignete sich im Jahr 2009 im AKW Beznau, als bei Revisionsarbeiten zwei Mitarbeiter verstrahlt wurden. Weil die Jahresdosis an radioaktiver Strahlung überschritten wurde, hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) in der Zwischenzeit eine Strafanzeige erstattet. Betriebswirtschaftlich war der Generatorschaden in Leibstadt 2005 das schwerwiegendste Ereignis. Die Folge war ein halbjähriger Betriebsunterbruch.

WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/atom Hier finden Sie auch eine Liste der Ereignisse der letzten 50 Jahre weltweit, die auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) mit den Bewertungen 3 (Beinahe-Unfall) bis 7 (katastrophaler Unfall) klassiert wurden. Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Zwei Websites mit Hintergrundinformationen zum Thema Atom: Uranstory.ch: die ungeliebten Dossiers der Atomindustrie.

Sichererstrom.ch: Eine Stromzukunft ohne Atom ist möglich.

Atomstrom ist alles andere als sauber. Jeder Verarbeitungsschritt des Brennstoffs Uran produziert giftige Abfallstoffe, die Mensch und Umwelt bedrohen. Auf www.uranstory. ch präsentiert Greenpeace Fakten, die in den Hochglanzbroschüren und Publireportagen der Atomlobby fehlen. Kurzberichte, Animationen und Bildstrecken erklären die Brennstoffkette vom Uranabbau bis zur Wiederaufarbeitung. Das ungelöste Thema der Endlagerung wird ebenso beleuchtet wie das Risiko der Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Uran.

Gehen ohne neue Atomkraftwerke bald die Lichter aus? Greenpeace ist überzeugt: mit Sicherheit nicht und zeigt auf www.sichererstrom. ch auf, wie die Stromzukunft der Schweiz ohne neue AKW aussieht. Die Site gibt Antworten auf Fragen wie: Genügen erneuerbare Energien und Energieeffizienz tatsächlich, um unseren Strombedarf zu decken? Was gewinnen wir an Sicherheit, wenn die Schweiz nicht Milliarden in neue AKW investiert, sondern in eine ökologische Energieversorgung? Können wir uns die Energiewende überhaupt leisten? www. sichererstrom.ch dokumentiert, wie sich die Schweiz in eine erneuerbare Zukunft bewegt.

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Atom

Klima

Greenpeace-Aktivisten haben ein Banner «Stopp der Waldzerstörung» an den Masten eines Frachters angebracht, der Holz aus Afrika nach Europa transportiert.

«Die Ökobilanz würde wesentlich schlechter ausfallen» lorengehen. Der Kunde ist in diesen Berechnungen der Stromhändler, nicht der Endkonsument. Korrekt müsste man aber den Stromverlust bis zur Steckdose im Haushalt berücksichtigen, da gehen insgesamt zwölf Prozent des Stroms verloren. Das verschlechtert natürlich das Ergebnis – und ist ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Ein zweites Beispiel: Die Umweltdeklaration geht nur mangelhaft auf die toxischen Emissionen wie zum Beispiel Schwermetalle oder radioaktive Stoffe ein. Diese Emissionen sind bei einem Kernkraftwerk aber viel relevanter als die Frage, wie viel CO2 es abgibt. Greenpeace/Schaublin

Text Susan Boos Gabor Doka hat im Auftrag von Greenpeace ein «Gutachten zur Umweltdeklaration KKW Beznau» verfasst. Sein Fazit: Die Axpo blendet wesentliche Fakten aus. Das Energieunternehmen Axpo hat für ihr Atomkraftwerk Beznau eine Ökobilanz publiziert, eine so genannte Umweltdeklaration. Eine Kilowattstunde Beznau-Strom verursacht demnach nur drei Gramm CO2 . Toller, klimafreundlicher Strom – stimmt das? Gabor Doka: Atomstrom produziert tatsächlich relativ wenig klimaschädigende Abgase – doch das ist nicht neu und CO2 repräsentiert nur einen Teil der Umweltbelastung. Trotzdem: Drei Gramm Kohlendioxid klingt weltmeisterlich. Andere Berechnungen kommen auf wesentlich mehr. Ist Beznau wirklich besser als andere Atomkraftwerke? Das ist eine komplexe Frage und hängt mit der EPD zusammen ... Mit was? Die Axpo hat ihre Umweltdeklaration nach einem international zertifizierten System, dem so genannten EPD, verfasst, damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Die Resultate hängen aber von vielen Einzelaspekten ab wie zum Beispiel der Frage, woher das Uran stammt. In Ihrem Gutachten werfen Sie die Frage auf, ob die Brennstäbe tatsächlich Waffenuran enthalten, wie die Axpo sagt. Es könnte auch Uran sein, das früher in atombetriebenen russischen U-Booten eingesetzt war. Warum soll das eine besser sein als das andere? Die Axpo gibt an, sie würde hoch angereichertes russisches Atomwaffenuran verwenden. Dieses Waffenuran gilt als rezykliert, wenn es im Reaktor 8

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eingesetzt wird. Die Umweltbelastung, die bei der Herstellung dieses Urans entstanden ist, wird deshalb nicht den Kernkraftwerken angerechnet. Sondern? Dem ursprünglichen Zweck – also dem russischen Militär. Und Beznau kommt sauber weg? Genau. Das EPD-System macht diesbezüglich klare Vorgaben. Wenn rezykliert wird, wird sauber getrennt: Was vor dem Recycling war, geht zu Lasten des alten Produkts. Lediglich die Umweltbelastung, die entsteht, um aus Waffenuran Brennstäbe zu machen, wird dem Atomstrom angerechnet. Das ist nicht viel, weil man dieses Uran nur verdünnen muss. Was wäre anders, wenn die Brennstäbe aus gebrauchtem U-Boot-Uran gefertigt würden? Dieses Uran muss zuerst aufgearbeitet werden, sonst kann man es nicht wiederverwenden. Das Recyclingverfahren braucht viel Energie und belastet die Umwelt stark, was dem Atomstrom angerechnet werden müsste. Die Ökobilanz würde wesentlich schlechter ausfallen. Und warum weiss man nicht genau, woher das Uran stammt? Den AKW-Betreibern fehlen die genauen Angaben. Eigentlich würde man meinen, sie sollten von ihren russischen Lieferanten in solch wichtigen Fragen Transparenz einfordern. Das haben sie aber bislang nicht getan. Hat die Umweltdeklaration von Beznau noch andere Mängel? Ja, zum Beispiel bei der Berechnung des Stromverlusts. Die Deklaration geht davon aus, dass bis zum Kunden drei Prozent des Stroms ver-

Wie viel CO2 verursacht denn eine Kilowattstunde Beznau-Strom wirklich, wenn man korrekt rechnet? Die CO2-Belastung wäre vermutlich etwa doppelt so hoch. Aber das ist nicht das Problem, sondern das «Burden Shifting» (Verlagerung der Lasten). Was meinen Sie damit? Man verengt den Fokus – wie die Axpo – auf einen einzigen Umweltaspekt: das Klimaargument. So kann man kurzschliessen: Kernkraftwerke sind super. Doch wenn man die gesamte Ökobilanz anschaut, sieht man, dass das nicht stimmen muss.

Greenpeace

Gabor Doka (45) studierte an der Universität Zürich Chemie. Seit 1992 arbeitet er als Ökobilanzierer und unterhält in Zürich ein eigenes Büro. Er ist vor allem im Bereich Entsorgung und Deponien tätig. Vor zwei Jahren untersuchte er im Auftrag des Paul Scherrer Instituts (PSI) die Umweltbelastung des Uranbergbaus. Dokas Berechnungen führten dazu, dass sich die Ökobilanz von Atomstrom in der wohl wichtigsten internationalen Umweltdatenbank ecoinvent schlagartig um den Faktor 2,7 verschlechterte. Susan Boos ist Redaktorin der WOZ, Die Wochenzeitung WWW

Greenpeace/Armestre

Greenpeace/Sharomov

Schlechte Nachricht für die Urwälder Text Milena Conzetti Das Ergebnis der Klimakonferenz in Kopenhagen ist enttäuschend. Beispielhaft ist, dass kein verbindliches Abkommen zum Schutz der tropischen Urwälder zu Stande kam. Das schwache Ergebnis des Weltklimagipfels in Kopenhagen vom vergangenen Dezember ist bekannt: Kein verpflichtender Beschluss, sondern nur eine rechtlich unverbindliche Erklärung. Dies verhinderte auch das Unterzeichenen des Textes zum Schutz der tropischen Urwälder, der bereits sehr weit fortgeschritten war. Immerhin anerkennen die Staaten im Abkommen von Kopenhagen, dass es wichtig ist, die durch die Abholzung und Schädigung der Wälder frei werdenden Treibhausgase zu reduzieren. Ausserdem, so beschlossen die Teilnehmenden an der Kopenhagener Konferenz, sollen die Industriestaaten von 2010 bis 2012 jährlich 10 Milliarden Dollar für Klima- und Waldschutzmassnahmen bereitstellen. Wie die Finanzierung längerfristig funktionieren soll, ist hingegen völlig offen. Auch andere wichtige Punkte sind noch unklar: Wie wird zum Beispiel überprüft, dass sich die Abholzungen innerhalb eines Landes nicht von einer Region in die andere verlagern?

Nicht festgeschrieben wurde vor allem das für Greenpeace wichtigste Ziel überhaupt: dass die Abholzung von noch intakten tropischen Regenwäldern bis zum Jahr 2020 ganz gestoppt wird. Ungeklärt ist ferner, ob der REDD-Mechanismus (siehe Kasten) mit Waldzertifikaten in den CO2Emissionshandel einbezogen wird. Ist dies der Fall, können sich Unternehmen aus Industriestaaten günstig von eigenen Verpflichtungen zur Schadstoffreduktion freikaufen. Dies geschieht bereits heute bei privaten REDD-Projekten. Ob ein gutes Abkommen ohne Schlupflöcher und falsche Anreize zum Schutz der tropischen Urwälder zustande kommt, wird sich an der nächsten Klimakonferenz im Dezember 2010 in Mexiko zeigen. Positiv aber ist, dass die Erhaltung der Biodiversität, die Wahrung der Rechte der einheimischen Bevölkerung sowie die Partizipation der lokalen Akteure im aktuellen REDD-Papier festgehalten sind.

Milena Conzetti betreibt ein Büro für Kommunikation und Bildung im Umweltbereich. www.textbildungwald.ch/ WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/wald Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

REDD in Kürze Rund ein Fünftel der weltweit ausgestossenen Treibhausgase stammen aus der Zerstörung von tropischen Regenwäldern. Ein Weg, um die Klimaerwärmung zu bremsen, wäre deshalb die Erhaltung dieser Wälder. So soll es gehen: Das in den Wäldern gespeicherte CO2 erhält einen ökonomischen Wert. Der Schutz der Wälder soll sich dadurch mehr lohnen als das Roden für den Holzverkauf oder den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten. Der Mechanismus nennt sich REDD: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation (Reduktion von Emissionen aus der Rodung und Schädigung von Wäldern).

Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/atom Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin greenpeace 2/10

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Klima

Greenpeace-Aktivisten haben ein Banner «Stopp der Waldzerstörung» an den Masten eines Frachters angebracht, der Holz aus Afrika nach Europa transportiert.

«Die Ökobilanz würde wesentlich schlechter ausfallen» lorengehen. Der Kunde ist in diesen Berechnungen der Stromhändler, nicht der Endkonsument. Korrekt müsste man aber den Stromverlust bis zur Steckdose im Haushalt berücksichtigen, da gehen insgesamt zwölf Prozent des Stroms verloren. Das verschlechtert natürlich das Ergebnis – und ist ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Ein zweites Beispiel: Die Umweltdeklaration geht nur mangelhaft auf die toxischen Emissionen wie zum Beispiel Schwermetalle oder radioaktive Stoffe ein. Diese Emissionen sind bei einem Kernkraftwerk aber viel relevanter als die Frage, wie viel CO2 es abgibt. Greenpeace/Schaublin

Text Susan Boos Gabor Doka hat im Auftrag von Greenpeace ein «Gutachten zur Umweltdeklaration KKW Beznau» verfasst. Sein Fazit: Die Axpo blendet wesentliche Fakten aus. Das Energieunternehmen Axpo hat für ihr Atomkraftwerk Beznau eine Ökobilanz publiziert, eine so genannte Umweltdeklaration. Eine Kilowattstunde Beznau-Strom verursacht demnach nur drei Gramm CO2 . Toller, klimafreundlicher Strom – stimmt das? Gabor Doka: Atomstrom produziert tatsächlich relativ wenig klimaschädigende Abgase – doch das ist nicht neu und CO2 repräsentiert nur einen Teil der Umweltbelastung. Trotzdem: Drei Gramm Kohlendioxid klingt weltmeisterlich. Andere Berechnungen kommen auf wesentlich mehr. Ist Beznau wirklich besser als andere Atomkraftwerke? Das ist eine komplexe Frage und hängt mit der EPD zusammen ... Mit was? Die Axpo hat ihre Umweltdeklaration nach einem international zertifizierten System, dem so genannten EPD, verfasst, damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Die Resultate hängen aber von vielen Einzelaspekten ab wie zum Beispiel der Frage, woher das Uran stammt. In Ihrem Gutachten werfen Sie die Frage auf, ob die Brennstäbe tatsächlich Waffenuran enthalten, wie die Axpo sagt. Es könnte auch Uran sein, das früher in atombetriebenen russischen U-Booten eingesetzt war. Warum soll das eine besser sein als das andere? Die Axpo gibt an, sie würde hoch angereichertes russisches Atomwaffenuran verwenden. Dieses Waffenuran gilt als rezykliert, wenn es im Reaktor 8

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eingesetzt wird. Die Umweltbelastung, die bei der Herstellung dieses Urans entstanden ist, wird deshalb nicht den Kernkraftwerken angerechnet. Sondern? Dem ursprünglichen Zweck – also dem russischen Militär. Und Beznau kommt sauber weg? Genau. Das EPD-System macht diesbezüglich klare Vorgaben. Wenn rezykliert wird, wird sauber getrennt: Was vor dem Recycling war, geht zu Lasten des alten Produkts. Lediglich die Umweltbelastung, die entsteht, um aus Waffenuran Brennstäbe zu machen, wird dem Atomstrom angerechnet. Das ist nicht viel, weil man dieses Uran nur verdünnen muss. Was wäre anders, wenn die Brennstäbe aus gebrauchtem U-Boot-Uran gefertigt würden? Dieses Uran muss zuerst aufgearbeitet werden, sonst kann man es nicht wiederverwenden. Das Recyclingverfahren braucht viel Energie und belastet die Umwelt stark, was dem Atomstrom angerechnet werden müsste. Die Ökobilanz würde wesentlich schlechter ausfallen. Und warum weiss man nicht genau, woher das Uran stammt? Den AKW-Betreibern fehlen die genauen Angaben. Eigentlich würde man meinen, sie sollten von ihren russischen Lieferanten in solch wichtigen Fragen Transparenz einfordern. Das haben sie aber bislang nicht getan. Hat die Umweltdeklaration von Beznau noch andere Mängel? Ja, zum Beispiel bei der Berechnung des Stromverlusts. Die Deklaration geht davon aus, dass bis zum Kunden drei Prozent des Stroms ver-

Wie viel CO2 verursacht denn eine Kilowattstunde Beznau-Strom wirklich, wenn man korrekt rechnet? Die CO2-Belastung wäre vermutlich etwa doppelt so hoch. Aber das ist nicht das Problem, sondern das «Burden Shifting» (Verlagerung der Lasten). Was meinen Sie damit? Man verengt den Fokus – wie die Axpo – auf einen einzigen Umweltaspekt: das Klimaargument. So kann man kurzschliessen: Kernkraftwerke sind super. Doch wenn man die gesamte Ökobilanz anschaut, sieht man, dass das nicht stimmen muss.

Greenpeace

Gabor Doka (45) studierte an der Universität Zürich Chemie. Seit 1992 arbeitet er als Ökobilanzierer und unterhält in Zürich ein eigenes Büro. Er ist vor allem im Bereich Entsorgung und Deponien tätig. Vor zwei Jahren untersuchte er im Auftrag des Paul Scherrer Instituts (PSI) die Umweltbelastung des Uranbergbaus. Dokas Berechnungen führten dazu, dass sich die Ökobilanz von Atomstrom in der wohl wichtigsten internationalen Umweltdatenbank ecoinvent schlagartig um den Faktor 2,7 verschlechterte. Susan Boos ist Redaktorin der WOZ, Die Wochenzeitung WWW

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Greenpeace/Sharomov

Schlechte Nachricht für die Urwälder Text Milena Conzetti Das Ergebnis der Klimakonferenz in Kopenhagen ist enttäuschend. Beispielhaft ist, dass kein verbindliches Abkommen zum Schutz der tropischen Urwälder zu Stande kam. Das schwache Ergebnis des Weltklimagipfels in Kopenhagen vom vergangenen Dezember ist bekannt: Kein verpflichtender Beschluss, sondern nur eine rechtlich unverbindliche Erklärung. Dies verhinderte auch das Unterzeichenen des Textes zum Schutz der tropischen Urwälder, der bereits sehr weit fortgeschritten war. Immerhin anerkennen die Staaten im Abkommen von Kopenhagen, dass es wichtig ist, die durch die Abholzung und Schädigung der Wälder frei werdenden Treibhausgase zu reduzieren. Ausserdem, so beschlossen die Teilnehmenden an der Kopenhagener Konferenz, sollen die Industriestaaten von 2010 bis 2012 jährlich 10 Milliarden Dollar für Klima- und Waldschutzmassnahmen bereitstellen. Wie die Finanzierung längerfristig funktionieren soll, ist hingegen völlig offen. Auch andere wichtige Punkte sind noch unklar: Wie wird zum Beispiel überprüft, dass sich die Abholzungen innerhalb eines Landes nicht von einer Region in die andere verlagern?

Nicht festgeschrieben wurde vor allem das für Greenpeace wichtigste Ziel überhaupt: dass die Abholzung von noch intakten tropischen Regenwäldern bis zum Jahr 2020 ganz gestoppt wird. Ungeklärt ist ferner, ob der REDD-Mechanismus (siehe Kasten) mit Waldzertifikaten in den CO2Emissionshandel einbezogen wird. Ist dies der Fall, können sich Unternehmen aus Industriestaaten günstig von eigenen Verpflichtungen zur Schadstoffreduktion freikaufen. Dies geschieht bereits heute bei privaten REDD-Projekten. Ob ein gutes Abkommen ohne Schlupflöcher und falsche Anreize zum Schutz der tropischen Urwälder zustande kommt, wird sich an der nächsten Klimakonferenz im Dezember 2010 in Mexiko zeigen. Positiv aber ist, dass die Erhaltung der Biodiversität, die Wahrung der Rechte der einheimischen Bevölkerung sowie die Partizipation der lokalen Akteure im aktuellen REDD-Papier festgehalten sind.

Milena Conzetti betreibt ein Büro für Kommunikation und Bildung im Umweltbereich. www.textbildungwald.ch/ WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/wald Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

REDD in Kürze Rund ein Fünftel der weltweit ausgestossenen Treibhausgase stammen aus der Zerstörung von tropischen Regenwäldern. Ein Weg, um die Klimaerwärmung zu bremsen, wäre deshalb die Erhaltung dieser Wälder. So soll es gehen: Das in den Wäldern gespeicherte CO2 erhält einen ökonomischen Wert. Der Schutz der Wälder soll sich dadurch mehr lohnen als das Roden für den Holzverkauf oder den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten. Der Mechanismus nennt sich REDD: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation (Reduktion von Emissionen aus der Rodung und Schädigung von Wäldern).

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Klima «Wir müssen die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen:» Kumi Naidoo, seit Dezember 2009 Direktor von Greenpece International.

«Ich bin, weil Ihr seid»

So schützen Sie das Klima! Die Politiker brachten in Kopenhagen den Klimaschutz nicht voran. Umso wichtiger sind die Beiträge, die wir alle dazu leisten können.

Text Matthias Wyssmann Kumi Naidoo, der neue Direktor von Greenpeace International, über Leadership, Wandel und Greenpeace im Jahr eins nach Kopenhagen Vier Wochen nach seinem Amtsantritt stand Kumi Naidoo bereits einem historischen Ereignis gegenüber: dem Klimagipfel in Kopenhagen im letzten Dezember. «Der Ausgang der Konferenz war ein Desaster», sagt er. Aber der neue GreenpeaceChef findet auch positive Aspekte: «Zum ersten Mal wurde die Wissenschaft nicht angezweifelt. Und am Ende wurde das armselige Ergebnis nicht grüngewaschen.» Kopenhagen war auch Kumi Naidoos Stunde: Nie zuvor war die Umweltbewegung als schiere Masse von Aktivistinnen und Sympathisanten so sichtbar geworden. Als das Hoffnungsbarometer nach unten zeigte, stand Kumi Naidoo wie ein Fels in der Brandung – mit seiner ganzen charismatischen Überzeugungskraft. Die Umweltbewegung hatte einen neuen Leader. Kumi, 45, Südafrikaner, ein grosser, kräftiger Mann mit einer Stirn, wie man sie den härtesten Gegnern bietet, und einem Blick und einer Stimme, die zugleich sanft und entschlossen wirken, mag das Gerede vom charismatischen Leader nicht. «Ich bin, weil ihr seid», zitiert er gern ein afrikanisches

Sprichwort. Im Gespräch bringt er die Dinge meistens weg von seiner Person hin zum Kollektiv. Er stehe zur Verfügung für die Frontarbeit im Rampenlicht. Aber eigentlich wolle er für Greenpeace eine globale Leitung mit vielen inspirierenden Gesichtern aufbauen, welche die gesamte Vielfalt – eines seiner Lieblingsbegriffe – der Welt abbilden. Wenn man ihn nach den Wurzeln seines lebenslangen Engagements fragt, meint er: «Wir sollten uns das alle fragen. Viele Menschen sind sich der Probleme bewusst. Aber wann wird aus Bewusstsein Handlung? Wenn wir all die Antworten einfangen und zusammentragen könnten, all die Wege, die Menschen zurückgelegt haben, dann würde uns das erzählen, wie Wandel passiert.»

Wandel. Was bedeutet dieses Wort für dich? Selbst positiver Wandel ist schmerzhaft. Egal, wie schlecht es Menschen geht, die Angst, es könnte noch schlimmer werden, ist oft sehr stark. Ich selbst hatte das Privileg, Teil einer der bedeutsamsten Umwälzungen des 20. Jahrhunderts zu sein: des Endes der Apartheid in Südafrika. Der Wandel hat mich in Ekstase versetzt, aber auch verunsichert. Wandel ist kein Spaziergang im Park. Und er kommt nicht zum Stillstand. Er entwickelt seine eigene Dynamik. Wir leben in einer Welt, in der so viele Dinge sich verändern müssen.

ausweiten, auch in den Entwicklungsländern. Greenpeace hat schon in Koalitionen gearbeitet. Wir werden die Vielfalt intensivieren und mit anderen Bürgerbewegungen zusammenspannen, ob sie sich nun gegen Armut, für Menschenrechte oder als Gewerkschaften betätigen.

Buus/Greenpeace

Wir müssen gescheiter werden und verstehen, wie der Wandel funktioniert. Wie passiert Wandel? Das ist die grösste Frage unserer Zeit. Und wie wird sich – nach Kopenhagen – Greenpeace wandeln? Trotz der Niederlage hat Kopenhagen gezeigt, dass wir die Politik verändern können, wenn wir in grosser Zahl Druck ausüben. Dieser Druck auf die Industrie und die Regierungen darf nicht nachlassen. Deshalb glaube ich, dass Greenpeace noch integrativer werden muss. Wir müssen unsere Mitgliederbasis über den ganzen Globus

Handelt Greenpeace mit den Leuten oder für die Leute? Ist es eine Bewegung oder eine Agentur? Beides. Aber die Organisation ist sehr komplex geworden. Die Einzelteile leisten gute Arbeit. Aber wir müssen – und das sage nicht erst ich, darauf arbeitet Greenpeace schon länger hin – die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen. Der Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» wird also wichtiger? Absolut. Grosse Zahlen geben zwar keine Sicherheit. Aber sie vermitteln das Gefühl von Solidarität und Stärke, wenn wir so viele Menschen mobilisieren können, wie wir das rund um Kopenhagen geschafft haben. Soll Greenpeace auf kraftvollere Methoden zurückgreifen, wie zum Beispiel Hungerstreiks? Ich weiss, in gewissen Kulturen erscheint das politische Fasten unglaublich radikal. Aber in Indien findet zu jeder Zeit irgendwo ein Hungerstreik statt. Ich würde keine Form von Protestak-

tion ausschliessen, solange sie gewaltfrei ist. Und wir müssen den Gebrauch von friedlichen Formen des zivilen Ungehorsams intensivieren. Schliesslich kämpft die Erde um ihr Leben. Warst du je versucht, Gewalt anzuwenden? Als ich ein Teenager war, beerdigten wir jedes Wochenende Freunde und Mitstreiter. Das Regime war so unfassbar brutal. Massaker an zwanzig, dreissig Menschen waren häufig. Und ich war Teil einer Bewegung, die auch einen bewaffneten Flügel hatte. Aber ich habe der Versuchung nicht nachgegeben, und rückblickend muss ich sagen: So, wie wir den Kampf führen, so legen wir die Grundlagen für die zukünftige Zivilgesellschaft. Gandhi hat sich in Südafrika politisch die Sporen abverdient. Ja, er hat mich damals sehr beeinflusst, als in mir ein innerlicher Kampf wütete. Seine Philosophie des passiven Widerstands nannte er Satyagraha: die Macht der Seele, der Wahrheit und der Kraft. Matthias Wyssmann leitet den Bereich Kommunikationsorganisation von Greenpeace Schweiz. WWW Das ganze Interview/Porträt und mehr zu Kumi Naidoo auf www.greenpeace.ch/kumi

Jede Schweizerin, jeder Schweizer verbraucht im Durchschnitt 6 bis 7 Tonnen CO2 pro Jahr, plus zusätzliche im Ausland verursachte Emissionen von rund 5 Tonnen. Das Budget der 2000-Watt-Gesellschaft – der Verbrauch von 2000 Watt pro Person ist das, was sich die Menschheit langfristig leisten kann – entspricht 1 Tonne CO2. Ihren Verbrauch können Sie auf www.footprint.ch ausrechnen. Tipp 1: Abonnieren Sie Ökostrom «naturmade» bei Ihrem Stromanbieter. Diese einfache Massnahme bringt enorm viel für Klima und Umwelt. Und die Nachfrage bestimmt den Markt. Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen verlangt wird, desto mehr wird dort investiert (www.naturmade.ch). Tipp 2: Reduzieren Sie den Fleischanteil Ihrer Ernährung. Wenn Sie sich fleischreduziert ernähren oder Vegetarier werden, ersparen Sie dem Weltklima rund 0,4 Tonnen CO2 im Jahr. Und wenn Sie Fleisch essen, gönnen Sie sich Schweizer Bio-Fleisch vom Hof. Tipp 3: Schonen Sie die Urwälder. Kaufen Sie einheimisches FSC-Holz, verwenden Sie Recyclingpapier und vermeiden Sie Produkte, die Palmöl oder Soja enthalten. Denn für Sojaund Palmölplantagen werden riesige Flächen Urwald abgeholzt. Insgesamt ist die Abholzung der Urwälder für rund 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Tipp 4: Verzichten Sie auf unnötige Flüge. Ein einziger Hin- und Rückflug von Zürich nach New York, rund 13 000 Flugkilometer, verursacht knapp 2,6 Tonnen CO2 pro Person. Tipp 5: Fahren Sie Velo, Bus oder Bahn und gehen Sie zu Fuss. Wenn Sie pro Tag 20 Kilometer mit einem Mittelklassewagen (Verbrauch 8 Liter auf 100 Kilometer) zurücklegen, setzen Sie aufs Jahr gerechnet rund 2 Tonnen CO2 frei. Wenn Sie doch einmal ein Auto brauchen, nutzen Sie CarsharingAngebote wie das von Mobility.

Åslund/Greenpeace

Getreu dem Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» – die Macht des gemeinsamen Handelns – die Menschen für den Schutz der Umwelt mobilisieren: 10

greenpeace 2/10

Hilton/Greenpeace

Dies ist ein wichtiges Ziel für den neuen Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo. Kopenhagen hat zwar keine Ergebnisse auf offizieller Ebene gebracht, aber die Grösse einer Umwelt­

Greenpeace/Balzani

bewegung gezeigt, die immer wieder mit phantasievollen und intelligenten Aktionen auf sich und auf die Umweltprobleme aufmerksam macht.

Greenpeace/Villafranca

Åslund/Greenpeace

WWW Weitere Klimatipps finden Sie unter: www.greenpeace.ch/was-kann-ich-tun greenpeace 2/10

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Klima «Wir müssen die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen:» Kumi Naidoo, seit Dezember 2009 Direktor von Greenpece International.

«Ich bin, weil Ihr seid»

So schützen Sie das Klima! Die Politiker brachten in Kopenhagen den Klimaschutz nicht voran. Umso wichtiger sind die Beiträge, die wir alle dazu leisten können.

Text Matthias Wyssmann Kumi Naidoo, der neue Direktor von Greenpeace International, über Leadership, Wandel und Greenpeace im Jahr eins nach Kopenhagen Vier Wochen nach seinem Amtsantritt stand Kumi Naidoo bereits einem historischen Ereignis gegenüber: dem Klimagipfel in Kopenhagen im letzten Dezember. «Der Ausgang der Konferenz war ein Desaster», sagt er. Aber der neue GreenpeaceChef findet auch positive Aspekte: «Zum ersten Mal wurde die Wissenschaft nicht angezweifelt. Und am Ende wurde das armselige Ergebnis nicht grüngewaschen.» Kopenhagen war auch Kumi Naidoos Stunde: Nie zuvor war die Umweltbewegung als schiere Masse von Aktivistinnen und Sympathisanten so sichtbar geworden. Als das Hoffnungsbarometer nach unten zeigte, stand Kumi Naidoo wie ein Fels in der Brandung – mit seiner ganzen charismatischen Überzeugungskraft. Die Umweltbewegung hatte einen neuen Leader. Kumi, 45, Südafrikaner, ein grosser, kräftiger Mann mit einer Stirn, wie man sie den härtesten Gegnern bietet, und einem Blick und einer Stimme, die zugleich sanft und entschlossen wirken, mag das Gerede vom charismatischen Leader nicht. «Ich bin, weil ihr seid», zitiert er gern ein afrikanisches

Sprichwort. Im Gespräch bringt er die Dinge meistens weg von seiner Person hin zum Kollektiv. Er stehe zur Verfügung für die Frontarbeit im Rampenlicht. Aber eigentlich wolle er für Greenpeace eine globale Leitung mit vielen inspirierenden Gesichtern aufbauen, welche die gesamte Vielfalt – eines seiner Lieblingsbegriffe – der Welt abbilden. Wenn man ihn nach den Wurzeln seines lebenslangen Engagements fragt, meint er: «Wir sollten uns das alle fragen. Viele Menschen sind sich der Probleme bewusst. Aber wann wird aus Bewusstsein Handlung? Wenn wir all die Antworten einfangen und zusammentragen könnten, all die Wege, die Menschen zurückgelegt haben, dann würde uns das erzählen, wie Wandel passiert.»

Wandel. Was bedeutet dieses Wort für dich? Selbst positiver Wandel ist schmerzhaft. Egal, wie schlecht es Menschen geht, die Angst, es könnte noch schlimmer werden, ist oft sehr stark. Ich selbst hatte das Privileg, Teil einer der bedeutsamsten Umwälzungen des 20. Jahrhunderts zu sein: des Endes der Apartheid in Südafrika. Der Wandel hat mich in Ekstase versetzt, aber auch verunsichert. Wandel ist kein Spaziergang im Park. Und er kommt nicht zum Stillstand. Er entwickelt seine eigene Dynamik. Wir leben in einer Welt, in der so viele Dinge sich verändern müssen.

ausweiten, auch in den Entwicklungsländern. Greenpeace hat schon in Koalitionen gearbeitet. Wir werden die Vielfalt intensivieren und mit anderen Bürgerbewegungen zusammenspannen, ob sie sich nun gegen Armut, für Menschenrechte oder als Gewerkschaften betätigen.

Buus/Greenpeace

Wir müssen gescheiter werden und verstehen, wie der Wandel funktioniert. Wie passiert Wandel? Das ist die grösste Frage unserer Zeit. Und wie wird sich – nach Kopenhagen – Greenpeace wandeln? Trotz der Niederlage hat Kopenhagen gezeigt, dass wir die Politik verändern können, wenn wir in grosser Zahl Druck ausüben. Dieser Druck auf die Industrie und die Regierungen darf nicht nachlassen. Deshalb glaube ich, dass Greenpeace noch integrativer werden muss. Wir müssen unsere Mitgliederbasis über den ganzen Globus

Handelt Greenpeace mit den Leuten oder für die Leute? Ist es eine Bewegung oder eine Agentur? Beides. Aber die Organisation ist sehr komplex geworden. Die Einzelteile leisten gute Arbeit. Aber wir müssen – und das sage nicht erst ich, darauf arbeitet Greenpeace schon länger hin – die Bürger stärker mobilisieren, sonst erreichen wir nicht, was wir wollen. Der Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» wird also wichtiger? Absolut. Grosse Zahlen geben zwar keine Sicherheit. Aber sie vermitteln das Gefühl von Solidarität und Stärke, wenn wir so viele Menschen mobilisieren können, wie wir das rund um Kopenhagen geschafft haben. Soll Greenpeace auf kraftvollere Methoden zurückgreifen, wie zum Beispiel Hungerstreiks? Ich weiss, in gewissen Kulturen erscheint das politische Fasten unglaublich radikal. Aber in Indien findet zu jeder Zeit irgendwo ein Hungerstreik statt. Ich würde keine Form von Protestak-

tion ausschliessen, solange sie gewaltfrei ist. Und wir müssen den Gebrauch von friedlichen Formen des zivilen Ungehorsams intensivieren. Schliesslich kämpft die Erde um ihr Leben. Warst du je versucht, Gewalt anzuwenden? Als ich ein Teenager war, beerdigten wir jedes Wochenende Freunde und Mitstreiter. Das Regime war so unfassbar brutal. Massaker an zwanzig, dreissig Menschen waren häufig. Und ich war Teil einer Bewegung, die auch einen bewaffneten Flügel hatte. Aber ich habe der Versuchung nicht nachgegeben, und rückblickend muss ich sagen: So, wie wir den Kampf führen, so legen wir die Grundlagen für die zukünftige Zivilgesellschaft. Gandhi hat sich in Südafrika politisch die Sporen abverdient. Ja, er hat mich damals sehr beeinflusst, als in mir ein innerlicher Kampf wütete. Seine Philosophie des passiven Widerstands nannte er Satyagraha: die Macht der Seele, der Wahrheit und der Kraft. Matthias Wyssmann leitet den Bereich Kommunikationsorganisation von Greenpeace Schweiz. WWW Das ganze Interview/Porträt und mehr zu Kumi Naidoo auf www.greenpeace.ch/kumi

Jede Schweizerin, jeder Schweizer verbraucht im Durchschnitt 6 bis 7 Tonnen CO2 pro Jahr, plus zusätzliche im Ausland verursachte Emissionen von rund 5 Tonnen. Das Budget der 2000-Watt-Gesellschaft – der Verbrauch von 2000 Watt pro Person ist das, was sich die Menschheit langfristig leisten kann – entspricht 1 Tonne CO2. Ihren Verbrauch können Sie auf www.footprint.ch ausrechnen. Tipp 1: Abonnieren Sie Ökostrom «naturmade» bei Ihrem Stromanbieter. Diese einfache Massnahme bringt enorm viel für Klima und Umwelt. Und die Nachfrage bestimmt den Markt. Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen verlangt wird, desto mehr wird dort investiert (www.naturmade.ch). Tipp 2: Reduzieren Sie den Fleischanteil Ihrer Ernährung. Wenn Sie sich fleischreduziert ernähren oder Vegetarier werden, ersparen Sie dem Weltklima rund 0,4 Tonnen CO2 im Jahr. Und wenn Sie Fleisch essen, gönnen Sie sich Schweizer Bio-Fleisch vom Hof. Tipp 3: Schonen Sie die Urwälder. Kaufen Sie einheimisches FSC-Holz, verwenden Sie Recyclingpapier und vermeiden Sie Produkte, die Palmöl oder Soja enthalten. Denn für Sojaund Palmölplantagen werden riesige Flächen Urwald abgeholzt. Insgesamt ist die Abholzung der Urwälder für rund 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Tipp 4: Verzichten Sie auf unnötige Flüge. Ein einziger Hin- und Rückflug von Zürich nach New York, rund 13 000 Flugkilometer, verursacht knapp 2,6 Tonnen CO2 pro Person. Tipp 5: Fahren Sie Velo, Bus oder Bahn und gehen Sie zu Fuss. Wenn Sie pro Tag 20 Kilometer mit einem Mittelklassewagen (Verbrauch 8 Liter auf 100 Kilometer) zurücklegen, setzen Sie aufs Jahr gerechnet rund 2 Tonnen CO2 frei. Wenn Sie doch einmal ein Auto brauchen, nutzen Sie CarsharingAngebote wie das von Mobility.

Åslund/Greenpeace

Getreu dem Greenpeace-Grundwert «The Power of Acting Together» – die Macht des gemeinsamen Handelns – die Menschen für den Schutz der Umwelt mobilisieren: 10

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Hilton/Greenpeace

Dies ist ein wichtiges Ziel für den neuen Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo. Kopenhagen hat zwar keine Ergebnisse auf offizieller Ebene gebracht, aber die Grösse einer Umwelt­

Greenpeace/Balzani

bewegung gezeigt, die immer wieder mit phantasievollen und intelligenten Aktionen auf sich und auf die Umweltprobleme aufmerksam macht.

Greenpeace/Villafranca

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Aktiv Atom + Energie

Gentech + Chemie

Greenpeace/Gleizes

Klima

Greenpeace/Perawongmetha

Wald + Meer

Guang/Greenpeace

Greenpeace/Fojtu

Atom

Gentech

Klima

Wald

Fehmarn Belt, Ostsee

Ratchabouri, Thailand

Bejing, China

Luzern, Schweiz

16/11/2009: Greenpeace-Aktivisten klettern von einem Schlauchboot auf den Frachter «Happy Ranger». Dieser transportiert Komponenten für das in Finnland im Bau befindlichen AKW Olkiluoto 3. Greenpeace fordert von der finnischen Regierung, den Bau zu stoppen.

01/11/2009: Ein Bauer trägt Reisgarben, die er auf einem «Reis-Kunst»-Feld geerntet hat. Auf diesem Feld hat Greenpeace mit Pflanzen in schwarzen und grünen Farben das Bild eines Erntearbeiters «gezeichnet». Damit soll Thailands Regierung aufgefordert werden, Gentech-Reis zu verbieten.

12/12/2009: Chinesische Trommler schicken die Botschaft «Die Zeit wird knapp» von Bejing nach Kopenhagen. Die Veranstaltung ist Teil eines globalen Aktionstages, über 10 Millionen Menschen weltweit haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine Petition für den Klimaschutz unterzeichnet.

03/11/2009: Zwei als Orang Utans verkleiderte Personen turnen an der Fassade des Kultur- und Kongresszentrums KKL in Luzern herum. Sie wollen auf die Zerstörung der tropischen Regenwälder und damit der Lebensgrundlagen unter anderem der Orang Utans aufmerksam machen.

Greenpeace/Jjuuko

Greenpeace/Beentjes

Åslund/Greenpeace

Greenpeace/Sutton-Hibbert

Energie

Chemie

Klima

Meer

Kogelo, Kenia

Amsterdam, Niederlande

Kopenhagen, Dänemark

Innoshima, Japan

27/11/2009: Schülerinnen und Schüler der Barack-Obama-Schule in Kogelo schreiben das erste E-Mail mit von der Schule erzeugtem Solarstrom. Es ist an US-Präsident Obama gerichtet, und die Jugendlichen fordern ihn darin auf, sich für die Solarenergie einzusetzen.

14/01/2010: Greenpeace-Aktivisten platzieren das dreidimensionale Bild einer Deponie von giftigem Elektronik-Schrott vor einer Niederlassung des Computerherstellers Dell. Dell hatte zugesagt, ab Ende 2009 in ihren Computer keine Giftstoffe mehr zu verwenden, dies aber nicht eingehalten.

19/12/2009: Mitarbeiter und Sympathisanten von Greenpeace halten eine Mahnwache ab vor dem Gefängnis, in welchem Greenpeace-Aktivisten gefangen gehalten werden. Diese haben an einem Dinner anlässlich der Klimakonferenz mit einer Protestaktion für das Klima grosses Aufsehen erregt.

06/11/2009: Greenpeace-Aktivisten tragen Masken des japanischen Premier­ministers Yukio Hatoyama und des US-Präsidenten Barack Obama. Sie fordern vor dem Walfänger «Nisshin Maru» den Stopp des japanischen Walfang-Programms.

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Aktiv Atom + Energie

Gentech + Chemie

Greenpeace/Gleizes

Klima

Greenpeace/Perawongmetha

Wald + Meer

Guang/Greenpeace

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Atom

Gentech

Klima

Wald

Fehmarn Belt, Ostsee

Ratchabouri, Thailand

Bejing, China

Luzern, Schweiz

16/11/2009: Greenpeace-Aktivisten klettern von einem Schlauchboot auf den Frachter «Happy Ranger». Dieser transportiert Komponenten für das in Finnland im Bau befindlichen AKW Olkiluoto 3. Greenpeace fordert von der finnischen Regierung, den Bau zu stoppen.

01/11/2009: Ein Bauer trägt Reisgarben, die er auf einem «Reis-Kunst»-Feld geerntet hat. Auf diesem Feld hat Greenpeace mit Pflanzen in schwarzen und grünen Farben das Bild eines Erntearbeiters «gezeichnet». Damit soll Thailands Regierung aufgefordert werden, Gentech-Reis zu verbieten.

12/12/2009: Chinesische Trommler schicken die Botschaft «Die Zeit wird knapp» von Bejing nach Kopenhagen. Die Veranstaltung ist Teil eines globalen Aktionstages, über 10 Millionen Menschen weltweit haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine Petition für den Klimaschutz unterzeichnet.

03/11/2009: Zwei als Orang Utans verkleiderte Personen turnen an der Fassade des Kultur- und Kongresszentrums KKL in Luzern herum. Sie wollen auf die Zerstörung der tropischen Regenwälder und damit der Lebensgrundlagen unter anderem der Orang Utans aufmerksam machen.

Greenpeace/Jjuuko

Greenpeace/Beentjes

Åslund/Greenpeace

Greenpeace/Sutton-Hibbert

Energie

Chemie

Klima

Meer

Kogelo, Kenia

Amsterdam, Niederlande

Kopenhagen, Dänemark

Innoshima, Japan

27/11/2009: Schülerinnen und Schüler der Barack-Obama-Schule in Kogelo schreiben das erste E-Mail mit von der Schule erzeugtem Solarstrom. Es ist an US-Präsident Obama gerichtet, und die Jugendlichen fordern ihn darin auf, sich für die Solarenergie einzusetzen.

14/01/2010: Greenpeace-Aktivisten platzieren das dreidimensionale Bild einer Deponie von giftigem Elektronik-Schrott vor einer Niederlassung des Computerherstellers Dell. Dell hatte zugesagt, ab Ende 2009 in ihren Computer keine Giftstoffe mehr zu verwenden, dies aber nicht eingehalten.

19/12/2009: Mitarbeiter und Sympathisanten von Greenpeace halten eine Mahnwache ab vor dem Gefängnis, in welchem Greenpeace-Aktivisten gefangen gehalten werden. Diese haben an einem Dinner anlässlich der Klimakonferenz mit einer Protestaktion für das Klima grosses Aufsehen erregt.

06/11/2009: Greenpeace-Aktivisten tragen Masken des japanischen Premier­ministers Yukio Hatoyama und des US-Präsidenten Barack Obama. Sie fordern vor dem Walfänger «Nisshin Maru» den Stopp des japanischen Walfang-Programms.

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Klima

Nomadenleben: Eine Nenzen belädt vor ihrem Zelt einen Schlitten. Die Nenzen ziehen alle paar Tage weiter, so dass ihre Herden die Weidegründe nicht übernutzen und sie selber die Gewässer nicht überfischen.

In der Realität haben die Nenzen die Folgen des Klimawandels allerdings längst wahrgenommen. Tonia erklärt, dass Schneestürme häufiger vorkommen als früher und dass die Schneedecke länger liegen bleibt, auch wenn die Winter insgesamt wärmer geworden sind. Seit einiger Zeit kommt es vor, dass abrupte Kältewellen in den

Das Auftauen des Permafrosts bedeutet aber auch, dass sich Wasser im Erdreich ausbreiten kann, wodurch Erdrutsche und Überschwemmungen entstehen. Viele fischreiche Seen der Tundra verschwinden durch Versickerung, während anderswo unfruchtbare Gewässer neu entstehen. Zwar haben Tonia und Slawa keine raschen Ver-

Tonja und Slawa kennen den Begriff Klimawandel nicht. Aber in der Realität haben sie seine Folgen längst wahrgenommen.

Greenpeace/Morgan

beginnenden sibirischen Frühling einbrechen. Moose und Flechten, die soeben aus dem Boden gesprossene Nahrung der Rentiere, werden durch den Frost zerstört. Hinzu kommt die steigende Anzahl von Anlagen zur Erdgasförderung. Sie stören den Kreislauf der Wandertierhaltung. Die Nenzen sind gezwungen, sich neue Gegenden zu erschliessen und sich auf immer kleineren Gebieten zu sammeln. Es droht die Überweidung.

änderungen beobachtet. Sie stellen aber fest, dass das Wetter instabiler geworden ist, als ob sich die Naturkreisläufe beschleunigt hätten. «In manchen Regionen der Arktis sind die Durchschnittstemperaturen um fast vier Grad gestiegen», sagt der Geomorphologe Fedor Romanenko. Er forscht im Auftrag von Greenpeace und der Universität Moskau. Voreilige Schlüsse mag er keine ziehen, doch er hält fest: «In letzter Zeit hat sich der Erwärmungsprozess beschleunigt.» Er sieht nicht

nur das Problem, dass dadurch das gefährliche Gas Methan freigesetzt wird (siehe Seite 6): «Wenn das so weitergeht, werden die Böden absinken.» «Das ist tatsächlich eine Zeitbombe», warnt Vladimir Tschuprow. «Lernen wir von den Nenzen, die sich selber Grenzen setzen. Sie fragen nicht ständig nach dem letzten Grund der Dinge, wissen aber, was gut ist für sie, und halten die entsprechenden Grenzen ein.» Eines Tages nicht mehr in der Tundra leben? «Unvorstellbar», sagt Slawa. Angst und Wut gleichzeitig – das ist, was er empfindet. «Wenn wir nicht mehr anders können, werden wir unsere Lebensweise aufgeben müssen», erklären die Nenzen. «Aber wir werden kämpfen bis zum Schluss.» Jeanne Cala ist Journalistin in Frankreich. WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/klima Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Wenn es warm wird in der Tundra Text Jeanne Cala Die Bewohner kleinerer Pazifikinseln sind die ersten Menschen, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlieren. Die Nenzen in der russischen Tundra sind vielleicht die nächsten: Taut der Permafrost im Boden auf, könnte ihr Land wie die Pazifikinseln im Wasser untergehen.

Keine Strasse und keine Piste führt zum Platz, wo die 30-jährige Tonia und ihr 34-jähriger Mann Slawa ihr Lager aufgeschlagen haben. In einigen Stunden wird es schon abgebrochen sein. Tonia und ihre Grossfamilie bleiben nie länger als zehn Tage am selben Ort. Die nächste Stadt, Jar Sale, liegt beinahe eine Stunde entfernt – eine Helikopterstunde. In den Birkenwäldern zwischen Jar Sale und Salechard, der Hauptstadt der Region der JamalNenzen, verbringt die Familie die Winterzeit. In der Stadt verkaufen die Nenzen Brennholz, bevor sie im Frühling auf dem Rückweg den noch gefrorenen Fluss Ob überqueren. Ihr Ziel ist die Tundra der Halbinsel im Norden. Die Tundra ist die Lebensgrundlage der Volksgruppe der Nenzen, aber auch eine Hochburg des Energiekonzerns Gazprom, der das Erdgas der Region fördert. Dort, unter dem Permafrost, liegen 90 Prozent der russischen Gasvorkommen.

In Russland bestehen etwa 60 Prozent der Fläche aus Permafrost. Ganze Städte sind darauf gebaut, wie zum Beispiel die Viertelmillionenstadt Jakutsk mitten in Sibirien. Wegen der Erderwärmung droht die 300 Meter dicke Bodenschicht aus Permafrost einzubrechen, das aber scheint das Land nicht gross zu kümmern. Anders als den Menschen auf den Pazifikinseln, die bereits heute wegen des steigenden Meeresspiegels zu Klimaflüchtlingen werden, scheint den Nenzen noch nicht bewusst zu sein, dass sie zu den nächsten Opfern des Klimawandels werden könnten. Tonia und Slawa wissen nichts vom Kyoto-Protokoll oder vom Klimagipfel in Kopenhagen, und sie kennen den Begriff «Klimawandel» nicht. «In Russland spricht man nicht über den Klimawandel», sagt Vladimir Tschuprow, verantwortlich für den Bereich Energie bei Greenpeace Russland. «Die russischen Politiker sagen manchmal, dass ein paar Grad mehr der Tundra nicht schaden würden.»

Greenpeace/Rose

Klimwandel: Ein Nenzen in einer Region des auftauenden Permafrosts. Früher war hier ein grosser und fischreicher See, nachdem der Boden eingebrochen ist, ist der See verschwunden.

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Greenpeace/Morgan

Familienleben: Ein Kind der Nenzen vor der Rentierherde.

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Klima

Nomadenleben: Eine Nenzen belädt vor ihrem Zelt einen Schlitten. Die Nenzen ziehen alle paar Tage weiter, so dass ihre Herden die Weidegründe nicht übernutzen und sie selber die Gewässer nicht überfischen.

In der Realität haben die Nenzen die Folgen des Klimawandels allerdings längst wahrgenommen. Tonia erklärt, dass Schneestürme häufiger vorkommen als früher und dass die Schneedecke länger liegen bleibt, auch wenn die Winter insgesamt wärmer geworden sind. Seit einiger Zeit kommt es vor, dass abrupte Kältewellen in den

Das Auftauen des Permafrosts bedeutet aber auch, dass sich Wasser im Erdreich ausbreiten kann, wodurch Erdrutsche und Überschwemmungen entstehen. Viele fischreiche Seen der Tundra verschwinden durch Versickerung, während anderswo unfruchtbare Gewässer neu entstehen. Zwar haben Tonia und Slawa keine raschen Ver-

Tonja und Slawa kennen den Begriff Klimawandel nicht. Aber in der Realität haben sie seine Folgen längst wahrgenommen.

Greenpeace/Morgan

beginnenden sibirischen Frühling einbrechen. Moose und Flechten, die soeben aus dem Boden gesprossene Nahrung der Rentiere, werden durch den Frost zerstört. Hinzu kommt die steigende Anzahl von Anlagen zur Erdgasförderung. Sie stören den Kreislauf der Wandertierhaltung. Die Nenzen sind gezwungen, sich neue Gegenden zu erschliessen und sich auf immer kleineren Gebieten zu sammeln. Es droht die Überweidung.

änderungen beobachtet. Sie stellen aber fest, dass das Wetter instabiler geworden ist, als ob sich die Naturkreisläufe beschleunigt hätten. «In manchen Regionen der Arktis sind die Durchschnittstemperaturen um fast vier Grad gestiegen», sagt der Geomorphologe Fedor Romanenko. Er forscht im Auftrag von Greenpeace und der Universität Moskau. Voreilige Schlüsse mag er keine ziehen, doch er hält fest: «In letzter Zeit hat sich der Erwärmungsprozess beschleunigt.» Er sieht nicht

nur das Problem, dass dadurch das gefährliche Gas Methan freigesetzt wird (siehe Seite 6): «Wenn das so weitergeht, werden die Böden absinken.» «Das ist tatsächlich eine Zeitbombe», warnt Vladimir Tschuprow. «Lernen wir von den Nenzen, die sich selber Grenzen setzen. Sie fragen nicht ständig nach dem letzten Grund der Dinge, wissen aber, was gut ist für sie, und halten die entsprechenden Grenzen ein.» Eines Tages nicht mehr in der Tundra leben? «Unvorstellbar», sagt Slawa. Angst und Wut gleichzeitig – das ist, was er empfindet. «Wenn wir nicht mehr anders können, werden wir unsere Lebensweise aufgeben müssen», erklären die Nenzen. «Aber wir werden kämpfen bis zum Schluss.» Jeanne Cala ist Journalistin in Frankreich. WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/klima Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Wenn es warm wird in der Tundra Text Jeanne Cala Die Bewohner kleinerer Pazifikinseln sind die ersten Menschen, die wegen des Klimawandels ihre Heimat verlieren. Die Nenzen in der russischen Tundra sind vielleicht die nächsten: Taut der Permafrost im Boden auf, könnte ihr Land wie die Pazifikinseln im Wasser untergehen.

Keine Strasse und keine Piste führt zum Platz, wo die 30-jährige Tonia und ihr 34-jähriger Mann Slawa ihr Lager aufgeschlagen haben. In einigen Stunden wird es schon abgebrochen sein. Tonia und ihre Grossfamilie bleiben nie länger als zehn Tage am selben Ort. Die nächste Stadt, Jar Sale, liegt beinahe eine Stunde entfernt – eine Helikopterstunde. In den Birkenwäldern zwischen Jar Sale und Salechard, der Hauptstadt der Region der JamalNenzen, verbringt die Familie die Winterzeit. In der Stadt verkaufen die Nenzen Brennholz, bevor sie im Frühling auf dem Rückweg den noch gefrorenen Fluss Ob überqueren. Ihr Ziel ist die Tundra der Halbinsel im Norden. Die Tundra ist die Lebensgrundlage der Volksgruppe der Nenzen, aber auch eine Hochburg des Energiekonzerns Gazprom, der das Erdgas der Region fördert. Dort, unter dem Permafrost, liegen 90 Prozent der russischen Gasvorkommen.

In Russland bestehen etwa 60 Prozent der Fläche aus Permafrost. Ganze Städte sind darauf gebaut, wie zum Beispiel die Viertelmillionenstadt Jakutsk mitten in Sibirien. Wegen der Erderwärmung droht die 300 Meter dicke Bodenschicht aus Permafrost einzubrechen, das aber scheint das Land nicht gross zu kümmern. Anders als den Menschen auf den Pazifikinseln, die bereits heute wegen des steigenden Meeresspiegels zu Klimaflüchtlingen werden, scheint den Nenzen noch nicht bewusst zu sein, dass sie zu den nächsten Opfern des Klimawandels werden könnten. Tonia und Slawa wissen nichts vom Kyoto-Protokoll oder vom Klimagipfel in Kopenhagen, und sie kennen den Begriff «Klimawandel» nicht. «In Russland spricht man nicht über den Klimawandel», sagt Vladimir Tschuprow, verantwortlich für den Bereich Energie bei Greenpeace Russland. «Die russischen Politiker sagen manchmal, dass ein paar Grad mehr der Tundra nicht schaden würden.»

Greenpeace/Rose

Klimwandel: Ein Nenzen in einer Region des auftauenden Permafrosts. Früher war hier ein grosser und fischreicher See, nachdem der Boden eingebrochen ist, ist der See verschwunden.

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Familienleben: Ein Kind der Nenzen vor der Rentierherde.

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Klima Kippelemente: Nicht alle Klimaprozesse verlaufen linear

Die Natur wird uns die Veränderungen der Umwelt durch den Klimawandel nicht in wohldosierten Portionen verabreichen. Dafür ist das Phänomen des «Kippeffekts» verantwortlich: Ein Prozess kann sich ab einem bestimmten Punkt drastisch verändern – eben kippen – und sich zum Beispiel stark beschleunigen und dann langfristige, eventuell unumkehrbare Veränderungen von überregionalem Ausmass auslösen.

Keller

Die unsichtbare Gefahr im Untergrund

Greenpeace/Sjolander

Die Kontur des Matterhorns (linkes Bild) könnte sich durch die Klimaerwärmung sichtbar verändern, da es vom Permafrost zusammengehalten wird. Wenn dieser auftaut, dürften grosste Teile abbröckeln. Eiskristalle im Permafrost-Institut in Yakutsk, Russland. Hier studieren Wissenschafter die Veränderungen in der dortigen Permafrost-Region.

Text Wangpo Tethong Steigende Meeresspiegel, Verwüstungen durch Unwetter und schmelzende Gletscher sind klimabedingte Veränderungen der Natur, die sich ins Bewusstsein eingeprägt haben. Beim Permafrost sieht es anders aus: Die gigantischen Klimaprobleme, die das Auftauen des arktischen Permafrosts verursacht, sind bislang nur Fachleuten richtig bewusst. Von Permafrost spricht man, wenn die Temperatur des Untergrunds – das kann der Erdboden, Fels, Schutt, aber auch Wasser sein – während mindestens zwei Jahren unter null Grad liegt. Gletscher oder offene Eisflächen zählen nicht zum Permafrost. Permafrost kommt zum einen in den kalten Regionen im Norden und Süden der Erde vor, zum anderen in hochgelegenen Gebirgsregionen wie zum Beispiel auf dem tibetischen Hochplateau, in den südamerikanischen Anden oder in den Alpen. Permafrost findet sich aber auch auf dem Meeresgrund. In den Alpen kann er einige Meter dick sein oder bis zu mehreren hundert Meter in Felsformationen hineinreichen. In Alaska, Kanada oder Sibirien kann die Schicht weit über 1000 Meter dick werden. Das Auftauen der Permafrostböden in Nordamerika und Sibirien, wo die Temperatur im Verlauf des 20. Jahrhunderts stellenweise um bis zu 5 Grad gestiegen ist, könnte verhängnisvolle Folgen

für das Klima haben. Der Grund ist, dass Permafrostböden Schätzungen zufolge bis zu 1600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert haben. Erwärmt sich der Boden, wird der Kohlenstoff freigesetzt. Ist dabei nicht genügend Sauerstoff vorhanden, setzen Fäulnisprozesse ein, in deren Verlauf Mikroben den Kohlenstoff zu Methan umwandeln. Riesige Mengen von Methangas, dessen Treibhausgaswirkung 21-mal intensiver ist als CO2 , könnten freigesetzt werden. Der submarine Permafrost ist noch stärker von dieser

Entwicklung betroffen, da er im Vergleich zum terrestrischen aufgrund der Wassertemperatur bereits erwärmt ist. Besorgte Wissenschaftler äusserten im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz Zweifel, ob die Politik genügend gut verstanden habe, dass Veränderungen wie jene im arktischen Permafrost irreversible Folgeprozesse auslösen können, die zu einer weiteren Erwärmung der Erde führen. Klimawissenschaftler benutzen für dieses Phänomen den Ausdruck «Kippelement» (siehe Kasten).

Bergrestaurant Permafrostzone Abtragung 3000 m ü. M.

Bergbahn Alp 2000 m ü. M.

Bergkurort 1000 m ü. M.

Dorf

Hauptstrasse

Strasse Bahnlinie Autobahn

Gebäude- und Liftfundamente werden instabil Steinschlag gefährdet Wanderwege und Alpweiden Murgänge gefährden Alpund Tourismusinfrastruktur Steinschlag und Murgänge gefährden die Verkehrsinfrastruktur Hochwasser und Murgänge gefährden die Talzone Quelle: www.raonline.ch / Grafik: sofie

Das Auftauen des Permafrosts in den Alpen hat Auswirkungen von den obersten Regionen bis hinunter ins Tal.

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Das Auftauen des Permafrosts in den arktischen und in anderen Weltregionen hat aber auch direkten Einfluss auf die Lebenssituation der Menschen: Das Aufweichen der Böden führt dazu, dass in Sibirien, Alaska, Kanada oder Tibet Häuser, Brücken, Ölpipelines und Strassen in Schieflage geraten und die Landschaften weitflächig unbewohnbar werden (siehe Seite 4). Matterhorn – das Schweizer Wahrzeichen bröckelt Die Schweiz hat im Sommer 2003 eine Vorwarnung erhalten, was auftauender Permafrost anrichten kann: Felswände, von Jahrtausende altem Eis zusammengehalten, werden allmählich brüchig und die Zahl der Felsstürze nimmt zu. Man geht davon aus, dass vier bis sechs Prozent der Fläche in der Schweiz einen PermafrostUntergrund haben. Hänge und Felswände mit Permafrost stellen in den Alpen das grösste klimabedingte Gefahrenpotenzial dar. Obwohl das Auftauen des Permafrosts in der Schweiz mit riesigen Kosten und Problemen für die betroffene Bevölkerung verbunden ist, hat er keinen entscheidenden Einfluss auf das globale Klima. Am 15. Juli im Hitzesommer 2003 ereignete sich am Matterhorn auf der Höhe des Hörnligrats ein Felsabbruch. Rund 70 Alpinisten hatten riesiges Glück, dass sie nicht fortgerissen wurden. Die internationalen Medien berichteten gross über das Ereignis und stellten die Frage, ob das

Atlantische Meeresströmungen: Der Golfstrom versorgt Europa mit Wärme. Die Zuführung von immer mehr Süsswasser in den Nordatlantik durch geschmolzenes Eis wird die für Nordeuropa wichtige Zirkulation von kalten und warmen Meeresströmungen stören. Zirkuliert der Golfstrom nicht mehr, kann es zu regionalen Abkühlungen kommen. Polares Eis: In den letzten 130 Jahren ist bereits ein Drittel des arktischen Eises geschmolzen. Die Sonnenstrahlen werden von der Eisfläche nicht mehr in den Weltraum zurückreflektiert, sondern heizen die umliegenden Meere noch mehr auf. Der Meeresspiegel könnte dadurch um zwei bis sieben Meter steigen. Sibirien: Wenn der Permafrost taut, verlieren die Bäume ihre Stabilität. Riesige Waldgebiete sind betroffen. Die Bäume werden krankheits-

anfällig, während neue, besser angepasste Arten nicht schnell genug heimisch werden können. Die Konsequenz ist, dass sich die CO2-Bilanz der Erde nochmals verschlechtert. Amazonas: Der Amazonas-Urwald bindet riesige Mengen an CO2 . Man spricht vom Amazonas auch als «Kohlenstoffsenke». Durch die vom Menschen verursachte Rodung gibt der Amazonas dieses CO2 ab und wird zu einer Kohlenstoffquelle. Die Folgen davon sind der Verlust der Artenvielfalt und das Ausbleiben von Regen. Tropische Monsune in Westafrika und Indien: Voraussetzung für die Entstehung der Mon­ sune, die in vielen Regionen der Tropen für die lebenswichtigen Regenmengen sorgen, ist ein markantes Temperaturgefälle zwischen Meer und Land. Veränderungen in den Meerwassertemperaturen oder Dunstglocken wegen der Luftverschmutzung, etwa in Indien, stören diese Wetterzyklen. Das heisst, dass weniger Regen fällt und Dürre herrscht. In Asien und Afrika hängt die landwirtschaftliche Nahrungsmittelversorgung eines Drittels der gesamten Weltbevölkerung von diesen Regenfällen ab. Allerdings gibt es für die Sahara das positive Szenario, dass mehr Niederschlag fällt und die Menschen dort davon profitieren.

Symbol der Schweiz – das Matterhorn – bald ganz verschwinden könnte. Denn gerade beim Matterhorn ist denkbar, dass Teile wegbröckeln, da es in seinem Inneren stark vom Permafrost durchdrungen ist. Wangpo Tethong ist Mitarbeiter des Kampagnenforums.ch. WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/klima Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Das Beispiel der Stieregghütte oberhalb Grindelwald zeigt, was das Auftauen des Permafrostes für Folgen haben kann. Hoch über dieser Hütte taute Permafrost auf, worauf das Gestein seinen Halt verlor und von heftigen Gewitterschauern ins Tal gespült wurde. Dort riss der angeschwollene Bach so viel vom Hang weg, dss das Gasthaus aufgegeben werden musste.

Schneider/Greenpeace

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Klima Kippelemente: Nicht alle Klimaprozesse verlaufen linear

Die Natur wird uns die Veränderungen der Umwelt durch den Klimawandel nicht in wohldosierten Portionen verabreichen. Dafür ist das Phänomen des «Kippeffekts» verantwortlich: Ein Prozess kann sich ab einem bestimmten Punkt drastisch verändern – eben kippen – und sich zum Beispiel stark beschleunigen und dann langfristige, eventuell unumkehrbare Veränderungen von überregionalem Ausmass auslösen.

Keller

Die unsichtbare Gefahr im Untergrund

Greenpeace/Sjolander

Die Kontur des Matterhorns (linkes Bild) könnte sich durch die Klimaerwärmung sichtbar verändern, da es vom Permafrost zusammengehalten wird. Wenn dieser auftaut, dürften grosste Teile abbröckeln. Eiskristalle im Permafrost-Institut in Yakutsk, Russland. Hier studieren Wissenschafter die Veränderungen in der dortigen Permafrost-Region.

Text Wangpo Tethong Steigende Meeresspiegel, Verwüstungen durch Unwetter und schmelzende Gletscher sind klimabedingte Veränderungen der Natur, die sich ins Bewusstsein eingeprägt haben. Beim Permafrost sieht es anders aus: Die gigantischen Klimaprobleme, die das Auftauen des arktischen Permafrosts verursacht, sind bislang nur Fachleuten richtig bewusst. Von Permafrost spricht man, wenn die Temperatur des Untergrunds – das kann der Erdboden, Fels, Schutt, aber auch Wasser sein – während mindestens zwei Jahren unter null Grad liegt. Gletscher oder offene Eisflächen zählen nicht zum Permafrost. Permafrost kommt zum einen in den kalten Regionen im Norden und Süden der Erde vor, zum anderen in hochgelegenen Gebirgsregionen wie zum Beispiel auf dem tibetischen Hochplateau, in den südamerikanischen Anden oder in den Alpen. Permafrost findet sich aber auch auf dem Meeresgrund. In den Alpen kann er einige Meter dick sein oder bis zu mehreren hundert Meter in Felsformationen hineinreichen. In Alaska, Kanada oder Sibirien kann die Schicht weit über 1000 Meter dick werden. Das Auftauen der Permafrostböden in Nordamerika und Sibirien, wo die Temperatur im Verlauf des 20. Jahrhunderts stellenweise um bis zu 5 Grad gestiegen ist, könnte verhängnisvolle Folgen

für das Klima haben. Der Grund ist, dass Permafrostböden Schätzungen zufolge bis zu 1600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert haben. Erwärmt sich der Boden, wird der Kohlenstoff freigesetzt. Ist dabei nicht genügend Sauerstoff vorhanden, setzen Fäulnisprozesse ein, in deren Verlauf Mikroben den Kohlenstoff zu Methan umwandeln. Riesige Mengen von Methangas, dessen Treibhausgaswirkung 21-mal intensiver ist als CO2 , könnten freigesetzt werden. Der submarine Permafrost ist noch stärker von dieser

Entwicklung betroffen, da er im Vergleich zum terrestrischen aufgrund der Wassertemperatur bereits erwärmt ist. Besorgte Wissenschaftler äusserten im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz Zweifel, ob die Politik genügend gut verstanden habe, dass Veränderungen wie jene im arktischen Permafrost irreversible Folgeprozesse auslösen können, die zu einer weiteren Erwärmung der Erde führen. Klimawissenschaftler benutzen für dieses Phänomen den Ausdruck «Kippelement» (siehe Kasten).

Bergrestaurant Permafrostzone Abtragung 3000 m ü. M.

Bergbahn Alp 2000 m ü. M.

Bergkurort 1000 m ü. M.

Dorf

Hauptstrasse

Strasse Bahnlinie Autobahn

Gebäude- und Liftfundamente werden instabil Steinschlag gefährdet Wanderwege und Alpweiden Murgänge gefährden Alpund Tourismusinfrastruktur Steinschlag und Murgänge gefährden die Verkehrsinfrastruktur Hochwasser und Murgänge gefährden die Talzone Quelle: www.raonline.ch / Grafik: sofie

Das Auftauen des Permafrosts in den Alpen hat Auswirkungen von den obersten Regionen bis hinunter ins Tal.

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Das Auftauen des Permafrosts in den arktischen und in anderen Weltregionen hat aber auch direkten Einfluss auf die Lebenssituation der Menschen: Das Aufweichen der Böden führt dazu, dass in Sibirien, Alaska, Kanada oder Tibet Häuser, Brücken, Ölpipelines und Strassen in Schieflage geraten und die Landschaften weitflächig unbewohnbar werden (siehe Seite 4). Matterhorn – das Schweizer Wahrzeichen bröckelt Die Schweiz hat im Sommer 2003 eine Vorwarnung erhalten, was auftauender Permafrost anrichten kann: Felswände, von Jahrtausende altem Eis zusammengehalten, werden allmählich brüchig und die Zahl der Felsstürze nimmt zu. Man geht davon aus, dass vier bis sechs Prozent der Fläche in der Schweiz einen PermafrostUntergrund haben. Hänge und Felswände mit Permafrost stellen in den Alpen das grösste klimabedingte Gefahrenpotenzial dar. Obwohl das Auftauen des Permafrosts in der Schweiz mit riesigen Kosten und Problemen für die betroffene Bevölkerung verbunden ist, hat er keinen entscheidenden Einfluss auf das globale Klima. Am 15. Juli im Hitzesommer 2003 ereignete sich am Matterhorn auf der Höhe des Hörnligrats ein Felsabbruch. Rund 70 Alpinisten hatten riesiges Glück, dass sie nicht fortgerissen wurden. Die internationalen Medien berichteten gross über das Ereignis und stellten die Frage, ob das

Atlantische Meeresströmungen: Der Golfstrom versorgt Europa mit Wärme. Die Zuführung von immer mehr Süsswasser in den Nordatlantik durch geschmolzenes Eis wird die für Nordeuropa wichtige Zirkulation von kalten und warmen Meeresströmungen stören. Zirkuliert der Golfstrom nicht mehr, kann es zu regionalen Abkühlungen kommen. Polares Eis: In den letzten 130 Jahren ist bereits ein Drittel des arktischen Eises geschmolzen. Die Sonnenstrahlen werden von der Eisfläche nicht mehr in den Weltraum zurückreflektiert, sondern heizen die umliegenden Meere noch mehr auf. Der Meeresspiegel könnte dadurch um zwei bis sieben Meter steigen. Sibirien: Wenn der Permafrost taut, verlieren die Bäume ihre Stabilität. Riesige Waldgebiete sind betroffen. Die Bäume werden krankheits-

anfällig, während neue, besser angepasste Arten nicht schnell genug heimisch werden können. Die Konsequenz ist, dass sich die CO2-Bilanz der Erde nochmals verschlechtert. Amazonas: Der Amazonas-Urwald bindet riesige Mengen an CO2 . Man spricht vom Amazonas auch als «Kohlenstoffsenke». Durch die vom Menschen verursachte Rodung gibt der Amazonas dieses CO2 ab und wird zu einer Kohlenstoffquelle. Die Folgen davon sind der Verlust der Artenvielfalt und das Ausbleiben von Regen. Tropische Monsune in Westafrika und Indien: Voraussetzung für die Entstehung der Mon­ sune, die in vielen Regionen der Tropen für die lebenswichtigen Regenmengen sorgen, ist ein markantes Temperaturgefälle zwischen Meer und Land. Veränderungen in den Meerwassertemperaturen oder Dunstglocken wegen der Luftverschmutzung, etwa in Indien, stören diese Wetterzyklen. Das heisst, dass weniger Regen fällt und Dürre herrscht. In Asien und Afrika hängt die landwirtschaftliche Nahrungsmittelversorgung eines Drittels der gesamten Weltbevölkerung von diesen Regenfällen ab. Allerdings gibt es für die Sahara das positive Szenario, dass mehr Niederschlag fällt und die Menschen dort davon profitieren.

Symbol der Schweiz – das Matterhorn – bald ganz verschwinden könnte. Denn gerade beim Matterhorn ist denkbar, dass Teile wegbröckeln, da es in seinem Inneren stark vom Permafrost durchdrungen ist. Wangpo Tethong ist Mitarbeiter des Kampagnenforums.ch. WWW Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/klima Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Das Beispiel der Stieregghütte oberhalb Grindelwald zeigt, was das Auftauen des Permafrostes für Folgen haben kann. Hoch über dieser Hütte taute Permafrost auf, worauf das Gestein seinen Halt verlor und von heftigen Gewitterschauern ins Tal gespült wurde. Dort riss der angeschwollene Bach so viel vom Hang weg, dss das Gasthaus aufgegeben werden musste.

Schneider/Greenpeace

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Klima

Weltweite Auswirkungen: Inselstaaten im Pazifik klagen auf Anregung von Greenpeace bei der tschechischen Umweltbehörde gegen das Kraftwerk in Prunerov, Tschechien (Bild links). Greenpeace versucht vermehrt, Umweltschutz per Gerichtsentscheid durchzusetzen (rechts: Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit).

«Klimaklagen können die Ungerechtigkeit aufzeigen und politischen Druck bewirken» Interview Cyrill Studer

Zum anderen sammelten Greenpeace und die gesamte Umweltbewegung wertvolle Erfahrungen – die in zukünftige Klima-Klagen einfliessen können. Die «Klimagerechtigkeit» steht dabei im Zentrum. Unter diesem Motto stand die friedliche Demonstration während der Konferenz. Sie vereinigte 100 000 Teilnehmende: eine selbstbewusste und gut vernetzte Klimabewegung, die weit über die traditionellen Ökokreise hinausreicht. Am Schluss war in Kopenhagen aber klar, dass die politischen Verantwortlichen noch immer nicht Handeln wollen. Für viele vom Klimawandel Betroffenen dürfte deshalb der juristische Weg ein nächster logischer Schritt sein (siehe nebenstehendes Interview). Greenpeace/Ibrahimoviç

KEYSTONE/CARO/Oberhaeuser

Klimaklagen: Eine neue Dimension im internationalen Völkerrecht Text Cyrill Studer Im vergangenen Jahr trat das Bundesgericht auf Klagen von Betroffenen für das Recht auf gute Luft aus formalen Gründen nicht ein. Trotzdem können solche Gerichtsfälle eine neue Dimension im Kampf für die Erhaltung der Umwelt eröffnen. Wie dies aussehen kann, zeigt eine Klage der mikronesischen Inseln gegen ein Kraftwerkprojekt in der Tschechischen Republik.

«Wir haben unsere Aktion stellvertretend für viele andere Kinder und Erwachsene in der Schweiz durchgezogen, die unter der ungesunden Luft ebenso leiden wie unser Sohn Thierry.» Dies sagte vor dreieinhalb Jahren Valentine Vogel, die

«Die Betroffenen wurden von vielen Behörden als ernstzunehmendes Gegenüber wahrgenommen, denn sie schafften Öffentlichkeit.»

zusammen mit weiteren Betroffenen und mit der Unterstützung von Greenpeace beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) das Recht auf gute Luft einforderte. Konkret verlangte die Gruppe unter anderem eine Partikelfilter-Pflicht für Dieselfahrzeuge, die Einführung einer CO2-Abgabe und die Halbierung des Treibstoffverbrauchs bei Neuwagen bis 2010. Da den Klägerinnen und Klägern die Ant-

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wort des BAFU nicht genügte, gingen sie bis vor Bundesgericht. Dieses entschied im vergangenen März, auf die Klage nicht einzutreten, mit der Begründung, das BAFU sei für dieses Anliegen nicht zuständig.

Trotz der bescheidenen juristischen Bilanz gibt es positive Ergebnisse: Zum einen wurden die Betroffenen von vielen Behörden als ernstzunehmendes Gegenüber wahrgenommen, denn sie schafften Öffentlichkeit für die Problematik der Luftschadstoffe und riefen Diskussionen in juristischen Gremien hervor. In etlichen Kantonen wurden sogar die Massnahmen im Luftreinhaltungsbereich aufgearbeitet.

Ein Anfang wurde bereits gemacht: Der tschechische Energiekonzern CEZ plant, die Laufzeit seines Kohlekraftwerks Prunerov durch Umbauten zu verlängern. Das tschechische Recht erlaubt bei solch grossen Projekten die Mitsprache allfälliger Betroffener, was bisher allerdings bloss im regionalen Rahmen verstanden wurde. In diesem Fall allerdings machte Greenpeace die Verantwortlichen der 12 000 Kilometer entfernten Inselstaaten Mikronesiens auf die negativen Umweltauswirkungen aufmerksam, worauf sie tatsächlich an die tschechische Umweltbehörde gelangten. Diese muss nun die von Prunerov ausgehenden Gefahren für die Pazifikinseln beurteilen, die durch einen erhöhten Meeresspiegel unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind. Dieser erste Schritt hin zu mehr Klimagerechtigkeit zeigte bereits weitreichende Auswirkungen: Internationale Medien berichteten, Diskussionen um die Klimagerechtigkeit folgten und selbst im stark von der Kohle abhängigen Tschechien wurde der Intervention grosse Sympathie entgegengebracht.

Der Rechtsprofessor Alain Griffel sieht in Klimaklagen eine Chance, das Völkerrecht so weiterzuentwickeln, dass internationale Gerechtigkeit darin berücksichtigt wird. Alain Griffel, was dachten Sie, als Sie das erste Mal von der «Recht auf gute Luft»-Klage hörten? Ich hatte grosses Verständnis dafür, werden doch mehrere Grenzwerte von gesundheitsschädigenden Stoffen seit 20 Jahren nicht eingehalten. Trotzdem gab ich dem Anliegen auf dem nationalen Parkett wenig Chancen. Deshalb war es auch sinnvoll – wie von Greenpeace von Beginn weg kommuniziert –, die Klage bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg weiterzuziehen. Nach dem negativen Bundesgerichtsentscheid wurde sie aber fallengelassen. Zu meiner Überraschung wollte sich das Bundesgericht inhaltlich nicht zum Anliegen äussern. Dabei zog es offensichtlich die Notbremse und wählte einen etwas spitzfindigen Hinterausgang, indem es die Verletzung des Rügeprinzips vorschob, was bei Fällen von einem solchen öffentlichen Interesse sonst nicht passiert. Mit dieser neuen Ausgangslage wäre die Klage in Strassburg chancenlos gewesen. So wurde die Chance vertan, dass das EGMR den Schutz der Privatsphäre gemäss Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskommission im Sinn der Kläger hätte weiterentwickeln können. Ein solches Urteil hätte auch in der Schweiz beachtet werden müssen.

Hat die Klage Ihrer Meinung nach trotzdem etwas gebracht? Auf jeden Fall. Das Recht ist nicht statisch, sondern entwickelt sich ständig weiter: einerseits von unten nach oben im Rahmen des politischen Prozesses, anderseits durch die Bearbeitung konkreter Fälle. Das Anliegen der Betroffenen wurde von den Politikern, den Behörden und der Öffentlichkeit wahrgenommen und es gab kaum Stimmen, die ihnen das Recht auf gute Luft grundsätzlich absprechen wollten. Die Luftqualität verbessert sich langsam. Inzwischen zeigt sich aber mit dem Klimawandel eine neue Ungerechtigkeit, und die Politik scheint nicht willens, diese zu bekämpfen. Wird die Justiz diese Lücke in Zukunft füllen müssen? Auch offensichtliche Ungerechtigkeiten können juristisch bloss mit der vorhandenen Gesetzesgrundlage bekämpft werden. Die Politik wird sich hüten, Gesetze zu schaffen, mit denen beispielsweise Klimaflüchtlinge Genugtuung fordern könnten. Trotzdem: Klimaklagen können die Ungerechtigkeit exemplarisch aufzeigen und so politischen Druck zugunsten der Betroffenen erwirken, aber auch das Völkerrecht voranbringen. Der Fall Tschechien/Mikronesien (siehe nebenstehenden Artikel) könnte beispielsweise das Nachbarschaftsrecht neu definieren und weiteren Klagen den Weg bereiten. Welche Rolle könnte die Schweiz für der Klimagerechtigkeit spielen? Die Schweiz hatte sich im 20. Jahrhundert stark für ein humanitären Völkerrecht eingesetzt, welches zu den Genfer Konventionen führte. In dieser Tradition der «guten Dienste» könnte die Schweiz eine Ausweitung des Völkerrechts rund um klimagerechte Aspekte anstossen.

Cyrill Studer ist Klima- und Energiekampaigner bei Greenpeace Schweiz.

Alain Griffel (links) ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht
mit Schwerpunkt Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht an der Universität Zürich.

WWW

WWW

Mehr dazu auf www.recht-auf-gute-luft.ch und www.greenpeace.ch/magazin

Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/wald Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Griffel

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Klima

Weltweite Auswirkungen: Inselstaaten im Pazifik klagen auf Anregung von Greenpeace bei der tschechischen Umweltbehörde gegen das Kraftwerk in Prunerov, Tschechien (Bild links). Greenpeace versucht vermehrt, Umweltschutz per Gerichtsentscheid durchzusetzen (rechts: Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit).

«Klimaklagen können die Ungerechtigkeit aufzeigen und politischen Druck bewirken» Interview Cyrill Studer

Zum anderen sammelten Greenpeace und die gesamte Umweltbewegung wertvolle Erfahrungen – die in zukünftige Klima-Klagen einfliessen können. Die «Klimagerechtigkeit» steht dabei im Zentrum. Unter diesem Motto stand die friedliche Demonstration während der Konferenz. Sie vereinigte 100 000 Teilnehmende: eine selbstbewusste und gut vernetzte Klimabewegung, die weit über die traditionellen Ökokreise hinausreicht. Am Schluss war in Kopenhagen aber klar, dass die politischen Verantwortlichen noch immer nicht Handeln wollen. Für viele vom Klimawandel Betroffenen dürfte deshalb der juristische Weg ein nächster logischer Schritt sein (siehe nebenstehendes Interview). Greenpeace/Ibrahimoviç

KEYSTONE/CARO/Oberhaeuser

Klimaklagen: Eine neue Dimension im internationalen Völkerrecht Text Cyrill Studer Im vergangenen Jahr trat das Bundesgericht auf Klagen von Betroffenen für das Recht auf gute Luft aus formalen Gründen nicht ein. Trotzdem können solche Gerichtsfälle eine neue Dimension im Kampf für die Erhaltung der Umwelt eröffnen. Wie dies aussehen kann, zeigt eine Klage der mikronesischen Inseln gegen ein Kraftwerkprojekt in der Tschechischen Republik.

«Wir haben unsere Aktion stellvertretend für viele andere Kinder und Erwachsene in der Schweiz durchgezogen, die unter der ungesunden Luft ebenso leiden wie unser Sohn Thierry.» Dies sagte vor dreieinhalb Jahren Valentine Vogel, die

«Die Betroffenen wurden von vielen Behörden als ernstzunehmendes Gegenüber wahrgenommen, denn sie schafften Öffentlichkeit.»

zusammen mit weiteren Betroffenen und mit der Unterstützung von Greenpeace beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) das Recht auf gute Luft einforderte. Konkret verlangte die Gruppe unter anderem eine Partikelfilter-Pflicht für Dieselfahrzeuge, die Einführung einer CO2-Abgabe und die Halbierung des Treibstoffverbrauchs bei Neuwagen bis 2010. Da den Klägerinnen und Klägern die Ant-

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wort des BAFU nicht genügte, gingen sie bis vor Bundesgericht. Dieses entschied im vergangenen März, auf die Klage nicht einzutreten, mit der Begründung, das BAFU sei für dieses Anliegen nicht zuständig.

Trotz der bescheidenen juristischen Bilanz gibt es positive Ergebnisse: Zum einen wurden die Betroffenen von vielen Behörden als ernstzunehmendes Gegenüber wahrgenommen, denn sie schafften Öffentlichkeit für die Problematik der Luftschadstoffe und riefen Diskussionen in juristischen Gremien hervor. In etlichen Kantonen wurden sogar die Massnahmen im Luftreinhaltungsbereich aufgearbeitet.

Ein Anfang wurde bereits gemacht: Der tschechische Energiekonzern CEZ plant, die Laufzeit seines Kohlekraftwerks Prunerov durch Umbauten zu verlängern. Das tschechische Recht erlaubt bei solch grossen Projekten die Mitsprache allfälliger Betroffener, was bisher allerdings bloss im regionalen Rahmen verstanden wurde. In diesem Fall allerdings machte Greenpeace die Verantwortlichen der 12 000 Kilometer entfernten Inselstaaten Mikronesiens auf die negativen Umweltauswirkungen aufmerksam, worauf sie tatsächlich an die tschechische Umweltbehörde gelangten. Diese muss nun die von Prunerov ausgehenden Gefahren für die Pazifikinseln beurteilen, die durch einen erhöhten Meeresspiegel unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind. Dieser erste Schritt hin zu mehr Klimagerechtigkeit zeigte bereits weitreichende Auswirkungen: Internationale Medien berichteten, Diskussionen um die Klimagerechtigkeit folgten und selbst im stark von der Kohle abhängigen Tschechien wurde der Intervention grosse Sympathie entgegengebracht.

Der Rechtsprofessor Alain Griffel sieht in Klimaklagen eine Chance, das Völkerrecht so weiterzuentwickeln, dass internationale Gerechtigkeit darin berücksichtigt wird. Alain Griffel, was dachten Sie, als Sie das erste Mal von der «Recht auf gute Luft»-Klage hörten? Ich hatte grosses Verständnis dafür, werden doch mehrere Grenzwerte von gesundheitsschädigenden Stoffen seit 20 Jahren nicht eingehalten. Trotzdem gab ich dem Anliegen auf dem nationalen Parkett wenig Chancen. Deshalb war es auch sinnvoll – wie von Greenpeace von Beginn weg kommuniziert –, die Klage bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg weiterzuziehen. Nach dem negativen Bundesgerichtsentscheid wurde sie aber fallengelassen. Zu meiner Überraschung wollte sich das Bundesgericht inhaltlich nicht zum Anliegen äussern. Dabei zog es offensichtlich die Notbremse und wählte einen etwas spitzfindigen Hinterausgang, indem es die Verletzung des Rügeprinzips vorschob, was bei Fällen von einem solchen öffentlichen Interesse sonst nicht passiert. Mit dieser neuen Ausgangslage wäre die Klage in Strassburg chancenlos gewesen. So wurde die Chance vertan, dass das EGMR den Schutz der Privatsphäre gemäss Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskommission im Sinn der Kläger hätte weiterentwickeln können. Ein solches Urteil hätte auch in der Schweiz beachtet werden müssen.

Hat die Klage Ihrer Meinung nach trotzdem etwas gebracht? Auf jeden Fall. Das Recht ist nicht statisch, sondern entwickelt sich ständig weiter: einerseits von unten nach oben im Rahmen des politischen Prozesses, anderseits durch die Bearbeitung konkreter Fälle. Das Anliegen der Betroffenen wurde von den Politikern, den Behörden und der Öffentlichkeit wahrgenommen und es gab kaum Stimmen, die ihnen das Recht auf gute Luft grundsätzlich absprechen wollten. Die Luftqualität verbessert sich langsam. Inzwischen zeigt sich aber mit dem Klimawandel eine neue Ungerechtigkeit, und die Politik scheint nicht willens, diese zu bekämpfen. Wird die Justiz diese Lücke in Zukunft füllen müssen? Auch offensichtliche Ungerechtigkeiten können juristisch bloss mit der vorhandenen Gesetzesgrundlage bekämpft werden. Die Politik wird sich hüten, Gesetze zu schaffen, mit denen beispielsweise Klimaflüchtlinge Genugtuung fordern könnten. Trotzdem: Klimaklagen können die Ungerechtigkeit exemplarisch aufzeigen und so politischen Druck zugunsten der Betroffenen erwirken, aber auch das Völkerrecht voranbringen. Der Fall Tschechien/Mikronesien (siehe nebenstehenden Artikel) könnte beispielsweise das Nachbarschaftsrecht neu definieren und weiteren Klagen den Weg bereiten. Welche Rolle könnte die Schweiz für der Klimagerechtigkeit spielen? Die Schweiz hatte sich im 20. Jahrhundert stark für ein humanitären Völkerrecht eingesetzt, welches zu den Genfer Konventionen führte. In dieser Tradition der «guten Dienste» könnte die Schweiz eine Ausweitung des Völkerrechts rund um klimagerechte Aspekte anstossen.

Cyrill Studer ist Klima- und Energiekampaigner bei Greenpeace Schweiz.

Alain Griffel (links) ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht
mit Schwerpunkt Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht an der Universität Zürich.

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Mehr dazu auf www.recht-auf-gute-luft.ch und www.greenpeace.ch/magazin

Mehr zum Thema auf www.greenpeace.ch/wald Kommentieren auf www.greenpeace.ch/magazin

Griffel

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Engagement

Das Greenpeace-Schiff «Rainbow Warrior» mit einem Banner «Meeresschutzgebiete Jetzt!» im Mittelmeer, dahinter Netzkäfige zur Aufzucht von Thunfischen (linkes Bild). Im Rahmen der gleichen Kampagne bringen Taucher Banner mit dem selben Text in Englisch, Türkisch, Hebräisch und Arabisch im Meer aus (rechtes Bild).

Greenpeace/Akad

Greenpeace/Grace

Umweltschutz am Bosporus: Das Bewusstsein wächst Text Claudio De Boni Von der Millionenmetropole Istanbul aus koordiniert Greenpeace die Kampagnen in den Mittelmeerländern. Die Arbeit ist zäh. Doch das Umweltbewusstsein in der Region steigt, und es gibt erste Erfolge zu vermelden Langsam und mit ohrenbetäubendem Lärm schiebt sich die Strassenwischmaschine durch die breiten Einkaufsstrassen des Istiklal Caddesi und macht sie bereit für den Menschenansturm, der das tagsüber ruhige Quartier jeden Abend in ein lebendiges Spektakel verwandelt. Es ist 40 Grad warm. Hier, im modernen Herzen Istanbuls, reichen sich Orient und Europa die Hand. Hier trinken die geschminkte 20-Jährige im Comicshirt und ihre Freundin mit Burka ein Bier. Und hier, gleich bei Starbucks um die Ecke, liegt das Hauptquartier von Greenpeace Mediterranean. Von hier aus werden die Aktivitäten im östlichen Mittelmeerraum, in Israel, Libanon, Malta und natürlich der Türkei organisiert. Freiwillige, Fundraiser und Interessierte von der Strasse beleben das offene Grossraum­ büro. Die meisten von ihnen sind in Diskussionen verwickelt. Direktor Uygar Özesmi bereitet sich auf ein Interview vor, das er in einer Stunde einer Fernsehstation geben wird. Thema sind die

Fischfarmen und ihre ökologischen Gefahren für andere Meeresbewohner. Biodiversität im Wasser ist der Schwerpunkt der Kampagne in der Region. Neben zu vielen Fischfarmen bedrohen vor allem die Überfischung der Meere, die Verschmutzung durch Industrie und Tourismus sowie die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels die Artenvielfalt im Wasser. Özesmi: «Es braucht ein weltumspannendes Netz von Gebieten, wo sich die Fische zurückziehen und vermehren können – analog zu den

Staudamm massgeblich aufgebaut hat. Heute ist er Chef von rund 40 Angestellten in Israel, Libanon und der Türkei. Dazu kommen in der Türkei Hunderte von Freiwilligen und pro Land etwa 30 Aktivisten, die ziemlich viel Courage mitbringen müssen, denn ziviler Ungehorsam wird hier nicht einfach so toleriert wie in der Schweiz. Die Strafen sind höher und die Polizei schlägt auch mal etwas heftiger zu. Doch in den letzten Jahren habe sich das Verhältnis der NGOs zur Regierung etwas normalisiert, erklärt er. Greenpeace hat viel dazu beigetragen: 40 000 Unterstützer hat die Organisation vor Ort, die Hälfte davon in der Türkei, den Rest im Libanon und in Israel. Eine der Freiwilligen ist die 34-jährige Asu Sanem Kaya, die ohne Bezahlung ein neues Jugendprogramm aufbaut. Will man den Planeten retten, ist sie sich sicher, muss man bei der In-

viel Zeit, weil die Lösung nur weniger Fischkonsum- und -handel bedeuten kann», sagt er. Immerhin: Auf Druck von Greenpeace wurde das erste Meeresschutzgebiet im Libanon errichtet. Erfolge können die Umweltschützer in dieser Region aber woanders verzeichnen: im Bereich Klima und Energie. So hat Greenpeace 10 000 Unterschriften gegen den Bau eines Kohlekraftwerks gesammelt und dieses damit verhindert. In die gleiche Kategorie gehört die Einführung eines Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien

in Israel. Eigentlich naheliegend: Die Sonneneinstrahlung ist in der Region besonders hoch und die Türkei gehört zu den grössten Produzenten von solaren Warmwasserkollektoren weltweit. Özesmis Ziele sind hoch gesteckt: «Wir versuchen jede Entscheidung zu bekämpfen, die der Umwelt schadet», sagt der promovierte Umweltwissenschaftler, der auch schon für die UNO gearbeitet hat und in einer anderen Umweltgruppe den Widerstand gegen den türkischen Ilisu-

Claudio de Boni schreibt regelmässig für das Magazin greenpeace.

Greenpeace/Gleizes

Uygar Özesmi von Greenpeace Mediterranean: «Bald stehen wir finanziell auf eigenen Beinen.»

Sushi macht dem Thunfisch den Garaus

«Es braucht ein Netz von Gebieten, wo sich die Fische zurückziehen und vermehren können – analog zu den Naturparks an Land.» Naturparks an Land. Andernfalls lebt im Mittelmeer bald nichts mehr.» Von den 20 bis 50 Prozent Schutzgebieten, die von Wissenschaftlern gefordert werden, ist man aber noch meilenweit entfernt. Zu nicht einmal 1 Prozent haben sich die Anrainerstaaten des Mittelmeers bisher verpflichten lassen. Im Fokus von Greenpeace Mediterranean steht momentan vor allem die Thunfischindustrie (siehe Kasten). «Doch die Fortschritte brauchen

formation der Jugend anfangen. Das Rüstzeug dazu hat sie in der Schweiz bekommen, von Kuno Roth, der vor gut 20 Jahren Programme wie das JugendSolarProjekt oder Schulbesuche in der Schweiz initiiert hat. «Eine sehr wertvolle Arbeit für uns», sagt Asu. Es gibt in der Region noch nichts Vergleichbares. «Wir sind immer noch am Aufbauen» stellt Özesmi fest. Zurzeit kommen noch zehn Prozent des Budgets von Greenpeace International, davon ein Teil aus der Schweiz. «Doch das Bewusstsein der Umweltprobleme nimmt auch bei uns zu, und bald werden wir finanziell auf eigenen Beinen stehen können.

Greenpeace/Care

Der Atlantische Rote Thunfisch (auch Nordatlantischer oder Blauflossen-Thunfisch) ist der grösste der Art: Er wird bis zu vier Meter lang und über 600 Kilo schwer. Weil er der weltweit beliebteste Sushi-Fisch ist, könnte er bereits 2012 ausgestorben sein. Dies lassen im Mittelmeer erhobene Bestandeszahlen fürchten. An der grössten Thunfisch-Auktion in Tokio, wo 80 Prozent des weltweit gefangenen Thunfischs gehandelt werden, hatten noch vor wenigen Jahren die meisten Fische eine Länge von zwei bis drei Metern. Heute sind nur noch Jungtiere von höchstens anderthalb Metern im Angebot. Für den Mitsubishi-Konzern, der 40 Prozent des Thunfisch-Weltmarkts kontrolliert, läuft das Sushi-Geschäft besser als der Absatz von Autos – Verzicht steht da nicht zur Debatte. Ebenso wenig sind die europäischen Fischereinationen bereit, die langfristige Erhaltung dieses Mittelmeerfisches über die kurzfristigen Interessen der Fischindustrie zu stellen: Die von der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände des Atlantiks (ICCAT)

im November festgelegten Fangquoten liegen um das Dreifache über den Empfehlungen ihrer eigenen Wissenschaftler. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: An der Artenschutzkonferenz (CITES) im März steht ein weltweites Handelsverbot für den Mittelmeer-Thun auf der Traktandenliste. Allerdings findet dieses bei den Mittelmeerländern – wie auch bei der Schweiz – bisher keine Unterstützung. Für uns Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Auf Thunfisch verzichten und Sushis bestellen, die von weniger gefährdeten Arten stammen. Bruno Heinzer ist Koordinator der Meereskampagne von Greenpeace Schweiz. WWW Sie finden unseren Fischführer sowie auch andere Ratgeber unter: www.greenpeace.ch/ downloadcenter

Der Atlantische Rote Thunfisch wird bis zu vier Meter lang. Als der beliebteste Sushi-Fisch ist er in seinem Bestand akut bedroht. Greenpeace fordert deshalb grosse Schutzgebiete. 20

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Engagement

Das Greenpeace-Schiff «Rainbow Warrior» mit einem Banner «Meeresschutzgebiete Jetzt!» im Mittelmeer, dahinter Netzkäfige zur Aufzucht von Thunfischen (linkes Bild). Im Rahmen der gleichen Kampagne bringen Taucher Banner mit dem selben Text in Englisch, Türkisch, Hebräisch und Arabisch im Meer aus (rechtes Bild).

Greenpeace/Akad

Greenpeace/Grace

Umweltschutz am Bosporus: Das Bewusstsein wächst Text Claudio De Boni Von der Millionenmetropole Istanbul aus koordiniert Greenpeace die Kampagnen in den Mittelmeerländern. Die Arbeit ist zäh. Doch das Umweltbewusstsein in der Region steigt, und es gibt erste Erfolge zu vermelden Langsam und mit ohrenbetäubendem Lärm schiebt sich die Strassenwischmaschine durch die breiten Einkaufsstrassen des Istiklal Caddesi und macht sie bereit für den Menschenansturm, der das tagsüber ruhige Quartier jeden Abend in ein lebendiges Spektakel verwandelt. Es ist 40 Grad warm. Hier, im modernen Herzen Istanbuls, reichen sich Orient und Europa die Hand. Hier trinken die geschminkte 20-Jährige im Comicshirt und ihre Freundin mit Burka ein Bier. Und hier, gleich bei Starbucks um die Ecke, liegt das Hauptquartier von Greenpeace Mediterranean. Von hier aus werden die Aktivitäten im östlichen Mittelmeerraum, in Israel, Libanon, Malta und natürlich der Türkei organisiert. Freiwillige, Fundraiser und Interessierte von der Strasse beleben das offene Grossraum­ büro. Die meisten von ihnen sind in Diskussionen verwickelt. Direktor Uygar Özesmi bereitet sich auf ein Interview vor, das er in einer Stunde einer Fernsehstation geben wird. Thema sind die

Fischfarmen und ihre ökologischen Gefahren für andere Meeresbewohner. Biodiversität im Wasser ist der Schwerpunkt der Kampagne in der Region. Neben zu vielen Fischfarmen bedrohen vor allem die Überfischung der Meere, die Verschmutzung durch Industrie und Tourismus sowie die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels die Artenvielfalt im Wasser. Özesmi: «Es braucht ein weltumspannendes Netz von Gebieten, wo sich die Fische zurückziehen und vermehren können – analog zu den

Staudamm massgeblich aufgebaut hat. Heute ist er Chef von rund 40 Angestellten in Israel, Libanon und der Türkei. Dazu kommen in der Türkei Hunderte von Freiwilligen und pro Land etwa 30 Aktivisten, die ziemlich viel Courage mitbringen müssen, denn ziviler Ungehorsam wird hier nicht einfach so toleriert wie in der Schweiz. Die Strafen sind höher und die Polizei schlägt auch mal etwas heftiger zu. Doch in den letzten Jahren habe sich das Verhältnis der NGOs zur Regierung etwas normalisiert, erklärt er. Greenpeace hat viel dazu beigetragen: 40 000 Unterstützer hat die Organisation vor Ort, die Hälfte davon in der Türkei, den Rest im Libanon und in Israel. Eine der Freiwilligen ist die 34-jährige Asu Sanem Kaya, die ohne Bezahlung ein neues Jugendprogramm aufbaut. Will man den Planeten retten, ist sie sich sicher, muss man bei der In-

viel Zeit, weil die Lösung nur weniger Fischkonsum- und -handel bedeuten kann», sagt er. Immerhin: Auf Druck von Greenpeace wurde das erste Meeresschutzgebiet im Libanon errichtet. Erfolge können die Umweltschützer in dieser Region aber woanders verzeichnen: im Bereich Klima und Energie. So hat Greenpeace 10 000 Unterschriften gegen den Bau eines Kohlekraftwerks gesammelt und dieses damit verhindert. In die gleiche Kategorie gehört die Einführung eines Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien

in Israel. Eigentlich naheliegend: Die Sonneneinstrahlung ist in der Region besonders hoch und die Türkei gehört zu den grössten Produzenten von solaren Warmwasserkollektoren weltweit. Özesmis Ziele sind hoch gesteckt: «Wir versuchen jede Entscheidung zu bekämpfen, die der Umwelt schadet», sagt der promovierte Umweltwissenschaftler, der auch schon für die UNO gearbeitet hat und in einer anderen Umweltgruppe den Widerstand gegen den türkischen Ilisu-

Claudio de Boni schreibt regelmässig für das Magazin greenpeace.

Greenpeace/Gleizes

Uygar Özesmi von Greenpeace Mediterranean: «Bald stehen wir finanziell auf eigenen Beinen.»

Sushi macht dem Thunfisch den Garaus

«Es braucht ein Netz von Gebieten, wo sich die Fische zurückziehen und vermehren können – analog zu den Naturparks an Land.» Naturparks an Land. Andernfalls lebt im Mittelmeer bald nichts mehr.» Von den 20 bis 50 Prozent Schutzgebieten, die von Wissenschaftlern gefordert werden, ist man aber noch meilenweit entfernt. Zu nicht einmal 1 Prozent haben sich die Anrainerstaaten des Mittelmeers bisher verpflichten lassen. Im Fokus von Greenpeace Mediterranean steht momentan vor allem die Thunfischindustrie (siehe Kasten). «Doch die Fortschritte brauchen

formation der Jugend anfangen. Das Rüstzeug dazu hat sie in der Schweiz bekommen, von Kuno Roth, der vor gut 20 Jahren Programme wie das JugendSolarProjekt oder Schulbesuche in der Schweiz initiiert hat. «Eine sehr wertvolle Arbeit für uns», sagt Asu. Es gibt in der Region noch nichts Vergleichbares. «Wir sind immer noch am Aufbauen» stellt Özesmi fest. Zurzeit kommen noch zehn Prozent des Budgets von Greenpeace International, davon ein Teil aus der Schweiz. «Doch das Bewusstsein der Umweltprobleme nimmt auch bei uns zu, und bald werden wir finanziell auf eigenen Beinen stehen können.

Greenpeace/Care

Der Atlantische Rote Thunfisch (auch Nordatlantischer oder Blauflossen-Thunfisch) ist der grösste der Art: Er wird bis zu vier Meter lang und über 600 Kilo schwer. Weil er der weltweit beliebteste Sushi-Fisch ist, könnte er bereits 2012 ausgestorben sein. Dies lassen im Mittelmeer erhobene Bestandeszahlen fürchten. An der grössten Thunfisch-Auktion in Tokio, wo 80 Prozent des weltweit gefangenen Thunfischs gehandelt werden, hatten noch vor wenigen Jahren die meisten Fische eine Länge von zwei bis drei Metern. Heute sind nur noch Jungtiere von höchstens anderthalb Metern im Angebot. Für den Mitsubishi-Konzern, der 40 Prozent des Thunfisch-Weltmarkts kontrolliert, läuft das Sushi-Geschäft besser als der Absatz von Autos – Verzicht steht da nicht zur Debatte. Ebenso wenig sind die europäischen Fischereinationen bereit, die langfristige Erhaltung dieses Mittelmeerfisches über die kurzfristigen Interessen der Fischindustrie zu stellen: Die von der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände des Atlantiks (ICCAT)

im November festgelegten Fangquoten liegen um das Dreifache über den Empfehlungen ihrer eigenen Wissenschaftler. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: An der Artenschutzkonferenz (CITES) im März steht ein weltweites Handelsverbot für den Mittelmeer-Thun auf der Traktandenliste. Allerdings findet dieses bei den Mittelmeerländern – wie auch bei der Schweiz – bisher keine Unterstützung. Für uns Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Auf Thunfisch verzichten und Sushis bestellen, die von weniger gefährdeten Arten stammen. Bruno Heinzer ist Koordinator der Meereskampagne von Greenpeace Schweiz. WWW Sie finden unseren Fischführer sowie auch andere Ratgeber unter: www.greenpeace.ch/ downloadcenter

Der Atlantische Rote Thunfisch wird bis zu vier Meter lang. Als der beliebteste Sushi-Fisch ist er in seinem Bestand akut bedroht. Greenpeace fordert deshalb grosse Schutzgebiete. 20

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Rezept

Öko-Wissen

eel

id K von Dav

Die Lösung des Rätsels finden Sie ab Anfang Juni unter www.greenpeace/magazin.

Boden, welcher das ganze Jahr über gefroren ist

Wellnessbad Geländeform

indigenes Volk der sibirischen Tundra

Elan, Schwung gleichgültig

Spielart beim Aucho (Jass)

Hafenstadt in Italien

zehn (englisch)

Zimmerpflanze, Flamingoblume

Kräuterkäse

9

Hauptstadt von Österreich

8

Schiffsanlegemauer im Hafen

Bär in der Fabel

1

zum Nennwert (Bankwesen)

Hauptstadt in Mitteleuropa

indische Wasserpfeife südamer. Staat unseres Erachtens (Abk.)

Fragewort König (frz.)

3

Schmerzenslaut Gattin des Lohengrin

Teil zum Verschliessen eines Schranks

voll entwickelt

Westeuropäerin

Roman von S. King Absender (Abk.)

kritische Prozesse im Klimasystem der Erde

Wintersportgerät Autokennzeichen für Tessin

Greenpeace verlost drei Bildbände «Planet der Wälder: Die grünen Paradiese der Erde»

helles Mineral

mit Fotos von Markus Mauthe und Texten von Thomas Henningsen. Senden Sie das richtige Lösungswort bis 28. Mai 2010 an redaktion@greenpeace.ch oder an die Redaktionsadresse (siehe Impressum Seite 3).

Plural (Abk.) Schweizer. Nationalbank (Abk.)

Pappel mit fast runden Blättern

Fahrzeugluftreifen Bankleitzahl (Abk.)

engl. Flächenmass südfranz. Hafen

5

indonesische Münze

anderes Wort für Aquakulturen: Fisch...

Autoz. Heil- und für Island Ziervenezolan. pflanze Bundesstaat

ehemalige DDRAgentur Kanton Budget

rechter Donauzufluss

Osten (frz.) Abk. für: Rhätische Bahn schweiz. Maler Flughafen bei Lugano

Träne (engl.) mongol.türk. Herrschertitel Sommer (frz.)

Tagesordnung (Abk.) Papageienvogel

englisch: Schmetterball beim Tennis

Kröte

Stadt im Kanton Zug Telefonzubehör (Abk.)

Dateiformat (Abk.)

Eidgenöss. Technische Hochschule (Abkürzung)

frz. männl. Artikel

6

2

Abk. für den US-Staat Nebraska

3

dünnes Teigplättchen

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Die Wettbewerbsbedingungen finden Sie unter www.greenpeace.ch/magazin. 22

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4 Schiedsrichter (Kurzwort)

Stadt auf Sizilien

2

Erbfaktor

Halbton unter D Autoz. für Andorra Schweizer Malerʆ

Hochziel, Vorbild

Film von Steven Spielberg

Ort am Luganersee

Speisesaal Gastronoin Burgen miebetrieb und ÜbungsKlöstern stück

1101642

7 das Jahr 2010 wird zum internationalen UNO-Jahr der ... erklärt

grösster Strom Afrikas

Lump, Taugenichts

1

Abk. für: Gigabyte geschlossen

schweizer. Malerʆ

schlimm, übel

vom Aussterben bedrohter Speisefisch aus dem Mittelmeer: ...thunfisch

Karpfenfisch

Mitglieder/Intern

Adieu l’Emile

Ihre Meinung

Irgendein Weiser hat geschrieben, in jedem Abschied sei ein Seufzen und ein Aufatmen. Ich sitze in der Küche, denke an Gabriele und betrachte meine Mitbringsel vom Spaziergang: Bärlauch und Löwenzahn. Es wird Frühling. Passt denn das zusammen: Frühling und Abschied? Sollte man die Liebste nicht im Herbst mit Erntedank verabschieden? Da gesellt sich Jacques Brel aus dem Radio dazu und singt: «Adieu l’Émile, je vais mourir.
C’est dur de mourir au printemps, tu sais ...» Na, so weit will ich nicht gehen und freue mich auf den Refrain: «Je veux qu’on rie, je veux qu’on danse.
Je veux qu’on s’amuse comme des fous. Je veux qu’on rie, Je veux qu’on danse, quand c’est qu’on me mettra dans le trou.» Der Radiosprecher erklärt, dass «Seasons in the sun», die englische Version von Terry Jacks, zwar erfolgreicher, aber viel trister sei und selbst die deutsche von Klaus Hoffman stimme einen trauriger. Da bleib ich bei Brel und überleg mir, was ich denn zur besungenen Beerdigung kochen könnte. All die «Liichemöhli» kommen mir in den Sinn: die kalten Aufschnittteller, der Schinken im Teig oder die gesottenen Würste. Häufig gab’s dazu Kartoffelsalat. Oder soll ich einen indianischen Friedhofseintopf zubereiten? Eine getoastete Scheibe Brot, mit Butter bestrichen, gesalzen und gepfeffert und im Suppenteller mit heisser Milch übergossen? Aldo Buzzi, der Autor und Feinschmecker, schwärmt von dieser Suppe. Der Leichenschmaus – welch spannender Brauch: Ein Essen, das nach der Beerdigung zeigt, dass das Leben weitergeht. Oft wird neben der Trauer auch Heiterkeit spürbar, wenn der Verstorbene in lustigen Geschichten wieder auflebt. Ich entscheide mich für Kartoffelsalat, gare ein paar festkochende Kartoffeln im Dampf, schäle sie und schneide sie in Scheiben. In heisser Gemüsebouillon lasse ich sie zwanzig Minuten ziehen. Derweil hacke ich eine Zwiebel, meinen Bärlauch und den Löwenzahn. Ich nehme die Kartoffeln aus dem Sud und gebe Zwiebel und Kräuter dazu, ferner eine Sauce aus Essig, Öl, Senf, dazu Pfeffer und Salz und ein paar Kapern. Da klingelt das Telefon: Gabriele. Sie sei gerade in der Gegend und wolle zum Essen kommen, den Weisswein bringe sie mit. Sie klingt nach Frühling. Dies ist meine letzte Rezeptkolumne in dieser Zeitschrift. Ich führe sie weiter in meinem Blog auf www.einfachkomplex.ch.

Klimakonferenz in Kopenhagen Es ist immer wieder unbegreiflich, wie Täter-Opfer-Verhältnisse verdreht werden: In Kopenhagen ging es um die lebensbedrohlichen Klimabedingungen, die vom Untergang bedrohten Länder und um bedrohte Menschen, Eltern und Kinder. Greenpeace-Aktivisten greifen diese Bedrohung auf und zeigen den Verantwortlichen dieser Welt die schlichte Forderung zum Handeln: «Politicans talk – Leaders act.» Dafür werden sie wochenlang in Haft genommen und mit harten Strafen bedroht. Die wirklichen Täter – weltweit in den oberen Etagen verstreut – wetteifern um maximale Aktiengewinne, streichen Boni ein, beuten Arbeitskräfte und Umwelt oft schamlos aus und treffen sich gemütlich zum Kaviardinner. Staatsoberhäupter organisieren Konferenzen, die Hunderte Millionen verschlingen, um unverrichteter Dinge und ohne verbindliche Ziele wieder abzureisen. Gehören nicht andere in Haft statt die friedlichen Greenpeace-Aktivisten, die das Theater mit einem genialen «Lausbubenstreich» kritisch hinterfragen? Sollten die Opfer weltweit nicht viel deutlicher ihre Stimme erheben? Eckhard Wolff, per E-Mail, Aarau

David Keel arbeitet als Greenpeace-Freelancer in der «einfachkomplex genossenschaft».

Informationen im WWW In Magazin greenpeace lese ich am Schluss von praktisch jedem Artikel: «Weitere Informationen über das Thema unter www ...» So auch beim Artikel zur Klimapetition des JugendSolarProjekts. Was aber, wenn man keinen PC hat? Ein PC ist ja auch nicht gerade umweltfreundlich ... M. Feller, Nidau

Tatkräftiger Einsatz im Wald? Das neue Jahresprogramm 2010 für freiwilligen Arbeitseinsätze im Bergwald finden Sie unter: www.bergwaldprojekt.org. oder unter info@greenpeace.ch

Nachruf Greenpeace trauert um einen Freund: Ernst Beyeler (1921-2010) Das Schicksal und die Bedrohung des Urwaldes war für den Basler Galeristen und Museumsgründer Ernst Beyeler ein grosses Anliegen. Fast zwei Jahrzehnte hat sich der charmante Gentlemen an der Seite von Greenpeace mit diversen Kunstaktionen, Benefiz-Veranstaltungen und schliesslich mit der Gründung seiner Stiftung „Kunst für den Tropenwald“ für die Rettung der letzten Urwälder eingesetzt. Sein Museum mitten im Grünen in Riehen zeigt, welch grossen Platz die Natur in seinem Denken und Schaffen einnahm. Ernst Beyeler ist am 25. Februar mit 88 Jahren friedlich eingeschlafen. Wir danken ihm von Herzen und bedauern, einen guten Freund und langjährigen, grosszügigen Unterstützer verloren zu haben. www.fondationbeyeler.ch

Greenpeace/Bonnardin

Ernst Beyeler im Gespräch mit Paulo Adario, Amazonas Kampagnenleiter, 2003

«Grüne Elektronik»: Greenpeace-Ratgeber für bewusste Elektronik-Käufer Im Rahmen der Consumer Electronics Show Anfang Januar in Las Vegas hat Greenpeace die 14. Ausgabe des Ratgebers «Grüne Elektronik» vorgestellt. Während inzwischen fast alle Produkte von Apple, Nokia und Sony Ericsson ohne gefährliche Chemikalien hergestellt werden, enttäuschen andere Hersteller in dieser Hinsicht. Apple, Nokia und Sony hatten den Verzicht auf die Verwendung von Polyvinylchlorid (PVC) und bromierten Flammschutzmitteln (BFR) bis Ende 2009 versprochen und hielten diese Ankündigungen ein. Zahlreiche andere Firmen wie Dell, Lenovo, LGE oder Samsung hatten dies ebenfalls angekündigt, sich dann aber

nicht an ihr Versprechen gehalten. Deshalb schneiden sie in der aktuellen Ausgabe der «Grünen Elektronik» deutlich schlechter ab als früher. Greenpeace fordert die Unternehmen auf, ihre Ankündigungen in die Tat umsetzen und auf gefährliche Chemikalien zu verzichten. Wirklich umweltbewusste Hersteller bieten nicht nur Elektronikprodukte an, die frei von PVC, BFR und chlorierten Flammschutzmitteln sind, sondern unterstützen zudem auch das gesetzliche Verbot dieser gefährlichen Chemikalien. Die neue Ausgabe von «Grüne Elektonik» ist zu finden unter www.greenpeace.ch/chemie.

Stars setzen sich für Klimaschutz ein Vor Weihnachten führte der Online-ShoppingClub FashionFriends (www.fashionfriends.ch) einen Charity Day für Greenpeace durch. Prominente wie Stress, Greis, Reto Kestenholz, Denise Biellmann, Amanda Ammann, Peter Fox (Bild), Grand Mother’s Funk, Jan Delay oder Pepe Lienhard liessen sich zugunsten von Greenpeace kostenlos fotografieren und signierten Artikel, die im Online-Shop verkauft wurden. Der Erlös von 6000 Franken ging vollumfänglich an Greenpeace. Peter Fox meinte bei der Gelegenheit: «In der heutigen Zeit des Klimawandels kann es nie verkehrt sein, für Greenpeace zu spenden!» Grand Mother’s Funk brachten ihr Mitwirken beim FashionFriends Charity Day prägnant auf dem Punkt: «Bleib grün, aber nicht hinter den Ohren!»

Bölitz

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Rezept

Öko-Wissen

eel

id K von Dav

Die Lösung des Rätsels finden Sie ab Anfang Juni unter www.greenpeace/magazin.

Boden, welcher das ganze Jahr über gefroren ist

Wellnessbad Geländeform

indigenes Volk der sibirischen Tundra

Elan, Schwung gleichgültig

Spielart beim Aucho (Jass)

Hafenstadt in Italien

zehn (englisch)

Zimmerpflanze, Flamingoblume

Kräuterkäse

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Hauptstadt von Österreich

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Schiffsanlegemauer im Hafen

Bär in der Fabel

1

zum Nennwert (Bankwesen)

Hauptstadt in Mitteleuropa

indische Wasserpfeife südamer. Staat unseres Erachtens (Abk.)

Fragewort König (frz.)

3

Schmerzenslaut Gattin des Lohengrin

Teil zum Verschliessen eines Schranks

voll entwickelt

Westeuropäerin

Roman von S. King Absender (Abk.)

kritische Prozesse im Klimasystem der Erde

Wintersportgerät Autokennzeichen für Tessin

Greenpeace verlost drei Bildbände «Planet der Wälder: Die grünen Paradiese der Erde»

helles Mineral

mit Fotos von Markus Mauthe und Texten von Thomas Henningsen. Senden Sie das richtige Lösungswort bis 28. Mai 2010 an redaktion@greenpeace.ch oder an die Redaktionsadresse (siehe Impressum Seite 3).

Plural (Abk.) Schweizer. Nationalbank (Abk.)

Pappel mit fast runden Blättern

Fahrzeugluftreifen Bankleitzahl (Abk.)

engl. Flächenmass südfranz. Hafen

5

indonesische Münze

anderes Wort für Aquakulturen: Fisch...

Autoz. Heil- und für Island Ziervenezolan. pflanze Bundesstaat

ehemalige DDRAgentur Kanton Budget

rechter Donauzufluss

Osten (frz.) Abk. für: Rhätische Bahn schweiz. Maler Flughafen bei Lugano

Träne (engl.) mongol.türk. Herrschertitel Sommer (frz.)

Tagesordnung (Abk.) Papageienvogel

englisch: Schmetterball beim Tennis

Kröte

Stadt im Kanton Zug Telefonzubehör (Abk.)

Dateiformat (Abk.)

Eidgenöss. Technische Hochschule (Abkürzung)

frz. männl. Artikel

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Abk. für den US-Staat Nebraska

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dünnes Teigplättchen

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Die Wettbewerbsbedingungen finden Sie unter www.greenpeace.ch/magazin. 22

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4 Schiedsrichter (Kurzwort)

Stadt auf Sizilien

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Erbfaktor

Halbton unter D Autoz. für Andorra Schweizer Malerʆ

Hochziel, Vorbild

Film von Steven Spielberg

Ort am Luganersee

Speisesaal Gastronoin Burgen miebetrieb und ÜbungsKlöstern stück

1101642

7 das Jahr 2010 wird zum internationalen UNO-Jahr der ... erklärt

grösster Strom Afrikas

Lump, Taugenichts

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Abk. für: Gigabyte geschlossen

schweizer. Malerʆ

schlimm, übel

vom Aussterben bedrohter Speisefisch aus dem Mittelmeer: ...thunfisch

Karpfenfisch

Mitglieder/Intern

Adieu l’Emile

Ihre Meinung

Irgendein Weiser hat geschrieben, in jedem Abschied sei ein Seufzen und ein Aufatmen. Ich sitze in der Küche, denke an Gabriele und betrachte meine Mitbringsel vom Spaziergang: Bärlauch und Löwenzahn. Es wird Frühling. Passt denn das zusammen: Frühling und Abschied? Sollte man die Liebste nicht im Herbst mit Erntedank verabschieden? Da gesellt sich Jacques Brel aus dem Radio dazu und singt: «Adieu l’Émile, je vais mourir.
C’est dur de mourir au printemps, tu sais ...» Na, so weit will ich nicht gehen und freue mich auf den Refrain: «Je veux qu’on rie, je veux qu’on danse.
Je veux qu’on s’amuse comme des fous. Je veux qu’on rie, Je veux qu’on danse, quand c’est qu’on me mettra dans le trou.» Der Radiosprecher erklärt, dass «Seasons in the sun», die englische Version von Terry Jacks, zwar erfolgreicher, aber viel trister sei und selbst die deutsche von Klaus Hoffman stimme einen trauriger. Da bleib ich bei Brel und überleg mir, was ich denn zur besungenen Beerdigung kochen könnte. All die «Liichemöhli» kommen mir in den Sinn: die kalten Aufschnittteller, der Schinken im Teig oder die gesottenen Würste. Häufig gab’s dazu Kartoffelsalat. Oder soll ich einen indianischen Friedhofseintopf zubereiten? Eine getoastete Scheibe Brot, mit Butter bestrichen, gesalzen und gepfeffert und im Suppenteller mit heisser Milch übergossen? Aldo Buzzi, der Autor und Feinschmecker, schwärmt von dieser Suppe. Der Leichenschmaus – welch spannender Brauch: Ein Essen, das nach der Beerdigung zeigt, dass das Leben weitergeht. Oft wird neben der Trauer auch Heiterkeit spürbar, wenn der Verstorbene in lustigen Geschichten wieder auflebt. Ich entscheide mich für Kartoffelsalat, gare ein paar festkochende Kartoffeln im Dampf, schäle sie und schneide sie in Scheiben. In heisser Gemüsebouillon lasse ich sie zwanzig Minuten ziehen. Derweil hacke ich eine Zwiebel, meinen Bärlauch und den Löwenzahn. Ich nehme die Kartoffeln aus dem Sud und gebe Zwiebel und Kräuter dazu, ferner eine Sauce aus Essig, Öl, Senf, dazu Pfeffer und Salz und ein paar Kapern. Da klingelt das Telefon: Gabriele. Sie sei gerade in der Gegend und wolle zum Essen kommen, den Weisswein bringe sie mit. Sie klingt nach Frühling. Dies ist meine letzte Rezeptkolumne in dieser Zeitschrift. Ich führe sie weiter in meinem Blog auf www.einfachkomplex.ch.

Klimakonferenz in Kopenhagen Es ist immer wieder unbegreiflich, wie Täter-Opfer-Verhältnisse verdreht werden: In Kopenhagen ging es um die lebensbedrohlichen Klimabedingungen, die vom Untergang bedrohten Länder und um bedrohte Menschen, Eltern und Kinder. Greenpeace-Aktivisten greifen diese Bedrohung auf und zeigen den Verantwortlichen dieser Welt die schlichte Forderung zum Handeln: «Politicans talk – Leaders act.» Dafür werden sie wochenlang in Haft genommen und mit harten Strafen bedroht. Die wirklichen Täter – weltweit in den oberen Etagen verstreut – wetteifern um maximale Aktiengewinne, streichen Boni ein, beuten Arbeitskräfte und Umwelt oft schamlos aus und treffen sich gemütlich zum Kaviardinner. Staatsoberhäupter organisieren Konferenzen, die Hunderte Millionen verschlingen, um unverrichteter Dinge und ohne verbindliche Ziele wieder abzureisen. Gehören nicht andere in Haft statt die friedlichen Greenpeace-Aktivisten, die das Theater mit einem genialen «Lausbubenstreich» kritisch hinterfragen? Sollten die Opfer weltweit nicht viel deutlicher ihre Stimme erheben? Eckhard Wolff, per E-Mail, Aarau

David Keel arbeitet als Greenpeace-Freelancer in der «einfachkomplex genossenschaft».

Informationen im WWW In Magazin greenpeace lese ich am Schluss von praktisch jedem Artikel: «Weitere Informationen über das Thema unter www ...» So auch beim Artikel zur Klimapetition des JugendSolarProjekts. Was aber, wenn man keinen PC hat? Ein PC ist ja auch nicht gerade umweltfreundlich ... M. Feller, Nidau

Tatkräftiger Einsatz im Wald? Das neue Jahresprogramm 2010 für freiwilligen Arbeitseinsätze im Bergwald finden Sie unter: www.bergwaldprojekt.org. oder unter info@greenpeace.ch

Nachruf Greenpeace trauert um einen Freund: Ernst Beyeler (1921-2010) Das Schicksal und die Bedrohung des Urwaldes war für den Basler Galeristen und Museumsgründer Ernst Beyeler ein grosses Anliegen. Fast zwei Jahrzehnte hat sich der charmante Gentlemen an der Seite von Greenpeace mit diversen Kunstaktionen, Benefiz-Veranstaltungen und schliesslich mit der Gründung seiner Stiftung „Kunst für den Tropenwald“ für die Rettung der letzten Urwälder eingesetzt. Sein Museum mitten im Grünen in Riehen zeigt, welch grossen Platz die Natur in seinem Denken und Schaffen einnahm. Ernst Beyeler ist am 25. Februar mit 88 Jahren friedlich eingeschlafen. Wir danken ihm von Herzen und bedauern, einen guten Freund und langjährigen, grosszügigen Unterstützer verloren zu haben. www.fondationbeyeler.ch

Greenpeace/Bonnardin

Ernst Beyeler im Gespräch mit Paulo Adario, Amazonas Kampagnenleiter, 2003

«Grüne Elektronik»: Greenpeace-Ratgeber für bewusste Elektronik-Käufer Im Rahmen der Consumer Electronics Show Anfang Januar in Las Vegas hat Greenpeace die 14. Ausgabe des Ratgebers «Grüne Elektronik» vorgestellt. Während inzwischen fast alle Produkte von Apple, Nokia und Sony Ericsson ohne gefährliche Chemikalien hergestellt werden, enttäuschen andere Hersteller in dieser Hinsicht. Apple, Nokia und Sony hatten den Verzicht auf die Verwendung von Polyvinylchlorid (PVC) und bromierten Flammschutzmitteln (BFR) bis Ende 2009 versprochen und hielten diese Ankündigungen ein. Zahlreiche andere Firmen wie Dell, Lenovo, LGE oder Samsung hatten dies ebenfalls angekündigt, sich dann aber

nicht an ihr Versprechen gehalten. Deshalb schneiden sie in der aktuellen Ausgabe der «Grünen Elektronik» deutlich schlechter ab als früher. Greenpeace fordert die Unternehmen auf, ihre Ankündigungen in die Tat umsetzen und auf gefährliche Chemikalien zu verzichten. Wirklich umweltbewusste Hersteller bieten nicht nur Elektronikprodukte an, die frei von PVC, BFR und chlorierten Flammschutzmitteln sind, sondern unterstützen zudem auch das gesetzliche Verbot dieser gefährlichen Chemikalien. Die neue Ausgabe von «Grüne Elektonik» ist zu finden unter www.greenpeace.ch/chemie.

Stars setzen sich für Klimaschutz ein Vor Weihnachten führte der Online-ShoppingClub FashionFriends (www.fashionfriends.ch) einen Charity Day für Greenpeace durch. Prominente wie Stress, Greis, Reto Kestenholz, Denise Biellmann, Amanda Ammann, Peter Fox (Bild), Grand Mother’s Funk, Jan Delay oder Pepe Lienhard liessen sich zugunsten von Greenpeace kostenlos fotografieren und signierten Artikel, die im Online-Shop verkauft wurden. Der Erlös von 6000 Franken ging vollumfänglich an Greenpeace. Peter Fox meinte bei der Gelegenheit: «In der heutigen Zeit des Klimawandels kann es nie verkehrt sein, für Greenpeace zu spenden!» Grand Mother’s Funk brachten ihr Mitwirken beim FashionFriends Charity Day prägnant auf dem Punkt: «Bleib grün, aber nicht hinter den Ohren!»

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Persönlich

Weibliche Impulse für Greenpeace Afrika Text Nathalie Favre Bild Hina Strüver An der Spitze des afrikanischen GreenpeaceBüros steht eine Frau: Die Senegalesin Michelle Ndiaye Ntab leitet Kampagnen und Mitarbeiter mit Bestimmtheit, Einfühlsamkeit und einer guten Prise Humor. Sie behauptet sich in einer von Männern beherrschten Gesellschaft. Um ihre Kampagnen auf dem afrikanischen Kontinent besser zu koordinieren, hat die Umweltschutzorganisation 2008 regionale Büros in Südafrika und der Demokratischen Republik Kongo eröffnet. Vor knapp einem Jahr übernahm Michelle Ndiaye Ntab die Leitung der erst sechs Monate alten Organisation Greenpeace Afrika. «Neu dabei zu sein, ist ein Luxus», erzählt Michelle. «Ich habe die Entwicklung der Organisation nicht persönlich miterlebt und bin noch nicht zu stark in politische Angelegenheiten involviert. Das erlaubt mir, neue Strategien frisch und unbelastet zu implementieren und meine eigenen Erfahrungen optimal zu integrieren.» Michelle, die in der Grossstadt aufgewachsen ist, hat eine liberale Erziehung genossen und im Ausland studiert. Es war schon immer klar, dass sich die selbstbewusste Senegalesin nicht in eine traditionelle Frauenrolle hineinzwängen lassen würde. Ihre erfolgreiche Karriere und die jetzige Funktion als Direktorin von Greenpeace Afrika sind der Beweis dafür. Ihre gelassene Art und das Lachen, das immer wieder aus ihr heraussprudelt, machen aber klar, dass es sich hier keineswegs um eine Iron Lady handelt, die ihre Anliegen durchboxt, sondern um eine souveräne, kompetente Frau, die mit Argumenten überzeugt und durch ihren Charme besticht. Afrika ist kein einfacher Ort für eine Frau, die Karriere machen will. Doch dank ihrer Charakterstärke und mit der Unterstützung ihres Man-

nes, der die eigene Karriere auf Eis legte, um ihr nach Südafrika zu folgen, schaffte es Michelle. «Die NGO-Welt ist sehr stark von Männern dominiert. Als Frau muss man sich seinen Platz erkämpfen, sonst verschwindet man einfach», sagt sie. Als willensstarke Frau sind ihr von Männern immer wieder drei Reaktionen entgegengebracht worden: «Die erste ist, dass sie versuchen, dich zu untergraben. Die zweite, dass sie versuchen, dich zu bevormunden. Und die dritte Reaktion, die am seltensten vorkommt, ist, dass sie dir näherkommen.» Mit negativen Reaktionen kommt Michelle aber gut zurecht: «Du musst beweisen, dass du die Fähigkeit besitzt, das, was du machen musst, professionell zu erledigen. Du musst Ideen einbringen und Stellung beziehen – so gehe ich vor. Nur so wird dir Respekt entgegengebracht.»

porate Citizenship, das ich geleitet habe, hat sich ausserdem intensiv mit der Frage der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt, die mit dem Umweltschutz einhergeht.» So ist sie bestens gewappnet, um die Herausforderung zu meistern, Greenpeace, eine Organisation westlichen Ursprungs, auf dem afrikanischen Kontinent zu etablieren und dabei kulturelle Unterschiede und soziale Umstände zu berücksichtigen. «Greenpeace verlangt nach einer globalen Haltung, denn letztlich nehme ich beispielsweise das afrikanische und das Schweizer Büro nicht als verschiedene Einheiten wahr, sondern sehe nur eine Organisation, die an diversen Fronten aktiv ist», erklärt Michelle ihre Motivation, ihr Team in den Dienst eines globalen Umweltschutzes zu stellen.

«Du musst Ideen einbringen und Stellung beziehen – so gehe ich vor. Nur so wird dir Respekt entgegengebracht.» Die neue Direktorin von Greenpeace Afrika kann auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen. Nach einem Studium im Ausland begann die Westafrikanerin ihre Karriere beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) in ihrer Heimatstadt Dakar. Später ist sie nach Südafrika gezogen, wo sie seit zehn Jahren lebt und bei verschiedenen NGOs und der Afrikanischen Union gearbeitet hat. Bevor sie die Leitung von Greenpeace Afrika übernahm, war sie CEO des Afrika-Büros des internationalen Netzwerks der Freien Radios (AMARC) sowie des African Institute of Corporate Citizenship. «Entwicklung ist nur dann sinnvoll, wenn sie nachhaltig ist», betont Michelle. «Ich habe durch meine langjährige Tätigkeit auf diesem Gebiet viel Erfahrung in Sachen Nachhaltigkeit gesammelt. Das African Institute of Cor-

So hat das Büro in Kinshasa die Waldkampagne als Schwerpunkt gesetzt, denn der Regenwald im Kongobecken ist die grüne Lunge Afrikas und einer der letzten relativ intakten Urwälder des Planeten. Der Hauptsitz in Johannesburg konzentriert sich vornehmlich auf den Klimawandel, denn Südafrika ist einer der weltweit grössten CO2-Emittenten und muss unbedingt von der Kohlekraft wegkommen. Ein zusätzliches Büro ist in Westafrika geplant, wo die Meereskampagne Vorrang haben soll, denn in diesem Gebiet wird der Ozean durch aggressive Fischfangmethoden geplündert und mit Gift verseucht. Eine Herausforderung, wie geschaffen für Michelle Ndiaye Ntab Nathalie Favre ist freie Journalistin und ehemalige Mitarbeiterin von Greenpeace Schweiz.


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