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GENUSS PUR: OPENAIR-ESSEN AUF BORT
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Sebastian Schuster, Küchenchef im Hotel Aspen in Grindelwald, tauscht die Hotelküche für einmal mit einer Kochstelle im Freien. Zusammen mit einigen Kollegen kocht er hoch über dem Dorf und lässt dabei alles beiseite, was nicht dem unmittelbaren Geschmackserlebnis dient. Zu Besuch bei einer speziellen Tafelrunde in Grindelwald Bort.
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Einer, der täglich in der Küche steht, würde sich vielleicht in der Freizeit gerne mit etwas anderem als Kochtöpfen befassen, könnte man denken. Nicht so Sebastian Schuster, Küchenchef im
Hotel Aspen Grindelwald. Für ihn steht die Auseinandersetzung mit Nahrungsmitteln im Zentrum egal, ob im Beruf oder Alltag, er liebt gute Produkte, er liebt gutes Essen und noch viel mehr, wenn er dies mit Kollegen teilen kann.
An diesem freien Tag im Herbst trifft er sich mit ein paar Freunden hoch über
Grindelwald zu einer ungewöhnlichen
Kochrunde. Sebastian hat sich eine
Reihe von Rezepten ausgedacht für ein kleines Festessen an der frischen Luft.
Die Sonne strahlt und der Eiger lacht, nur ein paar tropfende Schneeresten in den Tannenspitzen im nahen Wald erinnern daran, dass es in den Bergen im
Herbst ganz plötzlich Winter sein kann.
Doch noch hat die Wärme Oberhand und die Corona-Regeln lassen eine Zusammenkunft in kleiner Runde zu.
«Wenn wir hier in der Freizeit am Kochen sind», sagt Sebastian, «ist das etwas ganz Anderes als in einer Hotelküche.
Hier machen wir es gerade so, wie wir es mögen.» Tatsächlich hat er mit seinen Kollegen eine Art Feld-, Wald- und
Wiesenküche aufgebaut. Über einer
Feuerschale hängt eine vom Feuer geschwärzte Pfanne an einem speziell gefertigten Dreibein, daneben qualmt ein weiterer Holzgrill. Ein kleines Stubentischchen dient als Arbeitsfläche und Anrichte zugleich. Den strengen
Hygienevorschriften, die in Schweizer
Restaurantküchen gelten, würde dieses
Arrangement kaum entsprechen. Für
Sebastian ist aber diese urtümliche Art des Kochens Teil der Faszination, Teil der Leidenschaft. Die Jungs hantieren mit der Axt, nehmen sich Zeit für die Vorbereitungen, stellen Pfannen teilweise direkt ins Feuer und wickeln Stockbrot um Äste. Es wird gehämmert, gefeuert, gebrutzelt, geplaudert und gelacht. Da darf auch mal ein Fetzchen Asche ins Ratatouille fallen, es geht keine Welt unter. So etwas sorgt höchstens für extra Aroma. «Natürlich geht das in der Hotelküche nicht», sagt Sebastian und schiebt gleich nach: «Wichtig ist einfach, dass man auch dort, wo die Vorschriften strenger und die Abläufe klarer sind, das Herz nicht vergisst.» Die Freude und die Begeisterung müssen mitschwingen, das weiss einer wie Schuster, der lange genug im Business ist und der Küche im Hotel Aspen zu einem sehr guten Ruf verholfen hat. Für ihn hat diese Grundhaltung mit Professionalität zu tun. «Du darfst nie denken ‚das geht schon’», sagt er, «sondern musst den Gast vor Augen haben. Der bezahlt genug Geld für das Essen.» Nur wenn man den Anspruch habe, es stets wieder besser zu machen, könne man vorwärts kommen.
Eine Inspiration ist für Sebastian Schuster auch der Austausch mit den Kollegen, die ihn an diesem Tag begleiten. Sie alle haben etwas mit dem Essen und Trinken zu tun, die Leidenschaft für spezielle Produkte verbindet sie und so haben auch alle etwas mitgebracht, um die Tafelrunde zu bereichern. Überhaupt legt Sebastian viel Wert darauf, mit dem zu kochen, was die Region hergibt, was in der Natur vorkommt und lokal produziert wird. «Je besser man einen Ort kennt, desto eher weiss man, was er kulinarisch bietet, wann die Löwenzahnblättchen auftauchen, kurz nach dem letzten Schnee, oder wann der Holunder blüht oder es Zeit ist für Tannenspitzenhonig», sagt Schuster. Dieses Naheliegende fasziniere ihn und ebenso die Menschen, die aus diesen wertvollen Ressourcen im alpinen Umfeld überraschende Produkte herstellen.
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Lokale Produkte, grandiose Kulisse: Zutaten für Sebastians Outdoor-Menu
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Sebastian (rechts) und Tilo haben Glück am Mühlibachsee, die Forellen beissen.
Tilo Amft ist Küchenchef im Café 3692 in Grindelwald und teilt diese Begeisterung. Er kommt wie Sebastian ursprünglich aus Deutschland, die beiden Köche leben seit 26 beziehungsweise 16 Jahren in Grindelwald und lieben das Dorf und die Berge, die längst zu ihrer zweiten Heimat geworden sind. Jetzt stehen Tilo und Sebastian vor den Forellen, die sie beim gemeinsamen Fischen am Mühlibachsee gefangen haben, nur ein paar Schritte entfernt vom Chalet. «Keine Forelle ist so gut, wie eine, die man selber gefischt hat», sagt Tilo und strahlt über das ganze Gesicht. Sebastian grinst und giesst Öl in eine Pfanne. In einer kleinen Schale hat er Bierteig angerührt, sobald das Öl heiss ist, wird er die Fischstücke im Teig drehen und dann im Öl ausbacken. Tilo ist der Meinung, eine der Forellen müsse ganz auf den Grill. Er füllt sie mit frischem Rosmarin und Zitronenschnitzen und klemmt den Fisch zwischen ein Gitter. «Fischen ist ein
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Marco kümmert sich um das Stockbrot, das über dem offenen Feuer sein Röstaroma erhält.
perfektes Hobby für einen Koch», sagt Sebastian, «und erst noch Corona-tauglich!» Fisch liege ihm als Nahrungsmittel nahe und deshalb schätze er es, die gesamte Kette zu sehen. Sebastian mag das Fischen nicht nur wegen des Ertrags, sondern er findet, es sei schlicht wohltuend, in der Natur zu sein und abzuschalten. Als Mitglied des Fischereivereins Grindelwald ist er berechtigt, ein Patent für den Mühlibachsee zu lösen und dort zu fischen. Der kleine See wenige Schritte von der Station Bort ent-
Hier ist Sorgfalt gefragt: Steffen und Sebastian backen die Forellen im Bierteig aus. OBEN
fernt ist ein Pachtgewässer des lokalen Fischereivereins. Und so haben die Forellen vom See bis auf den Grill tatsächlich einen sehr kurzen Weg hinter sich.
Während sich Sebastian und Tilo mit dem Fisch beschäftigen und zwischendurch an ihrem Aspen Gin nippen, erscheint auf der unterdessen schon reich befrachteten Tafel vor dem Chalet ein eigentliches Käsewunder. Sandro Just, auch er gelernter Koch und heute Mitarbeiter der Berner Käsespezialisten Jumi, packt seine Schätze aus und türmt sie auf ein Holzbrett. Er hat eine ganze Kiste voller besonderer Käsesorten mitgebracht. Sie tragen ausgefallene Namen wie «Blaus Hirni», «Uralts Hirni», «Mürgu», «Schafseckel» oder «Summerhimu». Zu jedem Käse gibt es Erklärungen und Geschichten, in manchen Fällen ist auch die Machart eine Anekdote für sich. Die Käsespezialisten von Jumi sind Experten darin, etwas Verrücktes zu tun und zu sehen, was dabei herauskommt. Ihre Käse behandeln sie mit Sorgfalt und Liebe, fügen hier etwas hinzu oder lassen dort etwas reifen – so behandelten sie auch die Belper Knolle, ein Frischkäse mit Pfefferkruste, der durch Zufall mal irgendwo im Käsekeller vergessen ging. Die «Jumis» entdeckten dabei, dass die Belper Knolle auch in reifem Alter ausgezeichnet schmeckt, sie lässt sich dann nämlich über Gerichte raffeln wie Trüffel. Sebastian Schusters Meinung ist klar: «Es gibt vielen guten Käse», sagt er, «aber so innovativ wie Jumi sind wenige.» Sandro Just selber, brennt für seinen Job. Der Grindelwalder, der eine Weile lang auch in Sebastians Küche gearbeitet hat, liebt es besonders, den Jumi-Marktstand in der Berner Altstadt zu betreuen. «Mir liegt die Interaktion mit den Menschen», sagt er, «deshalb ist der Markt für mich genau das Richtige.» Sebastian Schuster hätte Sandro gerne in seiner Küche behalten, findet jedoch auch die heutige Verbindung schön: «Früher habe ich ihm Dinge erklärt, jetzt hat sich das gewendet und ich lerne Neues von Sandro über Käse.»
Derweil hat Tilo den Kürbisrisotto angesetzt, die Masse blubbert gemütlich im Kessel über dem Feuer vor sich hin und verbreitet einen betörenden Duft. «Mürgu», sagt Sandro Just, «den machen wir da noch rein!» Tilo schaut ihn kurz schräg an. Sandro wedelt mit einem Stück Halbhartkäse vor Tilos Gesicht herum. Der Käse enthält Weiss- und Blauschimmel, entfaltet also ein ganz besonderes Innenleben und natürlich den entsprechenden Geschmack. «Okay», meint Tilo, «das probieren wir.» Zu Sandros Käseplatte steuert er wiederum selber eingelegtes Gemüse bei. Unter dem Label «Tilos Spezialitäten, handgemacht im Café 3692» verkauft er diese Produkte auch, süss-saures Gemüse etwa, Curry-Gurken oder das «Tilomat», ein besonderes Fleischge-
Sebastian und Sandro hantiert am kleinen Stubentisch, der als Anrichte und Esstisch zugleich dient. OBEN
würz. Alle probieren von den verschiedenen Käsesorten, bevor Sebastian ermahnt, er brauche noch jemanden, der die Knoblauch-Majonnaise oder eben Aioli nach katalanischer Art herstelle. Marco Lehne und Steffen Seidel machen sich ans Werk, die beiden sind die Gründer der lokalen Brauerei Nordwandbräu. Sie schälen die Knoblauchzehen und zerstampfen sie in einem Mörser aus Stein. Nach und nach kippen sie Öl dazu, bis die Masse crèmig wird. Das Bier, das die zwei trinken, und das selbstverständlich auch die Grundlage des Bierteigs für die Forellen ist, stammt aus ihrer Eigenproduktion. «Es war eine Schnappsidee», erzählt Marco, «wir haben immer gerne Bier getrunken, irgendwann hatten wir Lust, es selber zu produzieren.» Sie begannen im Jahr 2015 mit kleinen Mengen und realisierten schnell, dass eine Nachfrage bestand von Seiten der Hotels und der regionalen Läden. Die zwei Freunde, die wie Tilo und Sebastian aus Deutschland nach Grindelwald gezogen sind, kennen sich seit 35 Jahren. Und so funktioniert auch die Zusammenarbeit in der Lagerhalle bestens, in der sie produzieren. Für die nahe Zukunft ist eine weitere Professionalisierung geplant, künftig soll es möglich sein, nicht nur obergärige Biere zu brauen, sondern auch untergärige. Ebenso wird es die neue Anlage erlauben, die doppelte Menge Bier herzustellen. Steffen Seidel betont aber: «Wir wollen trotzdem lokal bleiben, denn die Leute schätzen es, das Bier zu trinken, dass unter dem Eiger, oder eben unter der Eigernordwand, gebraut wurde.» Für eine kleine Menge verwenden die zwei Brauer sogar Hopfen, der nicht weit vom Hotel Aspen entfernt wächst – lokaler geht es nicht.
Eine ganze Weile später wirft die Sonne bereits längere Schatten über die Bergwiesen. Sebastian und seine Freunde sitzen bei allerbester Laune am Tisch und sind sich einig: Das Essen war grossartig! Die Käsespezialitäten und die Fischknusperli vom Feuer, das Stockbrot, der Gemüse-Mix, die Kartoffeln und der Kürbisrisotto, die ganz gegrillte Forelle – alles fand Anklang. Nun wartet noch das «Endfeuerwerk», wie es Sebastian nennt, eine besondere Dessertkreation: «Uralts Hirni», ein leicht zusammengeschrumpelter Schimmelkäse aus dem Hause Jumi – es ist die über ein Jahr gereifte Version des «Blauen Hirni» – serviert mit Bitterschokolade, Zwetschgenkompott und gerösteten Mandeln. Sandro Just schmunzelt und schaut die Kollegen erwartungsvoll an, als sie ein kleines Stück des äusserst aromatischen Käse auf die Zunge legen und wenig danach ein Stückchen
Schokolade nachschieben. «So pikant, so crèmig», findet Tilo, «der Hammer.» Sebastian meint: «Die Kombination ist gewagt, aber echt toll. Die starken Aromen passen sehr gut zusammen.» Die Kollegen sitzen zufrieden auf der Bank, blicken hinaus auf die Berge, die sich langsam in Abendfarben hüllen. Ein Schluck Vieille Prune aus der regionalen Brennerei Eigerwasser rundet den Tag ab und man ist sich einig: Das alpine Openair-Essen war ein voller Erfolg.
Text: Annette Marti Bilder: Michael Ackermann
INSPIRATION UND GENUSS
Sebastians Gerichte in verschiedenen Variationen:
www.hotel-aspen.ch
Bier vom Fusse der Eigernordwand:
www.nordwandbraeu.ch
Käse soweit das Auge reicht:
www.jumi.lu
Tilos Spezialitäten:
www.cafe3692.ch
CHALET LECOQ
Das Chalet Lecoq auf Bort kann als Feriendomizil über www.griwarent.ch auch gemietet werden: