2012 08 26 Programmendfassung ohne Cover

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Für Revolution, Rätemacht und Sozialismus

Die programmatischen Grundlagen der Gruppe Klassenkampf (österreichische Sektion des Kollektivs Permanente Revolution CoReP)

September 2012


Inhaltsverzeichnis Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg ........3 Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus.................10 Unsere Haltung zu den Gewerkschaften......................................19 Sozialismus und Umwelt................................................................22 Die MarxistInnen und der Staat....................................................26 Revolutionärer Antimilitarismus...................................................32 Für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen sexuelle Unterdrückung...............................................................................35 Für die revolutionäre ArbeiterInnenpartei, für die revolutionäre ArbeiterInneninternationale!........................................................39

Eigentümer, Herausgeber, Verleger: Gruppe Klassenkampf, Stiftgasse 8, 1070 Wien; Eigendruck Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com


DER KAPITALISMUS STÜRZT DIE MENSCHHEIT IN

ELEND UND KRIEG

1. Mit der sich seit 2007 ankündigenden neuen großen Krise des Weltkapitalismus ist ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. 2. Nach der Implosion der UdSSR 1989 und der folgenden Restauration des Kapitalismus in Ost- und Zentraleuropa und dem Restaurationsprozess in China hatte die internationale Bourgeoisie triumphierend „das Ende des Sozialismus“ verkündet und eine Ära des hemmungslosen wirtschaftlichen Wachstums vorhergesagt. 3. Die Realität hat dieses Wunschdenken aber schon bald ad absurdum geführt: bereits 1991 geriet Japan in einen Krisenzyklus, der sich 1997/98 durch die Asienkrise noch weiter verschärfte. 1994 hatte die PesoKrise in Mexiko („Tequila-Krise“) mit einer Krise des Währungssystems begonnen, die sich nach dem Abzug des ausländischen Kapitals in eine umfassende Gesellschaftskrise verwandelte. 1998/99, also knapp zehn Jahre nach dem Restaurationsprozess, führten gewaltige Kapitalabflüsse aus Russland zu einer schweren Krise, die Tausende Betriebe in den Ruin und Millionen Menschen in Armut und Obdachlosigkeit stürzten. 2000 platzte dann die Dotcom-Blase und zeigte zum ersten Mal, welches Ausmaß die Spekulationsgeschäfte im internationalen Maßstab bereits angenommen hatten. Diese Krise traf erstmals mitten ins Herz der imperialistischen Metropolen. 4. Als revolutionäre MarxistInnen lehnen wir alle Erklärungsversuche ab, welche diese Krisen ausschließlich als „Auswuchs“ des „Neoliberalismus“, als das Werk einiger spekulierender „Heuschrecken“ oder als Ausdruck eines ungesunden Wachstums des Bankensektors in den vergangenen Jahrzehnten interpretieren.

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg 5. Die Krise hat ihre Wurzeln vielmehr in der kapitalistischen Produktionsweise selbst – im Widerspruch zwischen der sozialen Produktion des Reichtums und der individuellen Aneignung des Profits. Auch im Zeitalter des Imperialismus sind die von Karl Marx im 19. Jahrhundert entdeckten Gesetze des Kapitalismus voll in Kraft. 6. Im Kapitalismus als einziger Gesellschaftsformation, die auf der generalisierten Warenproduktion beruht, wird alles zur Ware, auch die Arbeitskraft. „Der Eigentümer der Produktionsmittel, der Kapitalist, kauft die Arbeitskraft. Wie alle anderen Waren wird diese gemäß der Menge der Arbeit, welche sie beinhaltet, geschätzt, das heißt, gemäß den Lebensmitteln, die zur Erhaltung und zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendig sind. Aber der Verbrauch dieser Ware – der Arbeitskraft – ist die Arbeit, das heißt Schaffung von neuen Werten. Die Menge dieser Werte ist viel größer als die jener Werte, welche der Arbeiter erhält, und die er für seine Erhaltung benötigt. Der Kapitalist kauft die Arbeitskraft, um sie auszubeuten. Es ist die Ausbeutung, die die Ungleichheit erzeugt. Jenen Teil der Arbeitsprodukte, der dazu dient, den Lebensunterhalt des Arbeiters zu sichern, nennt Marx das notwendige Produkt, jenen Teil, welchen der Arbeiter mehr erzeugt, Mehrwert. Der Mehrwert wurde von den Sklaven geschaffen, sonst hätte der Sklavenhalter keine Sklaven unterhalten. Mehrwert wurde von den Leibeigenen erzeugt, sonst hätte die Leibeigenschaft keinerlei Nutzen für den großgrundbesitzenden Adel gehabt. Der Mehrwert wird ebenso, – aber in unendlich größerer Proportion, – vom Lohnarbeiter geschaffen, sonst hätte der Kapitalist keinerlei Interesse, die Arbeitskraft zu kaufen. Der Kampf der Klassen ist nichts anderes als der Kampf um den Mehrwert. Jener, der den Mehrwert besitzt, ist Herr des Staates: er besitzt den Schlüssel zur Kirche, zu den Tribunalen, zu den Wissenschaften und Künsten“. (Leo Trotzki, Der Marxismus in seiner Epoche). 7. Die Trennung der Gesellschaft in Klassen, und damit die Existenz des Klassenkampfes, ist heute keineswegs überwunden, ganz im Gegenteil: aktuelle Statistiken zeigen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich ständig größer wird – und das gilt auch für Österreich.

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg 8. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Hungernden auf unserem Planeten zu. Letztlich war es auch die schlechte Ernährungslage, die an der Wiege der revolutionären Erhebungen in Nordafrika Ende 2010 stand. 9. Im Kerngebiet des modernen Imperialismus, den USA, sind dutzende Millionen Menschen auf Lebensmittelkarten angewiesen, mit denen sie verbilligt Lebensmittel zum Überleben beziehen. Die Zahl der Hungernden ist größer, da die abschreckenden Bedingungen zum Bezug der SNAPCards (Registrierung der Fingerabdrücke) viele Menschen abschrecken. 10. In den imperialistischen Metropolen Europas werden die ArbeiterInnen durch Lohnraub und Massenarbeitslosigkeit bedroht. Gleichzeitig werden durch statistische Tricks die Zahlen geschönt und damit versucht, die Massen ruhig zu halten. Perfid versuchen die Ideologen der herrschenden Klasse in Österreich, den Arbeitslosen ihr Schicksal durch geschickte Manöver schmackhaft zu machen: Langzeitarbeitslose werden in die Schein“selbständigkeit“ getrieben, man redet ihnen ein, dass sie eine „neue Freiheit“ genössen – in Wirklichkeit sind sie aber nur outgesourcte Billigarbeitskräfte fast ohne soziale Absicherung. 11. Die europäischen Kapitalisten nutzen diese anwachsende „Reservearmee“ von Arbeitslosen, um weiter auf Löhne und soziale Absicherungen zu drücken. Bei einem Gipfel in Prag im Mai 2009 einigten sich die Vertreter der EU-Regierungen auf noch mehr Flexibilisierung, noch mehr Kurzarbeit, noch mehr Absenkung der Sozialstandards. Das Beispiel Griechenland zeigt, mit welcher Brutalität die herrschende Klasse versucht, die Kosten ihrer kapitalistischen Krise auf die ArbeiterInnen und andere lohnabhängige Schichten überzuwälzen: drastische Lohnkürzungen, Hinaufsetzung der Lebensarbeitszeit, Anhebung oder Einführung neuer Massensteuern, Beseitigung von Sozialleistungen … 12. „Wer ist Schuld an der Krise?“, fragen bürgerliche Leitartikler demagogisch. Ihre „linken“ KollegInnen haben eine Antwort, die unerhört fortschrittlich klingt: „Neoliberalismus und Globalisierung“. Kritik am „Neoliberalismus“ und Kampf gegen „Globalisierung“ gehen heute oft Hand in Hand, und zentristische Strömungen (auch solche, die sich selbst

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg als trotzkistisch bezeichnen) sehen in der „Antiglobalisierungsbewegung“ einen zentralen Hebel zum Aufbau angeblich revolutionärer Parteien oder gar einer neuen revolutionären Internationale. 13. Anfang/Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts setzte sich der 1983 von Theodore Levitt in seinem Artikel „The Globalization of Markets“ geprägte Begriff der Globalisierung durch. Im deutschsprachigen Raum war es das 1996 erschienene Buch des jetzigen reaktionären MdEP Hans-Peter Martin „Die Globalisierungsfalle“, die den Begriff auch in der „linken“ Diskussion etablierte. Sich auf den Marxismus berufende Ökonomen wie Elmar Altvater, Brigitte Mahnkopf, Robert Kurz und Joachim Bischoff veröffentlichten umfangreiche Werke zum Thema, und in Frankreich führte die Diskussion unter anderem zur Gründung von ATTAC (durch den Herausgeber der Zeitung „Le Monde diplomatique“, Ignacio Ramonet). 14. Globalisierung beschreibt in der Regel einen Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, der angeblich durch eine engere Verflechtung des Weltmarktes durch steigende Direktinvestitionen, eine Zunahme der Bedeutung „transnationaler Konzerne“ und zunehmende Produktionsverlagerungen in „Länder der 3. Welt“ gekennzeichnet wäre, wodurch die Nationalstaaten an Bedeutung verlören und „internationale Organisationen“ wie WTO, IWF etc. immer mehr ökonomische und politische Entscheidungen fällten. 15. Diese Argumentationen erinnert an die 50er- und 60er Jahre, als bürgerliche Ideologen und aus der Arbeiterbewegung kommende Theoretiker wie der belgische Pablist Ernest Mandel die „3. technologische Revolution“ verkündeten und aus der „Automatisierung“ eine neue Etappe der imperialistischen Entwicklung ableiteten, die dem niedergehenden Kapitalismus neues Leben einhauchen sollte. Nun sei mit der „Globalisierung“ eine neue Ära angebrochen, die zu einer Erneuerung und Wiederbelebung des Kapitalismus geführt hätte. 16. Wir bekräftigen die Erkenntnis, die W. I. Lenin in seiner 1916 erschienenen Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalis-

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg mus“ gezogen hat: „Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (Lenin Werke Bd. 22, Berlin (DDR) 1960, S. 271). 17. Bereits 1847/48 haben Karl Marx und Friedrich Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei“ eine Beschreibung der Krise gegeben, die heute aktueller denn je klingt: „Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg Reichtum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“. 18. Natürlich haben sich im 20. Jahrhundert gewaltige Veränderungen vollzogen — zweimal hat der „Heißhunger des Kapitals nach Mehrwert“ die Menschheit in Weltkriege gestürzt. Millionen Menschen wurden getötet oder verstümmelt, enorme Mengen Kapitals vernichtet, Produktionsmittel zerstört; zahlreiche lokale Kriege und „friedenssichernde Militäraktionen“ dienen nicht nur der Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung oder der Neuaufteilung von Märkten — sie sind essenzieller Motor ganzer Industriezweige in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Lenin hat — ebenfalls 1916 — den Imperialismus als die „Epoche der Kriege und Revolutionen“ charakterisiert. 19. Das Gerede von der Globalisierung ist ein Manöver, das von den realen Klassenverhältnissen ablenken und den Widerstand gegen die Ausbeutung desorientieren soll. Die Mythisierung der „transnationalen Konzerne“ und der „internationalen Organisationen“, welche die wirklichen Drahtzieher der Weltwirtschaft seien, lenkt von einer Tatsache ab, die bereits im „Manifest der Kommunistischen Partei“ beschrieben wird: „Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muss natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.“ 20. Indem die Verantwortung für die Ausbeutung, die Zerschlagung der Pensionen, die Unterminierung des Gesundheitswesens, den Niedergang des Bildungssystems, die Angriffe auf die Löhne ... auf anonyme Organisationen wie WTO, Weltbank, „Eurokraten“ etc. geschoben wird, werden die nationalen Bourgeoisien aus der Verantwortung für die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus entlassen.

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg 21. Reformistischen und zentristischen Organisationen und Parteien dient die Globalisierungs“theorie“ zur Rechtfertigung neuer Formen der Klassenzusammenarbeit, neuer, modernisierter Volksfronten. So idealisieren früher eher auf der politischen Skala des Zentrismus ultralinke Strömungen wie die Liga für die Fünfte Internationale heute die Sozialforen und die „Antiglobalisierungsbewegung“ und sehen in ihnen die ersten Vorboten ihrer künftigen „5. Internationale“. Dass die Sozialforen eine Koalition von „fortschrittlichen“ bürgerlichen Regierungsvertretern (Brasilien, Venezuela, Bolivien), abgehalfterten Gewerkschaftsbürokraten (oft mit strikt nationalistischer und protektionistischer Ausrichtung wie die USGewerkschaften), geschäftstüchtigen Esoterikern und abgebrühten Reformisten und Zentristen mit radikalisierten (jugendlichen) Elementen sind, die sich gegen das Unrecht in der Welt empören, stört sie nicht. Im Gegenteil - jahrzehntelanges Taktieren prädestiniert sie geradezu für die Arbeit in Strukturen, die keine wirkliche Basis haben und völlig unkontrolliert ihre Politik betreiben. 22. Die scheinbare Basisdemokratie, der Anspruch, niemandem rechenschaftspflichtig zu sein und die Möglichkeit, durch unklare Mehrheitsverhältnisse und fehlende Statuten Abstimmungen zu manipulieren, macht die Sozialforen auch zum idealen Nährboden für andere sich auf den Trotzkismus berufende Tendenzen wie die Internationalen Sozialisten (ISt - britische SWP, Linkswende in Österreich, marx21 in Deutschland) oder die „Vierte Internationale“ (früher Vereinigtes Sekretariat, jetzt Internationales Komitee, in Österreich SOAL, in Deutschland RSB und ISL). 23. Gemeinsam mit den völlig in die jeweiligen bürgerlichen Staatsapparate integrierten Gewerkschaftsbürokraten sind die Sozialforenbewegungen Experten darin, Mobilisierungen zu den Tagungen von kapitalistischen Verbänden wie IWF, G7 (oder G9 oder G20) zu organisieren. 24. Wir lehnen die Störung oder Verhinderung derartiger Treffen keineswegs ab - wir lehnen es aber ab, Illusionen darüber zu verbreiten, dass es diese „multinationalen“ Treffen sind, die für Ausbeutung und Unrecht in den einzelnen Ländern verantwortlich sind. Wir stehen vielmehr auf dem Boden der klaren Erkenntnis von Karl Liebknecht, die dieser zu Be-

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Der Kapitalismus stürzt die Menschheit in Elend und Krieg ginn des 1. imperialistischen Weltkrieges getroffen hat: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. 25. Das IKVI (Internationales Komitee der Vierten Internationale, in Deutschland vertreten durch die Partei für Soziale Gleichheit, in den USA und GB durch die Socialist Equality Party, international gruppiert um das Nachrichtenportal world socialist website), das von der “nationaltrotzkistischen” healyistischen Stömung abstammt, hat bereits in den frühen 90er Jahren aus ihrer Interpretation der Globalisierung weitreichende Schlüsse gezogen, die ebenfalls falsch sind, aber in eine andere Richtung gehen: die IKVI-Theoretiker gehen davon aus, dass Klassenkämpfe im nationalen Rahmen unmöglich sind, weil ja übergeordnet ein “transnationaler” Kapitalismus existiere. Sie lehnen konsequent die Gewerkschaften als “bürgerliche Institutionen” ab, was dadurch erleichtert wird, dass sie seit Jahrzehnten den Begriff der “bürgerlichen Arbeiterpartei” über Bord geworfen haben.

REFORMISMUS, STALINISMUS, ZENTRISMUS, ANARCHISMUS 26. „Die Krise der Menschheit ist die Krise der Führung des Proletariats.“ So definierte Leo Trotzki sehr treffend eines der wesentlichsten Hindernisse auf dem Weg zur Beseitigung des Kapitalismus. Um einige Jahrzehnte reicher an historischer Erfahrung dürfen wir heute ergänzend feststellen: “Die Krise der Menschheit ist die Geschichte des Verrats der Führung des Proletariats.“ Wir unterscheiden zwischen reformistischen, stalinistischen und zentristischen Organisationen und erkennen dabei Parallelen bei der Entstehung und dem Wirken der jeweiligen arbeiteraristokratischen, verbürokratisierten Führung. 27. Der Reformismus findet sich weltweit in unterschiedlichen, sich auf die ArbeiterInnenbewegung beziehenden, Parteien mit Bezeichnungen wie sozialdemokratisch, sozialistisch oder kommunistisch. Darunter sind auch ehemals stalinistische Parteien, welche sich auf den Pfad des Re-

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus formismus begeben haben. Die ursprüngliche Idee des Reformismus ist es, mit der Durchsetzung von Verbesserungen für die Lohnabhängigen innerhalb des herrschenden kapitalistischen Systems dieses allmählich zu überwinden und einen friedlichen Übergang zum Sozialismus zu ermöglichen. Reformen sollen nicht in Klassenkämpfen erfochten, sondern durch bürgerlich-parlamentarische Mehrheiten verwirklicht werden. Sobald die reformistische Partei die absolute Mehrheit errungen hat, soll der Sozialismus „eingeführt“ werden. Im Gegensatz dazu beziehen wir uns auf das Übergangsprogramm Trotzkis, welches mit der Erhebung von scheinbar reformistischen Forderungen eine den Kapitalismus in Frage stellende und somit revolutionäre Perspektive verband - eine Methode, die bereits in den frühen 20er Jahren von der revolutionären Kommunistischen Internationale entwickelt worden war und letzten Endes bis auf das “Manifest der Kommunistischen Partei” von Marx und Engels zurückgeht. 28. Die ReformistInnen delegieren also den Klassenkampf an sich selbst und versprechen, der ArbeiterInnenklasse Streiks und vor allem blutige bewaffnete Auseinandersetzungen mit dem Klassenfeind zu ersparen. In den Jahren nach 1917, als die ArbeiterInnenklasse nach der Revolution in Russland zu Revolutionen in ihren jeweiligen Ländern drängte, gelang es den ReformistInnen durch Reformen, Versprechen und durch die Verlockung des unblutigen Wegs zum Sozialismus AnhängerInnen zu gewinnen. Den Boden für ihren Wiederaufschwung bereiteten die reformistischen Führungen oft genug durch ihre aktive Beteiligung an der Niederschlagung der revolutionären Welle nach 1917/18 (Deutschland, Österreich) und der physischen Liquidierung der besten revolutionären FührerInnen. 29. In der politischen Praxis ist der Reformismus kläglich gescheitert. Zum einen haben die Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin, dass eine sozialistische Gesellschaft ohne Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats, Unterdrückung der reaktionären Bourgeoisie, Kontrolle der Produktionsmittel durch ArbeiterInnenräte ohne bewaffneten Widerstand der Ausbeuterklasse eine Illusion ist, ihre Prüfung in den geschichtlichen Ereignissen glänzend bestanden. Zum anderen ist der Sturz des Kapitalismus gar nicht das Ziel der FührerInnen der reformistischen Parteien. Sie

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus haben sich vollständig in das kapitalistische System integriert, führen ein luxuriöses Leben, sind mit fetten Einkünften ausgestattet und besetzen wichtige Positionen zur Absicherung der kapitalistischen Herrschaft. Oft handelt es sich um MultifunktionärInnen, welche in bürgerlichen Parlamenten, Organisationen der ArbeiterInnenklasse wie Gewerkschaften oder Arbeiterkammern sowie Vereinen und Institutionen des öffentlichen Lebens tätig sind. Wechsel von reformistischen FührerInnen in Positionen in kapitalistischen Unternehmen bzw. an die Spitze internationaler Organisationen wie der Weltbank sind dabei häufig und keineswegs zufällig. 30. Diese ArbeiteraristokratInnen machen die Parolen der Kapitalisten wie „Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s uns allen gut!“ in der ArbeiterInnenklasse populär. Sie verweisen gebetsmühlenartig auf die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Verhandlungen mit den Unternehmern und halten die ArbeiterInnen von Kämpfen ab, bis es den Kapitalisten scheibchenweise gelungen ist, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Ihr Wortradikalismus hält nicht im geringsten mit ihren Taten schritt. Ihr Einfallsreichtum, ihre Unentbehrlichkeit für die Durchsetzung der Rechte der Lohnabhängigen darzulegen, erscheint grenzenlos. 31. Seit 1990 findet in der ehemaligen Sowjetunion und ihren osteuropäischen Ablegerstaaten die Restauration des Kapitalismus statt. Die Zerstörung der meisten deformierten bzw. degenerierten ArbeiterInnenstaaten hatte auch bedeutende Auswirkungen auf die Taktik der reformistischen Parteien im Weltmaßstab: das Ende des sogenannten “realen Sozialismus” erhöhte das Selbstbewusstsein der imperialistischen Bourgeoisien gewaltig; die Diskreditierung des Sozialismus durch die stalinistischen Verbrechen schlug noch einmal voll durch. Während die Bourgeoisien immer weniger bereit waren, auf Teile des gesamtgesellschaftlich produzierten Mehrwertes zu verzichten, wichen die reformistischen Führungen noch weiter zurück: Forderungen zur Verbesserung der Lage der Lohnabhängigen werden nur noch in homöopathischen Dosen und wenn die Wahlprognosen besonders schlecht sind erhoben. 32. Der Ablauf politischer und gesellschaftlicher Angriffe auf die Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung ist meist sehr ähnlich: zu-

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus erst kündigt die Ausbeuterklasse eine Verschlechterung für die ArbeiterInnenklasse wie Einschnitte im Gesundheitswesen, Lohnkürzungen, Verlängerung der Lebensarbeitszeit etc. an. Je nachdem, wie groß der Unmut im Proletariat ist, wird die Reaktion der reformistischen Bürokratie ausfallen. Diese wird von Ablehnung und Ankündigung von Widerstand bis zum Verständnis für die „notwendigen Maßnahmen“ und den Hinweis auf „soziale Ausgewogenheit“ reichen. Nach der eventuellen Abwiegelung von Forderungen nach Kampfmaßnahmen durch die Partei- oder Gewerkschaftsbasis werden die ReformistInnen ihren Verrat an den ArbeiterInnen durch ihre Zustimmung zu einer zur ursprünglichen Fassung nur leicht modifizierten Verschlechterung für die ArbeiterInnenklasse perfekt machen. Für die Durchsetzung dieser leichten Abänderung der Verschlechterung lassen sich die BürokratInnen in Partei und Gewerkschaften ausgiebig feiern und geben für die Vermarktung ihres Pyrrhussiegs Unsummen von Partei- und Gewerkschaftsgeldern aus. 33. Eine Minderheit an fortschrittlichen ArbeiterInnen wird mitunter sogar von ihrer Führung enttäuscht sein, innerparteiliche Diskussionen beginnen und eventuelle Parteispaltungen vorbereiten. Die Gewerkschaftsbürokratien, die sozialdemokratischen und ex-stalinistischen Führungen können dann mitunter mit Aufrufen, Protesten oder von oben gegängelten Streiks reagieren, um den Unmut der Basis zu kanalisieren. 34. Allerdings kann jede Zuspitzung des Klassenkampfs auch zu Brüchen führen. Die fortgeschrittensten Teile der Klasse und der Jugend können in ihrem Widerspruch zu den verräterischen reformistischen Führungen bis zum Bruch mit den alten Bürokratien gehen. Wenn sich derartige Brüche auftun ist es die Pflicht der revolutionären Kader, sie voranzutreiben und diese Kräfte für das marxistische Programm zu gewinnen. Das ist aber keine abstrakt-propagandistische Aufgabe, ihre Lösung setzt die Fähigkeit voraus, auch praktisch in die Bewegung der Klasse zu intervenieren. 35. Im Gegensatz zu den konsequenten SozialdemokratInnen des “Funke”, die sich versehentlich für TrotzkistInnen halten, gehen wir aber keinewegs davon aus, dass jede Radikalisierung der ArbeiterInnenklasse

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus zunächst zwangsläufig zu einer Stärkung der bestehenden reformistischen Parteien führen wird. Es kann durchaus sein, dass Bewegungen gegen die kapitalistische Ausbeutung durch Komitees oder andere räteähnliche Strukturen ihren Ausdruck finden und sogar kleine revolutionäre Kaderkerne - wenn sie mit einem korrekten Programm ausgerüstet sind - solche Bewegungen vorwärtstreiben können. 36. Revolutionär-sozialistische Perspektiven werden von der Mehrheit der Lohnabhängigen als utopisch und mit dem Hinweis auf die Geschichte der Sowjetunion als gescheitert abgetan. 37. Die stalinistische Deformation der Sowjetunion bzw. die Errichtung von stalinistisch deformierten ArbeiterInnenstaaten in verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern haben der Idee des Sozialismus nachhaltig schweren Schaden im Bewusstsein des Weltproletariats zugefügt. Jahrzehntelang propagierten die stalinistisch beherrschten Staaten ihre unter Kontrolle der Bürokratien stehenden Mangelgesellschaften mit ihren hölzernen Parolen als sozialistische Zukunftsmodelle. Die Idee der ArbeiterInnenkontrolle von Unternehmen durch selbst gewählte, jederzeit rechenschaftspflichtige und abwählbare ArbeiterInnenräte wurde durch einen statischen, von der Parteibürokratie kontrollierten Apparat pervertiert. Die stalinistischen FührerInnen gaben das Ziel der Weltrevolution auf, schlossen ihren Frieden mit der Bourgeoisie und behaupteten, dass die dauerhafte Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auch in einzelnen Nationalstaaten möglich sei und es zu einer langfristigen Periode der friedlichen Koexistenz von Kapitalismus und Sozialismus kommen werde. Dabei schlossen sie auch zahlreiche Bündnisse und Abkommen mit kapitalistischen Ländern. In unserer historischen Analyse des Stalinismus beziehen wir uns auf die Erkenntnisse von Leo Trotzki. Er erkannte richtig, dass entartete ArbeiterInnenstaaten unter der Herrschaft einer konterrevolutionären Bürokratie nicht auf Dauer existieren können und die Bürokratie entweder durch eine proletarische, also politische, Revolution oder durch die Restauration des Kapitalismus hinweggefegt werden wird.

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus 38. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer osteuropäischen Satellitenstaaten haben die stalinistischen Parteien und die verbliebenen stalinistischen Staaten Veränderungen erfahren. Die meisten stalinistischen Parteien Europas haben klassisch reformistische Positionen übernommen, propagieren gemischte Wirtschaftsformen und negieren die Notwendigkeit von Revolutionen. Um zum Sozialismus zu kommen, seien auch „gesellschaftliche Transformationen“ ausreichend. Feind sei der “Neoliberalismus”, aber nicht der Kapitalismus in seiner Gesamtheit. So wird durch die Hintertür ein neuer Aufguss der aus den 70er Jahren stammende Theorie der “anti-monopolistischen Demokratie” eingeschmuggelt, die ihrerseits wiederum nichts anderes war als eine neue Form der Volksfront. 39. Heute befinden sich in China, Kuba und Nordkorea nach wie vor stalinistische Parteien an der Macht. In China ist die kapitalistische Restauration abgeschlossen. Trotz gelegentlicher sozialistischer Phrasen ist die stalinistische Bürokratie selbst die größte Gefahr für die Errungenschaften der nicht-kapitalistischen Gesellschaften. Die Kommunistische Partei Chinas erklärt heute stolz, Millionäre zu ihren Mitgliedern zu zählen. 40. In Kuba findet die kapitalistische Restauration schleichend statt und in Nordkorea ist sie noch sehr gering ausgeprägt. Wir erklären uns solidarisch mit allen Kräften in diesen stalinistischen Staaten, welche der kapitalistischen Restauration entgegenwirken und für eine rätedemokratische Alternative zur Herrschaft der Bürokratie eintreten. China, Kuba und Nordkorea sind schlagende Beispiele für das Scheitern der Theorie des “Sozialismus in einem Lande”. Der Sozialismus kann dauerhaft nur im internationalen Maßstab in einer fortschrittlichen Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung mit einer von den ArbeiterInnen geplanten und kontrollierten Produktion aufgebaut werden. 41. Neben reformistischen und stalinistischen Strömungen existieren in der ArbeiterInnenbewegung auch Organisationen, welche in Worten die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution zur Überwindung des Kapitalismus anerkennen, in der Praxis jedoch reformistisch sind. Wir

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus charakterisieren sie wegen dieses Schwankens zwischen Revolution und Reform als zentristisch. In vorrevolutionären oder revolutionären Situationen können Teile der Mitgliedschaft zentristischer Organisationen für die Revolution gewonnen werden, wenn ihre Parteien unter dem Druck der Massen mit reformistischen Illusionen brechen. In Situationen der Klassenruhe, wenn das dynamische Element fehlt, das zentristische Positionen der Prüfung in der Praxis unterzieht, versteinern manche zentristische Organisationen. 42. Ein folgenschwerer Irrweg mancher zentristischer Strömungen wie der Internationalen Marxistischen Tendenz (in Österreich und Deutschland: Der Funke) ist das unbedingte Festhalten am Organisationsaufbau innerhalb einer großen reformistischen Partei oder Gewerkschaft, egal wie offensichtlich der Verrat deren Führung an den Interessen der ArbeiterInnenklasse bereits geworden ist. Aus dem klassischen Entrismus der 30er Jahre wird eine Form des “embedded opportunism”. Ähnlich kontraproduktiv sind die Aktivitäten von Gruppen, die sich in jede Bewegung (Sozialforen, BürgerInneninitiativen etc.) hineindrängen, Bündnisse mit bürgerlichen Gruppen schließen, um um jeden Preis den Organisationsaufbau voranzutreiben. (Das ist z. B. die Politik der Internationalen Sozialistischen Tendenz rund um die britische SWP, in Österreich vertreten durch Linkswende, in Deutschland Linksruck). 43. Bei all diesen Irrwegen werden nur zu oft die eigenen Prinzipien über Bord geworfen, um nur ja beim Entstehen einer vermeintlich großen Bewegung dabei zu sein und für die eigene Organisation daraus Profit zu schlagen. Oftmals werden bei der Intervention in Bewegungen künstlich Revolutionseuphorien entfacht, wobei in beinahe jedem Streik, jeder Demonstration – in welchem Land auch immer – vorrevolutionäre Ereignisse gesehen werden (eine frühere Spezialität der Liga für die Fünfte Internationale oder ihrer österreichischen Absplitterung RKOB). 44. Ein häufiger Fehler zentristischer Organisationen ist die falsche Einschätzung der Sozialdemokratie. Entweder wird sie als Partei gesehen, in der die ArbeiterInnenklasse alle ihre Illusionen bündelt und in der es unbedingt zu arbeiten gilt, um dort den eigenen Organisationsaufbau vor-

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus anzutreiben, weil ja angeblich nur innerhalb der Sozialdemokratie „etwas entstehen“ kann. Das geht bis zur utopischen Fantasie hin, die reformistische, völlig verrottete Partei mit Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung in eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei ummodeln zu können. Andere ZentristInnen sehen die Sozialdemokratie als völlig verbürgerlicht und ohne Unterschied zu klassisch bürgerlich-konservativen Parteien. Ein weiterer Fehler anderer zentristischer Gruppen ist es, die Sozialdemokratie – hart an der Sozialfaschismustheorie vorbeischrammend – als Hauptfeind zu sehen. 45. Zu den verabscheuungswürdigsten Fehlentwicklungen in manchen zentristischen Organisationen gehört ihr Missbrauch durch ihre FührerInnen zwecks persönlicher Beweihräucherung inklusive Aufbau eines Personenkults sowie persönlicher finanzieller Bereicherung. Das kann so weit gehen, dass der finanzielle Erfolg einer zentristischen Organisation (zum Erhalt des hauptberuflichen Arbeitsplatzes des Führers) im Vordergrund steht. 46. Ein weiterer Irrweg bei der Verfolgung des Ziels einer klassenlosen Gesellschaft ist der Anarchismus, der aktuell sowohl unter dieser Bezeichnung wie in Form der operaistisch-autonomistischen und sogenannten „libertären“ Strömung existiert. Allerdings unterscheiden sich Marxismus und Anarchismus nicht ausschließlich dadurch voneinander, dass MarxistInnen aus den Lehren der Geschichte wissen, dass die alte bürgerliche Gesellschaft nicht von einem Tag auf den anderen durch eine “staatslose” Gesellschaft ersetzt werden kann. Um den Widerstand der gestürzten herrschenden Klassen zu brechen, bedarf es einer Periode, in der die bewaffnete arbeitende Bevölkerung, die Mehrheit der Gesellschaft also, die ArbeiterInnenmacht errichten und festigen kann, um auf dieser Grundlage zum Sozialismus voranzuschreiten. Erst nach dieser ersten Phase einer umfassenden demokratischen Herrschaft durch die ehemals Ausgebeuteten (die “Diktatur des Proletariats”) wird das Absterben des Staates möglich, weil erst mit dem Fortschreiten des Aufbaus des Sozialismus die Klassen langsam verschwinden können. Es ist nicht möglich, die Periode des Sozialismus zu überspringen und gleich zum Kommunismus zu gelangen. Nach dem weltweiten Sieg des Sozialismus und dem Ver-

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Reformismus, Stalinismus, Zentrismus, Anarchismus schwinden der Klassen wird der Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft frei sein. 47. Aktuell gefährlicher ist die Ablehnung disziplinierter politischer Organisationsformen und das Beharren auf “basisdemokratischen Entscheidungen durch den Anarchismus. Die AnarchistInnen knüpfen bei ihrer Propaganda an antiautoritäre Reflexe der Jugend und den Abscheu vor den Erfahrungen der ArbeiterInnen mit dem Stalinismus an, während sie selbst Ziel gewaltsamer Aktionen der reformistischen und stalinistischen Apparate werden. Bestimmte Strömungen des Anarchismus schließen gar ideologisch an bürgerlich-kapitalistische Theoreme an: sei es in der Begeisterung des Operaismus für die reaktionäre sogenannte Lebensphilosophie, sei es in Gestalt des Libertarianismus, der sich vielfach für Ideen der radikal arbeiterInnenfeindlichen „Wiener Schule“ in der Nationalökonomie begeistert. Während sich die Bourgeoisien immer besser organisieren, ihre zentralen Macht- und Repressionsapparate ausbauen und effizient gegen Arbeitskämpfe und Protestbewegungen einsetzen, raten die AnarchistInnen den Unterdrückten im Namen der Basisdemokratie zu losen Strukturen mit sich ständig wechselnden Mehrheitsverhältnissen. Einige anarchistische Strömungen scheuen in ihrem Hass gegen den “autoritären Kommunismus” auch nicht vor physischen Angriffen auf MarxistInnen zurück. 48. Reformismus, Stalinismus, Zentrismus und Anarchismus sind vier Fehlentwicklungen in der ArbeiterInnenbewegung. Auch wenn der Weg lang und steinig sein wird, so ist der Aufbau einer revolutionären Organisation zur Überwindung des Kapitalismus und Errichtung einer weltweiten sozialistischen Gesellschaft zur Beendigung der Krise der Menschheit unumgänglich.

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Unsere Haltung zu den Gewerkschaften

UNSERE HALTUNG ZU DEN GEWERKSCHAFTEN 49. Gewerkschaftliche Organisationen waren der erste organisierte Ausdruck der Erkenntnis der ArbeiterInnen über ihre eigenen Klasseninteressen. Theoretisch steht der einzelne Arbeiter, die einzelne Arbeiterin, am Arbeitsmarkt dem Kapitalisten als gleichberechtigte Vertragspartei beim Verkauf der Ware Arbeitskraft gegenüber. Faktisch aber mussten die Arbeiter bereits im Frühkapitalismus die Erfahrung machen, dass der vereinzelte Proletarier vom Kapitalisten nicht nur möglichst gedrückt, sondern auch gegen seine Kollegen ausgespielt wird. Das erste Ziel der Gewerkschaften war daher, den Verkauf der Ware Arbeitskraft zum für den Arbeiter bestmöglichen Preis durchzusetzen. Sie stellen die unmittelbare Ebene dar, mit der der Einzelne aus seiner Machtlosigkeit dem Kapitalisten als ebenbürtiger Gegner entgegentreten möchte. Die Aufgabe der Gewerkschaft ist primär die Verbesserung der Umstände, in denen der Arbeiter sich befindet. Darin begründet liegt auch die tief verwurzelte Bindung vieler Mitglieder zu ihren Organisationen. Gleichzeitig muss aber klar unterstrichen werden, dass Gewerkschaften (außer unter dem Einfluss einer starken, im Proletariat verankerten revolutionären Partei) immer ArbeiterInnnenorganisationen sind, die im Kapitalismus und nicht gegen den Kapitalismus kämpfen. 50. Gewerkschaften sind immer auch Teil der Gesellschaft, des Staates und dessen Machtgefüge. Somit kann ihre Führung die Entwicklung und die Stellung der Arbeiterschaft in der kapitalistischen Gesellschaft mitunter wesentlich mitprägen. 51. Als elementare Klassenorganisation sind Gewerkschaften die simpelste Form einer Einheitsfrontorganisation. Sie vertreten - zumindest in Österreich - nach wie vor bedeutende Schichten der lohnabhängigen Bevölkerung. Die aktuelle Situation der österreichischen Gewerkschaften lässt sich an mehreren Punkten festmachen:

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Unsere Haltung zu den Gewerkschaften 52. Die Gründung des ÖGB im Mai 1945 erfolgte auf einer reinen Funktionärsebene, von Haus aus war eine demokratische Mitbestimmung der Basis bei den Beschlüssen der Gewerkschaftsgremien nicht vorgesehen. Statt dessen traten alle an der Gründung beteiligten politischen Kräfte, also SozialdemokratInnen, ChristgewerkschafterInnen und StalinistInnen, dafür ein, die Gewerkschaften auf einer informellen Ebene in die sozial- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen des bürgerlichen Staates einzubinden. 53. Die Gewerkschaft und damit ihre Mitglieder werden bis heute von Funktionären vertreten, die oft in undurchsichtigen Verfahren an Spitzenpositionen gelangen und durch zweifelhafte Verdienste aufgestiegen sind. Die Loyalität zur Organisation oder Fraktion zählt oft mehr als der Einsatz für “die Sache”. Nicht selten ist der Bezug zur Realität am Arbeitsplatz durch lebenslanges Funktionärsdasein nicht mehr gegeben. Das wird auch schon einmal mit überdurchschnittlichen Gehältern und einer besseren Stellung in der Hierarchie abgegolten. 54. Die Integration der Gewerkschaften in den bürgerlichen Staat macht sie zu einem systemstabilisierenden Faktor. An den grundlegenden Mißständen in der kapitalistischen Gesellschaft wird nicht gerüttelt. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Mitgliedszahlen tendenziell im Sinken begriffen sind. 55. Aus der obigen Analyse leiten wir folgende taktische Schritte ab: 56. Wir verteidigen die Idee der gewerkschaftlichen Organisierung trotz der und gegen die klassenverräterische Politik der Bürokratie. Wir kämpfen in den Gewerkschaften für die Beseitigung der Bürokratie, für die Rückeroberung der Macht in den Gewerkschaftsorganisationen durch die Mitglieder. 57. Entscheidungen über die Abwehr von Angriffen auf die soziale Situation der ArbeiterInnen und Angestellten, über die Forderungen in Lohnrunden, dürfen nicht von SpitzenbürokratInnen hinter geschlossenen Türen mit den VertreterInnen des Kapitals ausgehandelt werden, son-

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Unsere Haltung zu den Gewerkschaften dern unter dauernder Kontrolle der Basis erfolgen. Alle Schritte auf dem Weg zu irgendwelchen Abkommen sind der breitestmöglichen Diskussion in den Betrieben und Gewerkschaftsgruppen vorzulegen und durch Urabstimmungen zu legitimieren. 58. Wir fordern die demokratische Wahl, Rechenschaftspflicht und Abwählbarkeit aller Gewerkschaftsfunktionäre. Schluss mit Antrags- und Mandatsprüfungskommissionen, Schluss mit den ritualisierten Gewerkschaftskongressen, bei denen nicht die Delegierten die Führung wählen, sondern die Führung ihre handverlesenen „Delegierten“ zusammentrommelt. Bis hinauf zu den Gewerkschaftsvorsitzenden darf das Einkommen von angestellten Gewerkschaftsfunktionären nicht über dem Durchschnittsbezug eines hochqualifizierten Facharbeiters liegen. 59. Wir verteidigen das Recht aller Gewerkschaftsmitglieder, sich in Fraktionen zusammenzuschließen. Allerdings dürfen die derzeit bestehenden Fraktionen, die lediglich der verlängerte Arm der Parlamentsparteien sind, nicht darüber entscheiden, wer das Recht auf Fraktionsstatus hat und wer nicht. Die Bildung von Fraktionen setzt voraus, dass in einem entsprechenden Positionspapier die Ziele der Fraktion umrissen werden, wobei die einzige Bedingung die Anerkennung der gewerkschaftlichen Freiheiten ist. 60. Das bedeutet aber auch, dass Pseudofraktionen wie die freiheitliche AUF, die offen gewerkschaftsfeindlich agiert und eine fünfte Kolonne der Bourgeoisie im ÖGB bildet, aus den Gewerkschaften ausgeschlossen werden müssen. Ebenso haben die unmittelbaren Büttel der herrschenden Klasse – Offiziere, Polizisten, Gefängnisaufseher … keinen Platz in den Gewerkschaften. Streikbrecher müssen aus unseren Reihen verjagt werden! 61. Auch wenn wir die Gewerkschaften verteidigen, sind wir keine Gewerkschaftsfetischisten: wenn im Zuge von Klassenauseinandersetzungen von den Gewerkschaften unabhängige oder sogar gegen die reformistische Bürokratie gebildete basisdemokratische Strukturen (Betriebskomitees, Fabriksräte, Aktionsauschüsse...) entstehen, werden wir diese unter-

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Unsere Haltung zu den Gewerkschaften stützen und in ihnen mitarbeiten, wenn sie reale Instrumente zur Herstellung der Einheit im Kampf gegen die AusbeuterInnen sind.

SOZIALISMUS UND UMWELT 62. Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der ständigen Veränderung der Natur durch den Menschen. Bis zur industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts waren die schädlichen Einflüsse des Menschen auf die Natur vor allem auf die Ausrottung weniger Tierarten und die großflächige Abholzung von Wäldern beschränkt. Vor allem mit der Erfindung der Dampfmaschine, der Errichtung qualmender Fabrikschlote und der Etablierung der Bahn mit Dampfloks wurde die Umweltverschmutzung stärker sichtbar, blieb jedoch kein Faktor, der die Menschen beschäftigte oder gar beunruhigte. 63. Ab den 1920er Jahren begann die Elektrifizierung von Städten und privaten Haushalten. Spätestens mit der seit den 1970er Jahren einsetzenden Diskussion über sauren Regen und die Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist Umweltschutz zum gesamtgesellschaftlichen Thema geworden. 64. Die Atomkraft steht auch im Brennpunkt der ab dem Beginn des 21. Jahrhunderts unvermeidlich gewordenen Debatte um die Reduktion der Treibhausgase. Von bürgerlichen Wissenschaftern wird ihre Forcierung als einzig gangbare Lösung zur Reduktion der CO² Emissionen in der Stromproduktion dargestellt. Obwohl Kohlekraftwerke als eine der Hauptverursacher des Klimawandels genannt werden, werden diese weiter betrieben und neue errichtet. Allen anderen Formen der Stromgewinnung (Wasserkraft, Windenergie, Solarstrom etc.) wird von der herrschenden bürgerlichen Ideologie lediglich eine „ergänzende“ Funktion zugeschrieben, ja oftmals nur als Prestige- und Vorzeigeprojekte realisiert. Die Entscheidung für eine Art der Elektrizitätserzeugung wird vor allem nach den dafür anfallenden Kosten pro Kilowattstunde und nicht nach ökologi-

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Sozialismus und Umwelt schen Kriterien getroffen. Für die dominierenden kalorischen Kraftwerke und AKWs werden fossile Brennstoffe (Kohle, Erdgas) bzw. Uranerze benötigt. Beim Abbau und Transport der benötigten Rohstoffe wird bei den Sicherheitsmaßnahmen gespart, um den Profit zu erhöhen. Die Folgen sind Tankerunfälle und lecke Ölplattformen, die die Meere in beträchtlichem Ausmaß verunreinigen, alles Leben in den betroffenen Meeresregionen und die Existenzgrundlage der Fischer zerstören. Im Bergbau bezahlen jährlich tausende Bergarbeiter die Sparwut der Kapitalisten mit ihrem Leben. Immer entlegenere Gegenden und Meeresregionen werden für die Rohstoffgewinnung ausgebeutet und dabei wertvolle Naturreservate unwiederbringlich zerstört. Dabei machen sich die Kapitalisten das vom Klimawandel verursachte Abschmelzen der Polareise zunutze, um bisher fast unberührte Natur in ein einziges riesiges Bergewerk zu verwandeln. Zusätzlich zur Umweltzerstörung birgt der Kampf um die Rohstoffe auch die Gefahr imperialistischer Kriege. 65. Für die Fleischproduktion werden immer noch große Waldflächen gerodet, obwohl längst bekannt ist, dass pflanzliche Nahrung eine wesentlich bessere Umweltbilanz aufweist. Während in den kolonialen und halbkolonialen Ländern, zusehends aber auch schon wieder in den imperialistischen Metropolen, der Hunger ständiger Teil des Lebens der ausgebeuteten Klassen ist, wird wertvolles Getreide für die Aufzucht von Rindern und Schweinen vergeudet. Diese Situation wird durch die Produktion von Biosprit noch verschärft. Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft sind an der Ausrottung verschiedener Vogelarten mit schuld. 66. Der Transport von Produktionsmitteln und Konsumgütern findet am Landweg mehr und mehr mit dieselbetriebenen LKW zuungunsten der wesentlich energieeffizienteren Beförderung mit der Bahn statt. Dabei werden für einzelne Produktionsschritte oft Wege von tausenden Kilometern zurückgelegt, damit die Kapitalisten zu niedrigeren Löhnen erzeugen lassen und damit höhere Profite erzielen können. Warentransporte auf dem Luft- und Seeweg finden ausschließlich durch die Nutzung fossiler Brennstoffe (Kerosin, Diesel) statt. Beim Personentransport setzt die herrschende Ausbeuterklasse auf den Individualverkehr mit benzin- oder die-

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Sozialismus und Umwelt selbetriebenen Fahrzeugen. Weltweit erleben wir eine Privatisierungswelle im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). 67. Gebetsmühlenartig weist die bürgerliche Propagandamaschinerie auf den Einfluss und die Verantwortung des Einzelnen hin. Bewusst übersehen die Medien die wirtschaftlichen Zwänge des Proletariats. Wer sich mit mehreren schlecht bezahlten Jobs oft mehr als acht Stunden täglich verkaufen muss, um sich mühsam „über Wasser“ zu halten, wird nicht die nötige Muße für effiziente Mülltrennung finden können. Arbeitende Menschen können sich Umweltschutzmaßnahmen in den eigenen vier Wänden schlichtweg oft nicht leisten, was wiederum mittelfristig zu höheren Belastungen führt, weil laufend höhere Energiekosten anfallen. 68. Im Umweltbereich zeigt der Kapitalismus, dass unter den Bedingungen der privaten Aneignung des Mehrwerts die Produktivkräfte in Destruktivkräfte umschlagen. 69. Effiziente Maßnahmen der Energiegewinnung und -nutzung sowie der Ökologisierung des Verkehrs werden nicht genutzt oder nicht weiter entwickelt, um Profite aus der Förderung fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) und bereits ausgereiften Technologien (Verbrennungsmotoren, Atom- und Kohlekraftwerke, Energiesparlampen etc.) lukrieren zu können. Es ist der Profitwahn der Kapitalistenklasse, der die Kosten der Umweltschäden auf die ArbeiterInnenklasse abwälzt und die Menschheit mit ihrem respektlosen Umgang mit der Umwelt an den Rand des Untergangs treibt. 70. In der Frage der natürlichen Umwelt, der Ökologie begegnen einer marxistischen Position zwei Extreme, die gegen die Interessen der ArbeiterInnenklasse formuliert sind: eine Position sieht die ökologische Frage als die alleinig bestimmende Frage an, die allen anderen gesellschaftlichen Herausforderungen übergeordnet ist. Oft wird aus dieser Haltung heraus gegen die industrielle Entwicklung der Menschheit, gegen die industrielle Produktion selbst, Stellung genommen und vielfach die ArbeiterInnen noch dazu für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich gemacht.

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Sozialismus und Umwelt 71. So wenig wir als MarxistInnen, als AnhängerInnen des wissenschaftlichen Sozialismus, von einer "Neutralität" der Produktivkräfte ausgehen, so wenig können wir auch vergessen, dass die ökologische Krise nur mittels neuer technologischer Möglichkeiten im Bereich alternativer Energie und Kreislaufwirtschaft bewältigt werden kann. Technik und Industrie per se zu verteufeln würde dagegen bedeuten, perspektivlose Gesellschaftsformen zu propagieren, die es unmöglich machen würden, sich der Umweltfrage gerade im globalen Maßstab zu stellen. 72. Eine andere Position lehnt jede ökologische Perspektive revolutionärer Politik ab. Nach diesem Standpunkt ist jede Bezugnahme auf reale ökologische Probleme eine Kapitulation vor einer imperialistischen Krisenideologie, die die ökologische Frage als Deckmantel für Austeritätspolitik , Kolonialismus und Deindustrialisierung benutzt und daher von MarxistInnen entlarvt und bekämpft werden muss. Wir verkennen nicht, dass tatsächlich unter den Bedingungen des Kapitalismus ökologische Fragestellungen in diesem Sinne missbraucht werden. Ebensowenig verkennen wir den mehrheitlich kleinbürgerlichen Charakter der Umweltbewegung. Wir halten es aber für unverantwortlich, tatsächliche und gerade die verarmten Massen kolonialer und halbkolonialer Länder in ihrer Existenz bedrohende Zerstörungen der natürlichen Umwelt zu leugnen. VertreterInnen der letztgenannten Position sind in den letzten Jahren zunehmend dazu übergegangen, die Strategien der imperialistischen Konzerne zu verteidigen, bürgerliche "Modernisierungs"theorien zu übernehmen und eine quasi-göttliche Fortschrittsideologie zu propagieren, die keinerlei Bezug mehr zur ArbeiterInnenbewegung hat. Nicht wenige von ihnen (LaRouche-Sekte, Strömung um Frank Füredi in Britannien, Frankreich und Deutschland, ehem. "Neue Hauptseite Theorie" in Deutschland) haben sich extrem rechten Denkweisen und Politikformen zugewandt. 73. Erst die Beseitigung des Kapitalismus durch eine weltweite sozialistische Revolution wird den Weg für die Lösung des existenzbedrohenden Umweltproblems frei machen. Es bedarf einer großen ideologischen Offensive um begreiflich zu machen, dass die Ressourcen der Erde weder privates noch nationales Eigentum sind, sondern dass es einen sinnvollen internationalen Austausch von Bodenschätzen geben muss. Bei der indus-

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Sozialismus und Umwelt triellen Produktion müssen ökologische Gesichtspunkte oberste Priorität haben. 74. Nur die ArbeiterInnenklasse, die Klasse, welche Werte schafft, wird auch im Stande sein, diese zu schützen und ein Leben in einer lebenswerten Umwelt sichern.

DIE MARXISTINNEN UND DER STAAT 75. Die Gruppe Klassenkampf steht ohne Schwanken auf dem Boden der marxistischen Lehre vom Staat, wie sie Marx, Engels und Lenin formuliert haben. 76. Entgegen allen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Theorien, die im Staat eine über oder außerhalb der Klassen stehende Einrichtung sehen, ist für uns jeder Staat Ausdruck eines Klassenverhältnisses. Der Staat ist immer eine Institution der herrschenden Klasse zur Unterdrückung der anderen Klassen. Dabei sind die Erscheinungsformen und politischen Einrichtungen sekundär. Engels hat den Staat sehr klar als das definiert, was er unabhängig von Konstituierenden Versammlungen, Parlamenten, Ober- und Unterhäusern, Kommunalversammlungen, etc. ist: „Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse.“ 77. Ein wesentliches Merkmal des Klassenstaates ist die Entstehung „besonderer Formationen bewaffneter Menschen“ (Armee, Polizei) und ihrer „materiellen Anhängsel“ (Gefängnisse, Kasernen...).

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Die MarxistInnen und der Staat 78. In der bürgerlichen Ideologie wird das Wesen des Staates auf den Kopf gestellt: der Staat sei angeblich ein Instrument des Ausgleichs zwischen den Klassen; der Staat könne aus den Fängen der „Superreichen“ entrissen und in den Dienst der Massen gestellt werden. 79. Derartige Positionen gehören zum traditionellen politischen Handgepäck von sozialdemokratischen und (post-)stalinistischen Parteien, die sich vollständig in das kapitalistische System integriert haben. Mittlerweile hat sich aber eine neue, „rebellische“ Bewegung dieser Theorieabfälle angenommen: die „Indignados“ und AktivistInnen der internationalen „Occupy“-Bewegungen. 80. Die Empörung über die kapitalistische Krise und ihre Abwälzung auf die arbeitenden Klassen bei gleichzeitig unverhohlen und zynisch zur Schau gestelltem Luxus der herrschenden Klasse, die Angst um eine Zukunft in Arbeitslosigkeit für die Masse der Jugend, die Sorge um ein Leben ohne medizinische Versorgung oder Altersvorsorge hat zehntausende Menschen auf die Straßen getrieben. Das Fehlen einer starken oder zumindest relevant in den Massen verankerten revolutionären Partei und einer revolutionären ArbeiterInneninternationale hat dazu geführt, dass liberale oder zentristische Kräfte in diesen Bewegungen den Ton angeben. Diese bemühen sich aus unterschiedlichen Gründen, die Klassenverhältnisse zu verschleiern und die Proteste in Bahnen zu lenken, die als Ziel einen „reformierten“, demokratischeren Staat anstreben. 81. Basis dieser Orientierung, die zu Illusionen in „den Staat“ führen muss, sind letztlich unterschiedlche Variationen der Volksfrontorientierung, also organischer Bündnisse mit bürgerlichen Parteien zur Verhinderung der sozialistischen Revolution. 82. Durch die US-amerikanische „Occupy“-Bewegung wurde weltweit die 99 : 1 – Formel propagiert: ein Prozent der Gesellschaft - „die Superreichen“ kontrollieren alles, die 99 % Restbevölkerung seien die Opfer dieser oligarchischen Herrschaft. Daraus folgt unter anderem, dass eine „Demokratisierung“ der bestehenden Staaten, am besten durch „basisdemokratische“ Elemente, den Staat „zurück“ in die Hände der 99 % legen würde.

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Die MarxistInnen und der Staat 83. Diese plakative Argumentation ist natürlich falsch, weil die Klassenverhältnisse im Kapitalismus keineswegs so einfach sind, dass die Entmachtung von “einem Prozent“ der Bevölkerung reichen würde, die Gesamtsituation zu verändern. 84. Der grundlegende Fehler hinter dieser Position ist das Unverständnis dafür, dass das Kapital keine Sache und einzelne KapitalistInnen dessen VerwalterInnen sind, sondern dass das Kapital ein gesellschaftliches Verhältnis bedeutet. 85. Gerade die zunehmende Repression gegen die unterschiedlichen Protestbewegungen in allen Teilen der Welt zeigt, dass die Basis der Ausbeuterklassen wesentlich breiter ist und ihre unterdrückerischen Machtmittel beträchtlich sind. 86. Die revolutionären Eruptionen in Nordafrika haben einmal mehr – wenn auch in verzerrter Form, da es sich nicht um siegreiche proletarische Revolutionen gehandelt hat! – die Marxsche Erkenntnis bestätigt, dass das Proletariat nach dem Sturz der vormals herrschenden Klassen nicht einfach den alten Staatsapparat übernehmen und für seine Zwecke benützen kann. Ägypten und Tunesien haben gezeigt, dass sogar bei einem Regimewechsel innerhalb der herrschenden Klasse intakt gebliebene Stützpfeiler der alten Eliten (Armee, Geheimpolizei …) nahtlos ihre alte Funktion, vielleicht mit einer anderen Rhetorik, beibehalten. 87. Auch unsere Kritik an den Illusionen in eine Dienstbarmachung des bürgerlichen Staates für die arbeitende Klasse stützt sich auf die marxistische Lehre vom Staat. Das betrifft auch unser Herangehen an Wahlen. 88. Wahlen zu bürgerlichen politischen Institutionen sind für MarxistInnen insofern wichtig, als sie in der Regel Phasen einer erhöhten Bereitschaft zu politischen Diskussionen sind. Wenn die revolutionäre Organisation stark genug ist, trotz aller bürokratischen Hindernisse (z.B. Unterstützungserklärungen, finanzielle Sicherstellungen für Stimmzettel etc.) bei

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Die MarxistInnen und der Staat Wahlen zu kandidieren, muss sie diese Möglichkeit nutzen, um das revolutionäre Programm vor den Augen der Massen auszubreiten. 89. RevolutionärInnen haben nicht das Ziel, im Falle ihrer Wahl „konstruktiv“ in den bürgerlichen Organen zu zeigen, „wie man's macht“, sondern sie nutzen gegebenenfalls die Institutionen, in die sie gewählt wurden, als Tribüne zur Entlarvung der herrschenden Klasse und ihrer politische Winkelzüge. 90. Egal, wie die Kräfteverhältnisse für die revolutionäre Organisation in Wahlzeiten sind, müssen alle Illusionen in die bürgerlichen Institutionen konsequent bekämpft werden. Entscheidend wird es aber sein, die revolutionäre Kritik am Parlamentarismus deutlich von der reaktionären oder faschistischen Kritik abzugrenzen. 91. Das heißt z.B., dass wir auch in Situationen, in denen sich die Massen instinktiv angeekelt von den bürgerlichen und reformistischen Berufspolitikern abwenden, nicht wie die Faschisten Wahlen generell ablehnen. Prinzipiell verteidigen wir das Recht der ArbeiterInnen, in organisierter Form bei Wahlen ihre Meinung auszudrücken. Wir erinnern dabei aber immer an eine Stelle aus Lenins „Staat und Revolution“, die sehr instruktiv ist: 92. „Es muss noch hervorgehoben werden, dass Engels mit größter Entschiedenheit das allgemeine Stimmrecht als Werkzeug der Herrschaft der Bourgeoisie bezeichnet. Das allgemeine Stimmrecht, sagt er unter offensichtlicher Berücksichtigung der langjährigen Erfahrungen der deutschen Sozialdemokratie, ist '... der Gradmesser der Reife der Arbeiterklasse. Mehr kann und wird es nie sein im heutigen Staat...' Die kleinbürgerlichen Demokraten vom Schlage unserer Sozialrevolutionäre und Menschewiki sowie ihre leiblichen Brüder, alle Sozialchauvinisten und Opportunisten Westeuropas, erwarten eben vom allgemeinen Stimmrecht 'mehr'. Sie sind in dem falschen Gedanken befangen und suggerieren ihn dem Volke, das allgemeine Stimmrecht sei 'im heutigen Staat' imstande, den Willen der Mehrheit der Werktätigen wirklich zum Ausdruck zu bringen und seine Realisierung zu sichern“.

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Die MarxistInnen und der Staat 93. Wenn die Revolutionäre für eine Eigenkandidatur zu schwach sind, besteht die Möglichkeit, durch kritische Wahlempfehlungen für eine oder mehrere bürgerliche, reformistische oder zentristische ArbeiterInnenparteien einen spezifischen Zugang zur Basis dieser Parteien zu suchen. Es handelt sich dabei aber um taktische Fragen, die von Situation zu Situation neu entschieden werden müssen. 94. Den Einrichtungen der bürgerlichen „Demokratie“ stellen wir in unserer Propaganda Räteorgane gegenüber. Räte – Sowjets, Arbeiterkomitees, Arbeiterdeputierte... - sind kein abstraktes Postulat der MarxistInnen, sie sind eine natürliche Organisationsform, die in allen proletarischen Klassenkämpfen, bis hin zum Entwickeltsten, dem Kampf um die Macht, entstehen. 95. Erstmals haben die ArbeiterInnen von Paris während ihres heroischen Aufstandes Anfang 1871 gezeigt, wie die ArbeiterInnenmacht konkret aussehen kann: nach einem bestimmten Schlüssel gewählte rechenschaftspflichtige und jederzeit absetzbare VertreterInnen der Stadtteile und Werkstätten, die keine Berufspolitiker, sondern Teil der Klasse sind, die keine materiellen Privilegien aus ihrer Tätigkeit ziehen, sondern einen Arbeiterlohn erhalten. Ein Rotationsprinzip, das eine Verknöcherung der Delegierten verhindern soll. 96. Im Prinzip ist dieses Modell der proletarischen Machtausübung die ausgeweitete Form eines Streik- oder Kampfkomitees. Es ist also nichts von Außen Aufgepfropftes. 97. Die Pariser Arbeiter haben leider nicht konsequent genug alle Einrichtungen des bürgerlichen Staate zerschlagen und durch ihre eigenen Machtstrukturen ersetzt. Vor allem das Weiterbestehen der Nationalbank konnte der Bourgeoisie helfen, neue Kräfte zu sammeln. 98. Ein wesentlicher Schritt war die Bewaffnung der ArbeiterInnen, die Ersetzung der „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“ durch eine breit angelegte proletarische Miliz mit gewählten AnführerIn-

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Die MarxistInnen und der Staat nen. Auch die Einrichtung öffentlicher Gerichte, die mit den lokalen Räten zusammenfielen, bedeutete einen gewaltigen Schritt nach vorn. 99. Engels hat die Pariser Commune zurecht als Modell für die „Diktatur des Proletariats“ bezeichnet. Heute weckt der Begriff Diktatur Unbehagen oder Ablehnung. Wir MarxistInnen verwenden diesen Begriff aber trotzdem, jedoch nicht, ohne ihn zu erklären: die angebliche „bürgerliche Demokratie“ mit ihren Parlamenten, Ausschüssen, Kommissionen entlarvt sich immer deutlicher vor den Augen als das, was sie ist: ein betrügerisches Manöver, um die Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse zu bemänteln und behübschen. Wir MarxistInnen sagen: diese „bürgerliche Demokratie“ ist nichts anderes als die verbrämte Diktatur der Bourgeoisie, die Herrschaft einer Minderheit über die große arbeitende Mehrheit der Bevölkerung. Dem stellen wir offen für die Zeit nach der siegreichen sozialistischen Revolution die Diktatur des Proletariats gegenüber – die Herrschaft der Mehrheit über die ehemals unterdrückende Minderheit. Diktatur in dem Sinne, dass das siegreiche Proletariat die größtmögliche Freiheit garantiert, aber jeden Versuch, die alten Ausbeuterverhältnisse wieder aufzurichten oder bewaffnet gegen die Revolution zu opponieren, mit den notwendigen Mitteln unterbinden wird. 100. In diesem Punkt unterscheiden wir uns grundlegend von den anarchistischen GenossInnen, die glauben, dass mit der Revolution (oder schon vorher) jede Form von „Autorität“ verschwinden wird. Jede bisherige Revolution hat gezeigt, dass die gestürzte Klasse nicht kampflos das Feld räumt. Nebenbei haben AnarchistInnen selbst pragmatisch ihre „Staatenlosigkeit“ über Bord geworfen, wenn es hart auf hart ging, allerdings zum Schaden der Revolution: in Spanien traten die Anarchisten der FAI (Anarchistische Iberische Föderation) 1936 in eine bürgerliche Volksfront ein, um „die Revolution zu verteidigen“... 101. Allerdings teilen wir die grundlegende Prognose der Klassiker, dass nach der Revolution (unter den Bedingungen einer funktionierenden Rätedemokratie) bei Fortschreiten der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung klassenloser Gesellschaft der Staat absterben wird. Die „Assoziation freier Individuen“ wird dann an die Stelle halbstaatlicher Einrichtun-

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Die MarxistInnen und der Staat gen treten, da die Überreste der alten kapitalistischen Gesellschaft langsam, wie Sedimente im Wasser, zu Boden sinken und verschwinden werden.

REVOLUTIONÄRER ANTIMILITARISMUS 102. Die Spaltung der menschlichen Gesellschaft in Klassen bringt ab einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe den Staat hervor. Der Staat ist das Instrument der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Macht über die unterdrückten Klassen oder Schichten. Ein wesentliches Merkmal der Klassengesellschaft ist die Zentralisierung der bewaffneten Gewalt in den Händen und unter Kontrolle der herrschenden Klasse – sei es in Form von (stehenden, auf Aushebung oder Söldnerwesen beruhenden) Heeren, Milizen, paramilitärischen Truppen (Werkschutztruppen, Anti-Aufstandspolizei, Sonderpolizei etc.) oder der Polizei. Dazu gesellen sich die „materiellen Anhängsel“ des Repressionsapparates – Kasernen, Gefängnisse, Zwangsarbeitslager, „boot camps“ etc. 103. Die Schaffung eines Militärapparates dient in der Klassengesellschaft primär zwei Zielen: der Ausweitung oder Verteidigung des bestehenden Staates und der von ihm geschützten Ausbeutungsverhältnisse nach außen; und der allfälligen Unterdrückung von Protesten, Aufständen, Revolten oder Revolutionen nach innen. Dazu kommen eine Reihe flankierender Maßnahmen, die für die herrschende Klasse zur Absicherung ihrer Macht ebenfalls hilfreich sind: die Indoktrinierung der Armeeangehörigen mit der herrschenden Ideologie, die Schaffung von (inneren und äußeren) Feindbildern und die Vermittlung der Propagandalüge, dass die Repressionskräfte – ebenso wie der gesamte Staatsapparat – nicht Werkzeuge in den Händen einer kleinen Minderheit der Gesellschaft, sondern „Dienerin“ der Gesamtgesellschaft sei. 104. Tatsächlich sind Kriege auch heute noch eine „Fortsetzung der Politik“ mit anderen Mitteln. Kriege, die von imperialistischen Mächten

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Revolutionärer Antimilitarismus gegeneinander geführt werden (um die Aufteilung von Märkten oder für die Eroberung von Rohstoffen), lehnen wir MarxistInnen entschieden ab und vertreten in den kriegführenden Ländern eine Position des revolutionären Defätismus: wir treten für die Niederlage der eigenen Bourgeoisie und die Verwandlung des imperialistischen Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg zum Sturz der Bourgeoisie ein; im Falle von Angriffen imperialistischer Mächte auf koloniale oder halbkoloniale Länder treten wir in den imperialistischen Ländern für die Niederlage der räuberischen Bourgeoisie und ihrer Armeen ein. In den kolonialen und halbkolonialen Ländern würden wir im Kriegsfall den bewaffneten Kampf gegen eine imperialistische Aggression unterstützen, ohne aber die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenorganisationen preiszugeben bzw. den Kampf gegen einen imperialistischen Eindringling nutzen, um die Klassenunabhängigkeit des Proletariats bewaffnet zu erringen. Im Falle eines imperialistischen Angriffskrieges gegen einen [deformierten] ArbeiterInnenstaat (heute z.B. Cuba …) treten wir selbstverständlich für die Niederlage der Bourgeoisie und die Verteidigung des ArbeiterInnenstaates ein. 105. Da der Imperialismus im 20. Jahrhundert den Weltmarkt verwirklicht und die Bourgeoisie ihre historische Mission erfüllt hat und nun zur blutigen Bremse der Menschheitsentwicklung geworden ist, besteht kaum die Perspektive, dass koloniale oder halbkoloniale Länder gegeneinander historisch legitime, „gerechte“ Kriege, führen. Die marxistische Position hat Lenin 1915 sehr deutlich herausgearbeitet: 106. „Die Epoche von 1789 bis 1871 hinterließ tiefe Spuren und revolutionäre Erinnerungen. Vor dem Sturz des Feudalismus, des Absolutismus und der Fremdherrschaft konnte von einer Entwicklung des proletarischen Kampfes um den Sozialismus nicht die Rede sein. Sprachen die Sozialisten im Hinblick auf die Kriege einer solchen Epoche von der Berechtigung des 'Verteidigungs'krieges, so hatten sie stets gerade diese Ziele, das heißt die Revolution gegen Mittelalter und Leibeigenschaft im Auge. Die Sozialisten verstanden unter einem 'Verteidigungs'krieg stets einen in diesem Sinne „gerechten” Krieg (wie sich Wilhelm Liebknecht einmal ausdrückte). Nur in diesem Sinne erkannten und erkennen jetzt noch die Sozialisten die Berechtigung, den fortschrittlichen und gerechten Charakter

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Revolutionärer Antimilitarismus der 'Vaterlandsverteidigung' oder des 'Verteidigungs'krieges an. Wenn zum Beispiel morgen Marokko an Frankreich, Indien an England, Persien oder China an Rußland usw. den Krieg erklärten, so wären das gerechte Kriege, Verteidigungskriegc, unabhängig davon, wer als erster angegriffen hat, und jeder Sozialist würde mit dem Sieg der unterdrückten, abhängigen, nicht gleichberechtigten Staaten über die Unterdrücker, die Sklavenhalter, die Räuber - über die 'Groß'mächte – sympathisieren“. (Lenin, Werke Bd. 21, S. 300f) 107. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich die Bourgeoisie im Kampf um die Macht stets bewaffnet zur Wehr setzt. Militärische Streitkräfte sind neben dem Staatsapparat und der bürgerlichen Kontrolle über das gesellschaftliche Leben und die Medien ein wichtiges Herrschaftsinstrument. Daher lehnen wir pazifistische Konzepte reformistischer Strömungen ab, die vom gewaltfreien Übergang in den Sozialismus fantasieren und stellen folgende Leitsätze auf: 108. Als internationalistische Marxistinnen und Marxisten lehnen wir die bürgerliche Armee, die stets ein Instrument des Klassenkampfes gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der internationalen Interessen des Imperialismus ist, ab. 109. Das gilt für den gesamten militärischen Unterdrückungsapparat in jeder erdenklichen Gestalt (Berufsheer, allgemeine Wehrpflicht, Freiwilligenheer etc.). Die Wahl zwischen einer Söldnertruppe für imperialistische Auslandseinsätze sowie Unterdrückung der ArbeiterInnenklasse im Inland und der schlecht bezahlten militärischen Zwangsarbeit für alle zur Festigung der bürgerlichen Herrschaft gleicht der zwischen Pest und Cholera. Ebenso lehnen wir alle „zivilen“ Formen militarisierter Zwangsarbeit ab, die mit dem bestehenden Militärdienst gerechtfertigt werden. 110. Im Rahmen unserer Propagandatätigkeit entlarven wir den Klassencharakter des bürgerlichen Militarismus und fordern die Abschaffung der bestehenden Heere.

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Revolutionärer Antimilitarismus 111. An ihrer Stelle propagieren wir die Schaffung einer Arbeitermiliz unter Kontrolle der ArbeiterInnenorganisationen. Wir unterstützen alle Selbstverteidigungsmaßnahmen – Schutz von Demonstrationen und Veranstaltungen von ArbeiterInnenorganisationen, Streikposten und Selbstverteidigungskomitees in gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfe – als erste Schritte in diese Richtung. Den Verrat der bürokratischen Führungen in den bürgerlichen ArbeiterInnenparteien und reformistischen Gewerkschaften sehen wir daher als wesentliches Hindernis beim Aufbau von ArbeiterInnenmilizen für den Kampf um Befreiung von kapitalistischer Unterdrückung auf militärischer Ebene an. 112. Wie in allen ArbeiterInnenorganisationen treten wir auch in den ArbeiterInnenmilizen für die Wählbarkeit und jederzeitige Absetzbarkeit von AusbildnerInnen und anderer leitender Kader ein. Sicherer Umgang mit Waffen gepaart mit strenger Disziplin und das Ziel des Sturzes der kapitalistischen Herrschaft im Weltmaßstab sowie die Errichtung und Absicherung eines weltweiten sozialistischen ArbeiterInnenstaates bilden das Selbstverständnis der zu schaffenden ArbeiterInnenmilizen.

FÜR DIE GLEICHBERECHTIGUNG DER GESCHLECHTER, GEGEN SEXUELLE UNTERDRÜCKUNG 113. Historisch war die Entwicklung der Klassengesellschaft mit einer zunehmenden Arbeitsteilung verbunden, die häufig zu einer Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern führte. Im Gegensatz zu den Versuchen bürgerlicher Ideologen, aus dieser Arbeitsteilung zwangsläufig die Entwicklung dessen, was heute die „Kernfamilie“ (zwei Erwachsene unterschiedlichen Geschlechts und deren Kinder) ist, abzuleiten, hat die menschliche Gesellschaft sehr unterschiedliche Formen des Zusammenlebens entwickelt.

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Für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen sexuelle Unterdrückung 114. So lebten in den Antike Völker in Sippenverbänden zusammen, deren Mitglieder nicht zwangsläufig genetisch miteinander verbunden waren; Modellen der Einehe standen Gruppenehen oder lose Formen des Zusammenlebens zur Seite. Eine „Erziehung“ der Kinder gab es in den seltensten Fällen – bis heute leben bei bestimmten Völkern in der Südsee und in Südamerika die Kinder im Dorf- oder Gemeinschaftsverband, ohne dass ihre leiblichen Eltern ihnen gegenüber eine bestimmte Rolle spielen bzw. die Kinder überhaupt als Teil der Gemeinschaft betrachtet werden und die biologische Herkunft ignoriert wird. 115. Erst ab dem 18. Jahrhundert – in der Periode des niedergehenden Feudalismus und des aufsteigenden Kapitalismus – begann sich in Europa das noch heute anerkannte Familienmodell herauszubilden. Es hing ursächlich mit dem Erbrecht zusammen und zementierte die gesellschaftlich entstandenen Geschlechterverhältnisse. Ihre Hochblüte erreichte die Kernfamilie mit den siegreichen bürgerlichen Revolutionen. 116. Waren in den vorhergehenden Gesellschaftsformationen Teile der gesellschaftlichen Produktion tagtägliche Aufgaben, die im Lebensverband der Menschen gelöst werden mussten (eindrückliches Beispiel waren die bäuerlichen Familien in Europa), fiel für die Bourgeoisie mit der Trennung von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung im Kapitalismus dieser Teil der Funktion der Familie weg. Die Familie selbst wurde „privatisiert“, d.h., aus dem öffentlichen Leben herausgenommen und zum nach außen abgeschlossenen Lebensbereich; gleichzeitig wurde sie „kapitalisiert“, indem das gehobene Bürgertum bestimmte häusliche Aufgaben an LohnarbeiterInnen (Zimmermädchen, Köchinnen, Ammen, Hausknechte...) übertrug. 117. Während die Bourgeoisie durch die Entwicklung der Industrie das Proletariat schuf und damit in großem Umfang auch Frauen (und Kinder!) in die Produktion einbezog, was zwangsläufig die Geschlechterverhältnisse in den proletarischen Familien beeinflusste, wurden die bürgerlichen Frauen zusehends aus dem öffentlichen Leben verdrängt.

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Für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen sexuelle Unterdrückung 118. In der proletarischen Familie des 19. Jahrhunderts war das Rollenklischee vom Mann als dem „Familienerhalter“ daher auch ungleich schwerer durchzusetzen, weil die gesellschaftliche Realität – wie auch heute – einfach die Berufstätigkeit beider Ehepartner voraussetzte. Dass die Bourgeoisie und reformistische Elemente in der ArbeiterInnenbewegung alles taten, um die Familienideologie auch in der ArbeiterInnenklasse durchzusetzen, hatte primär ideologische Gründe. Einerseits konnte dadurch die Arbeiterklasse gespalten werden und – speziell in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit – eine Front zwischen den Frauen, deren „natürliche Rolle“ Kinderaufzucht und Haushaltsführung sein sollte und dem „arbeitenden Proletarier“ aufgebaut werden; andererseits sollten für den bürgerlichen Staatsapparat schwerer kontrollierbare Formen des Zusammenlebens behindert oder illegalisiert werden. 119. Hand in Hand damit ging die Unterwerfung der Kinder unter die bürgerliche „Erziehung“ und die Formalisierung einer – zunächst väterlichen - „Erziehungsgewalt“. Die schulische „Erziehung“ der ArbeiterInnenkinder im 19. und 20. Jahrhundert diente ja nicht nur der Vermittlung jenes Basiswissens, das für die Eingliederung in den kapitalistischen Arbeitsprozess notwendig war, sondern vor allem auch der ideologischen Indoktrination. Daher auch die bis heute noch teilweise erhaltenen unerträglichen Vorrechte der Kirchen im Erziehungswesen, die Präsenz religiöser Symbole und aller Arten von Lernstoffen, welche den Kindern und Jugendlichen nicht nur jede Form revolutionären Denkens sondern selbst jede Form des Interesses an selbständiger Wissenserweiterung austreiben sollen. 120. Die KapitalistInnen und ihre Ideologen werfen den MarxistInnen vor, diese würden „die Familie“ zerstören wollen. In Wirklichkeit zerstört der Kapitalismus selbst jene Form des Zusammenlebens, die in der Zeit seiner Entstehung eine wesentliche Rolle gespielt hat und die er auf ein ahistorisches Podest gestellt hat. 121. Die aus der Arbeitsteilung und der Entstehung der Kernfamilie entstandene besondere Form der Unterdrückung der Frau im Kapitalismus hat unterschiedliche Antworten hervorgebracht. Der „Feminismus“

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Für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen sexuelle Unterdrückung kann hier als Sammelbegriff dienen, obwohl es in der feministischen Theorie die unterschiedlichsten Strömungen gibt. 122. Generell lehnen wir als MarxistInnen alle Erklärungsversuche ab, die Frauenunterdrückung als Funktion eines Kampfes zwischen „Matriarchat“ und „Patriarchat“ zu sehen. Die Frage, welches Geschlecht die UnterdrückerInnen in bestimmten Gesellschaftsformationen hatten, ist für uns irrelevant. Wir lehnen es ab, Margaret Thatcher positiver zu bewerten als Ronald Reagan, bloß weil sie eine Frau war. Wir bewerten die Taten von Individuen nach ihrer Stellung in der Klassengesellschaft, nicht nach ihrem Geschlecht. 123. In der Epoche der „working poor“ verlieren bestimmte traditionelle Losungen ihre Sprengkraft. Die Forderung nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ ist etwa in einer durch Kollektivverträge geregelten Situation neu zu formulieren: „Gleicher Lohne für gleiche Arbeit, und Arbeit für alle durch Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich“. Wir lehnen auch statistische Manöver ab, die Fraueneinkommen dadurch künstlich nach oben zu heben, dass man mehr Frauen in Management- oder gehobene Verwaltungspositionen bringt. Solange immer mehr ArbeiterInnen und Angestellte gezwungen sind, immer geringfügigere Teilzeitjobs auszuüben, um ihr Überleben zu sichern, ist die Besetzung von „Stabspositionen“ zum besseren Funktionieren des Lohnarbeitssystems nicht unsere zentrale Frage. 124. Um die reale Spaltung der arbeitenden Bevölkerung entlang der Geschlechtergrenze zu überwinden, unterstützen wir alle Maßnahmen, die zur rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter dienen. Ebenso bekämpfen wir alle bestehenden Gesetze, die Menschen nach wie vor wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren. Das gilt insbesonders für die völlige rechtliche Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Partnerschaften. 125. Einer scheinbaren sexuellen Liberalisierung der Gesellschaft stehen nach wie vor unterschiedlichste Formen der Unterdrückung gegenüber. Das betrifft besonders die in letzter Zeit wieder zunehmenden reak-

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Für die Gleichberechtigung der Geschlechter, gegen sexuelle Unterdrückung tionären Angriffe auf das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Ebenso wie den kostenlosen Zugang zu empfängnisverhütenden Mitteln für alle fordern wir auch das Recht auf qualifiziert durchgeführten Schwangerschaftsabbruch aus öffentlichen Mitteln. 126. Häusliche Gewalt und Gewalt gegen Kinder sind ein Beweis dafür, dass die bürgerliche Kernfamilie nicht das Idyll ist, das sie nach dem Willen ihrer Propagandisten darstellt. Wir unterstützen daher alle Maßnahmen, die Opfern von häuslicher Gewalt oder Kindesmisshandlung einen besonderen Schutz, bis hin zur ständigen Trennung von MisshandlerInnen, bieten. Gleichzeitig betonen wir aber, dass diese Erscheinungen ein Ausdruck der Unterdrückung und Entfremdung im kapitalistischen Profitsystem sind, das natürlich auch verheerende psychische Auswirkungen hat. Die von bürgerlichen PolitikerInnen vorgeschlagenen „drakonischen Maßnahmen“ dienen oft weniger dem Schutz der Opfer sondern der oberflächlichen Beruhigung einer angeblichen „öffentlichen Meinung“ und der Ausweitung der polizeilichen Befugnisse. 127. Die Gesellschaft, für wir kämpfen, wird eine solidarische sein, in der die Menschen auch angstfrei und ungehindert gemäß ihren sexuellen Präferenzen so zusammenleben können, wie sie es selbstbestimmt entscheiden. Das heißt aber auch, dass wir keine Regeln für das menschliche Zusammenleben aufstellen. Das zu erwartende Verschwinden der „Kernfamilie“, wie wir sie heute kennen, wird also keine Folge von „Erlässen“ sein, sondern Ausdruck eines allgemeinen gesellschaftlichen Transformationsprozesses.

FÜR DIE REVOLUTIONÄRE ARBEITERINNENPARTEI, FÜR DIE REVOLUTIONÄRE

ARBEITERINNEN-INTERNATIONALE! 128. Wir sind keine trotzkistische Organisation und bauen keine trotzkistische Organisation auf. Wir haben keine privilegierten Beziehun-

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! gen zu einer angeblich existierenden „trotzkistischen Bewegung“ bzw. „Familie des Trotzkismus“ und streben diese auch nicht an. Wir tun dies, nicht weil wir uns von der historischen, programmatischen und strategischen Position, die der Trotzkismus markiert, distanzieren möchten, sondern weil gerade aus dieser Position unsere Weigerung, uns als trotzkistisch zu titulieren, erwächst. Gerade weil wir an den programmatischen Grundlagen von Trotzki und den historischen Erfahrungen des Trotzkismus – der Linken Opposition, der Gründung der IV. Internationale, des Kampfes gegen Shachtman/Burnham, des Kampfes gegen den Pablismus – festhalten, gerade weil wir das Programm der Permanenten Revolution und das Übergangsprogramm verteidigen, distanzieren wir uns heute von einem „Trotzkismus“, unter dem alle möglichen und vor allem unmöglichen Positionen vertreten werden. Wir haben nichts gemein mit denen, die vor sozialdemokratischen, stalinistischen und kleinbürgerlich-nationalistischen Führungen kapituliert haben und diese stützen, wir haben nichts gemein mit denen, die die „Werte der (bürgerlichen) Republik“ verteidigen oder vor dem Islamismus in die Knie gehen, nichts gemein mit denen, die eine offen konterrevolutionäre Rolle gespielt haben, die die ArbeiterInnenbewegung zugunsten kleinbürgerlicher „neuer sozialer Bewegungen“ verlassen haben, die die Aufgabe des Aufbaus revolutionärer ArbeiterInnenparteien und der revolutionären ArbeiterInneninternationale aufgegeben haben oder mit jenen, die ultralinke Phrasen mit einer opportunistischen Haltung gegenüber den traditionellen reformistischen Führungen verbinden und gleichzeitig ihr Heil im Anbiedern an lumpenproletarische Revolten suchen. 129. Die IV. Internationale ist tot und wir tragen dazu bei, die marxistische Bilanz ihrer Geschichte voranzutreiben. Wir schrecken nicht davor zurück, dort, wo innere Tendenzen des historischen Trotzkismus dessen Degeneration mit verursacht haben, diese zu benennen und zu bewältigen: wir sehen uns nicht als „Führung auf Abruf“, wir kennen keine „klassenlose Ökonomie“, auf der erst Klassen gebildet werden würden, wir sind weder „Technizisten“ noch „Rationalisten“, wir stellen kein Dogma auf, welche („westeuropäischen“) Formen die revolutionäre Macht ausschließlich einnehmen wird, wir behaupten keine privilegierte Rolle im revolu-

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! tionären Prozess für „metropolitane“ „Kernbelegschaften“, bürgerliche ArbeiterInnenparteien usw. 130. Wir nehmen den revolutionären Prozess ernst. Wir wissen um, wir verteidigen, die historische Erfahrung, dass er permanent ist, dass er ungleichzeitig wie kombiniert abläuft. Wir weisen die Auffassung zurück, dass diese Ungleichzeitigkeit zu „Etappen“ führen muss, die gesetzmäßig hintereinander „abgearbeitet“ werden müssten, wir lehnen es ab, ihn in „Sektoren“ aufzuteilen, bei denen einzelne (etwa in der „Peripherie“, im „Trikont“ oder in Ländern mit „der stärksten Arbeiterklasse“) eine privilegierte Rolle spielen würden. 131. Über die Pest der „Zivilgesellschaft“, der „Bewegungen“ und der „Foren“ vergessen wir nicht die Cholera des „Kräfteverhältnisses“ und der „multipolaren Welt“: wir wissen, dass die Kräfte, die sich heute um die griechische KKE und die belgische PTB gruppieren, den nationalen Imperialismen dazu dienen, eine für sie alternative Strategie zu stützen, um sich der Hegemonie des US-Imperialismus zu entziehen. Wir wissen, dass diese Strömungen, die das Vokabular des Klassenkampfes, des Antiimperialismus und der Revolution im Munde führen, gegen die Einheit und Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse stehen, den Widerstand desorganisieren und die Revolution verhindern, dass sie nicht davor zurückschrecken, sich auch mit denen zu vereinigen, die den imperialistischen Krieg gestützt haben (PdCI in Italien 1999) oder dem Imperialismus als Todesschwadronen dienten (Workers Party, die früheren “Officials”, in Nordirland in den 70er Jahren). 132. Wir sind nicht “stalinophob” – unsere „Kritik“ an den stalinistischen Strömungen ist jeweils konkret. Wir wissen, dass die Strömungen nicht verschwunden sind und international sogar an Bedeutung gewinnen, deren AnhängerInnen sich oft täuschen ließen vom verbalen Festhalten an der Revolution gegen die „friedliche Koexistenz“ (Maoismus) oder gegen die Kapitulation vor dem US-Imperialismus in der „Theorie der Drei Welten“ (pro-albanische Strömungen). Wir wissen und weisen es konkret nach, wie diese Strömungen - gleich den „trotzkistischen“ - heute dem imperialistischen System dienen: wenn sie einen verlustreichen „Volkskrieg“ 41


Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! führen - für eine kapitalistische „Neue Demokratie“ (Nepal), Funktionen der Sozialdemokratie und der „Linksparteien“ übernehmen (TDKP bzw. EMEP in der Türkei), ArbeiterInnenkämpfe zugunsten eines regierungseigenen Beschäftigungsprogramms für ihre Funktionäre beenden (PCR und CCC in Argentinien), Bündnisse mit rechts-grünen Gruppierungen eingehen und statt konkreter Kampfforderungen sich in die kleinbürgerlichpädagogische „allseitige Lebensschule der proletarischen Denkweise“ zurückziehen (MLPD in Deutschland). Wir wissen, dass es keinerlei Möglichkeiten gibt, der EU einen fortschrittlichen Gehalt („soziales Europa“) zu geben. Wir treten daher für den vollständigen Bruch mit den Institutionen der EU, für die Schleifung der „Festung Europa“, für die Zerschlagung der EU ein. Wir tun das, ohne in irgendeiner Weise dem nationalstaatlichen Chauvinismus das Wort zu reden. Die Alternative zur EU ist kein „zurück zum Nationalstaat“, keine „Friedensrepublik Österreich“, sondern eine sozialistische Föderation auf der Grundlage der Befreiung und der Selbstbestimmung aller Nationen, Nationalitäten und MigrantInnen. Die Alternative zur EU, zum nationalen Imperialismus, zu den Kompradorenherrschaften, zur „westlichen Zivilisation“, zu einer kapitalistischen „multipolaren Welt“ ist: „Rätemacht und Revolution“... 133. Wir sind keine abstrakten Propagandisten. Unser Ziel ist es, ein konkretes Programm der Revolution, konkrete Übergangsforderungen zu formulieren. 134. Auf ihrer 1. Konferenz am 3. September 2010 hat die GKK daher den Beschluss gefasst, dem Kollektiv Permanente Revolution (CoReP) beizutreten. Die GKK hat seit ihrem Bestehen eine klare internationalistische Orientierung eingenommen. Wir haben uns dabei von den Ideen leiten lassen, die Leo Trotzki 1930 in seinem Brief an die Redaktion von „Prometeo” ausgedrückt hat: 135. „Ihre Auffassung von Internationalismus scheint mir falsch zu sein. Für Sie ist die Internationale letztlich die Summe der nationalen Sektionen oder ein Resultat der wechselseitigen Beziehungen zwischen den nationalen Sektionen. Das ist eine zumindest einseitige, nicht dialektische und darum falsche Vorstellung von der Internationale. Bestünde die kommunis42


Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! tische Linke in der ganzen Welt nur aus fünf Personen, so müssten diese gleichwohl gleichzeitig mit einer oder mehreren nationalen Organisationen auch eine internationale Organisation aufbauen. Die nationale Organisation als das Fundament und die internationale als ein Dach zu betrachten, ist falsch. Es handelt sich da um eine Wechselwirkung ganz anderen Typs. Marx und Engels begründeten 1847 die kommunistische Bewegung mit einem internationalen Dokument und mit der Gründung einer internationalen Organisation. Gerade so ging es bei der Gründung der Ersten Internationale. (…) In der Epoche des Imperialismus kann eine revolutionäre proletarische Strömung natürlich in einem Land früher entstehen und Gestalt annehmen als in einem anderen, aber in einem einzelnen Land kann sie nicht bestehen und sich entwickeln. Noch am Tage ihrer Gründung muss sie internationale Verbindungen suchen oder schaffen, eine internationale Plattform und eine internationale Organisation, da man nur auf diesem Wege herausfinden kann, ob eine nationale Politik richtig ist. Eine Strömung, die jahrelang in nationaler Isolation verharrt, verurteilt sich unweigerlich zur Degeneration”. 136. Trotz der Notwendigkeit, zunächst intern programmatische Fragen zu klären, die Außenarbeit zu entwickeln, mit dem Marxistischen Studienzirkel uns selbst und GenossInnen aus unserem Umfeld zu schulen und theoretisch weiterzuentwickeln, haben wir uns immer bemüht, klare Positionen zu internationalen Fragen zu entwickeln. Die GKK hat schon vor ihrem offiziellen Beitritt zum CoReP an etlichen grundlegenden Dokumenten der internationalen Tendenz mitgearbeitet: Erklärungen zu Palästina, Iran, Erklärungen zum 1. Mai 2009 und 2010, Griechenland, etc. Mit dem CoReP und seinen nationalen Mitgliedsorganisationen wurden auch persönliche Diskussionen geführt, Genossen der GKK nahmen unter anderem an einer von der französischen Groupe Bolchevik organisierten Kaderschulung über die internationale kapitalistische Krise teil. 137. Ebenfalls haben wir in Grundzügen den Entwurf einer Plattform des CoReP „Für eine neue ArbeiterInneninternationale, die auf den Lehren und Programmen des Bundes der Kommunisten, der Kommunistischen Internationale und der IV. Internationale“ diskutiert.

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! 138. Als Gruppe treten wir für den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei in Österreich als Teil einer aufzubauenden revolutionären ArbeiterInneninternationale ein. 139. Mit diesem Ziel stehen wir zwar nicht allein, sicher aber in einer sehr kleinen Minderheit unter den politischen Organisationen in Österreich. 140. Der allergrößte Teil der sich als „links“ oder bloß „kritisch“ verstehenden Organisationen und Strömungen hierzulande lehnt den Aufbau einer solchen Partei ab. 141. Vielfach begegnet uns das Vorurteil, die ArbeiterInnenklasse würde nicht mehr existieren bzw. sie habe aufgehört, eine potenziell revolutionäre Kraft zu sein. Andere (AnhängerInnen der sog. „Fundamentalen Wertkritik“ und des sog. „Ökofeminismus“) begreifen die ArbeiterInnenklasse und ihre Bewegung als bloßen Bestandteil des Kapitalismus selbst, gar als Instrument des Kapitalismus, sein Funktionieren voranzutreiben und zu vervollkommnen. 142. Selbst Organisationen, die sich auf den Marxismus berufen, lehnen den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei ab und propagieren stattdessen den Aufbau einer „Linkspartei“, bzw. höchstens einer „neuen“ oder „unabhängigen“ ArbeiterInnenpartei, die „nicht-revolutionären“ Charakter haben müsse. Teilweise behaupten sie dabei, die Voraussetzungen für den Aufbau einer solchen Partei seien noch nicht gegeben, und deshalb bräuchte man solche politische Formen, um irgendwie an die Aufgabe, eine revolutionäre Partei zu bilden, erst „heranzukommen“. 143. Wieder andere behalten zwar theoretisch die Orientierung bei, dass eine revolutionäre Partei grundsätzlich aufgebaut werden muss, weigern sich aber, dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu tun, und treten stattdessen in der gegebenen Situation für Mitwirkung an solchen Parteiprojekten oder fraktionelle Arbeit in der SPÖ ein.

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! 144. Weit verbreitet ist das Vorurteil, eine Partei aufzubauen bedeute, sich den Vorgaben des bürgerlichen Parlamentarismus zu beugen bzw. anzunähern. Oft wird auch behauptet, eine revolutionäre Partei sei grundsätzlich oder unweigerlich autoritär und würde notwendig in einer bürokratischen Diktatur über die ArbeiterInnen enden. 145. Schließlich existieren nicht einflusslose Strömungen, die in der Mitwirkung in existierenden bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien wie den Grünen nach wie vor eine positive Perspektive sehen, oder die das Streben nach politischer Macht für die ArbeiterInnenklasse insgesamt verwerfen, weil es nunmehr – im „Postfordismus“ - darauf ankomme, „die Welt zu verändern, ohne die Macht zu ergreifen“. 146. Alle diese Auffassungen haben eines gemeinsam: sie fördern eine tiefe Skepsis gegenüber den Möglichkeiten, die Gesellschaft zu verändern, ketten die arbeitenden und arbeitslosen Menschen an bürgerliche, bürokratische und kleinbürgerlich-intellektuelle Führungen, überlassen reaktionären und bürgerlich-liberalen Strömungen das politische Feld und verhindern die Selbstorganisation der ArbeiterInnenklasse auf der Grundlage ihrer tatsächlichen historischen Interessen. Sie verschieben die Aufgabe, eine eigenständige und gegen den Kapitalismus in seiner Gesamtheit kämpfende Partei aufzubauen, auf unbestimmte Zeit, fördern den Rückzug von politischen AktivistInnen in die selbstbezogenen Nischen von „Projekten“ und „Zusammenhängen“ und tragen zur Infiltrierung der aufbrechenden oppositionellen Strömungen durch desorientierendes, bürgerlich-“pluralistisches“ Gedankengut bei, das jeden Anspruch auf zutreffende und verbindliche Kritik der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse untergräbt. Schließlich fördern sie Massenfeindlichkeit und eine aggressive Arroganz und Diffamierung gegenüber der ArbeiterInnenklasse, die bis hin zu Haltungen reicht, die dem Rassismus eng verwandt sind bzw. diesen – wo es um migrantische Teile der ArbeiterInnenklasse geht - lediglich verhüllen. 147. Insbesondere können wir in der Bildung von programmatisch unklaren „Linksparteien“ keinen Fortschritt erblicken: in England und Italien haben solche Projekte in einem viele AktivistInnen nur noch mehr de45


Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! moralisierenden Desaster geendet, in Frankreich haben sie den ausgetretenen Pfad der sozialdemokratischen Politik in keinem Punkt verlassen und in Deutschland haben sie dort, wo sie reale politische Macht gewonnen haben, nur die vorher als neoliberal kritisierte Politik bruchlos fortgesetzt und proimperialistischen Strömungen Raum gegeben, sodass sie insgesamt nur dazu beitragen, Alternativen, die als „links“ auftreten, in den Augen von kritischen Teilen der ArbeiterInnenklasse noch mehr zu diskreditieren. 148. Gegen alle solche Auffassungen halten wir am grundlegenden Programm des Marxismus fest, dass allein die ArbeiterInnenklasse, die Klasse der abhängig Beschäftigten und auf abhängige Beschäftigung angewiesenen Menschen – die nicht etwa verschwunden, sondern weltweit angewachsen ist und weiter wächst, die heute mehr denn je international und multinational ist, in der mehr denn je Frauen und sogenannte Minderheiten eine wesentliche und voranstrebende Rolle spielen – aus ihrer Stellung im Gesamtprozess der Schaffung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Werte heraus, über die Möglichkeiten verfügt, den Kapitalismus zu überwinden und eine andere Gesellschaft auf der Grundlage von Solidarität und Gleichheit zu schaffen. 149. Und ebenso halten wir daran fest, dass die ArbeiterInnenklasse eine selbständige, von allen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Formationen unabhängige Form der Organisation braucht: eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei, die streng demokratisch aufgebaut ist, die sich nicht „avantgardistisch“ abkapselt und sich nicht in parlamentarischen Taktiken erschöpft. 150. Wir betrachten den Aufbau dieser Partei als eine aktuelle Aufgabe, und damit nicht als Zielrichtung, die man erst nach weiteren Entwicklungen überhaupt in Angriff nehmen dürfte. 151. Entsprechend der Parteitheorie Lenins, zu der wir uns uneingeschränkt bekennen, und übereinstimmend mit den historischen Erfahrungen der internationalen ArbeiterInnenbewegung und der revolutionären

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! Aufbrüche der letzten 150 Jahre sehen wir folgende Merkmale und Aufgaben der revolutionären Partei als wesentlich und unaufgebbar an: 152. Die revolutionäre Partei ist die politische Kraft, die in allen Kampfsituationen die jeweils wesentlichen politischen Fragen hervorhebt, die weitreichendsten Forderungen aufstellt und die grundlegenden Orientierungen für die Verwirklichung der tatsächlichen Interessen der ArbeiterInnen, der städtischen und ländlichen marginalisierten Schichten gibt. 153. Die revolutionäre Partei ist das Instrument, um gemeinsam die Erfahrungen politischer und sozialer Kämpfe auszuwerten und daraus zukunftsorientierte Schlussfolgerungen zu ziehen. 154. Die revolutionäre Partei verteidigt in allen Situationen und Kämpfen das historische Programm der ArbeiterInnenbewegung: die Unabhängigkeit der ArbeiterInnenbewegung von allen Strömungen der bürgerlichen Politik und Ideologie; die Überwindung der kapitalistischen Produktions- und Distributionsverhältnisse; die Beseitigung jeder Form kolonialer und imperialer Ausbeutung; die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln; die Durchsetzung der gesellschaftlichen Leitung der Produktion und der gesellschaftlichen Aneignung aller wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Werte durch die ArbeiterInnenklasse; die Zerstörung des bürgerlichen Staatsapparats und seine Ersetzung durch eine lebendige, proletarische Demokratie; die Verständigung der Nationen auf der Grundlage der internationalen ArbeiterInnensolidarität und der Selbstbestimmung; die Gleichberechtigung aller Geschlechter und aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und nationalen, religiösen und ethnischen Zugehörigkeit. 155. So wenig es einen Sozialismus ausserhalb der ArbeiterInnenbewegung geben kann, so wenig kann eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei ausserhalb der ArbeiterInnenklasse aufgebaut werden. 156. Versuche, revolutionäre Organisationen in sogenannten „Randgruppen“ (an sich schon eine diffamierende Bezeichnung!) oder im „Auszug aus der Fabrik“ aufzubauen – wie das Teile der 68er StudentInnenbe47


Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! wegung oder der Operaismus propagiert haben – enden regelmäßig darin, sich insgesamt von jeder revolutionären Orientierung zu verabschieden und sich kleinbürgerlichen Bedürfnissen nach „Freiräumen“ (im kapitalistischen System) oder reaktionär-lebensphilosophischen Ideologien zuzuwenden. 157. Eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei muss daher von Anfang an in den Betrieben und Wohngebieten aufgebaut werden, in denen die ArbeiterInnenklasse lebt, muss von Anfang an den politischen und gewerkschaftlichen Kämpfen teilnehmen. Die Zielsetzung, in den Betrieben aktiv zu sein, ist damit keinesfalls mit einer arbeitertümelnden, betriebsbornierten Lohngroschen-Politik gleichzusetzen. 158. Mit dem Aufbau der revolutionären Partei ist es unvereinbar, sich auch nur zeitweise zugunsten angeblich momentan relevanterer theoretischer Arbeiten und ähnlichem aus realen Kämpfen zurückzuziehen. Ebensowenig kann es Zeichen eines revolutionären Parteiaufbaus sein, auf theoretische Orientierung zu verzichten. 159. Auch ist es nicht möglich, die Aufgabe des Parteiaufbaus in irgendeiner Weise abzukürzen, indem man etwa willkürlich und ohne selbständige Organisationsform in bestehende und sich entwickelnde Organisationen oder „Foren“ interveniert, um diese offen oder verdeckt als revolutionäre Organisationen zu proklamieren, ohne dass es vorher zu entsprechenden Umgruppierungen gekommen wäre. 160. Dem multinationalen und multiethnischen Charakter der ArbeiterInnenklasse entsprechend kann eine revolutionäre Partei nur eine multinationale, multiethnische Partei sein, die besonders für die Rechte der MigrantInnen und der nationalen Minderheiten in Österreich eintritt. 161. Selbstverständlich ist zu Beginn des Aufbaus der revolutionären ArbeiterInnenpartei nicht zu erwarten, dass von Anfang an eine solche Partei als Massenpartei aufgebaut werden kann. Eine Gruppe, die für einen solchen Parteiaufbau eintritt, wird sich unweigerlich zuerst an die

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Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! fortgeschrittensten, aktivsten und militantesten Kräfte innerhalb der ArbeiterInnenbewegung richten. 162. Auch wird der Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei nicht darin bestehen, dass eine Gruppe, die dafür eintritt, eine solche aufzubauen, lediglich allmählich mehr und mehr Mitglieder gewinnt. Die Krise des österreichischen Imperialismus führt bereits jetzt dazu, dass sich Teile der ArbeiterInnenklasse von der SPÖ abwenden und sich gleichzeitig oppositionelle Tendenzen in der SPÖ entwickeln. In den verschiedenen, sich auf die ArbeiterInnenbewegung berufenden Strömungen und in den Organisationen der kleinbürgerlichen „Linken“ und „Zivilgesellschaft“ führt die sich verschärfende Krise des Kapitalismus zu anwachsenden Widersprüchen, Differenzen und Spaltungen. Die Aufgabe, eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei in Österreich aufzubauen, umfasst daher notwendig die Perspektive, diese Entwicklungen genau zu analysieren, in diese Aufbrüche hinein zu intervenieren und sich von den bürgerlichen, kleinbürgerlichen und arbeiteraristokratisch-bürokratischen Führungen loslösende Tendenzen umzugruppieren. Im Prozess dieser Umgruppierung wird es die hauptsächliche Aufgabe sein, für klare programmatische und strategische Perspektiven einzutreten und dem Trend entgegenzuwirken, sich nur auf „dem kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu einigen. 163. Eine revolutionäre Partei aufzubauen heißt, sich wie eine revolutionäre Partei zu verhalten. Hier wird es die Aufgabe sein, durch das Beispiel der eigenen Praxis – und sei es nur im noch so kleinen Rahmen – aufzuzeigen, welche politischen Forderungen und welche Arbeitsweise eine revolutionäre Partei vertritt. Insbesondere wird es Aufgabe sein, Beispiele praktischer Solidarität mit betrieblichen, migrantischen und anderen, über das politische und gesellschaftliche System des österreichischen Kapitalismus hinausweisenden, Kämpfen zu leben und zu verallgemeinern. Gleichzeitig ist es in Zeiten immer aggressiverer Krisenstrategien unbedingt notwendig, die Einheit aller Organisationen der ArbeiterInnenbewegung auf der Grundlage des gemeinsamen Kampfes gegen Arbeitsplatzabbau, Prekarisierung, politische Repression, Sozialabbau, faschistische Strömungen, Rassismus und Krieg einzufordern. Gerade der Einsatz für eine solche Einheit wird dazu beitragen, nicht nur die Kämpfe gegen die Ab49


Für die revolutionäre ArbeiterInnen-partei, für die revolutionäre ArbeiterInnen-internationale! wälzung der Krisenlasten auf die ArbeiterInnenklasse voranzutreiben, sondern auch die politischen und gewerkschaftlichen Führungen der Sozialdemokratie und der kleinbürgerlichen „Linken“ weiter zu isolieren. 164. In Zeiten einer sich weiter beschleunigenden Internationalisierung des Kapitals kann eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei nur im internationalen Rahmen, als Teil einer revolutionären ArbeiterInneninternationale, aufgebaut werden. Wir treten daher als Gruppe dafür ein, diesen Aufbau in Österreich von Anfang an als Teil einer internationalen Diskussion um die Grundlagen revolutionärer Politik zu organisieren. Wir betrachten es dabei als wesentlich, von den Erfahrungen des Parteiaufbaus in anderen Ländern zu lernen, eigene Erfahrungen einzubringen und allgemeine, sich international stellende Fragen, schon in diesem Rahmen zu klären. Dazu gehört jedenfalls die Auseinandersetzung mit den historischen Erfahrungen (und mit ALLEN Erfahrungen) der ArbeiterInnenbewegung in den revolutionären Aufbrüchen des 20. Jahrhunderts, dem Aufbau von revolutionären ArbeiterInnenstaaten und der folgenden Entwicklungen in den Ländern des sogenannten “Realen Sozialismus” wie auch besonders der Entwicklungen, die zur Restauration des Kapitalismus in diesen Ländern geführt haben. 165. Der Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei, einer revolutionären ArbeiterInneninternationale, ist eine dringende Aufgabe – eine Aufgabe, die keinen Aufschub zulässt.

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