Organisationswandel
Vorwort / 04
Dr. Jan Kleibrink
1.
Einleitung / 06
2. Organisationswandel zur Steigerung der Resilienz und der Innovationsfähigkeit / 08
2.1 Turbulentes Marktumfeld und digitale Transformation stellen neue Anforderungen an Organisationen / 09
2.2 Von der tayloristischen zur holistischen Organisation / 11
2.3 Wie Beschäftigte die Organisation ihres Arbeitsumfeldes charakterisieren / 13
2.4 Welche Faktoren den Organisationswandel vorantreiben / 16
2.5 Vorteile dezentraler Organisation bei der Wissensnutzung / 18
Interview: Professor Dr. Hanns-Christian Mahler / Felicia Werk / 24
2.6 Stellenwert von Autorität bei schneller Entscheidungsfindung / 31
Interview: Bastian Wilhelms / 32
2.7 Interne Bürokratie lähmt die Entscheidungsprozesse / 35
Interview: Carola Aldag / 38
3. Organisationswandel zur Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität und der Mitarbeitermotivation / 40
3.1 Demografischer Wandel und Fachkräftemangel verschieben die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt / 41
3.2 Worauf es Beschäftigten bei der Arbeitsplatzwahl ankommt / 42
Interview: Mirja Bastian / 44
3.3 Wovon die Arbeitsplatzzufriedenheit abhängt / 47
3.4 Mitarbeitermotivation wird zum Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg / 50
Interview: Dr. Judith Muster / 53
4. Herausforderungen beim Organisationswandel / 56
4.1 Zwischen Veränderungsbereitschaft und Transformationsmüdigkeit / 57
4.2 Belegschaft muss zu Selbstorganisation und dezentraler Koordination befähigt werden / 60
Interview: Dr. Konstanze Schlegelberger / 64
4.3 Organisatorische Hindernisse müssen überwunden werden / 66
4.4 Die gesellschaftlichen Institutionen müssen berücksichtigt werden / 67
Interview: Professor Dr. Antoinette Weibel / 68
5. Fazit und Ausblick / 72
Interview: Janosch N. Stolle / 74
6. Endnoten und Literaturverzeichnis / 76
Impressum / 82
DR. JAN KLEIBRINK
Handelsblatt Research Institute, Managing Director
Der Erfolg eines Unternehmens hängt von zahllosen Faktoren ab. Produkt, Geschäftsmodell, Produktionsfaktoren, Lieferketten oder das regulatorische Umfeld bekommen in der öffentlichen Betrachtung von Unternehmen viel Aufmerksamkeit. Deutlich weniger beleuchtet, aber nicht weniger wichtig ist die Organisation der Arbeit. Wie sehen Entscheidungswege aus? Welche Befugnisse haben einzelne Mitarbeitende, wie viel Bürokratie oder Hierarchie sind zu beachten? Diese Strukturen haben sich in vielen Unternehmen über Jahre oder Jahrzehnte etabliert und verfestigt. Hinterfragt oder verändert werden sie eher selten.
Vor diesem Hintergrund findet der Transformationsprozess, den der deutsche Dax 40-Konzern Bayer im Jahr 2023 initiiert hat, große Beachtung. Denn für den Wirtschaftsstandort Deutschland übernimmt Bayer aktuell eine Pionierrolle beim Bürokratie- und Hierarchieabbau und der Stärkung der Eigenverantwortung von Teams. Bislang hat sich hierzulande kein großes Industrieunternehmen einen derart umfangreichen Organisationswandel vorgenommen, wie ihn Bayer unter der Überschrift „Dynamic Shared Ownership“, kurz: DSO, aktuell vollzieht. Die einschlägigen Business Cases, die in der vorliegenden Studie diskutiert werden, kommen entweder aus dem Ausland, aus dem Mittelstand und/oder aus dem Dienstleistungssektor. Somit ist es auch aus wissenschaftlicher Sicht hochrelevant zu verfolgen, wie der Umbau des Leverkusener Konzerns letztlich gelingt.
Vorwort:
Im Zuge seines eigenen Transformationsprozesses hat Bayer das Handelsblatt Research Institute damit beauftragt, die Erfolgs- und Risikofaktoren derartiger Projekte mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren. Die vorliegende Studie ist eine unabhängige ökonomische Untersuchung des Organisationswandels in etablierten Unternehmen. Sie beruht auf den aktuellen Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung, einer internationalen Befragung von Arbeitnehmenden sowie vertiefenden Interviews mit Expert:innen. Es handelt sich aber ausdrücklich nicht um eine Analyse der derzeit laufenden Transformation bei Bayer. Und auch die Schlussfolgerungen sowie die verwendeten Fachbegriffe und Definitionen entsprechen nicht unbedingt denjenigen, die dem DSO-Projekt zugrunde liegen.
Mit den Umfrageergebnissen, den Fallstudien sowie den zitierten Expert:innen bringt die Studie ein breites Spektrum zum Teil konträrer Sichtweisen zusammen. Dies soll Führungskräften Inspiration zur aktiven Gestaltung der Arbeitsorganisation stiften und Orientierungshilfen bieten, welche Aspekte der Zusammenarbeit für Mitarbeitende wichtig sind, wo Bürokratie und Hierarchie als hilfreich empfunden werden und wo sie als einschränkend wahrgenommen werden.
Unser herzlicher Dank gilt allen Gesprächspartner:innen, die sich die Zeit genommen haben, ihre Expertise zu teilen.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Unternehmen stehen vor der Frage, ob ihre Organisationsstrukturen und ihre interne Kultur noch zu den Herausforderungen der Gegenwart passen. Vor allem große, etablierte Unternehmen haben sich mit der Zeit zu komplexen Organisationen entwickelt –mit zahlreichen Führungskräften, Hierarchieebenen und umfassenden Regelwerken. Deren starke Zentralisierung und Bürokratie ähneln nicht selten denen in der öffentlichen Verwaltung. Während diese traditionellen Organisationsstrukturen ihre Vorteile in Hinblick auf Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit haben, besteht die Gefahr, dass sie auch langsam, veränderungsfeindlich und ineffizient werden. Überbordende Bürokratie kann Kreativität und Innovationen lähmen. Darüber hinaus sind sie möglicherweise nicht mehr optimal angepasst an die wissensintensive Arbeit und die technologischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts.
Denn die Welt und die Trends wandeln sich immer schneller. Die digitale Transformation erfasst alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und wirkt zumeist disruptiv. Zugleich häufen sich die „Störungen im Betriebssystem“ der Volkswirtschaften, denn aufgrund der weltwirtschaftlichen Verflechtung senden individuelle Krisen immer größere Schockwellen aus und führen zu Rissen in den globalen Wertschöpfungsketten – seien es Naturkatastrophen, Kriege, Pandemien oder auch Blasen am Finanzmarkt. Das Weltwirtschaftsforum spricht inzwischen von einer „Polykrise“1. Um diesen externen Turbulenzen zu begegnen, müssen Unternehmen ihre Innovations- und Anpassungsfähigkeit erhöhen.
Aus ökonomischer Sicht zielt der Organisationswandel, das heißt die Transformation der innerbetrieblichen Strukturen, Prozesse und Kulturen von Unternehmen letztlich darauf ab, Effizienz bei der Koordination und bei der Motivation der Mitarbeitenden herzustellen.2 Die Organisation muss also erstens so ausgestaltet werden, dass die Handlungen ihrer einzelnen Mitglieder aufeinander abgestimmt werden, damit sie bestmöglich zum gemeinsamen Ziel beitragen – angepasst an die Anforderungen, die die spezifischen Umweltbedingungen an das Unternehmen stellen. Und zweitens sollen dabei alle den vollen Einsatz leisten und nicht hinter ihren individuellen Möglichkeiten zurückbleiben.
Unternehmen müssen ihre Innovations- und Anpassungsfähigkeit erhöhen.
Die Welt und die Trends wandeln sich immer schneller.
Die vorliegende Studie greift diese beiden Stoßrichtungen– Koordination und Motivation – auf und diskutiert auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie der Organisationswandel zur Steigerung der Effizienz und Innovationsfähigkeit von Unternehmen eingesetzt werden kann. Denn die Unternehmenskultur und die Art und Weise, wie Mitarbeitende gemanagt werden, können für Unternehmen zu einem Erfolgsfaktor im Wettbewerb werden.
Die Analyse gliedert sich in drei Hauptteile: Kapitel 2 analysiert, wie Unternehmen durch die Transformation ihrer Organisationsstrukturen resilienter und agiler werden können. Dies betrifft vor allem die Frage, wie die Entscheidungsbefugnisse verteilt und koordiniert werden, um das Spezialwissen und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden besser und effektiver zu nutzen.
In Kapitel 3 geht es um die Zufriedenheit und Motivation der Belegschaft. Die Gewinnung und Bindung von Talenten ist in Zeiten des Fachkräftemangels ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Was dabei erfolgversprechend ist, zeigen die Ergebnisse einer groß angelegten Befragung unter Erwerbstätigen.
Während die ersten beiden Hauptteile im Wesentlichen aus der statischen Gegenüberstellung der Vorzüge und Nachteile verschiedener Organisationsstrukturen bestehen, befasst sich Kapitel 4 mit dem dynamischen Transformationsprozess selbst. Welchen Herausforderungen müssen sich Unternehmen stellen, wie können Widerstände überwunden werden, wie lassen sich alle Stakeholder mitnehmen?
Die vorliegende Studie enthält Tiefeninterviews mit Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis sowie Fallstudien von Unternehmen, aus denen sich Einsichten für den Organisationswandel und den Hierarchieabbau gewinnen lassen. Ergänzt wird dieser qualitative Ansatz durch eine quantitative Methodik: Im Rahmen einer umfassenden und exklusiven Umfrage unter Erwerbstätigen hat das Handelsblatt Research Institute empirische Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Beschäftigte ihre Arbeitsorganisation einschätzen, wie zufrieden sie damit sind, was für sie bei der Arbeit zählt und was sie motiviert. Diese Befragung wurde mithilfe des Meinungsforschungsinstituts YouGov im März 2024 unter jeweils mehr als 1.000 Teilnehmer:innen in Deutschland, den USA und in Brasilien ausgespielt.
2.1 Turbulentes Marktumfeld und digitale Transformation stellen
neue Anforderungen an Organisationen
Für Unternehmen wächst in einer komplexer werdenden Welt der Innovations- und Anpassungsdruck. Sie agieren in einem Umfeld, in dem sich das Tempo der Veränderung deutlich erhöht hat. Unbeständigkeit und Unsicherheit haben zugenommen, gleichzeitig wächst die Komplexität der Anforderungen. Weil sich der technologische Fortschritt beschleunigt hat, werden Produktzyklen kürzer und das vorhandene Wissen veraltet schneller.
Während im Industriezeitalter standardisierte Massenware und der physische Produktionsprozess im Vordergrund standen, sind es heute spezialisiertere Angebote; die Wünsche der Kund:innen sind mehrdimensionaler geworden. Die wissensintensive Arbeit unterscheidet sich deutlich von der physischen Produktionsarbeit, die die weit verbreiteten Unternehmenshierarchien hervorgebracht hat.
Nicht nur die Absatzmärkte sind durch eine hohe Volatilität gekennzeichnet, sondern auch die zumeist global verzweigten Lieferketten der Unternehmen sind von Störungen bedroht. Neu ist dabei das vermehrte Auftreten von Ereignissen mit einem hohen Schadenspotenzial, aber einer geringen Ein-
trittswahrscheinlichkeit, die entsprechend schwer zu kalkulieren sind. Vergrößert werden diese Unsicherheiten durch die drohende Zunahme von Extremwetterphänomenen aufgrund des Klimawandels sowie durch immer größer werdende Risse in der multilateralen Weltordnung. Denn die internationale politische Zusammenarbeit ist ins Stocken geraten und viele Menschen sind vom Freihandel enttäuscht.
Digitale Transformation hat eine disruptive Wirkung auf Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle Organisationen müssen sich nicht nur kontinuierlich an veränderte Marktbedingungen anpassen, sondern auch mit dem langfristigen Technologiewandel Schritt halten. Die Schlagworte „vierte industrielle Revolution“ oder „Industrie 4.0“ beschreiben das Vordringen des Internets in sämtliche Geschäftsbereiche: vom Einkauf über die Lagerhaltung, die Logistik und das Controlling bis hin zum CustomerRelationship- und zum After-Sales-Management. Es findet eine Vernetzung von Personen, Maschinen, Materialien und Produkten statt.
Abb. 1: Was die kommenden Jahre bringen werden – Unternehmen müssen sich auf Turbulenzen einrichten
Befragung des Weltwirtschaftsforums unter rund 1.500 internationalen Expert:innen (2024), Anteil in %
Wie sieht Ihre Prognose für die künftige Lage der Welt aus?
Stürmisch: Hohes Risiko einer globalen Katastrophe Turbulent: Umbrüche und ein erhöhtes Katastrophenrisiko
Unruhig: Instabilität und ein gewisses Katastrophenrisiko
Ruhig: Vernachlässigbares Katastrophenrisiko
Kurzfristig (2 Jahre) Langfristig (10 Jahre)
Quelle: World Economic Forum3
Stabil: Einzelne Disruptionen, geringes Katastrophenrisiko
Physische Produkte und Maschinen werden „intelligent“ und teilen in Echtzeit Informationen mit Personen und anderen Maschinen. Auf diese Weise verknüpfen sich Datenebene und physische Abläufe zu sogenannten cyberphysischen Systemen. Hinzu kommen neue, auf Plattformen basierende Geschäftsmodelle. Die MIT-Ökonomen Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee (2014) sprechen in diesem Zusammenhang vom „zweiten Maschinenzeitalter“. Von der digitalen Transformation der Wirtschaft werden nicht weniger weitreichende nachhaltige Umwälzungen erwartet, als sie von den Innovationen ausgegangen sind, die die vorherigen industriellen Revolutionen ausgelöst haben (siehe Abb. 2)
Maschinelles Lernen („Machine Learning“) und mobile Robotik („Mobile Robotics“) sind die Basistechnologien, die das „zweite Maschinenzeitalter“ prägen. Beim maschinellen Lernen handelt es sich um ein Anwendungsfeld künstlicher Intelligenz, bei dem Computerprogramme ihre Leistungsfähigkeit selbstständig durch das Sammeln von Erfahrungen steigern.5 Durch das „Deep Learning“ in künstlichen neuronalen Netzen erübrigt sich die aufwendige Programmierung von Algorithmen. Vielmehr wird es Maschinen möglich, Fähigkeiten im „Trial and Error“-
Verfahren zu erwerben. Solche selbstlernenden Maschinen können bereits bestimmte Tätigkeiten ebenso gut ausführen wie menschliche Arbeitskräfte –und übertreffen diese manchmal sogar. Dies gilt beispielsweise in den Bereichen der Bild- und Worterkennung, der Sprachverarbeitung sowie der vorausschauenden Wartung von Maschinen, Planung von Lagerbeständen oder Einspeisung von Energie (sogenannte „Predictive Analytics“). Wo große Mengen ungeordneter digitaler Daten vorliegen, können Hochleistungscomputer diese in der Regel effizienter auswerten als der menschliche Verstand.
Mithilfe von Sensoren und Aktuatoren sowie unter Einsatz künstlicher Intelligenz bewegen sich autonome, mobile Roboter und Fahrzeuge selbstständig in ihrer Umgebung. Sie kooperieren flexibel mit menschlichen Arbeitskräften und erleichtern beispielsweise Arbeitsprozesse, die zuvor mit großen physischen Anstrengungen verbunden waren. Angesichts der bereits erreichten Erfolge von künstlicher Intelligenz ist davon auszugehen, dass das maschinelle Lernen eine neue Querschnittstechnologie darstellt, die künftig in zahlreichen Wirtschaftszweigen zum Einsatz kommen wird.6
4. Industrielle Revolution auf der Basis von cyberphysischen Systemen
3. Industrielle Revolution durch Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automatisierung der Produktion
2. Industrielle Revolution durch Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion mithilfe elektrischer Energie
1. Industrielle Revolution durch Einführung mechanischer Produktionsanlagen mithilfe von Wasser- und Dampfkraft
Ende des 18. Jahrhunderts
Anfang des 20. Jahrhunderts Anfang der 1970er-Jahre
2.2 Von der tayloristischen zur holistischen Organisation
Organisationen wandeln sich als Reaktion auf die unterschiedlichen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Im Rahmen dieser Studie werden zwei idealtypische Organisationsformen einander gegenübergestellt, zwischen denen es in realen Unternehmen zu zahlreichen Mischformen kommt. Auf der einen Seite stehen „tayloristische“ Organisationen mit starken Hierarchien – auf der anderen Seite dezentrale, „holistische“ Organisationsformen (siehe Abb. 3)
Relikt der Industrialisierung
Tayloristische Organisationen sind charakterisiert durch eine tiefe innerbetriebliche Arbeitsteilung und Spezialisierung nach Aufgabengebieten. Namenspate ist der Managementlehrer Frederick Winslow Taylor (1911). Diese Unternehmensstruktur hatte sich im Zeitalter der Industrialisierung herausgebildet, als erstmals große Industrieunternehmen mit großen Belegschaften entstanden. Ziel war es, die Effizienz der Produktion durch Ausnutzung von Spezialisierungsvorteilen und Aufteilung immer kleinteiligerer Arbeitsaufgaben auf verschiedene Mitarbeitende zu steigern. Klar voneinander abgegrenzte Funktionen wie Verwaltung, Produktion oder Marketing werden in unterschiedlichen Abteilungen ausgeführt, die durch eine Hierarchie von Manager:innen koordiniert werden. Aus standardisierten Inputleistungen werden standardisierte Outputs.
Abb. 3: Zwei gegensätzliche Organisationsideale
Hierarchische Organisationsform: TAYLORISTISCH
Mechanistische Organisation • Bürokratische Organisation
• Klassische innerbetriebliche Arbeitsteilung
• Alternative Bezeichnungen
Eindimensionale Tätigkeiten
• Hoher Spezialisierungsgrad
• Klare Aufteilung der Aufgabengebiete • Pyramidenförmiger Organisationsaufbau
• Merkmale
Vertikal • Autoritäre Kontrolle durch Vorgesetzte
• Routinen und Regeln
• Struktur der Koordination
Sichere Entscheidungen
• Verlässlichkeit
• Standardisierte Prozesse und Produkte
• Passende Umweltbedingungen
Berufsausbildung
• Spezialwissen
• Arbeitsplatz auf die Fähigkeiten zugeschnitten
• Qualifikationsanforderungen
Loyalität zum Unternehmen • Gehorsam gegenüber Führungskräften
• Aufstiegsmöglichkeiten
• Werte
Dezentrale Organisationsform: HOLISTISCH
• Organische Organisation
• Postbürokratische Organisation
• Holokratie, Humanokratie, Soziokratie
• Mehrdimensionale Tätigkeiten
• Multitasking, Arbeitsplatzrotation
• Teamwork
• Netzwerkartiger Organisationsaufbau
• Horizontal
• Selbstorganisation, Abstimmung im Team
• Trial and Error
• Agile Verhaltensweisen
• Unsicherheit
• Hohe Komplexität und wandelnde Anforderungen
• Bereitschaft zu lebenslangem Lernen
• Kreativität
• Fähigkeiten wandeln sich mit den Arbeitsaufgaben
• Sinnhaftigkeit („Sense of Purpose“)
• Engagement für die Aufgabe
• Kundenorientierung
Quelle: Eigene Darstellung
Das tayloristische Modell organisiert das Zusammenarbeiten von zum Teil Tausenden Menschen, stellt Mindeststandards sicher, definiert Routinen und verhindert Unklarheiten in Bezug auf Zuständigkeiten und Entscheidungswege. Gleichzeitig ist es stabil und arbeitet vorhersehbar.
Diese klassische Arbeitsorganisation – mit ausgeprägten Hierarchien, standardisierten Arbeitsabläufen und starr definierten Entscheidungsbefugnissen – wird zunehmend zugunsten von interessanteren und komplexeren Mischarbeitsplätzen aufgegeben. Der Wandel der Arbeit zur holistischen Organisation ist gekennzeichnet durch die Integration von Aufgabengebieten, die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens sowie eine vermehrte Bedeutung von Teamwork.7 Dazu gehören auch Arbeitsplatzrotation und tätigkeitsübergreifendes Lernen, das heißt die Übertragung von Erfahrungen, die bei einer bestimmten Arbeitsaufgabe gesammelt wurden, auf neue Arbeitsgebiete.
Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gibt es den Trend, die Hierarchien flacher und den Führungsstil weniger autoritär zu gestalten. Dabei werden den Mitarbeiter:innen mehr Befugnisse zugestanden und klassische Führungsaufgaben auf
mehr Schultern verteilt. An die Stelle von vertikalen Hierarchiestufen treten Netzwerke von Teams, statt Führungspositionen werden Rollen und Aufgabenbereiche definiert.
Die Ideen reichen lange zurück. Vordenker sind beispielsweise der US-amerikanische Ökonom Peter Drucker (1946) österreichischer Herkunft oder das englische Autorenteam mit dem Soziologen Tom Burns und dem Psychologen George Stalker (1961). Die Bezeichnungen sind vielfältig, unter denen dezentrale, holistische Organisationsformen diskutiert werden – freilich jeweils mit unterschiedlichen Schattierungen und Schwerpunkten: Sie reichen von Holokratie, Soziokratie oder Humanokratie über organische Organisation oder postbürokratisches Organisieren bis hin zu agilem Arbeiten und Selbstorganisation.
Bereits Anfang der 1990er-Jahre wurde der Wandel zur holistischen Arbeitsorganisation in der betriebswirtschaftlichen Literatur beschrieben.8 Neuere Managementbesteller von Frédéric Laloux (2014) oder Gary Hamel und Michele Zanini (2020) stellen den dezentralen Organisationsansatz und die Abkehr von traditionellen Hierarchien in den Mittelpunkt und haben viele aktuelle Transformationsprojekte inspiriert (siehe Interview mit Hanns-Christian Mahler und Felicia Werk auf S. 24 ff.) 9
Neuerfindung der Organisation
Teal Organizations
Das Buch „Reinventing Organizations“ hat den belgischen Unternehmensberater Frédérik Laloux 2014 zum Vordenker der neuen Arbeitswelt gemacht.10 Der frühere McKinsey-Partner entwickelt am Beispiel von zwölf Unternehmen einen neuen Organisationstyp, der sinnstiftendes Arbeiten ermöglichen soll und in dem von ihm entwickelten Farbschema blaugrün („teal“) ist. In diesem lebendigen Organismus lösen sich traditionelle Machthierarchien auf und werden durch „Verwirklichungshierarchien“ ersetzt, in denen die Mitarbeitenden – je nach Fähigkeit und Motivation – erforderliche Rollen übernehmen.
Humanocracy
Mit „Humanocracy“ bezeichnen die beiden Managementberater Gary Hamel und Michele Zanini einen mitarbeiterorientierten Organisationstyp, der Unternehmen innovativer und flexibler für wechselnde Kundenbedürfnisse machen soll.11 In einem humanokratischen Unternehmen sollen alle Mitarbeiter:innen ihr Bestes geben, ihre Innovationsfähigkeit entfalten und sich gemeinsam an der Lösung von Problemen beteiligen – vor allem an denen der Kund:innen.
Wichtige Prinzipien: Intrinsische Motivation ersetzt den Druck zur Leistungssteigerung, Selbstmanagement statt zentralistischer Führung, Teamleistung statt Einzelleistung. Entscheidungen werden in einem Beratungsprozess getroffen und die Verantwortung des Einzelnen wächst. So soll sich die Organisation an sich selbst anpassen und ihren Sinn auf Kund:innen und Mitarbeitende ausrichten (siehe Case: ten23 health auf S. 37 und Interview mit HannsChristian Mahler und Felicia Werk auf S. 24 ff.).
Die humanokatische Organisation besteht aus agilen, kleinen, sich selbst steuernden und organisierenden Einheiten, die so wenig wie nötig durch zentrale Hierarchien und Bürokratien gesteuert werden. Als Steuerungsinstrument für die Kooperation der einzelnen Einheiten vertrauen Hamel und Zanini vor allem auf marktähnliche Mechanismen. Als Beispiele für Industrieunternehmen, die nach humanokratischen Prinzipien arbeiteten, präsentieren die beiden Autoren in ihrem Besteller vor allem den chinesischen Hausgerätehersteller Haier und den USStahlkonzern Nucor (siehe Case: Haier auf S. 19)
2.3
Wie Beschäftigte die Organisation ihres Arbeitsumfeldes charakterisieren
Befragung von Arbeitskräften in drei Ländern
Die empirische Untersuchung basiert auf einer aktuellen und exklusiven Befragung von Arbeitskräften zum Thema „Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzzufriedenheit“, die vom Handelsblatt Research Institute (HRI) im Auftrag der Bayer AG konzipiert wurde.
Die Umfrage wurde durch das Meinungsforschungsinstitut YouGov in Deutschland, in den USA und in Brasilien ausgespielt. An den anonymen Onlineinterviews auf der Grundlage des YouGov Panels beteiligten sich im März 2024 jeweils über 1.000 Mitarbeitende von Unternehmen in den einzelnen Ländern. Insgesamt umfasste die Stichprobe in Deutschland 1.068, in den USA 1.004 und in Brasilien 1.010 erwerbstätige Personen ab 18 Jahren.
Ergebnisse aus dieser Umfrage erkennen Sie an den orangen Grafiken.
Im Rahmen unserer Umfrage haben wir Arbeitskräfte in Deutschland, den USA und Brasilien gefragt, wo sie ihr Arbeitsumfeld entlang der beiden Dimensionen Hierarchie und Autorität – gemessen am Grad der Kontrolle durch das Management –einordnen.
Starre Unternehmenshierarchien sind gekennzeichnet durch einen pyramidenförmigen Aufbau, eine klare Aufteilung der Aufgabengebiete und einen hohen Spezialisierungsgrad bei den Tätigkeiten. Mit dieser Vorgabe hatten die Befragten die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz auf einer Skala von 1 (= sehr flache Hierarchie) bis 5 (= sehr hierarchisch) zu bewerten.
Gleichermaßen sollten sie auf einer Skala von 1 (= sehr eigenständig) bis 5 (= sehr autoritär) angeben, wie der Führungsstil in ihrem Arbeitsumfeld aussieht. Dabei ist das Merkmal von autoritär geführten Unternehmen, dass Vorgesetze über die Zuteilung der Arbeitsaufgaben und die konkrete Ausführung der Tätigkeiten entscheiden. Die einzelnen Arbeitskräfte und Teams haben hier selbst wenig Spielraum, eigene Entscheidungen zu treffen.
Aus der Selbsteinordnung der Arbeitskräfte entlang dieser beiden Dimensionen ergibt sich eine Organisationsmatrix (siehe Abb. 4). Diese liefert eine Momentaufnahme, wie Erwerbstätige in den einzelnen Ländern ihre Arbeitsplatzorganisation einschätzen.
Abb. 4: Arbeitsplatzorganisation aus Sicht der Beschäftigten –Hierarchien dominieren das Feld Anteil in %
Deutschland
Autoritätsgrad**
* Skala von 1 (= sehr flache Hierarchie) bis 5 (= sehr hierarchisch) ** Skala von 1 (= sehr eigenständig) bis 5 (= sehr autoritär)
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Es zeigt sich, dass hierarchische Strukturen in allen drei Ländern weit verbreitet sind und von den befragten Arbeitskräften tendenziell mit höheren Ausprägungsgraden bewertet werden als die Autorität des Führungsstils. Folglich scheint auch in Hierarchien ein gewisser Freiheitsspielraum für selbstbestimmtes Arbeiten möglich. Die schweizerische Organisationsforscherin Antoinette Weibel spricht in diesem Zusammenhang von „Enabling Bureaucracies“ mit intrinsisch motivierten, mitdenkenden Beschäftigten (siehe Interview mit Antoinette Weibel auf S. 68 ff.). Auffällig ist, dass in den USA und Brasilien der tayloristische Organisationstyp (oberer rechter Quadrant) deutlich stärker ausgeprägt ist als in Deutschland.
Konkret bezeichnen in den USA und in Brasilien jeweils mehr als ein Viertel der Befragten ihren Arbeitgeber als sehr hierarchisch und als eher hierarchisch. In der Summe arbeiten somit 56 Prozent der USamerikanischen und 53 Prozent der brasilianischen Befragten in hierarchisch aufgebauten Unternehmen. In Deutschland dagegen liegen die Anteile bei 15 und 23 Prozent, in der Summe somit lediglich bei 38 Prozent. Vor allem unter kleineren Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitenden ist der Anteil derer, die als hierarchisch empfundenen werden, in Deutschland deutlich kleiner als in den USA und in Brasilien.
Hierarchien sind nach wie vor sehr präsent, werden aber tendenziell flacher Zwar ist die empirische Forschung zum Organisationswandel im Zeitablauf – im Gegensatz zur anekdotischen Evidenz in der Managementliteratur –noch eher dünn gesät.12 Aber Daten aus den USA legen nahe, dass dort die durchschnittliche Zahl der Hierarchiestufen innerhalb von großen Unternehmen über die Jahre gesunken ist.13 Gleichzeitig ist die sogenannte Span of Control gewachsen, also die durchschnittliche Zahl der Mitarbeitenden, die einer bestimmten Führungskraft unterstellt sind. Die Unternehmen stellen sich somit flacher und gleichzeitig breiter auf. Auch in Deutschland gibt es Beispiele von Unternehmen, die aktuell bei der Reorganisation ihrer internen Strukturen eine größere Span of Control anstreben.14
In unserer Meinungsumfrage geben in allen drei Ländern jeweils rund 15 Prozent der Teilnehmenden an, dass ihre Führungsperson für bis zu fünf Mitarbeitende verantwortlich ist (siehe Abb. 5). Im Ländervergleich ist auffällig ist, dass in Brasilien sogar 45 Prozent sagen, dass die Span of Control ihrer Führungsperson mehr als 20 Mitarbeitende umfasst.
Abb. 5: Span of Control – Führungskräfte sind meist für mehr als fünf Mitarbeitende zuständig Anteile in %
Bis zu 5 Mitarbeitende 6 bis 10 Mitarbeitende 11 bis
Mitarbeitende Mehr als 20 Mitarbeitende Ich habe keine Führungsperson Weiß nicht / keine Angabe
Quelle: Handelsblatt Research Institute
2.4 Welche Faktoren den Organisationswandel vorantreiben
Die Arbeitsmarktökonomen Assar Lindbeck und Dennis Snower (2000) identifizieren verschiedene, miteinander verflochtene Kräfte, die die Entwicklung zu holistischen Organisationsformen in Gang gesetzt haben: Abgesehen von der zunehmenden Präferenz der Arbeitskräfte für vielseitigere Arbeitsbedingungen und mehr Eigenverantwortung, die das Thema des dritten Kapitels der vorliegenden Studie bilden soll, sind dies vor allem
• Komplementaritäten zwischen Arbeitsaufgaben, die durch Fortschritte in der Produktions- und/ oder der Informations- und Kommunikationstechnologie hervorgerufen werden, sowie
• der Anstieg der allgemeinen Humankapitalausstattung der Erwerbspersonen, der dazu führt, dass Arbeitskräfte vielseitiger eingesetzt werden können.
Steigendes allgemeines Qualifikationsniveau erhöht Flexibilität des Arbeitseinsatzes
Moderne Arbeitsorganisationen wurden nicht nur eingeführt, um die Arbeitswelt zu humanisieren. Neben den sozialpolitischen kamen auch ökonomische Argumente hinzu. Denn die Knappheitsrelationen auf dem Arbeitsmarkt haben sich verändert. Hervorgerufen wurde dies durch das vermehrte Angebot an qualifizierten Fachkräften auf dem externen Arbeitsmarkt. Das Humankapital der Arbeitskräfte hat sich durch Bildungsinvestitionen erweitert, sodass sie immer besser im Stande sind, eine große Bandbreite von Fähigkeiten zu erlernen. Dies erlaubt es Unternehmen, ihre Arbeitsplätze im Sinne des holistischen Modells zu reorganisieren.
In der Folge wurden in vielen Unternehmen die – im Vergleich zu ihrer Produktivität teuren – unqualifizierten Kräfte durch die vergleichsweise billigeren Fachkräfte ersetzt. So ist im Bereich der Industriearbeit im Zeitablauf ein kontinuierlicher Anstieg der formalen Qualifikationsniveaus zu beobachten, das heißt ungelernte Arbeit wird durch gelernte Arbeit ersetzt.15 Auch in den USA zeigt sich, dass akademisch ausgebildete Arbeitskräfte heute im verarbeitenden Gewerbe einen Großteil der Belegschaft ausmachen (siehe Abb. 6)
Abb. 6: Steigender Qualifikationsgrad auf dem US-amerikanischen Arbeitsmarkt
* ISCED 2011 > 4
Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss*, in % Quellen: ILO, eigene Berechnungen
Technologien der „Industrie 4.0“ ermöglichen weniger hierarchische Kontrolle
Einen neuen Schub erhält die Reorganisation der Arbeit durch die technologischen Veränderungen im Rahmen der „vierten industriellen Revolution“. Digitale Technologien machen weniger hierarchische Kontrolle möglich, da sie die Kosten dezentraler Koordination senken.
Der historisch zu beobachtende Bedeutungszuwachs des Managements wird darauf zurückgeführt, dass viele Unternehmen mit der Zeit immer größer wurden, zugleich aber die Informationskapazitäten von Individuen beschränkt sind. Aus Sicht des US-amerikanischen Wirtschaftstheoretikers
Roy Radner habe dies zwangsläufig zu einer Ausbreitung immer feinerer Hierarchieebenen zur Entscheidungsfindung geführt.16 Die Digitalisierung hat das Potenzial, diesen Prozess umzukehren: Durch die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie werden flachere Hierarchien möglich, denn Arbeitskräfte an der Basis bekommen nahezu unbegrenzten Zugriff auf relevante Informationen, die zuvor nur schwer zugänglich waren oder erst von erfahreneren Führungspersonen interpretiert werden mussten.17
Arbeitskräfte können effizienter untereinander kommunizieren, erhalten bessere Kundeninformationen und können damit passgenau und schneller auf veränderte Bedürfnisse reagieren. Diese Vernetzung eröffnet neue Kollaborations- und Lerngelegenheiten innerhalb von Teams und zwischen ihnen. Und sie ist eine wichtige Triebfeder für den Hierarchieabbau sowie die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen: Wer sämtliche relevanten Informationen hat, kann auch auf ihrer Grundlage handeln und Entscheidungen treffen. Während die Rolle von Führungskräften früher oftmals dadurch gerechtfertigt war, dass diese den Informationsfluss – etwa von der Leitung in die Belegschaft – gewährleisten mussten, ist dies heute weitaus weniger wichtig.18
Auch die physische Kapitalausstattung wird „intelligenter“ und vielseitiger: Mit flexiblen Maschinen und programmierbaren Ausrüstungsgegenständen können Unternehmen ihr Leistungsspektrum ohne die früher üblichen langen Umrüstzeiten verbreitern. Ein Beispiel ist der Einsatz additiver Fertigungsverfahren („3D-Druck“) in der Industrie. Damit werden Produkte durch schichtweises Hinzufügen von Kunststoff oder Metall erzeugt. Im Gegensatz zu den konventionellen subtraktiven Verfahren, bei denen der Werkstoff abgetragen wird, ermöglicht das Schichtbauprinzip auch die Herstellung geometrisch komplexer Strukturen. Dafür sind aber nicht für jeden Auftrag neue, spezialisierte Fertigungsmaschinen nötig, da die Produktion allein auf der Basis von Daten erfolgt. Somit bietet der 3D-Druck neue Möglichkeiten, wesentlich individueller auf die Kundenwünsche einzugehen – bis hin zur Losgröße 1. Wenn Maschinen in der „Industrie 4.0“ immer mehr können, müssen im Gegenzug auch die Arbeitskräfte vielseitiger werden.
2.5 Vorteile dezentraler Organisation bei der Wissensnutzung
Unternehmen setzen auf agile oder flache Organisationsmethoden, die traditionelle Hierarchien ablösen, um besser das verteilte Wissen spezialisierter Individuen abzurufen. Das Wissen ist in einer Gesellschaft stets nur in dezentraler Form vorhanden: in Form der Spezialkenntnisse, die die einzelnen Individuen besitzen und täglich vor Ort aktualisieren.19 Es lässt sich nur sehr schwer und unter großem Verlust zentralisieren. Denn aufgrund des begrenzten menschlichen Verstandes kann keine Einzelperson jemals alles aufnehmen und verarbeiten, was eine Gruppe von Menschen an Informationen besitzt. Zudem handelt es sich bei vielen entscheidungsrelevanten Kenntnissen um „implizites Wissen“ („Tacit Knowledge“), das sich nur begrenzt kodifizieren und an andere weitergeben lässt.20
Deshalb sind Systeme, die den Individuen die Entscheidungskompetenz überlassen, prinzipiell der zentralen Planung überlegen. Allerdings stellt sich bei autonomen Entscheidungen das Problem der Koordination, denn die dezentral gefassten Einzelpläne müssen in Übereinstimmung gebracht wer-
den. Der idealtypische dezentrale Koordinationsmechanismus ist der Markt, der die Koordination mithilfe von unpersönlichen Preissignalen erreicht. In formalen Organisationen muss das Koordinationsproblem demgegenüber durch andere Mechanismen gelöst werden, typischerweise durch persönliche Kommunikation.
Das chinesische Industrieunternehmen Haier hat die Übertragung des Marktmodells in die interne Organisation auf die Spitze getrieben, indem selbst die Querschnittsabteilungen wie Buchhaltung, Personal oder Marketing ihre Dienstleistungen den einzelnen Teams im Wettbewerbsverfahren anbieten (siehe Case: Haier auf S. 19). Über marktähnliche Mechanismen – Verrechnungspreise und Verträge – regeln die verschiedenen Unternehmsteile ihre interne Zusammenarbeit. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Wettbewerb nicht das Vertrauen untergräbt, das für die Kooperation innerhalb eines Unternehmens erforderlich ist (siehe Interview mit Antoinette Weibel auf S. 68 ff.)
Case: Haier
Weltunternehmen für das digitale Zeitalter
Der chinesische Haushaltsgerätehersteller Haier ist das internationale Paradebeispiel für die erfolgreiche Transformation eines ineffizienten Staatsunternehmens hin zu einem innovativen Weltmarktführer – dank neuer Managementmethoden. Hinter dem Aufbau erfolgreicher dezentraler Strukturen steht eine starke Führungspersönlichkeit: der Arbeitersohn und Parteikader Zhang Ruimin, der seine Aufgabe 1984 mit Rückendeckung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) antrat und heute auch im Zentralkomitee der KPCh sitzt.
Zhang entwickelte zunächst über gut ein Jahrzehnt seine eigene Unternehmensphilosophie: RenDanHeYi, ein Kunstwort, das den Menschen (= Ren) mit den Nutzerbedürfnissen (= Dan) zusammenbringt. Aufbauend auf der Managementlehre des österreichischen Ökonomen Peter Drucker („Jeder kann sein CEO sein“) entwarf und testete er sein System der unabhängigen Mikrounternehmen („Jeder Mitarbeiter ist sein eigener Boss“). Alle agilen Einheiten sollen selbstorganisiert auf das gemeinsame Unternehmensziel hinarbeiten: Mehrwert für die Kund:innen zu schaffen.
Eingebettet ist RenDanHeYi in den chinesischen Daoismus, das Streben der Menschen nach Verbundenheit mit dem Universum, die sie vor allem durch Anpassung an den Wandel erreichen wollen. RenDanHeYi hat daher keine starre, lineare Weltsicht, sondern kann sich auch „auf verschlungenen Wegen“ einstellen.
HAIER IN KÜRZE:
Auf Basis von RenDanHeYi formte Zhang seine Vorstellung von einer Organisation für das digitale Zeitalter. Haier arbeitet als Plattform, die die verschiedenen Teams, Mitarbeitenden und Kund:innen verbindet. Für die Optimierung der Abläufe und die Koordination der agilen Teams baut das System auf marktähnliche Mechanismen und die Nutzung digitaler Techniken. Selbst die zentralen Funktionen wie Personal, Finanzen, IT oder Recht verhandeln als sogenannte Knoten („nodes“) mit den Mikrounternehmen Verträge über ihre Dienstleistungen. Somit werden diese unterstützenden Abteilungen von reinen Kostenstellen zu Profit Centers und müssen nun ihre Dienste in das Unternehmen verkaufen.21 Die Allokation über Transferpreise soll für Effizienz und Flexibilität sorgen.
Rund 75.000 Mitarbeitende in ca. 4.000 Mikrounternehmen
Wichtige technische Basis für die interne und externe Kooperation ist Haiers digitale Plattform COSMOPlat (Cloud of Smart Manufacturing Operation Platform), die der Konzern seit dem Jahr 2012 weltweit nutzt und auch für andere Unternehmen öffnet. Mit digitalen Zwillingen lassen sich auf der Plattform die Arbeit und Wertschöpfungsketten effizienter steuern.22
Hauptsitz: Qingdao
Bekannte Marken: Candy, Haier, Hoover
Abb. 7: Hierarchische Unternehmen werden als langsam, ineffizient und wenig kundenorientiert empfunden
Zustimmung* zu den Aussagen in der jeweiligen Organisationsform**, in %
Holistische Organisationen Alle Unternehmen
„In unserem Unternehmen brauchen wir sehr lange, um Entscheidungen zu fällen, und verlieren dabei wichtige Zeit.“
Tayloristische Organisationen
„Ich finde oft, dass zu viel Zeit für unnötige Besprechungen und überholte Prozesse aufgewendet wird und nicht für sinnvolle Arbeit.“
Deutschland
„Zu oft treffen wir Entscheidungen aufgrund interner Erwägungen und nicht aufgrund von Kundenwünschen.“
„Wir werden dazu ermuntert, den Kontakt zu Kund:innen zu suchen, um möglichst nah an deren Bedürfnisse heranzukommen.“
* „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
** Holistisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 1 bis 2; tayloristisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 4 bis 5
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Hierarchien verlangsamen die Entscheidungsprozesse und lassen Kenntnisse ungenutzt
Durch dezentrale Organisation wird die Entscheidungsfindung näher an die Menschen herangeführt, die die relevanten Informationen haben. Dabei handelt es sich oftmals um das Erfahrungswissen der Mitarbeitenden an der Basis. Holistische Organisationen ermöglichen engere Interaktionen mit den Kund:innen und erleichtern es den Mitarbeitenden, ihre Detailkenntnisse über die Kundenpräferenzen bei der Arbeit einzubringen.
Unsere Umfrage stützt diese Überlegungen: Beschäftigte in hierarchisch strukturierten Unternehmen empfinden interne Entscheidungsprozesse häufiger als langsam und umständlich als jene in Unternehmen mit dezentraler Organisation. Auch kritisieren sie häufiger, dass sich Entscheidungen nicht an den Wünschen der Kund:innen orientieren (siehe Abb. 7). In den USA gilt dies sogar, obwohl die Mitarbeitenden generell, weitgehend unabhängig von der Organisationsstruktur, zur Kundenorientierung ermutigt werden.
Kreativität ist gefragt: Dezentrale Unternehmen sind offener für Neuerungen
Der Mythos von der bahnbrechenden Innovation aus der Garage leitet in die Irre: Denn die überwiegende Mehrheit der Innovationen, die die Gesellschaft am meisten beeinflusst haben, wurde von abhängig beschäftigten Arbeitnehmer:innen und nicht von selbstständigen Erfinder:innen entwickelt.23
In einer Zeit, in der sich der technologische Fortschritt massiv beschleunigt und immer schneller neue Produkte auf den Markt kommen, wird die Innovationsfähigkeit zur entscheidenden Fähigkeit für ein Unternehmen. Gleichzeitig erfordern das turbulente Marktumfeld und die hohe Zahl von externen Schocks einen höheren Grad an Anpassungsfähigkeit und Wendigkeit. Um im Wettbewerb zu bestehen, ist es für Unternehmen erfolgskritisch, eine innovationsfreudige Unternehmenskultur zu schaffen.
Deshalb zielen holistische Organisationsformen darauf ab, Mitarbeitende wie interne Unternehmer zu behandeln. Dafür wird in der Managementliteratur teilweise der Neologismus „Intrapreneurs“ verwendet.24 Dabei beziehen sich die angestrebten Innovationen nicht nur auf den Markt, im Sinne der ständigen Suche nach neuen Produktideen oder Geschäftsmodellen. Sie können ebenso interne Prozesse und Organisationsmethoden betreffen, also infrage stellen, „wie die Sachen gemacht werden“.
Wie viel Freiraum Führungskräfte ihren Mitarbeitenden für kreatives Arbeiten lassen, ist nicht zwingend von den Hierarchieebenen eines Unternehmens abhängig. Beispielsweise kann auch ein hierarchisches Unternehmen einen kooperativen und befähigenden Führungsstil pflegen, statt auf Autorität zu setzen. Unsere Umfrage zeigt auf beiden Seiten des Atlantiks, dass eine Kultur des Ausprobierens und der Innovationsoffenheit deutlich häufiger in Unternehmen gelebt wird, in denen flache Hierarchien auf einen hohen Autonomiegrad bei der Entscheidungsfindung treffen (siehe Abb. 8)
Abb. 8: Holistische Organisationen sind offener gegenüber Neuerungen Zustimmung* zu den Aussagen in der jeweiligen Organisationsform**, in %
Holistische Organisationen Alle Unternehmen Tayloristische Organisationen
„Neuerungen werden wertgeschätzt, selbst wenn sie fehlschlagen.“
„Eigeninitiative, proaktives Verhalten und neue Ideen sind erwünscht und werden auch honoriert.“
Deutschland
„Wir sind immer bereit, unsere gewohnten Arbeitsweisen zu hinterfragen und neue Ansätze auszuprobieren.“
„Ich fühle mich manchmal ausgebremst, weil es in meinem Arbeitsumfeld nur wenig Spielraum für Eigeninitiative und Kreativität gibt.“
* „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
** Holistisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 1 bis 2; tayloristisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 4 bis 5
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Case: Sipgate
Hierarchieabbau
stärkt die Innovationskraft
Lähmende Hierarchien und eine negative Grenzproduktivität nennt Mitgründer Bastian Wilhelms als die wichtigsten Motive zur dezentralen Transformation (siehe Interview mir Bastian Wilhelms S. 32 ff.). Im Jahr 2009, ungefähr fünf Jahre nach der Unternehmensgründung und mit damals gerade mal 63 Mitarbeitenden, zog die Sipgate-Führung die Reißleine. Die Führungskräfte sahen sich als „Gatekeeper für Entscheidungen“ (Wilhelms) und wurden damit selbst zum Problem für ihre Organisationsstruktur.
Wilhelms beschreibt, wie die pyramidenförmige Hierarchie dem Telekommunikationsunternehmen immer mehr zum Hindernis wurde: „Jedes neue Produkt musste erst einmal alle Hierarchiestufen durchlaufen, bevor es überhaupt entwickelt und vermarktet werden konnte.“ Und die Bürokratie entwickelte eine Eigendynamik. Durch den Abstimmungsbedarf habe die Unternehmensspitze einen vollständig durchgetakteten Tagesablauf gehabt, erinnert er sich. Zur Entlastung habe Sipgate immer neue mittlere Führungskräfte eingestellt, die die oberste Führungsebene bei der Arbeit unterstützen sollten und die Wilhelms heute als „unproduktiv“ einstuft.
Mittlerweile ist der Düsseldorfer Telekomanbieter auf rund 300 Mitarbeitende angewachsen und hat seine Hierarchien weitgehend abgeschafft. Etwa ein Sechstel der Belegschaft übernimmt Querschnittsaufgaben wie Sicherheitsthemen, arbeitet als Lead oder Coach für die Koordination der funktionsübergreifenden Produktteams. Aber auch diese rund 50 Koordinator:innen arbeiten zumeist fachlich in den einzelnen Teams mit, in denen neben Softwarentwickler:innen auch Designer:innen, Texter:innen und Kundenbetreuer:innen sitzen.
SIPGATE IN KÜRZE:
Die agilen Teams arbeiten in Eigenverantwortung, treffen 98 Prozent aller Entscheidungen selbst und in enger Abstimmung mit den Kund:innen. Auch die sogenannten unangenehmen Managementaufgaben, wie Personalgespräche oder andere Personalentscheidungen, übernimmt das jeweilige Team. Im Zweiwochenrhythmus, nach den sogenannten Strings, überprüfen die Teams, ob sie ihre Ziele in sinnvoller Koordination erreicht haben. Regelmäßige Feedbacks und gewaltfreie Kommunikation gehören ebenso zur Unternehmenskultur wie bunte Klebezettel. Das gemeinsame Ziel: Mehrwert für die Kund:innen schaffen. „Bei uns gibt es keine Titel, keine Manager, keine Abteilungen, keine Gehaltsverhandlungen, keine Budgets. Wir sind lean und agil, mit ganzem Herzen“, charakterisiert das Sipgate-Team seine Organisationsform. Diese verbindet schlanke Produktionsmethoden nach dem Toyota-Modell mit agilen Organisationsmethoden aus der Softwareentwicklung (Scrum). Den zum Teil schmerzvollen Weg dahin dokumentiert das im Sipgate-Eigenverlag erschienene Buch „24 Work Hacks …. auf die wir gerne früher gekommen wären“ von Tim Mois und Corinna Baldauf (2016).
Telekommunikationsanbieter aus Düsseldorf
Das Ergebnis der dezentralen Organisationsreform: Das Unternehmen entwickelt seine Produkte schneller, effizienter und innovativer als zuvor. Der Telekomanbieter sticht mit seinen Innovationen teilweise auch größere Konkurrenten aus, freut sich Wilhelms. Und die Mitarbeitenden arbeiten „mit Hingabe“, wie er es ausdrückt. Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit wurden abgeschafft, weil sie regelmäßig das gleiche Ergebnis brachten. Allerdings ist die dezentrale, organische Organisationsstruktur keineswegs selbsterhaltend: Immer, wenn das Unternehmen eine Mitarbeiterschwelle von etwa 100 zusätzlichen Mitarbeitenden überschreitet, schleifen sich nach Erfahrung von Wilhelms wieder ineffiziente Entscheidungswege ein. Aber die Sipgate-Teams kennen jetzt das Rezept: Sie stellen die Organisationsstruktur kontinuierlich auf den Prüfstand und entwickeln sie weiter.
Knapp 300 Beschäftigte, gegründet 2004
Literatur: Mois / Baldauf (2016) Marktführer (nach Kundenzahl) für Internettelefonie (Voice over IP)
PROFESSOR DR. HANNS-CHRISTIAN MAHLER, ten23 health, CEO, Gründer, General Circle Lead
FELICIA WERK, ten23 health, People & Culture
„Ganz ohne einen Rahmen und Regeln läuft es nicht“
Beim Schweizer Pharma-Start-up ten23 health müssen viele Mitarbeitende das selbstorganisierte und agile Arbeiten zunächst lernen. Ein Rahmenwerk soll ihnen dabei helfen, Entscheidungen selbst zu treffen.
Etablierte Unternehmen wollen mit Bürokratieabbau und flachen Hierarchien schneller und innovativer werden. Ist ten23 health deshalb im Jahr 2021 gleich mit einer dezentralen Organisationsstruktur gestartet?
Mahler: Etwa 20 Jahre lang habe ich in großen Pharmakonzernen gearbeitet, die viele Kontrollmechanismen aufgebaut haben. Wenn man da beispielsweise eine Zugfahrkarte kaufen möchte, ist der Zug möglicherweise längst abgefahren, bevor die Genehmigungsrunde über vier Hierarchieebenen durch ist. Wenn diese Firmen „lean“ werden, also schlankere Strukturen einführen, werden sie natürlich schneller.
Aber bei unserer Gründung standen die Themen Agilität und Schnelligkeit nicht im Vordergrund. Vielmehr hat mich der egozentrierte Führungsstil in traditionellen Organisationen abgeschreckt. Ich habe ein Betriebssystem gesucht, das mehr auf Eigenverantwortung und Zusammenarbeit aufbaut als auf Ego. Ein zündendes Moment war für mich die Lektüre von Frédéric Laloux‘ „Reinventing Organizations“, die mir gezeigt hat, dass es so nicht weitergehen muss. Bestimmte traditionelle Strukturen, die ich allzu gut kenne, führen dazu, dass sich Organisationen vor allem mit sich selbst beschäftigen und viel Zeit verschwenden.
Werk: In großen Konzernen war es früher für mich schwierig, mitanzusehen wie das Potenzial von so vielen Menschen nicht genutzt wird. Beispielsweise habe ich bei der Einführung eines neuen IT-Tools in der Produktion erlebt, dass viele Mitarbeitende nicht dazu bereit waren, sich mit der neuen Technik auseinanderzusetzen und entsprechend weiterzubilden. Dieselben Leute konnten dann aber in der Freizeit mit den kompliziertesten Handy-Apps wunderbar umgehen und sich alles schnell selbst beibringen. Nach meiner Erfahrung liegt das vor allem an der Unternehmens- und Führungskultur, die die Motivation und das Vertrauen der Menschen in sich selbst teilweise erschüttert hat.
Auf der anderen Seite habe ich Führungskräfte erlebt, die sich im Unternehmen furchtbar hierarchisch und autoritär aufgeführt haben und zugleich in ihrer Freizeit wunderbare Mütter oder Väter und Freund:innen waren, die andere Menschen beratend durch schwierige Situationen begleitet haben. Da lief doch etwas schief! Diese Mechanismen, die das Selbstvertrauen der Menschen zerstören, beginnen schon im Elternhaus, setzen sich in Schule und hierarchischen Unternehmen fort, sodass die Menschen auch das Vertrauen in ihren Arbeitgeber verlieren. Diese Konditionierung und das mangelnde Vertrauen gehen dann so weit, dass bei uns
Mitarbeitende Vertrauensarbeitszeit und -urlaub anfangs misstrauisch gegenüberstanden und teilweise lieber stempeln wollten.
Einflussreiche Managementberater wie Frédéric Laloux oder Gary Hamel wollen die Organisationen so reformieren, dass die Mitarbeitenden mehr Freiheit und Verantwortung gewinnen. Aber entwickeln die Mitarbeitenden dann auch quasi automatisch Kreativität und Motivation?
Werk: Bei vielen Menschen wurde die intrinsische Motivation jahrelang so unterdrückt, dass sie sie erst wieder entdecken müssen. Und das ist eine spannende Reise, die sich lohnt. Aber zu viel Freiheit kann da anfangs überfordern. Beispielsweise haben wir den Teams keine Budgets zugeteilt, sondern alle aufgefordert, mit dem Geld so umzugehen, als wäre es ihr eigenes. Das hat viele überfordert. Daher haben wir zunächst Rahmenwerke erarbeitet, die keine Kontrolle über die Mitarbeitenden ausüben, sondern ihnen helfen sollen, selbst Entscheidungen zu treffen. Wir haben dokumentiert, wie wir in unserer Unternehmenskultur mit Themen wie Zeiterfassung, Urlaub und Benefits umgehen wollen und die Mitarbeitenden aufgefordert, diese Rahmenwerke mit ihren Ideen weiterzuentwickeln.
Mahler: Bei der Gründung wollte ich zunächst keine Regeln und möglichst wenig abstecken. Das funktionierte auch mit neuen Mitarbeitenden, die genauso eine Arbeitskultur gesucht hatten. Aber wir hatten auch viele Kolleginnen und Kollegen, die ihre langjährige Konditionierung in größeren Firmen nicht sofort ablegen und einfach selbstverantwortlich entscheiden konnten. Das begann beispielsweise schon bei der Auswahl des Tickets für eine Dienstreise, für die wir bewusst kein Reisereglement hatten. Um den Mitarbeitenden bei ihren Entscheidungen zu helfen, haben wir dazu dann aber ein Kapitel in unser Rahmenwerk geschrieben. Mit Fragen, die bei Entscheidungen helfen sollen.
Dass wir den Rahmen etwas abstecken müssen, habe ich auch aus einer wunderbaren Studie in einem Kindergarten gelernt: Zunächst hatten die Kinder auf rund 10.000 Quadratmeter jeden Freiraum. Statt den Raum zu nutzen, scharten sie sich aber alle um die Kindergärtner:innen. Als die Fläche dann in kleinere Felder von vielleicht 1.000 Quadratmetern abgesteckt wurde, rannten die Kinder auf einmal frei herum.
Wir tasten uns daher allmählich an unsere Ziele heran, versuchen den Mitarbeitenden dabei zu helfen, Vertrauen zurückzugewinnen. Auch unsere Vertrauensarbeitszeit haben wir daher flexibel gestaltet. Zuvor hatten wir von Mitarbeitenden erfahren, dass sie Angst hatten, man könnte ihnen irgendwann vorwerfen, sie würden zu wenig arbeiten. Da wir diese Angst nicht ausräumen konnten, indem wir ihnen erklärt haben, dass Arbeit keine Funktion der Zeit ist, haben wir eine optionale Zeiterfassung für diejenigen Kolleg:innen eingeführt, die sich mit einer Stechuhr besser gefühlt haben. Wir hoffen jedoch, dass die Kolleg:innen sich langfristig von früheren Kontrollerfahrungen verabschieden und langfristig Vertrauen in uns als Arbeitgeber fassen und psychologische Sicherheit erfahren.
Braucht eine selbstverantwortliche Organisation besonders mitdenkende oder intelligente Mitarbeitende?
Mahler: Welche Firma braucht keine intelligenten Mitarbeiter:innen? Bei dem schnellen Wandel der Arbeitswelt laufen die Übrigen ohnehin Gefahr, wegautomatisiert oder überflüssig zu werden. Ein Mitarbeitender muss auch mitdenken! Aber nicht alle Produktionsmitarbeiter:innen müssen sich in unsere komplette Betriebswirtschaft einarbeiten. Sie müssen jedoch bei möglichen Abweichungen in der Produktion denkend eingreifen, beispielsweise erkennen, wie sich Fehler vermeiden lassen.
Das bedeutet Empowerment. Bei unserem rollenbasierten Arbeiten haben alle ihre Rollenbeschreibungen, die sich auch evolutionär weiterentwickeln können.
Werk: Innere Reflexionsfähigkeit ist bei uns eigentlich entscheidend. In die Tiefe zu gehen, die eigene Selbstorganisation zu hinterfragen, hat sich bei uns als besonders wichtig – aber für viele auch als eine persönliche Herausforderung erwiesen.
Zum Beispiel arbeiten wir ohne Titel wie „Director“ oder „Vice President“. Das hat Begeisterung, aber auch Unsicherheit ausgelöst. Für mich ist es schön zu sehen, dass Viele dadurch reflektiert haben, was Titel und Karriere für sie eigentlich bedeuten – und, was sie wirklich brauchen, um zufrieden zu sein.
Es fiel das Stichwort „rollenbasiertes Arbeiten“. Wie ist denn die Arbeit bei ten23 health in der Forschung und Produktion organisiert?
Werk: Wir sind in sogenannten Circles organisiert und haben auch „Circle Leads“. Denn flache Hierarchien oder Selbstorganisation bedeuten ja nicht Führungslosigkeit. Wir arbeiten aber nicht mit festgefahrenen Stellenbeschreibungen. Eine Person kann verschiedene Rollen ausführen, die sie selbst mitdefiniert. Für jede Rolle gibt es einen „Purpose“, eine positive Bestimmung, auf die es hinauslaufen sollte, und etwa drei bis fünf Verantwortlichkeiten. Ich bin zum Beispiel nicht eine Personal- und Organisationsentwicklerin oder ein „HR-Business Partner“, sondern kann verschiedene Rollen ausführen, wie „Framework Fanatic“, „Mediation Angel“ oder Coach. Und diese Rollen können auch in unterschiedlichen Zirkeln verankert sein. Diese Stärkenorientierung befähigt uns, individuell auf die Bedürfnisse und Stärken der Menschen einzugehen und sie dabei zu unterstützen, sich so weiterzuentwickeln, dass es allen Freude bereitet.
Mahler: In klassischen Pharmaunternehmen gibt es für die Entwicklung Fachabteilungen, eine pharmazeutische Entwicklung, eine analytische Entwicklung und so weiter. Dieses System der Fachabteilungen haben wir aufgelöst. Bei uns gibt es für die Produktion einen „Circle“, auch mit Unterkreisen. Aber in der Entwicklung haben wir alles integriert und auf Projektbasis kommen jeweils alle Kolleginnen und Kollegen zusammen, die dazu etwas beitragen. Diese Projektbasis ist eine Weiterentwicklung der klassischen Matrixorganisationen. Wir wollen damit das Chaos vermeiden, das ich gelegentlich erlebt habe, wenn verschiedene Fachabteilungen in Projektteams aufeinanderstießen. Dann war entweder die Funktion oder das Projektteam so dominant, dass sich alle gegenseitig gelähmt haben. Unsere Zuständigkeiten sind verständlich, stehen im System, sind für jeden transparent. Auch die Treffen und Abstimmungen des „General Circle“ (der „Führungsebene“) sind öffentlich.
Diese neue Organisation muss von allen Mitarbeitenden erst einmal gelernt werden. Lähmt das nicht auch?
Mahler: Im Gegenteil. Als ich im ersten Jahr beispielsweise Urlaub gemacht habe, konnte ich den richtig genießen. Es akkumulierten sich keine unsinnigen kleinen Anfragen nach Zugtickets oder dergleichen auf meinem Schreibtisch. Ich wusste, der Betrieb funktioniert auch ohne mich, die Kolleg:innen trauen sich auch, ohne mich etwas zu entscheiden. Nach den drei Wochen war sogar die Organisation anders strukturiert. Das fand ich super, da sich die „Circles“ und die einzelnen Rollen ja immer weiterentwickeln. Also Lähmung sehe ich nicht. Es ist nur wichtig, nicht wieder in die eingelaufenen Spuren zu geraten. Ich zum Beispiel will nicht in den traditionellen Führungsmodus zurückfallen und bei Konflikten der Kolleginnen und Kollegen untereinander etwas entscheiden, was sie eigentlich miteinander klären können. Auch bei den Zugtickets habe ich den Kolleg:innen die Entscheidung nicht abgenommen, da mussten sie selbst durch.
Das klingt jetzt nicht nach der klassischen Führungsrolle mit Vorgaben, sondern einer eher psychologischen Unternehmensführung ….
Mahler: Auf der klassischen Managementschule lernt man das nicht, da geht es eher um den Dompteurstab oder die KPIs, die kontrolliert werden müssen. Für mich stand aber schon bei meinem ersten Job der menschliche Umgang, die Achtsamkeit, das Team im Vordergrund.
Bisher reden wir bei New Work ja meist über Arbeitskräfte, die multitaskingfähig sein müssen und ständig Neues lernen. Aber eigentlich geht es ja erst einmal um Führungskräfte, die sozial kompatibel, empathisch, psychologisch versiert sind. Haben wir bei der Transformation der Organisation also in erster Linie ein Führungskräfteproblem?
Mahler: Diese Klassifizierung in Mitarbeitende und Führungskräfte hat mich schon immer gestört. Eine Selbstorganisation erfordert empathische Führung. Wenn ich will, dass Führungskräfte Verantwortung abgeben und der Mensch im Vordergrund steht, dann muss das auch die Firmenleitung vorleben. Das muss dann in der Organisation durch alle Stufen durchgezogen werden.
Werk: Die Entscheidung, nicht hierarchisch zu arbeiten, ist eine hierarchische Entscheidung. Aber entscheidend sind die Motive dafür. Wenn eine Führungskraft das nur entscheidet, um das Unternehmen agiler, schneller und günstiger zu machen, läuft das anders, als wenn die Führungskraft dabei von ihren Werten ausgeht, ein menschenorientiertes Unternehmen schaffen will und das selbst vorlebt. Im ersten Fall durchschauen die Mitarbeitenden die Motive für den Hierarchieabbau als Scheinargumente und wissen, dass auch wieder ein anderer Trend kommen könnte – ob Operational Excellence, Diversität und Inklusion oder Nachhaltigkeit – und sich dann wieder alles ändern wird. Da ist es für sie doch sinnvoll abzuwarten, bis die Mode wieder vorbei ist.
Bei uns ist der Hauptunterschied die Gesamtphilosophie dahinter, die nicht einfach ein Trend ist. Bei Befragungen hören wir entsprechend, dass unsere Mitarbeitenden noch nie so viel Spaß bei der Arbeit hatten und sich als Person wahrgenommen fühlen – das lässt sich nicht einfach mit einer Managementmethode erreichen.
Ten23 health hat jetzt knapp 200 Mitarbeitende. Wie lange könnt Ihr noch wachsen, ohne Euren Unternehmensgeist, Eure dezentrale, flexible Struktur aufzugeben?
Mahler: Mit unserer Mitarbeiterzahl haben wir eigentlich schon die Größe überschritten, die laut einer Studie bei einem Dorf kritisch ist: Nur bis zu 150 Dorfbewohner:innen kennen sich gegenseitig und können auch miteinander leben (Dunbar-Zahl).
Natürlich gibt es sehr viel größere Organisationen, wie den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Haier, die sehr dezentral organisiert sind. Aber die sind dann noch einen Schritt weitergegangen, haben eigene Mikrokosmen geschaffen. Wenn wir in eine 10.000er Größe wachsen würden, dann dürfte sich unser System von „Circles“ und Rollen nicht mehr skalieren lassen. Dann müssten wir auch auf irgendeine Art autonome Einheiten bilden.
Wie hat ten23 health bei der ersten Übernahme den zweiten Standort in Visp integriert, der zuvor ja hierarchisch strukturiert war?
Mahler: Wir haben da auch die Funktionen aufgelöst und beide Standorte voll in unsere Organisationsstruktur integriert. Falls wir weitere Standorte aufbauen oder akquirieren, steht hier natürlich dann ebenfalls die Entscheidung an, wie man solche Teams integriert: Ob wir zum Beispiel einen eigenen „Circle“ entwickeln, der dann irgendwie in die Autonomie geführt werden muss.
Werk: Wir haben uns bei der kulturellen Transformation viel vom „Loop Approach“ von TheDive inspirieren lassen. Dabei begibt sich jedes Team und jede:r Kolleg:in auf seine oder ihre individuelle Reise und schaut zweckorientiert, was es braucht, um gut arbeiten zu können. Die Orientierung an Purpose und Bedürfnissen („Purpose-driven“ und spannungsbasiertes Arbeiten) empfinden wir als extrem hilfreich. Genauso wie die Inspiration durch die Erfahrungen anderer, die auf einer ähnlichen Reise sind – das ist für uns alle Neuland und da hilft es enorm, voneinander zu lernen.
Für mich persönlich ist diese Art zu arbeiten unglaublich energetisierend und ich kann es mir nicht mehr vorstellen, anders zu arbeiten. Vielleicht der größte Nachteil: hohes Suchtpotenzial!
Mahler: Die innere Haltung, die Fähigkeit sich selbst führen zu können und die Bereitschaft zur Veränderung und zum Wandel sind im Kern die Rezeptur für Firmen und Mitarbeitende für die Zukunft der Arbeit. Unser Fokus bei ten23 health liegt klar auf menschenzentriertem Arbeiten, nachhaltigem Wirtschaften und darauf, dass wir durch unser „Was“, aber auch unser „Wie“ einen nachhaltigen, wenn auch kleinen Beitrag zur Veränderung des Pharmasektors – und womöglich der Gesellschaft –leisten wollen.
Empirische Untersuchungen zeigen: Holistische Organisationsformen bringen betriebswirtschaftliche Vorteile
Es gibt bislang nur wenige empirische Studien, die sich systematisch mit dem Zusammenhang zwischen dem Organisationswandel hin zu dezentraleren, weniger hierarchischen Strukturen und dem Unternehmenserfolg beschäftigen. Eine Analyse mit Unternehmensdaten aus der Schweiz liefert Hinweise, dass ein Abbau von Hierarchiestufen einen signifikant positiven Effekt auf die Profitabilität der Unternehmen hat.25 Dieser ist demnach allerdings kleiner als der Effekt auf die Produktivität, was mutmaßlich darauf zurückzuführen ist, dass das Lohnniveau für Nicht-Führungskräfte in flacher aufgestellten Unternehmen erhöht wird, um wegfallende Aufstiegsmöglichkeiten zu kompensieren.
Eine Analyse mit Daten aus Spanien kommt zu vergleichbaren Ergebnissen: Demnach sind Unternehmen finanziell erfolgreicher, wenn sie eine Firmenkultur implementieren, die unternehmerisches Denken („Entrepreneurial Mindset“), Kreativität und Risikobereitschaft fördert.26
Eine Befragung von 500 US-amerikanischen Führungskräften zeigt ferner, dass Unternehmen, die sich in kleinen, unabhängigen Teams organisieren, im Schnitt 1,3-mal häufiger finanziell erfolgreich sind und es ihnen 1,2-mal häufiger gelingt, Fachkräfte anzuwerben beziehungsweise im Unternehmen zu halten (siehe Abb. 9) 27
Andere Studien nehmen die Wechselwirkung zwischen dem Organisationswandel und der Innovationsfähigkeit in den Blick. Letztere wird sowohl intern als auch extern betrachtet – also sowohl in Bezug auf den Einsatz innovativer Prozesse und Technologien im Unternehmen als auch in Bezug auf das Entwickeln neuer Produkte und Geschäftsmodelle. Eine Studie mit Daten aus einer finnischen Unternehmensbefragung kommt zu dem Schluss, dass eine Belegschaft mit einem hohen Maß an intrinsischer Motivation signifikant förderlich ist für die eigene Innovationsfähigkeit.29 Ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zum Kollegium, die Bereitschaft zum Lernen und das Gefühl, einer sinnhaften Tätigkeit nachzugehen, bringen demnach entsprechende positive Impulse.
Bereits zahlreicher sind die Studien, die sich mit der Erforschung des umgekehrten Wirkungszusammenhangs beschäftigt haben: So untermauert eine Metastudie, dass innovative Unternehmen deutlich häufiger eine Firmenkultur vorleben, die auf Flexibilität und Eigenverantwortung statt auf Kontrolle und Dirigismus setzt.30
Unsere Umfrage zeigt, dass bei Arbeitskräften in tayloristischen Organisationen häufiger das Gefühl einer lähmenden Bürokratie aufkommt, die sogar dem Erfolg entgegensteht (siehe Abb. 10). Holistische Organisationen geben den Beschäftigten demgegenüber mehr Mitsprachemöglichkeiten und schneiden besser dabei ab, einen „Sense of Purpose“ zu vermitteln.
Abb. 9: Eigenständiges und dezentrales Arbeiten steigert den Erfolg
Um wieviel besser US-Unternehmen abschneiden, die die genannten Managementprinzipien anwenden, in %
Finanzieller Erfolg Fähigkeit, Top-Talente zu gewinnen
Mit dezentralen Teams arbeiten
Quelle: Outthinker Networks28
Den Teams mehr Selbstständigkeit überantworten
Mitarbeitende wie interne Unternehmer:innen („Intrapreneurs“) behandeln
Abb. 10: Bei dezentraler Arbeitsorganisation empfinden Arbeitskräfte mehr Selbstwirksamkeit und klagen seltener über lähmende Bürokratie Zustimmung* zu den Aussagen in der jeweiligen Organisationsform**, in %
Holistische Organisationen Alle Unternehmen Tayloristische Organisationen
„Unser Team / unsere Abteilung wäre erfolgreicher, wenn wir selbstständiger und weniger weisungsgebunden arbeiten könnten.“
„Ich habe manchmal das Gefühl, dass Vorschriften über den Menschen gestellt werden.“
Deutschland
„Ich habe das Gefühl, dass meine Meinung zählt.“
Deutschland
„Ich habe das Gefühl, mit meiner Arbeit etwas zu bewirken.“
Deutschland
* „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
** Holistisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 1 bis 2; tayloristisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 4 bis 5
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Methoden für agile Teams
Loop Approach
Diese Reorganisationsmethode, mit der auch große Unternehmen in Richtung dezentrale Strukturen und Selbstorganisation transformiert werden, greift auf verschiedene theoretische Konzepte zurück, beispielsweise auf die Holokratie sowie auf Ansätze zur gewaltfreien Kommunikation.31
Der Loop Approach setzt an der Basis an, bei den einzelnen Teams. In einem strukturierten Prozess beschäftigen sich diese mit ihrer Zusammenarbeit, beispielsweise mit ihren Rollen, mit Feedbacks und Konflikten. Damit begibt sich das Team auf einen Weg, auf dem es – wie schon das Wort Loop vorgibt –dauerhaft seine Arbeitsformen anpasst und weiterentwickelt. Basierend auf der Managementlehre von Frédéric Laloux beschreiben die Loop-Transformatoren die verschiedenen Entwicklungen einer Organisation anhand von fünf Farben, die für fünf Werte stehen: impulsiv (rot), konformistisch (gelb), leistungsorientiert (orange), pluralistisch (grün) und evolutionär (blaugrün beziehungsweise „teal“) (siehe Interview mit Mirja Bastian auf S. 44 ff.)
Scrum Methode
Dieses agile Organisationsmodell kommt ursprünglich aus der Softwareentwicklung und wird für Projekte verwendet, die von dezentralen Teams möglichst selbstbestimmt mithilfe von konkreten Zwischenzielen gesteuert werden.32 Mit standardisierten Regeln, festgelegten Etappen (Sprint) und drei Rollen (Product Owner, Scrum Master und Entwicklungsteam) strukturiert Scrum komplexe Prozesse. Dieses Vorgehensmodell soll das Team dazu bringen, seine interdisziplinären Kompetenzen effizient und kreativ einzusetzen und damit einen Mehrwert zu schaffen (siehe Case: Sipgate auf S. 23 und Interview mit Bastian Wilhelms auf S. 32 ff.)
2.6 Stellenwert von Autorität bei schneller Entscheidungsfindung
Agilität und Autorität schließen sich nicht gegenseitig aus. Wenn es um die effektive und schnelle Entwicklung von neuen Handlungsweisen geht, ist die Abkehr von hierarchischen Einflussstrukturen nicht zwangsläufig der Königsweg.
Möglicherweise verstricken sich dezentral organisierte Teams in übermäßigem Experimentieren und haben Schwierigkeiten, auf einen bestimmten Weg einzuschwenken, wenn es verschiedene geeignete Optionen gibt. Koordinationsfehler entstehen, wenn autonome Entscheidungsträger eine Situation unterschiedlich interpretieren, obwohl sie eigentlich das gemeinsame Ziel verfolgen, schnell zu einer kompatiblen Lösung zu kommen.33 Demgegenüber kann hierarchische Einflussnahme unkoordinierte Parallelforschung reduzieren und damit die Entscheidungsfindung beschleunigen.
Somit können Teams in bestimmten Entscheidungssituationen, die einen koordinierten Suchaufwand erfordern, gerade durch hierarchische Einflussnahme Agilität erreichen und schneller zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Das gilt selbst dann, wenn die Führungspersonen weder überlegenes Wissen noch Voraussicht oder auch nur die Fähigkeit haben, die Handlungen der Untergebenen perfekt zu kontrollieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine mathematische Simulationsstudie internationaler Managementforscher:innen.34 Entscheidend ist vielmehr die Fähigkeit, konvergierende Erwartungen bei allen Beteiligten herzustellen. Entsprechend sieht auch die Scrum-Methode, die oft als Blaupause für agiles Organisieren dient, explizit Rollen vor, die asymmetrischen Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausüben können35 (siehe Box „Methoden für agile Teams“ auf S. 30)
Fazit: Auch dezentrale Organisationen kommen nicht völlig ohne Autorität aus. Somit werden Hierarchien auch in der wissensintensiven Wirtschaft weiterhin anzutreffen sein. Entscheidend für den Unternehmenserfolg ist es, die optimale Balance zwischen Selbstorganisation und Kontrolle zu finden.
Interview: Bastian Wilhelms
BASTIAN WILHELMS,
Bereiche
Mitgründer des Telefonanbieters Sipgate und dort verantwortlich für die Bereiche Organisation und Portfolio
„Mit Agilität lässt sich kein Geld sparen“
Dank seiner agilen Transformation erzielt der Telefonanbieter Sipgate mit der gleichen Belegschaft bessere Ergebnisse. Die Organisationsstruktur wird ständig angepasst. Die Koordination der dezentralen Teams gelingt durch klare Zielvorgaben.
Ihr habt Sipgate in Richtung Agilität und Dezentralität umstrukturiert. Wie würdest Du den Erfolg Eurer Transformation beschreiben?
Es gibt oft ein Missverständnis, mit dem ich aufräumen möchte. Wenn eine Organisation ins Agile wechselt, um Geld zu sparen, dann ist das eine sehr schlechte Idee. Das wird nicht passieren, da gibt es nichts zu sparen. Aber was man erreichen kann, ist eine Wirkungsverstärkung: Man erzielt mit den gleichen Leuten bessere Ergebnisse.
Bei uns zeigt das der Vergleich mit anderen Telefongesellschaften. Großkonzerne wie Vodafone, Telekom oder Telefónica haben sich schon in unserem Büro am Düsseldorfer Hafen angesehen, wie wir arbeiten. Und nach der Tour sind sie regelmäßig erstaunt, was wir mit unseren knapp 300 Leuten alles selbst entwickeln. Das ist der Erfolg unserer Transformation.
Mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ist das sehr interessant: Haben hierarchisch organisierte Unternehmen zu viele Leute in unproduktiven Jobs gebunden, die man aktivieren und effektiver einsetzen kann?
Das war die Zielsetzung, als wir 2009 mit damals nur 63 Beschäftigten auf die Idee kamen, dass wir irgendetwas ändern müssen. Denn mit jeder zusätzlichen Person, die wir eingestellt haben, sank nicht nur der Zugewinn an Produktivität pro Person, sondern sogar die Gesamtproduktivität der Firma.
Ökonomisch entspricht das einem negativen Grenzprodukt der Arbeit .…
Ja, das hat uns Sorge bereitet. Es funktionierte nicht, weil wir wie eine Pyramide organisiert waren. Es gab Abteilungen mit Leuten, die als Abteilungsleitung fungierten, und das ging hoch bis in die Geschäftsführung. Und das Hauptproblem war, dass jedes neue Produkt oder neue Feature, bevor wir es entwickeln und vermarkten konnten, erst einmal quer durch alle Abteilungen musste. Der Abstimmungsaufwand, der die ganze Hierarchie hochging, war gewaltig. Denn wir hatten viele gute Vorschläge, über die nach diesem Schema ent-
schieden werden musste. Mein Arbeitsalltag war komplett durchgetaktet. Es hat etwas gedauert, bis wir erkannt haben, dass wir selbst – als „Gatekeeper für Entscheidungen“ – ein Riesenproblem waren. Zuvor haben wir ganz viele Leute eingestellt, um uns dabei zu unterstützen, mit aus heutiger Sicht unproduktiven Hilfsarbeiten. Wir dachten, wir brauchen Manager:innen, um die Arbeit besser zu verteilen. Als ob es darum ginge, die Übergabepunkte zu optimieren. Heute brauchen wir diese Übergabepunkte gar nicht mehr.
Heute ist Dezentralität die Grundidee bei uns: 98 Prozent aller Entscheidungen treffen die Teams direkt selbst, in enger Kollaboration mit den Kund:innen, ohne dass es einer Rückversicherung mit einem „Zentrum“ bedarf.
Zu diesen Teamentscheidungen – den angesprochenen 98 Prozent – gehören sicher auch unangenehme Aufgaben wie Personalgespräche, kritisches Feedback, Entlassungen. Ist es nicht leichter für die Teambildung, diese auf eine Hierarchie zu schieben?
Das nennen wir tatsächlich die „unangenehmen Managementaufgaben“. Dadurch, dass unsere Organisation keine expliziten Manager:innen hat, fallen diese Aufgaben nicht einfach weg, sie werden nur auf viele Köpfe verteilt. Zum Beispiel ist niemand in Personalunion – wie in einer klassischen Organisation für eine Abteilung – für sämtliche Personalentscheidungen und für das Budget verantwortlich. Bei uns ist das aufgeteilt auf die Leute, die am kompetentesten sind für die jeweilige Fragestellung.
Zu den unangenehmen Managementaufgaben gehören Einstellungen, Trennungen, die Formulierung von Leistungserwartungen und auch das Agieren bei Nichterreichung. Das muss nicht zur Kündigung führen, das kommt bei uns sogar vergleichsweise selten vor. Stattdessen haben wir eine Art internen Vermittlungsmarktplatz, über den Beschäftigte ständig zwischen Teams wechseln. Wir reden und denken viel darüber nach, welche Skills und Leute für welchen Bereich und welches Projekt gerade besonders gut geeignet sind.
Bei uns fühlen sich die Teams auch als Familie, haben enge Bindungen untereinander und zu dem Produkt, an dem sie arbeiten. Sie arbeiten mit viel Hingabe zusammen und setzen sich eigene Ziele. Allerdings lässt sich eher von außen beurteilen, ob diese Freude und Hingabe auch zum Erfolg führen, beispielsweise zum Umsatz beitragen.
Interview: Bastian Wilhelms
Um zu beurteilen, ob sich im Team etwas ändern muss, stellen wir regelmäßig Fragen wie: Wo stand ein Team vor drei Monaten? Wo wird es unterstützt? Wo wird es unserer Meinung nach in drei Monaten stehen?
Unsere Teams halten zusammen und funktionieren in etwa wie ein professionelles Sportteam, beispielsweise in der Fußballbundesliga. Da überlegen sich auch Personen von außen, welche Spieler auf den Platz gestellt werden müssen, um zu gewinnen. Und dazu gehört halt auch, Leute aus dem Team herauszunehmen, die für die Phase, die vor einem liegt, vielleicht nicht so hilfreich sind.
Wie funktioniert denn bei Sipgate die Koordination zwischen den Teams?
Im Zentrum steht eine „Horizont-Organisation“: Ziele werden vorab formuliert und auch die entsprechenden Metriken, an denen ein Erfolg zu erkennen ist. Bei uns sind die sogenannten Product Leads für das Schicksal eines bestimmten Produktes verantwortlich. Sie entwickeln zusammen mit der Technik, dem Design, der Forschung die genauen Ziele und Ausprägungen, wohin sich das Produkt entwickeln soll, und geben die Rahmenbedingungen vor. Beispielsweise, dass das neue Produkt nicht mehr als 20 Euro im Monat kosten soll. Damit haben sie quasi die inhaltliche Hoheit darüber, dass die vielen Teams, die an größeren Produkten arbeiten, in Eigenverantwortung etwas erzeugen, das zusammengenommen ein stimmiges Bild ergibt und wie aus einem Guss wirkt.
Mit klaren Vorgaben innerhalb der dezentralen Organisation wollen wir vermeiden, dass sich die in ihrem eigenen Bereich forschenden Teams viele schlaue Sachen ausdenken, die weit voneinander entfernt sind. Denn am Ende sollen keine „Frankensteinprodukte“ herauskommen, die eine Riesenansammlung von Features mitbringen, von denen der Kunde aber nur einen ganz kleinen Prozentsatz nutzt.
Neben den Produktkoordinator:innen unterstützen agile Coaches die Teams bei ihrer Zusammenarbeit. Dabei geht es um die Übergabepunkte, wenn zum Beispiel mehrere Teams an der Umsetzung eines neuen größeren Features beteiligt sind und ihre Arbeit ineinandergreifen muss. Zudem haben wir ein Personalteam, das den Teams beim Einstellungsprozess hilft, Stellenanzeigen schreibt, Bewerbungen sichtet und dergleichen. Immer da, wo eine hohe Spezialisierung notwendig ist, werden die Teams von außen unterstützt.
Interview: Bastian Wilhelms
Wie viele von Euren knapp 300 Mitarbeitenden haben denn derartige übergreifenden Aufgaben?
Etwa 50 Leute beschäftigen sich bei uns mit Koordinationsaufgaben, der Rest arbeitet mehr oder weniger in der Produktion oder der Produktentwicklung. Die Grenzen sind aber fließend. Zum Beispiel gibt es Fachleute in diesen Entscheidungspositionen, die auch mit ihrem Know-how in den Teams tätig sind. Denn auch diese 50 Leute sollen nah an den Produkten und Kund:innen bleiben.
Gemäß Deiner Beschreibung sollen in einem dezentral agierenden Team die verschiedenen Aufgaben je nach Fähigkeit verteilt werden. Oft drängen sich doch Leute auf Jobs, die sie eigentlich nicht beherrschen. Wie geht Ihr denn mit den Egos und Befindlichkeiten um?
Wir haben für diese Fälle ein mehrstufiges System, das sicherstellt, dass diese Leute betreut und eingefangen werden. Bei uns läuft das unter dem Thema Feedback. Wir arbeiten in „Sprints“, bei denen das Team zu Beginn in einer Story genau festlegt, wie es die anstehenden Aufgaben in den kommenden zwei Wochen gemeinsam fertigstellen will. In dieser Teamsitzung kann es vorkommen, dass sich Leute für Aufgaben vordrängen, für die sie eigentlich nicht richtig geeignet sind. Das Team entscheidet darüber eigenverantwortlich und kann nach zwei Wochen in einer Retrospektive feststellen, dass eine Person ihre Aufgabe nicht geschafft hat. Das Team kann dann in einer Sitzung im sogenannten Retro-Raum, aus dem nichts nach außen dringen soll, entscheiden, dass die Aufgaben beim nächsten Mal sinnvoller verteilt werden. Das kann das Team selbst besser als jede Managerin und jeder Manager. Das ist für mich der Kern von Agilität. Das Team kann am besten selbst über die Aufgabenverteilung und die Nutzung externer Tools entscheiden.
Diese Abstimmungs- und Feedbackgespräche können ja auch Zeit und Nerven kosten. Wie wirkt sich denn die Agilität nach Eurer Erfahrung langfristig auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus?
In der Anfangsphase haben wir versucht, das mit Umfragen zu messen. Dummerweise kommt da immer das gleiche heraus, deshalb haben wir es drangegeben. Aber man spürt den Zusammenhalt und einen unglaublichen Enthusiasmus, den die Leute an den Tag legen. Und die Ergebnisse sprechen für sich: Vieles funktioniert besser als früher.
Allerdings haben wir unsere Organisation seit der ersten Transformation schon zweimal wieder verändert. Nach meinem Bild entwickelt sich ein Unternehmen in Phasen, teilweise abhängig vom Umsatz
und der Mitarbeiterzahl. In der BWL wird das gerne in einem Vier-Phasen-Modell dargestellt. Bei einer bestimmten Entwicklung der Mitarbeiterzahl, bei uns beispielsweise bei etwa 100 zusätzlichen Beschäftigten, kommt es immer wieder zu Bruchpunkten, in denen Änderungen notwendig sind. Im Vorfeld steigen dann wieder die Schmerzen und die Unzufriedenheit. Auch in einer agilen Organisation läuft nicht alles immer rund und schön, eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn die Sachen, die nicht funktionieren, sind sofort an der Oberfläche. Normalerweise deckt das die Hierarchie zu. Aber Manager:innen, die Kompetenz und Zuversicht ausstrahlen und damit Probleme übertünchen, gibt es bei uns nicht. Das heißt, alle wissen sehr genau Bescheid über die Probleme der Organisation. Der Vorteil ist, dass wir sie auch viel schneller lösen können.
Eure Strukturen sind noch recht überschaubar, Ihr seid nah an Euren Produkten und Kund:innen. Daher könnt Ihr schnell die Reaktionen auf Veränderungen wahrnehmen. Meinst Du, Euer dezentrales, agiles Organisationsmodell lässt sich auch auf komplexe Industrieunternehmen übertragen, die zudem viele gesetzliche Auflagen erfüllen müssen? Auch für große Industrieunternehmen sind Agilität, Dezentralität, Selbstorganisation und Bürokratieabbau wertvoll. Und wenn man die Begriffe weit fasst: Nach allem, was ich in der Managementliteratur beispielsweise über Lean Management und das Toyota-Modell gelesen habe, können auch Beschäftigte in der Produktion der großen Industrieunternehmen viel Eigenverantwortung übernehmen, was dann zu großen Produktivitätssteigerungen führt.
Die Gesetzesvorgaben und Sicherheitsanforderungen sind auch bei uns in der Telekommunikationsbranche hoch. Tatsächlich bin ich mir aber nicht sicher, ob es sinnvoll wäre, ein Atomkraftwerk agil zu bauen ….
Dezentralität ist ja kein neues Thema. Gehört sie heute nicht sogar untrennbar zur digitalen Transformation? Sollte das nicht Hand in Hand gehen?
Auf jeden Fall. Denn die digitalen Tools, die wir einsetzen, nehmen zu und werden immer spezialisierter. Mit der künstlichen Intelligenz steigert sich das noch. Bei uns sind alle Jobs schon relativ stark digitalisiert, stärker als in vielen Industriekonzernen. Veränderungen, wie jüngst die plötzliche Verfügbarkeit von künstlicher Intelligenz in praktisch allen Tools, verändern stark den Arbeitsalltag, Wir können davon sehr profitieren. Womöglich geht das bei einem Autokonzern nicht so einfach .…
2.7 Interne Bürokratie lähmt die Entscheidungsprozesse
Was die Entscheidungsfindung behindert, ist also nicht so sehr die autoritäre Steuerung an sich, sondern vielmehr der Verwaltungsaufwand. Im Mittelpunkt der dezentralen Umstrukturierung von Organisationen steht deshalb meist der Abbau der internen Bürokratie. Tatsächlich empfinden Arbeitnehmer:innen das Ausmaß entsprechender Vorschriften oftmals als belastend, wie Umfragen zeigen. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf Dokumentationspflichten, Vorschriften und Abstimmungsprozesse.36
Je mehr Zeit auf Verwaltungsaufgaben verwendet wird, umso weniger bleibt für die produktive Tätigkeit. Unsere Umfrage unter Arbeitskräften zeigt, dass eine Mehrheit der Befragten aktuell mehr als 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben aufwenden muss (siehe Abb. 11). In Deutschland gilt dies für 50 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen, in den USA für 58 Prozent und in Brasilien sogar für 65 Prozent. Folglich besteht ein großes Potenzial für effizienzsteigernde Umstrukturierungsmaßnahmen.
Abb. 11: Ländervergleich: In Deutschland wird die Belastung durch Bürokratie am Arbeitsplatz am geringsten empfunden Wieviel Arbeitszeit für reine Verwaltungsaufgaben aufgewendet werden muss, Zustimmungswerte in %
Unter 10 Prozent 10 bis unter 20 Prozent 20 bis unter 30 Prozent 30 bis unter 40 Prozent 40 bis unter 50 Prozent 50 bis unter 60 Prozent 60 bis unter 70 Prozent 70 bis unter 80 Prozent 80 bis unter 90 Prozent 90 Prozent oder mehr Weiß nicht / keine Angabe
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Insbesondere Großunternehmen bauen auf komplexe Hierarchien und interne Bürokratie
In allen drei betrachteten Ländern besteht ein starker Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Frage, ob Mitarbeitende ihr Arbeitsumfeld als hierarchisch wahrnehmen (siehe Abb. 12). Zudem empfindet eine Mehrheit der Befragten die Fülle an internen Regelwerken als weitgehend unnötig. Vor allem in Deutschland zeigt sich hierbei ein klarer Zusammenhang zur Unternehmensgröße.
Bislang scheinen Reorganisationsmaßnahmen zum Abbau von interner Bürokratie, um mehr Arbeitszeit für produktive Tätigkeiten zu lassen, nicht hinreichend wirksam zu sein. Denn aus Sicht der Arbeitskräfte nimmt der Verwaltungsaufwand eher zu, wobei auch diese Einschätzung tendenziell positiv mit der Unternehmensgröße korreliert.
Abb. 12: Wie Hierarchie und Kontrolle von der Unternehmensgröße abhängen Anteile in %
Company size by number of employees: Weniger als 50 50–499
500–4.999 5.000 und mehr
Befragte, die ihr Unternehmen als hierarchisch* charakterisieren
Deutschland
Zustimmung** zu: „Ich habe das Gefühl, der Verwaltungsaufwand hat in den vergangenen 5 Jahren zugenommen.“
Deutschland
Zustimmung** zu: „In unserem Unternehmen gibt es zu viele Vorgaben, Regeln und Leitfäden. Was darin steht, ist meistens ohnehin klar.“
Deutschland
* Hierarchiegrad 4 bis 5 ** „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Case: ten23 health
Vom Start weg unhierarchisch
Hanns-Christian Mahler hatte in seiner Karriere als Pharmamanager bisher gestört, wie Bürokratie und autoritärer Führungsstil viele Menschen und Entwicklungen lähmen. Die Lektüre von „Reinventing Organizations“ des belgischen Managementexperten Frédéric Laloux stärkte ihn in seiner Überzeugung: Bei seinem eigenen Start-up sollte es anders sein. Agiler und menschlicher als es Mahler in der Forschung von großen Konzernen wie Merck und La Roche kennengelernt hatte. Bei ten23 health, das seit September 2021 Biopharmaka fertigt, sollten von Anfang an der Mensch, der achtsame Umgang miteinander und das Team im Mittelpunkt stehen. Folgerichtig startete der habilitierte Apotheker vor drei Jahren in Basel nicht als CEO, sondern als General Circle Lead.
Sein Start-up teilt sich auf in flexible Teams, die sogenannten Circle. Auch Produktion und Entwicklung bilden jeweils auf Projektbasis spezielle „Circle“. Die Koordination und Steuerung konzentriert sich im „General Circle“, dessen Entscheidungen transparent im Intranet einsehbar sind. Genauso, wie die Aufteilung der „Circle“ den jeweiligen Aufgaben angepasst wird, sind auch die Verantwortlichkeiten der Mitarbeitenden flexibel. Die Rollen sind an Aufgaben gebunden, nicht an Menschen, und existieren gleichberechtigt nebeneinander. Eine Rolle erhält alle Entscheidungskompetenzen, um ihr Aufgabenbündel zu
erfüllen. Wenn eine Rolle nicht mehr gebraucht wird, um die Ziele und Aufgaben zu erreichen, wird sie abgeschafft. Diese rollenbasierte Organisationsform hat einen gewissen Selbstselektionseffekt, wie er aus der Anreizökonomik bekannt ist:37 Sie lockte daher Arbeitskräfte wie die Personalentwicklerin Felicia Werk an, die gerne selbstbestimmter und wirkungsvoller arbeiten – oder einfach nur die Bürokratie anderer Konzerne abschütteln – wollten. Aber auch die Mitarbeitenden, die sich mit Regeln wohler fühlen, finden im Start-up ihre Rolle (siehe Interview mit HannsChristian Mahler und Felicia Werk auf S. 24 ff.)
Als das Basler Start-up kurz nach dem Start im Oktober 2021 den Walliser Pharma-Abfüller Swissfillon übernahm und damit eine weitere Produktionsanlage mit rund 40 Arbeitskräften dazukam, stand Mahler vor großen Umstrukturierungsaufgaben: Denn in Visp wurde bisher eher traditionell und hierarchisch gearbeitet. Rigoros löste der Circle Lead die traditionellen Funktionen auf und integrierte sie in die dezentrale Organisation. Das ging nicht ohne Widerstände. Aber dieser erste Kraftakt gelang dem Start-up, auch weil Mahler als Vorbild die meisten Arbeitskräfte überzeugen und mitreißen konnte. Glaubhaft und uneitel tritt der General Circle Lead auf. Und wenn sich die Menschen in der aktuellen Organisationsstruktur nicht wohlfühlen, dann wird sie einfach umgebaut. Organisationswandel
TEN23 HEALTH IN KÜRZE:
Pharma-Auftragsfertiger, entwickelt und produziert injizierbare biopharmazeutische Arzneimittel (CDMO)
Gründung 2021
1023 ist der Multiplikator der AvogadroKonstanten zur Berechnung der Teilchen in einem Mol, die Pharmazeut:innen im Grundstudium lernen.
Rund 200 Mitarbeitende
CAROLA ALDAG,
Leiterin Personalentwicklung und Transformation bei DB Cargo. Zuvor verantwortete sie bei der Hamburger Hafen und Logistik AG die Neuausrichtung und den Ausbau der Personalentwicklung.
„Alle großen Organisationen fahren sich mit der Zeit fest – und das ist auch normal“
Der Organisationswandel ist in traditionellen Unternehmen nach Ansicht der Transformationsleiterin eine Herkulesaufgabe. Eingefahrene Strukturen zielen mit der Zeit darauf ab, sich selbst zu erhalten. Oft geraten dabei die übergeordneten Zusammenhänge, die Kundenwünsche und die Unternehmensziele aus dem Blick.
DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta hat angekündigt, dass die verlustbringende Güterverkehrsparte der Deutschen Bahn künftig mit kleinen, agileren und selbstorganisierten Teams arbeitet. Wie kann eine solche Umstellung in einem Staatskonzern gelingen?
Diese Zielrichtung entspricht den notwendigen Veränderungen. Die Deutsche Bahn ist als Unternehmen stark durch politische Entscheidungen geprägt, das ist in Teilen eine andere Logik als die eines reinen Wirtschaftsunternehmens. Sie muss sich an der Politik, an Aufgaben der Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeitszielen und an öffentlichen Finanzierungsentscheidungen ausrichten. Darüber hinaus spielt die Vermeidung von Risiken im Betrieb eine sehr große Rolle. All dies beeinflusst, wie Entscheidungen getroffen werden können und getroffen werden. Und wie in vielen großen Unternehmen haben sich Organisationsstrukturen entwickelt, die die Größe und Komplexität der Arbeitsteilung abbilden – aber eben auch viele Ressourcen binden.
Was bedeutet das konkret?
Bei der Bahn arbeiten sehr viele Menschen, auch fernab der operativen Bereiche, und beschäftigen sich mit internen Prozessen, mit der Koordination und Abstimmung der vielen Aktivitäten. Das ist ab einer gewissen Größe eines Unternehmens vollkommen normal und erforderlich – aber eben häufig mit Nebenwirkungen verbunden, nicht immer effizient und nicht zwingend an den Bedürfnissen der Kund:innen ausgerichtet. Diese Strukturen tendieren ganz natürlich dazu, sich irgendwann von selbst zu erhalten. Sie verändern zu wollen, stößt auf viele Widerstände – und diese sind aus der Perspektive der einzelnen Einheiten total rational.
Eine Organisation wie die DB Cargo mit insgesamt rund 35.000 Mitarbeitenden hat schon viele Veränderungsvorhaben erlebt. Die Beschäftigten davon zu überzeugen, dass es diesmal nicht um kleine Anpassungen geht, sondern um eine grundsätzlich andere Arbeitsweise und Ausrichtung, ist eine Herkulesaufgabe. Verständlicherweise glaubt niemand einfach daran, weil es irgendwo auf einem PowerPoint-Chart oder in einer Zeitung steht. Es hilft nur, wirklich die ersten Schritte erlebbar zu machen. Und realistisch zu sein. Egal, welche Zuständigkeit man in einem solchen Prozess hat, man ist immer weit davon entfernt, es lehrbuch-
mäßig umsetzen zu können. Es gilt auch, Abstriche zu machen und Umwege in Kauf zu nehmen, alles andere ist utopisch.
Das klingt wie der Kampf gegen eine Bürokratie, die sich selbst erhält .…
Das ist vordergründig zunächst einmal Bürokratie, aber schlichtweg auch Prozesskomplexität: Viele Mitarbeitende sind in unzählige Prozessschritte eingebunden. Und alle Prozessschritte haben oder hatten für sich einen Sinn. In der Gesamtschau muss man sich nur irgendwann fragen, ob es nicht auch einfacher geht. Aber sowohl für Menschen als auch für Organisationen ist Verlernen viel schwerer als Neulernen. Das hat nichts mit Verweigerung zu tun, sondern damit, dass diese Dinge arbeitsteilig entstehen und verantwortet werden. Und am Ende sind die Einzelteile dann nicht mehr zu einem Bild zusammenzufügen. Jede und jeder möchte den eigenen Entscheidungsbereich bestmöglich absichern, logischerweise. Bloß: Wer kann dann noch neutral die Frage beantworten, ob es für das Gesamte auch das Beste ist?
Und darüber hinaus dient Prozesshoheit auch immer dem eigenen Machterhalt. Einheiten entwickeln ein Eigenleben. Das zu verhindern, gelingt kaum einem großen Unternehmen – oder ich kenne es nicht. Damit muss man klug umgehen, und zwar unter allen Widrigkeiten des realen Geschäftsbetriebs.
Also sind nicht nur öffentliche Unternehmen so festgefahren?
Nein, das gilt für alle größeren Unternehmen, die arbeitsteilige Strukturen entwickelt haben. Ab einer gewissen Größe, zumeist so ab 1.000 Beschäftigten, beobachtet man mit der Zeit ähnliche Fragmentierungseffekte: alles wird umständlicher. Die Organisationsstrukturen folgen einer Logik, die darauf abzielt, sich selbst stabil zu halten und ihre Existenz zu rechtfertigen. Viele Abteilungen, die einmal geschaffen wurden, um ein bestimmtes Unternehmensziel voranzubringen, tun alles, um sich zu festigen, selbst wenn der Zweck verlorengegangen ist. Wenn etwas einmal funktioniert, läuft es weiter – egal wie sinnvoll es mit Blick auf den Unternehmenszweck noch erscheint. Oder der Unternehmenszweck hat sich im Laufe der Zeit verändert – aber Routinen, festgelegte Prozesse und Strukturen werden nicht immer wieder neu darauf ausgerichtet. Und das ist auch nur zu verständlich, denn das kostet jedes Mal unwahrscheinlich viel Kraft und Ressourcen und stellt Stabilität in Frage. Gerade große Organisationen brauchen ja Stabilität, um zu funktionieren.
Interview: Carola Aldag
Man kann nicht jeden Tag die Frage stellen, warum man das alles macht. Oder warum man es genauso macht. Deshalb sind Start-ups am Anfang schnell, weil die Strukturen es zulassen. Aber irgendwann, wenn es effizienter ist, Standardprozesse zu haben, büßen auch sie dieses Momentum ein. Das ist keine Frage von Richtig und Falsch, es ist eher ein Kontinuum. Nur wenn der Regler auf „extrem stabil“ steht, dann ist er schwer verschiebbar.
Da hilft dann nur, dass das Unternehmen immer wieder ehrlich und konsequent gegen diese Mechanismen angeht. Wenn eine Transformation ernst genommen wird, dann müssen sich alle immer wieder die Frage stellen, ob sie aktuell noch das Richtige machen und wie die jeweiligen Prozesse zu verbessern sind. Das ist unbequem, mühsam und auch konfliktträchtig.
Wer kann denn das festgefahrene Organisationssystem der Bahn erneuern, wer hat die Hebel in der Hand, wirklich etwas zu verändern?
Das kann niemand allein. Denn alle, die Einfluss nehmen können, haben Hebel in der Hand – aber unterschiedliche. Eine solche Transformation ist niemals allein durch einen Vorstand oder externe Berater:innen zu schaffen. Insbesondere die Beschäftigten und ihre Arbeitnehmervertreter:innen spielen eine große Rolle. Sie haben die Macht, vieles zu verhindern oder zu verlangsamen, aber auch sich einzubringen und voranzugehen. Denn am Ende entscheiden sich Veränderungen dort, wo Dinge praktisch getan werden. Entweder gleich oder nicht – oder eben anders. Und das vollzieht sich nicht vorrangig in den Chefetagen. Sondern, wie zum Beispiel bei der Bahn, „im Schotter“ oder in der Disposition von Zügen oder Personal – oder im Hafen an der Kaikante. Diese Menschen müssen wir mit Transformationen erreichen, hören und bewegen. Und bei der Bahn kommen natürlich zudem auch politische Einflüsse hinzu.
Werden sich die Disruptionen, die durch neue Digitaltechnologien wie KI ausgelöst werden, auch auf die Organisationen auswirken und dort für Bewegung und Veränderung sorgen?
Letztlich werden die Technik und der Arbeitskräftemangel dafür sorgen, dass die Unternehmen schlanker werden können und müssen. Dadurch verschieben sich Organisationsgefüge zwangsläufig in vielfacher Hinsicht. Wie schnell das gehen wird, hängt sicher nicht nur davon ab, ob das alle immer wollen, sondern auch, ob und welche Alternativen es gibt. Es ist wie immer Chance und Risiko.
Organisationswandel zur Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität
und der Mitarbeitermotivation
3.1
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel verschieben die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt
Neben technologischen Faktoren sind insbesondere die Präferenzen der Arbeitskräfte eine wichtige Triebfeder für den Organisationswandel hin zu dezentraleren Entscheidungsstrukturen.38
In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel ist der Wettbewerb um gute Mitarbeitende intensiver geworden. Prognosen zufolge wird sich das Verhältnis von jungen und älteren Menschen in vielen Ländern weiter verschieben. Dies gilt in besonderem Maße für Deutschland, wo die Gruppe der Menschen im erwerbsfähigen Alter in den kommenden Jahren deutlich kleiner wird (siehe Abb. 13).
Oft wird bereits davon gesprochen, dass sich heute nicht mehr junge Talente bei den Unternehmen bewerben, sondern die Unternehmen bei den Talenten. Die Frage, wie sich ein Unternehmen im Hinblick auf seine Kultur und Struktur organisieren sollte, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist stärker in den Fokus gerückt. Beides sollte im besten Fall förderlich auf die Motivation der Mitarbeitenden wirken. Denn Arbeitgeber mit motivierter Belegschaft wirken in der Regel auch anziehend auf den gut ausgebildeten Nachwuchs.
Abb. 13: Demografie: Mehr ältere, weniger jüngere Menschen Bevölkerung in Mio., nach Altersgruppen
bis 64 Jahre 65 Jahre und älter
3.2
Worauf es Beschäftigten bei der Arbeitsplatzwahl ankommt
Was zur Arbeitsplatzattraktivität beiträgt, ist nicht nur das Geld. Zu den Wünschen vieler Arbeitskräfte gehören Flexibilität von Arbeitszeiten und Arbeitsorten ebenso wie die Vereinbarkeit von familiärem und beruflichem Leben, nach Weiterbildung und nach der Sinnhaftigkeit von Tätigkeiten. Darauf müssen Unternehmen Rücksicht nehmen, wenn sie Fachkräfte anwerben wollen.
Auch unsere internationale Umfrage zeigt, dass ein hoher Anteil der Befragten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als besonders wichtig erachtet bei der Arbeitsplatzplatzwahl (siehe Abb. 14). In Deutschland wird sie sogar am häufigsten als einer von drei wichtigen Faktoren ausgewählt, in den USA am zweithäufigsten und in Brasilien am dritthäufigsten.
Anders verhält es sich mit dem Wunsch nach einer hohen Entlohnung. Dieser wird in Brasilien von einem Drittel der Befragten – und damit am häufigsten von allen – als Präferenz ausgewählt. In Deutschland sind es ebenfalls mehr als 30 Prozent, was den zweithöchsten Wert aller Nennungen darstellt. In den USA dagegen wird eine hohe Entlohnung gerade einmal von 14 Prozent der Befragten als wichtiger Faktor genannt.
Unterschiede zwischen den Ländern ergeben sich auch bei dem Wunsch nach Eigenständigkeit im Vergleich zum Wunsch nach klarer Führung. Während in Deutschland 25 Prozent der Befragten ein hohes Maß an Eigenverantwortung als wünschenswert auswählen, nennen nur 15 Prozent klare Zuständigkeiten und klar definierte Anforderungen als einen der drei wichtigsten Faktoren. In den USA dagegen wird beides von 21 Prozent ausgewählt. Somit gibt es in den USA – im Vergleich zu Deutschland – mehr Beschäftigte, die gerne geführt werden, während es gleichzeitig weniger gibt, die selbst über ihre Tätigkeiten entscheiden wollen.
Abb. 14: Worauf Arbeitskräfte bei der Arbeitsplatzwahl Wert legen
Top-5-Nennungen* der Arbeitsplatzpräferenzen je Land, Zustimmungswerte in %
Deutschland
Vereinbarkeit von Familie und Beruf / Work-Life-Balance
Hohe Entlohnung
Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel einzuteilen
Hoher Grad an Eigenverantwortung bei der Ausführung meiner Tätigkeiten
Möglichkeit, meine Fähigkeiten einzubringen
USA
Möglichkeit, meine Fähigkeiten einzubringen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf / Work-Life-Balance
Klare Zuständigkeiten und Beschreibungen, was von mir erwartet wird
Möglichkeit zu Homeoffice / ortsunabhängiger Arbeit („Remote Work“)
Hoher Grad an Eigenverantwortung bei der Ausführung meiner Tätigkeiten
Brasilien
Hohe Entlohnung
Möglichkeit, meine Fähigkeiten einzubringen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf / Work-Life-Balance
Möglichkeit, in einem inspirierenden Team zu arbeiten, das Wert auf Zusammenarbeit legt
Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens
* Es konnten bis zu drei Antworten genannt werden
Quelle: Handelsblatt Research
Interview: Mirja Bastian
MIRJA BASTIAN,
Beraterin für Organisationsentwicklung bei TheDive (Co-Diverin) und like a zebra
„Selbstorganisation ist kein Selbstzweck“
Der Abbau von Hierarchien hilft Unternehmen, agiler und innovativer zu werden. Dieser Prozess kann aber nach Erfahrung der Unternehmensberaterin nicht allein von oben verordnet werden, sondern muss durch die Teams mitgetragen und vorangetrieben werden. Ziel ist mehr Autonomie innerhalb von kanalisierenden Organisationsstrukturen. Zu diesem Zweck sollte die Unternehmensführung vor allem Strategien und Zielvorstellungen vorgeben.
Was treibt Unternehmen dazu an, ihre Organisationsstrukturen zu transformieren und auf mehr Selbstorganisation zu setzen?
Selbstorganisation ist kein Selbstzweck, sondern sie hat ein Ziel: Die Unternehmen wollen und können damit agiler werden. Agilität ist eine wichtige Voraussetzung, um Unsicherheit und Komplexität zu bewältigen. Das hat gute Erfolgsaussichten auf der Ebene einzelner Teams.
Welche sind das konkret?
Selbstorganisation funktioniert sehr gut dort, wo es notwendig ist, kreativ, innovativ und anpassungsfähig zu sein. Oftmals sind dies die kundenorientierten Betriebseinheiten, die sich mit Produktentwicklung beschäftigen. Das gilt jedoch nicht für sicherheitsorientierte Betriebseinheiten, wo Risikominimierung und Standardisierung eine wichtige Rolle spielen. Da braucht es viel mehr Hierarchie und Führung.
Die vollständige Selbstorganisation an sich bleibt immer eine Art von Utopie, ein Idealbild, das sich nicht in allen Bereichen gleichermaßen umsetzen lässt. Wenn eine Führung über die Köpfe hinweg von oben entscheidet, Selbstorganisation einzuführen, ist das meist zum Scheitern verurteilt. Wenn es aber eine differenzierte Auseinandersetzung dazu gibt, in welchen Bereichen Selbstorganisation wirksam sein kann, um die Anpassungsfähigkeit zu stärken, dann ist die Selbstorganisation ein sehr gutes Mittel. Es erleichtert allen Teams die Arbeit, wenn sie die Prinzipien der Selbstorganisation kennenlernen und anwenden.
Organisationssoziolog:innen sagen aber, dass eine Transformation hin zu agilen Strukturen nur gelingt, wenn eine starke Führung sie auch durchsetzen kann. Und der chinesische Hausgerätehersteller Haier, der immer wieder als Erfolgsbeispiel eines dezentral organisierten Industrieunternehmens zitiert wird, hat auch eine sehr starke Führung, die sogar in der Kommunistischen Partei verankert ist .…
Ich würde jeder Unternehmensleitung davon abraten, die neue dezentrale Struktur von oben zu verordnen. Die Führung sollte ihre Vision kommunizieren, genau beschreiben, wohin sie mit der Organisation steuern will. Dann aber sollte sie den Teams die Verantwortung übertragen, ihre Regeln und Strukturen selbst zu entwickeln.
Bei einem großen Unternehmen habe ich beispielsweise erlebt, wie die Planung von oben gescheitert ist. Die Leitung hatte dort beschlossen, alles selbstorganisiert umzustrukturieren. Sie haben die Belegschaft nicht einbezogen, in welcher Art und Weise die einzelnen Bereiche selbstorganisiert arbeiten. Das ist auf massiven Widerstand der Mitarbeitenden gestoßen, die auf die Bremse traten. Sie warfen der Führung vor allem vor, dass sie sie nicht in die Gestaltung der Selbstorganisation einbeziehen. Das hat aus Mitarbeitersicht schon gegen das Prinzip der Selbstorganisation verstoßen.
Aber ist es nicht für alle Mitarbeitenden erst einmal positiv, wenn sie von Bürokratien und Hierarchien befreit werden?
Manche Menschen brauchen mehr Strukturen, Prozesse und Anleitung von oben. Es kann nicht darum gehen, von heute auf morgen Führungskräfte abzuschaffen und die Gesamtorganisation selbst laufen zu lassen. Das wäre eine Selbstüberlassung.
Besser funktioniert ein teambasierter Ansatz, der Team für Team dahin bringt, für sich ein passendes Betriebsmodell zu entwickeln. Das kann hierarchisch sein, es kann auch innerhalb des Teams Führungsrollen geben. Das Team kann aber auch entscheiden, nur Funktionen einzurichten, keine spezifischen Rollen, wie typischerweise in der Selbstorganisation.
Interview: Mirja Bastian
Wenn sich die Teams selbst eine Entscheidungsstruktur geben, dann sind einige Teams hierarchisch strukturiert, andere selbstorganisiert. Wie gelingt dann zwischen ihnen die Koordination und die Kommunikation?
Die verschiedenen Betriebsmodelle dürfen eigentlich die Kommunikation zwischen den Abteilungen nicht stören.
Um zu erkennen, welche Unternehmenskultur in den Abteilungen herrscht, beschreiben wir in Anlehnung an den Organisationstheoretiker Frédéric Laloux die verschiedenen Kulturdimensionen mit bestimmten Farben, um eine gemeinsame Sprache zur Teamkultur zu etablieren und kulturelle Muster besprechbar zu machen. Wir bezeichnen im Unternehmen beispielsweise diejenigen Kulturen als rot, die sehr machtorientiert und durchsetzungsstark agieren. Auf der anderen Seite des Spektrums liegt „teal“, die blaugrüne Organisation, die agil, nutzerorientiert und wirksamkeitsorientiert arbeitet. Dazwischen liegen noch andere Strukturen wie die orangene, die für Leistungsorientierung steht, und grün für Wertorientierung.
In jeder Organisation fragen wir zunächst die Mitarbeitenden, wie sie ihre Kultur einordnen. Und da ergibt sich regelmäßig ein sehr heterogenes Bild. Einige Unternehmen streben zwar an, grün oder „teal“ zu sein. Aber in ihrer Organisation gibt es immer Bereiche, die durch andere Verhaltensmuster bestimmt werden. Und das ist auch richtig. Beispielsweise funktioniert rot gut bei Krisen wie der Coronapandemie. Da ist ein Operationsmodell gefragt, in dem jemand vorgibt, was schnell gemacht werden soll.
Was ist das Besondere an Eurem Loop-Ansatz?
Er ist ein Methodenbaukasten, der Teams in die Lage versetzt, sich selbst von innen heraus zu transformieren. Das ist der Gedanke der Selbstorganisation. Die Methoden basieren auf verschiedenen Schulen. Das rollenbasierte Arbeiten, bei dem die Rollen auch wechseln können, stammt beispielsweise aus der Holokratie. Aus den Spiral Dynamics kommt die Sicht auf die kulturellen Veränderungen, die Evolution der Organisation. Im Mittelpunkt steht für jeden immer wieder die Frage: Was brauchst Du, um wirksamer zu sein?
Mit dem Loop-Ansatz entwickeln die Teams ihr klares Regelwerk und klare Strukturen, innerhalb derer das Team dann autonom arbeiten kann.
Interview: Mirja Bastian
Bei Konflikten setzen die Unternehmen zumeist Coaches ein, die eine Weiterbildung in gewaltfreier Kommunikation haben. Sie versuchen, auf einer menschlichen Ebene der Kommunikation herauszubekommen, wie die Bedürfnisse der einzelnen Teammitglieder aussehen und können auf diese Weise Blockaden und Konflikte lösen.
Das klingt nach großem Aufwand, vielen Schulungen, und am Ende entsteht dann doch keine einheitliche Struktur .…
Die Selbstorganisation gibt gewisse Leitplanken, die Teams in der Entwicklung Orientierung und Struktur geben. Dazu zählen spezielle Meetingformate für Abstimmung und Entscheidungsfindung, die von Teammitgliedern moderiert werden. Schritt für Schritt entwickeln die Teams eine gemeinsame Sprache und die etablieren neue selbstorganisierte Kulturmuster, die über die Abteilung hinauswirken. Ohne diese Leitplanken wäre der Weg in die Selbstorganisation ein ziemliches Chaos. Mit dem Loop Approach lernen die Teams niedrigschwellige Formate kennen.
Die Schulungen dafür sind nicht zu aufwendig. Mit der Loop Fellow-Ausbildung bilden wir interne Coaches aus, Teamprozesse in die Selbstorganisation zu begleiten. Denn ein Prinzip der Agilität ist, dass Teams häufig selbst Coaching-Rollen übernehmen. Und diese Coaches begleiten die Teams bei ihren Alltagsfragen. Die Coaches wirken als Multiplikatoren in der Organisation, vermitteln die Prinzipien der Selbstorganisation. Daher muss nicht jede:r Mitarbeiter:in intensiv geschult werden.
Vor allem muss sich das Mindset ändern. Und dazu reichen schon einzelne Fragen. Wenn wir beispielsweise zunächst mit dem Leitungsteam reden, das sich gerade neu bildet und die Organisationsstruktur transformieren will, stellen wir immer die Schlüsselfrage für die Selbstorganisation: Was brauchst du? Die Beschäftigung damit versetzt jeden in die Lage, seine Bedürfnisse zu erkennen und einen Veränderungsvorschlag zu machen. Das hilft bei der Strategiebildung, bei Spannungen, Konflikten und in jedem Projekt.
Wie gehen Unternehmen bei der dezentralen Transformation damit um, wenn Arbeitskräfte mit der Vorstellung von selbstorganisiertem Arbeiten fremdeln?
Nicht alle Mitarbeitende, für die ein hierarchisches Modell funktioniert, kommen mit der Selbstorganisation klar. Dafür brauchen die Menschen einen guten Selbstkontakt und eine psychologische Sicherheit. Wir erleben häufig in Teams, mit denen wir diese Arbeit anfangen, dass Mitarbeitende gehemmt sind, Verantwortung zu übernehmen –sogar Verantwortung für ihre eigenen Bedürfnisse. Viele kommen gar nicht auf die Idee, zu sagen: Ich brauche da etwas. Möglicherweise sind sie zu oft abgebügelt worden und ihnen wurde vermittelt, dass es nicht um ihre Bedürfnisse geht, sondern nur um die Interessen der Investoren oder die Ziele des Konzerns. Daher müssen sie diese Kultur der psychologischen Sicherheit erst lernen, zu der auch eine Fehlerkultur gehört. Denn in der Selbstorganisation dürfen Fehler gemacht werden und es herrscht ein lösungsorientierter und wohlwollender Umgang, auch mit Konflikten.
3.3
Wovon die Arbeitsplatzzufriedenheit abhängt
Holistische Organisationen schneiden besser ab Um qualifizierte Arbeitskräfte im Unternehmen zu halten, ist es entscheidend, dass sie mit ihrem Arbeitsumfeld zufrieden sind. Die Befragung von Erwerbstätigen ab 18 Jahren in Deutschland, den USA und Brasilien zeigt, dass das Organisationsmodell einen Einfluss auf die Arbeitsplatzzufriedenheit hat. So sind Beschäftigte in Organisationen, die Merkmale des holistischen Typs aufweisen, im Vergleich zu Arbeitskräften in tayloristischen Unternehmen tendenziell häufiger zufrieden und seltener unzufrieden mit ihrer Tätigkeit (siehe Abb. 15) Diese beiden Organisationstypen wurden oben im Rahmen von Abbildung 4 (siehe S. 14) anhand der beiden Dimensionen Hierarchiegrad und Autoritätsgrad charakterisiert.
Abb. 15: Die Arbeitsplatzzufriedenheit ist höher in holistischen Organisationen Anteil der Arbeitskräfte in den entsprechenden Organisationsformen*, in %
Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu Weiß nicht / k.A. Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu
„Insgesamt bin ich zufrieden mit meinem Job.“
Holistisch
* Holistisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 1 bis 2; tayloristisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 4 bis 5
Arbeitskräfte schätzen es, wenn sie wie interne Unternehmer behandelt werden Um Innovationen zu fördern, sollen Arbeitskräfte im Rahmen der dezentralen Transformation zu internen Unternehmern („Intrapreneurs“) werden.39 In holistischen Organisationen beteiligen sie sich aktiv an der Lösung von Problemen, können ihre Kreativität einbringen und sollen durch einen stärkeren Kundenkontakt vor allem auch zu ständigen Produktverbesserungen beitragen.
Abb. 16: Mitarbeitende sind zufriedener, wenn ihre Eigeninitiative und Kreativität gefragt sind
Anteil der Beschäftigten, in %
Zufrieden** mit dem Job
Keine Antwort
Nicht zufrieden*** mit dem Job
„Eigeninitiative, proaktives Verhalten und neue Ideen sind erwünscht und werden auch honoriert.“
Arbeitsplatzzufriedenheit* derjenigen, die ...
…. der Aussage zustimmen**
…. die Aussage ablehnen***
…. der Aussage zustimmen**
…. die Aussage ablehnen***
.… der Aussage zustimmen**
.… die Aussage ablehnen***
* Reaktion auf die Aussage: „Insgesamt bin ich zufrieden mit meinem Job.“
** „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
*** „Stimme eher nicht zu“ oder „stimme überhaupt nicht zu“
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Die Befragung zeigt, dass Arbeitskräfte dies zu schätzen wissen: In Unternehmen, in denen die Belegschaft zu Eigeninitiative und proaktivem Verhalten aufgerufen wird, gibt es demnach deutlich mehr Mitarbeite:rinnen, die mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind (siehe Abb. 16)
Für dieses Ergebnis wurden die Teilnehmer:innen der Befragung nicht direkt gefragt, welche Arbeitsplatzmerkmale sie sich wünschen. Vielmehr wurden sie zunächst mit Aussagen zu ihrem Arbeitsumfeld konfrontiert, denen sie zustimmen oder die sie ablehnen konnten. Im nächsten Schritt wurde im Rahmen einer Kreuzauswertung ermittelt, wie Arbeitskräfte die Frage nach ihrer allgemeinen Jobzufriedenheit beantworten, wenn sie bestimmte Merkmale in ihrem Arbeitsumfeld vorfinden – beziehungsweise wenn diese für sie nicht gelten.
Die Auswertung zeigt, dass sich diejenigen Befragten besonders häufig mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden zeigen, die autonom arbeiten können; die ein Gefühl der Selbstwirksamkeit empfinden und in deren Unternehmen eine Kultur der Kommunikation auf Augenhöhe gelebt wird, wo Neuerungen willkommen sind. Der Anteil derer, die grundsätzlich mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden sind, ist in diesen Gruppen oft um 20 und mehr Prozentpunkte größer (siehe Abb. 17). Dies gilt für alle betrachteten Länder, sodass keine grundlegenden kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland, den USA oder Brasilien festzustellen sind.
Diese Ergebnisse liefern Belege dafür, dass holistische Strukturen und Unternehmenskulturen nicht nur die Innovationsfähigkeit und Agilität von Unternehmen erhöhen, sondern auch die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeitenden fördern können. Vor allem für Unternehmen, die auf eine engagierte, kreative Belegschaft angewiesen sind, kann ein entsprechender Organisationswandel also eine vielversprechende Strategie sein, um qualifizierte Fachkräfte anzuwerben und zu halten: Auf weniger Hierarchien und Kontrolle setzen und stattdessen die Eigenständigkeit und Selbstverantwortung stärken, indem Entscheidungskompetenzen von der Ebene der Führungskräfte in die Teams verlagert werden.
Abb. 17: Faktoren, die die Jobzufriedenheit erhöhen
Anteil derer, die mit ihrem Job zufrieden sind* (in Abhängigkeit von der Zustimmung oder Ablehnung der getroffenen Aussage), in %
Zustimmung** Ablehnung***
Selbstwirksamkeit und Identifikation
„Ich habe das Gefühl, dass meine Meinung zählt.“
„Ich identifiziere mich mit den Zwecken meines Unternehmens / meiner Organisation.“
Deutschland
Autonomie und Verantwortung
„Ich trage die Verantwortung für meine Arbeit und bekomme unmittelbar Feedback über Erfolg oder Misserfolg.“
Deutschland
„Ich kann selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge ich meine Aufgaben erledige.“
Deutschland
Innovationsoffenheit und Kundenorientierung
„Neuerungen werden wertgeschätzt, selbst wenn sie fehlschlagen.“
„Wir werden dazu ermuntert, den Kontakt zu Kund:innen zu suchen, um möglichst nah an deren Bedürfnisse heranzukommen.“
Deutschland
* Diejenigen, die mit „stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“ auf folgende Aussage reagieren: „Insgesamt bin ich zufrieden mit meinem Job.“
** „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
*** „Stimme eher nicht zu“ oder „stimme überhaupt nicht zu“
Quelle: Handelsblatt Research Institute
3.4 Mitarbeitermotivation wird zum Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg
In der wissensbasierten Arbeitswelt spielt die Motivation der Mitarbeitenden eine große Rolle. Inwiefern Arbeitnehmende zum Unternehmenserfolg beitragen, ist nicht nur davon abhängig, ob sie klar definierte Tätigkeiten ausführen, sondern vor allem davon, wie sie ihre Arbeitsaufgaben ausfüllen. Das gilt umso mehr in einem holistischen Arbeitsumfeld, das auf Multitasking, Eigeninitiative und Selbstverantwortung setzt.
Traditionelle Organisationen bauen dabei vorwiegend auf extrinsische Anreize. Dazu gehören die Leistungsbeurteilung durch Führungskräfte, eine erfolgsabhängige Entlohnung sowie Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Unternehmenshierarchie.40 Für Unternehmen, die in einem dynamischen Wettbewerb stehen, rückt auch die Kreativität in den Fokus. Denn sie sind auf den Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeitenden angewiesen, um neue Produkte und Prozesse zu erschaffen. Dies setzt ein hohes Maß an intrinsischer Motivation voraus.
Die zentrale Frage ist somit, welche Faktoren positiv auf die Motivation der Mitarbeitenden wirken. Aus der Verhaltensökonomie ist bekannt, dass es darauf ankommt, das Gefühl des „Belohntwerdens“ zu erzeugen.41 Untersuchungen zeigen, dass dafür eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anreize in Betracht kommen, die allesamt positive Impulse im Hirn erzeugen können. Monetäre Anreize wie Bonuszahlungen zählen dazu genauso wie Gefühle des Dazugehörens oder der Sinnhaftigkeit.
Monetäre Anreize und Aufstiegsversprechen reichen nicht mehr aus Als Reaktion auf die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie sind auch in der Managementliteratur in den vergangenen Jahren vor allem Anreizstrukturen in den Vordergrund gerückt, die auf die Förderung der intrinsischen Motivation abzielen.42 Dazu gehören beispielsweise freundschaftliche Bindungen zu Kolleg:innen, das Gefühl, geschätzt zu werden und etwas zum Unternehmenszweck beizutragen, die Möglichkeit des kreativen Arbeitens sowie die gesellschaftliche Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns.43
In der Verhaltensforschung konnte gezeigt werden, dass diese Faktoren ebenso als Belohnung empfunden werden – und dass sie eine anhaltendere Wirkung haben als die Belohnung durch traditionelle monetäre Anreize. Umgekehrt wurden Hinweise dafür gefunden, wie schädlich es ist, wenn die entsprechenden Empfindungen fehlen. Demnach kann es Arbeitskräfte lähmen und frustrieren, wenn der Sinn der eigenen Arbeit angezweifelt wird oder sich bei ihnen ein Gefühl der Austauschbarkeit einstellt.44 Geld ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend.
Dass es neben extrinsischen Anreizen eine Fülle weiterer Faktoren gibt, die mindestens ebenso motivationsfördernd wirken, belegt auch die Erwerbstätigenbefragung, die für diese Studie durchgeführt wurde: Eigenleistung, Wertschätzung, Kollegialität und Sinnhaftigkeit stärken laut Angabe der Befragten ihre Leistungsmotivation (siehe Abb. 18).
Zwar sind Unterschiede zwischen den betrachteten Ländern durchaus zu erkennen. So wird die Wertschätzung durch Vorgesetzte in Deutschland am häufigsten genannt, während es in den USA und Brasilien eher das Gefühl ist, einen guten Job zu machen. Ansonsten ähneln sich die Ergebnisse aber.
Abb. 18: Motivation am Arbeitsplatz: Geld ist nicht der wichtigste Faktor Anteil der Nennungen*, in %
Deutschland USA Brasilien
Was motiviert Sie zu hohen Leistungen an Ihrem Arbeitsplatz?
„Wenn ich dadurch das Gefühl habe, einen guten Job zu machen.“
„Wenn ich dafür eine finanzielle Belohnung bekomme.“
„Wenn meine Vorgesetzten meine Arbeit wertschätzen und dies auch sagen.“
„Wenn ein guter Teamgeist vorherrscht.“
„Wenn wir die Kundenwünsche möglichst gut erfüllen.“
„Wenn ich Aufstiegschancen habe.“
„Wenn meine Arbeit gesellschaftliche Ziele voranbringt, die mir wichtig sind.“ 13
„Wenn ich für die Produkte/Dienstleistungen, die wir entwickeln und verkaufen, verantwortlich bin.“ 10 17 6
* Es konnten bis zu drei Antworten ausgewählt werden
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Case: Upstalsboom
Wie bei vielen Erfolgsbeispielen für dezentrale Organisationsstrukturen steht bei Upstalsboom am Beginn der Transformation eine starke Führungspersönlichkeit und eine Unternehmenskrise: Bodo Janssen, CEO in zweiter Generation, übernahm die norddeutsche Hotel- und Ferienanlagenkette unerwartet früh von seinem Vater, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Er achtete zunächst vor allem auf die Zahlen – bis ihn ein vernichtendes Zeugnis in einer Mitarbeiterbefragung im Jahr 2010 darauf stieß, dass vor allem die menschliche Seite der Organisation zählt. Gerade in einer Branche mit direktem Kundenkontakt.
Janssen zog seine Lehre aus der harschen Kritik an seiner „abgehobenen Chefmanier“ und ging ins Benediktinerkloster, lernte dort Pater Anselm Grün kennen und entwickelte einen neuen Führungs- und Organisationsstil. Achtsamkeit und Sinnhaftigkeit der Arbeit sind seitdem Schlüsselworte, um die Mitarbeitenden und damit das Unternehmen leistungsfähiger und kreativer zu machen. Mit Unterstützung des Managementberaters Oliver Haas („Corporate Happiness“) implementierte Janssen eine Unternehmenskultur, die sich am Glück aller orientiert. Sogenannte Happiness-Beauftragte unterstützen die Mitarbeitenden, die Führungskräfte verstehen sich als Dienstleister. Und auch diejenigen Arbeitskräfte, die sich nicht für den „Wertebaum“ des Unternehmens mit seinen 12 Werten und 32 Sinnthesen sowie die angebotenen Achtsamkeits- und Klosteraufenthalte interessieren, werden im Unternehmen respektiert.
Sinnhaftigkeit wird von Mitarbeitenden und Gästen honoriert
Das Ergebnis: Die Mitarbeitenden sind weniger krank als zuvor und zufriedener als in der Branche üblich (Kununu-Bewertung: 4,2 statt 3,4 Punkte). Die Kette ist inzwischen auf 70 Hotels und Ferienanlagen angewachsen. Janssen hat über den „Upstalsboom-Weg“ Bücher geschrieben, teilweise zusammen mit seinem Mentor Anselm Grün. Auch der Dokumentarfilm „Die stille Revolution“ thematisiert die Entwicklung der Hotelkette. Das Familienunternehmen hat Janssen inzwischen in eine Stiftung überführt, in der die Mitarbeitenden über wohltätige Zwecke entscheiden.
Sinnhaftes Arbeiten aus Sicht eines Organisationsberaters: Maik Puk, Co-Founder der Beratung 99rabbits arbeitete selbst einige Tage in einem Upstalsboom-Hotel und sammelte dort Eindrücke aus erster Hand. Dabei gefiel ihm beispielsweise eine Idee, die nicht von der Geschäftsführung ausging, sondern von den Mitarbeitenden an der Basis: Um Personal zu sparen, darf jeder Gast selbst entscheiden, ob das Zimmer gereinigt wird. Die Hotelbeschäftigten wollen damit einen Beitrag für die Umwelt leisten und zugleich die eingesparte Zeit für Serviceleistungen nutzen, die sie lieber machen – und die letztlich den Gästen zugutekommen. Puks Urteil im Interview mit dem Handelsblatt Research Institute: „Das steigert die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Da dieses Vorgehen von der intrinsischen Motivation der Mitarbeitenden ausgeht, erreicht die Organisation eine Effizienz, die sich nicht mit Anordnungen von oben erreichen lässt!” Und auch auf Fairness wird geachtet: Wenn der Staubsauger dann doch einmal eingesetzt wird, müssen alle mit anfassen – ob Restaurantleiter:in, Schichtleiter:in oder Azubi.
UPSTALSBOOM IN BRIEF:
Deutsche Hotel- und Ferienanlagenkette Rund
700 Mitarbeitende
Vor allem an Nord- und Ostsee
DR. JUDITH MUSTER,
Organisationsberaterin bei Metaplan und Soziologin am Lehrstuhl für Organisations- und Verwaltungssoziologie an der Universität Potsdam
„Die Beispiele der Managementgurus haben wenig mit der Realität zu tun“
Nach Ansicht der Organisationssoziologin lassen sich agile Modelle in traditionsreichen Unternehmen nicht in Reinform umsetzen. Denn die Eigenlogik ihrer Organisation stehe dem entgegen. Vor allem informalen Strukturen komme eine entscheidende Rolle zu.
Viele gewachsene deutsche Unternehmen sind lange in ruhigem Fahrwasser gefahren. Jetzt in turbulenten Zeiten bemerken sie, dass ihre Innovationsfähigkeit nachlässt und sie nicht schnell genug auf Krisen reagieren können. Ist das der Zeitpunkt, um einen grundlegenden organisatorischen Wandel anzustoßen?
Auf Veränderungen in der Umwelt müssen Organisationen schon immer reagieren, ob das nun Marktveränderungen oder technologische Umbrüche sind – aktuell etwa die Digitalisierung. Und Organisationen sind per se innovationsfeindlich, denn sie strukturieren sich immer so, dass sie auf Dauer nicht auf jede Umweltveränderung reagieren müssen. Daher sind Organisation und Innovation leider ein Widerspruch, auch wenn das in der Managementlyrik anders dargestellt wird.
Ist es ein Erfolgsweg für Unternehmen, sich stärker dezentral zu organisieren und Hierarchiestufen abzuschaffen?
Diese Frage muss jede einzelne Organisation spezifisch lösen. Das Narrativ in der Organisationswelt, dass Hierarchien per se innovationsfeindlich sind oder Innovationen sogar stoppen, ist dabei nicht richtig. Aus organisationssoziologischer Perspektive kommt es zu Innovation nur, wenn etwas anders gemacht wird, als es sich die Organisationen bisher strukturell vorgenommen hat. Ob das neue Geschäftsmodelle sind, neue Prozesse oder Organisationsmodelle.
Ein Verfahren, um Innovationen zu ermöglichen, ist Hierarchie. Denn Hierarchie ist in der Lage, taktlos zu entscheiden. Vorgesetzte sind nicht auf Achtung angewiesen und damit in der Lage, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen. Und es kann sein, dass Innovationen unbequem sind und machtvoll hierarchisch abgestützt werden müssen. Eine gut funktionierende Hierarchie kann bei Innovationen also durchaus helfen. Die Erzählung, dass Hierarchie gleichbedeutend ist mit weniger Innovation, stimmt nicht.
Interview: Dr. Judith Muster
Ist eine Transformation der Organisation also notwendig, um eine verkrustete Organisation wieder ans Laufen zu bekommen?
Ja. Organisationen strukturieren sich einmal formal – mit Regeln, Strategien, Prozessen, KPIs, Hierarchien, Organigrammen und so weiter. Aber mindestens genauso stark wirken auch informale Erwartungsstrukturen: So entwickeln sich beispielsweise kurze Dienstwege und all die kleinen brauchbaren Illegalitäten der Organisation, wie es der Soziologe Niklas Luhmann nennt. Diese Netzwerke, Cliquen, dieser Tauschhandel und all das, was die Organisation trotz der guten Regeln zum Laufen bringt, lassen sich nicht einfach wegentscheiden. Denn sie wurden ja nicht bewusst geschaffen, sie haben sich einfach eingelebt.
Veränderung kann nur beim faktischen Verhalten in Organisationen ansetzen. Wenn ich die formalen Verhältnisse gestalte, dann erzeuge ich auch andere Verhaltenserwartungen. Die Verhältnisse bestimmen schließlich das Verhalten.
Folgt daraus, dass die Idee einer Transformation von innen heraus, also von unten nach oben, eine große Utopie ist?
Die Impulse für eine Transformation, wo auch immer sie herkommen, müssen machtvoll abgestützt werden. Denn es geht zumeist um Entscheidungen über die Formalstruktur, die nur jemand mit Gestaltungsmandat treffen kann.
Dazu passt das oft zitierte Beispiel eines chinesischen Staatsunternehmens, in dem ein heutiges ZK-Mitglied von oben eine Struktur geschaffen hat, in der die einzelnen Mitarbeitenden sich wie kleine Unternehmer fühlen und erfolgreich und innovativ miteinander arbeiten können. Lässt sich dieses Erfolgsmodell auf Deutschland übertragen?
Also ich habe das Gefühl, dass diese ganzen Modelle, die in Managementbestsellern beschrieben werden, relativ wenig mit der Empirie über Organisationen zu tun haben. Zudem werden Folgeprobleme, die diese Art von Organisiertheit schafft, einfach missachtet.
Zunächst müssen wir von den natürlich gewachsenen Strukturen ausgehen. Nehmen wir zum Beispiel ein ehemaliges Staatsunternehmen mit hohem Beamtenanteil oder einen Konzern mit starker Mitbestimmung, was ja auch als soziale
Errungenschaft gesehen wird. Wie soll man da jetzt agieren? In diesen Organisationen wird häufig damit experimentiert, in unterschiedlichen Formen so etwas wie Holokratie einzuführen, also Hierarchien abzubauen. Im Ergebnis müssen dann aber die agilen Rollen mit dem Betriebsrat bis ins Detail verhandelt und festgelegt werden, was diesem Organisationsmodell total widerspricht.
Die agilen Modelle wie Holokratie, Mikrounternehmertum oder Selbstorganisation gibt es mit immer neuen Vorzeichen seit den 1960er-Jahren. Und in meiner Forschung dazu habe ich noch nie erlebt, dass sie in bürokratischen Großorganisationen zu Strukturen geführt haben, die diesen Modellen noch irgendwie entsprechen. Sie werden an den Rest der Organisation angepasst, auch wenn das nach außen zumeist anders dargestellt wird. Das lässt sich organisierte Heuchelei nennen. Die dezentralen Modelle sind also für diese Art von Organisation zumindest keine Lösung.
Organisationen sind ja immer eingebettet in ein soziales Gefüge, in Tarifverhandlungen und dergleichen. Lassen sich daher Modelle, die in chinesischen Staatsunternehmen funktionieren, überhaupt auf andere Märkte übertragen?
Es gibt hierzulande natürlich auch Mittelständler, die über alles entscheiden und sich agil oder stark selbstorganisiert strukturieren können.
Aber in traditionsreichen Technologiekonzernen bleibt von den agilen Modellen in der Regel wenig übrig. Da stellt sich natürlich die Frage, warum sie überhaupt eingeführt wurden. Da gibt es unterschiedliche Gründe. In manchen Organisationen will man eigentlich Personal abbauen und weist zunächst mit den agilen Modellen Effizienzgewinne nach, rechnet sich das schön. Andere Organisationen wollen tatsächlich etwas Gutes erreichen, stoßen dann aber an die Ränder der agilen Inseln und merken, dass die Selbstorganisation in der Praxis nicht funktioniert. Denn auch wenn eine Abteilung alle Hierarchien und Rollen abgeschafft hat, findet beispielsweise die Nachbarabteilung immer noch über das SAP-System heraus, wer den höchsten Rang bekleidet und wendet sich an diese Person. Damit werden Führungspersonen weiter als Hierarchie behandelt, auch wenn sie sagen, es gäbe keine Hierarchien.
Das kommt einfach bei jeder Managementmode vor.
Interview: Dr. Judith Muster
In der Managementtheorie wechseln sich verschiedene Trends ab. Sind wir da gerade in einer Phase, in der mehr Dezentralität propagiert wird oder mehr Hierarchie?
Diese Moden kommen wellenartig. Ich habe den Eindruck, wir hatten jetzt sehr stark die Phase der Selbstorganisation, Agilität und so weiter. Und jetzt sind wir wieder in der Phase, in der ich vermehrt höre, wir setzen auf Zentralisierung, Hierarchien, jedenfalls in meinen Beratungsmandaten. Diesen persönlichen Eindruck kann ich allerdings nicht empirisch belastbar untermauern.
Die Moden haben aber auch eine Funktion für die Organisationen. Sie lassen sich taktisch einsetzen, wenn die Organisation wieder altert, sich verkantet. Dann lässt sich damit wieder entlang der neuen Strukturen etwas bewegen .…
Was genau macht denn jetzt Unternehmen innovativer und effizienter?
Leider geht das nicht so leicht wie in den Managementbestsellern. Als Soziologin muss ich Sie da enttäuschen. Die Organisation in ihrer Wildheit und ihrer Eigenlogik ist quasi so eine Art blinder Fleck für Transformationsvorhaben. Auch Unternehmen scheitern daran, die es mit Technik schaffen wollen. Beispielsweise scheitern auch digitale Transformationen an der Eigenlogik und Transformationsfeindlichkeit der Organisation. Und es liegt nicht an der Pathologie einer bestimmten Organisation, das ist einfach das Wesen der Organisation.
Ein gutes Management kann das nur lösen, indem es sich ständig die Organisation genau ansieht, sowohl auf der formalen als auch der informellen Seite. Wenn sich etwas festfährt, muss es flüssig gemacht werden. Vor allem auf die informale Seite der Organisation, auf das „wilde Leben“ unterhalb der formalen Struktur, muss man gucken, wenn man wissen will, was Agilität ist und wo Innovationen herkommen. Denn hier sind kluge Leute am Werk, die trotz der vielen Regeln gute Arbeit machen wollen. Aber hier finden sich auf der anderen Seite auch die größten Verhinderer von Veränderungen.
Aber was mache ich, wenn sich durch soziale Zwänge informell etwas festgesetzt hat, das wünschenswerte Entwicklungen behindert und möglicherweise sogar das allgemeine Betriebsklima vergiftet?
Als Soziologin gehe ich davon aus, dass nicht einzelne Personen böse und toxisch sind, sondern dass es in der Organisation zum Beispiel einen Zielkonflikt gibt, der nicht gelöst ist. Oder dass eine formale und informale Struktur gegeneinander laufen. Oder dass Arenen fehlen, in denen bestimmte Themen ausgetragen werden. Und ich suche auf der formalstrukturellen Ebene, was ich ändern kann, damit sich das abträgliche Verhalten irgendwann nicht mehr lohnt. Wir analysieren also funktional nach Luhmann, wie die Organisation so umgestaltet werden kann, dass das toxische Verhalten nicht mehr notwendig ist.
Da kann ich wahrscheinlich nicht mit einem vorgefertigten Bild hineingehen. Muss ich mir dazu im Detail anhören, wie die Mikrostrukturen genau aussehen, wie sie entstanden sind und auf dieser Grundlage überlegen, wie ich sie verändern kann?
Richtig, das muss ich mir sehr genau anhören. Dabei muss die Diskursstrategie mikropolitisch sensibel sein, also ins Kalkül ziehen, dass strategische Akteure in der Organisation vieles nicht wissen dürfen oder nicht wissen können. Dinge müssen besprechbar gemacht werden, ohne dass das „Immunsystem der Organisation“ abwehrend reagiert.
Herausforderungen beim Organisationswandel
Nicht nur das angestrebte Ergebnis des Organisationswandels muss in den Fokus genommen werden, sondern auch der Weg dorthin. Selbst wenn Unternehmen ein bestimmtes Organisationsmodell anstreben, weil sie es als vorteilhaft für ihre Zwecke identifiziert haben, folgt daraus noch nicht, dass der Transformationsprozess zwangsläufig gelingen wird. Deshalb thematisiert das vorliegende Kapitel, wie Organisationen den dezentralen Wandel gestalten und ein kreatives Umfeld fördern können.
4.1 Zwischen Veränderungsbereitschaft und Transformationsmüdigkeit
Widerstände in der Belegschaft werden oft als Hauptgrund für das Scheitern von agilen Transformationsvorhaben genannt. Dieses Bild vermittelt auch eine aktuelle internationale Umfrage des Technologieunternehmens Digital.ai mit knapp 800 Teilnehmenden, darunter vor allem agile Coaches, Scrum Master sowie Projektmanager:innen, Berater:innen und Trainer:innen (siehe Abb. 19). Umso wichtiger ist es für Unternehmen, ihre Beschäftigten von Anfang an bei der Reorganisation mitzunehmen und von ihrem Vorhaben zu überzeugen.
Abb. 19: Was den Wandel zu mehr Agilität behindert Weltweite Unternehmensbefragung, Nennungen in %
Allgemeiner organisatorischer Widerstand gegen Veränderungen / Zusammenprall der Kulturen
Zu geringe Beteiligung der Unternehmensleitung
Mangelhafte Unterstützung durch das Management
Teams verstehen nicht, was agile Methoden leisten
Unzureichende Schulung und/oder Ausbildung
Die Erwerbstätigen in unserer Umfrage zeigen sich grundsätzlich offen für Veränderungen. Insbesondere in Deutschland und den USA gibt eine große Mehrheit an, sich bei der Arbeit über neue Herausforderungen zu freuen. Allerdings zeigt sich in Bezug auf die Wandlungsbereitschaft im Ländervergleich ein gemischtes Bild, denn besonders in Brasilien und den USA fühlen sich auch viele Beschäftigte von den zahlreichen Veränderungen überfordert, mit denen sie konfrontiert werden (siehe Abb. 20)
Tatsächlich ist auffällig, dass sich in Deutschland deutlich weniger Arbeitskräfte vom Wandel am Arbeitsplatz überfordert fühlen als in den USA und –vor allem – in Brasilien. Jedoch gibt es in Deutschland bislang kein größeres Industrieunternehmen, das erfolgreich eine so radikale Unternehmenstransformation vollzogen hat wie beispielsweise der chinesische Haushaltsgerätehersteller Haier. Der Organisationswandel vollzieht sich in der Industrie hierzulande bisher langsamer als in den USA oder in China, wie der Transformationsexperte Janosch Stolle feststellt (siehe Interview mit Janosch Stolle auf S. 74 f.)
Abb. 20: Eine Mehrheit sieht Veränderung positiv, doch es gibt auch Überforderung Antworten in %
Stimme voll und ganz zu Stimme eher zu Weiß nicht / k. A.
Stimme eher nicht zu Stimme überhaupt nicht zu
„Ich freue mich, wenn ich hin und wieder neue Aufgaben bekomme und alte abgeben kann.“
Deutschland
USA
Brasilien
„Ich fühle mich überfordert von den vielen Veränderungen am Arbeitsplatz.“
Deutschland
USA
Brasilien
„Ich probiere gerne neue Organisationsmethoden und Formen der Zusammenarbeit aus, um Koordinationsprozesse effektiver zu gestalten.“
Deutschland
USA
Brasilien
„Ich bilde mich gerne weiter, um meine Qualifikationen auf dem Laufenden zu halten.“
Deutschland
USA
Brasilien
Quelle: Handelsblatt Research Institute
4.2
Belegschaft muss zu Selbstorganisation und dezentraler Koordination befähigt
werden
Intrinsische Motivation fördern
Damit die holistische Transformation gelingt, genügt es nicht, nur die formalen Strukturen und Regeln zu ändern, nach denen Unternehmen arbeiten. Sondern es müssen auch persönliche Faktoren der Beschäftigten hinzukommen – wie Eigeninitiative, Loyalität und Identifikation mit den Unternehmenszielen. Wenn Mitarbeitende wie interne Unternehmer („Intrapreneurs“) handeln sollen, beruht dies weitgehend auf ihrer intrinsischen Motivation.
Aktuelle Managementratgeber legen nahe, dass Arbeitskräfte nur von den Fesseln der Bürokratie befreit werden müssen und dann automatisch ihre Kreativität ausschöpfen werden, sich als Produktverantwortliche („Product Owner“) fühlen, weil das gleichsam in ihrer Natur liege.46 Dies blendet allerdings die entscheidende Frage aus, auf welchem Weg die intrinsische Motivation (wieder) geweckt werden kann, wenn sie zuvor in einem hierarchisch geführten Unternehmen nicht gefragt war.
Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Bruno Frey hat darauf aufmerksam gemacht, dass extrinsische Leistungsanreize und ein autoritärer Führungsstil die intrinsische Motivation untergraben können.47 Er spricht in diesem Zusammenhang von „Motivational Crowding-out“. Finanzielle Belohnungssysteme und externe Leistungskontrollen durch Vorgesetzte haben somit möglicherweise einen kontraproduktiven Effekt: Arbeitnehmende reagieren darauf, indem sie sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sogar weniger anstrengen und nur noch das explizit Geforderte tun.48
Der Führungsstil muss also darauf ausgerichtet sein, die Selbstbestimmung und das Selbstwertgefühl nicht durch die externen Kontrollen zu beeinträchtigen. Je persönlicher die Beziehungen zwischen Management und Teammitgliedern sind, umso interessanter finden jene oftmals bestimmte Tätigkeiten und umso größer sind entsprechend ihre Mitwirkungsmöglichkeiten.49 Um die einmal verlorene intrinsische Motivation wieder zurückzuholen („Crowding-in“), ist vor allem Zeit notwendig.
Reorganisation der Arbeitsplätze erfordert andere Qualifikationen
Zur Motivation müssen auch die erforderlichen Fähigkeiten kommen. Denn mit dem Wandel der Arbeit hin zu holistischen Organisationsformen verändern sich auch die Qualifikationsanforderungen an die Belegschaft.50 Organisatorische und technologische Wandlungsprozesse bedingen sich gegenseitig: Der Wandel hin zu interessanteren Mischarbeitsplätzen mit mehr Verantwortung verbreitert die Anzahl an Tätigkeiten, die für den Beruf notwendig sind. Zudem entfallen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen automatisierbare Tätigkeiten, während nichtautomatisierbare Aufgaben hinzukommen oder stärker als bisher gewichtet werden. Mitarbeitende müssen durch geeignete Weiterbildungsmaßnahmen dazu befähigt werden (siehe Interview mit Konstanze Schlegelberger auf S. 64 f.).
Während das mittlere Qualifikationsniveau, das für Routinetätigkeiten ausreichend war, an Bedeutung verliert, wächst die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften.51 Studien gehen davon aus, dass sich die Schere zwischen den Gewinnern und den Verlierern des Wandels zur Industrie 4.0 vergrößern wird. Die fortschreitende Digitalisierung wird einerseits Arbeitskräfte ersetzen, die regelgeleitete Tätigkeiten ausüben – seien sie manuell (beispielsweise Beschickung von Maschinen, Warentransport, Verpackung) oder kognitiv (beispielsweise einfache Datenerfassung und -verarbeitung, Backoffice-Funktionen). Andererseits wird sie Arbeitnehmer:innen bei der Lösung nichtstandardisierter Probleme sowie der Bearbeitung komplexer Kommunikationsaufgaben unterstützen.52
Dass dieser Prozess bereits in vollem Gange ist, belegen viele empirische Untersuchungen:53 Das Anforderungsprofil des durchschnittlichen Arbeitsplatzes befindet sich im Wandel – weg von einfachen und repetitiven Aufgaben und hin zu komplexen, multidimensionalen Tätigkeiten (siehe Abb. 21)
Möglicherweise kann die dezentrale Organisationstransformation die Arbeitskräfte sogar gegen die Redundanz durch Automatisierung abschirmen. Denn die Fähigkeiten, die bei einer holistischen Ar-
Abb. 21: Wandel der Arbeit: Qualifikationsanforderungen verschieben sich Prognose der Arbeitszeitaufteilung (USA und Europa) auf verschiedene Tätigkeiten, in % Quelle: McKinsey
Einsatz von …. …. physischen und handwerklichen Fähigkeiten …. einfachen kognitiven Fähigkeiten …. sozialen und emotionalen Fähigkeiten …. komplexeren kognitiven Fähigkeiten …. technologische Fähigkeiten
beitsorganisation gefragt sind – Kreativität, unternehmerisches Denken, Initiative, Wissenstransfer, Kundenorientierung – sind nur schwer durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. Entsprechend wird in unserer Umfrage die Ersetzungsgefahr in holistischen Unternehmen geringer als in tayloristischen eingeschätzt (siehe Abb. 22). Dies ist vor allem auf die Autoritätsdimension zurückzuführen: Bei Befragten in stark weisungsgebundenen Arbeitsverhältnissen ist die Angst vor Verdrängung durch Digitaltechnik deutlich größer.
Glaubhafte Selbstbindung („Commitment“): Die Unternehmensführung muss den Wandel vorleben Für Janosch Stolle und andere Managementexpert:innen ist die Transformation zunächst vor allem ein Führungsthema: „Das Topmanagement muss sie mit einem starken Antrieb verfolgen und sich als durchsetzungsfähig erweisen,“ sagt er im Interview. Mit ihrer Vorbildfunktion können Führungskräfte vor allem in Großkonzernen viel erreichen, wenn sie die gewünschten agilen Verhaltensweisen vorleben und beispielsweise selbst auf Bürokratien und autoritäres Verhalten verzichten (siehe Interview mit Janosch Stolle auf S. 74 ff.; siehe auch Interviews mit Judith Muster auf S. 53 ff. sowie mit HannsChristian Mahler und Felcia Werk auf S. 24 ff.)
Abb. 22: Einfluss der Arbeitsorganisation auf das wahrgenommene Ersetzungsrisiko durch digitale Technologien
Zustimmung* zu der Aussage in den jeweiligen Organisationsformen**, in %
Deutschland USA Brasilien
„Neue digitale Technologien könnten einen Großteil meiner Arbeit überflüssig machen.“
* „Stimme voll und ganz zu“ oder „stimme eher zu“
** Holistisch: Hierarchie- und Autoritätsgrad 1 bis 2; tayloristisch: Hierarchie und Autoritätsgrad 4 bis 5
Quelle: Handelsblatt Research Institute
Unternehmen, die sich transformieren wollen, müssen Glaubwürdigkeit herstellen (siehe Interview mit Antoinette Weibel auf S. 68 ff.). Denn sie sind auf die Kooperation ihrer Arbeitskräfte angewiesen: Auch diese müssen sich auf neue Prozesse einlassen und in die entsprechenden Qualifikationen investieren. Aus ökonomischer Sicht entsteht die notwendige Glaubwürdigkeit dadurch, dass Unternehmen ein hinreichend großes Faustpfand hinterlegen in Form von irreversiblen Investitionen.55
Reine Absichtserklärungen können demgegenüber als „Cheap Talk“, also als billiges Gerede wahrgenommen werden, das mit keinerlei ökonomischen Konsequenzen verbunden ist. In diesem Fall werden sich die Mitarbeitenden schwertun, in Vorleistung zu gehen und den Wandel von sich aus voranzutreiben.56 Erst wenn sich Unternehmen durch irreversible Investitionen an ihr Transformationsvorhaben gebunden haben, haben sie wirklich etwas zu verlieren, wenn sie ihren Ankündigungen keine Taten folgen lassen oder später den eingeschlagenen Kurs wieder zurücknehmen.
Besonders größere Unternehmen mit langer Tradition haben oftmals schon verschiedene Umstrukturierungen hinter sich, die möglicherweise für die Beschäftigten vor allem mit Entlassungen verbunden waren. Und die vielleicht sogar nach einigen Jahren wieder im Sand verlaufen sind, weil sie von der Führungsspitze nicht weiterverfolgt wurden. Daher ist es wichtig, dass das Management viel und ehrlich die Absichten und die Folgen der Transformation kommuniziert: „Mitarbeitende verlassen das Unternehmen nicht, weil der CEO zu viel kommuniziert, sondern weil er zu wenig erklärt“, meint Hans Rusinek, Personalforscher und Buchautor („Work Survive Balance“) gegenüber dem HRI.
Wenn die Führungsspitze den Wandel zu weniger Hierarchien und mehr Selbstverantwortung nicht glaubhaft vorlebt, kippt die Stimmung der Mitarbeitenden schnell. Die Schweizer Managementprofessorin Antoinette Weibel verweist im Interview auf das Beispiel des Novartis-Konzerns, der drei Jahre nach Ankündigung einer umfassenden dezentralen Transformation (siehe Interview mit Antoinette Weibel auf S. 68 ff.) das Ruder wieder herumgerissen hat. Die Mitarbeitenden würden sich nicht ehrlich behandelt fühlen und Widerstand aufbauen, warnt sie im Interview (siehe Case: Novartis)
Case: Novartis
Ankündigungen reichen den Mitarbeitenden nicht
Es sollte ein Abschied vom autoritären Hierarchiedenken sein, entsprechend plakativ lautete der Titel: „Unboss-Programm“. Im Jahr 2019 startete der Chef des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, Vas Narasimhan, damit euphorisch sein vielversprechendes Umbauprogramm, um den Konzern innovativer und agiler zu machen. Die Mitarbeitenden sollten zu maximaler Eigenverantwortung befähigt werden, gemeinsam die „Medizin neu erfinden“, beschrieb der CEO seine Mission. Die Organisation sollte wertegetrieben („Purpose vor Profit“), durch-
NOVARTIS IN KÜRZE:
lässiger und offener werden. An die Stelle der alten Angst- und Kontrollstruktur sollte das Prinzip der Selbstbestimmung treten. Die Werte in Mitarbeiterumfragen stiegen. Allerdings führte der Umbau auch zu Entscheidungsschwäche und mangelnder Leistungskontrolle.
Schon drei Jahre später erwähnte Narasimhan „Unbossing“ in Börsenpräsentationen nicht mehr. Der Personalchef, die treibende Kraft hinter der Umsetzung des Programms, ging bereits Sommer 2021, Spar- und Entlassungsprogramme folgten.57
DR. KONSTANZE SCHLEGELBERGER, Leiterin Unternehmensentwicklung, Deutsche Rentenversicherung Bund
„Organisationswandel und digitale Transformation müssen Hand in Hand gehen“
Öffentliche Unternehmen stehen unter Druck, agiler zu werden – auch ohne Konkurrenz. Die Gründe dafür sind nicht zuletzt der demografische Wandel und der Arbeitskräftemangel. Digitale Techniken helfen beim Bürokratieabbau. Damit der Organisationswandel gelingt, muss er für die Mitarbeitenden nachvollziehbar gemacht werden.
Bürokratie- und Hierarchieabbau sind Stichworte, mit denen viele Unternehmen – auch Versicherungen – momentan ihre Organisation agiler und innovativer gestalten wollen. Wie sieht das bei einem öffentlichen Unternehmen wie der Deutschen Rentenversicherung Bund aus?
Entbürokratisierung und effizientere Prozesse sind auch bei uns ein Riesenthema. Es gibt dafür aber nicht die eine Lösung, beispielsweise lassen sich die Betriebsabläufe nicht vollständig auf Selbstorganisation trimmen. Hierarchieabbau ist bei uns nicht das Kernthema: Vielmehr gilt es, die einzelnen Abteilungen, die zum Teil so groß sind wie kleine mittelständische Unternehmen, in ein kollaboratives Miteinander zu bringen. Gemeinsam die großen Transformationshebel zu nutzen und die strategische Ausrichtung gemeinsam vorzudenken. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat 26.000 Mitarbeitende, die sich nur mit einer gewissen Hierarchie steuern lassen. Daher müssen wir die Strukturen klug weiterentwickeln, um Durchlässigkeit zu fördern und gleichzeitig die nötige Struktur zu wahren.
Wo liegen dabei die Herausforderungen?
Unsere Mitarbeitenden sind durch ihre innerbetriebliche Sozialisation vor allem auf Richtigkeit, Sicherheit und Gesetzeskonformität ausgerichtet. Hinter dem, was als „Dienst nach Vorschrift“ wahrgenommen wird, steht auch ein großes Streben nach Zuverlässigkeit und dem besten Service für die Versicherten, wofür ein Rahmen und klare Vorgaben hilfreich erscheinen. Das steht allerdings einem Bürokratieabbau und dem Verschlanken von Prozessen in Vielem entgegen. Dies wird jedoch notwendig sein, um unsere Arbeitsfähigkeit zu sichern.
Die Prozesse zu ändern, ganz neu aufzusetzen, ist ein Quantensprung, der eingeübt werden muss. Bisher besteht die Tendenz, beim Abbau von Bürokratie zumeist an anderer Stelle neue Bürokratie zu schaffen.
Was treibt denn die Transformation an?
Wir haben zwar keine Konkurrenz im eigentlichen Sinne, müssen aber stärker wirtschaftlich denken. Zumal wir mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben. Die Rekrutierung von neuen
Sachbearbeiter:innen ist derzeit sehr schwierig. Wir haben unsere Ausbildung von Nachwuchskräften schon bis zum Limit ausgebaut und überlegen uns bei der Transformation auch, wie wir die Arbeitswelt gestalten müssen, damit unsere Arbeitsplätze in Zukunft attraktiv sind.
Wie können die Mitarbeitenden bei diesen Transformationsaufgaben mitgenommen werden?
Die Veränderungen, die wir anstoßen, sind für die Mitarbeitenden mit Anstrengungen verbunden. Sie müssen sich aus vertrauten Routinen lösen und, während die Veränderung passiert, ein großes Arbeitsvolumen bewältigen. Das sind hohe Anforderungen.
Daher wollen wir vor allem Vertrauen in die Veränderungen herstellen. Das gelingt uns nicht nur mit Transparenz, sondern vor allem mit Nachvollziehbarkeit. Dabei hat es sich bewährt, unsere doppelte demografische Herausforderung den Mitarbeitenden zu verdeutlichen: Durch die steigende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern wächst bei uns die Arbeitsmenge. Zugleich haben wir immer weniger Arbeitskräfte, weil wir vor einem Generationenwechsel stehen. Um diese Quadratur des Kreises zu managen, müssen wir unsere Organisation transformieren und Potenziale nutzen, die gleichermaßen auf die Effektivität, Effizienz und Qualitätssicherung einzahlen.
Die agile Transformation steht also unter der Überschrift, überflüssige Arbeit wegzuorganisieren, um mit einer kleineren Belegschaft eine größere Arbeitsmenge zu bewältigen .… Automatisierung und Digitalisierung sind für diese Herausforderung überlebensnotwendig, müssen aber zusammen mit dem Kultur- und Organisationswandel betrachtet werden: Diese beiden Transformationsprozesse müssen Hand in Hand gehen. Wir müssen identifizieren, bei welchen Verfahren uns die Technik Entlastung verschafft und im Zweifelsfall auch Qualitätssteigerungen ermöglicht. Zugleich brauchen wir menschliches Spezialwissen für die Fälle, die eben nicht so einfach automatisierbar sind. Die Organisationsentwicklung steht vor der Riesenaufgabe, die verschiedenen Stränge sinnvoll miteinander zu verzahnen: Von neuen Abläufen und Kompetenzprofilen über die Ausgestaltung von Führung bis hin zur Etablierung neuer Technologien.
Interview: Dr. Konstanze Schlegelberger
Bei uns beschäftigt sich eine eigene Betriebseinheit mit der Digitalstrategie und identifiziert, wie KI oder andere digitale Verfahren zu nutzen sind. Wenn wir diese Techniken einsetzen, wird unsere „Produktion“ im besten Falle einfacher und besser arbeiten können als heute. Und darauf müssen wir unsere Organisation einstellen. Zudem entwickelt sich das Rentensystem weiter, gerade wurden die Vorschläge der Regierung für das Rentenpaket II veröffentlicht. Da müssen wir als Bundesbehörde sehen, welche Veränderungen in der operativen Umsetzung notwendig sind, um Gesetzesänderungen auch verwirklichen zu können. Denn im Fokus steht natürlich die Erfüllung unseres öffentlichen Auftrags.
Inwieweit verändert die Digitalisierung die Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden?
Wenn wiederkehrende Regelprozesse automatisiert werden, ändert sich auch das Aufgabenprofil der Mitarbeitenden, das große Fachwissen gewinnt besonders in Spezialfällen an Bedeutung. So gilt es, über die Digitalisierung eine Entlastung der Mitarbeitenden zu schaffen. Dies gelingt jedoch nicht rein über Digitalisierung, es braucht vielmehr auch veränderte Strukturen oder eine andere Form der Arbeitsorganisation, die die Anforderung an die Fähigkeiten der Mitarbeitenden ebenso verändern kann. Derzeit kommen beispielsweise jeden Tag etwa 70.000 Papiere an, die von einer Einheit extra eingescannt werden. Ziel ist es langfristig, mit deutlich weniger physischen Dokumenten zu arbeiten und stärker auf online beziehungsweise digitale Wege zu setzten. Auch dies wird die Aufgaben und Anforderungen an verschiedene Mitarbeitendengruppen ändern. Diese Veränderungen müssen wir entsprechend vordenken.
Können die infolge der Digitalisierung redundanten Mitarbeitenden, die bislang Routinetätigkeiten ausführen, auf Arbeitsplätze mit mehr Verantwortung wechseln? Beispielsweise durch „Re-Skilling“, also systematische Weiterbildung?
Teilweise. Wir brauchen sicherlich ein Re-Skilling. Aber auch eine Fokussierung auf bestimmtes Wissen, das bereits vorhanden ist. Das heißt, wir werden bei den neuen Abläufen auch Prozesse zusammenfassen. Spezialwissen und Erfahrung in der Anwendung des Rechts wird somit weiterhin wichtig sein. Die Befähigung der Mitarbeitenden in Methodenkompetenzen im Hinblick auf digitale Arbeitsweisen ist sicher ein Ansatz für eine systematische Qualifizierung, die wir brauchen.
4.3
Organisatorische Hindernisse müssen überwunden werden
Bei jedem organisatorischen Wandel gibt es auch Verlierer, die Kompetenzen abgeben und angestammte Rollen aufgeben müssen. Dabei geht es um tatsächliche Einbußen genauso wie um empfundene. Beispielsweise kann ein Neuzuschnitt des eigenen Tätigkeitsfelds als Prestigeverlust wahrgenommen werden oder als Infragestellung der bisherigen Leistungen für das Unternehmen. Da die Transformation darauf abzielt, das Ausmaß von Kontrolle und Hierarchie im Unternehmen zu reduzieren und den Teams mehr Eigenverantwortung zu übertragen, ist oftmals vor allem das mittlere Management betroffen.
Unternehmen müssen mit Gegenwehr und Beharrungstendenzen rechnen
Gerade auf der Ebene des mittleren Managements bestehen in traditionellen Hierarchien oftmals ähnliche Anreize, aus Prestigegründen die Abteilungsgröße und das verantwortete Budget über das effiziente Maß hinaus zu vergrößern, wie sie aus der ökonomischen Bürokratietheorie bekannt sind.58 Denn der interne Stellenwert einer Managementrolle hängt in der Regel von der Zahl derjenigen Mitarbeiter:innen ab, die an sie berichten. Aus diesem Grund kann eine Neigung bestehen, zusätzliche Verwaltungskräfte einzustellen und für diese zusätzliche Verwaltungsaufgaben zu suchen.
So argumentiert der US-amerikanische Anthropologe David Graeber in seinem Pamphlet über „Bullshit Jobs“, dass viele Führungskräfte unter Druck stehen, die Existenz ihres Postens zu rechtfertigen – und sich deshalb Aufgaben im Bereich der Steuerung und Kontrolle erschaffen, die gar nicht notwendig sind.59
„Viele Abteilungen, die einmal geschaffen wurden, tun alles, um sich zu festigen, selbst wenn sie ihren Zweck verloren haben“, beschreibt die Transformationsexpertin Carola Aldag dieses Phänomen im Gespräch mit dem Handelsblatt Research Institute. Nach ihrer Erfahrung entwickelten alle größeren Organisationen automatisch ineffiziente Strukturen, „in denen sehr viele Menschen sich mit internen Prozessen beschäftigen“, (siehe Interview mit Carola Aldag auf S. 38 f.). Dabei arbeiten die Beschäftigten nicht für die Kund:innen, nicht für den Unternehmenszweck, sondern nur für die Selbstverwaltung.
Auch Start-ups sind davor nicht gefeit. Bastian Wilhelms, Mitgründer des Telekommunikationsdienstleisters Sipgate, beschreibt beispielsweise, wie das noch junge Unternehmen in der ersten Wachstumsphase viele Manager:innen eingestellt habe, „um die Arbeit besser zu verteilen, als ob es darum ginge, die Übergabepunkte zu optimieren.“ Heute bezeichnet er diese Führungsaufgaben als „unproduktive Hilfsarbeiten“ (siehe Interview mit Bastian Wilhelms auf S. 32 ff.) Mithin hat Bürokratie oftmals eine inhärente Tendenz, sich selbst auszuweiten und am Leben zu erhalten.
Transformation muss auch auf informelle Organisationsstrukturen einwirken
Die Reorganisation kann nur bei den formalen Organisationsregeln ansetzen. Mindestens ebenso wichtig für die Zusammenarbeit in Unternehmen sind aber zumeist die informellen Strukturen, die Netzwerke, Cliquen und der Tauschhandel, die in keinem Organigramm zu erkennen sind.
Einerseits können diese informellen Strukturen vieles „an den offiziellen Regeln vorbei“ möglich machen – wenn man weiß, wen man ansprechen muss, um flexibel agieren zu können. Auf der anderen Seite sitzen hier aber auch die größten Verhinderer von Veränderungen. Beispielsweise schildert Carola Aldag im Interview, wie sich die Veränderungen bei der Deutschen Bahn „nicht vorrangig in den Chefetagen“ entscheiden, sondern dort „wo Dinge praktisch getan werden.“ Wenn die Kooperationsbereitschaft an der Basis fehlt, kann dies den gesamten Geschäftsbetrieb lahmlegen.
Die informellen Strukturen bestimmen damit zwar in einem großen Maße das Verhalten in den Organisationen, lassen sich bei einer Transformation aber nicht direkt erreichen. Es ist daher wichtig, die formalen Strukturen so zu transformieren, dass sich das hinderliche Verhalten auch für die informellen Strukturen im Verborgenen nicht mehr lohnt. Die Organisationssoziologin Judith Muster spricht in diesem Zusammenhang von „genauem Organisieren“: Man müsse in die Mikrostruktur vordringen und alles „besprechbar“ machen (siehe Interview mit Judith Muster auf S. 53 ff.)
4.4
Die gesellschaftlichen Institutionen müssen berücksichtigt werden
Neben innerbetrieblichen Faktoren, die den Organisationswandel beeinflussen, besteht auch eine Interdependenz zwischen den Organisationsstrukturen und den institutionellen Rahmenbedingungen, in die sie eingebettet sind. Deshalb lassen sich Best Practice-Beispiele aus anderen Ländern in der Regel nicht spiegelbildlich auf die eigene Unternehmenstransformation übertragen.
Beispielsweise bestehen zwischen den USA und Europa große Unterschiede im Hinblick auf die Arbeitsmarktinstitutionen. In diesem Zusammenhang zeigen die Wirtschaftstheoretiker Assar Lindbeck und Dennis Snower (2001), dass einheitliche, an bestimmte Arbeitsplätze geknüpfte Löhne, wie sie in Ländern mit zentralen Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden üblich sind, einer effizienten holistischen Arbeitsplatzorganisation im Wege stehen können. Denn Tariflöhne lassen sich nur unvollkommen an die speziellen Bedingungen und Erfordernisse anpassen, wie sie vor Ort bestehen. Dies schränkt einerseits die Möglichkeit von selbstorganisierten Teams ein, ihren Mitgliedern finanzielle Anreize zur effizienten Ausführung der unterschiedlichen Arbeitsaufgaben zu stiften – sowohl im Hinblick auf die Zusammensetzung als auch auf die Intensität der Tätigkeiten. Und andererseits lassen sich auch die Lern- und Weiterbildungsanreize, die für das Multitasking nötig sind, nicht passgenau steuern.
Unternehmensberater Janosch Stolle führt die bisher fehlenden Erfolgsbeispiele für einen tiefgreifenden Organisationswandel von etablierten Industrieunternehmen vor allem auf die „Dominanz traditioneller Strukturen in Deutschland“ und „eine ausgeprägte Mitbestimmungskultur“ zurück. „Wir tauschen empfundene Sicherheit gegen schnelle Adaptivität und Flexibilität ein“, fasst er seine Erfahrungen zusammen (siehe Interview mit Janosch Stolle auf S. 74 f.)
PROFESSOR DR. ANTOINETTE WEIBEL, Professorin für Personalmanagement, Universität St. Gallen, Direktorin am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten, Mitgründerin der Plattform „goodorganisations.com“.
„Nicht alle können automatisch besser führen oder frei entscheiden“
Intrinsische Motivation und Kreativität entstehen nicht von allein. Unternehmen, die ihre Organisation verbessern wollen, müssen zunächst in Transparenz und Personalentwicklung investieren. Vor allem Vertrauen kann nur langfristig aufgebaut werden.
Viele etablierte Unternehmen sind in ruhigem Fahrwasser über lange Zeit gut gefahren, haben dabei aber Rost angesetzt und bemerken jetzt, dass ihnen angesichts der aktuellen Multikrisen die erforderliche Resilienz fehlt, aber auch die Kreativität und die Innovationsfähigkeit abhandengekommen sind. Müssen sie ihre Organisation ändern?
Bei den Traditionsunternehmen ist der Ausgangspunkt zumeist ein tayloristisches Organisationssystem. Diese Strukturen und das darin verfestigte Menschenbild zu ändern, ist zumeist der Königsweg, um im Unternehmen etwas in Gang zu bringen!
Idealtypisch wird zwischen der tayloristischen, hierarchischen Organisation und der holistischen, dezentralen Organisation unterschieden. Gibt es noch etwas dazwischen?
Ich würde drei Idealtypen unterscheiden. Das eine Extrem nenne ich zwingende, autoritäre Bürokratie („Coercive Bureaucracy“). Dazu gehört die mechanistische Maschinenbürokratie. Hier werden die Mitarbeitenden zum verlängerten Arm der Maschine, denen bewusst keine Handlungsspielräume eingeräumt werden, weil ja alles standardisiert und skalierbar sein muss.
Den anderen Pol will ich in Anlehnung an Tom Burns und George Stalker „Organische Organisation“ nennen, die auf Agilität und Innovationsfähigkeit angelegt ist und mit Selbstorganisation arbeitet. Darunter fallen auch verschiedene Organisationsformen, die sich mit den Stichworten Wertrationalität oder Sinngetriebenheit („Purposedriven“) beschreiben lassen.
Zwischen diesen beiden Polen sehe ich eine befähigende Bürokratie („Enabling Bureaucracy“).
Zum Beispiel ein Krankenhaus, in dem die Regeln und die Kultur eine andere Basis haben als in der industrialisierten Organisation. In dieser Organisationsform lässt sich Resilienz durchaus auch auf bürokratischem Wege erreichen. Denn Resilienz heißt für mich, dass die Mitarbeitenden mitdenken, dass sie umsteuern können und im Sinne der Organisation klug Dinge ändern, wenn es denn sein muss. Dazu ist vor allem Vertrauen und intrinsische Motivation erforderlich. Und das lässt sich nicht nur mit selbstorganisierter Arbeit erreichen. In diesen befähigenden Bürokratien gibt es sinnvollerweise viele Regeln und auch hierarchische Strukturen. Dabei sollten die Führungskräfte aber nicht von oben herunterrufen, was zu tun ist, sondern eher sagen: Ich unterstütze Euch in Euren Bestrebungen.
Was sind die speziellen Herausforderungen von Unternehmen, die im intensiven Wettbewerb stehen?
Diese Organisationen müssen permanent mit neuen Ideen, mit neuen Produkten auf den Markt kommen. Sie brauchen viel neuen Input und auch Mitarbeitende, die widersprechen. Ökonom:innen in der Tradition von Joseph Schumpeter würden das „kreative Zerstörung“ nennen. Innerhalb dieser Organisationen muss die Quadratur des Kreises gelingen, denn es braucht gleichzeitig solides Vertrauen und Solidarität wie auch Individualität und Eigenständigkeit. Zudem müssen sich Mitarbeitende schnell auf neue Leute einlassen und auch unternehmensübergreifend arbeiten. Und neben der intrinsischen Motivation ist noch eine Art kollektiver Motivation erforderlich, die darauf aufbaut, dass sich die Mitarbeitenden einer gemeinsamen Sache verpflichtet fühlen.
Nach meiner Erfahrung gibt es aber in der Realität gar nicht so viele derartige Unternehmen. In der einschlägigen Managementliteratur werden daher immer wieder die gleichen Beispiele zitiert.
Wie kann der Wandel zu einer dezentralen, agilen Organisationsform gelingen?
Wenn ein Unternehmen eine organische Organisation einführen will, muss es den Mitarbeitenden glaubwürdig sagen: Wir gehen gemeinsam auf diese Reise. Und das heißt, es muss zunächst investieren: in Transparenz, in Unterstützung für die Mitarbeitenden und in Vertrauen. Dazu gehört zum Beispiel auch, ehrlich zu sagen: Wir müssen zwar Leute entlassen, aber nur dort, wo es langfristig sinnvoll ist. Eine weitere Investition ist die Personalentwicklung. Man kann nicht von den Mitarbeitenden erwarten, dass sie sofort selbstverantwortlich Entscheidungen treffen, wenn sie bislang immer erst höhere Hierarchieebenen einschalten mussten. Auch Führungskräfte können nicht einfach vom einen auf den anderen Tag anders führen, das ist ein Prozess. Sie müssen dafür Zeit haben und an Reife gewinnen. Wir reden da von vertikaler Leadership-Entwicklung, einer langfristigen Persönlichkeitsentwicklung.
Unternehmen, die eine Form der Holokratie einführen, müssen die Mitarbeitenden ins Boot holen, indem sie ihnen vor allem glaubhaft versichern: Du kannst uns vertrauen, wir vertrauen Dir auch. Wenn sie gleichzeitig viele Leute entlassen, weil das etwa die Börse erwartet, dann kann dieses Vertrauen schnell zerstört werden. Beispielsweise hat der
Interview: Professor Dr. Antoinette Weibel
Pharmakonzern Novartis zunächst das Programm „Unboss“ gestartet und damit die Menschen motiviert, selbst Entscheidungen zu treffen – und nur drei Jahre später alles wieder herumgerissen. Das hat die Betriebsstimmung verdorben. Bei den Mitarbeitenden entsteht der Eindruck, dass es gar nicht um den Abbau von Bürokratie und die Förderung von Innovationen ging, sondern alles nur als Deckmantel für Entlassungen gedient hat. Ihnen wurde damit alles, wofür sie sich zwischenzeitlich engagiert hatten, gleich wieder zerstört.
Wie können Arbeitskräfte plötzlich selbstverantwortlich und vertrauensbasiert arbeiten, wenn sie zuvor klare Vorgaben und Kontrollen gewöhnt waren?
Manchmal helfen neue Regeln. Wir hatten die Gelegenheit, uns ein Unternehmen anzusehen, das sich seit zehn Jahren von einer patriarchalen, teilweise autoritären Kultur, zu einer sehr vertrauensbasierten Kultur gewandelt hat. Im Rückblick zeigt sich, dass einerseits neue Führungskräfte erforderlich waren, andererseits gab es aber auch viele Mitarbeitende, die die Entwicklung enthusiastisch aufgenommen haben.
Genauso hat sich jedoch gezeigt, dass ein Teil der Belegschaft immer Regeln braucht. Für die betreffenden Mitarbeitenden hat sich dieses Unternehmen einige sinnlose Regeln ausgedacht, etwa ein Excelsheet auszufüllen. Das Festhalten an Regeln –ohne weitere Konsequenzen – kann Mitarbeitenden helfen, langfristig mehr Sicherheit aufzubauen, um „ins Vertrauen zu springen“.
Kann überhaupt intrinsische Motivation in einem Unternehmen entstehen, wenn die Mitarbeitenden zuvor nur extrinsisch motiviert waren?
Wenn wir von einer „Coercive Bureaucracy“ ausgehen, beispielsweise einer Bank, die zuvor ihre Mitarbeitenden mit viel Geld motiviert hat, dann zeigen unsere Studien: Es verlassen nicht unbedingt die Arbeitnehmer:innen das Unternehmen, die zuvor sinnentleert gearbeitet haben, sondern vor allem mittlere Manager:innen, die Macht und übermäßige Boni verlieren. Im Zweifelsfall kann das Unternehmen auf diese Mitarbeiter:innen verzichten.
Für die übrige Belegschaft ist zunächst einmal Zeit und Unterstützung erforderlich, denn das neue Arbeiten muss sie erst lernen. Auch die Arbeitsplätze selbst müssen umgestaltet werden in Richtung Partizipation und Stärkenorientierung,
Interview:
Professor
Dr. Antoinette Weibel
sodass die Mitarbeitenden verstärkt ihre Talente einbringen können. Sie müssen sehen können, wie sie sich kontinuierlich verbessern. Und damit meine ich nicht permanente Feedback-Apps, sondern sinnvolle Unterstützung. Leadership ist ein wichtiger Punkt. Zudem ist es dem Wandel förderlich, wenn ein Umfeld geschaffen wird, in dem die Mitarbeitenden sich gegenseitig unterstützen und voneinander lernen können.
Seit etwa 15 Jahren unterrichte ich positives Personalmanagement und alle, die das anschließend in Unternehmen umgesetzt haben, berichten mir, dass es mindestens ein Jahr dauert, bis sich Erfolge einstellen. Das zeigen auch die vielen Studien über weiter zurückliegende Erfahrungen mit der Humanisierung der Arbeit oder mit teilautonomen Teams.
Die meisten Erfolgsbeispiele für den dezentralen Organisationswandel größerer Unternehmen kommen bisher aus dem Ausland …. Ja, es werden immer wieder die gleichen Beispiele zitiert, ehrlicherweise sehr wenige. Buurtzorg etwa ist zwar ein großes niederländisches Unternehmen, aber mit nur einem Produkt: Pflegedienstleistung. Und es ist nicht börsennotiert. Ich bin äußerst skeptisch, ob ein börsennotiertes großes Unternehmen eine ähnliche Entwicklung durchziehen könnte. Dafür kenne ich bisher kein Beispiel in Europa.
Auch der amerikanische Stahlhersteller Nucor, den der Managementberater Michele Zanini häufig zitiert, hat die Umstellung nicht vollständig durchgezogen. Und sein Erfolgsmodell lässt sich nur schwer auf europäische Verhältnisse übertragen.
Aber einige mittelgroße europäische Unternehmen, die nicht so stark unter dem Druck der Shareholder stehen, haben diese Freiheit genutzt. Der Schweizer Pharmakonzern Roche ist noch immer dabei, in diese Richtung zu gehen – in einem eigenen, langsamen Tempo. Vor kurzem hätte ich noch das Beispiel Novartis genannt, was aber nun leider vorbei ist. Zudem experimentieren verschiedene Kantonalbanken in der Schweiz sehr erfolgreich mit dezentralen Organisationsformen und haben die Umstellung auch gut umgesetzt. Auch Freitag, gegründet von zwei Schweizer Brüdern, die Taschen aus Lkw-Planen herstellen, haben Holokratie erfolgreich als Organisationsmodell eingeführt.
Als größeres Industrieunternehmen wird immer wieder der chinesische Haushaltsgerätehersteller Haier genannt ….
Das Beispiel Haier ist spannend, aber es funktioniert nur eingebettet in die daoistische Philosophie, die auf Freundlichkeit und Flexibilität setzt sowie auf der Erkenntnis basiert, dass wir Teil eines Ganzen sind. Eine hoch individualistische Kultur wie die Amerikas etwa, wo Wettbewerbsorientierung und „Ellenbogen“ gewünschte Merkmale sind, entwickelt viel mehr Fliehkräfte und lässt die erforderliche Balance von „ich und wir“ kaum zu. Zudem verträgt sich das Modell in Europa nicht mit den Entlohnungssystemen und der Tarifstruktur.
Auch sind die amerikanischen Beispielsunternehmen immer stolz darauf, dass keine Gewerkschaften beteiligt sind. Das ist in Europa undenkbar –und aus meiner Sicht auch nicht wünschbar.
Erleichtert die digitale Transformation menschenfreundlichere und motivierende Arbeitsformen?
Vor sechs Jahren hatten wir ein Projekt zur „Datafizierung“ in der Personalsteuerung. Diese großen Datenverarbeitungssysteme monitoren die gesamte Unternehmenskultur und versuchen, sie digital abzubilden. Speziell dafür entwickelte Algorithmen können nicht nur sagen, wie die Arbeit zu optimieren ist, sondern auch, welche Personen zu entlassen sind. Auch wenn das in Europa nicht alles erlaubt ist, wird es nach unserer Erfahrung trotzdem eingesetzt. Diese Digitalisierung der Arbeitswelt wird sich nicht aufhalten lassen und sie weckt Fantasien, dass Unternehmen mit weniger Führungskräften effizienter steuern können und sich mehr aus den Mitarbeitenden herausholen lässt. Das wäre aber naiv: Denn wir haben herausgefunden, dass der Algorithmus bei weitem nicht der bessere Chef ist.
Letztlich sind Algorithmen eine andere Form von Bürokratisierung. Sie sind mit Regeln – und zudem mit ihren eigenen Gefahren verbunden. Denn sie machen Fehler. Diesen Gefahren muss man entgegentreten, gerade wenn ein Unternehmen menschliche Kreativität fördern will.
Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern. Wenn es in eine gute Richtung gehen soll, erfordert es aber zivilgesellschaftliches Engagement und Kontrolle. Ansonsten können wir in etwas steuern, was der linke griechische Ökonom Yanis Varoufakis „Techno Feudalism“ nennt, und das will ja niemand.
Agile, dezentrale Organisationsformen verlangen von den Arbeitskräften neue Fähigkeiten. Kann da die Digitalisierung nicht unterstützen, indem sie den Arbeitskräften Routinearbeiten abnimmt, damit sie sich auf anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren können?
Dass KI die erforderliche Kreativität, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit fördert, erwarte ich leider nicht. Ich sehe eher die Gefahr, dass uns die Technik genau die Fähigkeiten raubt, die wir bräuchten, um zu diesen idealtypischen holistischen Organisationsformen beitragen zu können. Denn sie senkt unsere Aufmerksamkeitsspanne, lässt uns sprechen und schreiben verlernen, wie verschiedene Studien zeigen. Diese gesellschaftlichen Probleme gehen weit über die Organisationen hinaus.
Wichtig ist die Fähigkeit, das System mitzugestalten, zu verstehen, wie der Einzelne zum großen Ganzen beitragen kann sowie eine kritische Reflexionsfähigkeit. Dafür braucht es unter anderem auch Räume, in denen die Menschen lernen, zu reflektieren und frei zu denken. Wenn die Arbeitsprozesse immer stärker optimiert werden und immer schlanker werden sollen, dann besteht die Gefahr, dass die Mitarbeitenden noch weniger Zeit haben, diese Fähigkeiten zu entwickeln. Damit würde eine Grundlage dieser dezentralen Organisationsform –das eigenständige Denken – zerstört.
Fazit und Ausblick
Organisationstransformation verschafft Unternehmen Wettbewerbsvorteile
In einer Zeit, in der sich der technologische Fortschritt massiv beschleunigt und immer schneller neue Produkte auf den Markt kommen, ändern sich die Anforderungen an die Organisation. Die Organisationsform muss die Innovations- und Anpassungsfähigkeit stärken, damit Unternehmen im Wettbewerb bestehen können.
Moderne Managementformen, die auf agilen dezentralen Strukturen und einer innovationsfreudigen Unternehmenskultur basieren, sind in der Regel leistungsfähiger im Umgang mit Unsicherheit und bei der Bewältigung von Komplexität als traditionelle bürokratische Strukturen, da sie effizienter das verstreute Wissen der Arbeitskräfte nutzen. Die dezentrale Organisationstransformation macht deshalb die Unternehmen resilienter und innovationsfähiger und hilft, Kundenwünsche schneller umzusetzen. Zugleich lassen sich so die Arbeitskräfte durch mehr Selbstverantwortung und Autonomie zu höheren Leistungen motivieren. Arbeitsplatzzufriedenheit und Motivation sind Schlüsselfaktoren im Wettbewerb um knappe Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt.
Erfolgreiche Organisationen sind darauf angelegt, ihre Strukturen ständig den aktuellen Herausforderungen anzupassen. Dabei brauchen auch dezentrale Organisationen eine gewisse Autorität und Regeln. Entscheidend für den Unternehmenserfolg ist es folglich, die optimale Balance zwischen Selbstorganisation und Kontrolle zu finden.
Erfolgsfaktoren für den Organisationswandel
Bei der Transformation zu einer wettbewerbsfähigen Organisation müssen die Unternehmen ihre Belegschaft mitnehmen und zahlreiche Widerstände überwinden. Aus der vorangegangenen Analyse lassen sich einige Erfolgsfaktoren destillieren:
• Die Unternehmensführung muss den Wandel glaubhaft vorleben und ihn verständlich kommunizieren, auch in Hinblick auf mögliche unangenehme Folgen.
• Glaubhafte Selbstbindung: Das Transformationsprojekt muss verlässlich durch irreversible Investitionen abgestützt werden, damit alle Beteiligten kooperationsbereit sind und am gleichen Strang ziehen.
• Ob Strukturen noch agil und angemessen sind oder die Organisation wieder in überholte Verhaltensweisen zurückgefallen ist, muss kontinuierlich überprüft werden. Infragestellen, wie die Sachen gemacht werden, ist eine immerwährende Aufgabe, denn ein einmal erzielter organisatorischer Fortschritt ist nicht selbsterhaltend: Hierarchische Strukturen und lähmende Bürokratie können wieder auftauchen.
• Die informellen Strukturen, die sich in allen Unternehmen jenseits der offiziellen Organigramme gebildet haben, müssen im Blick bleiben, damit diese die Transformation nicht behindern.
• Alle Stakeholder sollten in den Wandel wirkungsvoll eingebunden werden.
• Die organisatorische Transformation muss mit der digitalen Transformationen Hand in Hand gehen.
• Empowerment: Der Belegschaft sollte bei dem Wandel mit geeignetem Coaching und Weiterbildung begleitet werden, damit sie den neuen Anforderungen an Verantwortlichkeit und Fähigkeiten begegnen kann.
• Richtige Balance zwischen Hierarchie und dezentralen Entscheidungen finden: Wo diese liegt, ist für jeden Unternehmensbereich individuell zu beantworten.
• „Tue Gutes und sprich darüber.“ Vor allem sinnstiftende Tätigkeiten und kundenorientierter Wandel können zum Thema der Unternehmenskommunikation gemacht werden.
• Die Transformation von Organisationsstrukturen ist ein Marathon, kein Sprint: Der notwendige Kulturwandel und die graduelle Anpassung der informellen Routinen und Rollen braucht Zeit und Vertrauen.
JANOSCH N. STOLLE,
PURPOSE IN PROGRESS, Unternehmensberater, und GEA Group, Global Organizational Change Manager.
„Viele Industrieunternehmen sehen noch keinen Handlungsbedarf“
Deutsche Unternehmen müssen agiler und flexibler werden, um wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben. Bisher verlaufen aber viele Transformationsprojekte im Sande. Traditionelle Strukturen und Sicherheitsdenken behindern die Entwicklung.
Welche Rolle spielt die digitale Transformation beim agilen Organisationswandel?
Die Digitalisierung ist ein Enabler für den Organisationswandel, sie kann agile Transformationsprozesse beschleunigen. Es besteht ein großer Bedarf, auf externe Einflüsse schneller reagieren zu können. Dabei kann die Digitalisierung eine massive Hilfestellung leisten – wenn die Unternehmen dafür bereit sind. Denn umgekehrt funktioniert die digitale Transformation nur, wenn parallel die Organisationsstruktur der Unternehmen angepasst wird. Sonst ist sie nicht nachhaltig.
Die deutsche Wirtschaft ist durch eine starke Industriekultur geprägt. Länder, in denen der Dienstleistungssektor dominiert, sind zumeist offener für diese Transformationsthemen.
Anders als in China oder den USA gibt es bislang in Deutschland kein großes Industrieunternehmen, das in der ganzen Organisation die Hierarchien und Bürokratien abgeschafft hat und sich dezentral organisiert. Liegt das daran, dass sich die ausländischen Erfolgsmodelle für Dezentralisierung nicht auf Deutschland übertragen lassen?
Ein direkter Modelltransfer ist generell nicht möglich, da es keine Universallösung für Organisationen gibt. In Deutschland machen historisch gewachsene Strukturen und eine ausgeprägte Mitbestimmungskultur die Übernahme ausländischer Modelle schwierig. Einige Unternehmen haben mit dem Abbau von Hierarchien und der Implementierung agiler Organisationsformen wie Holokratie experimentiert. Diese Ansätze versuchen, agile Prinzipien mit dezentralen Strukturen zu verbinden, wurden aber oft zurückgenommen, da das Management neben rechtlichen Vorgaben auch traditionelle Strukturen und Sicherheitsbedenken berücksichtigen muss.
Das Beispiel des chinesischen Unternehmens Haier illustriert, dass dezentrale Umstrukturierungen durchführbar sind, allerdings in einem Rahmen, der in Deutschland so (noch) nicht besteht. Der Wandel in deutschen Unternehmen ist langsamer als in Ländern wie China oder den USA, was einen
maßgeschneiderten Ansatz erfordert, der sowohl innovative Organisationsprinzipien integriert als auch den spezifischen deutschen Marktbedingungen gerecht wird. Wir tauschen oftmals „empfundene Sicherheit“ gegen schnelle Adaptivität und Flexibilität ein. Dabei muss sich das nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen.
Heißt das, die Transformation der Unternehmen korrespondiert stark mit dem institutionellen und sozialen Umfeld, in das sie eingebettet sind? Auf jeden Fall. Unternehmenstransformationen sind stark vom umgebenden institutionellen und sozialen Kontext abhängig. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass deutsche Großunternehmen ihre digitalen Start-ups aus Innovation Hubs wie dem Silicon Valley oder Berlin wieder zurück in die traditionelle Konzernstruktur integriert haben. Trotz der Übernahme einiger agiler Methoden kehren sie letztlich zu ihren ursprünglichen Arbeitsweisen zurück. Dies verdeutlicht die Dominanz traditioneller Strukturen in Deutschland, die tiefgreifende Transformationen erschweren. Wenn Unternehmen es nicht schaffen, ihre Strukturen umfassend anzupassen, bleiben Transformationen oft oberflächlich oder kurzlebig. Der institutionelle und kulturelle Rahmen prägt entscheidend, ob und wie Veränderungen nachhaltig implementiert werden können.
Wie können Großunternehmen ihre Organisationen agiler aufstellen? Ist die Idee, sich an der Arbeitsweise von Start-ups zu orientieren, völlig verfehlt? So würde ich das nicht sagen. Dieses komplette Ausgliedern hat zwar bisher oftmals nicht nachhaltig funktioniert, war aber zumindest mit einem Lernprozess verbunden. Die organisatorische Transformation ist vor allem ein Führungs- und ein Kulturthema. Das Topmanagement muss sie mit einem starken Antrieb verfolgen und sich als durchsetzungsfähig erweisen. Dabei sollte es die relevanten Stakeholder vor Ort bestmöglich einbinden und seine „Transformations-Story“ gut kommunizieren, damit den Mitarbeiter:innen klar wird, dass es diesmal um etwas ganz Anderes geht als bei vorangegangenen Transformationsprojekten. Parallel müssen dann die Strukturen geschaffen werden, die diese Transformation stützen und überhaupt erst ermöglichen. Das heißt auch: Personal und Ressourcen zu stellen, die erstmal kostenineffizient sind, aber nachhaltig auch hier deutliche Effizienzgewinne versprechen. Wir müssen hier aufhören, nur von „As Is“ zu „To Be“ zu denken. Vielmehr müssen wir auch klar definieren, wie der Zwischenzustand aussieht.
Jahrzehntelang haben sich die traditionsreichen deutschen Industrieunternehmen in einem ruhigen Fahrwasser bewegt, einer relativ stabilen Marktumgebung. Wie schätzt Du heute in Zeiten der verschiedenen Krisen den Handlungsdruck ein?
Um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, müssen die deutschen Industrieunternehmen nach meiner Einschätzung agiler und flexibler werden. Aber nur da, wo es wirklich Sinn macht, denn zu viel Flexibilität und Unsicherheit können die Innovationsfähigkeit auch behindern. Ziel muss es sein, die Entwicklungszeiten zu reduzieren, denn das wird im internationalen Wettbewerb immer wichtiger. Ansonsten behindern die Organisationsstrukturen den Fortschritt und wir verlieren die Sicherheit und Stabilität, die die deutsche Wirtschaft bisher auszeichnen.
Stichwort Hierarchieabbau: Wie lassen sich denn mit flachen Hierarchien Anreize für die Mitarbeitenden schaffen?
Flache Hierarchien fördern direkte Kommunikation und Entscheidungsfindung, was allen Mitarbeitenden mehr Autonomie und Verantwortung verleiht. Diese Eigenverantwortung kann als starker Anreiz wirken, da sie die Möglichkeit bietet, sich direkt an der Gestaltung von Prozessen und Ergebnissen zu beteiligen. Zudem ermöglichen flache Strukturen eine engere Zusammenarbeit und einen schnelleren Informationsfluss, wodurch das Gefühl der Wertschätzung und Zugehörigkeit bei den Mitarbeitenden verstärkt wird. Indem jede Person sieht, wie ihr Einsatz zum Unternehmenserfolg beiträgt, steigt die Motivation.
Erfordert eine dezentrale Entscheidungsfindung von den Arbeitskräften nicht ganz neue Qualifikationen, die in traditionellen Unternehmen bisher nicht gefördert wurden?
Das ist das Entscheidende. In dezentralen Organisationen müssen die Einzelnen auch bereit sein, unternehmerisches Denken zu übernehmen und sich vielfältiges Wissen anzueignen. Die Fähigkeit dazu müsste eigentlich schon im Studium und in der Ausbildung vermittelt werden. In Großkonzernen läuft bei der Transformation vieles über Vorbilder, vor allem über die Führungskräfte, die bestimmte agile Verhaltensweisen vorleben: kurze Dienstwege, wenig Formalitäten. Auch das Rollenverständnis von Führungskräften muss sich also ändern, sie müssen sich eher als Orientierungsgeber begreifen und die Entscheidungen an die Teams abgeben. Wenn das Topmanagement dieses Führungsmodell vorlebt, kann die organisatorische Transformation nach und nach über das mittlere Management kaskadieren.
Endnoten
und Literaturverzeichnis
Endnoten
1 Vgl. World Economic Forum (2023).
2 Vgl. Milgrom / Roberts (1992), S. 25.
3 Vgl. World Economic Forum (2024).
4 Vgl. Ganschar et al. (2013).
5 Vgl. Brynjolfsson / Mitchell (2017), Brynjolfsson et al. (2018).
6 Vgl. Brynjolfsson / Mitchell (2017), Brynjolfsson et al. (2018).
7 Vgl. Lindbeck / Snower (2000).
8 Vgl. Appelbaum / Batt (1994); Pfeiffer (1994).
9 Siehe auch Muster et al. (2021) für unterschiedliche Perspektiven auf „Formen und Folgen agiler Arbeitsweisen“.
10 Vgl. Laloux (2014).
11 Vgl. Hamel / Zanini (2020).
12 Vgl. Colombo / Delmastro (1999).
13 Vgl. Smeets (2017).
14 Vgl. Fröndhoff (2024); Fröndhoff / Rauffmann (2024).
15 Vgl. Henninges (1996).
16 Vgl. Radner (1992).
17 Vgl. McAfee / Brynjolfsson (2017), S. 325 f.
18 Vgl. Smeets (2017).
19 Vgl. Hayek (1945).
20 Vgl. Polanyi (1966).
21 Vgl. Krippendorff / Garcia (2023).
22 Vgl. Ferdows et al. (2022).
23 Vgl. Krippendorff (2019).
24 Vgl. Krippendorff (2019), Krippendorff / Garcia (2023).
25 Vgl. Kuhn (2011).
26 Vgl. Naranjo-Valencia et al. (2016).
27 Vgl. Outthinker Networks (2023).
28 Vgl. Outthinker Networks (2023).
29 Vgl. Ritala, P. et al. (2020).
30 Vgl. Büschgens et al. (2013).
31 Vgl. Klein et al. (2023).
32 Vgl. Schwaber / Sutherland (2020).
33 Vgl. Williamson (1991).
34 Vgl. Koçak et al. (2023).
35 Vgl. Schwaber / Sutherland (2020).
36 Vgl. UiPath (2021).
37 Vgl. Rasmusen (2007), S. 245.
38 Vgl. Lindbeck / Snower (2000).
39 Vgl. Hamel / Zanini (2020), S. 85 ff.; Krippendorff / Garcia (2023).
40 Vgl. Milgrom / Roberts (1992), S. 179 ff., S. 214 ff. für einen ökonomischen Überblick
41 Vgl. Herr (2017).
42 Vgl. Guszcza / Schwartz (2016).
43 Vgl. Ariely (2016).
44 Vgl. Graeber (2018); Soffia et al. (2022).
45 Vgl. Digital.ai (2023).
46 Vgl. Hamel / Zanini (2020).
47 Vgl. Frey (1994).
48 In der Sozialpsychologie ist dieses Phänomen als „Hidden Cost of Rewards“ bekannt. Vgl. Deci (1971).
49 Vgl. Frey (1994).
50 Vgl. Lindbeck / Snower (2000).
51 Vgl. Müller et al. (2021).
52 Vgl. Autor et al. (2003).
53 Vgl. Müller et al. (2021) für einen Überblick.
54 Vgl. Bughin et al. (2018).
55 Vgl. Williamson (1983).
56 Vgl. Farrell / Rabin (1996).
57 Vgl. Schütz (2022).
58 Vgl. Niskanen (1968).
59 Vgl. Graeber (2018).
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Impressum
Bayer ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit Kernkompetenzen in den Life-Science-Bereichen Gesundheit und Ernährung. Getreu seiner Mission „Health for all, Hunger for none“ möchte das Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen Menschen nützen und die Umwelt schonen –indem es zur Lösung grundlegender Herausforderungen einer stetig wachsenden und alternden Weltbevölkerung beiträgt. Bayer verpflichtet sich dazu, mit seinen Geschäften einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Gleichzeitig will der Konzern seine Ertragskraft steigern sowie Werte durch Innovation und Wachstum schaffen. Die Marke Bayer steht weltweit für Vertrauen, Zuverlässigkeit und Qualität. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte der Konzern mit rund 100.000 Beschäftigten einen Umsatz von 47,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung beliefen sich bereinigt um Sondereinflüsse auf 5,8 Milliarden Euro. Weitere Informationen sind im Internet zu finden unter www.bayer.com/de
Ein Arbeitsumfeld, in dem Entscheidungen von denen getroffen werden, die auch die Arbeit machen. In dem nicht Hierarchien, sondern die Neugierde, Kreativität und Expertise der Mitarbeitenden zählen. Daran arbeitet aktuell die Bayer AG und stellt ihr Organisationsmodell um.
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Das Handelsblatt Research Institute (HRI) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut unter dem Dach der Handelsblatt Media Group. Es erstellt wissenschaftliche Studien im Auftrag von Kunden wie Unternehmen, Finanzinvestoren, Verbänden, Stiftungen und staatlichen Stellen. Dabei verbindet es die wissenschaftliche Kompetenz des 20-köpfigen Teams aus Ökonom:innen, Sozial- und Naturwissenschaftler:innen, Informationswissenschaftler:innen sowie Historiker:innen mit journalistischer Kompetenz in der Aufbereitung der Ergebnisse. Es arbeitet mit einem Netzwerk von Partner:innen und Spezialist:innen zusammen. Daneben bietet das Handelsblatt Research Institute Desk-Research, Wettbewerbsanalysen und Marktforschung an.
Autor:innen: Sabine Haupt, Dr. Frank Christian May, Dr. Hans Christian Müller
Layout: Christina Wiesen, Kristine Reimann
Stand: Mai 2024
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Gendern im Text: Sofern das generische Maskulinum verwendet wird (insbesondere bei Komposita), dient dies allein der besseren Lesbarkeit; grundsätzlich sind alle Geschlechter einbezogen.