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Die Ethnobotanik der Cannabaceae

von Kevin Johann

Über den Hopfen und andere Hanfgewächse

Die Pflanzenfamilie der Hanfgewächse umfasst etwa 11 Gattungen mit insgesamt 170 botanisch gesicherten Arten, von denen Cannabis sativa und Humulus lupulus zweifelsohne am bekanntesten sind. Beide Pflanzen sind seit etlichen Generationen für medizinische, rekreative und rituelle Absichten in Gebrauch und erfreuen sich in den unterschiedlichsten Darreichungsformen auch heute noch einer beständigen Beliebtheit. Daneben wird den Hanfgewächsen eine ganze Reihe weiterer Arten zugeordnet, die zwar nur kaum bekannt, als traditionelle Nutz- und Heilpflanzen aber ebenfalls von hohem ethnobotanischen Interesse sind.

Taxonomie

Lange Zeit bestand die Familie der Hanfgewächse ausschließlich aus den Gattungen Cannabis und Humulus; zugeordnet wurde sie ursprünglich der früheren botanischen Ordnung Urticales (Brennnesselartige). Dies ist heute, infolge einiger molekulargenetischer Untersuchungen allerdings nicht mehr der Fall und so wurden inzwischen alle einstmaligen Urticales-Familien mit insgesamt über 2500 Arten in die Ordnung Rosales (Rosenartige) überführt. Die Erstveröffentlichung des Familiennamens Cannabaceae erfolgte im Jahre 1820 durch den russischen Botaniker Ivan Ivanovic Martinov in seinem Werk „Tekhno-Bot. Slovar“. Die Bezeichnung Cannabidaceae stammt hingegen von Stephan Endlicher und tauchte erstmalig 1837 in seiner „Genera plantarum secundum ordines naturales disposita“ auf. Heutzutage nicht mehr geläufige Synonyme für Cannabaceae MARTINOV sind Cannabidaceae ENDL., Celtidaceae ENGL. sowie Lupulaceae SCHULTZ SCH.

Cannabis sativa - Das weltweit bekannteste Hanfgewächs

An dieser Stelle ausführlich auf die Ethnobotanik von Cannabis einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels um ein Vielfaches sprengen. Wir denken an die jahrtausendealte Verwendung des Hanfes als Faserlieferant oder an seinen Einsatz für Heilzwecke und psychoaktive Rituale, was für zahlreiche Volksgruppen auf dem gesamten Planeten gilt. Es ist aber bereits eine ganze Vielzahl guter und umfassender Bücher geschrieben worden.

Humulus lupulus - Die „Seele des Bieres“ und beruhigendes Phytotherapeutikum

Die weiblichen und grünlichgelben Blütenstände des Echten Hopfens, die sogenannten „Zapfen“, gehören in Europa zu den ältesten volksmedizinischen Naturheilmitteln, wenn es um die Behandlung von Einschlafstörungen, nervöser Unruhe, Angstleiden und leichten Depressionen geht. Sonstige Beschwerden, die von damaligen Kräuterärzten mit Zubereitungen aus den Humulon- und Lupulon-haltigen Zapfen behandelt wurden, waren beispielsweise Erkrankungen der Blasen und Nieren, Fieber, Haarausfall, Magenschmerzen, Menstruationsstörungen und Wunden. Ähnlich in Nordamerika, wo die Pflanze von den Ureinwohnern ebenfalls schon seit langen Zeiten für Heilzwecke eingesetzt wird: zur allgemeinen Beruhigung und Einschlafförderung (Cherokee, Delawaren, Meskwahki), als Fiebermittel (Dakota), bei Nierenerkrankungen (Cherokee), zur Schmerzlinderung (Mohegan) sowie bei Verdauungsstörungen (Dakota).

In der Bierbraukunst wird der Hopfen aufgrund seiner aromatisierenden und konservierenden Eigenschaften genutzt; gemäß des Bayerischen Reinheitsgebotes gehört er zu den vier elementaren Bierzutaten (neben Malz, Hefe und Wasser). Viele Braumeister bezeichnen die Pflanze häufig als die „Seele des Bieres“, durch die das Getränk seinen bitteren und der Malzsüße entgegen gerichteten Geschmack erhält. Zudem wirkt Hopfen leicht libidosenkend, worüber sich damals besonders die in sexueller Enthaltsamkeit lebenden Mönche freuten. RÄTSCH (1998: 270) schreibt in diesem Zusammenhang: „Die keuschen Männer tranken riesige Mengen Bier, um den Versuchungen des Teufels zu widerstehen.“ Als sakrale Ritualpflanze ist der Hopfen in Europa nur bedingt von Bedeutung; weitaus wichtiger ist seine Verwendung als Heilmittel. Vereinzelt wurden die Zapfen, die pflanzenastrologisch den Planeten Mars und Merkur und ferner dem Element Wasser zugeordnet werden, als Zutat von beruhigenden und geistklärend wirkenden Räuchermixturen verwendet. Über die Medizinmänner und -frauen der nordamerikanischen Omaha-Indianer heißt es, dass sie den Hopfen, zusammen mit dem Nachtschattengewächs Physalis heterophylla (engl. Clammy ground cherry) und dem Doldenblütler Osmorhiza longistilis (wilder Anis), zu ihren wichtigsten pflanzlichen Verbündeten gezählt und im Rahmen ihrer Heilzeremonien verwendet haben. Dazu wurden die drei Pflanzen zunächst zu einem Brei zerkaut und anschließend auf die zu behandelnden Körperstellen gespuckt.

Humulus japonicus (Syn. H. scandens), der Bruder des Echten Hopfens, ist in Asien und inzwischen auch in Teilen Nordamerikas verbreitet und in der Japanischen Volksheilkunde zur Behandlung von Harnwegserkrankungen bekannt. Das aus den Samen gepresste Öl dient traditionell der Herstellung von Seifen. Da sich die chemische Zusammensetzung der beiden Humulus-Arten stark unterscheidet, wird zur Bierherstellung ausschließlich Humulus lupulus verwendet; der Japanische Hopfen (auch Wilder Hopfen genannt) ist für diese Zwecke ungeeignet.

Weitere Hanfgewächse im Kurzporträt

Aphananthe aspera: (engl. muka tree) Dieser Baum ist in China eine wichtige Quelle für die Schleifpapierherstellung. Aus den Borkenfasern werden Seile erzeugt.

Aphananthe cuspidate: (chin. dian cao ye shu) Die Rinde dieser Aphananthe-Art wird in Indien und Sri Lanka ethnomedizinisch als Mittel zur Blutreinigung und Juckreizlinderung verwendet. Appliziert wird sie innerlich, meistens in Kombination mit Zitronensaft.

Celtis africana: (engl. white stinkwood) In Afrika werden Blätter, Rinde und Wurzel dieses Baums traditionell als Heilmittel verwendet: die zerstoßene Rinde beispielsweise zur Linderung von Fieber, Kopfschmerzen und allgemeinem Unwohlsein, während eine Blattabkochung zur äußerlichen Behandlung wunder Augen eingesetzt wird. Die faserige Rinde ist ein beliebtes Ausgangsmaterial für die Herstellung von Seilen. Aus dem harten und zähen Holz werden Axtgriffe, Bretter und Eisenbahnschwellen u.a. erzeugt.

Chaetacme madagascariensis: (engl. thorn elm) Die Wurzel der „Dornigen Ulme” ist in der afrikanischen Naturheilkunde als Abführ- Schmerz sowie als Lungenmittel bekannt; Blätter und Rinde werden von afrikanischen Heilern zur Behandlung von Nasen- und Rachenerkrankungen verwendet. Das Holz dient der Anfertigung von Kunsthandwerk, Musikinstrumenten und Spielzeug.

Gironniera nervosa : (may. hampas) Die kleinen gelben Früchte sind in Südostasien ein beliebtes Nahrungsmittel. Das Holz wird als Baumaterial verwendet. Gironniera subaequalis: (engl. greater rough laurel) Die Blätter sind ethnomedizinisch als „Wochenbettmittel“ von Relevanz. Aus dem Holz werden bevorzugt Möbel und aus den Borkenfasern Zellwolle hergestellt.

Trema cannabina: (chin. guang ye shan huang ma) Das Samenöl wird in weiten Teilen Asiens zur Herstellung von Schmiermitteln und Seifen genutzt. Aus den robusten Fasern werden Papier und Seile erzeugt.

Pteroceltis tatarinowii: (engl. blue sandalwood) Aus den Borkenfasern dieser in China heimische Spezies wird das sogenannte Xuan-Papier hergestellt. Aus den Samen wird Öl gewonnen.

Trema cannabina: (chin. guang ye shan huang ma) Das Samenöl wird in weiten Teilen Asiens zur Herstellung von Schmiermitteln und Seifen genutzt. Aus den robusten Fasern werden Papier und Seile erzeugt.

Trema orientalis: (engl. charcoal-tree) Diese Trema-Art ist in Afrika gleichermaßen als Heilpflanze sowie als Nahrungsmittel von Bedeutung. Abkochungen aus den Blättern, Zweigen sowie der Rinde werden ethnomedizinisch bei Atemwegserkrankungen, Durchfall, Gelbfieber, Halsschmerzen, Vergiftungen und Zahnschmerzen eingesetzt - als Bad, Getränk, Gurgelmittel, Inhalation oder Lotion. Stammeszugehörige der Zulu bereiten die Blätter als Spinat zu und essen diese.

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