Baselitz Essay (Dt)

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GeorG Baselitz Damals,  Dazwischen unD heute


P r E St E l

München · London · New York

Herausgegeben von Ulrich Wilmes Mit Beiträgen von Georg Baselitz, Eric Darragon, Okwui Enwezor, Michael Semff, Katy Siegel und Ulrich Wilmes

GeorG Baselitz Damals, Dazwischen unD heute


Okwui Enwezor 6

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Vorwort Georg Baselitz im Gespräch mit Okwui Enwezor Ulrich Wilmes

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tiefe dunkle Zeit Katy Siegel

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Doppelt positiv. Nicht dafür, nicht dagegen, nicht nein – Georg Baselitz Eric Darragon

144

Avanti passato! Schwarze Skulpturen, Erinnerung, Hintergrundgeschichten Michael Semff

184

Die dunkle Seite. Gedanken zu neuen Gemälden von Georg Baselitz Georg Baselitz

200

Damals, dazwischen und heute

208

Anhang Werkliste Biografie

inhalt


e

ines der bestimmenden Wesensmerkmale der Werkentwicklung von Georg Baselitz ist seine historische Reflexivität, deren Bedeutung sich in zuneh-

mendem Maße auszudehnen scheint. Diese eröffnet ihm in vielfacher Hinsicht erweiterte Möglichkeiten des Sich-Rückbeziehens. Das betrifft sowohl sein ausgeprägtes Bewusstsein für die historischen Zusammenhänge, die seine Biografie durchdrungen und damit nachhaltig beeinflusst haben, als auch seine künstlerische Praxis, die seine Zeitgenossenschaft aus der Infragestellung seiner eigenen Geschichte vorwärts treibt und dem Risiko einer Neudeutung aussetzt. Seine Auffassung von der Funktion und Bedeutung des Bildes beinhaltet sowohl seine kunsthistorischen als auch seine zeitgenössischen Bedingungen, die er in einem fortlaufenden, unumkehrbaren Prozess ständiger Regeneration und Erneuerung begreift, dessen Ergebnisse vom Künstler folglich niemals als abgeschlossen betrachtet werden. Baselitz hat sich im übertragenen Sinne immer als ein Immigrant gesehen, der sich unfreiwillig aus seiner biografischen wie seiner künstlerischen Heimat vertrieben sah. Nach seiner Verweisung von der Ost-Berliner Akademie der Künste betrat er mit seiner Entscheidung, 1957 an der West-Berliner Hochschule für Bildende Künste zu studieren, ein unbekanntes Land. Er war auf seiner Suche nach einem dritten Weg außerhalb der sehr narrativen Ausrichtung des Sozialistischen Realismus einerseits und der gegenstandslosen tachistischen Malerei andererseits, die für den jungen widerspenstigen, aufbegehrenden Maler beide die Antithesen des Mainstreams repräsentierten. Mit dem ihm eigenen respektlosen Selbstbewusstsein strebte er nach einer künstlerischen Ausdrucksform, die die stereotypen formalen Kategorisierungen herausfordern konnte. Aus diesem Geist des Widerspruchs entwickelte er eine provokative Haltung, die gegen konformistische Fremdbestimmungen des Betriebs agierte.

Ulrich Wilmes

tiefe Dunkle zeit


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ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

Baselitz nimmt in seiner malerischen Praxis die Perspektive eines ›neu-

malen, das für sich selbst steht. … Ich fange mit einer Idee an, aber während

tralen Erzählers‹ ein, der aus seinem Werk heraustritt und von außen, quasi neu-

des Arbeitens übernimmt das Bild die Führung. Dann findet eine Auseinander-

tral, in eine erlebte Situation hineinwirkt. Die Wiederaufnahme bereits vor Jahren

setzung statt zwischen meiner vorgefaßten Bildidee und dem Bild, das um sein

und Jahrzehnten entworfener und bearbeiteter Gegenstände löst sie aus ihrem

Eigenleben kämpft.«1

historischen Hintergrund heraus, zu einem Zeitpunkt, da die Relevanz des The-

Das Aufbegehren gegen den Konformismus weist wiederkehrend hinein in

mas in eine neue, unabsehbare Perspektive tritt, die der Maler für unerlässlich

Zeitenwenden, in denen sich vor dem Hintergrund einschneidender politischer

erachtet. Er ist sich dabei des Risikos bewusst, dem er seine Werke aussetzt, ja

und gesellschaftlicher Umwälzungen ebenso radikale Veränderungen der ästhe-

er provoziert das Risiko, dass mit dem Neuansatz die historische Bedeutung des

tischen Verfassung der Kunst vollzogen. Für die zur Rede stehende Betrachtung

Werks eingeschränkt wird, in dem Sinne, dass die aktuelle Lesart des Gegen-

der Arbeit und Werkentwicklung von Georg Baselitz soll die Haltung des Malers

stands die Deutung der ursprünglichen Darstellung überwuchert. Insofern ver-

in Zeiten des Übergangs von moderner zur zeitgenössischen Kunst als maß-

bietet sich die Frage nach dem Gegenstand, so er sich erst heute aufgedrängt

geblicher Wegweiser dienen. Und damit wird folgerichtig seine Beziehung zum

hätte. Die Frage nach der Erzählperspektive des Malers, der sein eigenes Werk

Manierismus anzusprechen sein, die nicht von ungefähr seine künstlerischen

einer Revision aussetzt, erscheint hier auch in Bezug auf die Wahl seiner Motive

Überzeugungen und Behauptungen nachhaltig angeregt hat. Der historische

(Figur, Adler, Porträt, Gruppenbild, Aktdarstellung) sowie der aufgezeigten

Bogen, der vom 16. zum 20. Jahrhundert geschlagen werden kann, basiert auf

kunsthistorischen Referenzen bedeutsam. Baselitz hat stets die Motivation, die

dem Begriff der Moderne, der historisch zweifellos aus unterschiedlichen Per-

ihn veranlasst, sich einem Thema zu stellen, in den Bereich des Persönlichen ver-

spektiven hergeleitet werden kann, ebenso wie der Begriff des Manierismus im

wiesen. Es ist seine Methode, die Dinge einer erzählerischen Sinngebung durch

Laufe seiner kunsthistorischen Diskussion widersprüchlich erschlossen wurde.

den Betrachter zu verschließen und auf ihre Funktion als Bild zu beschränken.

Der geistesgeschichtlich-philosophische Ansatz der Moderne als Umbruch ent-

Die Doppelbödigkeit dieses Unterfangens ist dabei durchaus beabsichtigt, weil

gegen den Traditionen in allen Lebensbereichen gründet im Übergang vom

sie die unterschiedlichen Perspektiven des Malers und des Betrachters in ihrer

15. zum 16. Jahrhundert auf dem Humanismus der Renaissance und der Refor-

Beziehung zum Bild als selbstverständlich voraussetzt.

mation, wohingegen eine ästhetisch-künstlerische Ausprägung erst mit dem

»Ich möchte einen persönlichen Inhalt, aber er sollte durch die Malerei

ausklingenden 19. Jahrhundert festgeschrieben scheint und mit dem späten

erzeugt werden. Ich wollte typische Bildgegenstände verwenden, wie Land-

20. Jahrhundert an ihr Ende gekommen ist. Dieser geläufigen Auffassung histo-

schaften, Akte und Portraits, weil sie Standardsujets sind. Man muß je etwas

rischer Zusammenhänge hat sich Baselitz aus der Entwicklung seiner eigenen

malen, aber es geht darum, nicht mit etwas Persönlichem anzufangen. Man

bildnerischen Praxis heraus widersetzt. War es anfangs weniger eine fundierte

muß den Willen, die Stärke besitzen, den Inhalt zu verneinen, um ein Bild zu

als eine empathische Ahnung, ein unbewusster Reiz, so wuchs sich diese seit

Abbildung S. 54

Negativ weiter links, 2004


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den anschaulichen Erfahrungen seines ersten Italienaufenthalts 1965 zu einer ideellen Wahlverwandtschaft aus. Die Beziehung von Baselitz zur Epoche und zu den Künstlern des Manierismus zeigt sich nicht augenscheinlich in direkter Bezugnahme. Vielmehr sieht er sich in einer Art Wahlverwandtschaft, weil sich die Künstler des 16. Jahrhunderts in einem vor-modernen Habitus von den Idealen einer ›klassischen‹ Formensprache in mehr oder minder radikaler Weise abgewandt haben, sich damit gegen die Festschreibungen einer kanonischen Bildkunst auflehnten, die sie als überkommen empfanden. Die Maler der ersten Generation der Manieristen in Florenz, mit Rosso Fiorentino und Jacopo Pontormo, wurden von Giorgio Vasari in seinen Lebensbeschreibungen als unstete und ausschweifende Charaktere dargestellt, die sich rosso Fiorentino, Bacchus, Venus und Amor, 1530 / 31

künstlerisch radikalisierten. Die Einnahme einer peripheren, distanzierenden Perspektive, aus der die Manieristen sich von den Zwängen ihrer Zeit lösten, um sich an den Vorgaben der Genies Michelangelo und Raffael zu vergehen, interessierte Baselitz. Und nicht zuletzt waren es die Parallelen extremer zeitbedingter Krisensituationen, die Triebkräfte freisetzten, die für den Maler die Voraussetzung für einen innovativen Schub lieferten. Den Hintergrund solcher zeitgeschichtlichen Vergleichsmomente bilden sicher die sowohl für das 16. als auch das 20. Jahrhundert folgenreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, die in tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen mündeten. Zwischen 1494 und 1559 war das Gebiet des heutigen Italien zu einem großen Teil das Schlachtfeld für Auseinandersetzungen, in die viele der mächtigeren europäischen Staaten verwickelt waren. Hinzu kamen die mit der erlöschenden

Jacopo Pontormo, Der Heilige Hieronymus als Büßer, um 1528 / 29

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Zero, 2004


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Renaissance einhergehende Reformation und Gegenreformation, deren Brüche im

1950er-Jahren, als Baselitz nach einem Weg für seinen künstlerischen Neuanfang

verfestigten Glaubensbild durch die Zeitenwende zum kopernikanischen Weltbild,

suchte. Dabei war es vor allem Gustav René Hockes Darstellung Die Welt als

das die Erde aus dem Zentrum des Universums an seine Peripherie rückte, ent-

Labyrinth3, in welcher der Autor einen Begriff des Manierismus entwickelt und

scheidend verstärkt wurden.

dessen Wirkung bis in die Moderne verfolgt.

Demgegenüber vollzog das 20. Jahrhundert eine durchgreifende Neu-

Diese anregende Aufmerksamkeit verfestigte sich mit Baselitz’ Aufenthalt

ordnung der politischen Landschaft von monarchistischen zu materialistisch

in Florenz vor den Originalwerken von Rosso Fiorentino und Jacopo Pontormo.

determinierten bürgerlichen Systemen, deren Vorherrschaftsansprüche in den

Dabei kommt dem Begriff der »maniera« eine wesentliche Funktion zu. Seine

»Urkatastrophen« zweier Weltkriege ausgefochten wurden. In ihrem Zentrum

ambivalente Bedeutung im Sinne einer Dialektik von Haltung und Stil scheint

stand der Widerstreit der totalitären Ideologien von Kommunismus und Faschis-

Baselitz’ Selbstwahrnehmung als ungebundene künstlerische Existenz nahezu-

mus, der nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus zur Teilung eines

kommen. Was mittelbare formale und inhaltliche Bezugnahmen anbetrifft, hat sie

völlig zerstörten Deutschlands führte, das damit zur Nahtstelle des Kalten

der Künstler selbst in erster Linie in der in unmittelbarer zeitlicher Nähe entstan-

Krieges wurde.

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

denen Werkgruppe der Helden gesehen, mit ihren disproportionierten Figuren in

Der kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geborene Baselitz

trostlos verlassenen Landschaften. Thomas Röske hat jedoch in seiner für diesen

suchte in der Konfrontation dieser Nachkriegsordnung eine befreiende Orien-

Komplex nach wie vor bemerkenswerten Studie über Baselitz’ Sammlung manie-

tierung ohne festgeschriebene Denkbilder. Rund fünfzig Jahre später beschrieb

ristischer Druckgrafik4 diesen Aspekt relativiert, andererseits jedoch Siegfried

er diesen Zustand des Verlusts und der Desillusionierung, die sich als eine Art

Gohrs Anmerkung5 zu kompositionellen Übereinstimmungen hervorgehoben. In

Glaubenssatz in ihm erhalten hat: »Es gibt heute keine Ideale. Ich bin in eine zer-

der Tat erscheinen die geäußerten Hinweise auf die perspektivische Verdichtung

störte Ordnung hineingeboren worden, in eine zerstörte Landschaft, in ein zer-

des Bildraums einen entscheidenden Zugang zu öffnen, der über die Fraktur-Bil-

störtes Volk, in eine zerstörte Gesellschaft. Und ich wollte keine neue Ordnung

der bis in die aktuelle Produktion der Negativ- und Schwarzen Bilder nachvoll-

einführen. Ich hatte mehr als genug sogenannte Ordnungen gesehen.«2

ziehbar ist. In ihnen erscheint der Bildraum durchaus im Konsens mit Rossos

Allein in dem Willen zur Zerstörung der klassischen Ideale, die den Manie-

Auffassung, den Raum nicht als perspektivische Konstruktion und als Handlungs-

risten der einzig gangbare Weg war, empfindet Baselitz als dezentriertes Sub-

raum, sondern als komprimierten Rahmen für die statisch erstarrten Konfigura-

jekt der Moderne eine Verwandtschaft, während er formale Bezugnahmen immer

tionen anzulegen.

bestritten hat.

Georg Baselitz, Meißener Waldarbeiter, 1969

Georg Baselitz, Der neue Typ, 1966

Darüber hinaus führt Röske aus, dass Baselitz’ Versuche zu einem Neu-

Die positive Revision der lange Zeit als Antiklassik verschmähten Epo-

ansatz figurativer Darstellung darauf zielten, die akademischen Konzepte von

che hatte zwei Höhepunkte, zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in jenen

Repräsentation und Abstraktion »in einer Form von gegenständlicher Malerei


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aufzuheben, welche die Eigenständigkeit der materiellen Gestaltung (im Sinne des Informel) dem Motiv gegenüber weitgehend bewahrte«.6 Dabei inspirierten Baselitz – wie im Pandämonischen Manifest angezeigt – die manieristische »Übersteigerungssucht« und »Demonstranz« in ihrer Körpersprache, weil diese nicht allein aus einer hyperartifiziellen Aushöhlung des Wirklichkeitsbezugs resultierte, denn aus einer Reflexion bestehender Bildideale, die nach deren Überwindung strebte. In »Manier« und »Manie« – wie es im Untertitel von Hockes Welt als Labyrinth auch steht – nahm Baselitz eine Haltung ein, die seiner eigenen Auffassung über die verkrusteten Gesetzmäßigkeiten der gängigen Kunstpraxis entsprachen, insofern er solche Vorschriften als absurd und völlig überholt erachtete. Röske sah in Hockes »geschichtsübergreifendem Manierismuskonzept« einen wesentlichen Beweggrund für das generell aufflammende Interesse (der Kunstgeschichtsschreibung und -theorie) an dieser Periode und dem von ihr ausgehenden Hang zum Abnormen, das in die zeitkritischen Tendenzen der 1960er-Jahre einbrechen konnte, weil darin Vergleichsmomente zur Aktualität des von militärischer Aufrüstung und atomarer Abschreckung begleiteten ideologischen Wettstreits der Systeme erkannt wurde. Eine künstlerische Aufwertung erfuhren die bis dato Außenseiter der europäischen Hochkunst zudem durch André Breton, der sich neben anderen auch auf die Vertreter der Schule von Fontainebleau als »Vorläufer« des Surrealismus berief, und »sollte solche Vorläuferschaft Baselitz tatsächlich nicht bewußt gewesen sein, wäre sie Zeugnis einer erstaunlichen untergründigen Kommunikation der Kulturen in der Nachkriegszeit«.7 Tatsächlich fand dieser erst in Florenz zu der Einsicht, »daß die Haltung, die ich bezogen hatte, falsch war«,8 und bezeugt damit seine Auseinandersetzung mit dem Manierismus als Teil eines wesentlichen Erkenntnisprozesses, den er in den

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Hembel, 2004


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1960er-Jahren durchlaufen hatte und der sich in seinen Manifesten dieser Zeit Bahn brach. In der Moderne des 20. Jahrhunderts ist die Befragung des Abstrakten in seinem Verhältnis zur Repräsentation eine solch wegweisende Affäre, dass ihr auf verschiedenen Haupt- und Nebenwegen nachgegangen wurde. Strategien der Destruktion und Konstruktion führten aus entgegengesetzten Richtungen zur Überwindung der Darstellung und zur Erschaffung von Inhalten, die allein aus den formalen Mitteln heraus erstehen. Die Kunst der Nachkriegszeit – in die Georg Baselitz hineinwuchs – war gekennzeichnet durch eine Radikalisierung der tradierten Anschauungen des Bildes, die, in Amerika programmatisch formuliert, zeitgleich auch in Europa ihre Wirkung entfaltete. Den Abstrakten Expressionismus (Pollock, de Kooning, Newman, Rothko) und das Informel (Wols, Mathieu, Schultze, Götz) vereinte die Absicht, die Vorstellung vom Tafelbild als formaler Ganzheit aufzuheben, um jeden Illusionismus auszulöschen zugunsten einer explosionsartigen Erweiterung der Rahmengrenzen in den Außenraum bzw. einer Implosion der ausgeloteten äußeren Grenzen in ein unergründliches Inneres. Pollocks Aufhebung der Figur-Grund-Beziehung in ein scheinbar chaotisches Liniengeflecht, das sich ohne Komposition in einer unhierarchischen Struktur ausbreitet, wird von Newmans Entgrenzung der Farbe, die durch eine eindimensionale Blicksteuerung zur Unüberschaubarkeit gesteigert wird, komplementiert. Dem stehen die poetisch-selbstverleugnenden Schöpfungen von Wols gegenüber, in dessen bildlichen Organismen das Stoffliche um ein strukturelles Zentrum herum aufgelöst wird, und die exhibitionistischen Auftritte Georges Mathieus, die die malerische Aktion als performative Bildfindung stilisieren.

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Die rote Fahne 65 (remix), 2007


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Unter dem Titel Die neue amerikanische Malerei fand 1958 eine Ausstel-

deutschem Boden das legitime Gegenmodell zur Überwindung der faschisti-

lung in der Hochschule für Bildende Künste in Berlin statt. Die vom New Yor-

schen Vergangenheit beanspruchen durfte. Der von beiden Lagern behauptete

ker Museum of Modern Art organisierte propagandistische Übersichtsschau,

Überlegenheitsanspruch wurde auf allen gesellschaftlich relevanten Feldern aus-

die durch mehrere europäische Städte reiste, zeigte über eine Laufzeit von vier

getragen (Wirtschaft, Wissenschaft, Raumfahrt, Kultur). Georg Baselitz, der in

Wochen 81 Werke von 17 Malern, darunter alle bereits erwähnten Hauptvertre-

das Regime des Nationalsozialismus hineingeboren wurde und im sozialistischen

ter des Abstrakten Expressionismus. Dem jungen Baselitz bereitete diese Begeg-

Arbeiter- und Bauernstaat der DDR aufwuchs, war von dieser ideologischen Kon-

nung ein Schockerlebnis, das ihn schlagartig mit einer ihm bis dato unbekannten

frontation der deutschen Vergangenheit und Gegenwart der Nachkriegszeit der-

Haltung konfrontierte, die auf einer Vorstellung von Freiheit basierte, die gren-

maßen abgeschreckt, dass er sich nie wirklich davon befreien konnte, vielmehr

zenlos schien:

hat er sich fortgesetzt zu dieser Prägung bekannt:

»… an Pollocks Bildern gab es nichts zu rütteln. Trotzdem hatte Pollock an

»Ich habe sieben Jahre Krieg erlebt. Nach 1945 war der Teil Deutschlands,

der Akademie nur wenig Einfluß, insbesondere bei den jüngeren Studenten. De

in dem ich aufwuchs, von Russen besetzt; dann schickte man mich in den von

Kooning hatte viel größeren Einfluß, denn diese Malerei war europäisch, oder

Amerikanern besetzten Teil. Es war als ob die Kinder für die Dummheiten ihrer

im Ursprung europäisch, und in den bildlichen Mitteln leichter zu begreifen. Der

Väter bestraft würden.«

wichtigste Aspekt der de Kooning-Bilder zu jener Zeit war Ausdruck, Expression –

Diese Situation und die aus ihr erwachsene Aversion, »Befehle von oben

die Karikatur einer Frau, die gemalt worden war – ihr grässlicher Ausdruck. Sie

zu akzeptieren«, macht Baselitz letztlich für seine Aggressivität verantwortlich,

zeigte ihre Zähne, und das war ausschlaggebend.«9

die ihn lange Zeit antrieb: »In Deutschland wechselten die Befehle von einem Teil

Dennoch erlebte Baselitz diese Erfahrung als Auslöser einer Frustration,

des Landes zum nächsten, aber es waren immer noch Befehle – angeblich, um

insofern alle denkbaren Möglichkeiten der Anknüpfung verbaut schienen:

eine neue Gesellschaft aufzubauen. Aber das war nicht meine Sache.«11

»Ich fand diese Bilder so überwältigend, so unglaublich unerwartet, so

Vor diesem Hintergrund durchschaute Baselitz die Ausstellung – bei allem

anders als die Erfahrung meiner eigenen Welt zu dieser Zeit, dass ich vollkom-

Eindruck, den sie zweifellos auf ihn gemachte hatte –, ihre Stilisierung des unter

men verzweifelte, weil ich dachte, ich würde nie und nimmer so gut sein können

der eskalierenden Doktrin des Kalten Krieges geführten Diskurses über die

wie diese Maler.«10

Grundsatzfrage von Abstraktion und Repräsentation als eine Auseinanderset-

Die propagandistische Funktion der Ausstellung wurde in Berlin durch

zung über die Autonomie der Kunst. Die durch die einseitige Orientierung des

die Wahl einer Kunsthochschule als Ort der Präsentation sinnfällig bestätigt.

Kunstbetriebs an den angloamerikanischen und die von ihm gezeigten aktuellen

Sie spiegelte die Konfrontation der beiden Gesellschaftssysteme wider, die

Tendenzen der Malerei dienten der Propagierung der »Abstraktion als Weltspra-

auf gegensätzlichen Ideologien beruhten, welche sich darum stritten, wer auf

che«, die zum Synonym der Freiheit erhoben wurde, während gegenständliche Willem de Kooning, Woman I, 1950 – 1952

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Repräsentation mit der funktionalen Vereinnahmung der Kunst durch ein wie auch immer geartetes System gleichgesetzt wurde. In der Abstraktion sah Werner Haftmann »die unmittelbarste Weise der Konfrontation mit der Wirklichkeit und den Tatsachen des Daseins …, die dem menschlichen Geschlecht je möglich war«, wohingegen »die ganze große Domäne der Auseinandersetzung mit den optischen Erscheinungsbildern der Gegenstandswelt nur noch schwache Impulse herzugeben vermag«.12 Clement Greenberg ging noch weiter, insofern er den Höhepunkt einer radikalen Ausformung von Selbstreferenzialität und Autonomie um die Mitte des Jahrhunderts bereits überschritten sah. Dabei lag für Greenberg »das Wesen des Modernismus« darin, »dass die spezifischen Methoden einer Disziplin zur Kritik dieser Disziplin verwendet werden – und zwar nicht, um sie aus den Angeln zu heben, sondern um sie in ihrem Zuständigkeitsbereich noch sicherer zu verankern«.13 Diese Eigenkritik, aus der heraus die Malerei sich einer Selbstreinigung unterziehen sollte, resultierte aus einer Reinheit der Form und des Ausdrucks und führte ihn zu dem Schluss: »Die rein bildhaften oder abstrakten Eigenschaften des Kunstwerks sind die einzig gültigen. Betont man das Medium und seine Schwierigkeiten, dann rücken die eigentlichen, die rein bildhaften Werte der bildenden Künste sofort in den Vordergrund.«14 Der Rückzug aus der Gewissheit eines wiedererkennenden Sehens konfrontierte die Malerei mit dem Problem, wie sie dieser veränderten Wahrnehmungspraxis begegnen sollte. Die Frage nach dem Bildgegenstand erfuhr eine existenzielle Bedeutung, die eine Infragestellung der eigenen Legitimation heraufbeschwor. Diese betraf die immanenten Probleme des Mediums, das

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Vorwärts Wind (remix), 2007


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sich seiner ursprünglichen Darstellungsfunktion enthoben sah. Und die Konse-

Laufe des Entstehungsprozesses von den Intentionen des Malers und gewinnt

quenz, die die Kunst um 1960 daraus zu ziehen bereit war, hat als »Ausstieg aus

seine eigene Existenz.

dem Bild« längst ihre kunsthistorische Formel gefunden – eine Konsequenz, der

»Um die Malerei für Dich selbst neu zu erfinden, musst Du das Offensicht-

Georg Baselitz (neben anderen Malerkollegen) aus unterschiedlichen Beweg-

liche und das Nebensächliche gleichzeitig ansprechen, das Vorhersehbare auf-

gründen vehement widersprechen musste.

brechen, indem man macht, was die Leute nicht ansehen wollen.«15

Der Zustand öffentlicher Infragestellung der Malerei als Medium der zeitge-

Es muss dem Maler darum gehen, sich von bereits bestehenden Bildern

nössischen Kunst bildete eine extreme Herausforderung, in besonderem Maße

abzuwenden. Baselitz’ Methode für diesen Eliminierungsprozess ist die Erzeu-

für jene Maler, die der Figuration verpflichtet waren.

gung von Dissonanzen, die den Betrachter auf unbekanntes Terrain führen.

Den »rein bildhaften Eigenschaften« nachzuspüren, entsprach durchaus Baselitz’ Vorstellungen von der Funktion zeitgenössischer Malerei und

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Dennoch überraschen die Bilder Baselitz häufig mit ihrem unbeabsichtigten Gleichgewicht:

lieferte einen entscheidenden Impuls für seinen bildnerischen Ansatz. Allein

»Die Harmonie, als Verzweifelung taucht die auf. Ich arbeite ausschließ-

er war nicht einsichtig in die Notwendigkeit der Gegenstandslosigkeit, die

lich mit Disharmonien. Wenn ich einen roten Punkt links mache, dann mache ich

der Greenberg’schen Doktrin des Abstrakten Expressionismus offenbar folgte.

den roten Punkt rechts nicht, sondern einen grünen. Und wenn ich oben links

Baselitz’ Begriff von Malerei radikalisierte sich vielmehr exakt an der Theo-

ein Dreieck male, mache ich garantiert rechts unten keins. Ich ordne eigentlich

rie des Bildes, an der Schnittstelle von Abstraktion und Gegenständlich-

alles, was ich tue, nach dem Prinzip der Disharmonie, nach der Unausgewogen-

keit. Dort empfand er den Widerstand gegen jede Form von Konformismus

heit, nach dem der Zerstörung. Und das Unglück, wirklich das große Unglück:

als die eigentliche Triebkraft zur Hervorbringung neuer Seherfahrungen auf

die Harmonie stellt sich ein, immer wieder so. Wenn Sie das jetzt so feststellen,

der Grundlage einer zeitgenössischen Haltung, mit der er sich als Individuum

daß Sie sagen: Meine Bilder sind harmonisch, dann kann ich nur sagen: Bravo.

und kollektives Wesen begreift – aufgrund dessen er die Verabsolutierung

Aber die Absicht, oder der Weg dahin, der ist anders.«16

der Gegenstandslosigkeit als Fortschrittlichkeit als den Konformismus des

Das Konzept der Untersuchung basiert auf spezifischen Themen, die in

herrschenden Zeitgeistes vehement verwarf. Der Gegenstand dient Baselitz

der Werkentwicklung von Baselitz eine exponierte Stellung einnehmen und im

rein als Anlass des Bildes, er ist nicht Zweck der Darstellung, daher scheint ihm

Zusammenhang mit der Produktion der Schwarzen Bilder von 2012 / 13 und der

das Motiv beliebig.

in ihrem Kontext entstandenen großen Bronzeskulpturen stehen. Dabei wer-

Die Entscheidung für die Wahl eines Gegenstandes folgt persönlichen Nei-

den sie im Einzelnen um das Adler-Motiv, die Standfigur und das Figurenpaar,

gungen und Anteilnahmen, die für den Betrachter ohne Belang scheinen. Im Vor-

das Porträt und die Aktdarstellung in die Betrachtung einbezogen. Die Untersu-

dergrund stehen die Bedingungen, die das Bild stellt. Dabei entfernt es sich im

chung stellt die Frage in den Vordergrund, nach welchen wie immer gedachten


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aktuellen bildnerischen Überlegungen und Interessen Baselitz sich für die Wiederaufnahme eines Gegenstandes entscheidet, an dem er sich bereits Jahre und Jahrzehnte zuvor abgearbeitet hat. Bei einer Wiederaufnahme werden die Motive von Baselitz auf der Grundlage seiner Werkentwicklung durchdekliniert. Das heißt, das Motiv wird nicht nur einer Neubetrachtung unterzogen, sondern aus vielfachen Perspektiven neu ergründet. Fünf Gemälde aus den Jahren 1965 bis 1977 definieren fünf zentrale Bildgegenstände, die solch grundlegenden Raum in Baselitz’ Werkentwicklung einnehmen, dass er beizeiten auf die Auseinandersetzung mit ihnen zurückgekommen ist. Die großen Freunde (Abb. S. 14 / 15) aus dem Jahr 1965 besitzt eine ikonische Bedeutung in Baselitz’ Gesamtwerk. Es besetzt im Kontext der Serie der Helden-Bilder die Position eines Abgesangs, der vom Maler selbst durch einen manifesten Text zementiert wurde und in der Literatur vielfach die Grundlage eingehender Analysen bildete: »Angesichts einer existentiellen Verlassenheit, ausgelöst durch unbeeinflussbare historische Kräfte, erscheinen diese Anti-Helden wie obdachlose Hirten, verteidigungslose Partisanen und Rebellen. … Das programmatische Bild Die großen Freunde bestätigt diese Lesart, insofern seine Dimensionen einem Altarbild entsprechen. Wie zeitgenössische Heilige sind sie gegen einen Hintergrund aus apokalyptischen Ruinen gestellt, zeigen die zwei Figuren – ihre militärischen Uniformen zerrissen, ihre Hosenschlitze geöffnet – ihre Wunden und Gesten in Richtung kollaborativer und idealer Kreativität.«17 Der selbstreflexive Charakter, der den Gemälden dieser Zeit unterstellt wird, lässt sich auf Baselitz’ aggressive Abwehrhaltung in der repressiv-konservativen

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Moderner Maler (remix), 2007


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Nachkriegszeit zurückführen, die in seiner Lage keinen Raum bot für Abwei-

erschließt. Die Perspektive ist frontal, die Pose dezent, im phy-

chungen vom Konsens – sowohl in gesellschaftlicher als auch in künstlerischer

sischen wie im psychologischen Sinn zurückgenommen. Die zuvor

Hinsicht.

erwirkte Umkehrung des Motivs schuf die Voraussetzung dafür,

Das Bild vermittelt den monumentalen Eindruck eines Antiheldentums,

Porträts zu malen, weil sie dem Persönlichen die notwendige Neu-

das aus einem unausgesprochenen Schuldbewusstsein über die unaufgear-

tralität verlieh, wobei das Bild nicht durch einen individuellen Aus-

beitete Geschichte der jungen Republik heraus als eine angemessen zurück-

druck beeinträchtigt wurde.

genommene Haltung verinnerlicht war. Die zerrissenen Gestalten bewegen sich

Schlafzimmer (1975, Abb. S. 29) und Akt Elke (1976 / 77, Abb.

in finsteren Zeiten auf den Ruinen einer unseligen Vergangenheit in einem tief

S. 33) interpretieren sehr intime Sujets, mit Baselitz und seiner

verdunkelten Raum.

Frau als Aktmodellen. Ihre Inszenierung zeigt sie gelassen in ent-

In seinem Text Warum das Bild »Die großen Freunde« ein gutes Bild ist! leitet Baselitz die Geltung des Bildes rein negativ aus einer Aufzählung jener

Ausstellungsplakat und Manifest, Baselitz, Galerie Springer, Berlin, 1966

spannten Posen, die die absolute Vertrautheit einer langjährigen Beziehung bekundet. Diese durchweg positive Gestimmtheit wird durch den kla-

Kriterien her, die darin gar nicht enthalten sind, um daraus zu schließen, dass

ren, lichten Farbklang verstärkt, dessen Wirkung allein durch die graue Fassung

»das Bild … bar aller Zweifel [ist]. Der Maler hat in aller Verantwortlichkeit eine

des weiblichen Körpers gewissermaßen getrübt wird.

soziale Parade abgehalten.«18 Die umfassende Abgrenzung nimmt hier größeren

Die hier entworfenen Einzelfiguren wie auch das Paar hat Baselitz in der

Raum ein, weil die eigenen Gewissheiten (noch) keine Worte fanden oder finden

Folgezeit motivisch vielfach durchdekliniert, sowohl in Gemälden als auch

wollten. Die großen Freunde formulieren den »Abschied von Anekdote und Bot-

in seinen Skulpturen, die ab 1979 medial erweitert wurden. Seine damalige

schaft« und öffnen damit den Weg in die Freiheit, in der »das Bild … nur als Bild

Entscheidung, das Modell für eine Skulptur – sein erstes plastisches Werk über-

[zählt] und … sich aus der Geschichte der Bilder [nährt]«.19

haupt – anlässlich seiner prestigeträchtigen Berufung als Künstler der Bundes-

Dazu bedurfte es der Hinwendung zu einfachen Motiven, die so traditionell und gewöhnlich waren, dass sie den Maler nicht von seinem malerischen Tun ablenkten.

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

Georg Baselitz, Zwei kämpfende Adler, 1953

republik Deutschland auf der Biennale in Venedig zu präsentieren, zeugt einmal mehr von Baselitz’ selbstbewusster Verweigerung der Erwartungshaltung. Fingermalerei – Adler (Abb. S. 23) ist im Jahr 1972 die erste Darstellung

Das Porträt Elke I (1969, Abb. S. 19) ist das erste seiner Art, das Baselitz

dieses Motivs überhaupt, sieht man dabei einmal von dem Bild Zwei kämp-

von seiner Ehefrau gemalt hat. Es entstand vielleicht nicht von ungefähr in der

fende Adler ab, das Hans-Georg Kern als etwa 15-Jähriger um 1953 malte. Es

Zeit, als Baselitz begann, die Bilder auf dem Kopf stehend zu malen. Abgesehen

zeigt die Vögel im Flug mit weit ausgebreiteten Schwingen vor einer kahlen

davon ist das Porträt ganz konventionell in seiner Darstellung des Modells vor

Berglandschaft mit Wolkenhimmel, das nach einer Vorlage aus dem Muster-

dem monochromen blauen Hintergrund, der keinen Raum jenseits der Farbtiefe

buch für Hobbymaler des Elektromeisters Aschenbach20 entstand. Das Bild


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vermittelt nicht die geringste Anmutung von Sinnbildlichkeit des Adlers als Symbol für Stärke und Macht bis hin zur Unsterblichkeit. Es ist die unprätentiöse Darstellung eines Heranwachsenden, der Gefallen an den beeindruckenden Greifvögeln hat, die sich im spielerischen Kampf um ihr Revier zanken. Zwei Jahrzehnte später ist diese Faszination nicht verebbt, allerdings ist die Wiedergabe des Motivs ungleich sinnträchtiger. Trotz Baselitz’ absichtsvollen Strategien, sich eine virtuose malerische Manier auszutreiben, besticht das Gemälde durch die Gewinnung einer Bildgestalt, in der Figur und Grund harmonisch ineinander aufgehen. Die Vereinnahmung durch das bzw. die Befangenheit im Motiv führt in der weiteren Werkentwicklung zu einer konstanten Auseinandersetzung, die dem Gegenstand immer wieder in seiner aktuellen, zeitgenössischen Bedeutung für den Maler nachspürt. Keines der Tiermotive, die eine wesentliche Komponente seiner Ikonografie bilden, ist häufiger und vielgestaltiger dargestellt. Die Inversion scheint hier beinahe in Einklang mit dem Motiv angelegt, angesichts der Dynamik und Körperbeherrschung des Greifvogels im Flug. Die malerische Umsetzung hebt die heraldische Symbolkraft auf, und dennoch sind es gerade die Adler-Bilder, die die Antithetik von subjektiver Anschauung und persönlicher Lesart des Motivs und objektiver Bildrealität in besonderem Maße herausfordern. Die Auseinandersetzung mit dem Adler-Motiv in den späten 1970er-Jahren, mit sich unterschiedlich verstärkenden Abstraktionsgraden und experimentellen formalen Annäherungen an den Gegenstand – zwischen Verdichtung und Auflösung seiner bildlichen Präsenz –, ist symptomatisch für Baselitz’ malerische Haltung dieser Zeit. Sie ist gekennzeichnet durch eine Verdunklung der Palette mit differenzierten Grau- und Blautönen, die eine getrübte Stimmung erzeugen,

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Vier Streifen Jäger (remix), 2007


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sowie durch einen kräftigen Duktus, der die rohe Gegenständlichkeit, welche in

der neu abgemischten Version mit Swastika-Motiven im Stil Piet Mondrians

der Bildebene vermalt wird, ausdrucksstärker hervortreten lässt.

verknüpft, dessen ikonische Geltung in der Moderne die ideologisch besetzte

Die Kontrastierung mit starken weißen Akzenten ist dabei soweit getrieben,

Bedeutung des Zeichens aus nationalsozialistischer Zeit quasi ›kompensiert‹. Die

dass die Formen durch die weißen Höhen wie Negative ausgestanzt erscheinen.

Darstellungen stehen somit erneut beispielhaft für die inhaltliche Entleerung der

Das wird besonders deutlich in Kopf – Elkeprofil (1977, Abb. S. 35) und Stilleben

Gegenstände zugunsten einer abstrakten Auffassung der Form als autonomer

(1976 / 77, Abb. S. 47). Die Bilder schaffen eine formal sehr kraftstrotzende Syn-

Funktion des Bildes.

these von bildlicher Struktur und malerischem Gehalt. Die Merkmale der Gegen-

Es ist Baselitz seit der Arbeit an den Remix-Bildern keineswegs bloße

ständlichkeit und Abstraktion verdichten sich in der Bildfläche zu einer komplexen

Gewohnheit geworden, auf vorhandene Bildmotive zurückzugreifen, die für ihn

Figur-Grund-Beziehung. So lässt sich Caldwells Charakterisierung des Stillebens

eine offenbar herausgehobene Bedeutung haben. Vielmehr zeigt sich hier eine

auch allgemein auf die Gemälde dieser Zeit übertragen, wenn er schreibt:

grundsätzliche Erneuerung der »Bildkontrolle«. Theo Kneubühler erkennt bei

»… hier verschmelzen die dunklen Formen der Gegenstände mit den düsteren Elementen im Hintergrund, und so gleitet das Bild als Ganzes in Rich-

Georg Baselitz, Ein neuer Typ, 1966

denes [bezieht], um die Differenz sichtbar zu machen«. Danach kann ein Werk

tung Abstraktion. Der Gegenstand ist kaum erkennbar, was zum Teil an dem sehr

nur dann volle Autonomie erlangen, wenn es in Differenz zum Wiedererkenn-

großen Format von Stilleben liegt. Doch auch die malerische Handhabung trägt

baren besteht. Baselitz’ bildnerischer Ansatz basiert demnach auf dem Zusam-

dazu bei, die großen, gestischen Pinselstriche und Farben, die sich mit darunter

menwirken von »Kalkulation« und »Kontrolliertheit«:

und daneben liegenden vermischen.«21

»Kalkulation bezieht sich auf die analytischen Voraussetzungen der Kon-

Die ab 2005 einsetzende Reihe der Remix-Bilder vollzieht einen Zeitsprung

zeption; das Resultat davon ist die Ästhetik der Brüche. Kontrolliertheit bezieht

in die jüngere Werkentwicklung der vorausgegangenen Dekade. Baselitz zitiert

sich auf das Machen, auf die Arbeit am Bild; das umgekehrte Motiv hat in diesem

hier einerseits Werkbeispiele aus der Serie der Helden bzw. Ein Neuer Typ, mit

Zusammenhang eine wichtige Kontrollfunktion. Ohne Höchstmaß an Kalkulation

denen der Maler Mitte der 1960er zur Auseinandersetzung mit monumentalen

und Kontrolliertheit wäre es unmöglich, auf exemplarische Weise Welt sichtbar

Figurendarstellungen zurückfand. Vorwärts Wind (Remix) (2007, Abb. S. 69)

zu machen und zu erschaffen.«22

erscheint hier in einer relativ analogen Annäherung. Die Darstellung einer Figur vor dem kahlen Baum ist übernommen, die malerische Struktur ist aufgelöst

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

Baselitz’ Arbeit am Bild eine »Ästhetik der Brüche«, die »sich immer auf Vorhan-

Die Entwicklung der »Bildmethode« unterliegt einer Beschleunigung der formalen Mittel, die einen völlig neuen Zugriff auf die Themen erlaubte:

und die fahle Farbigkeit wird durch die roten Schulterklappen sowie die rosa-

»Ein Bild, das sich früher oft quälend langwierigen Phasen sukzessive auf

fleischigen Hände und das Geschlecht akzentuiert. Dagegen werden Moder-

der Leinwand entwickelte, ist heute oft Resultat weniger Stunden. Die Erar-

ner Maler (Remix) (2007, Abb. S. 73) und Schwarz (Remix) (2007, Abb. S. 95) in

beitung einer funktionierenden Bildmethode hat bereits vorher – vielleicht


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ebenso zeitintensiv, jedoch auf einer anderen Ebene – im ›Kopf‹ stattgefunden, die Methode ist ganz konzeptuell. Es gelingt mit scheinbar schlafwandlerischer Sicherheit eine selbstverständliche Synthese von Gegenständlichkeit und Abstraktion, von präzise durchdachtem Bildgerüst und spontanem Ausdruck. Dennoch wird das Werk damit nicht ortlos oder unspezifisch. Es bleibt in bestimmte historische und biographische Koordinaten … eingebunden.«23 Die in den Remix-Bildern selbstbewusst vollzogene Erkundung der eigenen Werkgeschichte und deren Positionierung im Kontext der zeitgenössischen Kunst führte Baselitz auf unterschiedliche formale Wege, die er auf sehr experimentelle Weise abschritt. In einem Interview mit Thomas Wagner sagte er dazu: »Ich male ein Bild, und dann stelle ich fest: Es hat ganz viele Fehler. Dann male ich es noch einmal. Und es hat dann wieder Fehler – und noch einmal und noch einmal. Irgendwann ist Schluss. Es gelingt dann einfach nicht. Ein wichtiger Teil in meiner Arbeit ist so eine Art unkontrollierter Rauschzustand. … Natürlich habe ich immer schon gesagt: Wiederholen ist Trägheit. Meine eigenen Sachen zu wiederholen, schien mir immer fatal. Jetzt aber habe ich ein Konzept und eine Legitimation dafür. … Ich nehme Fotos von meinen Bildern und male sie dann noch einmal. … Natürlich, um sie besser zu machen. Das ist ein Aufbegehren.«24 Dabei folgen die monochromen Darstellungen von Moderner Maler (Remix) (2007, Abb. 73) und Die rote Fahne 65 (Remix) (2007, Abb. 65) in grafischem Schwarz-Weiß einer gängigen Form der Steigerung der Abstraktion. Der Maler beschränkt sich jedoch nicht auf die bloße Improvisation einer Bildvorlage, vielmehr vereint er häufig auch unterschiedliche Motive und methodische Ansätze zu einer neuen Synthese. Baselitz greift hier beständig auf die Fraktur zurück – jene Form der Strukturierung des Bildes, bei der die Einheit des Gegenstands

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

Absprung (remix), 2007


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formal und auch inhaltlich aufgebrochen wird. In ihrem Willen zur Zerstörung

deren Bindungen an die gegenständlichen Vorgaben in wörtlichem Sinne auf

der gegenständlichen Einheit kommen sowohl die Zergliederung des Motivs als

zugunsten (sich) frei auf der Bildfläche ›treibender‹, sich dadurch entwickelnder

auch die Konfrontation unterschiedlicher Motive zum Tragen. Als formales Mit-

Konfigurationen.

tel zur Überwindung gegenständlicher Bedeutung zugunsten der Autonomie des

Gleichzeitig setzt Baselitz Erinnerungen frei, die sich an die Zeiten sei-

Bildes gingen die Fraktur-Bilder der Umkehrung des Bildgegenstands unmittel-

nes Zwiespalts zwischen Ost und West zurückerinnern, des ideologischen

bar voran.

und künstlerischen Unfriedens. Den tiefen Eindruck, den de Koonings Male-

Die monumentalen Hochformate der letzten Jahre integrieren verschie-

rei Ende der 1950er-Jahre bei ihm hinterließ, hat Baselitz nie bestritten. Vor

dene Aspekte der frühen Werkentwicklung. Ihre Frakturen zitieren Fragmente,

allem die ausdrucksstarke Persiflage des Diktats zeitgenössischer Schönheit-

die auf Die Großen Freunde (Abb. S. 14 / 15) verweisen. Das Halbprofil der Köpfe

sideale wie in Woman I von 1950 – 1952, das er 1958 in Berlin in der Ausstellung

und die Armhaltung sind einer radikalen Abstrahierung unterzogen. Die Kör-

der HBK (unter anderem zusammen mit Jackson Pollocks Number 12 von 1952)

perlichkeit ist in raschen groben Schlieren von hoher Transparenz nahezu voll-

gesehen hatte.

ständig aufgelöst. Darüber werden die physiognomischen Details in nervös

»Wenn Du als junger Mann Maler werden willst, stell’ Dir vor, Du entdeckst

tröpfelnden Linien in Remix-Manier geradezu zersetzt. Auffällig sind die parallel

an Deiner eigenen Universität Maler aus einem Land, von dem Du bis dahin

herabhängenden Hände in Die Flügelhornistin Gracie Irlam (2012, Abb. S. 127),

gedacht hast, es sei oberflächlich und nur am Geldmachen interessiert. Einige

die wie rohes Fleisch an verbrannten Händen aussehen. Die besagte Person ist

meiner Kommilitonen versuchten, im Stil von De Kooning zu malen, aber das war

der Erzählung Max Aurach von W. G. Sebald entlehnt, in der die Figur der Gracie

unmöglich. … Ich sagte mir: ›Das war’s mit dem Studium, ich bin fertig mit der

Irlam dem Helden der Geschichte in unterschiedlichen Identitäten begegnet,

Malerei‹ und fragte mich, was passieren würde, wenn ich ganz von vorn anfan-

zunächst als Hotelwirtin, später dann als Malermodell und eben als Flügelhorni-

gen würde?«25

stin. Eine multiple Persönlichkeit, die Baselitz im skizzenhaft tastenden Gespinst autonomer Lineamente aufscheinen lässt. Die bildnerische Schwerpunktsetzung des letzten Jahrzehnts verweist auf eine formale Durchdringung der malerischen Werte des Bildes mit einer

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

Jackson Pollock, The Deep, 1953

Nach annähernd sechzig Jahren eigenen Schaffens stellte sich Baselitz erneut in besonders intensiver Weise dieser Herausforderung. In der malerischen Auseinandersetzung richtete er dabei den Blick hauptsächlich auf die Farbigkeit und wendete sie auf seine eigene, persönliche Ikonografie an.

zunehmend freieren Handhabung von Farbfluss und Pinselführung zur Schaf-

Wiederum sind die Adler eines der zentralen Motive. Dabei ist grundsätz-

fung offenerer motivischer Strukturen. Wie befreit von jeder tektonischen Ver-

lich festzuhalten, dass dieses vertraute Sujet von Baselitz in den letzten Jahren

festigung der Konstruktion des Bildes orientiert diese sich jetzt mehr an der

vielfach neubetrachtet worden ist. Bei Willem (2009, Abb. S. 111) kombiniert er die

materiellen Beschaffenheit und den Bedingungen der Farbe. Baselitz löst dabei

lichten Farben, die freizügig und rasch in das Bildfeld eingeschrieben sind und


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die Figur darin umreißen, mit einer freien Zeichnung, die sich das Motiv aneignet, indem sie sich überwiegend ihre eigenen Verläufe sucht. Demgegenüber vollzieht Baselitz in Oh, ein Schatten, ach (2010, Abb. S. 115) eine direktere Annäherung an de Koonings Vorbild, dessen Sujet ihm andererseits aus der eigenen Themengeschichte geläufig ist. Die vergleichbare Palette völlig unterschiedlich behandelter Farben bildet den Hintergrund für die sitzende Frauenfigur, die bei de Kooning jedoch wesentlich rigoroser in Szene gesetzt erscheint, während sie bei Baselitz weicher in den Farbraum eingebettet wird. Akzentuiert wird die ansonsten nackte Figur, deren Kopf durch einen brutalen Schattenwurf verborgen wird, durch die weißen Pumps, die ihrer Erscheinung einen frivolen Touch verleihen. Die sogenannten Schwarzen Bilder bilden das inhaltliche Zentrum der Untersuchung, zusammen mit den monumentalen, schwarz patinierten Bronzeskulpturen liefern sie die ikonografischen Schwerpunkte der Konzeption. Die abgesehen von zwei Querformaten gleich dimensionierten Hochformate differenzieren das Adler-Motiv in subtiler Weise, sodass die Unterscheidungsmerkmale beinahe verborgen sind. Bei aller Versenkung des Gegenstands in eine alles Licht absorbierende Dunkelheit sind die Gemälde keineswegs farblos. Vielmehr wird das verkehrte Bild des Adlers im Flug in einen Klang dunkler Töne von Blau, Braun und Grau bis Schwarz vermalt. In seiner Studie zu den Schwarzen Bildern legt Michael Semff treffend dar, dass Baselitz darin seine Bildsprache um eine weitere radikale Wendung anreichert, die darauf ziele, »alle sichtbaren Kontraste zu eliminieren«.26 Gleichzeitig verweist er darauf, dass sich für diese erneute Verlagerung des Verhältnisses von Repräsentation und Abstraktion in den Grenzbereich zur Gegenstandslosigkeit das Adler-Motiv geradezu aufgedrängt habe. »Mit diesen Bildern hat er so

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Kubistische Gasmaske I, 2007


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etwas wie die vorläufige Summe seiner artistischen Möglichkeiten erreicht, die weit über die steuerbare Intelligenz seines bildnerischen Denkens hinaus unvorhersehbare Bereiche des Unbekannten berühren.«27 Mit den kraftvollen Vermalungen erzeugt Baselitz eine malerische Textur, »in der Grund, Motiv und Pinselschrift zum Ausgleich kommen, sich gegeneinander aufheben«.28 Umso stärker scheinen die filigranen Details auf, die minimale Nuancen in der thematischen Auffächerung anzeigen. Zuweilen sind dünne weiße Fäden in die durchwirkte Bildfläche eingesponnen oder scheinen rötliche Akzente hervor, ohne dass daraus tiefenräumliche Effekte entsprängen. Vielmehr zeigen sich hier Affinitäten zum zeichnerisch angelegten Bildmodell, das Baselitz in einer Bildserie der frühen 1990er-Jahre verfolgte, welche die Figuren aus einem extrem frei fließenden Duktus farbiger Linien vor schwarzem Hintergrund beschreibt. Bilddreizehn (1992, Abb. S. 50 / 51) zeigt eine Wiederaufnahme von Motiven frakturierter ›Helden‹, wobei ihre ungewöhnliche horizontale Wendung wohl der Gegebenheit geschuldet ist, dass die beiden Halbfiguren wie bei einer Spielkarte mittig zusammengesetzt sind, wodurch die formale Umkehrung augenscheinlich ausgehebelt wird. Bildsechzehn (1992, Abb. S. 53) nimmt unmittelbar Bezug auf das Doppelporträt aus Schlafzimmer (Abb. S. 29). Ihr zeichnerischer Duktus auf schwarzem Hintergrund erweckt hier bereits den Eindruck der Transparenz eines fotografischen Negativs, dessen Umkehreffekt von Licht und Dunkel Baselitz sich sowohl in Bezug auf schwarz-weiße als auch auf farbige Abbilder seit Mitte der 2000erJahre angeeignet hat. Die Funktion des fotografischen Negativs als Bildvorlage lässt sich unschwer in eine anschauliche formale Analogie zur Motivumkehr setzen, die seit über vier Jahrzehnten das signifikante Wesensmerkmal in Baselitz’ Bildauffassung darstellt.

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Mantel (remix), 2007


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»Dieses Spiel der Vertauschung der Farbcodes bewirkt eine Stufe der Abstraktion, welche die Konstruktion der Bilder, ihr Gefüge zwischen Grund und Figur wesenhaft verunsichert, indem die Dimensionen von Positiv und Negativ, von Fülle und Leere zwischen bodenlosem Schwarz und gleißendem Weiß austauschbar werden.«29 In der Werkreihe der Negativ-Bilder kehrte Baselitz nicht nur die Gegenstände selbst um, sondern auch ihre Tonwerte. Die Darstellung als fotografische Negativansicht vollzieht eine zusätzliche Verkehrung des Bildes in Bezug auf die »natürliche« Wahrnehmung des Motivs. Die schwarz-weißen Negativ-Bilder steigern bereits den Grad der Abstraktion in dreifacher Hinsicht. Baselitz hat somit das Potenzial von Verfremdung der äußerlichen Erscheinungen eines Gegenstands und der bildlichen Wiedergabemöglichkeiten weitestgehend ausgereizt. Das Selbstporträt Zero (2004, Abb. S. 59) zeigt den Maler in frontaler Symmetrie. Allein die etwas schief sitzende Kappe mit dem Schriftzug »ZERO« lockert die Strenge auf. Die einfache, unprätentiöse Ansicht wird mit starken abgeklärten Pinselstrichen ins Bild gesetzt, welches ein Gemisch differenzierter Grauwerte enthält. Der Kragen und das Muster des Hemdes sind dagegen feingliedrig gezeichnet. Die besagte Kappe taucht nicht von ungefähr immer wieder sowohl in Baselitz’ Bildern als auch seinen Skulpturen auf. In Sing Sang Zero (2011, Abb. S. 159) ist der Schriftzug nicht in die Skulptur eingeschrieben, sondern erscheint im Titel. Doch ganz abgesehen davon wäre die Kopfbedeckung allein durch die Figurengruppe als Doppelporträt hinreichend gekennzeichnet, eine Bestimmung, die durch die Vertrautheit ausdrückende Geste der untergehakten Arme bestätigt ist. Das Wort Zero mag zweifellos vielschichtige Deutungen zulassen, auf deren Ambivalenz Baselitz mit der Kappe wohlig anspielt:

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Moderner Maler (remix), 2007


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»Dem Werbegeschenk einer Firma für Malerbedarf, die leider inzwischen pleite ist.«30 Demgegenüber hat John-Paul Stonard in seiner Betrachtung der jüngsten Bronzeskulpturen auf die biografisch historischen Einschlüsse im Hinblick auf Baselitz’ Kappe hingewiesen, die er aus ihrem Auftauchen in einer früheren Skulptur ableitet: »Die Kappe, die die Figur Meine neue Mütze [von 2003] trägt, wurde einer Fotografie von einem Kriegsveteranen entnommen, der behauptet, die Kappe eines ›Pimpfes‹ ausgegraben zu haben – die Art von Kappe, die die zehn- bis vierzehnjährigen Pimpfe trugen, die jüngsten Angehörigen der Hitler-Jugend. Von 1939 an musste jeder der Hitler-Jugend beitreten. Als Kind wäre Georg Baselitz auch gerne ein Pimpf gewesen, 1944 aber noch zu jung, als er auf dem Holzzaun saß und den Mädchen nachschaute, die Arm in Arm vorbeigingen.«31 Mit dem formal analog ausgeführten Negativ weiter links (2004, Abb. S. 56) greift Baselitz zurück auf Elke I. Es zeigt sie als Halbfigur, leicht aus der Mitte versetzt. Ihre Haltung wirkt dadurch natürlich entspannt mit dem leicht geneigten, auf die Hand gestützten Kopf. Mit dem Muster ihres Norweger-Pullovers und der bildnerischen Kontraststeigerung durch die Negativansicht gewinnt die Darstellung im Vergleich zur statischen Fixierung des Selbstporträts an Temperament und Ausdrucksstärke. Dasselbe fotografische Vorbild hat Baselitz in Elke negativ blau (2012, Abb. S. 143) variiert, das die Eigenschaften der schwarz-weißen Version noch prägnanter zum Klingen bringt. Baselitz hat die Herleitung und Wendung des Motivs in einem anschaulichen Kommentar beschrieben: »Hier sind wir wieder ganz am Anfang. Dieses Elke-Bild von 1969 habe ich mir immer wieder vorgenommen. Vor rund zehn Jahren habe ich es dann als Negativ in SchwarzWeiß gemalt, schließlich ein neues Foto gemacht, fast in derselben Haltung,

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regietheater – regiemalerei, 2007


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aber mit einem Strickpullover in Norweger-Muster. Ich habe meinen Enkel Hans,

Funktion für ein gegenständliches Sujet als solches einerseits und für die Orga-

der sehr gut am Computer ist, gefragt: ›Kannst du das in ein Farbnegativ ver-

nisation des Bildes insgesamt andererseits.

wandeln?‹ Das klappte, und würde man das Gemälde heute zurückverwandeln,

In dieses Spiel von Erhellung und Verdunkelung, Erkenntnis und Unwissen

würde die blaue Haut des Negativs wieder fleischfarben. Natürlich kann man

eingebunden sind darüber hinaus die Wortspiele, die als Titel der Schwarzen Bil-

sagen, so etwas ist Spielerei – aber für mich ist es eine ernsthafte Arbeit, über

der herhalten. Die Anagramme, die Baselitz bildet, sind mehr oder weniger leicht

Monate oder Jahre hinweg. Und vor allem: Es gibt ein neues Bild. Denn ich kenne

zu dechiffrieren. Die inhaltliche Bedeutung wird nicht eigentlich verborgen. Es

solche Bilder noch nicht, ich habe vorher noch nie eines gesehen. Und ich bin

ist mehr der Vorgang des Verschlüsselns, die er mit dieser – man darf vielleicht

kunstgeschichtlich durchaus versiert, ich renne sogar in Bibliotheken, um nach-

sagen – »Marotte« verfolgt, so wie eine sprachliche Analogie zu Baselitz’ bildne-

zuforschen, ob vor mir schon jemand so etwas gemacht hat.«32

rischer Auffassung von Abstraktion – der Gegenstand wird in seiner Anschaulich-

Die Übertragung der Negativ-Motive auf die Farbumkehr steigert demnach

Georg Baselitz, Meine neue Mütze, 2001

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

keit verfremdet, ohne seine Integrität zu zersetzen.

noch einmal den Abstraktionsgrad der Ansichten, weil die komplementären

Das die Werkgruppe der Schwarzen Bilder einleitende Gemälde trägt

Farbtöne im Vergleich zum Schwarz-Weiß-Bild das Erkennen des Gegenstands

den Titel Dunkel age schwarzim (2012, Abb. S. 184), der sich relativ unmittelbar

noch stärker verunklären. Das betrifft im Falle der Bildnisse vor allem auch den

erschließt, obwohl er ein Wortspiel in zwei Sprachen ist, das aus den Worten

mimischen Ausdruck der porträtierten Person, deren Befindlichkeit nicht ables-

»dunkel«, »schwarz« und »image« zusammengesetzt ist. Es sind sozusagen die

bar ist. Das zeigt erneut, dass Baselitz nicht interessiert ist weder an physiogno-

programmatischen Begriffe, die für die gesamte Serie das Thema vorgeben, das

mischen Merkmalen noch an psychologischen Wesenszügen. Vielmehr regen

selbstredend durch den Adler zu vollenden ist. Die werkgeschichtliche Bedeu-

ihn die malerischen Möglichkeiten des neu erschlossenen Verfahrens an,

tung der auch in ihrer biografischen Rückbindung herausragenden Bilder wird

bei dem er keineswegs nur stur die physikalischen Gesetzmäßigkeiten

sowohl durch den Gegenstand als solchem als auch durch die hohe Anzahl von

beachtet, sondern deren visuelle Spielräume ausforscht. Dies führt ihn

20 Fassungen belegt. Dabei kommt den beiden Querformaten eine besondere

zu Bildideen, die erweiterte koloristische und tonale Möglichkeiten

Stellung zu, als sie in direkter Weise das bereits angesprochene Vorbild Zwei

erschließen, welche ihn dahin führen, die Umkehrung von Negativ

kämpfende Adler aufrufen. Der Befund historischer Reflexivität wird durch die

und Positiv nach unterschiedlichen Maßgaben durchzudeklinieren. So

Titel Niemandsland und Ne ne ne nu nu nu dif dif duz züg (2013, ohne Abb.)

scheint es ihm in Bildern wie Vorwärts im Mai (Abb. S. 151) oder Kom-

zusätzlich fundiert. Auch wenn Letzterer einer dadaistischen (Nonsens-)Lautma-

plementär bräunlich (Abb. S. 149) und Das gelbe Kleid ist blau gewor-

lerei gleichkommt.

den (Abb. S. 153), alle 2012 entstanden, allein um die Farbgestalt als

In den monumentalen, seit 2011 entstandenen Bronzeskulpturen zeigen

Beziehungswiderspruch von Lokal- und Symbolfarben zu gehen, in ihrer

sich formale und inhaltliche Rückbezüge, die neben figurativen Referenzen


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zugleich die bildnerische Funktion der bildlichen wie der fotografischen Umkehrung formal relativieren. Die ausnahmslos schwarz patinierten Skulpturen erscheinen genauso ›verdunkelt‹ wie die zeitgleich gemalten Schwarzen Bilder. »Die grob geschnitzten, ungeschliffenen Formen mögen auf den ersten Blick wie monumentale Volkskunst erscheinen – oder ›Pop-Volkskunst‹ –, aber die Vielzahl an persönlichen Assoziationen und Verflechtungen der Figuren schafft eine Tiefe an Bedeutung, die diese Arbeiten von der Welt geschnitzter und bemalter Spielzeuge, religiöser Amulette oder behelfsmäßiger Fetische weit entfernt.«33 Die Skulpturen rufen figurative Themen auf, die in Baselitz’ Malerei vorgeprägt sind und auf kunsthistorische wie biografische Bezugsfelder zurückverweisen. Eine besonders plastische Verknüpfung besteht bei der BDM Gruppe (2012, Abb. S. 163), in der Baselitz ikonografische Referenzen mit persönlichen Motiven versetzt. Dabei überlagert die Erinnerung an Erlebtes den Bedeutungsraum der drei Figuren, dergegenüber die bildliche Tradition der drei Grazien formal geradezu in ihr Gegenteil verkehrt erscheint: Die Figurengruppe nimmt Bezug auf Baselitz’ Erinnerungen an seine Schwester, die dem BDM, dem weiblichen Zweig der nationalsozialistischen Jugendorganisationen, angehörte. Aus dieser Zeit hat sich das Bild der drei jungen Frauen, die sich einander unterhakend nebeneinander stehen bzw. gehen, verfestigt. Es ist ein unpolitisches Erinnerungsbild an die Scheinwahrheit einer unbeschwerten Kindheit, abseits der Grauen des Regimes und des Krieges: »Was blieb von einer Erinnerung, die wohl schon tausend Mal gefiltert wurde, ist das Motiv der untergehakten Arme. Nicht Hände, die einander halten, sondern Arme, die einander unterhaken. Ein seltenes Motiv in der Kunstgeschichte; man denkt vielleicht gerade mal an Tobias und den Engel, und dann nur an Malerei. Canovas Drei Grazien umarmen einander in Vertrautheit.

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Schwarz (remix), 2007


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Untergehakte Arme sind eine viel nüchternere Geste der Verbundenheit und Freundschaft, in ihnen drückt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl aus, das uns – im Fall der BDM-Mädel – im Nachhinein nur äußerst pathetisch erscheinen kann.«34 Die untergehakten Arme sind auch heute noch zu beobachten, wenn befreundete Teenagerinnen unterwegs sind. So war es nicht diese Geste, sondern ihre Verbindung mit dem Werktitel, der in London dazu führte, dass bei ihrer temporären Installation im Garten des Victoria and Albert Museum Baselitz gedrängt wurde, diesen zu vermeiden. »Mir wurde vom Museum gesagt, dass der Titel der Skulptur nicht akzeptabel sei. Ok, sagte ich, nennen wir sie ›Verbotener Titel‹. Sie meinten, dass sei zu zynisch. Also einigten wir uns auf ›Ohne Titel‹. Das zeigt eindeutig, dass Leute immer noch nicht anerkennen können, dass der BDM existiert hat, aber wie die Hitler-Jugend ist er eine historische Antonio Canova, Drei Grazien, 1812 – 1816

Tatsache.«35 Damit rührte Baselitz an nach wie vor vorhandenen Ressentiments, die seinem Verständnis von Erinnerung und gegenwärtiger Geschichte entgegenstehen, dem sich zu stellen stets ein entscheidendes Wesensmerkmal seiner persönlichen Haltung war, auch gegen alle Widerstände: »Wenn ich in einer unkritischen Weise auf einen Abschnitt der Geschichte zurückblicken will, wer ist es, der sagt, dass ich das nicht darf? Soll ich einfach sagen, dass meine Schwester nicht im BDM war? Wenn das System böse und niederträchtig ist, heißt das, jeder, der Teil davon war, ist böse und niederträchtig? Man mag von außen betrachtet so aussehen, aber nicht von innen gesehen.«36 Die Geschichte bezeugt, welch diametrale Lesarten möglich sind, wenn es sich um historische Erfahrungen handelt. Die Selbstverständlichkeit, mit der Baselitz das Thema aufgreift und die Reaktion, die es auszulösen in der Lage

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Der vergessene 2. Kongress der 3. Kommunistischen Internationale in Moskau 1920; rechts im Bild ralf, daneben Jörg, 2008


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ist, verdeutlichen die Wirkkraft eines Werks, das nicht aus weltanschaulichen Motiven heraus gemacht wurde, dessen Provokationspotenzial dem Künstler gleichwohl bewusst war. Baselitz hat mit seinem Verzicht auf die korrekte Betitelung der BDM-Gruppe den Diskurs erweitert. Es ging ihm darum, zu zeigen, wie fragil die Betrachtung eines Werks sein kann, abhängig von seiner Platzierung. Den historischen Kontext, der in der Skulptur aufgerufen wird, hat Baselitz als Zeitzeuge erlebt und hier, als persönliche Erinnerung, vergegenwärtigt. Er enthält sich dabei jeder Bewertung der Mitgliedschaft seiner Schwester in der nationalsozialistischen Jugendorganisation. Ihn interessiert der Gestus freundschaftlicher Verbundenheit, der in Sing Sang Zero (Abb. S. 159) die Normalität einer persönlichen Geschichte aufruft, die weit in die gemeinsame Jugend zurückreicht, und sie wird von Baselitz in seinen Doppelporträts nach und nach weitererzählt. Dabei scheut er sich nicht, der eigenen Biografie vorzugreifen. Wie in dem bereits angesprochenen Komplementär bräunlich (Abb. S. 149), bezieht sich Das gelbe Kleid ist blau geworden (Abb. S. 153) auf die zweite Version des Porträts der Eltern von Otto Dix aus dem Jahr 1924, das das greise Paar nebeneinander auf dem Kanapee sitzend in vertrauter Zweisamkeit zeigt, die auf ein gemeinsames Leben zurückblickt. Baselitz isoliert in seiner Interpretation des Sujets die Figuren in einem unbestimmten schwarzen Bildraum. Er lehnt sich dabei weitgehend an die Farbgestalt seines Vorbildes an. Gesichter und Hände der Dargestellten, die Dix in seinem Gemälde sehr prägnant gezeichnet hat, werden bei Baselitz zwar gleichermaßen betont, jedoch in einer Weise, die den Figuren die Negativ-Anschauung von bereits in Auflösung begriffenen Wesen verleiht. Otto Dix, Die Eltern des Künstlers II, 1924

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Nachtigall erstes mal, 2008


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Ein in jeder Beziehung ungewöhnliches Bild ist Hembel (2004, Abb. S. 63). Die Negativ-Darstellung des Totenkopfs verstärkt das Memento Mori zu einer

10 »I found those pictures so overwhelming, so totally

23 Carla Schulz-Hoffmann, Verdunkelung, in: Georg

unexpected, so different from the experience of my own

Baselitz – Verdunkelung, Ausst.-Kat. Galerie Thaddaeus

world at the time that I felt totally desperate, because

Ropac, Salzburg 2009, S. 11f.

hoffnungslosen Endgültigkeit. Mit diesem unspektakulären Schwarz-Weiß-

I thought I’d never stand a chance of doing well com-

24 Tot war die Malerei nie, sie war nicht erlaubt, Baselitz

pared to those painters.« Georg Baselitz: Raw Views of

im Gespräch mit Thomas Wagner, in: Frankfurter Allge-

Gemälde reduziert Baselitz das Motiv auf sein einfachstes Element, dem nichts

a Painful Past, Georg Baselitz im Gespräch mit Farah

meine Zeitung, Nr. 127, 2.6.2006, S. 42. Wiederabdruck

hinzuzufügen ist. Eng verbunden erscheint das Bild mit der jüngsten seiner

Nayeri, in: The New York Times, 26.2.2014 (online)

in: Gretenkort 2011 (wie Anm. 1), S. 308.

[Zugriff am 28.5.2014].

25 Georg Baselitz, in: Tobias Grey, Georg Baselitz’s

11 Baselitz / Kuspit 2011 (wie Anm. 2), S. 263.

black period on show at Thaddaeus Ropac, in: Financial

12 Werner Haftmann, Vorwort, in: II. Documenta ’59.

Times, 12.10.2013, S. 15 (Übers. d. Verf.).

den Schädel miteinander verbunden, umfasst von sieben Ringen, die auch im

Kunst nach 1945. Malerei, Skulptur, Druckgraphik, Köln

26 Michael Semff, Die dunkle Seite. Gedanken zu neuen

1959, zit. nach: Laszlo Glozer, Westkunst. Zeitgenös-

Gemälden von Georg Baselitz, in: Georg Baselitz – Le

Tod nicht voneinander geschieden werden können.

sische Kunst seit 1939, Köln 1981, S. 196 – 203.

Côté sombre, Ausst.-Kat. Galerie Thaddaeus Ropac,

13 Clement Greenberg, Modernistische Malerei, zit.

Paris 2013, S. 56 (vgl. hier im Katalog S. 41).

nach: Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschrif-

27 Ebd., S. 59.

ten, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, State-

28 Ebd., S. 56.

ments, Interviews, hrsg. von Charles Harrison und Paul

29 Ebd., S. 58.

anderen Seite, wieder herauszukommen. Später dann, Jahre später, am glei-

Wood, Ostfildern 2003, Bd. 2, S. 931.

30 Georg Baselitz. Mein Leben, meine Bilder, in: art – Das Kunstmagazin, Nr. 2 / 2013, S. 41.

chen Ort, habe ich nach Urnen gegraben, um die Vergangenheit, die Vorzeit,

14 Clement Greenberg, Zu einem neueren Laokoon [1940], zit. nach: Harrison / Wood 2003 (wie Anm. 13),

31 John-Paul Stonard, Baselitz Schwarz oder

S. 684.

Geschichte als Hintergrund, in: Ausst.-Kat. Paris 2013

15 Michael Auping, Georg Baselitz – Portraits of Elke,

(wie Anm. 26), S. 25f.

Ausst.-Kat. Modern Art Museum of Fort Worth, Fort

32 Baselitz 2013 (wie Anm. 30).

Worth 1997.

33 Stonard 2013 (wie Anm. 31), S. 25 (Übers. d. Verf.).

die Neugier zu entdecken, was da drinnen, dahinter und darunter verborgen ist.

16 Das Land der häßlichen Bilder. Harmonie taucht nur

34 Ebd.

Ein guter Start für ein Malerleben, sehr zu empfehlen.«37

als Verzweiflung auf, Georg Baselitz mit Gespräch mit

35 Grey 2013 (wie Anm. 25), S. 15 (Übers. d. Verf.).

Heinz Peter Schwerfel, Köln 1989 (Kunst heute, Nr. 2),

36 Ebd.

Bronzeskulptur Zero Ende (2014, Abb. 178 / 179). Wie bei einer Hantel sind die bei-

»Ein Kinderwunsch war, sich an das andere Ende der Welt wegzuträumen. Ich habe in der Sandkuhle gebuddelt, gebohrt, gegraben, um drüben, auf der

die Dinge von Leuten, die vor uns hier waren, zu finden. … Sich aus irgendwelcher bösen Zeit in eine bessere zu bringen, war nicht das Spiel, vielmehr trieb

S. 16. Wiederabdruck in: Gretenkort 2011 (wie Anm. 1),

37 Georg Baselitz, Damals, dazwischen und heute, in:

S. 181.

Gretenkort 2011 (wie Anm. 1), S. 343. Vgl. hier im Kata-

17 Shulamith Behr, Introductions to the Catalogue

log S. 201.

Plates, in: Baselitz, Ausst.-Kat. Royal Academy of Arts, London 2007, S. 65 (Übers. d. Verf.).

ulrich wilmes tiefe Dunkle zeit

1 Elke, Georg Baselitz im Gespräch mit Michael Auping,

Georg Baselitz, in: Georg Baselitz – Das grosse Pathos.

18 Georg Baselitz, Warum das Bild Die großen Freunde

in: Georg Baselitz – Gesammelte Schriften und Inter-

Gemälde, Zeichnungen, Graphik, Ausst.-Kat. Hamburger

ein gutes Bild ist!, in: Gretenkort 2011 (wie Anm. 1), S. 31.

views, hrsg. von Detlev Gretenkort, mit einer Einleitung

Kunsthalle, Hamburg 1999, S. 25 – 33.

19 Baselitz / Schwerfel 1989 (wie Anm. 16), S. 179.

von Jill Lloyd, München 2011, S. 272f.

5 Siegfried Gohr, Ein Bild ohne Stil, in: ders., Über

20 Vgl. Georg Baselitz, Was es ist, in: Gretenkort 2011

2 Muß gotisch tanzen, Georg Baselitz im Gespräch mit

Baselitz – Aufsätze und Gespräche, 1976 – 1996, Köln 1996.

(wie Anm. 1), S. 276.

Donald Kuspit, in: Gretenkort 2011 (wie Anm. 1), S. 266.

6 Röske 1999 (wie Anm. 4), S. 26.

21 John Caldwell, Baselitz in den siebziger Jahren.

3 Gustav René Hocke, Die Welt als Labyrinth – Manier

7 Ebd., S. 27.

Repräsentation und Abstraktion, in: Parkett, Nr. 11, Dez.

und Manie in der europäischen Kunst. Beiträge zur Iko-

8 Johannes Gachnang: Ein Gespräch mit Georg Base-

1986, S. 95. Wiederabdruck in: Georg Baselitz, Ausst.-

nographie und Formgeschichte der europäischen Kunst

litz am 6. November 1975, in: Georg Baselitz, Ausst.-Kat.

Kat. Kunsthaus Zürich, Zürich 1990, S. 63.

von 1520 bis 1650 und der Gegenwart, Hamburg 1957.

Braunschweiger Kunstverein, Braunschweig 1981, S. 70.

22 Theo Kneubühler, Georg Baselitz, in: Georg Baselitz.

4 Thomas Röske, »Unglaublich unseriös und bizarr« –

9 Georg Baselitz im Gespräch mit H. Geldzahler, in:

Biennale di Venezia, hrsg. von Klaus Gallwitz, Ausst.-Kat.

Druckgraphik des Manierismus, gesammelt von

Gretenkort 2011 (wie Anm. 1), S. 118.

Städel Museum, Frankfurt am Main 1980, S. 9.


Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung

Fotonachweis: Kunstmuseum Basel S. 123 oben; Archiv Georg Baselitz S. 20 unten,

Georg Baselitz. Damals, dazwischen und heute

S. 47; Elke Baselitz S. 10, 139; Bayerische Staatsgemäldesammlungen S. 23, 41;

Haus der Kunst, München · 19. September 2014 bis 1. Februar 2015

Sammlung Deutsche Bank, Frankfurt S. 39; Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Powerstation of Art (PSA), Shanghai · 20. März bis 21. Juni 2015

S. 164 unten; Regine Esser S. 24; Sammlung Froehlich, Stuttgart S. 61; Peter Knaup S. 212; Jochen Littkemann, Berlin S. 12, 19, 22, 29, 35, 54, 59, 63, 65, 69, 73, 75, 77,

Wir danken unseren Gesellschaftern für die jährliche Unterstützung des

81, 85, 87, 89, 91, 95, 97, 99, 103, 105, 107, 109, 111, 113, 115, 116, 119, 121, 124 / 125, 126,

Programms: Freistaat Bayern, Josef Schörghuber Stiftung, Gesellschaft

127, 129, 130 oben, 131, 132 / 133, 137, 138 / 139, 141, 143, 144, 148, 149, 151, 152, 153,

der Freunde Haus der Kunst e.V.

154, 156 unten, 159, 161, 163, 165, 166 oben, 167, 169, 173, 174, 176 unten, 178 / 179, 184, 188 / 189, 190, 191, 192 oben, 193, 197, 199, 200, 206, 207; Louisiana Museum

Die Ausstellung wird unterstützt von Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg / Paris,

of Modern Art, Humlebæk S. 21 oben; Thomas Müller S. 92, 150; Frank Oleski, Köln

Gagosian Gallery, New York und London, und White Cube, London, sowie

S. 13, 14 / 15, 17, 25, 27, 41, 43, 45, 49, 51, 53, 74, 79, 122, 146, 147, 157, 160, 166 unten,

von der Gesellschaft der Freunde Haus der Kunst e. V. zusätzlich gefördert.

171, 177, 181, 183, 204; Friedrich Rosenstiel, Köln S. 18, 20 oben, 60; Van Abbemuseum, Eindhoven S. 33; Galerie Zwirner, New York S. 16

Stiftung Haus der Kunst München,

© Richard Prince. Courtesy Gagosian Gallery. Photography by Robert McKeever

gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH Direktor: Okwui Enwezor

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Team: Tina Anjou, Stephan N. Barthelmess, Sabine Brantl, Daniela Burkart, Sylvia

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Clasen, Arnulf von Dall’Armi, Patrizia Dander, Martina Fischer, Elena Heitsch, Tina Kohler, Anton Kottl, Isabella Kredler, Teresa Lengl, Anne Leopold, Julienne Lorz,

Prestel Verlag, München

Iris Ludwig, Karin Mahr, Marco Graf von Matuschka, Miro Palavra, Glenn Rossiter,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Andrea Saul, Cassandre Schmid, Anna Schuller, Sonja Teine, Ulrich Wilmes

Neumarkter Straße 28 · 81673 München Tel. +49 (0)89 4136 - 0 · Fax+49 (0)89 4136 - 2335

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www.prestel.de

Tel. +49 (0)89 21127 113 · www.hausderkunst.de Projektleitung: Gabriele Ebbecke Kurator der Ausstellung und Herausgeber des Katalogs: Ulrich Wilmes

Assistenz: Katharina Kümmerle und Constanze Holler Lektorat: Sophie Reinhardt

Autoren: Georg Baselitz, Eric Darragon, Okwui Enwezor, Michael Semff,

Übersetzung aus dem Englischen:

Katy Siegel und Ulrich Wilmes

Brigitte Beier (Essay Siegel), Norma Keßler (Gespräch Baselitz / Enwezor) Übersetzung aus dem Französischen: Caroline Gutberlet (Essay Darragon)

© 2014 Stiftung Haus der Kunst München, gemeinnützige Betriebsgesellschaft

Herstellung: Cilly Klotz

mbH und Prestel Verlag, München · London · New York

Gestaltung: SOFAROBOTNIK , Augsburg & München

© für die Texte bei den Autoren

Schriften: Giorgio und Graphik

© für die Abbildungen der Werke bei Georg Baselitz

Lithografie: farbanalyse prepressagentur, Köln Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell Papier: 150 g / qm Hello Fat Matt, 1,1f.

Hans (Jean) Arp © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Marcel Broodthaers © The Estate of Marcel Broodthaers / VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Otto Dix © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Marcel Duchamp © Succession Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Jean Fautrier © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; George Grosz © Estate of George Grosz, Princeton, N.J. / VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Asger Jorn © Donation Jorn, Silkeborg /  VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Martin Kippenberger © VG Bild-Kunst, Bonn 2014;

Verlagsgruppe Random House FSC®N001967

Willem de Kooning © The Willem de Kooning Foundation, New York / VG Bild-Kunst,

Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier

Bonn 2014; Henri Matisse © Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2014;

Hello Fat Matt lieferte Papyrus.

Giorgio Morandi © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; A. R. Penck © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Francis Picabia © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Pablo Picasso © Succession

Gedruckt in Deutschland

Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Jackson Pollock © Pollock-Krasner Foundation /  VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Robert Rauschenberg © Robert Rauschenberg Founda-

ISBN 978-3-7913-5401-9 (Buchhandelsausgabe deutsch)

tion / VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Pierre Soulages © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

ISBN 978-3-7913-6565-7 (Museumsausgabe deutsch) ISBN 978-3-7913-5402-6 (Buchhandelsausgabe englisch)

Umschlag: Georg Baselitz, Elkeporträt (Ausschnitt), 2010, siehe Seite 121

ISBN 978-3-7913-6566-4 (Museumsausgabe englisch)


Ich male ein Bild, und dann stelle ich fest: Es hat ganz viele Fehler. Dann male ich es noch einmal. Und es hat dann wieder Fehler â€“ und noch einmal und noch einmal. Irgendwann ist Schluss.

Georg Baselitz


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