Öffentlichkeit
Aufruf zur psychosozialen Lage
Die Initiatoren des Aufrufes verstehen die Initiative primär als einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung über die Bedeutung des Seelischen in unserer Gesellschaft. Menschen, die sich davon angesprochen fühlen, bilden in ihrer Betroffenheit und ihren Handlungen somit eine Art sich ausbreitendes Netzwerk in dieser Gesellschaft. Alle Unterzeichner und all diejenigen, die sich mit diesen Gedanken verbunden fühlen, sind somit aufgerufen, in ihren Lebens- und Arbeitsfeldern Beiträge zum Dialog über unsere Seele und die psychosoziale Lage in Deutschland zu leisten. Entsprechende Veranstaltungen, Veröffentlichungen, Aktionen oder Initiativen können auf der Internetseite des Aufrufs dokumentiert und einer breiteren Öffentlichkeit damit zugänglich gemacht werden.
21 leitende Ärzte und Wissenschaftler bringen in einem Aufruf ihre persönliche tiefe Erschütterung über die psychosoziale Lage in Deutschland zum Ausdruck. Über 3.000 Fachleute aus dem Bereich der Behandlung und der Begleitung psychosozialer und seelischer Probleme sowie Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen unterstützen die Initiative bereits mit ihrer Unterschrift. Die Unterzeichner des Aufrufs wollen nicht bestimmte gesellschaftliche Sektoren für diese dramatische und nicht angemessen erkannte Entwicklung verantwortlich machen, sondern zu einem offenen gesellschaftlichen Dialog über die psychosoziale Lage, die möglichen Ursachen und sinnvolle Handlungsansätze aufrufen. Dabei werden sie nicht von individuellen, berufspolitischen und institutionellen Interessen geleitet, sondern sie wollen sich als Menschen äußern, die in diesen Fachgebieten Verantwortung tragen.
Der Aufruf ist keine organisierte Bewegung, die durch die Initiatoren geleitet wird, sondern ein Anstoß einer sich selbst entfaltenden Bewusstseinsbildung in unserer Gesellschaft. Beispiele für bisherige Aktivitäten sind: • Artikel und Interviews (zusammengefasst in einer Pressemappe auf der Internetseite), • Vorträge und Podiumsgespräche, • Pflanzung von „Seelen-Bäumen“ als Erinnerungsorte zum Innehalten, • Anstoß für eine Stunde „Seelen-Zeit“ in Institutionen, • Internetseite zur Information, Dokumentation und zum Austausch über das Thema mit vielen, zum Teil sehr berührenden Kommentaren. Unterstützen auch Sie die Initiative auf Ihre Weise in Ihrem Lebens- und Arbeitsfeld. Wir brauchen mehr Achtsamkeit für unsere Seele und mehr Herz für die Menschen.
Zahlen zur psychosozialen Lage, weitere Informationen zum Aufruf und damit verbundenen Aktivitäten erhalten Sie unter: www.psychosoziale-lage.de Dort können Sie dem Aufruf zustimmen oder Sie faxen uns Ihre Zustimmung an Fax-Nr.: 0971 - 84 4025.
Ich stimme dem Aufruf zur psychosozialen Lage zu: Name, Vorname: __________________________________________________________
Berufsbezeichnung: __________________________________________________________
Funktion: __________________________________________________________
Dienstanschrift: __________________________________________________________
E-Mail: __________________________________________________________
Datum/Unterschrift: __________________________________________________________
ggf. Kommentar: __________________________________________________________
Aufruf zur psychosozialen Lage in Deutschland
Aufruf zur psychosozialen Lage Wir sind Fachleute, die Verantwortung für die Behandlung seelischer Erkrankungen und den Umgang mit psychosozialem Leid in unserer Gesellschaft tragen. Wir möchten unsere tiefe Erschütterung über die psychosoziale Lage unserer Gesellschaft zum Ausdruck bringen. In unseren Tätigkeitsfeldern erfahren wir die persönlichen Schicksale der Menschen, die hinter den Statistiken stehen. Seelische Erkrankungen und psychosoziale Probleme sind häufig und nehmen in allen Industrienationen ständig zu. Circa 30 % der Bevölkerung leiden innerhalb eines Jahres an einer diagnostizierbaren psychischen Störung. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Erkrankungen und Suchterkrankungen. Der Anteil psychischer Erkrankungen an der Arbeitsunfähigkeit nimmt seit 1980 kontinuierlich zu und beträgt inzwischen 15 – 20 %. Der Anteil psychischer Erkrankungen an vorzeitigen Berentungen nimmt kontinuierlich zu. Sie sind inzwischen die häufigste Ursache für eine vorzeitige Berentung. Psychische Erkrankungen und Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen kontinuierlich zu. Psychische Störungen bei älteren Menschen sind häufig und nehmen ständig zu. Nur die Hälfte der psychischen Erkrankungen wird richtig erkannt, der Spontanverlauf ohne Behandlung ist jedoch ungünstig: Knapp 1/3 verschlechtert sich und knapp die Hälfte zeigt keine Veränderung, chronifiziert also ohne Behandlung. In allen Altersgruppen, bei beiden Geschlechtern, in allen Schichten und in allen Nationen zunehmenden Wohlstands nehmen seelische Erkrankungen zu und besitzen ein besorgniserregendes Ausmaß. Die gesellschaftlichen Kosten der Gesundheitsschäden durch Produktivitätsausfälle, medizinische und therapeutische Behandlungen, Krankengeld und Rentenzahlungen sind enorm. Eine angemessene medizinische und therapeutische Versorgung ist weltweit nicht möglich. Trotz der kontinuierlichen Zunahme an psychosozialen medizinischen Versorgungsangeboten ist die Versorgung auch in Deutschland angesichts der Dynamik und des Ausmaßes der seelischen Erkrankungen nur in Ansätzen möglich.
Die Ursache dieser Problemlage besteht nach unseren Beobachtungen in zwei gesellschaftlichen Entwicklungen: 1. Die psychosoziale Belastung des Einzelnen durch individuellen und gesellschaftlichen Stress, wie z. B. Leistungsanforderungen, Informationsüberflutung, seelische Verletzungen, berufliche und persönliche Überforderungen, Konsumverführungen, usw. nimmt stetig zu. 2. Durch familiäre Zerfallsprozesse, berufliche Mobilität, virtuelle Beziehungen, häufige Trennungen und Scheidungen kommt es zu einer Reduzierung tragfähiger sozialer Beziehungen und dies sowohl qualitativer als auch quantitativer Art. Die Kompetenzen zur eigenen Lebensgestaltung, zur Bewältigung psychosozialer Problemlagen und zur Herstellung erfüllender und tragfähiger Beziehungen sind den Anforderungen und Herausforderungen dieser gesellschaftlichen Entwicklungen bei vielen Menschen nicht gewachsen. Angesichts der vorherrschenden gesellschaftlichen Orientierung an materiellen und äußeren Werten werden die Bedeutung des Subjektiven, der inneren Werte und der Sinnverbundenheit dramatisch unterschätzt. Wir benötigen einen gesellschaftlichen Dialog über die Bedeutung des Subjektiven, des Seelischen, des Geistig-spirituellen, des sozialen Miteinanders und unseres Umgangs mit Problemen und Störungen in diesem Feld. Wir benötigen einen neuen Ansatz zur Prävention, der sich auf die grundlegenden Kompetenzen zur Lebensführung, zur Bewältigung von Veränderungen und Krisen und zur Entwicklung von tragfähigen und erfüllenden Beziehungen konzentriert. Wir benötigen eine Gesundheitsbildung, Erlernen von Selbstführung und die Erfahrung von Gemeinschaft schon im Kindergarten und in der Schule, z. B. in Form eines Schulfaches „Gesundheit“. Wir benötigen eine ganzheitliche, im echten Sinne psychosomatische Medizin, die die gegenwärtige Technologisierung und Ökonomisierung der Medizin durch eine Subjektorientierung und eine Beziehungsdimension ergänzt. Wir benötigen eine Wirtschaftswelt, in der die Profit- und Leistungsorientierung ergänzt wird durch eine Sinn- und Lebensorientierung für die Tätigen. Wir benötigen einen integrierenden, sinnstiftenden und soziale Bezüge erhaltenden Umgang mit dem Alter. Wir benötigen eine das Subjektive und Persönliche respek-
tierende, Grenzen achtende und Menschen wertschätzende Medienwelt. Wir benötigen ein politisches Handeln, das bei seinen Entscheidungen die Auswirkungen auf das subjektive Erleben und die psychosozialen Bewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen reflektiert und berücksichtigt. Wir benötigen mehr Herz für die Menschen.
Erstunterzeichner (in alphabetischer Reihenfolge) Klaus Buch, Leitender Arzt, Psychosomatische Klinik, Bad Kissingen Dr. Andreas Elsen, Oberarzt, Psychosomatische Klinik, Stiefenhofen
Dr. Joachim Galuska, Ärztlicher Direktor Psychosomatischer Kliniken, Bad Kissingen
Matthias Gasche, Ärztlicher Leiter, Psychosomatisches Gesundheitszentrum, Düsseldorf
Dr. Thomas Henrichs, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Reichenhall
Dr. Rüdiger Höll, Ärztlicher Direktor, Psychosomatische Klinik, Potsdam
Dr. Friedrich Ingwersen, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Zwischenahn
Prof. Dr. Dr. Volker Kollenbaum, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Segeberg
Prof. Dr. Thomas Loew, Universitätsprofessor für Psychosomatische Medizin, Regensburg Martin Lotze, Leitender Arzt, Psychosomatische Klinik, Potsdam Dr. Reinhard Mumm, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Waldmünchen Dr. Manfred Nelting, Ärztlicher Direktor, Psychosomatische Klinik, Bad Godesberg Dr. Franz Pfitzer, Chefarzt Psychosomatik, Prien am Chiemsee Dr. Volker Reinken, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Grönenbach Dr. Bernd Sprenger, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Fürth Erwin Schmitt, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Kissingen Dr. Carsten Till, M.Sc., Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Breuberg Dr. Michael Tischinger, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Stiefenhofen Dr. Dr. Klaus von Ploetz, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, Bad Herrenalb Dr. Johannes Vogler, Chefarzt, Psychosomatische Klinik, IsnyNeutrauchburg Dr. Jochen von Wahlert, Ärztlicher Direktor, Psychosomatische Klinik, Bad Grönenbach