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Der Homo ludens

Auf dem Gebiet der Ludologie, der Spielewissenschaft, kommt man im deutschsprachigen Raum an einem Namen nicht vorbei: Jens Junge. Der Direktor des Institutes für Ludologie hat seine Arbeit dem Spiel gewidmet, spricht dabei aber selbst nur sehr ungern von Arbeit.

Eine Lücke in Jens Junges Terminkalender zu finden, ist keine leichte Angelegenheit. Denn der Unternehmer und Dozent ist fast immer dort zu finden, wo es um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Spielebranche geht. Das umfasst in der Bundesrepublik so einige Schaffensplätze des gebürtigen Flensburgers: da wäre das Institut für Ludologie, das er 2014 gründete und bis heute als Direktor leitet sowie das Residenzschloss in Altenburg, für das er eine Lehr­ und Forschungssammlung für Brettspiele mitverantwortet. Zudem ist Junge Fördervereinsvorsitzender des Spielzeugmuseums Nürnberg. Zu diesen Verpflichtungen kommt zwischendrin eine Hauptjurysitzung zum deutschen Computerspielpreis. Dann hält er auch noch Vorträge, doziert, besucht Messen und findet zwischendrin Zeit für Pressetermine. Jens Junge lebt für das Spiel.

Seine aktuell größte Herzensaufgabe ist dabei nichts Geringeres als die kulturelle Anerkennung von Brettspielen und deren Aufnahme in die Datensammlung der Deutschen Nationalbibliothek. Denn die Popularität von Gesellschafts­ und Brettspielen ist zwar ungebrochen – die Branche verzeichnete in 2021 sogar einen 20­prozentigen Umsatzzuwachs auf rund 750 Millionen Euro – doch es mangelt, laut Junge, an der kulturellen und wissenschaftlichen Anerkennung des Kulturgutes. Um den historischen und soziologischen Wert des Kulturgutes Brettspiel nicht zu verlieren, bedarf es also einer geeigneten Dokumentationsform. Diesem Ziel kommt er Stück für Stück näher. So steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, unter anderem auch aufgrund seiner Bemühungen: „Analoge Spiele sollen im Sammelkatalog der Deutschen Nationalbibliothek benannt werden können.“

Spielspaß in der Berufung

Neben Wüfel­, Brett­ und Kartenspielen hat Jens Junge auch schon Comics und Cartoons gestaltet und verlegt. Auch die digtale Transformation hat er begleitet und einige erste Wagnisse im World Wide Web mitmoderiert.

Junge begann seine Karriere 1984 mit einer Berufsausbildung als Verlagskaufmann bei dem Brettspielmagazin SpielBox in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Doch die durch den sozialdemokratischen Vorwärts­Verlag querfinanzierte Zeitschrift rentierte sich immer weniger. Schließlich wurden Nägel mit Köpfen gemacht und nur der unkündbare Auszubildende Jens Junge blieb übrig, um das Erscheinen der nächsten Ausgabe sicherzustellen. Doch für die Bonner Industrie­ und Handelskammer galt die Ausbildung ohne ausbildende Vorgesetzte nicht als gültig, und es musste ein neuer Ausbildungsplatz her. Die letzten sechs Monate seiner Lehre verbrachte der knapp 20­Jährige beim Mittelstandsverlag der CDU/CSU.

Um das Erlernte anschließend anwenden zu können, gründete er 1986 in Bonn­Bad Godesberg den Flying Kiwi Verlag, der auch die kurzfristige redaktionelle Koordination und Produktion der SpielBox übernahm. Flying Kiwi entstand dabei aus dem Bestreben nach Selbstverwirklichung in der Branche heraus, um seinen eigenen Comic­Zeichnungen und die seines Freundes und Geschäftspartners Kim Schmidt eine Veröffentlichungschance zu geben, die ihnen zu diesem Zeitpunkt kein anderer Verlag bot.

Neben der Verwaltung des eigenen Verlages zog es Jens Junge zum VWL­Studium nach Köln, was wie ein natürlicher Schritt nach dem Wirtschaftsabitur schien. Besonders herzerwärmend spricht er nicht von seiner Studienzeit. Denn in den Inhalten der Volks­ und Betriebswirtschaftslehre fehlte es dem Machermenschen an Realitätsnähe und Praxisbezug. Um der Eintönigkeit der IS­LM­Kurven und Zinsparitäten zu entkommen, konzentrierte er sich nebenbei zunehmend auf seine sportliche Leidenschaft: das Judo. In Godesberg, dem Landesleistungsstützpunkt der japanischen Kampfsportart, wurde er zum selbsternannten „Wurfmaterial für die Damennationalmannschaft“. Aus den sechs Jahren, in denen er Judo als Leistungssport praktizierte, lernte er unter anderem auch, zu verlieren; eine Lehre, die ihn in seinem gegenwärtigen Schaffen weiterhin von Vorteil ist. Frei nach dem Judo­Prinzip „Siegen durch Nachgeben“, weiß der damalige Blau­Gurt sich seine Kräfte einzuteilen. Das gegenseitige Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen ist die Grundlage für dieses körperbetonte Bewegungsspiel, für diesen Kampfsport, der den Gegner zum Partner macht. So stellt sich die Frage, wann es sich lohnt, die Zähne zusammen zu beißen, und wann man nachgeben sollte, um von der Überlegenheit des Gegenübers zu lernen?

Doch Jens Junge kann nicht nur Bleisätze für den Magazindruck setzen und eine volkswirtschaftliche

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