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KRISE

Vision statt Krise

„Krise“ – so lautet der Titel dieser Ausgabe des „pressesprecher“. In Fachbüchern und Expertenbeiträgen mangelt es nicht an Ratschlägen zur Krisenkommunikation. Die klingen in etwa so: Die Salamitaktik hat ausgedient. Krisenkommunikation ist Chefsache. Alle Fakten gehören auf den Tisch. Transparenz und Schnelligkeit sind entscheidend. Ein Unternehmen muss mit einer Stimme sprechen. Wer würde dem widersprechen?

Eine Reihe namhafter Unternehmen in Deutschland kriselt: die Automobilindustrie, die Banken und die Energiekonzerne an der Spitze. Diese Branchen stehen in der Kritik, weil ihr Geschäftsmodell in Frage gestellt wird. Es handelt sich nicht um Kommunikationskrisen. Es sind Unternehmenskrisen, die sich mit Kommunikation nicht aus der Welt schaffen lassen. Für Kommunikationsabteilungen ist dieser Zustand unangenehm. Sie müssen fast ausschließlich verteidigen. Es gibt kaum noch Möglichkeiten, mit positiven Botschaften durchzudringen.

Genau diese wären notwendig. Angesichts der latent depressiven Stimmung in Deutschland wären von Unternehmen Visionen gefordert. Wie lässt sich der Wunsch weiter Teile der Öffentlichkeit nach mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit Innovationen verbinden? Welchen Beitrag kann ein Unternehmen dabei leisten? Hier wären Antworten gefragt.

Im Interview ab Seite 8 erläutert Bayer-Kommunikationschef Michael Preuss, wie die Monsanto-Übernahme die Kommunikation beeinflusst und warum bei der aktuellen Kampagne die Mitarbeiter im Vordergrund stehen. RWE ist ein weiteres Unternehmen, das aufgrund von Kohle und Atomenergie in der Kritik steht. In der Öffentlichkeitsarbeit betont der Energiekonzern jetzt überwiegend seine Ökostrom-Aktivitäten (Seite 46).

Einige Unternehmen verstehen offenbar nicht, dass nicht jeder kritische Kommentar gleich ein Shitstorm und schon gar keine Krise ist. Ein aktuelles Beispiel ist die ängstliche Löschung eines Homöopathie-Witzes von Dr. Oetker. Ein Gastbeitrag auf Seite 36 widmet sich solchen mehr oder weniger relevanten Shitstorms. Diverse Kommunikationskrisen ausgelöst hat der Reporter Günter Wallraff, der in dieser Ausgabe genauso Thema ist wie die 24/7-Kommunikation. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr. Bis Februar!

Volker Thoms, Chefredakteur

Inhalt 6/ 2019

IM WORTLAUT

8 Raus aus der Defensive

Bayer-Kommunikationschef Michael Preuss über die Reputation des Konzerns, Monsanto und den Umgang mit Medien.

TITELTHEMA: KRISE

16 Vertrauensverlust

Der ehemalige „Handelsblatt“-Chefredakteur Bernd Ziesemer über Unternehmen in Krisensituationen.

18 Günter Wallraff

Der Investigativ-Reporter und sein Team recherchieren meist undercover. Sie ernten Respekt und Kritik.

22 Gut vorbereitet

Simulationen helfen Unternehmen, sich auf Krisenszenarien vorzubereiten.

26 Mehr als Ausputzer?

Kommunikatoren sollten mehr Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen. Sie sollten zu Gestaltern werden.

28 Konfrontation

Wenn „Frontal 21“ und Co. anklopfen, wird es selten schön. Wie sollen Kommunikatoren mit Investigativ-Medien umgehen?

32 Immer auskunftsbereit

24/7 – was bedeutet der kontinuierliche Nachrichtenfluss für PR und Krisenkommunikation?

36 Shitstorm oder nicht?

Warum nicht jeder negative Kommentar ein Shitstorm und nicht jeder Shitstorm eine Krise ist.

IM FOKUS: VISION

38 Purpose

Wie Unternehmen für sich den richtigen Purpose finden.

42 Visionäres Denken

Hirnforscher Henning Beck über Strategien, um kreativer zu werden.

46 Ein bisschen grüner

Mit der Kampagne „die neue RWE“ will der Energiekonzern seinen Nachhaltigkeitskurs kommunikativ unterstreichen.

48 Fridays for Future

Pressesprecherin Nele Brebeck über die Öffentlichkeitsarbeit der Aktivistengruppe und deren Ziele.

PRAXIS

52 Der richtige Frame

Framing ist in Verruf geraten. Die Methode kann helfen, Bekanntes aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

54 Kreative Köpfe

Marc Raschke und sein Team entwickeln für das Klinikum Dortmund ungewöhnliche Kampagnen. Ein Porträt.

58 Moralische Grenzgänger

Lars Rademacher vom PR-Rat über Verstöße der Branche gegen ihre eigenen Verhaltensregeln.

60 Mächtig oder machtlos?

Wie die Kommunikationsabteilung im Unternehmen eingegliedert sein sollte. Vier Beispiele.

64 Influencer-Marketing

Rezension von Alina Ludwigs Buch „Influence!“.

65 Noch zwei Bücher

Alessandro Baricco analysiert in „The Game“ die Topographie der digitalen Welt. Christof Ehrhart widmet sich dem „Erfolgsfaktor PR“.

KARRIERE

66 Neuer Job

Warum Boris Radke wieder in die Kommunikationsbranche zurückkehrt.

68 Alltagssexismus

Die Journalistin Julia Korbik über frauenfeindliche Sprüche und anzügliche Blicke.

72 Was mit Medien ...

Nina Höhler und Daniela Weltz beschreiben, weshalb sie sich für Jobs in der Kommunikation entschieden haben.

AGENTUREN

74 Ilan Schäfer

Der neue Deutschland-CEO will mit Weber Shandwick mehr kreative Ausrufungszeichen setzen.

86 Die besseren Influencer

Mit Petfluencern können Marken positive Emotionen erzeugen.

Gut vorbereitet in die Krise

Von MIRJAM STEGHERR

Unternehmen und Behörden simulieren regelmäßig mögliche Krisenszenarien. Glaubwürdigkeit gegenüber der Öffentlichkeit sollten sie allerdings bereits im Tagesgeschäft aufbauen.

Gestalter oder Ausputzer?

Von VOLKER THOMS

Krisen sind Sternstunden für Kommunikationsabteilungen: Sie können zeigen, was sie draufhaben. Manche Krise ließe sich allerdings vermeiden, wenn Kommunikatoren mehr Einfluss auf die Unternehmensstrategie hätten.

Mut zur Nähe

Von TILMAN BILLING

Berichten Medien kritisch über Unternehmen, gibt es oft Konflikte. Gerichtliche Auseinandersetzungen sowie ein negatives Image des Unternehmens können die Folge sein. Das muss nicht sein. Über den Umgang mit investigativen Reportern und Boulevardjournalisten.

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