3 I D LITÄT UKTION TIZITÄT
SARA HORNÄK (Hrsg.)
2I3ID SERIALITÄT REPRODUKTION AUTHENTIZITÄT Studentische Projekte aus den Seminaren der Grafik und Bildhauerei von Susanne Henning, Fabian Hesse, Sara Hornäk, Alfons Knogl, Lisa KuntzeFechner, Anna Penning, Eva Weinert und Hartmut Wilkening
2I3ID SERIALITÄT REPRODUKTION AUTHENTIZITÄT
Druck, Abdruck, Abguss und 3D-Druck sind künstlerische Techniken, die auf Vervielfältigung abzielen, serielle Möglichkeiten eröffnen, etwas reproduzieren und die Frage nach dem Authentischen aufwerfen. Wer druckt? Wer macht die Arbeit? Sieht man es dem Ergebnis an, ob es von einer menschlichen Hand oder einer Maschine gedruckt, manuell oder digital erzeugt wurde oder ist der Druck nicht immer schon medial, durch einen Druckstock, eine Druckpresse, eine Negativform oder eine Maschine vermittelt? Welche Rolle spielt ein Verfahren für das künstlerische Werk? Inwiefern prägen neue Technologien Inhalte und Formen und verändern so das Grafische oder das Skulpturale? Diese Fragen stellen sich nicht erst mit Erfindung des 3D-Drucks, sondern bereits in den seit Jahrtausenden gebräuchlichen Vervielfältigungstechniken im zwei- und dreidimensionalen Bereich. Die 9000 Jahre alten, in Anatolien gefundenen Stempelsiegel oder die 5000 Jahre alten Rollsiegel der Sumerer nehmen eine Zwischenposition zwischen flachem und plastischem Gebilde ein. Das Rollsiegel in Form eines Zylinders, in den figürliche oder ornamentale Darstellungen umlaufend hineingearbeitet wurden, lässt in weichem Material ein fortlaufendes Hochrelief entstehen und ermöglicht damit den Druck in Serie. Der Stempeldruck kann als Ursprung aller Drucktechnik angesehen werden. Durch die Einkerbungen und Einritzungen des Reliefs besitzt der Stempel selbst ein plastisches Moment, das auf die Beziehung zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Drucktechniken verweist. Neben der Weiterentwicklung von manuellen Drucktechniken in Europa im Hochmittelalter bis hin zu digitalen Medien heute hat sich auch die Plastik durch neue Abgussverfahren, neue Technologien und einen stark erweiterten Materialeinsatz grundlegend verändert. Dem Metallguss wurde der Beton-, Gips-, Wachs- oder Kunststoffguss an die Seite gestellt. Durch die Entwicklung flexibler Kunststoffe vereinfachen sich die Abgussverfahren stark. Neben der Funktion des Reproduzierens liegt die Faszination der Druckverfahren vor allem in der Möglichkeit, dem Abwesenden durch den Abdruck Präsenz zu verleihen, Unsichtbares zu materialisieren, mit Positiv- und Negativform zu spielen oder Konkaves gegen Konvexes zu setzen. Ein unmittelbarer Gegenstandsbezug, der aber nicht in der Abbildung besteht, ist in jeder Form von Abdruck oder Abguss gegeben. Auf diese Weise schwingt die Frage nach Präsentation und Repräsentation im Druck und Abdruck immer mit. Der Abdruck ist auch eine Spur von Welt, die Authentizität vorgibt und sich, vergleichbar mit dem Readymade, dem „Realen“ zuwendet. Die additive Fertigungstechnik des 3D-Drucks entspricht einer Weiterentwicklung von historischen Reproduktionstechniken in der Kunst. Ebenso wie in der Grafik bietet die zunehmende Digitalisierung damit auch in der Skulptur neue Möglichkeiten. 3D-Drucker, mit deren Hilfe sich mit relativ geringem Aufwand dreidimensionale Gegenstände drucken lassen, existieren für Materialien von Kunststoff über Metall bis hin zu Keramik. Seit 2015 finden mit Unterstützung des StudentLab3D an der Universität Paderborn verschiedene Seminare des Faches Kunst in Kooperation mit dem Direct Manufacturing Research Center statt. Die Studienwerkstatt wurde mit Geldern aus dem Förderpreis für
Innovation und Qualität in der Lehre der Universität Paderborn aufgebaut, der den Fächern Kunst und Maschinenbau (Anna Penning, Prof. Dr. Sara Hornäk, Johannes Lohn und Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Schmid) verliehen wurde. In insgesamt sechs Lehrveranstaltungen, für die auch externe Künstler gewonnen werden konnten, hatten Studierende des Faches Kunst dank der finanziellen Förderung die Möglichkeit, sich in dem neu eingerichteten StudentLab3D mit dem 3D-Druck vertraut zu machen und herauszufinden, inwieweit sich die neuen Technologien eignen, eigene skulpturale Fragestellungen zu entwickeln. In diesem Katalog und der dazugehörigen Ausstellung in der Burg Dringenberg sind Werke zusammengestellt, in denen Studierende künstlerisch mit analogen und digitalen Druckverfahren in der Fläche und im Raum arbeiten. Zu verschiedenen Themenstellungen setzen sie sich dabei mit der Geschichte und Wandlung des Druckes und Abdruckes auseinander. Durch die Gegenüberstellung der plastischen Arbeiten mit den Linolschnitten, Schablonendrucken und Siebdrucken wird deutlich, dass sowohl der zwei- als auch der dreidimensionale Druck als Abdruck, Abguss, Abformung und 3D-Druck mit Gegenstandsbezügen spielt und dass bei all diesen Formen Spuren der Welt im Bild oder Objekt hinterlassen werden. Auf welche Weise jedes neue Verfahren und jede künstlerische Herstellungspraxis als Vervielfältigungstechnik neue Gegenstandswelten hervorbringt, zeigen die in diesem Katalog dargestellten Werke der Studierenden auf sehr unterschiedliche und beeindruckende Weise. SARA HORNÄK
Entlang der Leitfrage des StudentLab3D „How far can you imagine?“ beschäftigen sich Studierende aus dem Seminar „Vom Skulpturalen ins Digitale und zurück“ von Anna Penning damit, die zukunftsweisende Technologie des 3D-Drucks auf künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten hin zu erkunden. Die Kunst bietet hier vielfältige Ansatzpunkte, um zum einen die Potenziale der Technologie bis an ihre Grenzen hin auszureizen, diese zum anderen aber auch kritisch zu hinterfragen und konzeptionell, medienreflexiv und gesellschaftskritisch zu beleuchten. Mit dem Freiraum für eigene Konzepte, Experimente und Umsetzungen ergeben sich zeichnerische Herangehensweisen an organische, emergente oder geometrische Strukturen, die ins Dreidimensionale transformiert werden. Neben der Herstellung von Rohlingen, die weiterentwickelt werden, von seriellen oder modularen Produktionen und Installationen entwickeln die Studierenden Modelle für Produkte aus Grenzbereichen zwischen Kunst und Design, Mode oder Architektur. Im Seminar „Skulptur und immaterielle Bildhauerei“ stellt Hartmut Wilkening eines der genannten ältesten Vervielfältigungsverfahren, die Drucktechnik mit Rollsiegeln, aktuellen
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3D-Drucktechniken gegenüber und untersucht analoge und digitale Herstellungsprozesse im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Mit Hilfe beider Technologien entwickeln die Studierenden Arbeiten und stellen dabei die Frage ins Zentrum, wie der technische Fertigungsprozess zu einem aussagekräftigen Bestandteil der künstlerischen Idee werden und digitale Daten eine materielle Form annehmen können. Hintergrund des Seminars ist die zunehmende Digitalisierung der Lebenswelt und parallel hierzu die Wiederentdeckung handwerklicher Traditionen. Formen des Abdrucks und Abgusses eignen sich in besonderer Weise, um das im Kontext architektonischer Fragestellungen zentrale Wechselverhältnis von Körper und Raum erfahrbar werden zu lassen. Dies zeigt sich im Seminar „Skulpturale Auseinandersetzungen mit der Architektur des Silos“ von Susanne Henning, in dem Studierende persönliche Zugänge zu dem als Seminargebäude dienenden ehemaligen Getreidespeicher erschließen und im skulpturalen Arbeiten zum Ausdruck bringen. Nach der Anfangseuphorie des 3D-Drucks als Ausdrucksmöglichkeit in zeitgenössischer Skulptur entwickelt sich ein zunehmend spezifischerer Umgang mit dieser Technik als einer Möglichkeit unter vielen. Zentral erscheint der Zugang zu bildhauerischen Fragen in einer internet-basierten Welt. Digitale Vorlagen und physisch reale Umsetzungen verschmelzen miteinander. Umgekehrt werden Transfermöglichkeiten aus der materiellen Welt in eine virtuelle durchgespielt und dabei neue Formen des künstlerischen Ausdrucks gefunden. Im Seminar „Gcode vs. Skulptur - Künstlerisch-bildhauerisches Experimentieren mit 3D-Druck“ von Alfons Knogl und Fabian Hesse stehen die Fragen im Vordergrund, welche 3D-Druckverfahren es gibt, wie sie funktionieren und wie man mit diesen Techniken künstlerisch umgehen kann. Scannen, programmieren, modellieren - auf welche Art und Weise komme ich zu 3D-druckfähigen Dateien? Oder geht es sogar ohne? Ist die Verfahrenstechnik des 3D-Drucks eine Erweiterung der bildhauerischen Technik oder sollte man in Bezug auf diese Technik bereits grundsätzlich anders über Objekte und deren Entstehung nachdenken? Anhand einer Einführung in unterschiedliche Software- und Drucktechniken und anhand von Künstlerbeispielen wirken diese Fragen als Impuls für die Studierenden, um eine eigene Arbeit zu entwickeln und in einen diskursiven Austausch untereinander zu treten. Alfons Knogl und Fabian Hesse unterstützen die Studierenden dabei, eigene künstlerische Arbeiten umzusetzen, die sich nicht in einer technischen Verliebtheit des 3D-Drucks verlieren. Sie werden ermutigt, Potenziale künstlerischen Experimentierens auszuloten sowie eine Reflexion der künstlerischen Möglichkeiten des Mediums in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen. Ausgehend vom Gegenstand, seiner Bedeutung, Materialität und Form zeichnen, modellieren und formen die Studierenden im Seminar von Sara Hornäk „Der Gegenstand: Ordnung, Struktur, Aufbau. Form-, Abform- und 3D-Druckverfahren in der Skulptur“. Den Ausgangspunkt des plastischen Arbeitsprozesses bildet die Analyse von natürlichen und
technischen Gegenständen, ihren Ordnungen, Strukturen und ihrem Aufbau. Zeichnungen, Bildersammlungen, Fotografien von Vorgefundenem werden durch Transformationen mehr und mehr angeeignet und in neue, eigenständige Formen und Bildformen überführt. Die Abstraktion vom Gegenstand erfolgt über verschiedene analoge und digitale Form-, Abform- und 3D-Druckverfahren, über Umsetzungen vom Positiv ins Negativ und umgekehrt oder über die Umsetzung in neue Materialien. In enger Abstimmung mit dem Grafikseminar von Eva Weinert werden Einführungen in analoge und digitale Formund 3D-Druckverfahren gegeben. Skulptural arbeiten die Studierenden mit klassischen Abformmethoden und Gusstechniken. Aus Materialien wie Wachs, Gips, Beton, Latex, Silikon lassen sich Güsse herstellen. Als Schnittstelle von Grafik und Skulptur im digitalen Bereich erfolgt zudem eine technische Einführung in den 3D-Druck und die erforderliche 3D- Animations-Software, mit der Objekte am Bildschirm modelliert und texturiert werden. Die Software kann auch so programmiert werden, dass sie selbst die Produktion des Kunstwerks übernimmt und der künstlerische Akt nicht mehr im Modellieren des Werkes, sondern im Modellieren der Soft- oder Hardware von Computer und Drucker besteht. Durch die Wichtigkeit des künstlerischen Prozesses in allen Druckverfahren tritt dieser teilweise in Konkurrenz zum Werkergebnis oder nimmt selber Werkcharakter an. Die Bedeutung von Vervielfältigungstechniken wird in der Druckgrafik sichtbar, da serielle Verfahren und Reproduktionstechniken die Frage nach Authentizität im Bild hier immer schon aufgeworfen haben. Parallel zum Seminar von Sara Hornäk führt Eva Weinert in ihrem Seminar unter demselben Titel „Der Gegenstand“ in Grundlagen des Hoch- und Siebdrucks ein. Ausgangspunkt ist auch hier die Fokussierung des Interesses durch die zeichnerische Auseinandersetzung mit dem gewählten dreidimensionalen Gegenstand, dessen Ordnungen und Strukturen transformiert werden. Schon die Zeichnung abstrahiert die Ausgangsform unter den Bedingungen der Bildfläche. Die Hochdrucktechniken fordern weitere Reduzierung und die ausdrucksstarke Umsetzung der zeichnerischen Linie in großflächige Positiv- und Negativformen. Beim Siebdruck kann neben zeichnerisch erarbeiteten Druckvorlagen auch fotografisches Ausgangsmaterial genutzt werden. Auch die Siebdrucke überführen den ausgewählten Gegenstand durch Rasterung, farbliche Verfremdung, Fragmentierung und Neukombination der flächigen Formteile in eigenständige grafische Formfindungen. ANNA PENNING, HARTMUT WILKENING, SUSANNE HENNING, ALFONS KNOGL, SARA HORNÄK, EVA WEINERT
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Katharina Schmitz Maike Sturm Katharina Eden Nicole Otto Helena Pehle Johanna Pape Vitalij Isaak Annika Stuckmann Mira Falke Lesley Voigt Jennifer Rojahn Julia Theis Christina Kemper Julia Timmer Charlena Prechtl Marlene Sicher Franziska Greinke Elisabeth Hecker Vanessa Bloร Yulia Reshetnikova Gabriel Dreyer Kevin Dรถmer Caroline Trilsbach Laura Salamon
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Caroline Schniedermeier Stefanie Wiebe Felix Wall Maike Sturm Julia Hilus Berta Kolesnikov Maria Nebeling Julian Hetland Mattea Cubelic Laura Fabritz Helena Pehle Eileen Schmidt Martina Hinney Paulina Amelie Holtz Svenja Langer Amelie Becker Sarah Findeis, Gabriel Dreyer Annika Stuckmann Dennis Gies Caroline Trilsbach Mark Christian Trunkwalter Annika Stuckmann Ann Cathrin Schaffer Anne Fabienne Jackisch
Impressum
Konzeption: Sara Hornäk, Alfons Knogl, Eva Weinert Design: Alfons Knogl Fotos: Florian Salim Shirazy und Studierende Auflage: 250 ISBN: 978-3-9813747-4-2 Universität Paderborn 2016 Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung 2I3ID vom 19.06.2016 bis 07.08.2016 im Museum Burg Dringenberg, Bad Driburg.
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